Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 14. Apr. 2014 - 19 U 48/14

bei uns veröffentlicht am14.04.2014

Tenor

1. Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

2. Der weitere Antrag der Kläger auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

3. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 21. Februar 2014 (5 O 274/12 Wu) wird als unzulässig verworfen.

4. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 850.000,00 EUR (vgl. LGU 40 f.).

Gründe

 
I.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 21. Februar 2014 (5 O 274/12 Wu), auf welches der Senat vollinhaltlich Bezug nimmt, war als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 ZPO), da sie nicht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt wurde und die Voraussetzungen für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO nicht vorliegen.
1.
Die Berufungsfrist beträgt gem. § 517 ZPO einen Monat und begann im vorliegenden Fall mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, welche ausweislich des Empfangsbekenntnisses des Prozessbevollmächtigten der Kläger (GA IV 585) am 26. Februar 2014 erfolgt ist.
Sie endete am 26. März 2014 (vgl. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB), weswegen die erst am 27. März 2014 vorab per Telefax beim Oberlandesgericht Stuttgart eingereichte Berufungsschrift der Kläger (GA IV 539 f.) verspätet ist.
2.
Das am 4. April 2014 eingereichte zulässige Wiedereinsetzungsgesuch der Kläger (GA IV 599 ff.), auf welches der Senat - einschließlich der Anlagen - vollinhaltlich Bezug nimmt, hatte in der Sache keinen Erfolg.
a)
Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO liegen nicht vor, da die Kläger nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert waren, wobei ihnen das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO).
aa)
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs der Kläger macht der Klägervertreter im Wesentlichen Folgendes geltend:
Seine Auszubildende (im 3. Ausbildungsjahr) … habe am Mittwoch, dem 26. Februar 2014, als das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 21. Februar 2014 zugestellt worden sei, zwar den Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungseinlegungsfrist zutreffend ermittelt, bei dessen Übertragung in den Terminkalender allerdings insoweit versehentlich den 27. März 2014 eingetragen. Die Auszubildende … sei an Mittwoch-, Donnerstag- und Freitagnachmittagen die „alleinige Bürokraft“ des Klägervertreters. Obwohl der Klägervertreter seine weiteren - langjährigen und stets zuverlässigen - Mitarbeiterinnen ausdrücklich angewiesen gehabt habe, Fristeneintragungen durch die Auszubildende am jeweiligen Folgetag lückenlos zu kontrollieren, sei dieser Weisung zuletzt nur mehr stichprobenartig Folge geleistet worden, woraus letztendlich die Fristversäumnis im vorliegenden Fall resultiert habe.
bb)
Nach dem eigenen Wiedereinsetzungsvorbringen der Kläger ist von einem für die Fristversäumung ursächlichen anwaltlichen Organisationsverschulden auszugehen.
(1)
Denn mit der Fristeintragung und -überwachung dürfen Auszubildende allenfalls im Ausnahmefall bei Personalmangel - etwa im Falle der Erkrankung weiterer Mitarbeiter - beauftragt werden (vgl. Gehrlein in: MünchKommZPO, 4. Aufl., § 233 Rz. 63; zu den dann gegebenen gesteigerten Anforderungen an die Kontrolle der Auszubildenden: BGH, Beschl. v. 15. November 2000 - XII ZB 53/00; Tz. 6 bei juris; BGH, Beschl. v. 11. September 2007 - XII ZB 109/04, NJW 2007, 3497 Tz. 16; BGH, Beschl. v. 22. April 2009 - IV ZB 22/08, r + s 2009, 393 Tz. 8).
10 
Nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen war nun aber die Auszubildende … seitens des Klägervertreters nicht nur in einem konkreten Ausnahmefall, sondern regelmäßig an Mittwoch-, Donnerstag- und Freitagnachmittagen - und damit zum üblichen Zeitpunkt des nachmittäglichen Posteingangs an diesen Tagen - damit betraut, den Briefkasten zu entleeren, die Eingänge zu bearbeiten und insbesondere auch die diesbezüglichen Fristen zu notieren. D.h. die Fristeneintragung bezüglich der Posteingänge an drei von fünf Werktagen einer Arbeitswoche war organisatorisch der Auszubildenden übertragen.
11 
Selbst wenn man zugunsten der Kläger unterstellte, dass es sich bei der Auszubildenden … um „eine mit der Fristeneintragung bereits sehr erfahrene Arbeitskraft“ handele, welche „kurz vor ihrem Abschluss zur Rechtsanwaltsfachangestellten“ stehe, kann gleichwohl nicht ausgeschlossen werden, dass der Fehler der Auszubildenden bei der Notierung der Berufungseinlegungsfrist im Terminkalender auf mangelnde praktische Erfahrung zurückzuführen war (vgl. BGH, Beschl. v. 11. September 2007 – XII ZB 109/04, NJW 2007, 3497 Tz. 15).
(2)
12 
Der Annahme eines Organisationsverschuldens steht im vorliegenden Fall insbesondere auch nicht entgegen, dass der Klägervertreter nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen seinen übrigen Mitarbeiterinnen die Weisung erteilt hatte, Fristeneintragungen durch die Auszubildende am jeweiligen Folgetag lückenlos zu kontrollieren.
13 
Denn die an zuverlässige ausgebildete Kräfte gerichtete Weisung zur lückenlosen Überwachung der von Auszubildenden vorgenommenen Fristeneintragung ist nur dann geeignet, ein Organisationsverschulden zu verneinen, wenn die Auszubildende mit dieser Tätigkeit lediglich ausnahmsweise betraut wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 15. November 2000 - XII ZB 53/00; Tz. 6 bei juris; BGH, Beschl. v. 11. September 2007 - XII ZB 109/04, NJW 2007, 3497 Tz. 16; BGH, Beschl. v. 22. April 2009 - IV ZB 22/08, r + s 2009, 393 Tz. 8). Wird die Auszubildende jedoch - wie im vorliegenden Fall - dauerhaft an mehreren Tagen der Arbeitswoche mit der Fristeneintragung betraut, so besteht die erhöhte Gefahr, dass - wie es nicht zuletzt auch das Wiedereinsetzungsvorbringen anschaulich schildert - die Kontrollen mit zunehmendem Zeitablauf immer laxer werden.
c)
14 
Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach alledem nicht stattzugeben war, war die Berufung der Kläger gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Der - vor diesem Hintergrund gegenstandslose - weitere Antrag der Kläger vom 10. April 2014 auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist (GA IV 615) war zurückzuweisen.
II.
15 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 517 Berufungsfrist


Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 222 Fristberechnung


(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 188 Fristende


(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist. (2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Fa

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.

(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 53/00
vom
15. November 2000
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. November 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Gerber,
Weber-Monecke und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
Die weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. März 2000 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen. Wert: 7.500 DM.

Gründe:

1. Das Oberlandesgericht hat die Erstbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 14. Dezember 1999, durch den der Antrag des Antragstellers auf Abänderung der in dem Verbundurteil vom 15. Juli 1997 getroffenen Sorgerechtsentscheidung zurückgewiesen wurde, zu Recht als unzulässig verworfen, weil für die am 14. Januar 2000 eingelegte Beschwerde erst am 17. Februar 2000 und damit verspätet (§§ 621 e Abs. 1 und Abs. 3, 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO) ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist gestellt worden ist. 2. Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht auch den Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist abgelehnt. Denn der An-
tragsteller war nicht ohne ihm zuzurechnendes Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwältin S. an der Einhaltung der Beschwerdebegründungsfrist gehindert (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO).
a) Dabei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob Rechtsanwältin S. ihrer anwaltlichen Sorgfaltspflicht im Zusammenhang mit der "Vorfristbehandlung" der Sache am 11. Februar 2000 genügt hat, als sie - ohne sich die Akten vorlegen zu lassen - ihrer Angestellten K. den Auftrag erteilte, Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist zu beantragen. Da die Eintragung einer Vorfrist bewirken soll, daß dem Rechtsanwalt durch rechtzeitige Vorlage der Akten auch für den Fall von Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen noch eine ausreichende Überprüfungs- und Bearbeitungszeit verbleibt (vgl. BGH Beschluß vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 26/94 = NJW 1994, 2551, 2552 m.w.N.), kann diese Warnfunktion der Vorfrist nur eingreifen, wenn die Akte dem Rechtsanwalt vorgelegt wird. Hätte Rechtsanwältin S. sich den Vorgang - wie es nach ihrem eidesstattlich versicherten Vortrag im Schriftsatz vom 25. Februar 2000 in ihrer Kanzlei an sich am Vorfrist- und Fristentag geschieht - am 11. Februar 2000 vorlegen lassen und die Vorlage zum Anlaß genommen , den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eigenverantwortlich anhand der Handakten zu überprüfen (vgl. Senatsbeschluß vom 22. Januar 1997 - XII ZB 195/96 = BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 24), dann hätte sie, selbst bei Vornahme dieser Prüfung erst am nächsten (Arbeits-)Tag, dem 14. Februar 2000 (vgl. hierzu BGH Beschluß vom 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99 = NJW 2000, 365, 366), bemerkt, daß die Beschwerdebegründungsfrist bereits an diesem Tag (14. Februar 2000) ablief. Der Fristverlängerungsantrag hätte sodann noch rechtzeitig am 14. Februar 2000 gestellt werden können.

b) Unabhängig hiervon ist aber jedenfalls im Zusammenhang mit der Fristeneintragung und -überwachung ein Organisationsverschulden in der Kanzlei von Rechtsanwältin S. nicht ausgeräumt. Nach dem eidesstattlich versicherten Vortrag der Rechtsanwältin selbst und der eidesstattlichen Versicherung ihrer Angestellten H. ist diese seit August/September 1999 sowohl montags- und dienstagsvormittags als auch in sonstigen Fällen bei Abwesenheit ihrer Kollegin K. für die Fristnotierung im Kalender zuständig. Frau H. war indessen 1999 und auch noch im Januar 2000, als sie am Donnerstag, dem 20. Januar 2000, den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist in der vorliegenden Sache fälschlich nicht auf den 14. Februar, sondern auf den 21. Februar 2000 im Kalender eintrug, noch Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , auch des Senats, darf ein Rechtsanwalt jedoch mit der Notierung und Überwachung der Fristen grundsätzlich nur voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal betrauen, keinesfalls hingegen noch auszubildende Kräfte (vgl. Senatsbeschluß vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 27; BGH Beschlüsse vom 20. Juni 1978 - VI ZB 7/78 = VersR 1978, 959, 960; vom 22. Dezember 1970 - VI ZB 15/70 = VersR 1971, 372; auch Beschluß vom 21. September 2000 - IX ZB 67/00; sowie Büttner, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 7 Rdn. 62 a.E.). Diesen fehlt zumindest die notwendige Erfahrung. Auch im vorliegenden Fall ist nicht auszuschließen , daß der Auszubildenden H. bei der unrichtigen Fristeintragung ein Fehler unterlaufen ist, der - trotz ihrer behaupteten Kenntnisse im Fristenwesen - auf mangelnde praktische Erfahrung zurückzuführen war. Es liegt nämlich nicht fern anzunehmen, daß die Angestellte nicht, wie von ihr nachträglich vermutet, bei der Fristeneintragung im Kalender um eine Woche "verrutscht" ist, sondern daß sie die von Rechtsanwältin S. auf der am 20. Januar 2000 in
der Kanzlei eingegangenen gerichtlichen Eingangsbestätigung angebrachte Verfügung "Begr.frist notieren", zu der die Auszubildende selbst den Vermerk "1 Monat" hinzugefügt hatte, bei der Eintragung in den Kalender zum Anlaß genommen hat, den Monatsablauf vom 20. Januar 2000 an zu berechnen und auf diese Weise als Fristablauf den (Montag) 21. Februar 2000 zu notieren. Hierbei ist im übrigen ein Mangel der Fristenorganisation in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers auch insoweit nicht ausgeräumt , als die von Rechtsanwältin S. auf der gerichtlichen Eingangsbestätigung vermerkte Verfügung "Begr.frist notieren" die Vermutung nahelegt, daß die Rechtsmittelbegründungsfrist nach der Kanzleiübung nicht "alsbald bei" oder zumindest "alsbald nach" Einreichung des Rechtsmittels vorläufig eingetragen und dieser Eintrag später anhand der gerichtlichen Eingangsbestätigung überprüft wurde (vgl. BGH Beschluß vom 9. Dezember 1993 - IX ZB 70/93 = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 33 m.w.N.), sondern daß die Begründungsfrist erst aufgrund der gerichtlichen Bestätigung über den Eingang des Rechtsmittels notiert wurde. Hierin läge eine Verletzung der dem Rechtsanwalt obliegenden Organisationspflichten im Hinblick auf die Fristenkontrolle (vgl. BGH Beschluß vom 9. Dezember 1993 aaO). Es kann dahinstehen, ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von dem Grundsatz zugelassen werden kann, daß die Fristeintragung und -überwachung nicht auf Auszubildende übertragen werden darf. In diesem Fall muß dann jedenfalls eine um so wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder andere geeignete Kräfte gewährleistet sein (vgl. BGH Beschlüsse vom 10. Februar 1972 - III ZR 173/71 = VersR 1972, 557; vom 23. September 1977 - V ZR 39/77 = VersR 1978, 139; vom 21. September 2000 aaO), durch die sichergestellt wird, daß alle von dem Auszubildenden
eingetragenen Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Diesem Erfordernis genügt der vorgetragene und glaubhaft gemachte Organisationsablauf in der Kanzlei von Rechtsanwältin S. nicht. Wie diese selbst und die Angestellten K. und H. übereinstimmend vorgetragen und versichert haben, überprüft die - seit 1994 bei der Prozeßbevollmächtigten tätige, seit 1997 voll ausgebildete Angestellte K. - regelmäßig "mindestens" bzw. "durchschnittlich" einmal wöchentlich die von der Auszubildenden H. vorgenommenen Fristnotierungen. Hierbei kann es sich indessen entweder nur um Stichproben oder nur um Plausibilitätskontrollen allein anhand des Fristenkalenders handeln. Denn andernfalls hätte in dem Zeitraum von gut drei Wochen zwischen der unzutreffenden Fristeintragung am 20. Januar 2000 und dem Ablauf der notierten Vorfrist am 11. Februar 2000 die unrichtige Fristeintragung bemerkt werden müssen. Sowohl Stichproben als auch bloße Kontrolleinsichtnahmen in den Kalender reichten aber nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von der Auszubildenden selbständig vorgenommenen Fristeintragungen zu gewährleisten. Hierfür war vielmehr ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit den jeweiligen Akten erforderlich (vgl. BGH Beschluß vom 23. September 1977 aaO), wie ihn - nach ihrem eidesstattlich versicherten Vortrag im Schriftsatz vom 25. Februar 2000 - ersichtlich die Verfahrensbevollmächtigte selbst bei ihren "regelmäßigen" Kontrollen vornahm. Zu den Zeitabständen, in denen diese Kontrollen durchgeführt wurden, hat die Angestellte H. vorgetragen und an Eides Statt versichert, die Verfahrensbevollmächtigte "läßt sich meine am jeweiligen Tag angefertigten Notierungen ca. einmal im Monat vorlegen". Das reichte, wie der vorliegende Fall deutlich macht, keinesfalls aus, um die Richtigkeit der Fristeintragungen durch eine Auszubildende zu gewährleisten. Der Bundesgerichtshof hat - allerdings unter der Geltung der früheren strengeren Fassung des § 233 ZPO - selbst bei einer bereits voll ausgebildeten, aber noch
jungen und noch nicht während eines längeren Zeitraums erprobten Angestellten anwaltliche Kontrollen, die zwei bis dreimal pro Woche stattfanden, nicht ausreichen lassen (vgl. Beschluß vom 23. September 1977 aaO). Selbst wenn nach geltendem Rechtszustand derartig häufige Kontrollen durch den Rechtsanwalt persönlich nicht als erforderlich anzusehen sein dürften, genügten ca. einmal monatlich durchgeführte Überprüfungen jedenfalls nicht zur Wahrung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht. Das gälte in besonderem Maße dann, wenn, wie vorstehend ausgeführt, in der Kanzlei von Rechtsanwältin S. die Übung bestand, Rechtsmittelbegründungsfristen erst nach Rückgabe der gerichtlichen Eingangsbestätigung im Fristenkalender einzutragen. Denn bei einer solchen Handhabung konnte es geschehen, daß Rechtsmittelbegründungsfristen nur während einer Dauer von etwa drei Wochen statt von einem Monat im Kalender vermerkt waren. Kontrollen in Zeitabständen von "ca. einem Monat" waren unter diesen Umständen nicht geeignet, fehlerhafte Fristnotierungen rechtzeitig und verläßlich aufzudecken. Blumenröhr Krohn Gerber Weber-Monecke Wagenitz

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 109/04
vom
11. September 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Rechtsanwalt darf mit der Notierung und Überwachung von Fristen
grundsätzlich nur voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal
betrauen, nicht dagegen noch auszubildende Kräfte (Festhaltung Senatsbeschluss
vom 15. November 2000 - XII ZB 53/00 - FuR 2001, 273 und BGH
Beschluss vom 6. Februar 2006 - II ZB 1/05 - NJW 2006, 1520).

b) Auch wenn es in Ausnahmefällen wegen Personalmangels zulässig sein sollte
, eine Auszubildende mit der Fristüberwachung zu betrauen, muss eine
Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder andere geeignete Kräfte gewährleistet
sein, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden
bearbeiteten Fristen überprüft werden. Bloße Stichproben reichen
dafür nicht aus.
BGH, Beschluss vom 11. September 2007 - XII ZB 109/04 - OLG Hamm
AG Münster
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2007 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Familiensenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. Februar 2004 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: bis 13.000 €

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht hat den Beklagten mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil verurteilt, an die Klägerin rückständigen und laufenden Trennungsunterhalt zu zahlen.
2
Das Urteil wurde den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 14. Juli 2003 zugestellt. Dessen Prozessbevollmächtigte zweiter Instanz legte mit Schriftsatz vom 5. August 2003 - bei Gericht eingegangen am 6. August 2003 - Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil ein. Mit Schriftsatz vom 9. September 2003, der den Eingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 23. September 2003 trägt, beantragte sie, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Die Berufung begründete sie mit Schriftsatz vom 25. September 2003 - am gleichen Tag bei Gericht eingegangen - und be- antragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.
3
Zur Begründung trug sie vor: Am 9. September 2003 sei der Auszubildenden zur Rechtsanwaltsfachangestellten B. ein am gleichen Tag gefertigter Schriftsatz mit dem Antrag, die am 15. September 2003 (Montag) ablaufende Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern, übergeben worden. Die Auszubildende sei unter anderem beauftragt gewesen, diesen Schriftsatz im Original mit einer beglaubigten und einer einfachen Abschrift sowie der Gerichtsakte zum Oberlandesgericht zu bringen. Dort habe sie sich bei der Empfangsstelle im Eingangsbereich die vorgefertigte Empfangsquittung des Verlängerungsantrags abstempeln lassen. Sodann habe sie den mit dem gerichtlichen Eingangsstempel versehenen Originalschriftsatz für das Gericht, die Abschriften und die mit einem Eingangsstempel versehene Abschrift für die Handakte einschließlich der Gerichtsakte wieder an sich genommen. Anschließend habe die Auszubildende B. die Gerichtsakte mit dem für das Gericht bestimmten Schriftstück in der Geschäftsstelle des 13. Familiensenats abgegeben. Dort sei ihr der Empfang durch weitere handschriftliche Vermerke quittiert und die Quittung zurückgegeben worden. Diese beziehe sich jedoch lediglich auf die Rückgabe der Gerichtsakten, was der Auszubildenden B. weder bei der Entgegennahme noch bei dem Abheften in die Handakte aufgefallen sei. Das habe auch die am 15. September 2003 den Fristenkalender überprüfende weitere Auszubildende W. nicht bemerkt. Diese sei an dem betreffenden Tag für die Ausgangskontrolle zuständig gewesen, habe aber aus nicht zu erklärenden Umständen die im Fristenkalender notierte Frist für den Fristverlängerungsantrag nicht beachtet. Andernfalls wäre nochmals ein gleich lautender Schriftsatz eingereicht worden. Aus welchen Gründen der Fristverlängerungsantrag nicht zu der Gerichtsakte gelangt sei, könne nicht nachvollzogen werden. Eine Nachfrage beim Oberlandesgericht , ob die Fristverlängerung gewährt werde, erfolge nicht. Es entspre- che gerichtlicher Übung, dass die Fristverlängerung antragsgemäß bewilligt werde und darauf auch dann vertraut werden könne, wenn dies bis zum Fristablauf noch nicht geschehen sei.
4
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz die büroorganisatorisch gebotenen Weisungen erteilt worden seien. Da vorliegend zwei Auszubildende tätig gewesen seien, habe zum einen dargelegt werden müssen, dass die notwendige laufende und regelmäßige Überwachung auf deren Eignung und Zuverlässigkeit stattgefunden habe. Zum anderen habe vorgetragen werden müssen , in welcher Weise eine klare Abgrenzung der Zuständigkeit der einzelnen mit der Fristenkontrolle beschäftigten Angestellten organisiert sei.
5
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 283 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
7
Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht nicht auf der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, insbesondere dem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. hierzu BGHZ 151, 221, 226 f.). Auch der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. Senatsbeschluss vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901) ist nicht verletzt.
8
1. a) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass für den Beklagten, nachdem er die Berufungsbegründungsfrist versäumt hatte, die Möglichkeit bestand, insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Diese wäre zu bewilligen, wenn rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist eingegangen wäre und der Beklagte darauf vertrauen durfte, dass das Gericht dem Antrag entsprochen hätte. Letzteres ist der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2001 - VI ZB 26/01 - VersR 2001, 1579, 1580 m.w.N.). Der Behauptung des Beklagten, bei dem betreffenden Oberlandesgericht sei es üblich, dass dem ersten Fristverlängerungsgesuch entsprochen werde, ist das Berufungsgericht in dem angefochtenen Beschluss auch nicht entgegen getreten.
9
b) Ein rechtzeitiger Eingang des Verlängerungsantrags ist indessen nicht glaubhaft gemacht worden (§ 236 Abs. 2 ZPO). Der Schriftsatz vom 9. September 2003, mit dem die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt wurde, trägt den Eingangsstempel des Berufungsgerichts vom 23. September 2003. Der Stempel ist eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO und bescheinigt den Tag, an dem das Schriftstück bei Gericht eingegangen ist (BGH, Beschluss vom 25. März 1982 - I ZB 1/82 - VersR 1982, 652 m.N.). Wäre dieses erst am 23. September 2003 bei Gericht eingegangen, konnte dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr entsprochen werden. Der durch den Eingangsstempel begründete Beweis kann allerdings nach § 418 Abs. 2 ZPO durch Gegenbeweis entkräftet werden. Dies kann in dem Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch Glaubhaftmachung der Unrichtigkeit erfolgen (BGH, Beschluss vom 3. März 1983 - IX ZB 4/83 - VersR 1983, 491, 492). Letzteres setzt im vorliegenden Fall voraus, dass für den behaupteten Eingang des Antrags bereits am 9. September 2003 eine überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht. Das ist indessen nicht der Fall.
10
Der Vortrag des Beklagten, der Auszubildenden B. sei der Empfang des Verlängerungsantrags von der Empfangsstelle im Eingangsbereich des Oberlandesgerichts quittiert, sodann aber zurückgegeben worden, beinhaltet einen eher ungewöhnlichen Geschehensablauf. Aber selbst wenn hiervon ausgegangen wird, lässt sich das Vorbringen nicht mit dem Stempel vom 23. September 2003 vereinbaren. Der Beklagte hat nämlich weiter vorgetragen, die Auszubildende B. sei sicher, dass sie den Schriftsatz an der Poststelle habe stempeln lassen und dann zusammen mit der Akte der Geschäftsstelle vorgelegt habe. Wenn der Schriftsatz aber am 9. September 2003 mit dem Eingangsstempel dieses Tages versehen worden wäre, könnte er nicht - wie tatsächlich - den Stempelaufdruck vom 23. September 2003 aufweisen. Falls der Vortrag des Beklagten dagegen dahin zu verstehen sein sollte, dass nur das Handaktenexemplar - nicht dagegen der einzureichende Schriftsatz - von der Poststelle abgestempelt worden ist, dann hätte der Schriftsatz in der Zeit vom 9. bis 22. September 2003 unbearbeitet auf der Geschäftsstelle liegen geblieben sein und erst am 23. September 2003 kommentarlos den Eingangsstempel von diesem Tag erhalten haben müssen. Dieser Ablauf erscheint indessen auch im Hinblick darauf wenig wahrscheinlich, dass der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten unmittelbar einen Tag zuvor aufgefallen war, dass sich der Schriftsatz nicht bei der ihr zu dieser Zeit vorliegenden Gerichtsakte befand.
11
2. Dass der Beklagte gleichwohl ohne Verschulden gehindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten, ist ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
12
a) Der Rechtsbeschwerde ist zwar darin zuzustimmen, dass die Auszubildende B. damit betraut werden durfte, den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zum Oberlandesgericht zu bringen. Einfache Tätigkeiten, wie die Übersendung oder Abgabe von Schriftsätzen, müssen trotz der mit der Richtigkeit ihrer Ausführung verbundenen Bedeutung nicht von dem Rechtsanwalt oder seinem qualifizierten Fachpersonal selbst ausgeführt werden. Wenn durch Auswahl und Überwachung des Personals sowie durch Weisungen eine ordnungsgemäße Erledigung sichergestellt ist, dürfen sowohl Auszubildende (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1993 - VI ZB 8/93 - NJW-RR 1994, 510 f.) als auch Praktikanten (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2002 - I ZB 23/01 - NJW-RR 2002, 1070 f.) mit Botengängen in wichtigen Angelegenheiten beauftragt werden. Allein das vermag ein Verschulden an der Fristversäumnis aber nicht auszuschließen.
13
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen oder anderweit als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt, ein fristwahrender Schriftsatz also gefertigt und zumindest postfertig gemacht worden ist (BGH, Beschluss vom 6. November 2001 - XI ZB 11/01 - BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 17 m.w.N.). Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, die sicherstellt, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders überprüft wird. Der für die Kontrolle zuständige Angestellte ist dabei anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (BGH, Beschluss vom 14. März 1996 - III ZB 13/96 - VersR 1996, 1298). Der Begründung des Wiedereinset- zungsantrags ist indessen nicht zu entnehmen, dass in der Kanzlei der Beklagtenvertreterin die danach erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen worden sind.
14
Zur Ausgangskontrolle in dem Büro seiner Prozessbevollmächtigten hat der Beklagte lediglich vorgetragen, am Ende des Arbeitstages werde der Fristenkalender noch einmal auf Erledigung der dort notierten Fristen kontrolliert. Welche konkreten Anordnungen seitens der Rechtsanwältin dazu an die Angestellten ergangen sind, ist dagegen nicht dargelegt worden. Dazu hätte jedoch um so mehr Anlass bestanden, als Fristen, deren Verlängerung beantragt wird, nach dem Vorbringen des Beklagten im Büro seiner Prozessbevollmächtigten erst dann im Fristenkalender gestrichen werden, wenn die schriftliche Mitteilung über die Fristverlängerung vorliegt. Welche Eintragung im Falle eines Fristverlängerungsantrags aber im Kalender vorzunehmen ist - etwa ein entsprechender Erledigungsvermerk i.V.m. der Eintragung des beantragten Fristablaufs (vgl. zu letzterem Senatsbeschluss vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99 - NJW-RR 1999, 1663) - ist nicht dargetan. Erfolgt aber zunächst keine Kenntlichmachung der Absendung, so liegt es nahe, dass die Auszubildende W., die als an dem Tag für die abendliche Ausgangskontrolle zuständige Angestellte tätig war, bereits deshalb die Frist nicht beachtet und demgemäß die Erledigung in den Handakten nicht überprüft hat. Denn dann wäre weiteres erst nach dem Eingang der Mitteilung über die erfolgte Fristverlängerung zu veranlassen gewesen. Es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass bei entsprechender Organisation der Ausgangskontrolle das Versäumnis aufgefallen wäre.
15
c) Unabhängig hiervon ist aber auch im Übrigen ein Organisationsverschulden in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht ausgeräumt. Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsverfahren ist in Fällen der Abwesenheit der langjährigen Kanzleiangestellten S. die Auszubildende W. u.a.
für die abendliche Ausgangskontrolle zuständig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsanwalt jedoch mit der Notierung und Überwachung der Fristen grundsätzlich nur voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal betrauen, keinesfalls hingegen noch auszubildende Kräfte (Senatsbeschluss vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 27 und BGH, Beschluss vom 6. Februar 2006 - II ZB 1/05 - NJW 2006, 1520, 1521). Diesen fehlt zumindest die notwendige Erfahrung. Auch im vorliegenden Fall ist nicht auszuschließen, dass der Auszubildenden W. bei der Kontrolle ein Fehler unterlaufen ist, der auf mangelnde praktische Erfahrung zurückzuführen war.
16
Ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von dem Grundsatz zugelassen werden kann, dass die Fristeintragung und -überwachung nicht auf Auszubildende übertragen werden darf, kann vorliegend dahinstehen. In einem solchen Fall muss jedenfalls eine um so wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder andere geeignete Kräfte gewährleistet werden, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden bearbeiteten Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Diesem Erfordernis genügt der vorgetragene und glaubhaft gemachte Organisationsablauf in der Kanzlei von Rechtsanwältin D. nicht. Wie diese selbst vorgetragen und versichert hat, werden die Auszubildenden stichprobenartig kontrolliert. Stichproben reichten aber nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von der Auszubildenden selbst vorgenommenen Tätigkeit zur Fristenwahrung zu gewährleisten. Hierfür war vielmehr ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit den jeweiligen Akten erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 2000 - XII ZB 53/00 - FuR 2001, 273, 274 f.). Wäre so verfahren worden, so hätte der Fehler der Auszubildenden W. nicht länger als zehn Tage unbemerkt bleiben können. Auf die Frage, ob das hinsichtlich der Kontrollen der Auszubildenden durch Rechtsanwältin D. im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzte Vorbringen überhaupt noch zu berücksichtigen ist, kommt es danach nicht an.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Vorinstanzen:
AG Münster, Entscheidung vom 08.07.2003 - 47 F 362/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 27.02.2004 - 13 UF 338/03 - y

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 22/08
vom
22. April 2009
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und die
Richterin Harsdorf-Gebhardt
am 22. April 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 5. Juni 2008 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.
Beschwerdewert: 3.824,82 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Sie hat gegen das ihr am 12. Februar 2008 zugestellte klageabweisende Urteil des Amtsgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt, diese aber nicht innerhalb der am Montag, dem 14. April 2008, abgelaufenen Frist begründet. Die Berufungsbegründung ist bei dem Landgericht erst am 15. April 2008 eingegangen. Mit einem weiteren an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin beantragt, ihr wegen der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
2
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin vorgetragen und glaubhaft gemacht: Nach Eingang des angefochtenen Urteils habe ihr Prozessbevollmächtigter ein Schreiben an sie diktiert, wonach sie aufgefordert worden sei, ihm bis zum 28. Februar 2008 mitzuteilen , ob Berufung eingelegt werden solle. In dem Banddiktat habe ihr Prozessbevollmächtigter als einzutragende Vorfrist den 1. März 2008 und vorsorglich eine Frist zur Vorlage wegen der Berufungsbegründung zum 10. April 2008 angegeben. Beide Fristen habe ihr Prozessbevollmächtigter außerdem handschriftlich auf dem Aktenvorblatt vermerkt. Die auf diese Weise festgelegten Fristen hätten entsprechend der allgemeinen schriftlichen Büroanweisung in den gesondert geführten Fristenkalender eingetragen werden sollen. Die langjährig in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten tätige und stets zuverlässig arbeitende Rechtsanwalts - und Notariatsfachangestellte C. habe die Eintragung der Fristen der am Ende des ersten Lehrjahres befindlichen Rechtsanwalts- und Notariatsauszubildenden H. übertragen. Diese habe an ihrem Schreibtisch direkt gegenüber von Frau C. unter deren Aufsicht die Eintragungen in den Fristenkalender vorgenommen. Die Auszubildende habe die auf den 1. März 2008 verfügte Vorfrist ordnungsgemäß in den Kalender eingetragen, die auf den 10. April 2008 bestimmte Frist jedoch versehentlich nicht.
3
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin treffe ein Organisationsverschulden , weil die Notierung und Überwachung der Fristen auf eine Auszubildende übertragen worden sei, die unzureichend kontrolliert worden sei. Selbst wenn wegen eines Personalmangels die Eintragung der Fristen ausnahmsweise auf die Auszubildende habe übertragen werden dürfen, hätte durch eine wirksame Kontrolle sichergestellt werden müssen, dass alle von der Auszubildenden einzutragenden Fristen sorgfältig und vollständig in den Kalender übertragen wurden. Eine solche Kontrolle sei nicht dadurch gewährleistet gewesen, dass eine voll ausgebildete, langjährig tätige Angestellte ihren Arbeitsplatz gegenüber dem der Auszubildenden gehabt habe.
4
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
5
Die II. nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht wegen Verletzung von Verfahrensgrundrechten zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO erforderlich.
6
1. Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227; BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - XII ZB 186/05 - NJW-RR 2008, 1160 Tz. 7; BVerfG NJW-RR 2002, 1004; NJW 2004, 2583, 2584, jeweils m.w.N.). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (BGH, Beschluss vom 13. September 2007 - III ZB 26/07 - FamRZ 2007, 1879, 1880 Tz. 11; BVerfG aaO, jeweils m.w.N.).
7
2. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltliche Organisationspflicht in Bezug auf fristgebundene Schriftsätze nicht überspannt und zutreffend ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten angenommen.
8
Nach a) ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsanwalt regelmäßig sein voll ausgebildetes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal mit der Notierung und Überwachung von Fristen betrauen (BGH, Beschlüsse vom 5. März 2008 aaO Tz. 12; vom 11. September 2007 - XII ZB 109/04 - NJW 2007, 3497 Tz. 15; vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02 - NJW 2003, 1815 unter II 3 a; vom 27. März 2001 - VI ZB 7/01 - NJW-RR 2001, 1072 unter II; vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 - NJW 1992, 3176 unter II 2, jeweils m.w.N.). Er hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen , dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden; unverzichtbar sind insoweit eindeutige Anweisungen an das Büropersonal , die Festlegung klarer Zuständigkeiten und die mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals (BGH, Beschluss vom 5. Februar 2003 aaO m.w.N.). Die Fristeintragung und -überwachung darf grundsätzlich nicht auf noch auszubildende Kräfte, denen die notwendige Erfahrung fehlt, übertragen werden (BGH, Beschlüsse vom 11. September 2007 aaO; vom 15. November 2000 - XII ZB 53/00 - FuR 2001, 273 unter 2 b m.w.N.; vom 8. Juli 1992 aaO m.w.N.). Ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von diesem Grundsatz zugelassen werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. In einem solchen Fall muss jedenfalls eine umso wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder durch ausgebildete und erfahrene Angestellte gewährleistet sein, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden eingetragenen Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Sowohl Stichproben als auch bloße Kontrolleinsichtnahmen in den Fristenkalender reichen nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von einem Auszubildenden vorgenommenen Fristeintragungen zu gewährleisten. Vielmehr ist ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit den jeweiligen Akten erforderlich (BGH, Beschlüsse vom 11. September 2007 aaO Tz. 16; vom 15. November 2000 aaO m.w.N.).
9
b) Diesem Erfordernis genügt der glaubhaft gemachte Organisationsablauf in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Fachangestellte C. wegen Personalmangels oder aus einem vergleichbar triftigen Grund die Eintragung der Fristen der Auszubildenden H. überließ. Des Weiteren hat die Klägerin weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass jede von der Auszubildenden vorgenommene Fristeintragung unmittelbar im Anschluss anhand der Akten auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit kontrolliert wurde. Dies ergibt sich nicht aus der Darstellung der räumlichen Büroorganisation, wonach die Auszubildende direkt gegenüber von Frau C. "unter deren Aufsicht" die Eintragungen in den Fristenkalender vorgenommen haben soll. Wie diese Aufsicht beschaffen gewesen sein soll, hat die Klägerin nicht dargetan. Auch die weitere Angabe, die Auszubildende habe "quasi unter den Augen" der Fachangestellten Frau C. die Fristen notiert, lässt nicht darauf schließen, dass die Fachangestellte C.
tatsächlich jede einzelne von der Auszubildenden H. vorgenommene Eintragung im Fristenkalender überprüfte.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 17.12.2007 - 221 C 39/06 -
LG Berlin, Entscheidung vom 05.06.2008 - 7 S 4/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 109/04
vom
11. September 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Rechtsanwalt darf mit der Notierung und Überwachung von Fristen
grundsätzlich nur voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal
betrauen, nicht dagegen noch auszubildende Kräfte (Festhaltung Senatsbeschluss
vom 15. November 2000 - XII ZB 53/00 - FuR 2001, 273 und BGH
Beschluss vom 6. Februar 2006 - II ZB 1/05 - NJW 2006, 1520).

b) Auch wenn es in Ausnahmefällen wegen Personalmangels zulässig sein sollte
, eine Auszubildende mit der Fristüberwachung zu betrauen, muss eine
Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder andere geeignete Kräfte gewährleistet
sein, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden
bearbeiteten Fristen überprüft werden. Bloße Stichproben reichen
dafür nicht aus.
BGH, Beschluss vom 11. September 2007 - XII ZB 109/04 - OLG Hamm
AG Münster
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2007 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Familiensenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. Februar 2004 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: bis 13.000 €

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht hat den Beklagten mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil verurteilt, an die Klägerin rückständigen und laufenden Trennungsunterhalt zu zahlen.
2
Das Urteil wurde den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 14. Juli 2003 zugestellt. Dessen Prozessbevollmächtigte zweiter Instanz legte mit Schriftsatz vom 5. August 2003 - bei Gericht eingegangen am 6. August 2003 - Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil ein. Mit Schriftsatz vom 9. September 2003, der den Eingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 23. September 2003 trägt, beantragte sie, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Die Berufung begründete sie mit Schriftsatz vom 25. September 2003 - am gleichen Tag bei Gericht eingegangen - und be- antragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.
3
Zur Begründung trug sie vor: Am 9. September 2003 sei der Auszubildenden zur Rechtsanwaltsfachangestellten B. ein am gleichen Tag gefertigter Schriftsatz mit dem Antrag, die am 15. September 2003 (Montag) ablaufende Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern, übergeben worden. Die Auszubildende sei unter anderem beauftragt gewesen, diesen Schriftsatz im Original mit einer beglaubigten und einer einfachen Abschrift sowie der Gerichtsakte zum Oberlandesgericht zu bringen. Dort habe sie sich bei der Empfangsstelle im Eingangsbereich die vorgefertigte Empfangsquittung des Verlängerungsantrags abstempeln lassen. Sodann habe sie den mit dem gerichtlichen Eingangsstempel versehenen Originalschriftsatz für das Gericht, die Abschriften und die mit einem Eingangsstempel versehene Abschrift für die Handakte einschließlich der Gerichtsakte wieder an sich genommen. Anschließend habe die Auszubildende B. die Gerichtsakte mit dem für das Gericht bestimmten Schriftstück in der Geschäftsstelle des 13. Familiensenats abgegeben. Dort sei ihr der Empfang durch weitere handschriftliche Vermerke quittiert und die Quittung zurückgegeben worden. Diese beziehe sich jedoch lediglich auf die Rückgabe der Gerichtsakten, was der Auszubildenden B. weder bei der Entgegennahme noch bei dem Abheften in die Handakte aufgefallen sei. Das habe auch die am 15. September 2003 den Fristenkalender überprüfende weitere Auszubildende W. nicht bemerkt. Diese sei an dem betreffenden Tag für die Ausgangskontrolle zuständig gewesen, habe aber aus nicht zu erklärenden Umständen die im Fristenkalender notierte Frist für den Fristverlängerungsantrag nicht beachtet. Andernfalls wäre nochmals ein gleich lautender Schriftsatz eingereicht worden. Aus welchen Gründen der Fristverlängerungsantrag nicht zu der Gerichtsakte gelangt sei, könne nicht nachvollzogen werden. Eine Nachfrage beim Oberlandesgericht , ob die Fristverlängerung gewährt werde, erfolge nicht. Es entspre- che gerichtlicher Übung, dass die Fristverlängerung antragsgemäß bewilligt werde und darauf auch dann vertraut werden könne, wenn dies bis zum Fristablauf noch nicht geschehen sei.
4
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz die büroorganisatorisch gebotenen Weisungen erteilt worden seien. Da vorliegend zwei Auszubildende tätig gewesen seien, habe zum einen dargelegt werden müssen, dass die notwendige laufende und regelmäßige Überwachung auf deren Eignung und Zuverlässigkeit stattgefunden habe. Zum anderen habe vorgetragen werden müssen , in welcher Weise eine klare Abgrenzung der Zuständigkeit der einzelnen mit der Fristenkontrolle beschäftigten Angestellten organisiert sei.
5
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 283 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
7
Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht nicht auf der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, insbesondere dem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. hierzu BGHZ 151, 221, 226 f.). Auch der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. Senatsbeschluss vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901) ist nicht verletzt.
8
1. a) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass für den Beklagten, nachdem er die Berufungsbegründungsfrist versäumt hatte, die Möglichkeit bestand, insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Diese wäre zu bewilligen, wenn rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist eingegangen wäre und der Beklagte darauf vertrauen durfte, dass das Gericht dem Antrag entsprochen hätte. Letzteres ist der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2001 - VI ZB 26/01 - VersR 2001, 1579, 1580 m.w.N.). Der Behauptung des Beklagten, bei dem betreffenden Oberlandesgericht sei es üblich, dass dem ersten Fristverlängerungsgesuch entsprochen werde, ist das Berufungsgericht in dem angefochtenen Beschluss auch nicht entgegen getreten.
9
b) Ein rechtzeitiger Eingang des Verlängerungsantrags ist indessen nicht glaubhaft gemacht worden (§ 236 Abs. 2 ZPO). Der Schriftsatz vom 9. September 2003, mit dem die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt wurde, trägt den Eingangsstempel des Berufungsgerichts vom 23. September 2003. Der Stempel ist eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO und bescheinigt den Tag, an dem das Schriftstück bei Gericht eingegangen ist (BGH, Beschluss vom 25. März 1982 - I ZB 1/82 - VersR 1982, 652 m.N.). Wäre dieses erst am 23. September 2003 bei Gericht eingegangen, konnte dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr entsprochen werden. Der durch den Eingangsstempel begründete Beweis kann allerdings nach § 418 Abs. 2 ZPO durch Gegenbeweis entkräftet werden. Dies kann in dem Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch Glaubhaftmachung der Unrichtigkeit erfolgen (BGH, Beschluss vom 3. März 1983 - IX ZB 4/83 - VersR 1983, 491, 492). Letzteres setzt im vorliegenden Fall voraus, dass für den behaupteten Eingang des Antrags bereits am 9. September 2003 eine überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht. Das ist indessen nicht der Fall.
10
Der Vortrag des Beklagten, der Auszubildenden B. sei der Empfang des Verlängerungsantrags von der Empfangsstelle im Eingangsbereich des Oberlandesgerichts quittiert, sodann aber zurückgegeben worden, beinhaltet einen eher ungewöhnlichen Geschehensablauf. Aber selbst wenn hiervon ausgegangen wird, lässt sich das Vorbringen nicht mit dem Stempel vom 23. September 2003 vereinbaren. Der Beklagte hat nämlich weiter vorgetragen, die Auszubildende B. sei sicher, dass sie den Schriftsatz an der Poststelle habe stempeln lassen und dann zusammen mit der Akte der Geschäftsstelle vorgelegt habe. Wenn der Schriftsatz aber am 9. September 2003 mit dem Eingangsstempel dieses Tages versehen worden wäre, könnte er nicht - wie tatsächlich - den Stempelaufdruck vom 23. September 2003 aufweisen. Falls der Vortrag des Beklagten dagegen dahin zu verstehen sein sollte, dass nur das Handaktenexemplar - nicht dagegen der einzureichende Schriftsatz - von der Poststelle abgestempelt worden ist, dann hätte der Schriftsatz in der Zeit vom 9. bis 22. September 2003 unbearbeitet auf der Geschäftsstelle liegen geblieben sein und erst am 23. September 2003 kommentarlos den Eingangsstempel von diesem Tag erhalten haben müssen. Dieser Ablauf erscheint indessen auch im Hinblick darauf wenig wahrscheinlich, dass der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten unmittelbar einen Tag zuvor aufgefallen war, dass sich der Schriftsatz nicht bei der ihr zu dieser Zeit vorliegenden Gerichtsakte befand.
11
2. Dass der Beklagte gleichwohl ohne Verschulden gehindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten, ist ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
12
a) Der Rechtsbeschwerde ist zwar darin zuzustimmen, dass die Auszubildende B. damit betraut werden durfte, den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zum Oberlandesgericht zu bringen. Einfache Tätigkeiten, wie die Übersendung oder Abgabe von Schriftsätzen, müssen trotz der mit der Richtigkeit ihrer Ausführung verbundenen Bedeutung nicht von dem Rechtsanwalt oder seinem qualifizierten Fachpersonal selbst ausgeführt werden. Wenn durch Auswahl und Überwachung des Personals sowie durch Weisungen eine ordnungsgemäße Erledigung sichergestellt ist, dürfen sowohl Auszubildende (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1993 - VI ZB 8/93 - NJW-RR 1994, 510 f.) als auch Praktikanten (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2002 - I ZB 23/01 - NJW-RR 2002, 1070 f.) mit Botengängen in wichtigen Angelegenheiten beauftragt werden. Allein das vermag ein Verschulden an der Fristversäumnis aber nicht auszuschließen.
13
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen oder anderweit als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt, ein fristwahrender Schriftsatz also gefertigt und zumindest postfertig gemacht worden ist (BGH, Beschluss vom 6. November 2001 - XI ZB 11/01 - BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 17 m.w.N.). Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, die sicherstellt, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders überprüft wird. Der für die Kontrolle zuständige Angestellte ist dabei anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (BGH, Beschluss vom 14. März 1996 - III ZB 13/96 - VersR 1996, 1298). Der Begründung des Wiedereinset- zungsantrags ist indessen nicht zu entnehmen, dass in der Kanzlei der Beklagtenvertreterin die danach erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen worden sind.
14
Zur Ausgangskontrolle in dem Büro seiner Prozessbevollmächtigten hat der Beklagte lediglich vorgetragen, am Ende des Arbeitstages werde der Fristenkalender noch einmal auf Erledigung der dort notierten Fristen kontrolliert. Welche konkreten Anordnungen seitens der Rechtsanwältin dazu an die Angestellten ergangen sind, ist dagegen nicht dargelegt worden. Dazu hätte jedoch um so mehr Anlass bestanden, als Fristen, deren Verlängerung beantragt wird, nach dem Vorbringen des Beklagten im Büro seiner Prozessbevollmächtigten erst dann im Fristenkalender gestrichen werden, wenn die schriftliche Mitteilung über die Fristverlängerung vorliegt. Welche Eintragung im Falle eines Fristverlängerungsantrags aber im Kalender vorzunehmen ist - etwa ein entsprechender Erledigungsvermerk i.V.m. der Eintragung des beantragten Fristablaufs (vgl. zu letzterem Senatsbeschluss vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99 - NJW-RR 1999, 1663) - ist nicht dargetan. Erfolgt aber zunächst keine Kenntlichmachung der Absendung, so liegt es nahe, dass die Auszubildende W., die als an dem Tag für die abendliche Ausgangskontrolle zuständige Angestellte tätig war, bereits deshalb die Frist nicht beachtet und demgemäß die Erledigung in den Handakten nicht überprüft hat. Denn dann wäre weiteres erst nach dem Eingang der Mitteilung über die erfolgte Fristverlängerung zu veranlassen gewesen. Es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass bei entsprechender Organisation der Ausgangskontrolle das Versäumnis aufgefallen wäre.
15
c) Unabhängig hiervon ist aber auch im Übrigen ein Organisationsverschulden in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht ausgeräumt. Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsverfahren ist in Fällen der Abwesenheit der langjährigen Kanzleiangestellten S. die Auszubildende W. u.a.
für die abendliche Ausgangskontrolle zuständig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsanwalt jedoch mit der Notierung und Überwachung der Fristen grundsätzlich nur voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal betrauen, keinesfalls hingegen noch auszubildende Kräfte (Senatsbeschluss vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 27 und BGH, Beschluss vom 6. Februar 2006 - II ZB 1/05 - NJW 2006, 1520, 1521). Diesen fehlt zumindest die notwendige Erfahrung. Auch im vorliegenden Fall ist nicht auszuschließen, dass der Auszubildenden W. bei der Kontrolle ein Fehler unterlaufen ist, der auf mangelnde praktische Erfahrung zurückzuführen war.
16
Ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von dem Grundsatz zugelassen werden kann, dass die Fristeintragung und -überwachung nicht auf Auszubildende übertragen werden darf, kann vorliegend dahinstehen. In einem solchen Fall muss jedenfalls eine um so wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder andere geeignete Kräfte gewährleistet werden, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden bearbeiteten Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Diesem Erfordernis genügt der vorgetragene und glaubhaft gemachte Organisationsablauf in der Kanzlei von Rechtsanwältin D. nicht. Wie diese selbst vorgetragen und versichert hat, werden die Auszubildenden stichprobenartig kontrolliert. Stichproben reichten aber nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von der Auszubildenden selbst vorgenommenen Tätigkeit zur Fristenwahrung zu gewährleisten. Hierfür war vielmehr ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit den jeweiligen Akten erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 2000 - XII ZB 53/00 - FuR 2001, 273, 274 f.). Wäre so verfahren worden, so hätte der Fehler der Auszubildenden W. nicht länger als zehn Tage unbemerkt bleiben können. Auf die Frage, ob das hinsichtlich der Kontrollen der Auszubildenden durch Rechtsanwältin D. im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzte Vorbringen überhaupt noch zu berücksichtigen ist, kommt es danach nicht an.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Vorinstanzen:
AG Münster, Entscheidung vom 08.07.2003 - 47 F 362/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 27.02.2004 - 13 UF 338/03 - y

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 53/00
vom
15. November 2000
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. November 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Gerber,
Weber-Monecke und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
Die weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. März 2000 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen. Wert: 7.500 DM.

Gründe:

1. Das Oberlandesgericht hat die Erstbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 14. Dezember 1999, durch den der Antrag des Antragstellers auf Abänderung der in dem Verbundurteil vom 15. Juli 1997 getroffenen Sorgerechtsentscheidung zurückgewiesen wurde, zu Recht als unzulässig verworfen, weil für die am 14. Januar 2000 eingelegte Beschwerde erst am 17. Februar 2000 und damit verspätet (§§ 621 e Abs. 1 und Abs. 3, 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO) ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist gestellt worden ist. 2. Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht auch den Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist abgelehnt. Denn der An-
tragsteller war nicht ohne ihm zuzurechnendes Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwältin S. an der Einhaltung der Beschwerdebegründungsfrist gehindert (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO).
a) Dabei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob Rechtsanwältin S. ihrer anwaltlichen Sorgfaltspflicht im Zusammenhang mit der "Vorfristbehandlung" der Sache am 11. Februar 2000 genügt hat, als sie - ohne sich die Akten vorlegen zu lassen - ihrer Angestellten K. den Auftrag erteilte, Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist zu beantragen. Da die Eintragung einer Vorfrist bewirken soll, daß dem Rechtsanwalt durch rechtzeitige Vorlage der Akten auch für den Fall von Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen noch eine ausreichende Überprüfungs- und Bearbeitungszeit verbleibt (vgl. BGH Beschluß vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 26/94 = NJW 1994, 2551, 2552 m.w.N.), kann diese Warnfunktion der Vorfrist nur eingreifen, wenn die Akte dem Rechtsanwalt vorgelegt wird. Hätte Rechtsanwältin S. sich den Vorgang - wie es nach ihrem eidesstattlich versicherten Vortrag im Schriftsatz vom 25. Februar 2000 in ihrer Kanzlei an sich am Vorfrist- und Fristentag geschieht - am 11. Februar 2000 vorlegen lassen und die Vorlage zum Anlaß genommen , den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eigenverantwortlich anhand der Handakten zu überprüfen (vgl. Senatsbeschluß vom 22. Januar 1997 - XII ZB 195/96 = BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 24), dann hätte sie, selbst bei Vornahme dieser Prüfung erst am nächsten (Arbeits-)Tag, dem 14. Februar 2000 (vgl. hierzu BGH Beschluß vom 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99 = NJW 2000, 365, 366), bemerkt, daß die Beschwerdebegründungsfrist bereits an diesem Tag (14. Februar 2000) ablief. Der Fristverlängerungsantrag hätte sodann noch rechtzeitig am 14. Februar 2000 gestellt werden können.

b) Unabhängig hiervon ist aber jedenfalls im Zusammenhang mit der Fristeneintragung und -überwachung ein Organisationsverschulden in der Kanzlei von Rechtsanwältin S. nicht ausgeräumt. Nach dem eidesstattlich versicherten Vortrag der Rechtsanwältin selbst und der eidesstattlichen Versicherung ihrer Angestellten H. ist diese seit August/September 1999 sowohl montags- und dienstagsvormittags als auch in sonstigen Fällen bei Abwesenheit ihrer Kollegin K. für die Fristnotierung im Kalender zuständig. Frau H. war indessen 1999 und auch noch im Januar 2000, als sie am Donnerstag, dem 20. Januar 2000, den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist in der vorliegenden Sache fälschlich nicht auf den 14. Februar, sondern auf den 21. Februar 2000 im Kalender eintrug, noch Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , auch des Senats, darf ein Rechtsanwalt jedoch mit der Notierung und Überwachung der Fristen grundsätzlich nur voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal betrauen, keinesfalls hingegen noch auszubildende Kräfte (vgl. Senatsbeschluß vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 27; BGH Beschlüsse vom 20. Juni 1978 - VI ZB 7/78 = VersR 1978, 959, 960; vom 22. Dezember 1970 - VI ZB 15/70 = VersR 1971, 372; auch Beschluß vom 21. September 2000 - IX ZB 67/00; sowie Büttner, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 7 Rdn. 62 a.E.). Diesen fehlt zumindest die notwendige Erfahrung. Auch im vorliegenden Fall ist nicht auszuschließen , daß der Auszubildenden H. bei der unrichtigen Fristeintragung ein Fehler unterlaufen ist, der - trotz ihrer behaupteten Kenntnisse im Fristenwesen - auf mangelnde praktische Erfahrung zurückzuführen war. Es liegt nämlich nicht fern anzunehmen, daß die Angestellte nicht, wie von ihr nachträglich vermutet, bei der Fristeneintragung im Kalender um eine Woche "verrutscht" ist, sondern daß sie die von Rechtsanwältin S. auf der am 20. Januar 2000 in
der Kanzlei eingegangenen gerichtlichen Eingangsbestätigung angebrachte Verfügung "Begr.frist notieren", zu der die Auszubildende selbst den Vermerk "1 Monat" hinzugefügt hatte, bei der Eintragung in den Kalender zum Anlaß genommen hat, den Monatsablauf vom 20. Januar 2000 an zu berechnen und auf diese Weise als Fristablauf den (Montag) 21. Februar 2000 zu notieren. Hierbei ist im übrigen ein Mangel der Fristenorganisation in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers auch insoweit nicht ausgeräumt , als die von Rechtsanwältin S. auf der gerichtlichen Eingangsbestätigung vermerkte Verfügung "Begr.frist notieren" die Vermutung nahelegt, daß die Rechtsmittelbegründungsfrist nach der Kanzleiübung nicht "alsbald bei" oder zumindest "alsbald nach" Einreichung des Rechtsmittels vorläufig eingetragen und dieser Eintrag später anhand der gerichtlichen Eingangsbestätigung überprüft wurde (vgl. BGH Beschluß vom 9. Dezember 1993 - IX ZB 70/93 = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 33 m.w.N.), sondern daß die Begründungsfrist erst aufgrund der gerichtlichen Bestätigung über den Eingang des Rechtsmittels notiert wurde. Hierin läge eine Verletzung der dem Rechtsanwalt obliegenden Organisationspflichten im Hinblick auf die Fristenkontrolle (vgl. BGH Beschluß vom 9. Dezember 1993 aaO). Es kann dahinstehen, ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von dem Grundsatz zugelassen werden kann, daß die Fristeintragung und -überwachung nicht auf Auszubildende übertragen werden darf. In diesem Fall muß dann jedenfalls eine um so wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder andere geeignete Kräfte gewährleistet sein (vgl. BGH Beschlüsse vom 10. Februar 1972 - III ZR 173/71 = VersR 1972, 557; vom 23. September 1977 - V ZR 39/77 = VersR 1978, 139; vom 21. September 2000 aaO), durch die sichergestellt wird, daß alle von dem Auszubildenden
eingetragenen Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Diesem Erfordernis genügt der vorgetragene und glaubhaft gemachte Organisationsablauf in der Kanzlei von Rechtsanwältin S. nicht. Wie diese selbst und die Angestellten K. und H. übereinstimmend vorgetragen und versichert haben, überprüft die - seit 1994 bei der Prozeßbevollmächtigten tätige, seit 1997 voll ausgebildete Angestellte K. - regelmäßig "mindestens" bzw. "durchschnittlich" einmal wöchentlich die von der Auszubildenden H. vorgenommenen Fristnotierungen. Hierbei kann es sich indessen entweder nur um Stichproben oder nur um Plausibilitätskontrollen allein anhand des Fristenkalenders handeln. Denn andernfalls hätte in dem Zeitraum von gut drei Wochen zwischen der unzutreffenden Fristeintragung am 20. Januar 2000 und dem Ablauf der notierten Vorfrist am 11. Februar 2000 die unrichtige Fristeintragung bemerkt werden müssen. Sowohl Stichproben als auch bloße Kontrolleinsichtnahmen in den Kalender reichten aber nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von der Auszubildenden selbständig vorgenommenen Fristeintragungen zu gewährleisten. Hierfür war vielmehr ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit den jeweiligen Akten erforderlich (vgl. BGH Beschluß vom 23. September 1977 aaO), wie ihn - nach ihrem eidesstattlich versicherten Vortrag im Schriftsatz vom 25. Februar 2000 - ersichtlich die Verfahrensbevollmächtigte selbst bei ihren "regelmäßigen" Kontrollen vornahm. Zu den Zeitabständen, in denen diese Kontrollen durchgeführt wurden, hat die Angestellte H. vorgetragen und an Eides Statt versichert, die Verfahrensbevollmächtigte "läßt sich meine am jeweiligen Tag angefertigten Notierungen ca. einmal im Monat vorlegen". Das reichte, wie der vorliegende Fall deutlich macht, keinesfalls aus, um die Richtigkeit der Fristeintragungen durch eine Auszubildende zu gewährleisten. Der Bundesgerichtshof hat - allerdings unter der Geltung der früheren strengeren Fassung des § 233 ZPO - selbst bei einer bereits voll ausgebildeten, aber noch
jungen und noch nicht während eines längeren Zeitraums erprobten Angestellten anwaltliche Kontrollen, die zwei bis dreimal pro Woche stattfanden, nicht ausreichen lassen (vgl. Beschluß vom 23. September 1977 aaO). Selbst wenn nach geltendem Rechtszustand derartig häufige Kontrollen durch den Rechtsanwalt persönlich nicht als erforderlich anzusehen sein dürften, genügten ca. einmal monatlich durchgeführte Überprüfungen jedenfalls nicht zur Wahrung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht. Das gälte in besonderem Maße dann, wenn, wie vorstehend ausgeführt, in der Kanzlei von Rechtsanwältin S. die Übung bestand, Rechtsmittelbegründungsfristen erst nach Rückgabe der gerichtlichen Eingangsbestätigung im Fristenkalender einzutragen. Denn bei einer solchen Handhabung konnte es geschehen, daß Rechtsmittelbegründungsfristen nur während einer Dauer von etwa drei Wochen statt von einem Monat im Kalender vermerkt waren. Kontrollen in Zeitabständen von "ca. einem Monat" waren unter diesen Umständen nicht geeignet, fehlerhafte Fristnotierungen rechtzeitig und verläßlich aufzudecken. Blumenröhr Krohn Gerber Weber-Monecke Wagenitz

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 109/04
vom
11. September 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Rechtsanwalt darf mit der Notierung und Überwachung von Fristen
grundsätzlich nur voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal
betrauen, nicht dagegen noch auszubildende Kräfte (Festhaltung Senatsbeschluss
vom 15. November 2000 - XII ZB 53/00 - FuR 2001, 273 und BGH
Beschluss vom 6. Februar 2006 - II ZB 1/05 - NJW 2006, 1520).

b) Auch wenn es in Ausnahmefällen wegen Personalmangels zulässig sein sollte
, eine Auszubildende mit der Fristüberwachung zu betrauen, muss eine
Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder andere geeignete Kräfte gewährleistet
sein, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden
bearbeiteten Fristen überprüft werden. Bloße Stichproben reichen
dafür nicht aus.
BGH, Beschluss vom 11. September 2007 - XII ZB 109/04 - OLG Hamm
AG Münster
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2007 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Familiensenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. Februar 2004 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: bis 13.000 €

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht hat den Beklagten mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil verurteilt, an die Klägerin rückständigen und laufenden Trennungsunterhalt zu zahlen.
2
Das Urteil wurde den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 14. Juli 2003 zugestellt. Dessen Prozessbevollmächtigte zweiter Instanz legte mit Schriftsatz vom 5. August 2003 - bei Gericht eingegangen am 6. August 2003 - Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil ein. Mit Schriftsatz vom 9. September 2003, der den Eingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 23. September 2003 trägt, beantragte sie, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Die Berufung begründete sie mit Schriftsatz vom 25. September 2003 - am gleichen Tag bei Gericht eingegangen - und be- antragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.
3
Zur Begründung trug sie vor: Am 9. September 2003 sei der Auszubildenden zur Rechtsanwaltsfachangestellten B. ein am gleichen Tag gefertigter Schriftsatz mit dem Antrag, die am 15. September 2003 (Montag) ablaufende Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern, übergeben worden. Die Auszubildende sei unter anderem beauftragt gewesen, diesen Schriftsatz im Original mit einer beglaubigten und einer einfachen Abschrift sowie der Gerichtsakte zum Oberlandesgericht zu bringen. Dort habe sie sich bei der Empfangsstelle im Eingangsbereich die vorgefertigte Empfangsquittung des Verlängerungsantrags abstempeln lassen. Sodann habe sie den mit dem gerichtlichen Eingangsstempel versehenen Originalschriftsatz für das Gericht, die Abschriften und die mit einem Eingangsstempel versehene Abschrift für die Handakte einschließlich der Gerichtsakte wieder an sich genommen. Anschließend habe die Auszubildende B. die Gerichtsakte mit dem für das Gericht bestimmten Schriftstück in der Geschäftsstelle des 13. Familiensenats abgegeben. Dort sei ihr der Empfang durch weitere handschriftliche Vermerke quittiert und die Quittung zurückgegeben worden. Diese beziehe sich jedoch lediglich auf die Rückgabe der Gerichtsakten, was der Auszubildenden B. weder bei der Entgegennahme noch bei dem Abheften in die Handakte aufgefallen sei. Das habe auch die am 15. September 2003 den Fristenkalender überprüfende weitere Auszubildende W. nicht bemerkt. Diese sei an dem betreffenden Tag für die Ausgangskontrolle zuständig gewesen, habe aber aus nicht zu erklärenden Umständen die im Fristenkalender notierte Frist für den Fristverlängerungsantrag nicht beachtet. Andernfalls wäre nochmals ein gleich lautender Schriftsatz eingereicht worden. Aus welchen Gründen der Fristverlängerungsantrag nicht zu der Gerichtsakte gelangt sei, könne nicht nachvollzogen werden. Eine Nachfrage beim Oberlandesgericht , ob die Fristverlängerung gewährt werde, erfolge nicht. Es entspre- che gerichtlicher Übung, dass die Fristverlängerung antragsgemäß bewilligt werde und darauf auch dann vertraut werden könne, wenn dies bis zum Fristablauf noch nicht geschehen sei.
4
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz die büroorganisatorisch gebotenen Weisungen erteilt worden seien. Da vorliegend zwei Auszubildende tätig gewesen seien, habe zum einen dargelegt werden müssen, dass die notwendige laufende und regelmäßige Überwachung auf deren Eignung und Zuverlässigkeit stattgefunden habe. Zum anderen habe vorgetragen werden müssen , in welcher Weise eine klare Abgrenzung der Zuständigkeit der einzelnen mit der Fristenkontrolle beschäftigten Angestellten organisiert sei.
5
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 283 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
7
Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht nicht auf der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, insbesondere dem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. hierzu BGHZ 151, 221, 226 f.). Auch der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. Senatsbeschluss vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901) ist nicht verletzt.
8
1. a) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass für den Beklagten, nachdem er die Berufungsbegründungsfrist versäumt hatte, die Möglichkeit bestand, insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Diese wäre zu bewilligen, wenn rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist eingegangen wäre und der Beklagte darauf vertrauen durfte, dass das Gericht dem Antrag entsprochen hätte. Letzteres ist der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2001 - VI ZB 26/01 - VersR 2001, 1579, 1580 m.w.N.). Der Behauptung des Beklagten, bei dem betreffenden Oberlandesgericht sei es üblich, dass dem ersten Fristverlängerungsgesuch entsprochen werde, ist das Berufungsgericht in dem angefochtenen Beschluss auch nicht entgegen getreten.
9
b) Ein rechtzeitiger Eingang des Verlängerungsantrags ist indessen nicht glaubhaft gemacht worden (§ 236 Abs. 2 ZPO). Der Schriftsatz vom 9. September 2003, mit dem die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt wurde, trägt den Eingangsstempel des Berufungsgerichts vom 23. September 2003. Der Stempel ist eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO und bescheinigt den Tag, an dem das Schriftstück bei Gericht eingegangen ist (BGH, Beschluss vom 25. März 1982 - I ZB 1/82 - VersR 1982, 652 m.N.). Wäre dieses erst am 23. September 2003 bei Gericht eingegangen, konnte dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr entsprochen werden. Der durch den Eingangsstempel begründete Beweis kann allerdings nach § 418 Abs. 2 ZPO durch Gegenbeweis entkräftet werden. Dies kann in dem Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch Glaubhaftmachung der Unrichtigkeit erfolgen (BGH, Beschluss vom 3. März 1983 - IX ZB 4/83 - VersR 1983, 491, 492). Letzteres setzt im vorliegenden Fall voraus, dass für den behaupteten Eingang des Antrags bereits am 9. September 2003 eine überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht. Das ist indessen nicht der Fall.
10
Der Vortrag des Beklagten, der Auszubildenden B. sei der Empfang des Verlängerungsantrags von der Empfangsstelle im Eingangsbereich des Oberlandesgerichts quittiert, sodann aber zurückgegeben worden, beinhaltet einen eher ungewöhnlichen Geschehensablauf. Aber selbst wenn hiervon ausgegangen wird, lässt sich das Vorbringen nicht mit dem Stempel vom 23. September 2003 vereinbaren. Der Beklagte hat nämlich weiter vorgetragen, die Auszubildende B. sei sicher, dass sie den Schriftsatz an der Poststelle habe stempeln lassen und dann zusammen mit der Akte der Geschäftsstelle vorgelegt habe. Wenn der Schriftsatz aber am 9. September 2003 mit dem Eingangsstempel dieses Tages versehen worden wäre, könnte er nicht - wie tatsächlich - den Stempelaufdruck vom 23. September 2003 aufweisen. Falls der Vortrag des Beklagten dagegen dahin zu verstehen sein sollte, dass nur das Handaktenexemplar - nicht dagegen der einzureichende Schriftsatz - von der Poststelle abgestempelt worden ist, dann hätte der Schriftsatz in der Zeit vom 9. bis 22. September 2003 unbearbeitet auf der Geschäftsstelle liegen geblieben sein und erst am 23. September 2003 kommentarlos den Eingangsstempel von diesem Tag erhalten haben müssen. Dieser Ablauf erscheint indessen auch im Hinblick darauf wenig wahrscheinlich, dass der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten unmittelbar einen Tag zuvor aufgefallen war, dass sich der Schriftsatz nicht bei der ihr zu dieser Zeit vorliegenden Gerichtsakte befand.
11
2. Dass der Beklagte gleichwohl ohne Verschulden gehindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten, ist ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
12
a) Der Rechtsbeschwerde ist zwar darin zuzustimmen, dass die Auszubildende B. damit betraut werden durfte, den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zum Oberlandesgericht zu bringen. Einfache Tätigkeiten, wie die Übersendung oder Abgabe von Schriftsätzen, müssen trotz der mit der Richtigkeit ihrer Ausführung verbundenen Bedeutung nicht von dem Rechtsanwalt oder seinem qualifizierten Fachpersonal selbst ausgeführt werden. Wenn durch Auswahl und Überwachung des Personals sowie durch Weisungen eine ordnungsgemäße Erledigung sichergestellt ist, dürfen sowohl Auszubildende (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1993 - VI ZB 8/93 - NJW-RR 1994, 510 f.) als auch Praktikanten (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2002 - I ZB 23/01 - NJW-RR 2002, 1070 f.) mit Botengängen in wichtigen Angelegenheiten beauftragt werden. Allein das vermag ein Verschulden an der Fristversäumnis aber nicht auszuschließen.
13
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen oder anderweit als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt, ein fristwahrender Schriftsatz also gefertigt und zumindest postfertig gemacht worden ist (BGH, Beschluss vom 6. November 2001 - XI ZB 11/01 - BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 17 m.w.N.). Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, die sicherstellt, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders überprüft wird. Der für die Kontrolle zuständige Angestellte ist dabei anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (BGH, Beschluss vom 14. März 1996 - III ZB 13/96 - VersR 1996, 1298). Der Begründung des Wiedereinset- zungsantrags ist indessen nicht zu entnehmen, dass in der Kanzlei der Beklagtenvertreterin die danach erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen worden sind.
14
Zur Ausgangskontrolle in dem Büro seiner Prozessbevollmächtigten hat der Beklagte lediglich vorgetragen, am Ende des Arbeitstages werde der Fristenkalender noch einmal auf Erledigung der dort notierten Fristen kontrolliert. Welche konkreten Anordnungen seitens der Rechtsanwältin dazu an die Angestellten ergangen sind, ist dagegen nicht dargelegt worden. Dazu hätte jedoch um so mehr Anlass bestanden, als Fristen, deren Verlängerung beantragt wird, nach dem Vorbringen des Beklagten im Büro seiner Prozessbevollmächtigten erst dann im Fristenkalender gestrichen werden, wenn die schriftliche Mitteilung über die Fristverlängerung vorliegt. Welche Eintragung im Falle eines Fristverlängerungsantrags aber im Kalender vorzunehmen ist - etwa ein entsprechender Erledigungsvermerk i.V.m. der Eintragung des beantragten Fristablaufs (vgl. zu letzterem Senatsbeschluss vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99 - NJW-RR 1999, 1663) - ist nicht dargetan. Erfolgt aber zunächst keine Kenntlichmachung der Absendung, so liegt es nahe, dass die Auszubildende W., die als an dem Tag für die abendliche Ausgangskontrolle zuständige Angestellte tätig war, bereits deshalb die Frist nicht beachtet und demgemäß die Erledigung in den Handakten nicht überprüft hat. Denn dann wäre weiteres erst nach dem Eingang der Mitteilung über die erfolgte Fristverlängerung zu veranlassen gewesen. Es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass bei entsprechender Organisation der Ausgangskontrolle das Versäumnis aufgefallen wäre.
15
c) Unabhängig hiervon ist aber auch im Übrigen ein Organisationsverschulden in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht ausgeräumt. Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsverfahren ist in Fällen der Abwesenheit der langjährigen Kanzleiangestellten S. die Auszubildende W. u.a.
für die abendliche Ausgangskontrolle zuständig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsanwalt jedoch mit der Notierung und Überwachung der Fristen grundsätzlich nur voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal betrauen, keinesfalls hingegen noch auszubildende Kräfte (Senatsbeschluss vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 27 und BGH, Beschluss vom 6. Februar 2006 - II ZB 1/05 - NJW 2006, 1520, 1521). Diesen fehlt zumindest die notwendige Erfahrung. Auch im vorliegenden Fall ist nicht auszuschließen, dass der Auszubildenden W. bei der Kontrolle ein Fehler unterlaufen ist, der auf mangelnde praktische Erfahrung zurückzuführen war.
16
Ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von dem Grundsatz zugelassen werden kann, dass die Fristeintragung und -überwachung nicht auf Auszubildende übertragen werden darf, kann vorliegend dahinstehen. In einem solchen Fall muss jedenfalls eine um so wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder andere geeignete Kräfte gewährleistet werden, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden bearbeiteten Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Diesem Erfordernis genügt der vorgetragene und glaubhaft gemachte Organisationsablauf in der Kanzlei von Rechtsanwältin D. nicht. Wie diese selbst vorgetragen und versichert hat, werden die Auszubildenden stichprobenartig kontrolliert. Stichproben reichten aber nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von der Auszubildenden selbst vorgenommenen Tätigkeit zur Fristenwahrung zu gewährleisten. Hierfür war vielmehr ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit den jeweiligen Akten erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 2000 - XII ZB 53/00 - FuR 2001, 273, 274 f.). Wäre so verfahren worden, so hätte der Fehler der Auszubildenden W. nicht länger als zehn Tage unbemerkt bleiben können. Auf die Frage, ob das hinsichtlich der Kontrollen der Auszubildenden durch Rechtsanwältin D. im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzte Vorbringen überhaupt noch zu berücksichtigen ist, kommt es danach nicht an.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Vorinstanzen:
AG Münster, Entscheidung vom 08.07.2003 - 47 F 362/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 27.02.2004 - 13 UF 338/03 - y

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 22/08
vom
22. April 2009
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und die
Richterin Harsdorf-Gebhardt
am 22. April 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 5. Juni 2008 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.
Beschwerdewert: 3.824,82 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Sie hat gegen das ihr am 12. Februar 2008 zugestellte klageabweisende Urteil des Amtsgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt, diese aber nicht innerhalb der am Montag, dem 14. April 2008, abgelaufenen Frist begründet. Die Berufungsbegründung ist bei dem Landgericht erst am 15. April 2008 eingegangen. Mit einem weiteren an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin beantragt, ihr wegen der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
2
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin vorgetragen und glaubhaft gemacht: Nach Eingang des angefochtenen Urteils habe ihr Prozessbevollmächtigter ein Schreiben an sie diktiert, wonach sie aufgefordert worden sei, ihm bis zum 28. Februar 2008 mitzuteilen , ob Berufung eingelegt werden solle. In dem Banddiktat habe ihr Prozessbevollmächtigter als einzutragende Vorfrist den 1. März 2008 und vorsorglich eine Frist zur Vorlage wegen der Berufungsbegründung zum 10. April 2008 angegeben. Beide Fristen habe ihr Prozessbevollmächtigter außerdem handschriftlich auf dem Aktenvorblatt vermerkt. Die auf diese Weise festgelegten Fristen hätten entsprechend der allgemeinen schriftlichen Büroanweisung in den gesondert geführten Fristenkalender eingetragen werden sollen. Die langjährig in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten tätige und stets zuverlässig arbeitende Rechtsanwalts - und Notariatsfachangestellte C. habe die Eintragung der Fristen der am Ende des ersten Lehrjahres befindlichen Rechtsanwalts- und Notariatsauszubildenden H. übertragen. Diese habe an ihrem Schreibtisch direkt gegenüber von Frau C. unter deren Aufsicht die Eintragungen in den Fristenkalender vorgenommen. Die Auszubildende habe die auf den 1. März 2008 verfügte Vorfrist ordnungsgemäß in den Kalender eingetragen, die auf den 10. April 2008 bestimmte Frist jedoch versehentlich nicht.
3
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin treffe ein Organisationsverschulden , weil die Notierung und Überwachung der Fristen auf eine Auszubildende übertragen worden sei, die unzureichend kontrolliert worden sei. Selbst wenn wegen eines Personalmangels die Eintragung der Fristen ausnahmsweise auf die Auszubildende habe übertragen werden dürfen, hätte durch eine wirksame Kontrolle sichergestellt werden müssen, dass alle von der Auszubildenden einzutragenden Fristen sorgfältig und vollständig in den Kalender übertragen wurden. Eine solche Kontrolle sei nicht dadurch gewährleistet gewesen, dass eine voll ausgebildete, langjährig tätige Angestellte ihren Arbeitsplatz gegenüber dem der Auszubildenden gehabt habe.
4
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
5
Die II. nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht wegen Verletzung von Verfahrensgrundrechten zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO erforderlich.
6
1. Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227; BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - XII ZB 186/05 - NJW-RR 2008, 1160 Tz. 7; BVerfG NJW-RR 2002, 1004; NJW 2004, 2583, 2584, jeweils m.w.N.). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (BGH, Beschluss vom 13. September 2007 - III ZB 26/07 - FamRZ 2007, 1879, 1880 Tz. 11; BVerfG aaO, jeweils m.w.N.).
7
2. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltliche Organisationspflicht in Bezug auf fristgebundene Schriftsätze nicht überspannt und zutreffend ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten angenommen.
8
Nach a) ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsanwalt regelmäßig sein voll ausgebildetes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal mit der Notierung und Überwachung von Fristen betrauen (BGH, Beschlüsse vom 5. März 2008 aaO Tz. 12; vom 11. September 2007 - XII ZB 109/04 - NJW 2007, 3497 Tz. 15; vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02 - NJW 2003, 1815 unter II 3 a; vom 27. März 2001 - VI ZB 7/01 - NJW-RR 2001, 1072 unter II; vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 - NJW 1992, 3176 unter II 2, jeweils m.w.N.). Er hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen , dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden; unverzichtbar sind insoweit eindeutige Anweisungen an das Büropersonal , die Festlegung klarer Zuständigkeiten und die mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals (BGH, Beschluss vom 5. Februar 2003 aaO m.w.N.). Die Fristeintragung und -überwachung darf grundsätzlich nicht auf noch auszubildende Kräfte, denen die notwendige Erfahrung fehlt, übertragen werden (BGH, Beschlüsse vom 11. September 2007 aaO; vom 15. November 2000 - XII ZB 53/00 - FuR 2001, 273 unter 2 b m.w.N.; vom 8. Juli 1992 aaO m.w.N.). Ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von diesem Grundsatz zugelassen werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. In einem solchen Fall muss jedenfalls eine umso wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder durch ausgebildete und erfahrene Angestellte gewährleistet sein, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden eingetragenen Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Sowohl Stichproben als auch bloße Kontrolleinsichtnahmen in den Fristenkalender reichen nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von einem Auszubildenden vorgenommenen Fristeintragungen zu gewährleisten. Vielmehr ist ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit den jeweiligen Akten erforderlich (BGH, Beschlüsse vom 11. September 2007 aaO Tz. 16; vom 15. November 2000 aaO m.w.N.).
9
b) Diesem Erfordernis genügt der glaubhaft gemachte Organisationsablauf in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Fachangestellte C. wegen Personalmangels oder aus einem vergleichbar triftigen Grund die Eintragung der Fristen der Auszubildenden H. überließ. Des Weiteren hat die Klägerin weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass jede von der Auszubildenden vorgenommene Fristeintragung unmittelbar im Anschluss anhand der Akten auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit kontrolliert wurde. Dies ergibt sich nicht aus der Darstellung der räumlichen Büroorganisation, wonach die Auszubildende direkt gegenüber von Frau C. "unter deren Aufsicht" die Eintragungen in den Fristenkalender vorgenommen haben soll. Wie diese Aufsicht beschaffen gewesen sein soll, hat die Klägerin nicht dargetan. Auch die weitere Angabe, die Auszubildende habe "quasi unter den Augen" der Fachangestellten Frau C. die Fristen notiert, lässt nicht darauf schließen, dass die Fachangestellte C.
tatsächlich jede einzelne von der Auszubildenden H. vorgenommene Eintragung im Fristenkalender überprüfte.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 17.12.2007 - 221 C 39/06 -
LG Berlin, Entscheidung vom 05.06.2008 - 7 S 4/08 -

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)