vorgehend
Amtsgericht Bergisch Gladbach, 63 C 255/08, 13.01.2009
Landgericht Köln, 9 S 52/09, 14.10.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 84/09
vom
27. April 2010
In dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 B, Fd, Ff
Ein Rechtsanwalt darf die Übersendung von fristgebundenen Schriftsätzen einschließlich
der Kontrolle des Sendeberichts und der Streichung der Frist im Kalender regelmäßig
einer geschulten und sich bisher als zuverlässig erwiesenen Mitarbeiterin überlassen.
Ihn trifft grundsätzlich keine Verpflichtung, sich anschließend zu vergewissern,
ob diese die Aufgabe weisungsgemäß ausgeführt hat (im Anschluss an BGH, Beschluss
vom 20. Oktober 2009 - VIII ZB 97/08, juris, Tz. 8). Streicht er nach Unterrichtung
über die ordnungsgemäße Übermittlung des Schriftsatzes eigenhändig die Frist
im Kalender, ist ihm regelmäßig nicht schon deswegen ein eigenes Verschulden an
einer durch das Fehlschlagen der Faxübermittlung verursachten Fristversäumung anzulasten
, weil er sich zuvor nicht persönlich von der Richtigkeit der ihm von seiner Mitarbeiterin
erteilten Auskunft überzeugt hat. Die Sachlage stellt sich insoweit nicht anders
dar, als wenn er die Streichung im Fristenkalender seiner Mitarbeiterin überlassen
hätte (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 11. Februar 2009 - IV ZB 26/08, NJW-RR
2009, 785).
BGH, Beschluss vom 27. April 2010 - VIII ZB 84/09 - LG Köln
AG Bergisch Gladbach
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. April 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterinnen Dr. Milger
und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 14. Oktober 2009 aufgehoben. Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 13. Januar 2009 gewährt. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 14.914 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin hat den Beklagten auf Räumung einer Mietwohnung und auf Zahlung rückständiger Mieten in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat den Beklagten durch Teilurteil vom 13. Januar 2009 zur Räumung und zur Zahlung eines Teils der geltend gemachten Mieten verurteilt. Das Urteil ist dem Be- klagten am 7. Februar 2009 zugestellt worden. Seine hiergegen gerichtete Berufung ist am 6. März 2009 beim Landgericht eingegangen. Am letzten Tag der - bis einschließlich 5. Mai 2009 verlängerten - Berufungsbegründungsfrist ging beim Landgericht per Telefax die erste Seite der Berufungsbegründung ein. Das eingegangene Schriftstück war nicht vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten unterzeichnet. Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts wurde einen Tag später - ebenfalls per Telefax - der vollständige Text der zweiseitigen Berufungsbegründung einschließlich der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Beklagten übermittelt.
2
Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2009, beim Landgericht am selben Tag eingegangen , hat der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Rechtfertigung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Beklagte vorgetragen und glaubhaft gemacht, sein Prozessbevollmächtigter habe einer seit 1. April 2008 bei ihm tätigen, geschulten und zuverlässigen Bürokraft, die Weisungen bislang sorgfältig und fehlerlos ausgeführt habe, den Auftrag erteilt, die am 5. Mai 2009 gefertigte Berufungsbegründung unmittelbar nach Unterzeichnung an das Landgericht per Telefax zu übermitteln. Dabei habe sein Prozessbevollmächtigter die - im Umgang mit dem Faxgerät vertraute - Anwaltsgehilfin in Übereinstimmung mit einer allgemeinen Handhabung angewiesen, das Sendeprotokoll auszudrucken und darauf zu überprüfen, ob der Originalschriftsatz vollständig und ordnungsgemäß übermittelt worden sei. Außerdem sei die Mitarbeiterin angewiesen worden, den Beklagtenvertreter über den Erfolg oder das Fehlschlagen der Übermittlung zu unterrichten und ihm im letztgenannten Fall das Sendeprotokoll vorzulegen. Die Bürokraft habe den zweiseitigen Schriftsatz einschließlich zweier Abschriften in das Faxgerät eingelegt. Dabei seien alle sechs Seiten fehlerfrei eingezogen und gelesen worden. Übertragungsfehler, die üblicherweise sowohl durch ein akustisches Signal (Piepton) als auch auf dem Display ange- zeigt und in einem Fehlerprotokoll ausgewiesen würden, seien nicht aufgetreten. Nach der Übermittlung des Schriftsatzes nebst Abschriften habe die Mitarbeiterin den Sendebericht ausgedruckt und überprüft. Hierbei habe sie der Meldung unter der Sendenummer 5 ("FL54") im Hinblick auf den unter der Sendenummer 6 angezeigten Vermerk "OK" keine Bedeutung beigemessen und den Beklagtenvertreter von der ordnungsgemäßen Übermittlung der Berufungsbegründung unterrichtet. Daraufhin habe dieser selbst die Frist im Kalender gestrichen. Nach dem Benutzerhandbuch zeige der Fehlercode "FL54" die Meldung an: "Keine Übertragung möglich wegen schlechter Qualität der Telefonverbindung".
3
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dabei hat es ausgeführt, die Fristversäumung sei auf ein dem Beklagten zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurückzuführen. Dabei könne dahinstehen, ob die in dessen Kanzlei praktizierte Ausgangskontrolle den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen genüge. Denn der Beklagtenvertreter habe schuldhaft in das auf einer allgemeinen Büroanweisung beruhende System der Ausgangskontrolle eingegriffen und hierdurch die Fristversäumung verursacht. Da er - entgegen der sonst üblichen Praxis - selbst die Löschung der Frist im Kalender vorgenommen habe, sei er verpflichtet gewesen , sich eigenhändig von der ordnungsgemäßen Absendung des Telefaxschreibens zu überzeugen und habe sich nicht auf die Mitteilung seiner Bürogehilfin verlassen dürfen.
4
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde. Er macht geltend, die verspätete Übermittlung der Berufungsbegründung beruhe ausschließlich auf einem - dem Beklagten nicht anzulastenden - Fehlverhalten der Bürokraft seines Prozessbevollmächtigten. Der Beklagtenvertreter habe sich darauf verlassen dürfen, dass seine Mitarbeiterin die allgemeine Büroanweisung und die damit übereinstimmende Einzelanweisung ordnungsgemäß ausführe.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die angegriffene Entscheidung verletzt den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ). Denn sie überspannt in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise die Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. November 2004 - VIII ZB 32/04, NJW-RR 2005, 1006, unter III 2, und vom 20. Oktober 2009 - VIII ZB 97/08, juris, Tz. 8, jeweils m.w.N.).
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Dem Beklagten, der die Frist zur Berufungsbegründung um einen Tag versäumt hat, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er war ohne sein Verschulden daran gehindert, diese Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Beklagten beruht das Fristversäumnis nicht auf einem - ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden - Eigenverschulden seines Prozessbe- vollmächtigten, sondern allein auf einem Fehlverhalten der mit der Versendung des Begründungsschriftsatzes vom 5. Mai 2009 beauftragten Büroangestellten.
8
a) Ein Rechtsanwalt hat zwar durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen , dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Er muss aber nicht jeden zur Fristwahrung erforderlichen Arbeitsschritt persönlich ausführen, sondern ist grundsätzlich befugt, einfachere Verrichtungen zur selbständigen Erledigung seinem geschulten Personal zu übertragen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, unter 1; vom 4. April 2007 - III ZB 109/06, NJW-RR 2007, 1429, Tz. 7; vom 3. Dezember 2007 - II ZB 20/07, NJW-RR 2008, 576, Tz. 15; Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2009, aaO, Tz. 12; jeweils m.w.N.). Dies gilt auch für die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes mittels eines Telefaxgerätes (BGH, Beschlüsse vom 14. Februar 2006 - VI ZB 44/05, NJW 2006, 1521, Tz. 12; vom 4. April 2007, aaO; vom 3. Dezember 2007, aaO; Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2009, aaO; jeweils m.w.N.).
9
b) Diesen Anforderungen hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten genügt. Er hat seiner seit 1. April 2008 bei ihm tätigen, geschulten und zuverlässigen Bürokraft, die bis dahin Weisungen sorgfältig und fehlerlos ausgeführt hatte, den Auftrag erteilt, die am 5. Mai 2009 gefertigte Berufungsbegründung unmittelbar nach Unterzeichnung per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln. Dabei hat er die - im Umgang mit dem Faxgerät vertraute - Anwaltsgehilfin zugleich angewiesen, das Sendeprotokoll auszudrucken und darauf zu überprüfen, ob der Originalschriftsatz vollständig und ordnungsgemäß übermittelt worden ist. Außerdem ist die Mitarbeiterin angewiesen worden, den Beklagtenvertreter über den Erfolg oder das Fehlschlagen der Übermittlung zu unterrichten. Diese Vorkehrungen waren ausreichend. Hätte die Kanzleikraft die übertragene Aufgabe ebenso zuverlässig wie bisher erledigt und den Inhalt des Sendeprotokolls richtig gedeutet, wäre die fehlgeschlagene Übermittlung der zweiten Seite der Berufungsbegründung aufgefallen und ein rechtzeitiger Eingang des gesamten Schriftsatzes (§ 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO) beim Berufungsgericht gewährleistet gewesen.
10
Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Beklagten stand die erteilte Einzelanweisung, soweit sie sich auf die Überprüfung des Sendeberichts bezog, im Einklang mit der allgemeinen Handhabung bei der Versendung von Schriftstücken per Telefax. Hiervon geht auch das Berufungsgericht aus. Da sich die konkrete Einzelanweisung insoweit mit den allgemeinen Bürovorkehrungen deckte, schuf sie bei der eingesetzten Bürokraft keine Unklarheit über die Reichweite der ihr abverlangten Kontrolle (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - V ZB 191/08, NJW 2009, 3036, Tz. 9 ff.). Vielmehr war ihr der Inhalt und der Umfang der ihr obliegenden Pflichten bekannt. Sie interpretierte jedoch die Angaben auf dem ausgedruckten Sendebericht fälschlicherweise dahin, dass die Sendung erfolgreich übermittelt worden war. Das vorlegte Sendeprotokoll weist unter der angegebenen Telefaxnummer des Berufungsgerichts zwei Einträge auf. Der erste Eintrag lautet: "Seiten 02 - FL54". Der direkt darunter befindliche Eintrag lautet: "Seiten 01 - OK". Außer dem angegebenen Code gab es keine Hinweise auf ein Fehlschlagen der ersten Übermittlung. Anders als bei sonstigen Übertragungsfehlern üblich, ertönte weder ein akustisches Signal (Piepton) noch erfolgte eine Anzeige auf dem Display oder eine Beschreibung des aufgetretenen Problems im Sendebericht.
11
c) Dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten kann nicht angelastet werden, dass er die Ausführung der ausgegebenen Anweisungen nicht überwacht hat. Die seiner Mitarbeiterin erteilte Anweisung, die unterzeichnete Berufungsbegründung per Fax unter der von ihm angegeben Nummer an das Beru- fungsgericht zu übermitteln, hatte - ebenso wie die daneben im Einklang mit der allgemein bestehenden Handhabung erteilte Weisung, den Ausdruck des Sendeberichts abzuwarten und diesen darauf zu überprüfen, ob die Übermittlung erfolgreich durchgeführt wurde - einfache Aufgaben zum Gegenstand. Bei solchen Tätigkeiten darf ein Rechtsanwalt regelmäßig darauf vertrauen, eine ansonsten zuverlässig und sorgfältig arbeitende Bürokraft werde sie fehlerfrei erledigen (Senatsbeschlüsse vom 17. Juli 2007 - VIII ZB 107/06, juris, Tz. 4, und vom 20. Oktober 2009, aaO, Tz. 17; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09, juris, Tz. 16 f.; jeweils m.w.N.). Ihn trifft keine Verpflichtung, sich anschließend zu vergewissern, ob die Weisung ordnungsgemäß ausgeführt wurde (Senatsbeschlüsse vom 29. Juli 2003 - VIII ZB 107/02, FamRZ 2003, 1650; vom 20. Oktober 2009, aaO; BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 2009, aaO; vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08, NJW 2009, 296, Tz. 10; vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05, NJW 2006, 1519, Tz. 11; vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03, NJW-RR 2004, 711, unter II; jeweils m.w.N.). Dies gilt in gleicher Weise für allgemeine Weisungen und für konkrete Anweisungen im Einzelfall (Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2009, aaO; BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2003, aaO; vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98, VersR 1999, 1170, unter [II] 2 b bb; jeweils m.w.N.).
12
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war der Prozessbevollmächtigte des Beklagten auch nicht deswegen gehalten, den Sendebericht deswegen eigenhändig zu überprüfen, weil er abweichend von der bisherigen Handhabung die Löschung der Frist im Kalender nicht seiner Bürokraft überlassen , sondern die Frist nach erfolgter Mitteilung über die ordnungsgemäße Übermittlung der Berufungsbegründung selbst gestrichen hat. Denn durch diese Abweichung von der bisher praktizierten Vorgehensweise hat er weder eine unklare Lage hervorgerufen noch weitere Gefahrenquellen geschaffen. Wie bereits ausgeführt, war er angesichts der klar umrissenen und einfach gelagerten Tätigkeit berechtigt, die Kontrolle des Sendeberichts und die Streichung der Frist im Kalender ausschließlich seiner geschulten Mitarbeiterin zu überlassen. Wenn er sich zusätzlich durch eine - nicht geschuldete - konkrete Nachfrage über die Ausführung eines konkreten Auftrags vergewissert, gereicht dieses überobligationsmäßige Verhalten seinem Mandanten nicht zum Nachteil (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289, unter [II] 1). Ebenso wenig stellt die von seinem Prozessbevollmächtigten eigenhändig vorgenommene Streichung der Frist im Kalender ein - dem Beklagten zuzurechnendes - Eigenverschulden des Anwalts dar. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war dieser nicht verpflichtet, sich zuvor persönlich von der Richtigkeit der ihm von seiner Mitarbeiterin erteilten Auskunft zu überzeugen. Denn die Sachlage stellt sich hier nicht anders dar, als wenn der Beklagtenvertreter die Streichung im Fristenkalender seiner Mitarbeiterin überlassen hätte. Anders als das Berufungsgericht meint, hat der Beklagtenvertreter dadurch, dass er nach Abschluss der erforderlichen Überprüfungsmaßnahmen den letzten Schritt selbst vollzogen hat, nicht schuldhaft zur Fristversäumung beigetragen. Er hat hierdurch nämlich keine zusätzlichen Fehlerquellen geschaffen. Das Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ändert nichts daran, dass die Berufungsbegründung bei ordnungsgemäßer Erledigung der der Mitarbeiterin zulässigerweise übertragenen Aufgaben rechtzeitig beim Landgericht eingegangen wäre.
13
Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung in einem wesentlichen Punkt von der Sachverhaltskonstellation, mit der sich der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung zu befassen hatte (vgl. Beschluss vom 11. Februar 2009 - IV ZB 26/08, NJW-RR 2009, 785). Im dortigen Fall wurde die Fristversäumung dadurch ausgelöst , dass die Kanzleikraft einen fristgebundenen Schriftsatz in der Postmappe übersehen hatte. Wenn die Mitarbeiterin - dem bislang praktizierten System der Ausgangskontrolle folgend - für die Streichung der Frist verantwortlich geblieben wäre, hätte sie zuvor überprüfen müssen, ob ihr ein Ausdruck über eine erfolgreiche Telefaxübermittlung vorlag. Da der Rechtsanwalt die Löschung der Frist selbst übernommen, sich aber nicht zuvor von der erfolgten Absendung überzeugt und damit eine Lücke im Kontrollsystem geschaffen hatte , trug er schuldhaft zur Fristversäumung bei. Vorliegend steht jedoch ein anderes Fehlverhalten des Büropersonals (Missdeutung der Angaben auf dem Sendeprotokoll) in Rede. Die bis dahin als zuverlässig geltende Kanzleikraft hatte den Schriftsatz - wenn auch nicht vollständig - abgesandt und anschließend das Sendeprotokoll ausgedruckt und überprüft. Die zur Löschung der Frist erforderlichen Prüfungsschritte wurden also, wenn auch fehlerhaft, von einer ausgebildeten Kraft vorgenommen. Bei dieser Sachlage durfte sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten darauf verlassen, dass die geschulte Anwaltsgehilfin die übertragene Versendung der Berufungsbegründung ordnungsgemäß ausgeführt und den Inhalt des Sendeprotokolls richtig gedeutet hatte (Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2009, aaO, Tz. 17; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006, aaO; jeweils m.w.N.).
14
Der verspätete Zugang der Berufungsbegründung beruht damit ausschließlich auf einem dem Beklagten nicht zuzurechnenden Fehlverhalten der Büroangestellten seines Prozessbevollmächtigten. Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Bergisch Gladbach, Entscheidung vom 13.01.2009 - 63 C 255/08 -
LG Köln, Entscheidung vom 14.10.2009 - 9 S 52/09 -

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 97/08
vom
20. Oktober 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 B, Fd, Ff
Erteilt ein Rechtsanwalt einer bis dahin sorgfältig arbeitenden Büroangestellten
die konkrete Einzelanweisung, einen von ihm unterzeichneten Antrag auf
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vorab an das Berufungsgericht
zu faxen, ist es ihm nicht als Organisationsverschulden anzurechnen, wenn
die Angestellte dieser Weisung zwar nachkommt, dabei aber die zusätzlich
bestehende, durch die Einzelanweisung nicht außer Kraft gesetzte allgemeine
Anweisung missachtet, bei Faxsendungen - insbesondere bei fristgebundenen
Schriftsätzen - den Versand des Schriftstücks abzuwarten und den
Sendebericht auf die gelungene Übermittlung des Schriftsatzes zu überprüfen.
BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - VIII ZB 97/08 - OLG München
LG München I
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Oktober 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Hessel, den Richter
Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. November 2008 aufgehoben. Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München vom 23. Juni 2008 gewährt. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 4.881,78 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung rückständiger Leasingraten, auf Schadensersatz wegen vorzeitiger Rückgabe des geleasten Fahrzeugs und auf Ersatz von Abholungskosten in Höhe von insgesamt 8.178,70 € in Anspruch genommen. Das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Landgerichts ist dem Beklagten am 1. Juli 2008 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist am 1. August 2008 beim Oberlandesgericht eingegangen. Mit Schriftsatz vom 28. August 2008 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um drei Wochen bis zum 22. September 2008 beantragt. Das Fristverlängerungsgesuch ist allerdings erst am 2. September 2008 per Telefax und als Einwurf- oder Postsendung am 3. September 2008 beim Oberlandesgericht eingegangen.
2
Der Vorsitzende des zuständigen Senats hat mit Verfügung vom 2. September 2008 die Frist zur Begründung der Berufung um drei Wochen verlängert. Auf den Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22. September 2008, per Telefax am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangen, hat der Vorsitzende eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 30. September 2008 bewilligt. Die Berufungsbegründung des Beklagten ist am 30. September zum Oberlandesgericht gelangt.
3
Mit Verfügung vom 1. Oktober 2008 hat der Vorsitzende den Hinweis erteilt , der Antrag auf Verlängerung dieser Frist sei erst am 2. September und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist per Fax beim Oberlandesgericht eingegangen, weswegen die Fristverlängerungen ins Leere gingen und die Frist zur Berufungsbegründung versäumt sei. Daraufhin hat der Beklagtenvertreter den ursprünglichen Fristverlängerungsantrag wiederholt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und der Frist zur Stellung eines Verlängerungsantrags begehrt.
4
Zur Rechtfertigung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Beklagte vorgetragen und glaubhaft gemacht, eine seit über zwei Jahren in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten tätige, äußerst sorgfältig und gründlich arbeitende Anwaltsgehilfin habe den Auftrag erhalten, das Fristverlängerungsgesuch vom 28. August 2008 vorab an das Oberlandesgericht zu faxen. Sie habe den vom Prozessbevollmächtigten unterzeichneten und in der Unterschriftenmappe an sie zurückgeleiteten Schriftsatz am Abend des 1. September 2008 auf das Faxgerät gelegt. Zuvor habe sie sich im Fristenbuch vergewissert, dass eine Faxsendung an diesem Tag noch rechtzeitig gewesen sei. Wie sich im Nachhinein herausgestellt habe - das zerrissene Sendeprotokoll sei später im zum Schreddern vorgesehenen Altpapier aufgefunden worden -, habe die Mitarbeiterin den Schriftsatz am 1. September 2008 um 16.59 Uhr an die richtige Faxnummer gesendet. Sie habe aber wegen des anstehenden Dienstschlusses ausnahmsweise den Ausdruck des Sendejournals nicht abgewartet und daher nicht erkannt, dass die Faxsendung nicht erfolgreich übermittelt worden sei. Am darauf folgenden Tag sei der Schriftsatz ordnungsgemäß an das Oberlandesgericht gefaxt worden.
5
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dabei hat es ausgeführt, es sei nicht glaubhaft gemacht, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Sorgfalt eines ordentlichen Anwalts eingehalten habe und der Fristverstoß ausschließlich auf ein - dem Beklagten nicht zuzurechnendes - Verschulden des Büropersonals zurückzuführen sei. Eine Glaubhaftmachung setze voraus, dass die eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen überwiegend wahrscheinlich seien. Hieran fehle es, wenn der Sachvortrag - wie hier - widersprüchlich und damit nicht nachvollziehbar sei. Es sei nicht ersichtlich , weshalb das Fristverlängerungsgesuch vom 28. August 2008 nicht bis zum Ablauf des 1. September 2008 übermittelt worden sei. Daher sei eine ausreichende Beurteilungsgrundlage für ein fehlendes Verschulden des Beklagtenvertreters nicht vorhanden.
6
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde. Der Beklagte macht in erster Linie geltend, die gewährte Fristverlängerung sei trotz ihrer Fehlerhaftigkeit wirksam, so dass die Berufungsbegründungsfrist gewahrt sei. Falls gleichwohl eine Fristversäumung bejaht werde, sei jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn die verspätete Übermittlung des Fristverlängerungsgesuchs beruhe ausschließlich auf einem - dem Beklagten nicht anzulastenden - Fehlverhalten der Bürokraft seines Prozessbevollmächtigten. Das Oberlandesgericht habe unter Verletzung der verfassungsrechtlich verbürgten Grundsätze auf Gewährung rechtlichen Gehörs und auf Einhaltung eines fairen Verfahrens davon abgesehen, den Beklagten auf eine erforderliche Ergänzung seines Vorbringens hinzuweisen. Die vom Gericht geäußerten Zweifel an der Nachvollziehbarkeit und Wahrscheinlichkeit des geschilderten Geschehensablaufs hätten - soweit überhaupt erheblich - durch einfache Erläuterungen ausgeräumt werden können. Da das Oberlandesgericht die gebotenen Hinweise unterlassen habe, könne der Beklagte ergänzende Angaben nachholen.

II.

7
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die angegriffene Entscheidung ist unter Missachtung des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung rechtli- chen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ergangen und verletzt zudem den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Denn sie überspannt in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise die Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes (vgl. Senatsbeschluss vom 16. November 2004 - VIII ZB 32/04, NJWRR 2005, 1006, unter III 2 m.w.N.).
9
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Zwar hat der Beklagte die Frist zur Berufungsbegründung versäumt. Ihm ist aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden daran gehindert war, diese Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Nach dem glaubhaft gemachten und im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzten Vorbringen des Beklagten beruht das Fristversäumnis ausschließlich auf einem - weder dem Prozessbevollmächtigten noch der von ihm vertretenen Partei anzulastenden (§ 85 Abs. 2 ZPO) - Fehlverhalten der mit der Versendung des Fristverlängerungsantrags vom 28. August 2008 beauftragten Büroangestellten.
10
a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat der Beklagte die Frist zur Begründung seiner am 1. August 2008 eingelegten Berufung versäumt. Dem am 2. September 2008, also einen Tag nach Ablauf der Berufungsbegründungfrist (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO), eingegangenen Fristverlängerungsgesuch hätte der Vorsitzende des zuständigen Berufungssenats nicht stattgeben dürfen. Denn eine abgelaufene Frist kann - was letztlich auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel zieht - nicht verlängert werden. Die gleichwohl gewährte Fristverlängerung blieb damit - wie auch das Berufungsgericht nachträglich erkannt hat - ohne Wirkung. Dies hat der Bundesgerichtshof im Jahr 1991 unter ausdrücklicher Aufgabe der von der Rechtsbeschwerde angeführten gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden (BGHZ 116, 377, 378 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Januar 1996 - XII ZB 184/95, NJW-RR 1996, 513, unter II 2). Dem hat sich das Schrifttum überwiegend angeschlossen (Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 520 Rdnr. 16a; Musielak /Ball, ZPO, 7. Aufl., § 520 Rdnr. 12; Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 520 Rdnr. 15; aA MünchKommZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl., § 520 Rdnr. 19).
11
b) Dem Beklagten ist aber auf sein rechtzeitig angebrachtes Gesuch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Die Fristversäumung beruht nach den glaubhaft gemachten Angaben des Beklagten nicht auf einem - ihm zuzurechnenden - Eigenverschulden seines Prozessbevollmächtigten, sondern allein auf einer fehlerhaften Erledigung der dessen Büropersonal übertragenen Aufgaben.
12
aa) Ein Rechtsanwalt hat zwar durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen , dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Er muss aber nicht jeden zur Fristwahrung erforderlichen Arbeitsschritt persönlich ausführen, sondern ist grundsätzlich befugt, einfachere Verrichtungen zur selbständigen Erledigung seinem geschulten Personal zu übertragen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2007 - II ZB 20/07, NJW-RR 2008, 576, Tz. 15; vom 4. April 2007 - III ZB 109/06, NJW-RR 2007, 1429, Tz. 7; vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, unter 1; jeweils m.w.N.). Dies gilt auch für die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes mittels eines Telefaxgerätes (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2007, aaO; vom 4. April 2007, aaO; vom 14. Februar 2006 - VI ZB 44/05, NJW 2006, 1521, Tz. 12; vom 11. Februar 2003, aaO; vgl. ferner Senatsbeschluss vom 17. Juli 2007 - VIII ZB 107/06, juris , Tz. 4; jeweils m.w.N.).
13
bb) Diesen Anforderungen hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten genügt. Er hat seiner seit zwei Jahren in seinem Büro tätigen Angestellten, die sich bis dahin als sorgfältig und zuverlässig erwiesen hatte, die konkrete Einzelanweisung erteilt, das ihr rechtzeitig zum 1. September 2008 in einer Unterschriftenmappe zugeleitete, vom Beklagtenvertreter unterzeichnete Fristverlängerungsgesuch vorab per Fax an das Berufungsgericht zu übermitteln. Bei ordnungsgemäßer Befolgung dieser Weisung und bei Beachtung der - sie ergänzenden - allgemeinen Anweisungen über die bei Faxsendungen einzuhaltende Verfahrensweise wäre der rechtzeitige Eingang eines formgerechten Fristverlängerungsantrags (§ 130 Nr. 6 ZPO) beim Berufungsgericht gewährleistet gewesen. Der Beklagte hat im Rechtsbeschwerdeverfahren unter Bezugnahme auf die bereits dem Berufungsgericht vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten ergänzend vorgetragen, im Büro seines Prozessbevollmächtigten bestehe die allgemeine Anweisung, bei Faxsendungen - insbesondere bei fristgebundenen Schriftsätzen - den Versand des Schriftstücks abzuwarten und den Sendebericht auf die gelungene Übermittelung des Schriftsatzes (Aufdruck "OK") zu überprüfen. Damit hat er nach seinem glaubhaft gemachten Vorbringen ausreichende organisatorische Maßnahmen für eine rechtzeitige Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen getroffen.
14
cc) Das Berufungsgericht hat gleichwohl ausreichenden Vortrag zu der Handhabung von Sendeprotokollen und zur Gewährleistung der Ausgangskontrolle vermisst. Es hat letztlich aus dem der Angestellten unterlaufenen Fehler und dem Umstand, dass der ursprüngliche Sendebericht zum Altpapier gelangt ist, den Schluss auf eine unzureichende Büroorganisation bei der Versendung von Telefaxen gezogen. Dem ist nicht zu folgen.
15
Zunächst hätte das Berufungsgericht seine Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch nicht auf die vom ihm beanstandete Lückenhaftigkeit des Beklagtenvorbringens stützen dürfen, ohne vorher auf bestehende Bedenken hinzuweisen und dem Beklagten die Möglichkeit zu geben, Unklarheiten auch nach Ablauf der in § 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO geregelten Frist auszuräumen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 2007 - XII ZB 232/06, NJW 2007, 3212, Tz. 5, 8; vom 19. Juni 2006 - II ZB 25/05, NJW-RR 2006, 1501, Tz. 9, 13; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 4. März 2004 - IX ZB 71/03, FamRZ 2004, 1552, unter [II 2] b, jeweils m.w.N.). Auf einen solchen Hinweis hätte der Beklagte dem Berufungsgericht - wie nun in der Rechtsbeschwerde geschehen - nachvollziehbar erläutern können, dass das Faxjournal vom 1. September 2008 deswegen in den Altpapierbehälter gelangt ist, weil sich die Anweisung, die Journale zu den Akten zu nehmen, nur auf Sendeberichte bezog, die eine erfolgreiche Übermittlung dokumentierten. Angesichts der klaren Weisung, die erfolgreiche Versendung eines Schriftstücks per Fax abzuwarten, besteht und bestand für den Beklagtenvertreter keine Veranlassung, auch Sendeprotokolle über fehlgeschlagene Sendungen aufzubewahren. Soweit das Berufungsgericht Vortrag des Beklagten dazu vermisst hat, wer und aus welchen Gründen die fehlgeschlagene Faxübermittlung erneut am Folgetag in die Wege geleitet hat, hat der Beklagte im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzend vorgetragen, eine seiner zwei weiteren Mitarbeiterinnen habe die Versendung erfolgreich vorgenommen. Dieses Vorbringen steht nicht in Widerspruch zu der eidesstattlichen Versicherung der ursprünglich mit der Angelegenheit betrauten Bürokraft. Diese hat lediglich erklärt, sich nach dem 1. September 2008 nicht mehr persönlich mit der Sache befasst zu haben.
16
Soweit das Berufungsgericht eine lückenlose Darlegung aller weiteren im konkreten Fall angefallenen Arbeitsschritte und ergriffenen Maßnahmen verlangt , überspannt es die Anforderungen an die Darlegung eines ordnungsgemäßen Bürobetriebs. Es ist unerheblich, wann der Kanzleikraft das vom Beklagtenvertreter unterzeichnete Schriftstück zugegangen ist. Der Beklagtenvertreter war auch nicht gehalten, die Bürokraft anzuweisen, den Schriftsatz sofort nach Erhalt an das Gericht zu faxen. Laufende Fristen dürfen grundsätzlich ausgeschöpft werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - III ZB 73/07, juris, unter 2). Auch sonstige Maßnahmen waren vom Beklagtenvertreter nicht zu fordern. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die mit der Erledigung der Aufgabe betraute Angestellte bereits in der Vergangenheit die Versendung fristgebundener Schriftstücke bis kurz vor Dienstschluss zurückstellte und die übertragene Aufgabe dann aus Zeitgründen nicht mehr ordnungsgemäß ausführte. Ob der Beklagtenvertreter seiner Angestellten die Anweisung erteilt hat, sich zu vergewissern, dass das Fristverlängerungsgesuch unterzeichnet war, ist im Streitfall ohne Bedeutung. Denn das Schriftstück war nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Beklagten ordnungsgemäß unterschrieben. Unerheblich ist schließlich auch, ob und welche Anweisung über die Notierung erledigter Fristen bestand. Die Fristversäumung beruhte ausschließlich auf anderen Gründen.
17
dd) Dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten kann auch nicht angelastet werden, dass er die Ausführung der ausgegebenen Anweisungen nicht überwacht hat. Die seiner Mitarbeiterin erteilte Anweisung, das unterzeichnete Fristverlängerungsgesuch - aus Gründen der Fristwahrung - per Fax an das Berufungsgericht zu übermitteln, hatte - ebenso wie die daneben bestehende grundsätzliche Weisung, den Sendebericht abzuwarten und darauf zu überprüfen , ob die Übermittlung erfolgreich durchgeführt wurde - einfache Aufgaben zum Gegenstand. Bei solchen Tätigkeiten darf ein Rechtsanwalt regelmäßig darauf vertrauen, eine ansonsten zuverlässig und sorgfältig arbeitende Bürokraft werde sie fehlerfrei erledigen (Senatsbeschluss vom 17. Juli 2007, aaO; BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2007, aaO; vom 4. April 2007, aaO; vom 11. Februar 2003, aaO; jeweils m.w.N.). Ihn trifft keine Verpflichtung, sich anschließend zu vergewissern, ob die Weisung ordnungsgemäß ausgeführt wurde (Senatsbeschluss vom 29. Juli 2003 - VIII ZB 107/02, FamRZ 2003, 1650; BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08, NJW 2009, 296, Tz. 10; vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03, NJW-RR 2004, 711, unter II; jeweils m.w.N.). Dies gilt in gleicher Weise für allgemeine Weisungen und für konkrete Anweisungen im Einzelfall (BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2003, aaO, m.w.N.; vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98, VersR 1999, 1170, unter [II] 2 b bb; jeweils m.w.N.). Dass der Beklagtenvertreter am Tag des Fristablaufs aufgrund eines auswärtigen Gerichtstermins daran gehindert war, die Ausführung der seiner Kanzleimitarbeiterin übertragenen Aufgabe zu überwachen, begründet damit kein eigenes Verschulden des Anwalts.
18
ee) Der verspätete Zugang des Fristverlängerungsgesuchs beruht damit ausschließlich auf einem dem Beklagten nicht zuzurechnenden Fehlverhalten der Büroangestellten seines Prozessbevollmächtigten. Dem Beklagten ist auch nicht als Verschulden anzulasten, dass sein Prozessvertreter von der Möglichkeit einer Fristverlängerung Gebrauch gemacht hat. Denn dieser durfte darauf vertrauen, dass den - unter Darlegung eines erheblichen Grundes im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestellten und nicht von der Zustimmung des Gegners abhängigen - Verlängerungsanträgen stattgegeben wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. März 2009, VIII ZB 55/06, NJW-RR 2009, 933, Tz. 12; vom 11. Sep- tember 2007 - VIII ZB 73/05, juris, Tz. 7; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06, juris, Tz. 6; vom 4. März 2004 - IX ZB 121/03, NJW 2004, 1742, unter 2; jeweils m.w.N.). Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Schneider Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 23.06.2008 - 35 O 18550/07 -
OLG München, Entscheidung vom 17.11.2008 - 18 U 4079/08 -

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 38/02
vom
11. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Rechtsanwalt die Anweisung
erteilt hat, die von ihm in Gegenwart seiner Büroangestellten unterzeichnete
Rechtsmittelschrift per Telefax an das Rechtsmittelgericht zu senden, die Angestellte
aber aufgrund einer Verwechslung eine nicht unterzeichnete Abschrift übermittelt.
BGH, Beschluß vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02 - OLG Jena
LG Gera
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 10. Juni 2002 aufgehoben. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Beschwerdewert: 95.743,64

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt wegen einer Lebensmittelvergiftung von dem Beklagten im Wege der abgesonderten Befriedigung gem. § 157 VVG Ersatz materieller und immaterieller Schäden. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 8. März 2002 zugestellt worden. Am 8. April 2002, einem Montag, ist beim Oberlandesgericht per Telefax eine Berufungsschrift aus der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten des Klägers eingegangen; zwei Tage später das Original. Beide Schriftstücke enthielten keine Unterschriften. Lediglich die zusammen mit dem Original eingereichte beglaubigte Abschrift der Berufungsschrift war von
Rechtsanwalt W. unterzeichnet. Hierauf wies das Oberlandesgericht die Pro- zeßbevollmächtigten des Klägers am 9. oder 10. April 2002 hin. Am 15. April 2002 hat der Kläger (erneut) Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, das Fehlen der Unterschrift auf der per Telefax übermittelten Rechtsmittelschrift beruhe auf einem Versehen einer Angestellten seiner Prozeßbevollmächtigten. Rechtsanwalt W. habe die Berufungsschrift in Anwesenheit der im Berufsausbildungsverhältnis beschäftigten Rechtsanwaltsfachangestellten H. unterzeichnet und diese angewiesen , den Schriftsatz per Telefax an das Oberlandesgericht zu übersenden. Da Frau H. auch eine beglaubigte und eine einfache Abschrift für die postalische Übersendung an das Oberlandesgericht habe fertigen sollen, habe sie weitere Exemplare ausgedruckt und auf dem Schreibtisch abgelegt. Anschließend habe sie per Telefax versehentlich ein nicht unterzeichnetes Exemplar übermittelt. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Organisationsverschulden seines Prozeßbevollmächtigten beruhe. Dieser habe es versäumt , sein Büropersonal anzuweisen, Schriftstücke vor ihrer Absendung auf Unterzeichnung zu überprüfen. Daneben sei ihm vorzuwerfen, bei der Unterzeichnung nicht zugleich das Original-Telefax unterschrieben zu haben. Ein weiterer Organisationsmangel liege darin, daß keine organisatorischen Vorkehrungen dafür getroffen worden seien, per Telefax zu übermittelnde Schriftstücke von den Postsendungen zu trennen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, denn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluß verletzt den Kläger in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Prozeßbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen er auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen mußte (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG, NJW-RR 2002, 1004, 1005). 1. Das Berufungsgericht übersieht, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für den Ausschluß des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei dann nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95 - VersR 1996, 348; vom 18. März 1998 - XII ZB 180/96 - NJW-RR 1998, 1360 f.; vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00 - NJW 2000, 2823; vom 2. Juli 2001 - II ZB 28/00 - NJW-RR 2002, 60 und vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01 - NJW-RR 2002, 1289 f.). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt (BGH, Beschluß vom 13. April 1997 - XII ZB
56/97 - NJW 1997, 1930). So liegt der Fall hier, denn der Prozeßbevollmäch- tigte des Klägers hatte der Auszubildenden H. konkret aufgetragen, die von ihm in ihrer Gegenwart unterzeichnete Berufungsschrift per Telefax an das Oberlandesgericht zu senden. Hätte Frau H. diese Einzelanweisung befolgt, wäre die Berufungsfrist gewahrt worden. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, daß sich Mängel bei der allgemeinen Organisation des Anwaltsbüros in einer die Wiedereinsetzung ausschließenden Weise ausgewirkt haben könnten (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - NJW 2003, 435 f. und BGH, Beschluß vom 9. Januar 2001 - VIII ZB 26/00 - NJW-RR 2001, 782 f.). Das für die Fristversäumung ursächliche Versehen der Büroangestellten H. steht dem Wiedereinsetzungsbegehren des Klägers nicht entgegen. Einer Partei ist nur ein Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten, nicht aber dasjenige seines Büropersonals zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschluß vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 22/93 - VersR 1994, 955). Zwar trägt ein Rechtsanwalt die Verantwortung dafür, daß eine einwandfreie Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht (BGH, Beschluß vom 10. Februar 1982 - VIII ZB 76/81 - VersR 1982, 471). Zur Erfüllung seiner Pflicht darf der Anwalt aber eine einfache Aufgabe einer zuverlässigen Angestellten übertragen, ohne daß er die ordnungsgemäße Erledigung überwachen muß (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 1982, aaO und vom 4. November 1981 - VIII ZB 59/81 und VIII ZB 60/81 - VersR 1982, 190). Das gilt nicht nur für allgemeine Weisungen, sondern auch und erst recht - wie hier - für eine konkrete mündliche Weisung im Einzelfall (BGH, Beschlüsse vom 29. April 1994 - V ZR 62/93 - VersR 1994, 1494 f. und vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170 f.). Die Versendung der Rechtsmittelschrift per Telefax ist eine einfache Bürotätigkeit, mit der eine im zweiten Lehrjahr stehende Auszubildende beauftragt werden darf, sofern sie mit einer solchen Tätigkeit vertraut ist und
eine regelmäßige Kontrolle ihrer Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1994 - VII ZB 7/94 - VersR 1995, 238, 239; vom 6. Dezember 1995 - VIII ZR 12/95 - VersR 1996, 910 und vom 27. Februar 2002 - I ZB 23/01 - NJW-RR 2002, 1070, 1071). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, wie der Kläger durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen des Rechtsanwalts W. und der Auszubildenden H. glaubhaft gemacht hat. 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers auch nicht vorgeworfen werden, bei der Unterzeichnung der (später wohl als beglaubigte Abschrift eingereichten) Berufungsschrift nicht zugleich das Original-Telefax unterschrieben zu haben. Die Unterzeichnung eines zweiten Exemplars der Berufungsschrift war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht möglich, denn nach dem glaubhaft gemachten Vortrag des Klägers hat Frau H. weitere Exemplare erst nach Unterzeichnung des ersten ausgedruckt. Dieser Arbeitsablauf ist nicht zu beanstanden, da zur wirksamen und rechtzeitigen Berufungseinlegung die Existenz eines einzigen Exemplars genügte. Weitergehende Anforderungen stellt die Rechtsprechung nicht.
3. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann auch nicht mit der Erwägung des Berufungsgerichts versagt werden, den Prozeßbevollmächtigten des Klägers treffe ein Organisationsverschulden wegen unzureichender Ausgangskontrolle , weil die per Telefax zu versendenden Schriftstücke nicht von den zur postalischen Übersendung vorgesehenen Exemplaren getrennt würden. Ob die Organisationspflichten eine allgemeine Anweisung zu einer solchen Trennung erfordern, kann hier dahinstehen, da bei Befolgung der Einzelanweisung eine Verwechslung der Schriftstücke ausgeschlossen gewesen wäre und sich deshalb die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage nicht stellt.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 109/06
vom
4. April 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Ausgangskontrolle, wenn die richtig adressierte Berufungsschrift durch
Telefax an ein unzuständiges Gericht gesendet wird, und zur Pflicht dieses
Gerichts, die Berufungsschrift im ordentlichen Geschäftsgang weiterzuleiten.
BGH, Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 109/06 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Dörr und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg, 4. Zivilsenat, vom 26. Oktober 2006 - 4 U 1632/06 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aus einem Wert von 15.645,53 € zu tragen.

Gründe:


I.


1
Die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 15.645,53 € nebst Zinsen gerichtete Klage wurde durch Urteil des Landgerichts vom 30. Mai 2006, das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 8. Juni 2006 zugestellt wurde, abgewiesen. Ihre an das Oberlandesgericht adressierte Berufung ging in ihrer Urschrift dort am 11. Juli 2006 ein. Die Berufungsschrift war zuvor bereits am 10. Juli 2006 um 9.55 Uhr auf dem Telefaxgerät der Geschäftsstelle einer Zivilkammer des Landgerichts empfangen und, da sie an das im selben Gebäude residierende Oberlandesgericht gerichtet war, an das Berufungsgericht weitergeleitet worden, wo sie ebenfalls am 11. Juli 2006 einging.

2
Nach gerichtlichen Hinweisen haben sich die Kläger auf den Standpunkt gestellt, es sei nicht ersichtlich, weshalb der ordnungsgemäß adressierte Schriftsatz nicht innerhalb der Geschäftszeit unverzüglich an die Einlaufstelle des Berufungsgerichts weitergeleitet worden sei. Ihren hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag haben sie damit begründet, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungseinlegungsfrist und die ordnungsgemäße Adressierung selbst kontrolliert und seiner zuverlässigen Bürovorsteherin die ausdrückliche Weisung erteilt, die Rechtsmittelschrift vorab per Telefax, sodann per Post zu übermitteln und den Sendebericht zu kontrollieren. Dieser habe einen "OKVermerk" aufgewiesen. Eine mögliche Verwechslung der Faxnummer durch die Bürovorsteherin könne ihnen nicht als Verschulden zugerechnet werden.
3
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen und ihnen die Erteilung der Wiedereinsetzung versagt.

II.


4
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden.
5
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Berufungsschrift nicht innerhalb der am 10. Juli 2006 abgelaufenen Frist beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Das zieht auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel. Der Umstand, dass Landgericht und Oberlandesgericht in demselben Gebäude residieren, ändert nichts daran, dass die an ein Telefaxgerät der Geschäftsstelle einer Zivilkammer des Landgerichts gesendete Berufungsschrift erst am folgenden Tag in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Oberlandesgerichts gelangte.
6
2. Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Klägern die Erteilung von Wiedereinsetzung versagt hat.
7
a) Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt befugt, einfachere Verrichtungen zur selbständigen Erledigung auf sein geschultes und zuverlässiges Büropersonal zu übertragen. Das gilt auch für die Übermittlung einer Berufungsschrift mittels eines Telefaxes (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 22/93 - NJW 1994, 329; BVerfG NJW 1996, 309).
8
b) Allerdings muss der Rechtsanwalt durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 1996 - XI ZB 20/96 - NJW 1997, 948; vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03 - BGH-Report 2004, 978, 979; vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373; vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413 Rn. 7; vom 26. September 2006 - VIII ZB 101/05 - NJW 2007, 996, 997 Rn. 8; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - juris Rn. 8). Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrol- le in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird, um Fehler bei der Eingabe, der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2006 aaO Rn. 12; vom 26. September 2006 aaO Rn. 8).
9
c) Dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger diesen Maßstäben an eine entsprechende Organisation der Ausgangskontrolle nachgekommen wäre, ist dem gestellten Wiedereinsetzungsantrag nicht zu entnehmen. Dort ist lediglich glaubhaft gemacht, dass die Bürovorsteherin angewiesen wurde, die Rechtsmittelschrift per Telefax zu übermitteln und im Hinblick auf den bevorstehenden Fristablauf den Sendebericht zu kontrollieren. Welche Vorkehrungen im Büro des Prozessbevollmächtigten bestanden, um Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer aufdecken zu können, ist nicht dargelegt worden.
10
d) Die Kläger können sich nicht darauf berufen, dass eine solche Kontrolle im Hinblick auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni 2004 (VII ZB 35/03 - NJW 2004, 2830, 2831) entbehrlich wäre. Auch diese Entscheidung geht von der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Kontrolle aus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373), behandelt aber zusätzlich den Gesichtspunkt, dass sich ein Rechtsanwalt in der Regel auf ein seit Jahren bewährtes EDV-Programm in der jeweils neuesten Fassung verlassen darf und er nicht gehalten ist, eine Abgleichung der Faxnummer mit den Angaben in Anschreiben des Gerichts oder im Telefonbuch vorzunehmen, weil dies dem Einsatz des EDV-Programms die Rationalisierungswirkung nehmen würde. Dass die Bürovorsteherin die verwendete Faxnummer einer vergleichbar sicheren Quelle entnommen hätte, die ein Verschulden in der Ausgangskontrolle ausschlösse oder gestatten würde, die Sorgfaltsanforderungen an die Ausgangskontrolle zu verringern (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - juris Rn.11), ist jedoch weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
11
3. Wiedereinsetzung ist den Klägern auch nicht deshalb zu erteilen, weil die Versäumung der Frist auf einem Verschulden des Gerichts beruhen würde.
12
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf ein Rechtssuchender darauf vertrauen, dass das mit der Sache befasst gewesene Gericht den bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird. Geht der Schriftsatz dabei so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei auch darauf vertrauen, dass er noch fristgerecht beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, so ist der Partei Wiedereinsetzung unabhängig davon zu gewähren, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht (vgl. BVerfGE 93, 99, 115 f; BVerfG NJW 2005, 2137, 2138). Der Bundesgerichtshof ist dieser Rechtsprechung gefolgt (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Juli 2000 - III ZB 28/00 - NJW-RR 2000, 1730, 1731; Beschlüsse vom 28. Januar 2003 - VI ZB 29/02 - juris Rn. 8; vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373; vom 3. Juli 2006 - II ZB 24/05 - NJW 2006, 3499 Rn. 5).
13
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Geschäftsstelle des Landgerichts, in der das Telefax empfangen wurde, die Berufungsschrift in das allgemeine Auslauffach gelegt. Dieses wird von den Wachtmeistern dreimal täglich, nämlich zwischen 7.00 Uhr und 7.30 Uhr, zwischen 9.00 Uhr und 9.30 Uhr sowie zwischen 13.00 Uhr und 13.30 Uhr, geleert. Das um 9.55 Uhr eingegangene Telefaxschreiben wurde von den Wachtmeistern beim letzten Gang entnommen und gelangte in die Wachtmeisterei, wo es in ein für das Oberlandesgericht bestimmtes Fach eingelegt wurde. Von dort wurde es bei dem nächsten Dienstgang, der am folgenden Tag stattfand, dem Oberlandesgericht zugeleitet.
14
Dieser normale Geschäftsgang, der nicht darauf eingerichtet sein muss, fehlgeleitete Schriftstücke frühzeitig zu entdecken und gesondert zu befördern, ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass der Berufungsschriftsatz nicht mit einem augenfälligen Hinweis auf eine besondere Eilbedürftigkeit versehen war. Nur bei einer inhaltlichen Durchsicht der Berufungsschrift wäre daher aufgefallen, dass im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Urteils am 8. Juni 2006 die Berufungsfrist am 10. Juli 2006, einem Montag, ablief. Zu einer solchen inhaltlichen Überprüfung war die Geschäftsstelle der Zivilkammer des unzuständigen Landgerichts nicht verpflichtet. Umso weniger bestand eine Pflicht, die Kläger innerhalb der Rechts- mittelfrist telefonisch oder per Telefax auf die fehlerhafte Einlegung des Rechtsmittels hinzuweisen (vgl. BVerfG NJW 2001, 1343).
Schlick Streck Kapsa
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 30.05.2006 - 1 O 2044/05 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 26.10.2006 - 4 U 1632/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 20/07
vom
3. Dezember 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Rechtsanwalt darf sich darauf verlassen, dass eine ausgebildete und bisher zuverlässig
arbeitende Büroangestellte seiner Anweisung folgend den unterzeichneten
Berufungsbegründungsschriftsatz vollständig und unverändert per Telefax an das
Berufungsgericht versendet, auch wenn ihr der Schriftsatz ungeheftet übergeben
wird bzw. zur Übermittlung per Telefax auseinandergeheftet werden muss.
BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2007 - II ZB 20/07 - KG Berlin
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 3. Dezember 2007
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer,
Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 2 wird der Beschluss des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 30. April 2007 aufgehoben. Dem Beklagten zu 2 wird Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 50.651,26 €

Gründe:

1
I. Der Beklagte zu 2 hat mit Schriftsatz vom 15. Februar 2007 gegen das ihm am 17. Januar 2007 zugestellte Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Januar 2007, Az. 18 O 250/06, fristgerecht Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren erhielt beim Kammergericht das Aktenzeichen 26 U 16/07. Am 19. März 2007 nachmittags übermittelten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 dem Kammergericht mittels Telefax einen - am Folgetag zur Ge- schäftsstelle des Berufungsgerichts gelangten - Schriftsatz vom 19. März 2007. Seite 1 dieses Schriftsatzes lautet: "In dem Rechtsstreit R. u.a. . /. H. - 26 U 263/06 - begründen wir namens des Beklagten zu 2, Herrn G. , die mit Schriftsatz vom 8.12.2006 eingelegte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 01.11.2006, Az. 18 O 530/05 mit dem Antrag, unter Abänderung des am 01.11.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin, Az. 18 O 530/05, die Klage abzuweisen".
2
Das Original dieses Schriftsatzes ging am 20. März 2007 auf dem Postweg bei dem Berufungsgericht ein. Gegen die Beklagten waren zu diesem Zeitpunkt bei dem Berufungsgericht neun Berufungsverfahren mit nahezu identischem Streitstoff, aber unterschiedlichen Klägern anhängig. Am 27. März 2007 reichten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 zu diesem Schriftsatz eine weitere Seite 1 zu den Akten. In diesem Schriftstück waren der Name der Klägerin, der Verkündungstermin und das Aktenzeichen des angefochtenen Urteils, das Datum der Berufungseinlegung und das Aktenzeichen des Kammergerichts zutreffend angegeben.
3
Der Vorsitzende des Berufungssenats hat den Beklagten zu 2 mit Verfügung vom 27. März 2007 darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden sei. Der Beklagte zu 2 hat die Auffassung vertreten, die Berufungsbegründung sei rechtzeitig eingegangen, weil der am 19. März eingehende Berufungsbegründungsschriftsatz trotz des fehlerhaften Deckblatts dem richtigen Rechtsstreit habe zugeordnet werden können. Da die Berufungsbegründung in dem dort genannten Parallelverfahren bereits vollständig vorgelegen habe, sei offensichtlich gewesen, dass der Schriftsatz, der das aktuelle Datum getragen habe, fehlerhafte Angaben enthalten habe. Vorsorglich hat der Beklagte zu 2 Wieder- einsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und hat die Berufung begründet.
4
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Beklagte zu 2 vorgetragen:
5
Sein Prozessbevollmächtigter habe am 19. März 2007, dem Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist, den Berufungsbegründungsschriftsatz unterzeichnet und die ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte Frau S. angewiesen, den Schriftsatz an das Kammergericht zu faxen. Frau S. habe den zu faxenden Schriftsatz auf ihren Schreibtisch neben die - als Vorlage zur Erstellung der Berufungsbegründung in diesem Verfahren ausgedruckte - Berufungsbegründung eines Parallelverfahrens gelegt; versehentlich habe sie die Deckblätter der Schriftsätze vertauscht und den Schriftsatz mit dem nunmehr falschen Deckblatt an das Kammergericht gefaxt. Anschließend habe sie dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt mitgeteilt, dass sie die Berufungsbegründung in dieser Sache per Fax abgesandt habe. Dieser habe daraufhin die Frist im Fristenbuch gelöscht. Den Schriftsatz habe sie unverändert zur Post gegeben. Bei Frau S. handle es sich um eine zuverlässige Bürokraft, die, wie regelmäßige Kontrollen seiner Prozessbevollmächtigten ergeben hätten, ihre Aufgaben seit über drei Jahren sorgfältig und fehlerfrei ausgeführt habe.
6
II. 1. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten zu 2 unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen.
7
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
8
Der am 19. März 2007 bei der gemeinsamen Briefannahmestelle des Kammergerichts eingegangene Schriftsatz vom gleichen Tag sei nicht geeignet gewesen, die Berufungsbegründungsfrist zu wahren, da er infolge eines falschen Geschäftszeichens des Kammergerichts, einer falschen Bezeichnung der Gegenpartei, eines unrichtigen Verkündungsdatums des angefochtenen Urteils und eines unrichtigen Geschäftszeichens der Vorinstanz dem hiesigen Verfahren ohne ergänzende Angaben des Beklagten zu 2 nicht rechtzeitig habe zugeordnet werden können. Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 hätten frühestens nach Vorlage des Schriftsatzes an die Geschäftsstelle am Tag nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, als diese habe feststellen können, dass in dem genannten Parallelverfahren bereits eine Berufungsbegründung vorgelegen habe, auf einen möglichen Fehler hingewiesen werden können. Der Beklagte zu 2 habe auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Begründung der Berufung verhindert gewesen sei. Der Vortrag, die Büroangestellte seiner Prozessbevollmächtigten habe die erste Seite des Berufungsbegründungsschriftsatzes in diesem Verfahren mit der ersten Seite der ausgedruckten Berufungsbegründung eines Parallelverfahrens verwechselt, könne den Beklagten zu 2 nicht entlasten. Gerade wenn mehrere gleichartige Berufungsverfahren bei einem Senat anhängig seien , bei denen die Begründung der Berufung in der Sache wortgleich ausfalle, habe der Rechtsanwalt dafür Sorge zu tragen, dass die verfahrensbezogenen Angaben in dem Schriftsatz zutreffend seien, zumal er durch seine Unterschrift für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Schriftsatzes einstehe. Er habe deshalb auch dafür Sorge zu tragen, dass sein Schriftsatz nicht - etwa zur Vorbereitung der Telefax-Übermittlung - in der Weise auseinander genommen werde, dass hierbei Blätter mit denen anderer Schriftsätze vermengt oder vertauscht würden.
9
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich der Beklagte zu 2 mit seiner Rechtsbeschwerde.
10
2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO), weil das Berufungsgericht die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Prozessbevollmächtigten überspannt und dadurch den Anspruch des Beklagten zu 2 auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt hat.
11
3. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
12
a) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass der Beklagte zu 2 die Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) versäumt hat. Der am 19. März 2007 beim Kammergericht eingegangene Schriftsatz hat die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt, weil ihm nicht zweifelsfrei zu entnehmen war, dass es sich hierbei um die Begründung der in diesem Verfahren eingelegten Berufung handelte. Der Schriftsatz enthielt nicht nur ein unzutreffendes Geschäftszeichen des Kammergerichts und eine unrichtige Bezeichnung der Gegenpartei, sondern auch ein falsches Aktenzeichen der Vorinstanz, ein fehlerhaftes Verkündungsdatum des angefochtenen Urteils und ein unzutreffendes Datum der Berufungseinlegung. Unrichtige Angaben schaden zwar dann nicht, wenn auf Grund sonstiger, innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erkennbarer Umstände für Gericht und Prozessgegner zweifelsfrei feststeht, welchem Rechtsmittelverfahren die Begründung zuzuordnen ist (st. Rspr. vgl. BGH, Beschl. v. 24. April 2003 - III ZB 94/02, NJW 2003, 1950; v. 18. April 2000 - VI ZB 1/00, NJW-RR 2000, 1371; v. 25. Februar 1993 - VII ZB 22/92, NJW 1993, 1719, 1720, jeweils für die Berufungsschrift). Diese Voraussetzung ist indessen hier nicht erfüllt. Weder aus dem eingereichten Schriftsatz selbst noch aus der Akte des dort genannten, beim Kammergericht anhängigen (Parallel -)Verfahrens ist erkennbar, dass die übermittelte Berufungsbegründung dieses - beim Kammergericht unter dem Aktenzeichen 26 U 16/07 anhängige - Verfahren betreffen sollte. Im Hinblick auf die insgesamt neun Parallelverfahren beruft sich der Beklagte zu 2 zu Unrecht darauf, den Bediensteten der Geschäftstelle habe klar sein müssen, dass dieses Verfahren gemeint gewesen sei, weil in dem Rechtsstreit 26 U 263/06, zu dem das fehlerhafte Deckblatt gehörte , bereits die Berufungsbegründung vorgelegen habe.
13
b) Dem Beklagten zu 2 ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; denn die Fristversäumung beruht nicht auf einem - ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden - Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten.
14
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 habe dafür Sorge tragen müssen, dass der Berufungsschriftsatz nicht zum Zweck der Vorbereitung der Übermittlung per Telefax auseinandergeheftet wird und hierbei Blätter des Schriftsatzes mit denen anderer Schriftsätze vertauscht werden, ist rechtsfehlerhaft.
15
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gehört es zu den Aufgaben eines Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, das ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Er muss jedoch zu diesem Zweck nicht jeden Arbeitsschritt persönlich ausführen, sondern ist grundsätzlich befugt, einfachere Verrichtungen zur selbständigen Erledigung auf sein geschultes und zuverlässiges Büropersonal zu übertragen. Dies gilt auch für die Übermittlung einer Berufungsbegründungsschrift mittels eines Telefaxgerätes (BGH, Beschl. v.
4. April 2007 - III ZB 109/06, NJW-RR 2007, 1429,1430; v. 28. 0ktober 1993 - VII ZB 22/93, NJW 1994, 329; BVerfG, Beschl. v. 27. September 1995 - 1 BvR 414/95, NJW 1996, 309, 310). Der Rechtsanwalt darf sich nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Beschl. vom 4. April 2007 - III ZB 85/06, NJW-RR 2007, 1430, 1431) grundsätzlich darauf verlassen, dass eine ausgebildete Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt und ordnungsgemäß ausführt. Fehler des Büropersonals, die nicht auf eigenes Verschulden des Rechtsanwalts zurückzuführen sind, hat die Partei nicht zu vertreten (BVerfG, Beschl. v. 27. September 1995 aaO; BGH, Beschl. v. 28.Oktober 1993 aaO).
16
Allerdings kann sich die eigene Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts erhöhen , wenn auf Grund besonderer Umstände die Gefahr besteht, dass die an das Büropersonal übertragenen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt werden (Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. § 233 Rdn. 23 "Büropersonal und -organisation"; BGH, Beschl. v. 26. August 1999 - VII ZB 12/99, NJW 1999, 3783, 3784). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Eine besondere Sorgfalt des sachbearbeitenden Rechtsanwalts war hier nicht schon deshalb geboten, weil die Berufungsbegründung in dem Parallelverfahren als Vorlage für die Berufungsbegründung in dieser Sache ausgedruckt worden war. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 musste nicht in Betracht ziehen, dass die bisher zuverlässig arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte die Deckblätter beider Schriftsätze vertauschen und die Berufungsbegründung mit einem unrichtigen Deckblatt versenden würde. Dies war auch nicht etwa deshalb zu befürchten, weil die Berufungsbegründung erst am Nachmittag des letzten Tages der Frist per Fax an das Berufungsgericht übermittelt wurde. Ebenso wenig kommt in diesem Zusammenhang dem Umstand Bedeutung zu, dass bei dem Berufungssenat mehrere Berufungen mit den gleichen Beklagten und mit einem identischen Streitstoff anhängig waren, die jedoch nicht am gleichen Tag begründet wurden. Der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte war deshalb entgegen der Meinung der Beschwerdeerwiderung nicht verpflichtet, der lediglich abstrakt bestehenden Verwechslungsgefahr durch einen besonderen Hinweis vorzubeugen; vielmehr durfte er ohne weiteres darauf vertrauen, dass die mit der Versendung mittels Telefax beauftragte Rechtsanwaltsfachangestellte den ihr übergebenen unterzeichneten Berufungsbegründungsschriftsatz unverändert an das Berufungsgericht versenden würde, auch wenn er ungeheftet war bzw. zur Übermittlung per Telefax auseinandergeheftet werden musste.

17
Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Prozessbevollmächtigte habe dafür Sorge tragen müssen, dass bei der Faxübermittlung der zusammengehörende Schriftsatz nicht entheftet wurde.
Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 10.01.2007 - 18 O 250/06 -
KG Berlin, Entscheidung vom 30.04.2007 - 26 U 16/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 44/05
vom
14. Februar 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Ausgangskontrolle bei Übersendung einer Rechtsmittelbegründungsschrift mittels
Telekopie (Telefax) nach der Weisung, das ordnungsgemäß unterzeichnete
Handaktenexemplar vollständig zu übermitteln, wenn das Original der Rechtsmittelbegründungsschrift
am letzten Tag der Frist laut telefonischer Auskunft nicht beim
Rechtsmittelgericht eingegangen ist.
BGH, Beschluss vom 14. Februar 2006 - VI ZB 44/05 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Februar 2006 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Pauge, Stöhr und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 20. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 7. Juli 2005 aufgehoben. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 90.000 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern wegen angeblich fehlerhafter Betreuung bei ihrer Geburt ein Schmerzensgeld von mindestens 55.000 € sowie die Feststellung ihrer Ersatzpflicht hinsichtlich aller materiellen und immateriellen Schäden.
2
Das klageabweisende Urteil des Landgerichts vom 9. Dezember 2004 ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14. Februar 2005 zugestellt worden. Die Klägerin hat am 16. Februar 2005 Berufung eingelegt und Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 14. Mai 2005, einem Samstag, erhalten. Am 17. Mai 2005 (Dienstag nach Pfingsten) erkundigten sich Büroangestellte des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am Vormittag (Frau H.) und am Nachmittag (Frau B.) telefonisch nach dem Eingang des Originals der Berufungsbegründungsschrift auf der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts. Sie erhielten die Auskunft, dass das Original noch nicht eingegangen sei. Wenig später am selben Tag ging beim Berufungsgericht die Telekopie der Berufungsbegründungsschrift vom 13. Mai 2005 ein, wies jedoch keine Unterschrift auf. Nach Eingang teilte die Geschäftsstelle der Büroangestellten B. des Prozessbevollmächtigten der Klägerin telefonisch mit, dass ein 23 Seiten umfassender Schriftsatz als Telefax eingegangen sei. Am 18. Mai 2005 übersandte die Büroangestellte des Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Seite 23 mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten per Fax. Das Original der Berufungsbegründung vom 13. Mai 2005 ging am 19. Mai 2005 beim Berufungsgericht ein. Am 31. Mai 2005 hat die Klägerin Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten und seiner Büroangestellten B. sowie einer Gesprächsnotiz vom 17. Mai 2005 beantragt. Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen und die Berufung der Klägerin mit Beschluss vom 7. Juli 2005 als unzulässig verworfen.

II.

3
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe nicht ausreichend dargetan, dass ihren Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Frist kein Verschulden treffe. Zwar sei der Schriftsatz schon am 13. Mai 2005 auf den normalen Postweg gegeben worden. Es sei jedoch nicht ersichtlich, wer mit der Einlieferung der Post beauftragt worden sei, wann und wo der Schriftsatz zur Post gelangt und welcher Briefkasten mit welchen Leerungszeiten benutzt worden sei.
4
Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, ihren Prozessbevollmächtigten treffe kein Verschulden daran, dass das Fax vom 17. Mai 2005 keine Unterschrift aufweise, wie das erforderlich sei. Auch habe die Klägerin nicht glaubhaft gemacht, dass das Fehlen der Unterschrift erst am 18. Mai 2005 von der Büroangestellten B. bemerkt worden sei. Die entsprechende Angabe in der eidesstattlichen Versicherung der Büroangestellten stehe in Widerspruch zu einer Notiz über das Gespräch der Büroangestellten mit der Geschäftsstelle. Ein Mitverschulden des Gerichts sei nicht gegeben, denn die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle sei nicht verpflichtet gewesen, den eingegangenen Schriftsatz darauf zu überprüfen, ob er unterschrieben sei.
5
2. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin ist statthaft (§§ 574 Abs. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig, denn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip - Art. 20 Abs. 3 GG). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflicht ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03 - VersR 2005, 138; BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG NJW-RR 2002, 1004).
6
a) Allerdings hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausnahmsweise ein Schriftsatz auch ohne Unterschrift eines zugelassenen Rechtsanwalts die Frist zur Berufungsbegründung wahren kann. Darauf weist bereits der Wortlaut des § 130 ZPO hin ("soll"). Der erkennende Senat sieht jedoch keine Veranlassung, im vorliegenden Fall von dem Unterschriftserfordernis als Wirksamkeitserfordernis abzuweichen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04 - NJW 2005, 2086, 2087; a.A. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 130 Rn. 22 m.w.N.). Die Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der Prozesshandlung als zugelassener Rechtsanwalt ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen , die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04 - aaO). Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Berufungsbegründung von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht postulationsfähigen Rechtsanwalt nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muss. Die Rechtsprechung hat von diesem Grundsatz Ausnahmen anerkannt, worauf die Rechtsbeschwerde - im Ansatzpunkt richtig - hinweist. So kann das Fehlen der Unterschrift ausnahmsweise dann unschädlich sein, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04 - aaO, 2088 mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Bundesarbeitsgerichts und Bundesge- richtshofs). Diese Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur ausnahmsweisen Wirksamkeit nicht unterzeichneter Rechtsmittelbegründungsschriften trägt dem Anspruch der Prozessbeteiligten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sowie ihren Rechten aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung, die es verbieten , den Zugang zur jeweiligen nächsten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren und dazu an die Beachtung formeller Voraussetzungen für die Geltendmachung des Rechtsschutzbegehrens überspannte Anforderungen zu stellen.
7
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergeben hier jedoch die Umstände im Zusammenhang mit der Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift keine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sowie seinen Willen, für ihren Inhalt die Verantwortung zu übernehmen und sie an das Berufungsgericht zu übermitteln. Das hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler erkannt. Dem Kammergericht ist am 17. Mai 2005 innerhalb der Begründungsfrist lediglich bekannt geworden, dass eine Berufungsbegründung am 13. Mai 2005 auf dem Postweg abgesandt worden ist. Der telefonischen Mitteilung war nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, wer für diesen Schriftsatz verantwortlich war. Das ergab sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass den Mitarbeitern des Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Ablauf der Begründungsfrist bekannt war. Ebenso wie die (später versandte) Telekopie konnte auch die Berufungsbegründungsschrift versehentlich ohne Unterschrift geblieben sein. Der maschinenschriftliche Vermerk unter der Telekopie, der den mit dem Zusatz "Rechtsanwalt" wiedergegebenen Vor- und Nachnamen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin enthielt, bot keine Gewähr dafür, dass dieser die Verantwortung für die Berufungsbegründung übernommen und diese willentlich an das Berufungsgericht übermittelt hatte. Der Zusatz konnte auch bei anderer Urheberschaft angebracht sein. Es kann daher auch keine Rede davon sein, dass das Erfordernis der Schriftform im gegebenen Fall zum Selbstzweck geworden wäre. Das Berufungsgericht hat nach allem keine überspannten Anforderungen aufgestellt oder gar Verfahrensgrundrechte der Klägerin verletzt.
8
b) Es hat jedoch verkannt, dass der Klägerin aus anderen Gründen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war.
9
aa) Die Rechtsbeschwerde macht allerdings nicht geltend, dass die Klägerin vor dem Tatrichter vorgetragen habe, die Berufungsbegründung sei entgegen den üblichen Postlaufzeiten hier erst nach dem 17. Mai 2005 beim Berufungsgericht eingegangen und dieser Umstand sei der Klägerin nicht zuzurechnen. Soweit sie in der Rechtsbeschwerdebegründung ein Verschulden der Deutschen Post AG andeutet, ist hierfür substantiierter Vortrag innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist weder dargetan noch glaubhaft gemacht.
10
bb) Die Rechtsbeschwerde weist jedoch mit Erfolg darauf hin, die Übermittlung eines Exemplars der Berufungsbegründung ohne Unterschrift innerhalb der Berufungsbegründungsfrist sei der Klägerin nicht als Verschulden zuzurechnen. Die entgegenstehende Ansicht des Kammergerichts verletzt Verfahrensgrundrechte der Klägerin und erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
11
Die Mitarbeiterin Frau B. hat - wie die Rechtsbeschwerde darlegt - die Berufungsbegründung neu ausgedruckt, weil das von dem postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterschriebene Aktenexemplar beidseits bedruckt und deshalb nur schlecht als Faxvorlage geeignet war. Die Mitarbeiterin hat dann jedoch die letzte neu ausgedruckte und deshalb nicht unterschriebene Seite mit übersandt, anstatt die letzte unterschriebene Seite des Exemplars der Handakten zu senden. Dieses Versäumnis der Büromitarbeiterin hat das Berufungsgericht fälschlich dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und damit dieser selbst (§ 85 Abs. 2 ZPO) zugerechnet. Es hat eine entsprechende allgemeine Anweisung des Klägervertreters unterstellt, jedoch Zweifel daran geäußert, ob eine solche Anweisung ausreichend wäre, weil die Zusammenstellung des Schriftsatzes durch eine Büroangestellte nicht der erforderlichen eigenverantwortlichen Prüfung durch einen postulationsfähigen Anwalt genüge. Dem ist nicht zu folgen, denn der Anwalt hat insoweit eine eindeutige Anweisung erteilt, wie bei einer Duplex-Kopie in den Handakten zu verfahren war.
12
Das Berufungsgericht hat ferner in Würdigung des Parteivortrags und der vorgelegten Unterlagen für nicht glaubhaft gemacht gehalten, dass das Fehlen der Unterschrift nicht schon am 17. Mai 2005, sondern erst am Folgetag von der Angestellten Frau B. bemerkt worden ist. Der Entscheidung des Berufungsgerichts ist aber nicht zu entnehmen, aus welchem Grund das hieraus folgende Versäumnis der Angestellten der Klägerin zuzurechnen sein soll. Dass Frau B. die Bedeutung der Unterschrift kannte, ergibt sich aus ihrer eidesstattlichen Erklärung. § 278 BGB ist nicht anwendbar. Eine dieser Vorschrift entsprechende Regelung fehlt. § 85 Abs. 2 ZPO ordnet keine Zurechnung für fehlerhaftes Verhalten der Büroangestellten des Prozessbevollmächtigten an. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat den ihm obliegenden Pflichten bei der Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift an das Berufungsgericht genügt mit der eindeutigen Anweisung, wie zu verfahren war für den Fall, dass das Original der unterzeichneten Rechtsmittelbegründungsschrift nicht rechtzeitig während der Geschäftszeit beim Rechtsmittelgericht einging. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung hatte er damit nicht dem Büropersonal überlassen, selbstständig eine Berufungsbegründung zu erstellen. Die Anweisung ging vielmehr dahin, die vorhandene und unterzeichnete Rechtsmittelbegründung vollständig auf elektronischem Wege zu übermitteln. Diese Bürotätigkeit durfte der Pro- zessbevollmächtigte auf sein Büropersonal delegieren (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 1999 - IV ZB 18/99 - VersR 2000, 338).
13
Vergeblich beanstandet die Beschwerdeerwiderung fehlenden Vortrag zur Ausgangskontrolle bei einer Faxübersendung dahin, ob die Sendung vollständig und mit Unterschrift erfolgt ist. Eine gesonderte Kontrollanweisung war angesichts der unmißverständlichen Weisung, das ordnungsgemäß unterzeichnete Handaktenexemplar vollständig zu übermitteln, nicht erforderlich. Eine Kontrolle hatte sich nach dieser Weisung darauf zu erstrecken, dass das Handaktenexemplar vollständig einschließlich der unterzeichneten letzten Seite übermittelt wurde. Dass das Büropersonal sich im hier zu entscheidenden Fall daran nicht gehalten hat, ist der Klägerin nicht zuzurechnen. Müller Greiner Pauge Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 09.12.2004 - 6 O 71/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 07.07.2005 - 20 U 34/05 -

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen;
1a.
die für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderlichen Angaben, sofern eine solche möglich ist;
2.
die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt;
3.
die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse;
4.
die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners;
5.
die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel;
6.
die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 191/08
vom
25. Juni 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Einzelanweisung, die nicht erkennen lässt, dass von dem üblichen Arbeitsablauf
abgewichen werden soll, entlastet den Rechtsanwalt nicht von einer
unzureichenden Büroorganisation.
BGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - V ZB 191/08 - LG Heilbronn
AG Marbach a. Neckar
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juni 2009 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein und Dr. Lemke, die
Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 4. Dezember 2008 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 4.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Beseitigung eines Überbaus in Anspruch. Gegen das die Klage abweisende Urteil des Amtsgerichts legte er rechtzeitig Berufung ein. Auf Antrag seines Prozessbevollmächtigten verlängerte das Landgericht die Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. November 2008. Dort ging die Berufungsbegründung am 11. November 2008 per Telefax ein.
2
Mit Schriftsatz vom 17. November 2008 hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und hierzu vorgetragen: In dem Büro seines Prozessbevollmächtigten würden die Fristen in einen (Papier-)Kalender und zusätzlich in einem elektronischen Anwaltsprogramm notiert. Der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist sei in dem Kalender korrekt eingetragen gewesen; das elektroni- sche Programm habe infolge eines Eingabefehlers dagegen den 11. November 2008 als Fristende ausgewiesen. Sein Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründung am 10. November 2008 kurz vor Büroschluss fertig gestellt und eine seit sechs Jahren in der Kanzlei angestellte und zuverlässige Mitarbeiterin angewiesen, die Berufungsbegründung an das Landgericht zu faxen. Diese habe am Abend nur die - falsch eingetragene - Frist in dem elektronischen Programm eingesehen und sei deshalb irrtümlich davon ausgegangen, dass es genüge, die Berufungsbegründung am Folgetag per Fax zu versenden.
3
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

4
Das Berufungsgericht meint, die Fristversäumnis sei auf ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers zurückzuführen. Dieser habe, als ihm die Akten zur Bearbeitung vorgelegt worden seien, die gebotene Fristenkontrolle unterlassen und daher die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist auf den 11. November 2008 nicht als fehlerhaft erkannt. Wäre der falsche Eintrag korrigiert worden, hätte seine Mitarbeiterin bei der Fristenkontrolle am Abend des 10. November 2008 bemerkt, dass die Berufungsbegründung dem Landgericht noch am selben Tag übermittelt werden musste. Ferner sei die Büroorganisation unzureichend , da eine Überprüfung des elektronischen Fristenkalenders auf Eingabefehler nicht stattfinde. Ob es eine konkrete Anweisung des Prozessbevollmächtigten an seine Mitarbeiterin gegeben habe, die am späten Nachmittag des 10. November 2008 fertig gestellte und unterzeichnete Berufungsbegründung an das Landgericht zu übermitteln, könne offen bleiben.

III.

5
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
6
Die Annahme des Berufungsgerichts, es komme nicht darauf an, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers seiner Mitarbeiterin am 10. November 2008 eine konkrete Weisung in Bezug auf die Versendung der fertig gestellten Berufungsbegründung erteilt habe, steht nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach kommt es auf die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen einer Kanzlei für die Fristwahrung nicht entscheidend an, wenn der Anwalt von ihnen abweicht und statt dessen eine genaue Anweisung für den konkreten Fall erteilt, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (vgl. Senat , Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369; BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000, VII ZB 4/00, NJW 2000, 2823; Beschl. v. 11. Februar 1998, XII ZB 184/97, NJW-RR 1998, 787, 788; Beschl. v. 23. April 1997, XII ZB 56/97, NJW 1997, 1930; Beschl. v. 26. September 1995, XI ZB 13/95, NJW 1996, 130). Da ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die einem zuverlässigen Mitarbeiter erteilte Einzelanweisung befolgt wird (BGH, Beschl. v. 4. November 2003, VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689; Beschl. v. 22. Juni 2004, VI ZB 10/04, NJW-RR 2004, 1361, 1362; Beschl. v. 13. September 2006, XII ZB 103/06, NJWRR 2007, 127, 128), ist für eine Fristversäumung dann nicht die Büroorganisation, sondern der Fehler des Mitarbeiters ursächlich. Entsprechendes gilt bei einem vorangegangenen Anwaltsfehler, sofern die Einzelanweisung geeignet ist, ihn auszugleichen und die Fristwahrung sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund durfte das Berufungsgericht nicht offenlassen, ob und ggf. welche Einzelweisung der Bevollmächtigte des Klägers am Tag des Fristablaufs erteilt hat.
7
Der Rechtsfehler lässt den Schluss zu, dass dem Berufungsgericht die Bedeutung einer Einzelanweisung und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht bekannt ist, und erfordert deshalb gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Er führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde, ob er sich auf das Ergebnis auswirkt (vgl. Senat, Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368; Beschl. v. 15. Januar 2004, V ZB 56/03, FamRZ 2004, 788, 789).
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) auch bei Berücksichtigung der von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erteilten Einzelanweisung nicht vorliegen.
9
a) Eine konkrete Einzelanweisung kann den Rechtsanwalt dann nicht von einer unzureichenden Büroorganisation entlasten, wenn sie die bestehende Organisation nicht außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und bestimmt sind, der Fristversäumung entgegenzuwirken, dieses infolge eines Organisationsmangels aber nicht bewirken (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, aaO, S. 369; Beschl. v. 6. Dezember 2007, V ZB 91/07, JurBüro 2008, 280; BGH, Beschl. v. 21. Dezember 2006, IX ZB 309/04, AnwBl. 2007, 236). Das gilt erst recht, wenn die Anweisung schon nicht erkennen lässt, dass von der bestehenden Büroorganisation abgewichen werden soll. So liegt es hier.
10
Die Anweisung, die fertig gestellte Berufungsbegründung "an das Landgericht Heilbronn zu faxen", machte nicht deutlich, dass der Schriftsatz anders als sonstige am letzten Tag der Frist erstellte Schriftsätze behandelt werden musste. Die angewiesene Angestellte hat demgemäß auch nicht erkannt, dass sie von der üblichen Handhabung fristgebundener Schriftsätze abweichen sollte. Andernfalls hätte sie bei der anhand des elektronischen Kalenders vorgenommenen abendlichen Fristenkontrolle nicht, wie geschehen, annehmen können, die Sache des Klägers habe noch bis zum nächsten Tag Zeit.
11
Auch die weitere Darstellung in dem Wiedereinsetzungsantrag belegt, dass die allgemeinen Organisationsregeln ihre Bedeutung durch die Einzelanweisung nicht verloren hatten. Darin wird die Fristversäumnis - neben der falschen Eingabe der Frist im elektronischen Kalender - auf einen zweiten Fehler der Mitarbeiterin zurückgeführt, nämlich darauf, dass sie sich am Abend einzig auf die von ihr fehlerhaft eingetragene Frist verlassen habe, anstatt bei dem Anwalt Rückfrage zu halten oder die Frist in dem weiteren Kalender bzw. in der Handakte nachzukontrollieren. Bei einer die bestehende Organisation insgesamt außer Kraft setzenden Einzelanweisung hätte sich für die Büroangestellte keine unklare, eine Nachfrage bei dem Anwalt erfordernde Situation ergeben können. Vielmehr hätte nach dem Inhalt der Anweisung außer Zweifel gestanden, dass der Schriftsatz unter allen Umständen, insbesondere ungeachtet aller notierten Fristen, am selben Tag an das Landgericht zu übermitteln war.
12
Aus dem gleichen Grund war die Anweisung nicht geeignet, die fehlende Berichtigung des elektronischen Fristenkalenders auszugleichen, die von dem Anwalt aufgrund der - nach Vorlage der Akten zur Bearbeitung gebotenen - eigenverantwortlichen Prüfung der Rechtsmittelbegründungsfrist anzuordnen gewesen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Juni 2008, VI ZB 2/08, NJW 2008, 3439, 3440 m.w.N.). Da die Anweisung, den Schriftsatz an das Landgericht zu übermitteln, ohne Hinweis auf die falsche Notierung der Frist erfolgte, war abzusehen, dass die Mitarbeiterin sie als bloße Erinnerung an die Notwendigkeit, fristgebundene Schriftsätze am letzten Tag der Frist per Fax zu versenden, (miss-)verstehen würde.
13
b) Angesichts der Unzulänglichkeit der Einzelanweisung liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) nicht vor. Nach den - von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts beruht die Fristversäumnis sowohl auf einer ungenügenden Büroorganisation des klägerischen Anwalts, nämlich der fehlenden Überprüfung von Eingaben in den elektronischen Kalender auf ihre Richtigkeit (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 20. Februar 1997, IX ZB 111/96, NJW-RR 1997, 698; Beschl. v. 12. Dezember 2005, II ZB 33/04, NJW-RR 2006, 500), als auch auf der unterbliebenen bzw. unzureichenden Überprüfung der Berufungsbegründungsfrist, die der Anwalt durchführen musste, als ihm die Akten aus Anlass der Vorfrist zur Bearbeitung vorgelegt worden waren (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 10. Juni 2008, VI ZB 2/08, aaO). Beide Fehler sind dem Kläger zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO).

IV.

14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke Stresemann Roth
Vorinstanzen:
AG Marbach a. Neckar, Entscheidung vom 06.08.2008 - 2 C 62/08 -
LG Heilbronn, Entscheidung vom 04.12.2008 - 6 S 49/08 Hg -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 107/06
vom
17. Juli 2007
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Ball, den Richter Dr. Frellesen sowie die Richterinnen Hermanns, Dr. Milger und
Dr. Hessel
am 17. Juli 2007

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 26. Oktober 2006 aufgehoben.

Gründe:

I.

1
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin legte gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 7. Juli 2006 fristgemäß Berufung beim Oberlandesgericht Celle ein. Ihm wurde vom Berufungsgericht antragsgemäß eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 5. Oktober 2006 gewährt. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2006 beantragte der Prozessbevollmächtigte eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19. Oktober 2006. Dieser Schriftsatz war an das Landgericht Hannover adressiert, ging dort per Fax am 5. Oktober 2006 ein und wurde durch Verfügung des Einzelrichters vom 6. Oktober 2006 an das Oberlandesgericht Celle weitergeleitet.
2
Das Oberlandesgericht hat den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts wegen Versäumung der Berufungsbegrün- dungsfrist als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

3
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und hat auch in der Sache Erfolg. Das Berufungsgericht durfte die Berufung der Klägerin nicht wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verwerfen. Denn der Klägerin ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren , weil sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO). Ein der Klägerin zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) liegt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Prozessbevollmächtigten überspannt.
4
Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Klägerin hatte ihr Prozessbevollmächtigter kurz nach der Unterzeichnung des Fristverlängerungsantrags vom 5. Oktober 2006 festgestellt, dass dieser fälschlich an das Landgericht Hannover adressiert war, und die Rechtsanwaltsfachangestellte B. daraufhin gebeten, diesen Schriftsatz zu schreddern und einen entsprechenden Verlängerungsantrag an das Oberlandesgericht Celle zu richten. Dem ist die Angestellte insoweit auch nachgekommen, als sie den neuen, an das Oberlandesgericht adressierten Schriftsatz erstellt und dem Rechtsanwalt zur Unterschrift vorgelegt hat. Der Rechtsanwalt brauchte, nachdem er den nunmehr zutreffend adressierten Verlängerungsantrag unterschrieben hatte, nicht damit zu rechnen, dass die bislang zuverlässig arbeitende Mitarbeiterin diesen Schriftsatz nicht an das Berufungsgericht faxen, sondern vernichten würde und statt- dessen den an das Landgericht Hannover gerichteten Schriftsatz, den sie hatte vernichten sollen, absenden würde. Die der Angestellten erteilte Weisung, den an das Landgericht adressierten Schriftsatz zu vernichten und den an das Berufungsgericht gerichteten Schriftsatz abzusenden, hatte einfache Aufgaben zum Gegenstand, bei denen der Rechtsanwalt darauf vertrauen darf, dass ein ansonsten zuverlässig arbeitender Angestellter sie richtig erledigt (vgl. Senatsbeschluss vom 4. November 1981 - VIII ZB 59/81 und VIII ZB 60/81, NJW 1982, 2670, unter II 2 a). Die ordnungsgemäße Ausführung einfacher Aufgaben muss der Rechtsanwalt bei solchen Mitarbeitern nicht persönlich überwachen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Februar 1982 - VIII ZR 76/81, NJW 1982, 2670, unter II 2 b cc).
5
Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, der Prozessbevollmächtigte hätte den an das Landgericht adressierten Schriftsatz, nachdem er ihn zunächst unterschrieben hatte, persönlich vernichten müssen oder zumindest im Adressfeld das unzuständige Gericht durchstreichen und das zuständige Gericht kennzeichnen müssen, überspannt es die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts. Dieser durfte mit der Vernichtung des unrichtig adressierten Schriftsatzes auch seine Mitarbeiterin betrauen und sich darauf verlassen, dass sie auch diesen Teil seiner Weisung ausführen würde, nachdem sie ihm den neu erstellten, nunmehr zutreffend adressierten Schriftsatz zur Unterschrift vorgelegt hatte.
6
Ebenso wenig ist ein der Klägerin zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten daraus herzuleiten, dass dieser zunächst den falsch adressierten Schriftsatz unterschrieben hatte. Dieses Versehen ist vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin rechtzeitig bemerkt und dadurch korrigiert worden, dass er einen neuen Schriftsatz an das Berufungsgericht hat erstellen lassen, den er sodann auch unterschrieben und seiner Mitarbeiterin zur Weiterleitung an das Berufungsgericht übergeben hat. Ball Dr.Frellesen Hermanns Dr.Hessel Dr.Milger
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 07.07.2006 - 8 O 292/03 -
OLG Celle, Entscheidung vom 26.10.2006 - 5 U 147/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 154/09
vom
9. Dezember 2009
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte
, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete schriftliche
Einzelanweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich
anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. Auf allgemeine
organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung
in einer Anwaltskanzlei kommt es in solchen Fällen nicht mehr an.
BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09 - KG Berlin
AG Berlin-Pankow/Weißensee
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Dezember 2009 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke sowie die Richter
Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Klinkhammer und Schilling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 26. Mai 2009 aufgehoben. Dem Antragsteller wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Kammergericht zurückverwiesen. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.

1
Der Antragsteller wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung seiner befristeten Beschwerde wegen Versäumung der Begründungsfrist.
2
Der Antragsteller begehrt Umgang mit seiner im Jahre 2004 geborenen Tochter. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2008 hat das Familiengericht den Umgang für die Dauer eines Jahres im Wesentlichen ausgeschlossen. Gegen diesen Beschluss, der ihm am 5. Januar 2009 zugestellt worden ist, hat der Antragsteller befristete Beschwerde eingelegt, die am 12. Januar 2009 beim Beschwerdegericht eingegangen ist. Am 12. März 2009 (nicht: 10. März 2009) hat der Antragsteller schließlich beantragt, ihm wegen der versäumten Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zugleich hat er die Beschwerde begründet.
3
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat der Antragsteller u.a. vorgetragen, die Büroangestellte seiner Verfahrensbevollmächtigten habe zunächst versehentlich eine Beschwerdefrist von lediglich 14 Tagen (Ablauf 19. Januar 2009) sowie eine Beschwerdebegründungsfrist von weiteren 14 Tagen (Ablauf 5. Februar 2009) eingetragen. Seine Verfahrensbevollmächtigte habe sie darauf hingewiesen, dass für die Beschwerde und Beschwerdebegründung hinsichtlich der Versagung der Prozesskostenhilfe eine Monatsfrist (Ablauf 5. Februar 2009), für die übrige Beschwerdebegründung eine weitere Monatsfrist (Ablauf 5. März 2009) notiert werden müsse. Dies sei von seiner Verfahrensbevollmächtigten auch auf dem entsprechenden Verfügungszettel, der jedem Posteingang beigefügt sei, schriftlich für ihre Mitarbeiterin notiert worden. Zwar sei die vollständige Eintragung der Frist in der Akte erfolgt, was nach der Kanzleianweisung erst nach Eintragung im Fristenkalender geschehen solle, jedoch sei die Eintragung in den Fristenkalender hinsichtlich der weiteren Beschwerdebegründungsfrist und der, gemäß der allgemeinen Kanzleianweisung einzutragenden, üblichen Vorfrist von einer Woche unterblieben.
4
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Beschwerdegericht dem Antragsteller Wiedereinsetzung versagt und seine Beschwerde als unzulässig http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE028002301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE061502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE067803301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE067803301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE067803301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE001800314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
6
1. Die gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Indem das Beschwerdegericht die befristete Beschwerde des Antragstellers verworfen und ihm zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist verweigert hat, hat es das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ) verletzt. Es hat dem Antragsteller den Zugang zur Beschwerdeinstanz ungerechtfertigt versagt.
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
8
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, eine fristgerechte Begründung sei weder in der Begründung der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrages noch in der Begründung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu sehen. Der Antragsteller sei schließlich nicht ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Frist zur Begründung der Beschwerde einzuhalten. Seine Verfahrensbevollmächtigte habe die Fristenkontrolle in ihrem Büro nicht so organisiert, dass ein Versäumen der Frist aufgrund einer fehlenden Fristnotierung im Fristenkalender verhindert werde. Zu- gunsten des Antragstellers sei zwar zu unterstellen, dass es sich bei der Mitarbeiterin seiner Verfahrensbevollmächtigten um eine zuverlässig erprobte und sorgfältig überwachte und gut ausgebildete Angestellte handele. Der Rechtsanwalt habe jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen , dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Dabei werde verlangt, dass die Eintragung der Frist im Fristenkalender auch feststellbar notiert werden müsse, was zweckmäßigerweise durch einen Vermerk in der Handakte mit Handzeichen und Datumsangabe zu erfolgen habe. Nach dem Vortrag des Antragstellers werde üblicherweise erst die Frist im Fristenkalender notiert und dann die Frist in der Handakte. Bereits dieser Vortrag lasse keine zuverlässige Fristenkontrolle feststellen. Denn es fehle an der klaren Anweisung , stets zunächst die Frist im Fristenkalender zu notieren und erst nach dieser Notierung einen Fristenvermerk in der Handakte aufzunehmen. Mithin könne der Fristnotierung im Handaktenblatt nicht entnommen werden, dass die Notierung der Frist im Fristenkalender von der Angestellten überprüft worden sei.
9
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht Stand.
10
a) Allerdings ist dem Beschwerdegericht dahin zu folgen, dass weder die Begründung der Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe seitens des Familiengerichts noch die Begründung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung den Anforderungen genügen, die an die Begründung einer befristeten Beschwerde gestellt werden (vgl. § 621 e Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. Art. 111 FGG-RG). Zwar sind danach an den Inhalt der Beschwerdebegründung nicht die gleichen Anforderungen zu stellen wie an eine Berufungsbegründung. Der Beschwerdeführer muss aber vortragen , was er an der angefochtenen Entscheidung missbilligt (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 621 e Rdn. 49). Vorliegend beziehen sich die jeweiligen Be- http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE061502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE027604160&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE027802301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE027802301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 6 - gründungen des Antragstellers jedoch ausschließlich auf die Prozesskostenhilfebeschwerde und den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
11
b) Gleichwohl hätte das Beschwerdegericht die befristete Beschwerde nicht gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 2, § 621 a Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG verwerfen dürfen, weil dem Antragsteller hinsichtlich der Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
12
Der Wiedereinsetzungsantrag ist rechtzeitig beim Beschwerdegericht eingegangen. Das Hindernis zur Einhaltung der Frist entfiel den unbestrittenen Angaben des Antragstellers zufolge am 6. März 2009. Von diesem Tag an lief die Frist von einem Monat, um Wiedereinsetzung zu beantragen und die Beschwerdebegründung nachzuholen, §§ 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Diese Frist hat der Antragsteller gewahrt; Wiedereinsetzungsantrag und nachgeholte Beschwerdebegründung gingen am 12. März 2009 und damit rechtzeitig beim Beschwerdegericht ein.
13
c) Der Antragsteller hat die Beschwerdebegründungsfrist weder aus eigenem noch aus einem ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten versäumt.
14
Es ist bereits zweifelhaft, ob trotz der vom Antragsteller geschilderten Büroorganisation in der Kanzlei seiner Verfahrensbevollmächtigten ein gesonderter Vermerk über die Erledigung der Eintragung im Fristenkalender erforderlich ist. Die Frage kann indes unbeantwortet bleiben. Denn nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Antragstellers, mit dem sich das Beschwerdegericht allerdings nicht befasst hat, lagen hinsichtlich der Eintragung der Fristen sowohl eine mündliche als auch schriftliche Einzelanweisung vor, die eine spätere Kontrolle entbehrlich machten.
15
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Eintragung der Frist im Fristenkalender grundsätzlich durch einen Erledigungsvermerk kenntlich zu machen (vgl. dazu insbesondere Beschlüsse vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02 - NJW 2003, 1815, 1816; vom 22. Januar 2008 - VI ZB 46/07 - NJW 2008, 1670, 1671 und vom 14. Juni 2006 - IV ZB 18/05 - NJW 2006, 2778, 2779). Allerdings ist ein bestimmtes Verfahren hinsichtlich der Fristwahrung weder vorgeschrieben noch allgemein üblich. Vielmehr steht es dem Rechtsanwalt grundsätzlich frei, auf welche Weise er sicherstellt, dass die Eintragung im Fristenkalender und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen (BGH Beschluss vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07 - juris Tz. 10). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe spricht vieles dafür, dass ein Rechtsanwalt seiner Organisationspflicht auch dann hinreichend Rechnung trägt, wenn er - wie hier - zwar nicht die Erstellung eines Erledigungsvermerkes verfügt, gleichwohl aber anordnet, die Frist erst in der Handakte zu notieren, nachdem sie im Fristenkalender eingetragen worden ist. Die Frage kann hier indes unbeantwortet bleiben.
16
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt jedenfalls grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete schriftliche Einzelanweisung befolgt, weshalb er im Allgemeinen nicht verpflichtet ist, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (BGH Beschlüsse vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07 - juris Tz. 7 f.; vom 23. November 2000 - IX ZB 83/00 - NJW 2001, 1578, 1579). In diesem Fall kommt es auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei nicht mehr an (BGH Beschluss vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07 - juris Tz. 7).
17
So liegt der Fall hier. Denn dem Vortrag des Antragstellers zufolge hat seine Verfahrensbevollmächtigte die Büroangestellte mündlich zum Eintrag der von ihr (der Verfahrensbevollmächtigten) mitgeteilten Fristen angewiesen und dies nochmals auf dem beiliegenden Verfügungszettel schriftlich vermerkt. Zwar ist es richtig, dass die Büroangestellte hinsichtlich der Ermittlung der Fristen ersichtlich unsicher war. Dem hat sie allerdings dadurch Rechnung getragen, dass sie die von ihr unzutreffend, nämlich zu kurz, ermittelte Frist vorläufig zur Sicherheit vermerkt hatte. Zudem handelt es sich nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts bei der Mitarbeiterin der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers um eine zuverlässig erprobte, sorgfältig überwachte und gut ausgebildete Angestellte. Demgemäß musste die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers auch nicht befürchten, dass ihre Mitarbeiterin die entsprechende Anweisung zur Eintragung der Fristen nicht ordnungsgemäß befolgen würde, zumal diese - wie dargetan - schriftlich auf dem Verfügungszettel vermerkt waren.
18
3. Dem Antragsteller war somit unter Aufhebung des Beschlusses des Beschwerdegerichts vom 26. Mai 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde zu gewähren.
Damit ist der auf die Verwerfung der befristeten Beschwerde beruhende Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrags des Antragstellers ebenfalls die Grundlage entzogen.
Hahne Weber-Monecke Wagenitz Klinkhammer Schilling

Vorinstanzen:
AG Berlin-Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 22.12.2008 - 17 F 6231/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 26.05.2009 - 13 UF 9/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 54/08
vom
30. Oktober 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Rechtsanwalt, der seiner bislang zuverlässigen Kanzleiangestellten
die Weisung erteilt, in einer von ihm bereits unterzeichneten Berufungsschrift
die falsche Bezeichnung des Berufungsgerichts zu korrigieren,
ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die ordnungsgemäße Ausführung der
Korrektur zu überprüfen.

b) Im Fristenkalender muss nicht das zuständige Rechtsmittelgericht eingetragen
sein. Dieses hat vielmehr der Rechtsanwalt selbst zu ermitteln.
BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dr. Wurm, Dörr, Wöstmann und die
Richterin Harsdorf-Gebhardt

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Mai 2008 - I-24 U 77/08 - aufgehoben.
Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 28. Februar 2008 - 3 O 288/06 - gewährt.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten an das Berufungsgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens vorbehalten bleibt.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 104.300 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat durch das den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 6. März 2008 zugestellte Urteil das der Beklagten nachteilige Versäumnisurteil aufrechterhalten. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt mit einem an das Landgericht adressierten Schriftsatz, der dort am Montag, dem 7. April 2008, und nach Weiterleitung am 11. April 2008 beim Oberlandesgericht einging. Vom Landgericht auf die falsche Adressierung der Berufungsschrift aufmerksam gemacht, hat die Beklagte mit einem beim Oberlandesgericht am 18. April 2008 eingegangenem Schriftsatz erneut Berufung eingelegt, diese begründet und beantragt, ihr wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
2
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Beklagte vorgetragen und glaubhaft gemacht: Die erfahrene, seit 2005 bei ihren Prozessbevollmächtigten zuverlässig tätige Rechtsanwaltsfachangestellte D. habe am 7. April 2008 auftragsgemäß den Entwurf der Berufungsschrift nach Diktat gefertigt und zur Durchschrift und Unterzeichnung dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorgelegt. Dieser habe auf der ersten Seite der zweiseitigen Berufungsschrift zwei Fehler entdeckt, zum einen die falsche Adressierung an das Landgericht und zum anderen einen Rechtschreibfehler im Namen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Der Rechtsanwalt habe auf dem ersten Blatt handschriftlich vermerkt, was zu korrigieren sei, und die Berufungsschrift auf dem zweiten, nicht korrekturbedürftigen Blatt unterzeichnet. Entsprechend einer allgemein erteilten Kanzleianweisung habe er seine Mitarbeiterin angewiesen, das erste Blatt gemäß den Vermerken zu korrigieren und ihm den Schriftsatz anschließend erneut zur Durchsicht vorzulegen. Die Mitarbeiterin habe den Namen der Prozessbevollmächtigten der Gegenseite korrigiert, die Berichtigung der Adresse aber vergessen, weil sie bei ihrer Korrekturarbeit durch mehrere Mandantenanrufe unterbrochen worden sei. Da sie den Rechtsanwalt nicht in einer Besprechung habe stören wollen, habe sie ihm die Berufungsschrift nicht noch einmal vorgelegt, sondern diese vor Verlassen des Büros an das Landgericht per Telefax übermittelt und in den Postgang gegeben.
3
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
5
1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Nach § 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Denn die angefochtene Entscheidung verletzt - wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt - die Verfahrensgrundrechte der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechts- staatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Sie steht zudem nicht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Oberlandesgericht hat zu Unrecht der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist versagt.
7
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe infolge eines ihr zuzurechnenden Verschuldens ihres Prozessbevollmächtigten die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt. Zwar dürfe sich ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf verlassen, dass Kanzleiangestellte, die fachlich ausgebildet seien und sich bisher als zuverlässig erwiesen hätten, allgemein oder speziell erteilte Weisungen beachteten. Gleichwohl müssten geeignete organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, um die irrtümliche Versäumung von Fristen zu verhindern. Das Fehlen eines solchen Sicherungssystems, insbesondere eines Fristenkalenders, bedeute einen entscheidenden Organisationsmangel. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten ein Fristenkalender geführt werde und die Weisung bestanden habe, vor Herausgabe eines fristgebundenen Schriftsatzes anhand des Fristenkalenders zu kontrollieren , ob er richtig adressiert worden sei. Wenn diese Kontrolle durchgeführt worden wäre, hätte der Rechtsanwaltsfachangestellten auffallen müssen, dass das in der Berufungsschrift noch immer als Rechtsmittelgericht angegebene "Landgericht Wuppertal" nicht übereinstimmte mit der Rechtsmittelinstanz, die im Fristenkalender zutreffend mit "Oberlandesgericht Düsseldorf" hätte eingetragen sein müssen. Die der Rechtsanwaltsfachangestellten erteilte Einzelanweisung habe den Irrtum nicht zuverlässig verhindern können.
8
b) Damit hat das Berufungsgericht Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten gestellt, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in Fällen der vorliegenden Art nicht verlangt werden.
9
Das aa) Berufungsgericht hat übersehen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Falle einer Fristversäumung den Rechtsanwalt ein der Partei zurechenbares Verschulden nicht trifft, wenn er einer bislang zuverlässigen Kanzleiangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Grundsätzlich trägt der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung dafür, dass die Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht. Demgemäß muss er sich bei Unterzeichnung dieses Schriftsatzes davon überzeugen, dass er zutreffend adressiert ist (Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 - III ZB 82/02 - NJW-RR 2003, 934, 935 unter 2. b; BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 1982 - VIII ZR 76/81 - NJW 1982, 2670 unter 2. b aa m.w.N.; vom 6. Mai 1992 - XII ZB 39/92 - VersR 1993, 79 m.w.N.; vom 29. Juli 2003 - VIII ZB 107/02 - NJOZ 2003, 2736, 2737 unter II. 2.). Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ist dieser Pflicht nachgekommen und hat seiner Mitarbeiterin die klare Anweisung erteilt, die Bezeichnung des Berufungsgerichts zu korrigieren. Ihm kann auch nicht als Verschulden vorgehalten werden, dass er die Berufungsschrift vor der von ihm für erforderlich gehaltenen Korrektur unterzeichnet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 aaO m.w.N.; BGH, Beschlüsse vom 4. November 1981 - VIII ZB 59, 60/81 - NJW 1982, 2670, 2671 unter 2. b; vom 10. Februar 1982 aaO unter 2. b bb, cc; vom 29. Juli 2003 aaO).
10
bb) In einem solchen Fall darf der Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich - wie hier - bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelfallanweisung befolgt. Ihn trifft unter diesen Umständen nicht die Verpflichtung, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 aaO m.w.N.; BGH, Beschlüsse vom 4. November 1981 aaO; vom 18. März 1998 - XII ZB 180/96 - NJW-RR 1998, 1360 unter II. 2. m.w.N.; vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00 - NJW 2000, 2823 unter II.; vom 29. Juli 2003 aaO; vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03 - NJW-RR 2004, 711, 712 unter II. m.w.N.). Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten war daher nicht verpflichtet, die ordnungsgemäße Ausführung der Korrektur zu überprüfen. Die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfalt würden überspannt, wollte man verlangen, dass er bei einer Angestellten, an deren Zuverlässigkeit keine Zweifel bestanden, die Vornahme einer einfachen Berichtigung der falschen Adressierung zu kontrollieren (BGH, Beschluss vom 4. November 1981 aaO). Ein Verschulden kann einem Rechtsanwalt in einer solchen Konstellation dann vorgeworfen werden, wenn er den ihm zum zweiten Mal vorgelegten und immer noch fehlerhaften Berufungsschriftsatz unterzeichnet, ohne ihn zuvor auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft zu haben (BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 1992 aaO; vom 29. Juli 2003 aaO). So liegt der Fall hier nicht. Im Übrigen ist eine besondere Kontrolle nur dann erforderlich, wenn die Rechtsmittelschrift mehrere für die Zulässigkeit relevante Fehler enthielt (BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 1994 - XI ZB 10/94 - NJW 1995, 263, 264 unter II.; vom 29. Juli 2003 aaO; vom 9. Dezember 2003 aaO). Eine solche Häufung von zulässigkeitsrelevanten Fehlern wies die von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterzeichnete Berufungsschrift nicht auf. Für die Zulässigkeit der Berufung bedeutsam war nur die Adressierung an das unzuständige Gericht, nicht aber der Schreibfehler in der Bezeichnung der Prozessbevollmächtigten der Berufungsbeklagten.
11
cc) Ein Verschulden kann dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten auch nicht deshalb angelastet werden, weil er nichts unternahm, nachdem ihm seine Mitarbeiterin entgegen seiner Weisung den Schriftsatz vor der Versendung nicht noch einmal zur Durchsicht vorgelegt hatte. Eine solche, über das gebotene Maß hinausgehende Anordnung kann nicht zu einer Verschärfung der den Rechtsanwalt treffenden Sorgfaltspflichten führen (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2006 - XII ZB 99/06 - NJW 2007, 1455, 1456 Rn. 8 m.w.N.). Demnach musste der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die von ihm erteilte Einzelanweisung, ihm die Berufungsschrift nochmals zur Korrektur vorzulegen, nicht in Erinnerung behalten, sondern konnte sich darauf verlassen, dass seine Mitarbeiterin die Bezeichnung des Berufungsgerichts weisungsgemäß berichtigen werde.
12
dd) Unerheblich für die Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch ist die vom Berufungsgericht in den Vordergrund gestellte Frage, wie die Fristen- und Ausgangskontrolle im Büro der Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausgestaltet war. Das Berufungsgericht stellt in diesem Zusammenhang zu Unrecht darauf ab, dass bei ordnungsgemäßer Führung eines Fristenkalenders aufgefallen wäre, dass der Berufungsschriftsatz ohne Freigabe durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten an das falsche Gericht gesandt worden war. Es überspannt in seinem rechtlichen Ausgangspunkt die Anforderungen an die ordnungsgemäße Führung eines Fristenkalenders, wenn es fordert, darin müsse auch das zuständige Rechtsmittelgericht eingetragen sein. Der Fristenkalender dient dazu, den Rechtsanwalt rechtzeitig an die Erledigung einer fristgebundenen Sache zu erinnern. Dazu ist es nicht erforderlich, im Fristenkalender das zuständige Rechtsmittelgericht einzutragen. Dieses hat vielmehr der Rechtsanwalt selbst zu ermitteln.
13
ee) Eine andere Beurteilung ist auch nicht unter Berücksichtigung des vom Berufungsgericht zitierten Senatsbeschlusses vom 4. April 2007 (III ZB 85/06 - NJW-RR 2007, 1430, 1431 Rn. 9 m.w.N.) geboten. Diese Entscheidung betraf einen Fall, in dem der Prozessbevollmächtigte mündlich eine Einzelanweisung zum Versand eines Schriftsatzes per Telefax erteilt hatte, ohne Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass diese Anweisung in Vergessenheit geraten konnte. Als geeignete Vorkehrung hat der Senat die allgemeine Anordnung, sofort nach der mündlichen Weisung im Fristenkalender einen Vermerk über die gebotene Versendung per Fax anzubringen, genannt. Eine derartige Anordnung wäre hier nicht geeignet gewesen, die Versendung des Schriftsatzes an das unzuständige Gericht zu verhindern. Zudem hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten seiner Mitarbeiterin nicht nur mündlich aufgegeben, die Berufungsschrift zu korrigieren, sondern seine Korrekturanweisung auf dem zu korrigierenden Schriftsatz schriftlich vermerkt. Seine Einzelanweisung war auch nicht in Vergessenheit geraten. Die Rechtsanwaltsgehilfin hatte mit der Berichtigung der Berufungsschrift begonnen und dabei von beiden ihr aufgegebenen Korrekturen gerade die zulässigkeitsrelevante nicht vorgenommen. Gegen ein solches Versehen konnte und musste der Prozessbevollmächtigte der Beklagten keine Vorkehrungen treffen.
14
c) Der rechtzeitig gestellte Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten ist daher begründet. Darüber kann der Senat gemäß § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht an der Richtigkeit des zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs vorgetragenen Sachverhalts keinen Zweifel hatte. Danach ist die Versäumung der Berufungsfrist auf ein der Beklagten nicht zuzurechnendes Verschulden der erfahrenen und ansonsten zuverlässig arbeitenden sowie ordnungsgemäß angewiesenen Rechtsanwaltsgehilfin ihrer Prozessbevollmächtigten zurückzuführen.
15
DasBerufungsgerichtwir d nunmehr in der Sache über die Berufung der Beklagten zu entscheiden haben.
Schlick Wurm Dörr
Wöstmann Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Wuppertal, Entscheidung vom 28.02.2008 - 3 O 288/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 27.05.2008 - I-24 U 77/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 64/05
vom
26. Januar 2006
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Zu den Anforderungen an eine Ausgangskontrolle bei der Versendung einer
Rechtsmittelschrift per Telefax (hier: Einschaltung einer Auszubildenden in der
Anfangsphase der Ausbildung im Rahmen der Ausgangskontrolle und zeitliches
Auseinanderfallen der Kontrollmaßnahmen).
BGH, Beschl. v. 26. Januar 2006 - I ZB 64/05 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2006 durch
die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg und Pokrant, die Richterin Ambrosius und
die Richter Dr. Büscher und Dr. Schaffert

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Mai 2005 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde beträgt 100.000 €.

Gründe:


1
I. Das Urteil des Landgerichts München I, durch das die Klage abgewiesen worden ist, ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 24. November 2004 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist beim Berufungsgericht am Montag, 27. Dezember 2004, eingegangen.
2
Die Klägerin hat gegen die Versäumung der am 24. Dezember 2004 abgelaufenen Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu ausgeführt:
3
Ihr Prozessbevollmächtigter, Rechtsanwalt Dr. H. , habe die seit August 2004 in der Rechtsanwaltskanzlei beschäftigte, stets zuverlässige Auszubildende Frau K. am 23. Dezember 2004 angewiesen, die Berufungsschrift im vorliegenden Verfahren an das Berufungsgericht und ein Bestätigungsschreiben an die Klägerin jeweils per Telefax vorab zu übermitteln. Am späten Nachmittag desselben Tages habe Rechtsanwalt Dr. H. sich durch eine Rückfrage bei der Auszubildenden versichert, ob die Berufungsschrift an das Oberlandesgericht abgesandt worden sei, ein OK-Vermerk vorliege und sie die Fax-Nummern kontrolliert habe. Dies sei von der Auszubildenden bestätigt worden. Daraufhin habe ihr Prozessbevollmächtigter die Frist im Fristenkalender und auf seiner gesondert geführten Fristenliste abgehakt. Erst am 29. Dezember 2004 habe sich herausgestellt, dass die Auszubildende lediglich das Bestätigungsschreiben per Telefax übermittelt habe; die Berufungsschrift habe sie nur mit der Post versandt.
4
II. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
5
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe die erforderliche Sorgfalt vermissen lassen, weil eine Ausgangskontrolle gänzlich unterblieben sei. Zwar brauche sich ein Rechtsanwalt nicht über die ordnungsgemäße Erledigung einer jeden Einzelanweisung vergewissern. Von einer Verpflichtung, generell für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, sei er aber auch im Fall von Einzelanweisungen nicht entbunden. Er habe sicherzustellen, dass eine Frist im Fristenkalender erst dann als erledigt gekennzeichnet werde, wenn der Schriftsatz abgesandt sei. An die in der Rechtsanwaltskanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestehende allgemeine Anweisung, dass Fristen von der zuständigen Sekretärin erst nach vollständiger Erledigung, also erst nach dem Vorliegen des OK-Vermerks des Faxgerätes im Fristenbuch abzuhaken seien, habe sich ihr Prozessbevollmächtigter selbst nicht gehalten. Er habe die Frist gestrichen, ohne sich von der tatsächlichen Erledigung anhand des konkreten Sendeberichts zu überzeugen. Auf die bloße Nachfrage bei der mit der Versendung betrauten Auszubildenden, die erst wenige Monate in der Kanzlei beschäftigt und bislang nicht selbständig, sondern nur unter Aufsicht tätig gewesen sei, habe sich der Prozessbevollmächtigte nicht verlassen dürfen. Das Fehlverhalten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei mitursächlich für das Fristversäumnis gewesen.
6
III. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
7
Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO müssen auch bei einer Rechtsbeschwerde vorliegen, die sich gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss richtet (BGHZ 161, 86, 87). Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Streitfall nicht auszugehen. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts Verfahrensgrundrechte der Klägerin, namentlich den Grundsatz des rechtlichen Gehörs , den Anspruch auf ein willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip

).


8
Die Klägerin war nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Berufungsfrist einzuhalten (§§ 233, 517 ZPO). Ihr Prozessbevollmächtigter hat die Berufungs- frist von einem Monat schuldhaft versäumt; sein Verschulden muss sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
9
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen (BGH, Beschl. v. 8.4.1997 - VI ZB 8/97, NJW 1997, 2120, 2121; Beschl. v. 4.10.2000 - XI ZB 9/00, BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 14). Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax kommt der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (BGH, Beschl. v. 18.10.1995 - XII ZB 123/95, VersR 1996, 778 f. = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 44; Beschl. v. 19.11.1997 - VIII ZB 33/97, NJW 1998, 907). Ob dem die allgemeine Anweisung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Ziff. 1.4.3) genügt, kann offen bleiben. Bedenken könnten sich daraus ergeben, dass die Anweisung allgemein gehalten ist und die vorstehend nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlichen Prüfungsschritte nicht im Einzelnen aufgeführt sind. Die Frage kann aber dahinstehen, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Berufungsfrist im Terminkalender als erledigt gekennzeichnet hat, ohne sichergehen zu können, dass die Einhaltung der Frist in der dargelegten Weise ausreichend kontrolliert worden war. Dies begründet ein eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
10
2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt es nicht darauf an, dass der Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass eine bislang zuverlässige Büroangestellte eine konkrete Einzelanweisung befolgt und bei mündlichen Anweisungen nur sichergestellt werden muss, dass diese nicht in Vergessenheit geraten. Die Einzelanweisung, die Berufungsschrift per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln, machte die Ausgangskontrolle nicht entbehrlich (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369; Beschl. v. 3.5.2005 - XI ZB 41/04, Umdruck S. 5). Zwar kann der Rechtsanwalt die Ausgangskontrolle auf zuverlässiges Büropersonal übertragen und braucht sie nicht selbst vorzunehmen (BGH, Beschl. v. 23.3.1995 - VII ZB 19/94, NJW 1995, 2105, 2106). Übernimmt der Rechtsanwalt aber generell oder im Einzelfall die Ausgangskontrolle selbst, muss er für eine wirksame Kontrolle Sorge tragen.
11
Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Ausgangskontrolle selbst übernommen, indem er anstelle der sonst zuständigen Sekretärin Frau Ky. die Berufungsfrist im Fristenkalender als erledigt vermerkte. Wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat, war seine Ausgangskontrolle aber unzureichend, weil er das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Sendeprotokolls nicht selbst überprüfte, bevor er die Erledigung im Fristenkalender vermerkte. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxübermittlung (einschließlich der Kontrolle des Sendeprotokolls) kann der Anwalt allerdings grundsätzlich seinem Personal überlassen. Er braucht ihre Erfüllung dann nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren (vgl. BGH NJW 2004, 367, 368). Dies kann auch bei einer Auszubildenden der Fall sein, wenn diese mit einer solchen Tätigkeit vertraut ist und eine regelmäßige Kontrolle ihrer Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte sich hier aber trotz seiner konkreten Nachfrage, ob die Berufungsschrift durch Telefax übermittelt worden sei, nicht allein auf die Auskunft der Auszubildenden verlassen. Diese war bislang nicht mit der Ausgangskontrolle als solcher befasst.
12
Nach den getroffenen Feststellungen bedurfte die Auszubildende, auch wenn sie sich bis dahin als zuverlässig erwiesen haben mag, selbst in Fragen ihres angestammten Zuständigkeitsbereichs, zu dem die Versendung von Telefaxen gehörte, noch der Anleitung, Begleitung und Überwachung durch die zuständigen Sekretärinnen und den jeweils sachbearbeitenden Rechtsanwalt. Dazu kam - wie das Berufungsgericht näher dargelegt hat - die für die Auszubildende noch ungewohnte besondere Situation des "vorweihnachtlichen Stoßgeschäfts" vor den Feiertagen und dem Jahreswechsel, bei dem in einer Anwaltskanzlei vermehrt Fristsachen anfallen und bei dem auch langjährig erfahrene und zuverlässige Kräfte einer gesteigerten Fehleranfälligkeit unterliegen.
13
Aber auch wenn die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin beauftragte Mitarbeiterin mit der Ausgangskontrolle hinreichend vertraut gewesen wäre, genügte die praktizierte Verfahrensweise nicht den Anforderungen, die an eine ausreichende Ausgangskontrolle zu stellen sind. Zwischen der vermeintlichen Absendung der Berufungsschrift per Telefax am frühen Nachmittag und der Kontrolle des Absendevorgangs ausschließlich durch Nachfrage bei der mit der Versendung befassten Mitarbeiterin am späten Nachmittag lag eine nicht unerhebliche Zeitspanne. Hieraus ergeben sich zusätzliche Risiken, die bei einer im zeitlichen Zusammenhang mit dem Vorgang durchgeführten Kontrolle nicht bestanden hätten und die eine genügende Ausgangskontrolle nicht gewährleisteten , weil die gesamte Ausgangskontrolle auf dem Erinnerungsbild beruhte, das die Mitarbeiterin von dem von ihr ausgeführten, bereits einige Zeit zurückliegenden Vorgang der Telefaxversendung hatte.
14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
v. Ungern-Sternberg Pokrant Ambrosius
Schaffert Büscher
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 02.11.2004 - 9 HKO 6145/04 -
OLG München, Entscheidung vom 12.05.2005 - 6 U 5835/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 26/03
vom
9. Dezember 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Rechtsanwalt seiner Büroangestellten
die Anweisung erteilt hat, den Namen des Berufungsklägers in
der von ihm unterzeichneten Rechtsmittelschrift zu berichtigen, dazu die erste
Seite des Schriftsatzes auszutauschen und die Berufungsschrift anschließend
per Telefax an das Rechtsmittelgericht zu übermitteln, die Angestellte den
Schriftsatz aber unverändert absendet.
BGH, Beschluß vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03 - LG Schwerin
AG Wismar
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Dezember 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diede-
richsen und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß der Zivilkammer 6 des Landgerichts Schwerin vom 4. März 2003 aufgehoben , soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Der Berufungskläger zu 2 hat die Kosten seiner Rechtsbeschwerde zu tragen, nachdem er diese zurückgenommen hat. Der Gegenstandswert der Beschwerdeverfahren beträgt je 3.197,28

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes auf Schadensersatz in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 11. November 2002 zugestellt worden. Am 11. Dezem-
ber 2002 hat ihr Prozeßbevollmächtigter zunächst im Namen ihres Ehemannes Berufung eingelegt. Auf den am 30. Dezember 2002 zugegangenen Hinweis des Gerichts hat er am 13. Januar 2003 auch in ihrem Namen Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen , die Bürokraft ihres Prozeßbevollmächtigten, die Rechtsanwaltsfachangestellte F., habe am letzten Tag der Berufungsfrist einen Berufungsschriftsatz gefertigt, in dem fälschlicherweise nicht die Klägerin, sondern deren Ehemann als Berufungsführer aufgeführt gewesen sei. Dieses sei ihrem Prozeßbevollmächtigtem nach der Unterzeichnung aufgefallen. Er habe Frau F. daraufhin angewiesen, das Rubrum zu berichtigen, dazu die erste Seite des Schriftsatzes auszutauschen und die Berufungsschrift anschließend per Fax an das Landgericht zu übermitteln. Zusätzlich habe er auf der zweiten Seite des Schriftsatzes einen gelben Klebezettel mit dem Vermerk angebracht: „falscher Berufungskläger – austauschen H. V.“. Versehentlich habe Frau F. den unterzeichneten Schriftsatz ohne Änderung des Namens des Berufungsklägers an das Gericht gefaxt. Frau F. sei eine geschulte und sehr zuverlässige Angestellte, die, wie regelmäßige Kontrollen durch ihn ergeben hätten, Anweisungen bisher stets sorgfältig und ohne Beanstandungen ausgeführt habe. Der Ehemann der Klägerin hat seine Berufung später zurückgenommen.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Landgericht die begehrte Wiedereinsetzung versagt und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen haben sowohl die Klägerin als auch ihr Ehemann Rechtsbeschwerde eingelegt. Letzterer hat seine Rechtsbeschwerde zurückgenommen. Die Klägerin hält ihre Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts und wegen grundsätzlicher Bedeutung, jedenfalls aber zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für zulässig (§ 574 Abs. 2 Ziff. 2 und 1 ZPO).

II.


Die Rechtsbeschwerde der Klägerin ist gem. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, denn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluß verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozeßbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen mußte (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG, NJW-RR 2002, 1004, 1005).
Das Berufungsgericht übersieht, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein der Partei zuzurechnendes Verschulden ihres Anwalts (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO) an der Fristversäumung grundsätzlich nicht gegeben ist, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 1995 -XI ZB 13/95 - VersR 1996, 348; vom 18. März 1998 - XII ZB 180/96 - NJW-RR 1998, 1360 f.; vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00 - NJW 2000, 2823; vom 2. Juli 2001 - II ZB 28/00 - NJW-RR 2002, 60; vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01 - NJW-RR 2002, 1289 f. und vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - zur Veröffentlichung bestimmt). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt (vgl. Senatsbe-
schluß vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - zur Veröffentlichung bestimmt; BGH, Beschlüsse vom 23. April 1997 - XII ZB 56/97 - NJW 1997, 1930 und vom 27. Februar 2003 - III ZB 82/02 - MDR 2003, 763, 764). So liegt der Fall hier, denn der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hatte seiner Angestellten F. konkret aufgetragen, die von ihm unterzeichnete Berufungsschrift zu berichtigen , dazu die erste Seite des Schriftsatzes auszutauschen und die Berufungsschrift anschließend per Fax an das Landgericht zu übermitteln. Hätte Frau F. diese Einzelanweisung befolgt, wäre die Berufungsfrist gewahrt worden.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts traf den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nicht die Pflicht, die ordnungsgemäße Ausführung der Korrektur zu überprüfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 1982 - VIII ZB 76/81 - VersR 1982, 471 und vom 27. Februar 2003 - III ZB 82/02 - aaO). Eine besondere Kontrolle wäre allenfalls dann notwendig gewesen, wenn die Rechtsmittelschrift mehrere für die Zulässigkeit relevante Fehler aufgewiesen hätte (vgl. BGH, Beschluß vom 18. Oktober 1994 - X ZB 10/94 - VersR 1995, 558). Das war hier nicht der Fall. Wenn die Berufungsschrift entsprechend der Anordnung des Prozeßbevollmächtigten korrigiert worden wäre, hätte sie den sich aus § 519 ZPO ergebenden Anforderungen genügt. Insbesondere wäre die Klägerin als Partei des Berufungsverfahrens hinreichend deutlich bezeichnet gewesen. Dem steht nicht entgegen, daß es auf der zweiten Seite der Rechtsmittelschrift heißt, die Berufung werde "namens des Berufungsklägers“ eingelegt. Mängel der Parteibezeichnung in Rechtsmittelschriften sind unbeachtlich, wenn sie in Anbetracht der jeweiligen Umstände keinen vernünftigen Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers oder des Rechtsmittelbeklagten offenlassen (Senatsbeschluß vom 7. November 1995 - VI ZB 12/95 - VersR 1996, 251; Senatsurteile vom 15. Dezember 1998 - VI ZR 316/97 - VersR 1999, 900 und vom 19. Februar 2002 - VI ZR 394/00 -
VersR 2002, 777). Wenn die Partei eines Berufungsverfahrens namentlich und mit zutreffender Angabe ihrer Wohnungsanschrift benannt wird, ist es für ihre Identifizierung grundsätzlich ohne Belang, wenn sie statt als "Berufungsklägerin“ versehentlich als "Berufungskläger“ bezeichnet wird. Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, hätten im Streitfall bei ordnungsgemäßer Ausführung der angeordneten Korrektur der Rechtsmittelschrift keine vernünftigen Zweifel daran bestanden, daß die Berufung im Namen der Klägerin eingelegt werden sollte.
Müller Greiner Diederichsen
Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 11/01
vom
1. Juli 2002
in Sachen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Auf allgemeine organisatorische Anordnungen zur Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei
kommt es nicht an, wenn der Anwalt eine Angestellte mit der Telefaxübermittlung
eines eilbedürftigen Schriftsatzes konkret beauftragt und sich
über die Ausführung des Auftrags durch Nachfrage vergewissert. Das gilt jedenfalls
dann, wenn die Angestellte zusätzlich allgemein angewiesen ist, die
Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu
kontrollieren.
BGH, Beschluß vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 1. Juli 2002 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger,
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. Mai 2001 aufgehoben.
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gewährt.
Beschwerdewert: 56.187,54 DM = 28.728,23 ?

Gründe:


I. Der Kläger begehrt (in einem gesellschaftsrechtlichen Rechtsstreit) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist (§ 516 a.F. ZPO), die am 21. März 2001 abgelaufen ist. Das Original seiner Berufungsschrift vom 20. März 2001, das am 22. März 2001 bei dem Berufungsgericht einging, enthält den Hinweis auf ein (angeblich) vorab versandtes Telefax , über dessen Nichteingang die Geschäftsstelle den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 30. März 2001 informierte. Der Kläger hat zur Begründung sei-
nes Wiedereinsetzungsgesuchs, das am 5. April 2001 einging, vorgetragen, sein Prozeûbevollmächtigter habe die von ihm unterzeichnete Berufungsschrift am 20. März 2001 seiner Büroleiterin unter Hinweis auf den bevorstehenden Fristablauf mit der Bitte übergeben, den Schriftsatz vorab per Fax an das Oberlandesgericht zu übermitteln und ihn anschlieûend beim täglichen Gerichtsgang dort abzugeben. Alle Mitarbeiter der Kanzlei seien angewiesen, ausgehende Telefaxe auf ordnungsgemäûe Übersendung anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen und dieses dem Schriftsatz beizuheften. Die Büroleiterin sei zwar erst seit Januar 2001 in dieser Kanzlei, davor aber in einer anderen Anwaltskanzlei tätig gewesen und ihren Aufgaben stets zuverlässig und gewissenhaft nachgekommen, wie sich auch aus dem Zeugnis ihres früheren Arbeitgebers (des Prozeûbevollmächtigten des Beklagten) ergebe. Hinzu komme, daû sie dem Prozeûbevollmächtigten des Klägers am 20. März 2001 auf nochmalige Nachfrage erklärt habe, daû das Telefax übermittelt worden sei. Tatsächlich habe sie - entsprechend ihrer eidesstattlichen Versicherung - den Schriftsatz in das Faxgerät eingelegt und die Nummer des Oberlandesgerichts eingegeben, sich dann aber wegen eines Telefonats kurz entfernen müssen. Bei ihrer Rückkehr habe sie einen Sendebericht vorgefunden und zu den Akten genommen, den sie entgegen ihrer Übung nicht genau nachgeprüft habe, so daû ihr nicht aufgefallen sei, daû offenbar eine Kollegin inzwischen das Faxgerät benutzt und den dafür erstellten Sendebericht liegengelassen habe. Sie wisse nicht, wie es dazu habe kommen können. Ihr sei so etwas noch nie passiert; sie sei immer darauf bedacht, alles akkurat und sofort zu erledigen. Am Abend habe sie dann, wie der Prozeûbevollmächtigte des Klägers weiter ausführt, das Original des Schriftsatzes versehentlich nicht zu den für den Gerichtsgang, sondern zu den für den Postversand bestimmten Schriftsätzen gegeben.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluû unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs als unzulässig verworfen, weil der Kläger eine wirksame Ausgangskontrolle in der Kanzlei seines Prozeûbevollmächtigten nicht dargetan, insbesondere nicht vorgetragen habe, daû das Kanzleipersonal angewiesen worden sei, die im Fristenkalender einzutragende Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen, um sicherzustellen, daû die Nichterledigung einer Fristsache bei der vor Büroschluû durchzuführenden Kontrolle des Fristenkalenders noch rechtzeitig bemerkt werde. Ein weiterer Organisationsmangel liege darin, daû keine Vorkehrungen gegen die alternierende Benutzung des Faxgerätes durch zwei Kanzleiangestellte, wie hier, getroffen worden seien.
II. Die gemäû §§ 519 b Abs. 2, 577 Abs. 2 ZPO a.F. zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
1. Das Berufungsgericht übersieht, daû es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für den Ausschluû des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO a.F.) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei dann nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. Sen.Beschl. v. 2. Juli 2001 - II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60; BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00, NJW 2000, 2823). So liegt der Fall hier, da der Prozeûbevollmächtigte des Klägers seine Büroleiterin auf den bevorstehenden Fristablauf hingewiesen und ihr die Übermittlung der Berufungsschrift per Telefax sowie durch Abgabe bei dem Oberlandesgericht konkret aufgetragen hatte. Da darüber hinaus - nach den glaub-
haft gemachten Angaben des Klägers - in der Kanzlei seines Prozeûbevollmächtigten die allgemeine Anweisung bestand und praktiziert wurde, die ordnungsgemäûe Faxübermittlung anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen und dieses dem Schriftstück beizuheften, brauchte der Prozeûbevollmächtigte des Klägers hierauf nicht nochmals hinzuweisen. Die grundsätzliche Verpflichtung eines Anwalts, durch allgemeine Anweisung eine Ausgangskontrolle bei Telefaxen in der von dem Berufungsgericht dargestellten Weise zu gewährleisten (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 19. November 1997 - VIII ZB 33/97, VersR 1998, 607; v. 16. Juni 1998 - XI ZB 13 u. 14/98, VersR 1999, 996), wurde im vorliegenden Fall schon dadurch ersetzt, daû der Prozeûbevollmächtigte sich durch konkrete Nachfrage über die Ausführung des speziellen Auftrags vergewissert hat, wozu er an sich nicht verpflichtet gewesen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 aaO). Auf das Ergebnis dieser konkreten Ausgangskontrolle durfte der Prozeûbevollmächtigte sich verlassen. Mit dem vorliegenden Zusammentreffen unglücklicher Umstände muûte er nicht rechnen. Er hat die Zuverlässigkeit seines Personals in der Behandlung von Fristsachen gemäû der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung stichprobenartig überwacht. Eine darüber hinausgehende Überwachung, wie sie die Beschwerdegegnerin gegenüber einer neu eingestellten Büroleiterin fordert, hätte sich hier nicht auswirken können, weil es sich um das erstmalige Versagen einer Angestellten handelte, der "so etwas noch nie passiert ist". Da einer Partei nur ein Eigenverschulden ihres Anwalts an der Fristversäumung im Rahmen des § 233 ZPO zuzurechnen ist und die Faxübermittlung eines Schriftsatzes, die der Prozeûbevollmächtigte des Klägers als gesichert ansehen durfte, zur Fristwahrung grundsätzlich ausreicht, können dem Kläger auch daraus keine Nachteile erwachsen, daû die Angestellte seines Anwalts dessen überobligationsmäûiger Anweisung, den Originalschriftsatz ebenfalls fristgerecht zu übermitteln, nicht nachgekommen ist.
2. Ebensowenig liegt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - ein Organisationsverschulden des Anwalts darin, daû er seinem Personal nicht durch generelle Anweisung untersagt hat, die von einem Mitarbeiter in das Faxgerät eingelegten Schriftstücke zwecks Versendung eines anderen Schriftstücks zu entnehmen, bevor die Übermittlung der zuerst eingelegten Schriftstücke gewährleistet ist. Abgesehen davon, daû ein Anwalt nicht Vorsorge für alle irgendwie denkbaren Eventualitäten treffen kann und muû, wird einem Kontrollverlust bei alternierender Benutzung des Faxgerätes bereits durch die allgemeine Anweisung entgegengewirkt, daû jeder Mitarbeiter den Erfolg der von ihm vorzunehmenden Faxübermittlungen anhand des Sendeberichts zu überprüfen und diesen dem zugehörigen Schriftsatz beizuheften hat. Bei Befolgung dieser Anweisung hätte es zu dem Versäumnis nicht kommen können, das dem Kläger daher nicht zuzurechnen ist.
3. Da sonach dem Kläger Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren ist, ist die Verwerfung der Berufung durch das Oberlandesgericht gegenstandslos (vgl. Sen.Beschl. v. 24. Juli 2000 - II ZB 20/99, NJW 2000, 3284/86). Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin hat der Kläger die
Berufung mit Schriftsatz vom 23. Mai 2001 rechtzeitig (innerhalb der durch Verfügung vom 19. April 2001 verlängerten Begründungsfrist) begründet.
Röhricht Hesselberger Goette
Kraemer Münke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 26/08
vom
11. Februar 2009
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 11. Februar 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 23. Senats des Kammergerichts vom 7. Mai 2008 wird auf Kosten des Klägers verworfen.
Beschwerdewert: 525.000 €

Gründe:


1
I. Der Kläger erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Begründung der Berufung. Der unter dem 17. März 2008 gefertigte Schriftsatz, der den Antrag zur Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung gegen das dem Kläger am 17. Januar 2008 zugestellte Urteil enthielt, ist bei dem Kammergericht per Telefax erst am 18. März 2008 eingegangen. Nach einem entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts auf den verspäteten Verlängerungsantrag , der beim Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25. März 2008 eingegangen ist, hat der Kläger mit einem am 2. April 2008 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Wiedereinset- zung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich eine Berufungsbegründung vorgelegt.
2
1. Die Fristversäumnis wird damit begründet, dass der Schriftsatz mit dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zwar am 17. März 2008, also am letzten Tag der Frist, gefertigt und dann in eine für den Postausgang von mit Telefax zu übermittelnden Schreiben vorgesehene Mappe gelegt worden sei. Die für den Postausgang verantwortliche Büroleiterin des Prozessbevollmächtigten des Klägers habe die in dieser Mappe gesammelten Schriftstücke am selben Tag gegen 14.30 Uhr versandt, hierbei aber aus nicht mehr vollständig aufklärbaren Gründen den Fristverlängerungsantrag übersehen. Gleichwohl habe sie im weiteren Verlauf des Nachmittags die Frage des Klägervertreters, ob der Fristverlängerungsantrag per Telefax an das Berufungsgericht übermittelt worden sei, bejaht. Da der Klägervertreter keine Veranlassung gehabt habe, den Angaben seiner gut ausgebildeten und bis dahin stets verlässlich arbeitenden Büroleiterin zu misstrauen, habe er die Löschung der Berufungsbegründungsfrist veranlasst. Der Ablauf dieser Frist war mit dem 17. März 2008 zuvor ordnungsgemäß sowohl in dem elektronischen als auch in dem normalen Fristenkalender notiert worden. In der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten habe die allgemeine und regelmäßig auf ihre Einhaltung überprüfte Anweisung bestanden, bei Übermittlung eines Schriftstücks per Telefax die Telefax-Nummer des Empfängers sowohl nach ihrer Eingabe als auch anhand der Sendebestätigung zu überprüfen und ferner an Hand von Sendeprotokoll und Empfangsbestätigung zu kontrollieren, ob die Übermittlung korrekt und vollständig erfolgt sei. Der Schriftsatz mit dem Antrag auf Fristverlängerung sei erst am darauf folgenden Tag in der Ausgangsmappe für Telefax-Schreiben aufgefunden worden.
3
2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen , weil der Kläger ein ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumnis nicht ausgeräumt habe. Da der Klägervertreter selbst die Löschung der notierten Frist veranlasst habe, hätte er sich zuvor auch selbst anhand von Sendebericht oder Eingangsbestätigung von der ordnungsgemäßen Absendung per Telefax überzeugen müssen. Die vorzeitige Löschung der Frist habe also die rechtzeitige Aufdeckung des fehlenden Versands bei der gebotenen Kontrolle der offenen Fristen am Ende der Bürotätigkeit am 17. März 2008 und damit die fristwahrende Absendung des Schriftsatzes verhindert. Wegen der Gefahr von Erinnerungsfehlern hätte sich der Klägervertreter auch nicht auf die Angaben seiner ansonsten zuverlässigen Büroleiterin verlassen dürfen; dadurch sei die tatsächlich mögliche Ausgangskontrolle durch ein unnötiges zusätzliches Risiko belastet worden.
4
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
5
1. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hier nicht erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt keine Verfahrensgrundrechte des Klägers, namentlich nicht den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), den Anspruch auf ein willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip).
6
2. Der Kläger war nicht ohne sein Verschulden gehindert, die Frist für die Berufung einzuhalten (§§ 233, 520 Abs. 2 ZPO). Sein Prozessbevollmächtigter hat diese Frist versäumt; dessen Verschulden muss sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
7
Darauf, ob die in der Kanzlei des Klägervertreters insoweit praktizierte Ausgangskontrolle den Anforderungen der Rechtsprechung generell genügte (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05 - NJW 2006, 1519 unter III 1 m.w.N.; Senatsbeschlüsse vom 11. Oktober 2000 - IV ZB 17/00 - VersR 2001, 85 unter II 1 b und vom 20. Dezember 2006 - IV ZB 25/06 - FamRZ 2007, 1637 unter II 2 c, jeweils m.w.N.), kommt es im Streitfall nicht an. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat schuldhaft in das in seiner Kanzlei praktizierte System der Ausgangskontrolle eingegriffen und damit die Fristversäumung verursacht. Er hat die Löschung der Frist im Kalender hier selbst veranlasst, ohne sich von der ordnungsgemäßen Absendung des Telefax-Schreibens zu überzeugen. Dies begründet ebenso ein eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten wie der Umstand, dass sich dieser auf die von seiner Büroleiterin auf Nachfrage erteilte Auskunft über die - angebliche - Absendung des Telefax verließ. Der Rechtsanwalt kann zwar die Ausgangskontrolle auf zuverlässiges Büropersonal übertragen und braucht sie nicht selbst vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 23. März 1995 - VII ZB 19/94 - NJW 1995, 2105 unter II 2). Übernimmt er sie aber im Einzelfall selbst, muss er auch selbst für eine wirksame Kontrolle Sorge tragen (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 aaO unter III 2).
8
Hier hat er sich bei seiner Bürovorsteherin gezielt nach der Absendung des betreffenden Schriftsatzes erkundigt und sodann die Löschung der entsprechenden Frist selbst veranlasst. Er hätte sich jedoch zuvor Klarheit darüber verschaffen müssen, ob ein ordnungsgemäßes Sendeprotokoll und eine Empfangsbestätigung vorlagen. Schon insoweit war seine Ausgangskontrolle unzureichend. Auch auf die Auskunft seiner Bürovorsteherin hätte er sich nicht ohne weiteres verlassen dürfen, zumal er sich nicht sicher sein konnte, dass diese sich zuverlässig an die bereits länger zurückliegende (vermeintliche) Absendung erinnern würde (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 aaO). Die insoweit gebotene eigene Kontrolle hätte die vorzeitige Löschung der Frist verhindert und bei der weisungsgemäßen Überprüfung am Ende der Bürostunden die noch rechtzeitige Absendung des Verlängerungsantrags per Telefax ermöglicht.
Terno Dr. Schlichting Wendt Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 11.01.2008 - 35 O 15/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 07.05.2008 - 23 U 41/08 -