vorgehend
Landgericht Berlin, 7 S 4/08, 05.06.2008
Amtsgericht Charlottenburg, 221 C 39/06, 17.12.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 22/08
vom
22. April 2009
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und die
Richterin Harsdorf-Gebhardt
am 22. April 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 5. Juni 2008 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.
Beschwerdewert: 3.824,82 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Sie hat gegen das ihr am 12. Februar 2008 zugestellte klageabweisende Urteil des Amtsgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt, diese aber nicht innerhalb der am Montag, dem 14. April 2008, abgelaufenen Frist begründet. Die Berufungsbegründung ist bei dem Landgericht erst am 15. April 2008 eingegangen. Mit einem weiteren an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin beantragt, ihr wegen der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
2
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin vorgetragen und glaubhaft gemacht: Nach Eingang des angefochtenen Urteils habe ihr Prozessbevollmächtigter ein Schreiben an sie diktiert, wonach sie aufgefordert worden sei, ihm bis zum 28. Februar 2008 mitzuteilen , ob Berufung eingelegt werden solle. In dem Banddiktat habe ihr Prozessbevollmächtigter als einzutragende Vorfrist den 1. März 2008 und vorsorglich eine Frist zur Vorlage wegen der Berufungsbegründung zum 10. April 2008 angegeben. Beide Fristen habe ihr Prozessbevollmächtigter außerdem handschriftlich auf dem Aktenvorblatt vermerkt. Die auf diese Weise festgelegten Fristen hätten entsprechend der allgemeinen schriftlichen Büroanweisung in den gesondert geführten Fristenkalender eingetragen werden sollen. Die langjährig in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten tätige und stets zuverlässig arbeitende Rechtsanwalts - und Notariatsfachangestellte C. habe die Eintragung der Fristen der am Ende des ersten Lehrjahres befindlichen Rechtsanwalts- und Notariatsauszubildenden H. übertragen. Diese habe an ihrem Schreibtisch direkt gegenüber von Frau C. unter deren Aufsicht die Eintragungen in den Fristenkalender vorgenommen. Die Auszubildende habe die auf den 1. März 2008 verfügte Vorfrist ordnungsgemäß in den Kalender eingetragen, die auf den 10. April 2008 bestimmte Frist jedoch versehentlich nicht.
3
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin treffe ein Organisationsverschulden , weil die Notierung und Überwachung der Fristen auf eine Auszubildende übertragen worden sei, die unzureichend kontrolliert worden sei. Selbst wenn wegen eines Personalmangels die Eintragung der Fristen ausnahmsweise auf die Auszubildende habe übertragen werden dürfen, hätte durch eine wirksame Kontrolle sichergestellt werden müssen, dass alle von der Auszubildenden einzutragenden Fristen sorgfältig und vollständig in den Kalender übertragen wurden. Eine solche Kontrolle sei nicht dadurch gewährleistet gewesen, dass eine voll ausgebildete, langjährig tätige Angestellte ihren Arbeitsplatz gegenüber dem der Auszubildenden gehabt habe.
4
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
5
Die II. nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht wegen Verletzung von Verfahrensgrundrechten zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO erforderlich.
6
1. Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227; BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - XII ZB 186/05 - NJW-RR 2008, 1160 Tz. 7; BVerfG NJW-RR 2002, 1004; NJW 2004, 2583, 2584, jeweils m.w.N.). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (BGH, Beschluss vom 13. September 2007 - III ZB 26/07 - FamRZ 2007, 1879, 1880 Tz. 11; BVerfG aaO, jeweils m.w.N.).
7
2. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltliche Organisationspflicht in Bezug auf fristgebundene Schriftsätze nicht überspannt und zutreffend ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten angenommen.
8
Nach a) ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsanwalt regelmäßig sein voll ausgebildetes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal mit der Notierung und Überwachung von Fristen betrauen (BGH, Beschlüsse vom 5. März 2008 aaO Tz. 12; vom 11. September 2007 - XII ZB 109/04 - NJW 2007, 3497 Tz. 15; vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02 - NJW 2003, 1815 unter II 3 a; vom 27. März 2001 - VI ZB 7/01 - NJW-RR 2001, 1072 unter II; vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 - NJW 1992, 3176 unter II 2, jeweils m.w.N.). Er hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen , dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden; unverzichtbar sind insoweit eindeutige Anweisungen an das Büropersonal , die Festlegung klarer Zuständigkeiten und die mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals (BGH, Beschluss vom 5. Februar 2003 aaO m.w.N.). Die Fristeintragung und -überwachung darf grundsätzlich nicht auf noch auszubildende Kräfte, denen die notwendige Erfahrung fehlt, übertragen werden (BGH, Beschlüsse vom 11. September 2007 aaO; vom 15. November 2000 - XII ZB 53/00 - FuR 2001, 273 unter 2 b m.w.N.; vom 8. Juli 1992 aaO m.w.N.). Ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von diesem Grundsatz zugelassen werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. In einem solchen Fall muss jedenfalls eine umso wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder durch ausgebildete und erfahrene Angestellte gewährleistet sein, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden eingetragenen Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Sowohl Stichproben als auch bloße Kontrolleinsichtnahmen in den Fristenkalender reichen nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von einem Auszubildenden vorgenommenen Fristeintragungen zu gewährleisten. Vielmehr ist ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit den jeweiligen Akten erforderlich (BGH, Beschlüsse vom 11. September 2007 aaO Tz. 16; vom 15. November 2000 aaO m.w.N.).
9
b) Diesem Erfordernis genügt der glaubhaft gemachte Organisationsablauf in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Fachangestellte C. wegen Personalmangels oder aus einem vergleichbar triftigen Grund die Eintragung der Fristen der Auszubildenden H. überließ. Des Weiteren hat die Klägerin weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass jede von der Auszubildenden vorgenommene Fristeintragung unmittelbar im Anschluss anhand der Akten auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit kontrolliert wurde. Dies ergibt sich nicht aus der Darstellung der räumlichen Büroorganisation, wonach die Auszubildende direkt gegenüber von Frau C. "unter deren Aufsicht" die Eintragungen in den Fristenkalender vorgenommen haben soll. Wie diese Aufsicht beschaffen gewesen sein soll, hat die Klägerin nicht dargetan. Auch die weitere Angabe, die Auszubildende habe "quasi unter den Augen" der Fachangestellten Frau C. die Fristen notiert, lässt nicht darauf schließen, dass die Fachangestellte C.
tatsächlich jede einzelne von der Auszubildenden H. vorgenommene Eintragung im Fristenkalender überprüfte.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 17.12.2007 - 221 C 39/06 -
LG Berlin, Entscheidung vom 05.06.2008 - 7 S 4/08 -

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

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(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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Tenor 1. Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.2. Der weitere Antrag der Kläger auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.3. Die Berufung

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(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 186/05
vom
5. März 2008
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 Fd, 520 Abs. 2
Mit der Notierung und Überwachung von Fristen darf ein Rechtsanwalt sein voll
ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal betrauen, soweit nicht besondere
Gründe gegen deren Zuverlässigkeit sprechen. Wenn der Rechtsanwalt
zugleich durch eine allgemeine Kanzleianweisung oder durch Einzelanweisungen
sicherstellt, dass im Fristenkalender eingetragene Fristen erst gelöscht
werden dürfen, nachdem die Fristsache erledigt ist, darf die mit der Fristenkontrolle
betraute Rechtsanwaltsgehilfin die Frist nach Prüfung der sich aus den
Handakten ergebenden Erledigung eigenständig löschen und muss nicht zusätzlich
in jedem Einzelfall die Zustimmung des zuständigen Rechtsanwalts
einholen.
BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - XII ZB 186/05 - OLG München
AG Rosenheim
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. März 2008 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 12. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 20. September 2005 aufgehoben. Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Schlussurteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 10. Juni 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Beschwerdewert: 12.301 €.

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um den Zugewinnausgleich.
2
Mit Vorbehaltsurteil vom 25. April 2002 hat das Amtsgericht die Beklagte verurteilt, an ihren geschiedenen Ehemann einen Zugewinnausgleich zu zahlen. Nach dem Tod des Ehemannes haben seine Mutter (Klägerin zu 1) und seine Schwestern (Klägerinnen zu 2 bis 4) den Rechtsstreit als Erbengemeinschaft aufgenommen und den Anspruch auf Zugewinnausgleich weiterverfolgt.
Die Klägerin zu 1) ist inzwischen ebenfalls verstorben und wurde von den Klägerinnen zu 2 bis 4 beerbt. Mit Schlussurteil vom 10. Juni 2005 hat das Amtsgericht das Vorbehaltsurteil aufrechterhalten. Gegen das ihr am 17. Juni 2005 zugestellte Schlussurteil hat die Beklagte am 7. Juli 2005 Berufung eingelegt. Mit einem am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz vom 24. August 2005 hat sie Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich die Berufung begründet.
3
Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags hat die Beklagte vorgetragen , weder sie noch ihren Prozessbevollmächtigten treffe ein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Nach Zustellung des Urteils seien darauf die Berufungs- und die Berufungsbegründungsfrist vermerkt worden. Diese Fristen seien jeweils mit zwei Vorfristen im Fristenkalender notiert worden. Im Büro ihres Prozessbevollmächtigten werde die Sache bei Ablauf einer Vorfrist dem zuständigen Rechtsanwalt mit dem Vermerk "Vorfrist" vorgelegt. Am Morgen des Fristablaufs werde die Erledigung überprüft und die Sache , wenn sie nicht erledigt sei, mit dem auffälligen Vermerk "Fristablauf heute" erneut vorgelegt. Vor Büroschluss werde kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt seien; erst dann werde die Frist gelöscht. In diesem Fall habe die für die Führung des Fristenkalenders geschulte und zuverlässige Rechtsanwaltsgehilfin R. nach Einlegung der Berufung allerdings aus unerklärlichen Gründen und eigenmächtig neben den Berufungsfristen auch die für die Berufungsbegründung im Fristenkalender eingetragenen Vorfristen vom 3. August 2005 und 11. August 2005 sowie den Fristablauf zur Berufungsbegründung am 17. August 2005 gestrichen. Dies sei ihrem Prozessbevollmächtigten erst am 22. August 2005 aufgefallen, als ihm die Akte aufgrund allgemeiner Wiedervorlage vorgelegt worden sei. Zur Glaubhaftmachung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs bezieht sich die Beklagte auf die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsgehilfin R.
4
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet und führt zur begehrten Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist.
6
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
7
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N. und Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2005 - XII ZR 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792 m.w.N. sowie vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722) dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. auch BVerfGE 88, 118, 123 ff.). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung.
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
9
Im Ansatz zu Recht geht das Berufungsgericht zwar davon aus, dass der Beklagten ein Verschulden der Rechtsanwaltsgehilfin ihres Prozessbevollmächtigten nicht nach § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet werden kann. Im Gegensatz zu seiner Rechtsauffassung scheidet hier aber auch ein der Beklagten zurechenbares Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten aus.
10
a) Auch insoweit ist das Berufungsgericht allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten gehört, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss er nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten mit Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen rechtzeitig zur Bearbeitung vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine zuverlässige Ausgangskontrolle schaffen, die eine rechtzeitige Versendung fristwahrender Schriftsätze gewährleistet.
11
Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden oder deren Erledigung sonst kenntlich gemacht wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 270/04 - FamRZ 2006, 192).
12
b) Mit der Notierung und Überwachung von Fristen darf ein Rechtsanwalt allerdings sein voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal betrauen , soweit nicht besondere Gründe gegen deren Zuverlässigkeit sprechen (Senatsbeschluss vom 11. September 2007 - XII ZB 109/04 - FamRZ 2007, 2059, 2060). Wenn der Rechtsanwalt zugleich durch eine allgemeine Kanzleianweisung oder durch Einzelanweisungen sicherstellt, dass im Fristenkalender eingetragene Fristen erst gelöscht werden dürfen, nachdem die Fristsache erledigt ist (vgl. auch BGH Beschluss vom 18. Oktober 1993 - II ZB 7/93 - NJW 1993, 3333), darf die mit der Fristenkontrolle betraute Rechtsanwaltsgehilfin die Frist nach Prüfung der sich aus den Handakten ergebenden Erledigung eigenständig löschen und muss nicht zusätzlich in jedem Einzelfall die Zustimmung des zuständigen Rechtsanwalts einholen.
13
Denn die Fristenkontrolle soll lediglich gewährleisten, dass ein fristwahrender Schriftsatz rechtzeitig hergestellt und postfertig gemacht wird. Ist dies geschehen und die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet, darf die Frist im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden (BGH Urteil vom 11. Januar 2001 - III ZR 148/00 - NJW 2001, 1577, 1578). Diesen Anforderungen ist durch eine allgemeine Kanzleianweisung, eine Frist erst dann zu löschen, wenn die entsprechende Fristsache erledigt ist, genügt. Eine solche Anweisung verlangt von der Rechtsanwaltsgehilfin die vorherige Prüfung, ob entweder der fristwahrende Schriftsatz gefertigt und postfertig gemacht worden ist oder ob nach einer ausdrücklichen Anweisung des Rechtsanwalts von der (weiteren) Durchführung des Rechtsmittelverfahrens abgesehen werden soll. Sie setzt somit eine vorherige Kontrolle voraus, die bei der gebotenen sorgfältigen Handhabung geeignet ist, eine Löschung der Frist vor Erledigung der fristgebundenen Handlung zu verhindern. Dem entspricht nach der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsgehilfin die Büroorganisation des Prozessbevollmächtigten der Beklagten.
14
Entsprechend hat die Rechtsanwaltsgehilfin die Berufungsfrist erst gelöscht , als der rechtzeitige Zugang der Berufungsschrift sichergestellt war. Wenn sie in diesem Zeitpunkt zugleich die Fristen für die Berufungsbegründung gelöscht hat, kann das nur darauf zurückzuführen sein, dass sie versehentlich davon ausging, das Rechtsmittel sei bereits begründet oder werde nicht durchgeführt. Dass beides nicht der Fall war und das Rechtsmittel weiter durchgeführt werden sollte, war - auch auf der Grundlage der Kanzleiorganisation des Prozessbevollmächtigten der Beklagten - offensichtlich. Denn Grund für die Löschung der Berufungsfrist war die Absendung der Berufungsschrift, die erkennbar noch keine Begründung enthielt. Für ein solches unvorhersehbares Fehlverhalten einer Rechtsanwaltsgehilfin ist der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht verantwortlich zu machen.
Hahne Weber-Monecke Wagenitz Fuchs Dose
Vorinstanzen:
AG Rosenheim, Entscheidung vom 10.06.2005 - 2 F 212/01 -
OLG München, Entscheidung vom 20.09.2005 - 12 UF 1208/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 26/07
vom
13. September 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 (Fc, Fd)
Zu den Anforderungen an die Ausgangskontrolle bei fristwahrenden Schriftsätzen.
BGH, Beschl. v. 13. September 2007 - III ZB 26/07 - Brandenburgisches OLG
LGFrankfurt(Oder)
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. September 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dr. Wurm, Dörr und Wöstmann
und die Richterin Harsdorf-Gebhardt

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 6. März 2007 - 12 U 252/06 - wird auf ihre Kosten verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 118.721,96 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat mit dem am 22. November 2006 verkündeten Urteil die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 118.721,96 € nebst Zinsen sowie außergerichtliche Kosten zu zahlen. Gegen das ihr am 24. November 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt, diese aber nicht innerhalb der am 24. Januar 2007 abgelaufenen Frist begründet.
2
Vom Oberlandesgericht auf den Fristablauf aufmerksam gemacht, hat die Beklagte mit einem am 2. Februar 2007 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz beantragt, ihr wegen der Versäumung der Frist zur Beru- fungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, und zugleich die Berufung begründet.
3
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Beklagte vorgetragen und glaubhaft gemacht:
4
Die in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten zuständige Mitarbeiterin K. habe im Fristenkalender den Fristablauf für die Berufungsbegründung auf den 24. Januar 2007 und die Vorfristen auf den 16. sowie den 23. Januar 2007 notiert. Die Fristenkontrolle sei so ausgestaltet, dass jeden Morgen jede Sekretärin für die Rechtsanwälte, für die sie zuständig sei, eine Kopie aus dem Fristenbuch erhalte, in dem die jeweiligen Fristen mit gelbem Marker hervorgehoben seien. Am Abend sammle Frau K. diese Fristenzettel wieder ein und kontrolliere, dass die jeweils zuständige Sekretärin die entsprechenden Fristen als "bearbeitet" gekennzeichnet habe. Für den sachbearbeitenden Rechtsanwalt sei die ausgebildete Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte B. zuständig. Dieser würden gemäß dem in der Kanzlei üblichen Arbeitsablauf die Fristakten vorgelegt; sie prüfe die jeweilige Frist, veranlasse erforderlichenfalls Nachfragen und lege die zu bearbeitende Akte dem Rechtsanwalt unter Hinweis auf die jeweilige Frist vor. Frau B. habe weder die Akten dieses Rechtsstreits zum Ablauf der Vorfristen dem Rechtsanwalt vorgelegt noch diesen am 24. Januar 2007 auf den drohenden Fristablauf hingewiesen. Das sei nur damit zu erklären, dass sie bereits am 16. Januar 2007 die Akte geprüft, dabei die "Berufungslasche" übersehen habe und daher davon ausgegangen sei, dass in diesem Fall keine Berufung eingelegt worden sei und damit die Frist gegenstandslos geworden sei.
5
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.


6
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Beklagten ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (BGHZ 161, 86, 87 m.w.N.), nicht erfüllt sind.
7
1. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nicht gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
8
a) Dieser Zulassungsgrund ist zunächst in den Fällen einer Divergenz gegeben, wenn also die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung eines höheren oder gleichrangigen Gerichts abweicht. Eine solche Abweichung liegt vor, wenn die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage in den tragenden Gründen anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der von einem die Vergleichsentscheidung tragenden Rechtssatz abweicht (BGHZ 154, 288, 292 f; BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 - VI ZB 76/02 - NJW-RR 2003, 1366, 1367 unter II 1; jew. m.w.N.).
9
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass das Berufungsgericht einen von einer Vergleichsentscheidung abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat. Insbesondere ist es nicht von dem anerkannten Grundsatz abgewichen, dass der Rechtsanwalt die Führung des Fristenkalenders im Rahmen einer von ihm zu verantwortenden Büroorganisation auf sein geschultes, zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal zur selbstständigen Erledigung übertragen darf (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2002 - III ZB 23/02 - NJW-RR 2003, 276 unter II 2 b; BGH, Beschlüsse vom 27. März 2001 - VI ZB 7/01 - NJW-RR 2001, 1072, 1073 unter II; vom 2. April 2003 - VIII ZB 117/02 - NJW-RR 2003, 1211 unter II 2 a; jew. m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Berufungsgericht auch nicht verkannt, dass die Partei das Verschulden einer Bürokraft ihres Prozessbevollmächtigten nicht zu vertreten hat, wenn die einzelnen Schritte der Fristenkontrolle eindeutig zugewiesen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2006 - II ZB 1/05 - NJW 2006, 1520, 1521 unter II 2 a Rn. 5; vom 17. Januar 2007 - XII ZB 166/05 - NJW 2007, 1453 unter II 1 Rn. 12 f). Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht den Prozessbevollmächtigten der Beklagten angelastet, bei der Organisation ihrer Fristenkontrolle keine ausreichenden Vorkehrungen gegen das versehentliche Streichen von unerledigten Fristen getroffen zu haben.
10
b) Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch dann erforderlich, wenn das Beschwerdegericht bei der Versagung der begehrten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Verfahrensgrundrechte verletzt hat (BGHZ 151, 221, 226 m.w.N.).
11
aa) Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfG, NJW-RR 2002, 1004 unter B I 1; BGHZ 151, 221, 227; BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 270/04 - FamRZ 2006, 192; jew. m.w.N.). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (BVerfG, NJW-RR 2002 aaO; NJW 2004, 2583, 2584 unter III 2 a; BGH, Beschluss vom 23. Mai 2006 - VI ZB 77/05 - NJW 2006, 2638 unter II Rn. 3; jew. m.w.N.).
12
bb) Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltliche Organisationspflicht in Bezug auf fristgebundene Schriftsätze nicht überspannt.
13
(1) Es hat die von der Beklagten begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung abgelehnt, dass nicht ersichtlich sei, welche Vorkehrungen in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten getroffen worden seien, um zu verhindern, dass die zuständige Angestellte eine Frist irrtümlich als erledigt kennzeichne. Die Mitarbeiterin K. nehme keine eigenständige Fristenkontrolle vor. Wie die jeweils zuständige Sekretärin die Einhaltung der Fristen kontrolliere, habe die Beklagte nicht dargelegt. Die Rechtsanwaltsangestellte B. habe offensichtlich sowohl am 23. Januar 2007 als auch am Tag des Fristablaufs am 24. Januar 2007 die jeweiligen Fristen im Fristenkalender gestrichen, ohne sich die Akte nochmals anzusehen.
14
(2) Damit hat das Berufungsgericht die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geltenden Maßstäbe der Ausgangskontrolle eingehalten.
15
(a) Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten gehört, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (Senatsbeschluss vom 14. März 1996 - III ZB 13/96 - VersR 1996, 1298; Senatsurteil vom 11. Januar 2001 - III ZR 148/00 - NJW 2001, 1577, 1578 unter II 1; BGH, Beschlüsse vom 4. Oktober 2000 - XI ZB 9/00 - BGHR ZPO Ausgangskontrolle 14; vom 9. November 2005 aaO unter 2; vom 23. Mai 2006 aaO Rn. 5; jeweils m.w.N.). Die Ausgangskontrolle setzt, wie bereits dem Begriff Kontrolle zu entnehmen ist, eine nochmalige, selbständige Prüfung voraus (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413 unter II 2 b Rn. 13 m.w.N.).
16
(b) Dass eine solche selbständige und abschließende Prüfung der Fristen im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten durchgeführt wird, hat die Beklagte nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht. Die für den Fristenkalender zuständige Mitarbeiterin K. nimmt am Abend eines jeden Tages keine eigenständige Kontrolle der Fristsachen vor, sondern verlässt sich auf die Bearbeitungsvermerke der für die einzelnen Rechtsanwälte zuständigen Sekretärinnen. Wie diese die Einhaltung der Fristen zu überprüfen haben, hat die Beklagte nicht dargetan. Die allgemeine Anweisung, dass die Fristakten dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt schon zu den Vorfristen vorgelegt werden sollen und die Sekretärin am Tag des Fristablaufs nochmals darauf hinweisen soll, genügt nicht für eine wirksame Fristenkontrolle. Vielmehr muss, wie bereits dargelegt, sichergestellt sein, dass eine Frist im Fristenkalender erst dann als erledigt gekennzeichnet wird, wenn der fristwahrende Schriftsatz gefertigt und abgesandt oder zumindest dafür Sorge getroffen worden ist, dass das Schriftstück tatsächlich hinausgeht. Eine darauf bezogene organisatorische Anweisung lässt sich weder der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs noch der eidesstattlichen Versicherung der Angestellten B. entnehmen.
17
2. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung erforderlich. Diese kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungerhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann, oder wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind (BGHZ 151, 221, 223; 154, 288, 291; jew. m.w.N.).
18
Keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung hat die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob ein Rechtsanwalt es als eigenes Verschulden zu vertreten hat, wenn ihm eine Akte trotz ordnungsgemäß im Fristenkalender eingetragener Berufungsbegründungsfrist und zwei ordnungsgemäß eingetragener Vorfristen an keinem dieser Fristtage vorgelegt wird, weil die zuständige Fachkraft versehentlich davon ausgeht, dass eine Berufung in dieser Sache überhaupt nicht eingelegt worden sei. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht allein die rechtzeitige Vorlage von Fristakten an den sachbearbeitenden Rechtsanwalt nicht aus. Nicht entscheidungserheblich ist die Frage, ob ein anwaltliches Organisationsverschulden vorliegt , wenn die Fristenkontrolle dergestalt organisiert ist, dass am Morgen eines jeden Tages jede Sekretärin für die Rechtsanwälte, für die sie zuständig ist, eine Kopie aus dem Fristenbuch erhält und am Abend eine weitere Mitarbeiterin die Fristenzettel wieder einsammelt und darauf kontrolliert, dass die jeweilige Sekretärin die entsprechenden Fristen als "bearbeitet" gekennzeichnet hat.
Unabhängig von der Ausgestaltung der Fristenkontrolle im Einzelnen ist entscheidend die - hier fehlende - Prüfung, ob fristwahrende Schriftsätze gefertigt und zuverlässig auf den Postweg gebracht worden sind.
Schlick Wurm Dörr
Wöstmann Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 22.11.2006 - 14 O 216/06 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 06.03.2007 - 12 U 252/06 -

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 109/04
vom
11. September 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Rechtsanwalt darf mit der Notierung und Überwachung von Fristen
grundsätzlich nur voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal
betrauen, nicht dagegen noch auszubildende Kräfte (Festhaltung Senatsbeschluss
vom 15. November 2000 - XII ZB 53/00 - FuR 2001, 273 und BGH
Beschluss vom 6. Februar 2006 - II ZB 1/05 - NJW 2006, 1520).

b) Auch wenn es in Ausnahmefällen wegen Personalmangels zulässig sein sollte
, eine Auszubildende mit der Fristüberwachung zu betrauen, muss eine
Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder andere geeignete Kräfte gewährleistet
sein, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden
bearbeiteten Fristen überprüft werden. Bloße Stichproben reichen
dafür nicht aus.
BGH, Beschluss vom 11. September 2007 - XII ZB 109/04 - OLG Hamm
AG Münster
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2007 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Familiensenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. Februar 2004 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: bis 13.000 €

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht hat den Beklagten mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil verurteilt, an die Klägerin rückständigen und laufenden Trennungsunterhalt zu zahlen.
2
Das Urteil wurde den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 14. Juli 2003 zugestellt. Dessen Prozessbevollmächtigte zweiter Instanz legte mit Schriftsatz vom 5. August 2003 - bei Gericht eingegangen am 6. August 2003 - Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil ein. Mit Schriftsatz vom 9. September 2003, der den Eingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 23. September 2003 trägt, beantragte sie, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Die Berufung begründete sie mit Schriftsatz vom 25. September 2003 - am gleichen Tag bei Gericht eingegangen - und be- antragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.
3
Zur Begründung trug sie vor: Am 9. September 2003 sei der Auszubildenden zur Rechtsanwaltsfachangestellten B. ein am gleichen Tag gefertigter Schriftsatz mit dem Antrag, die am 15. September 2003 (Montag) ablaufende Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern, übergeben worden. Die Auszubildende sei unter anderem beauftragt gewesen, diesen Schriftsatz im Original mit einer beglaubigten und einer einfachen Abschrift sowie der Gerichtsakte zum Oberlandesgericht zu bringen. Dort habe sie sich bei der Empfangsstelle im Eingangsbereich die vorgefertigte Empfangsquittung des Verlängerungsantrags abstempeln lassen. Sodann habe sie den mit dem gerichtlichen Eingangsstempel versehenen Originalschriftsatz für das Gericht, die Abschriften und die mit einem Eingangsstempel versehene Abschrift für die Handakte einschließlich der Gerichtsakte wieder an sich genommen. Anschließend habe die Auszubildende B. die Gerichtsakte mit dem für das Gericht bestimmten Schriftstück in der Geschäftsstelle des 13. Familiensenats abgegeben. Dort sei ihr der Empfang durch weitere handschriftliche Vermerke quittiert und die Quittung zurückgegeben worden. Diese beziehe sich jedoch lediglich auf die Rückgabe der Gerichtsakten, was der Auszubildenden B. weder bei der Entgegennahme noch bei dem Abheften in die Handakte aufgefallen sei. Das habe auch die am 15. September 2003 den Fristenkalender überprüfende weitere Auszubildende W. nicht bemerkt. Diese sei an dem betreffenden Tag für die Ausgangskontrolle zuständig gewesen, habe aber aus nicht zu erklärenden Umständen die im Fristenkalender notierte Frist für den Fristverlängerungsantrag nicht beachtet. Andernfalls wäre nochmals ein gleich lautender Schriftsatz eingereicht worden. Aus welchen Gründen der Fristverlängerungsantrag nicht zu der Gerichtsakte gelangt sei, könne nicht nachvollzogen werden. Eine Nachfrage beim Oberlandesgericht , ob die Fristverlängerung gewährt werde, erfolge nicht. Es entspre- che gerichtlicher Übung, dass die Fristverlängerung antragsgemäß bewilligt werde und darauf auch dann vertraut werden könne, wenn dies bis zum Fristablauf noch nicht geschehen sei.
4
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz die büroorganisatorisch gebotenen Weisungen erteilt worden seien. Da vorliegend zwei Auszubildende tätig gewesen seien, habe zum einen dargelegt werden müssen, dass die notwendige laufende und regelmäßige Überwachung auf deren Eignung und Zuverlässigkeit stattgefunden habe. Zum anderen habe vorgetragen werden müssen , in welcher Weise eine klare Abgrenzung der Zuständigkeit der einzelnen mit der Fristenkontrolle beschäftigten Angestellten organisiert sei.
5
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 283 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
7
Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht nicht auf der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, insbesondere dem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. hierzu BGHZ 151, 221, 226 f.). Auch der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. Senatsbeschluss vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901) ist nicht verletzt.
8
1. a) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass für den Beklagten, nachdem er die Berufungsbegründungsfrist versäumt hatte, die Möglichkeit bestand, insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Diese wäre zu bewilligen, wenn rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist eingegangen wäre und der Beklagte darauf vertrauen durfte, dass das Gericht dem Antrag entsprochen hätte. Letzteres ist der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2001 - VI ZB 26/01 - VersR 2001, 1579, 1580 m.w.N.). Der Behauptung des Beklagten, bei dem betreffenden Oberlandesgericht sei es üblich, dass dem ersten Fristverlängerungsgesuch entsprochen werde, ist das Berufungsgericht in dem angefochtenen Beschluss auch nicht entgegen getreten.
9
b) Ein rechtzeitiger Eingang des Verlängerungsantrags ist indessen nicht glaubhaft gemacht worden (§ 236 Abs. 2 ZPO). Der Schriftsatz vom 9. September 2003, mit dem die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt wurde, trägt den Eingangsstempel des Berufungsgerichts vom 23. September 2003. Der Stempel ist eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO und bescheinigt den Tag, an dem das Schriftstück bei Gericht eingegangen ist (BGH, Beschluss vom 25. März 1982 - I ZB 1/82 - VersR 1982, 652 m.N.). Wäre dieses erst am 23. September 2003 bei Gericht eingegangen, konnte dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr entsprochen werden. Der durch den Eingangsstempel begründete Beweis kann allerdings nach § 418 Abs. 2 ZPO durch Gegenbeweis entkräftet werden. Dies kann in dem Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch Glaubhaftmachung der Unrichtigkeit erfolgen (BGH, Beschluss vom 3. März 1983 - IX ZB 4/83 - VersR 1983, 491, 492). Letzteres setzt im vorliegenden Fall voraus, dass für den behaupteten Eingang des Antrags bereits am 9. September 2003 eine überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht. Das ist indessen nicht der Fall.
10
Der Vortrag des Beklagten, der Auszubildenden B. sei der Empfang des Verlängerungsantrags von der Empfangsstelle im Eingangsbereich des Oberlandesgerichts quittiert, sodann aber zurückgegeben worden, beinhaltet einen eher ungewöhnlichen Geschehensablauf. Aber selbst wenn hiervon ausgegangen wird, lässt sich das Vorbringen nicht mit dem Stempel vom 23. September 2003 vereinbaren. Der Beklagte hat nämlich weiter vorgetragen, die Auszubildende B. sei sicher, dass sie den Schriftsatz an der Poststelle habe stempeln lassen und dann zusammen mit der Akte der Geschäftsstelle vorgelegt habe. Wenn der Schriftsatz aber am 9. September 2003 mit dem Eingangsstempel dieses Tages versehen worden wäre, könnte er nicht - wie tatsächlich - den Stempelaufdruck vom 23. September 2003 aufweisen. Falls der Vortrag des Beklagten dagegen dahin zu verstehen sein sollte, dass nur das Handaktenexemplar - nicht dagegen der einzureichende Schriftsatz - von der Poststelle abgestempelt worden ist, dann hätte der Schriftsatz in der Zeit vom 9. bis 22. September 2003 unbearbeitet auf der Geschäftsstelle liegen geblieben sein und erst am 23. September 2003 kommentarlos den Eingangsstempel von diesem Tag erhalten haben müssen. Dieser Ablauf erscheint indessen auch im Hinblick darauf wenig wahrscheinlich, dass der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten unmittelbar einen Tag zuvor aufgefallen war, dass sich der Schriftsatz nicht bei der ihr zu dieser Zeit vorliegenden Gerichtsakte befand.
11
2. Dass der Beklagte gleichwohl ohne Verschulden gehindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten, ist ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
12
a) Der Rechtsbeschwerde ist zwar darin zuzustimmen, dass die Auszubildende B. damit betraut werden durfte, den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zum Oberlandesgericht zu bringen. Einfache Tätigkeiten, wie die Übersendung oder Abgabe von Schriftsätzen, müssen trotz der mit der Richtigkeit ihrer Ausführung verbundenen Bedeutung nicht von dem Rechtsanwalt oder seinem qualifizierten Fachpersonal selbst ausgeführt werden. Wenn durch Auswahl und Überwachung des Personals sowie durch Weisungen eine ordnungsgemäße Erledigung sichergestellt ist, dürfen sowohl Auszubildende (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1993 - VI ZB 8/93 - NJW-RR 1994, 510 f.) als auch Praktikanten (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2002 - I ZB 23/01 - NJW-RR 2002, 1070 f.) mit Botengängen in wichtigen Angelegenheiten beauftragt werden. Allein das vermag ein Verschulden an der Fristversäumnis aber nicht auszuschließen.
13
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen oder anderweit als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt, ein fristwahrender Schriftsatz also gefertigt und zumindest postfertig gemacht worden ist (BGH, Beschluss vom 6. November 2001 - XI ZB 11/01 - BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 17 m.w.N.). Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, die sicherstellt, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders überprüft wird. Der für die Kontrolle zuständige Angestellte ist dabei anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (BGH, Beschluss vom 14. März 1996 - III ZB 13/96 - VersR 1996, 1298). Der Begründung des Wiedereinset- zungsantrags ist indessen nicht zu entnehmen, dass in der Kanzlei der Beklagtenvertreterin die danach erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen worden sind.
14
Zur Ausgangskontrolle in dem Büro seiner Prozessbevollmächtigten hat der Beklagte lediglich vorgetragen, am Ende des Arbeitstages werde der Fristenkalender noch einmal auf Erledigung der dort notierten Fristen kontrolliert. Welche konkreten Anordnungen seitens der Rechtsanwältin dazu an die Angestellten ergangen sind, ist dagegen nicht dargelegt worden. Dazu hätte jedoch um so mehr Anlass bestanden, als Fristen, deren Verlängerung beantragt wird, nach dem Vorbringen des Beklagten im Büro seiner Prozessbevollmächtigten erst dann im Fristenkalender gestrichen werden, wenn die schriftliche Mitteilung über die Fristverlängerung vorliegt. Welche Eintragung im Falle eines Fristverlängerungsantrags aber im Kalender vorzunehmen ist - etwa ein entsprechender Erledigungsvermerk i.V.m. der Eintragung des beantragten Fristablaufs (vgl. zu letzterem Senatsbeschluss vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99 - NJW-RR 1999, 1663) - ist nicht dargetan. Erfolgt aber zunächst keine Kenntlichmachung der Absendung, so liegt es nahe, dass die Auszubildende W., die als an dem Tag für die abendliche Ausgangskontrolle zuständige Angestellte tätig war, bereits deshalb die Frist nicht beachtet und demgemäß die Erledigung in den Handakten nicht überprüft hat. Denn dann wäre weiteres erst nach dem Eingang der Mitteilung über die erfolgte Fristverlängerung zu veranlassen gewesen. Es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass bei entsprechender Organisation der Ausgangskontrolle das Versäumnis aufgefallen wäre.
15
c) Unabhängig hiervon ist aber auch im Übrigen ein Organisationsverschulden in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht ausgeräumt. Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsverfahren ist in Fällen der Abwesenheit der langjährigen Kanzleiangestellten S. die Auszubildende W. u.a.
für die abendliche Ausgangskontrolle zuständig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsanwalt jedoch mit der Notierung und Überwachung der Fristen grundsätzlich nur voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal betrauen, keinesfalls hingegen noch auszubildende Kräfte (Senatsbeschluss vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 27 und BGH, Beschluss vom 6. Februar 2006 - II ZB 1/05 - NJW 2006, 1520, 1521). Diesen fehlt zumindest die notwendige Erfahrung. Auch im vorliegenden Fall ist nicht auszuschließen, dass der Auszubildenden W. bei der Kontrolle ein Fehler unterlaufen ist, der auf mangelnde praktische Erfahrung zurückzuführen war.
16
Ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von dem Grundsatz zugelassen werden kann, dass die Fristeintragung und -überwachung nicht auf Auszubildende übertragen werden darf, kann vorliegend dahinstehen. In einem solchen Fall muss jedenfalls eine um so wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder andere geeignete Kräfte gewährleistet werden, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden bearbeiteten Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Diesem Erfordernis genügt der vorgetragene und glaubhaft gemachte Organisationsablauf in der Kanzlei von Rechtsanwältin D. nicht. Wie diese selbst vorgetragen und versichert hat, werden die Auszubildenden stichprobenartig kontrolliert. Stichproben reichten aber nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von der Auszubildenden selbst vorgenommenen Tätigkeit zur Fristenwahrung zu gewährleisten. Hierfür war vielmehr ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit den jeweiligen Akten erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 2000 - XII ZB 53/00 - FuR 2001, 273, 274 f.). Wäre so verfahren worden, so hätte der Fehler der Auszubildenden W. nicht länger als zehn Tage unbemerkt bleiben können. Auf die Frage, ob das hinsichtlich der Kontrollen der Auszubildenden durch Rechtsanwältin D. im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzte Vorbringen überhaupt noch zu berücksichtigen ist, kommt es danach nicht an.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Vorinstanzen:
AG Münster, Entscheidung vom 08.07.2003 - 47 F 362/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 27.02.2004 - 13 UF 338/03 - y

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 53/00
vom
15. November 2000
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. November 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Gerber,
Weber-Monecke und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
Die weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. März 2000 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen. Wert: 7.500 DM.

Gründe:

1. Das Oberlandesgericht hat die Erstbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 14. Dezember 1999, durch den der Antrag des Antragstellers auf Abänderung der in dem Verbundurteil vom 15. Juli 1997 getroffenen Sorgerechtsentscheidung zurückgewiesen wurde, zu Recht als unzulässig verworfen, weil für die am 14. Januar 2000 eingelegte Beschwerde erst am 17. Februar 2000 und damit verspätet (§§ 621 e Abs. 1 und Abs. 3, 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO) ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist gestellt worden ist. 2. Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht auch den Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist abgelehnt. Denn der An-
tragsteller war nicht ohne ihm zuzurechnendes Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwältin S. an der Einhaltung der Beschwerdebegründungsfrist gehindert (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO).
a) Dabei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob Rechtsanwältin S. ihrer anwaltlichen Sorgfaltspflicht im Zusammenhang mit der "Vorfristbehandlung" der Sache am 11. Februar 2000 genügt hat, als sie - ohne sich die Akten vorlegen zu lassen - ihrer Angestellten K. den Auftrag erteilte, Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist zu beantragen. Da die Eintragung einer Vorfrist bewirken soll, daß dem Rechtsanwalt durch rechtzeitige Vorlage der Akten auch für den Fall von Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen noch eine ausreichende Überprüfungs- und Bearbeitungszeit verbleibt (vgl. BGH Beschluß vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 26/94 = NJW 1994, 2551, 2552 m.w.N.), kann diese Warnfunktion der Vorfrist nur eingreifen, wenn die Akte dem Rechtsanwalt vorgelegt wird. Hätte Rechtsanwältin S. sich den Vorgang - wie es nach ihrem eidesstattlich versicherten Vortrag im Schriftsatz vom 25. Februar 2000 in ihrer Kanzlei an sich am Vorfrist- und Fristentag geschieht - am 11. Februar 2000 vorlegen lassen und die Vorlage zum Anlaß genommen , den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eigenverantwortlich anhand der Handakten zu überprüfen (vgl. Senatsbeschluß vom 22. Januar 1997 - XII ZB 195/96 = BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 24), dann hätte sie, selbst bei Vornahme dieser Prüfung erst am nächsten (Arbeits-)Tag, dem 14. Februar 2000 (vgl. hierzu BGH Beschluß vom 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99 = NJW 2000, 365, 366), bemerkt, daß die Beschwerdebegründungsfrist bereits an diesem Tag (14. Februar 2000) ablief. Der Fristverlängerungsantrag hätte sodann noch rechtzeitig am 14. Februar 2000 gestellt werden können.

b) Unabhängig hiervon ist aber jedenfalls im Zusammenhang mit der Fristeneintragung und -überwachung ein Organisationsverschulden in der Kanzlei von Rechtsanwältin S. nicht ausgeräumt. Nach dem eidesstattlich versicherten Vortrag der Rechtsanwältin selbst und der eidesstattlichen Versicherung ihrer Angestellten H. ist diese seit August/September 1999 sowohl montags- und dienstagsvormittags als auch in sonstigen Fällen bei Abwesenheit ihrer Kollegin K. für die Fristnotierung im Kalender zuständig. Frau H. war indessen 1999 und auch noch im Januar 2000, als sie am Donnerstag, dem 20. Januar 2000, den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist in der vorliegenden Sache fälschlich nicht auf den 14. Februar, sondern auf den 21. Februar 2000 im Kalender eintrug, noch Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , auch des Senats, darf ein Rechtsanwalt jedoch mit der Notierung und Überwachung der Fristen grundsätzlich nur voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal betrauen, keinesfalls hingegen noch auszubildende Kräfte (vgl. Senatsbeschluß vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 27; BGH Beschlüsse vom 20. Juni 1978 - VI ZB 7/78 = VersR 1978, 959, 960; vom 22. Dezember 1970 - VI ZB 15/70 = VersR 1971, 372; auch Beschluß vom 21. September 2000 - IX ZB 67/00; sowie Büttner, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 7 Rdn. 62 a.E.). Diesen fehlt zumindest die notwendige Erfahrung. Auch im vorliegenden Fall ist nicht auszuschließen , daß der Auszubildenden H. bei der unrichtigen Fristeintragung ein Fehler unterlaufen ist, der - trotz ihrer behaupteten Kenntnisse im Fristenwesen - auf mangelnde praktische Erfahrung zurückzuführen war. Es liegt nämlich nicht fern anzunehmen, daß die Angestellte nicht, wie von ihr nachträglich vermutet, bei der Fristeneintragung im Kalender um eine Woche "verrutscht" ist, sondern daß sie die von Rechtsanwältin S. auf der am 20. Januar 2000 in
der Kanzlei eingegangenen gerichtlichen Eingangsbestätigung angebrachte Verfügung "Begr.frist notieren", zu der die Auszubildende selbst den Vermerk "1 Monat" hinzugefügt hatte, bei der Eintragung in den Kalender zum Anlaß genommen hat, den Monatsablauf vom 20. Januar 2000 an zu berechnen und auf diese Weise als Fristablauf den (Montag) 21. Februar 2000 zu notieren. Hierbei ist im übrigen ein Mangel der Fristenorganisation in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers auch insoweit nicht ausgeräumt , als die von Rechtsanwältin S. auf der gerichtlichen Eingangsbestätigung vermerkte Verfügung "Begr.frist notieren" die Vermutung nahelegt, daß die Rechtsmittelbegründungsfrist nach der Kanzleiübung nicht "alsbald bei" oder zumindest "alsbald nach" Einreichung des Rechtsmittels vorläufig eingetragen und dieser Eintrag später anhand der gerichtlichen Eingangsbestätigung überprüft wurde (vgl. BGH Beschluß vom 9. Dezember 1993 - IX ZB 70/93 = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 33 m.w.N.), sondern daß die Begründungsfrist erst aufgrund der gerichtlichen Bestätigung über den Eingang des Rechtsmittels notiert wurde. Hierin läge eine Verletzung der dem Rechtsanwalt obliegenden Organisationspflichten im Hinblick auf die Fristenkontrolle (vgl. BGH Beschluß vom 9. Dezember 1993 aaO). Es kann dahinstehen, ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von dem Grundsatz zugelassen werden kann, daß die Fristeintragung und -überwachung nicht auf Auszubildende übertragen werden darf. In diesem Fall muß dann jedenfalls eine um so wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder andere geeignete Kräfte gewährleistet sein (vgl. BGH Beschlüsse vom 10. Februar 1972 - III ZR 173/71 = VersR 1972, 557; vom 23. September 1977 - V ZR 39/77 = VersR 1978, 139; vom 21. September 2000 aaO), durch die sichergestellt wird, daß alle von dem Auszubildenden
eingetragenen Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Diesem Erfordernis genügt der vorgetragene und glaubhaft gemachte Organisationsablauf in der Kanzlei von Rechtsanwältin S. nicht. Wie diese selbst und die Angestellten K. und H. übereinstimmend vorgetragen und versichert haben, überprüft die - seit 1994 bei der Prozeßbevollmächtigten tätige, seit 1997 voll ausgebildete Angestellte K. - regelmäßig "mindestens" bzw. "durchschnittlich" einmal wöchentlich die von der Auszubildenden H. vorgenommenen Fristnotierungen. Hierbei kann es sich indessen entweder nur um Stichproben oder nur um Plausibilitätskontrollen allein anhand des Fristenkalenders handeln. Denn andernfalls hätte in dem Zeitraum von gut drei Wochen zwischen der unzutreffenden Fristeintragung am 20. Januar 2000 und dem Ablauf der notierten Vorfrist am 11. Februar 2000 die unrichtige Fristeintragung bemerkt werden müssen. Sowohl Stichproben als auch bloße Kontrolleinsichtnahmen in den Kalender reichten aber nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von der Auszubildenden selbständig vorgenommenen Fristeintragungen zu gewährleisten. Hierfür war vielmehr ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit den jeweiligen Akten erforderlich (vgl. BGH Beschluß vom 23. September 1977 aaO), wie ihn - nach ihrem eidesstattlich versicherten Vortrag im Schriftsatz vom 25. Februar 2000 - ersichtlich die Verfahrensbevollmächtigte selbst bei ihren "regelmäßigen" Kontrollen vornahm. Zu den Zeitabständen, in denen diese Kontrollen durchgeführt wurden, hat die Angestellte H. vorgetragen und an Eides Statt versichert, die Verfahrensbevollmächtigte "läßt sich meine am jeweiligen Tag angefertigten Notierungen ca. einmal im Monat vorlegen". Das reichte, wie der vorliegende Fall deutlich macht, keinesfalls aus, um die Richtigkeit der Fristeintragungen durch eine Auszubildende zu gewährleisten. Der Bundesgerichtshof hat - allerdings unter der Geltung der früheren strengeren Fassung des § 233 ZPO - selbst bei einer bereits voll ausgebildeten, aber noch
jungen und noch nicht während eines längeren Zeitraums erprobten Angestellten anwaltliche Kontrollen, die zwei bis dreimal pro Woche stattfanden, nicht ausreichen lassen (vgl. Beschluß vom 23. September 1977 aaO). Selbst wenn nach geltendem Rechtszustand derartig häufige Kontrollen durch den Rechtsanwalt persönlich nicht als erforderlich anzusehen sein dürften, genügten ca. einmal monatlich durchgeführte Überprüfungen jedenfalls nicht zur Wahrung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht. Das gälte in besonderem Maße dann, wenn, wie vorstehend ausgeführt, in der Kanzlei von Rechtsanwältin S. die Übung bestand, Rechtsmittelbegründungsfristen erst nach Rückgabe der gerichtlichen Eingangsbestätigung im Fristenkalender einzutragen. Denn bei einer solchen Handhabung konnte es geschehen, daß Rechtsmittelbegründungsfristen nur während einer Dauer von etwa drei Wochen statt von einem Monat im Kalender vermerkt waren. Kontrollen in Zeitabständen von "ca. einem Monat" waren unter diesen Umständen nicht geeignet, fehlerhafte Fristnotierungen rechtzeitig und verläßlich aufzudecken. Blumenröhr Krohn Gerber Weber-Monecke Wagenitz