vorgehend
Landgericht Düsseldorf, 39 O 9/07, 05.09.2007
Oberlandesgericht Düsseldorf, 18 U 36/08, 20.08.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 229/08
vom
7. Dezember 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Eine Unternehmensfortführung i.S. von § 25 Abs. 1 HGB liegt auch dann vor,
wenn nur ein Teilbereich des Unternehmens fortgeführt wird, sofern es sich aus
der Sicht des maßgeblichen Rechtsverkehrs um den - den Schwerpunkt des Unternehmens
bildenden - wesentlichen Kernbereich handelt.

b) Für die Frage, ob der wesentliche Kernbereich eines Unternehmens fortgeführt
wurde, kommt dem Wert der Unternehmensteile maßgebliche Bedeutung zu.
BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - II ZR 229/08 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 7. Dezember 2009
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Strohn,
Dr. Reichart, Dr. Drescher und Bender

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. August 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 17. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Streitwert: 71.385,71 €

Gründe:

1
Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
2
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass eine Unternehmensfortführung i.S. von § 25 Abs. 1 HGB auch dann vorliegt, wenn nur ein Teil des Unternehmens fortgeführt wird, sofern es sich nach den gesamten für den Rechtsverkehr in Erscheinung tretenden Umständen um den - den Schwer- punkt des Unternehmens bildenden - wesentlichen Kernbereich handelt (vgl. Sen.Urt. v. 4. November 1991 - II ZR 85/91, ZIP 1992, 398, 399; BGH, Urt. v. 16. September 2009 - VIII ZR 321/08, DB 2009, 2429 Tz. 17 f.). Es hat jedoch einen Anspruch der Klägerin aus § 25 Abs. 1 HGB verneint, weil die Klägerin nicht hinreichend dargelegt habe, dass die Beklagte mit dem Geschäftsbereich "Adressen" den wesentlichen Kern des Unternehmens der früheren K. - GmbH übernommen habe. Damit hat es die Anforderungen an den Vortrag der Klägerin verfahrensfehlerhaft in einer gegen Art. 103 GG verstoßenden Weise überspannt.
3
Die Klägerin hat im Kern behauptet, dass die Beklagte mit dem Bereich "Adressen" den wesentlichen Teil des früheren Unternehmens erworben habe, dass es sich bei diesem Bereich des Direktmarketing regelmäßig - und deshalb auch im konkreten Fall - um den "Ertragsträger" des Unternehmens handele, mit dem die Gewinne erwirtschaftet würden, und hat für diese Behauptung Sachverständigenbeweis angeboten (GA 190). Damit hat sie letztlich unter Beweisantritt vorgetragen, dass der übernommene Bereich den wesentlichen (Ertrags -)Wert des Unternehmens verkörpert habe. Mit seiner Beurteilung, der - für die Frage einer Unternehmensfortführung i.S. von § 25 Abs. 1 HGB grundsätzlich erhebliche (vgl. Baumbach/Hopt, HGB 33. Aufl. § 25 Rdn. 6) - Vortrag der Klägerin zum Wert der Unternehmensbereiche sei "in keiner Weise konkretisiert und daher weder aussagekräftig noch einer Sachaufklärung zugänglich", hat sich das Berufungsgericht in den Schutzbereich des Art. 103 GG verletzender Weise der Erkenntnis verschlossen, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Partei ihrer Darlegungslast bereits genügt, wenn sie Tat- sachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden. Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten, dabei ggf. die benannten Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen bzw. einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (Sen.Beschl. v. 22. Juni 2009 - II ZR 143/08, ZIP 2009, 1467 Tz. 2; v. 14. Juli 2008 - II ZR 204/07, ZIP 2008, 1870, 1871 Tz. 13 f.; v. 14. Juli 2008 - II ZR 202/07, ZIP 2008, 1675, 1676 Tz. 6; v. 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, ZIP 2007, 1524 Tz. 5; Sen.Urt. v. 25. Juli 2005 - II ZR 199/03, ZIP 2005, 1738, 1740). Die Verfahrensweise des Berufungsgerichts stellt sich als Weigerung dar, den Kern des Vortrags der Klägerin in der nach Art. 103 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und sich inhaltlich mit ihm auseinanderzusetzen.
4
2. Diese Verletzung des rechtlichen Gehörs ist entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht konnte nicht aus anderen Gründen von der Erholung des angebotenen Sachverständigengutachtens absehen. Soweit das Berufungsgericht gemeint haben sollte, der Vortrag der Klägerin zum Wert der Unternehmensbereiche sei als Grundlage für die Erstellung des beantragten Gutachtens unzureichend, wäre dies eine unzulässige - ebenfalls gegen Art. 103 GG verstoßende - vorweggenommene Beweiswürdigung. Zwar fehlen bisher die - grundsätzlich von der beweispflichtigen Partei beizubringenden (Zöller/Greger, ZPO 28. Aufl. § 402 Rdn. 5; BGH, Urt. v. 29. Oktober 2008 - IV ZR 272/06, NJW-RR 2009, 244 Tz. 8 f.) - Anknüpfungstatsachen für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zum Ertragswert der beiden Geschäftsfelder der früheren K. GmbH, weil bisher weder Jahresabschlüsse noch Gewinn- und Verlustrechnungen dieser Firma vorliegen. Abgesehen davon , dass die erforderlichen Unterlagen auf gerichtlichen Hinweis von der Klägerin möglicherweise noch beigebracht werden könnten, kann aber jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass - wie die Klägerin behauptet - einem Sachverständigen aufgrund der Gegebenheiten im Bereich des Direktmarketing zumindest allgemein gültige Aussagen über die Wertverhältnisse der verschiedenen Tätigkeitsbereiche auf dem Gebiet des Direktmarketing möglich sind, die - ggf. in einer Gesamtschau mit weiteren Gesichtspunkten - Rückschlüsse auch für den hier vorliegenden Fall zulassen. Als Indizien, die dafür sprechen könnten , dass es sich bei dem übernommenen Tätigkeitsbereich "Adressen" um den wesentlichen Bestandteil der früheren K. GmbH gehandelt haben könnte, sind der von der Beklagten gezahlte Kaufpreis und die eigene steuerliche Bewertung der Parteien ebenso in Betracht zu ziehen wie der Umstand , dass ca. 6 Monate nach Abschluss des Kaufvertrages Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der K. F. GmbH gestellt wurde.
Goette Strohn Reichart
Drescher Bender
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.09.2007 - 39 O 9/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.08.2008 - I-18 U 36/08 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2009 - II ZR 229/08

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2009 - II ZR 229/08

Anwälte

1 relevante Anwälte

1 Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch

Referenzen - Veröffentlichungen

Artikel schreiben

1 Veröffentlichung(en) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2009 - II ZR 229/08.

1 Artikel zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2009 - II ZR 229/08.

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2009 - II ZR 229/08 zitiert 5 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Handelsgesetzbuch - HGB | § 25


(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des frühere

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2009 - II ZR 229/08 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2009 - II ZR 229/08 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Sept. 2009 - VIII ZR 321/08

bei uns veröffentlicht am 16.09.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 321/08 Verkündet am: 16. September 2009 Ring, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Juli 2005 - II ZR 199/03

bei uns veröffentlicht am 25.07.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 199/03 Verkündet am: 25. Juli 2005 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Mai 2007 - II ZR 266/04

bei uns veröffentlicht am 21.05.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZR 266/04 vom 21. Mai 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GG Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 286 A, 402; UmwG §§ 8, 16 Abs. 3, 69 a) Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, w

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2008 - II ZR 204/07

bei uns veröffentlicht am 14.07.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZR 204/07 vom 14. Juli 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 126, 138 Aa, 242 Cd; HGB §§ 171, 172 Abs. 4 Eine unzulässige Rechtsausübung in Form des Ausnutzens eines fremden

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Okt. 2008 - II ZR 202/07

bei uns veröffentlicht am 01.10.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZR 202/07 vom 1. Oktober 2008 in dem Rechtsstreit Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 1. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. R

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Okt. 2008 - IV ZR 272/06

bei uns veröffentlicht am 29.10.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 272/06 vom 29. Oktober 2008 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und Dr. Franke am 29. Oktober 2008 b
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2009 - II ZR 229/08.

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juli 2012 - III ZR 116/11

bei uns veröffentlicht am 05.07.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 116/11 Verkündet am: 5. Juli 2012 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Apr. 2019 - III ZR 35/18

bei uns veröffentlicht am 04.04.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 35/18 Verkündet am: 4. April 2019 P e l l o w s k i Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 8

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2012 - III ZR 66/12

bei uns veröffentlicht am 06.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 66/12 Verkündet am: 6. Dezember 2012 B o t t Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 675; ZPO

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Jan. 2015 - IX ZR 208/13

bei uns veröffentlicht am 15.01.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR208/13 vom 15. Januar 2015 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring

Referenzen

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 321/08 Verkündet am:
16. September 2009
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage der Fortführung eines Handelsunternehmens unter der bisherigen Firma.
BGH, Urteil vom 16. September 2009 - VIII ZR 321/08 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Hessel sowie den Richter
Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 6. November 2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte, die unter der Bezeichnung "R. Automobile GmbH" firmiert, nach den Grundsätzen der Haftung für eine Firmenfortführung gemäß § 25 HGB Ansprüche auf Zahlung geltend. Die - der Höhe nach unstreitigen - Forderungen resultieren aus einer Vereinbarung der Klägerin mit der "Automobile R. e.K.", durch die diese sich unter anderem zur Abnahme einer bestimmten Menge von Schmierstoffen von der Klägerin verpflichtet hatte.
2
Anfang des Jahres 2005 wurde das Vermögen der "Automobile R. e.K." im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung von der "Autohaus R. GmbH" übernommen. Deren Geschäftsgegenstand war der Handel mit neuen und gebrauchten Fahrzeugen sowie der Betrieb einer Autowerkstatt. Mit Gesellschafterbeschluss vom 25. Oktober 2005, im Handelsregister eingetragen am 10. November 2005, wurde diese GmbH in "J. Auto- und Servicehaus GmbH" umfirmiert. Den Geschäftsbetrieb stellte die "J. Auto- und Servicehaus GmbH" Ende 2005 ein. Im folgenden Jahr wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der "J. Auto- und Servicehaus GmbH" eröffnet.
3
Zur Reduzierung ihrer Verbindlichkeiten schloss die "J. Auto- und Servicehaus GmbH", deren geschäftsführender Gesellschafter J. R. war, Ende 2005 Verträge einerseits mit der Beklagten, die mit Gesellschaftsvertrag vom 22. Dezember 2005 gegründet worden war und deren Geschäftsführer gleichfalls J. R. ist, und andererseits mit der (von den Mitarbeitern) ebenfalls neu gegründeten "R. Service GmbH".
4
Alle vorgenannten Unternehmen führten bzw. führen ihren Geschäftsbetrieb unter derselben Anschrift, nutzten bzw. nutzen dieselben Telefon- und Faxnummern und traten bzw. treten unter dem Internetportal "www.autohaus..de" mit den Marken Alfa Romeo, Suzuki und Rover auf. Geschäftsgegenstand der Beklagten ist der Handel mit Kraftfahrzeugen der genannten Marken , während die unter derselben Anschrift arbeitende "R. Service GmbH" die Werkstattleistungen erbringt.
5
Die "Autohaus R. GmbH" hatte von der Klägerin Schmierstoffe bezogen , die am 21. Juli 2005 mit 7.437,11 € in Rechnung gestellt worden waren und Gegenstand eines am 16. März 2006 rechtskräftig gewordenen Versäumnisurteils gegen die "J. Auto- und Servicehaus GmbH" sind. In diesem Rechtsstreit sind außerdem Kosten in Höhe von 1.279,60 € festgesetzt worden. Diese beiden Beträge macht die Klägerin nunmehr gegen die Beklagte geltend. Daneben begehrt sie von der Beklagten Zahlung in Höhe von 22.808,55 € aus der mit der "Automobile R. e.K." geschlossenen Vereinbarung.
6
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von 31.525,26 € nebst Zinsen in vollem Umfang stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

8
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
9
Die Beklagte hafte der Klägerin gegenüber aus § 25 Abs. 1 HGB für die geltend gemachten Verbindlichkeiten der "J. Auto- und Servicehaus GmbH".
10
Für die Anwendbarkeit von § 25 Abs. 1 HGB genüge ein Teilerwerb, wenn dieser den Kern des Unternehmens ausmache. Es sei für die Kontinuität des Unternehmens nicht auf die Gesamtheit aller Geschäftsbereiche abzustellen. Vielmehr genüge die Übernahme eines wesentlichen Teils des früheren Unternehmens. Diese Voraussetzung sei mit dem Teilbereich Handel mit Kraftfahrzeugen hier erfüllt.
11
Die Beklagte habe das Handelsgeschäft der früheren "Autohaus R. GmbH" insoweit als neuer Inhaber unverändert fortgeführt. Nach ihrer Gründung habe sie in denselben Ausstellungs- und Büroräumen Kraftfahrzeuge angeboten , deren Marken sich mit den von ihrer Vorgängerin vertretenen deckten. Die bestehenden Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten und Abnehmern seien gewahrt und würden aufrechterhalten. Sie handele ebenso wie ihre Vorgängerin mit Gebrauchtwagen und sei unter denselben Ruf- und Faxnummern zu erreichen. Darüber hinaus würden beide Unternehmen von derselben Person, J. R. , als Geschäftsführer vertreten, durch dessen personelle Kontinuität das Unternehmen ganz wesentlich geprägt werde. Die Fortführung der Firma werde im Übrigen durch den Internetauftritt geprägt. Die Fotos des Geschäftslokals mit den Fahrzeugen in den Ausstellungsräumen seien vergleichbar, wenn nicht identisch. Es komme auch nicht darauf an, ob für eine kurze Zeitspanne der Name "R. " am Geschäftslokal zugehängt gewesen sei. Auch dass zeitgleich mit der Neugründung der Beklagten eine Umfirmierung vorgenommen worden sei, die den Namen "R. " nur noch in den Anfangsbuchstaben "J. " enthalten habe, sei nicht entscheidend. Zwar stelle die Verwendung der Initialen "J. " keinen hinreichend engen Bezug zu dem Namen "R. " her. Dieser Umstand sei jedoch wegen der zu kurzen Dauer der Existenz der "J. Auto- und Servicehaus GmbH" nicht isoliert zu betrachten. Maßgeblich sei vielmehr das Auftreten der Firma im Geschäftsverkehr nach außen unter dem Namen "Autohaus R. ". Dieser Name habe das Unternehmen über mehrere Jahre geprägt und werde von den Verkehrskreisen mit der für § 25 Abs. 1 HGB erforderlichen Kontinuität des Unternehmens verbunden.

II.

12
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Haftung der Beklagten für die gegen die "J. Auto- und Servicehaus GmbH" begründeten Forderungen der Klägerin bejaht. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB liegen vor. Die Beklagte hat das Handelsgeschäft der "J. Auto- und Servicehaus GmbH" in seinem wesentli- chen Kern unter Lebenden erworben und es unter deren - hier maßgeblichen alten - Firmenbezeichnung fortgeführt.
13
Die Haftung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB greift nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird (Senatsurteil vom 24. September 2008 - VIII ZR 192/06, WM 2008, 2273, Tz. 12; BGH, Urteil vom 28. November 2005 - II ZR 355/03, NJW 2006, 1002, Tz. 7 m.w.N.). Das ist hier der Fall.
14
1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass die Beklagte das Unternehmen der "J. Auto- und Servicehaus GmbH" unter deren Firma fortführt. Mit dem Berufungsgericht ist allerdings davon auszugehen, dass die Verwendung der Initialen "J. " keinen hinreichend engen Bezug zu dem hinsichtlich der Individualisierung des Unternehmens prägenden Eigennamen des Geschäftsführers "R. " zwischen der Firma der Beklagten und deren Vorgängerin darstellen. Die gemäß § 25 Abs. 1 HGB erforderliche Firmenfortführung wird jedoch nicht dadurch unterbrochen, dass im November 2005 eine Umfirmierung der "Autohaus R. GmbH" in die "J. Auto- und Servicehaus GmbH" erfolgte.
15
Denn die Firmenfortführung ist deshalb eine Voraussetzung für die Haftung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, welche der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist (Senatsurteil, aaO, Tz. 19; BGH, aaO, Tz. 7). Nach außen in Erscheinung getreten ist die "J. Auto - und Servicehaus GmbH" unter ihrer neuen Firma aber nur in der kurzen Zeitdauer von der Umfirmierung im Oktober/November 2005 bis zur Einstellung ihres Geschäftsbetriebs Ende 2005. Da die Beklagte nahezu zeitgleich (durch Gesellschaftsvertrag vom 22. Dezember 2005) gegründet wurde, ist dies eine zu kurze Zeitspanne, als dass aus der maßgeblichen Sicht der beteiligten Verkehrskreise dieser Name ("J. Auto- und Servicehaus GmbH") mit der Kontinuität des Unternehmens, das zuvor mehrere Jahre unter der Firma "Autohaus R. GmbH" bzw. "Automobile R. e.K." aufgetreten ist, verbunden wird.
16
Entgegen der Auffassung der Revision ist durch die Eintragung der neuen Firmenbezeichnung "J. Auto- und Servicehaus GmbH" in das Handelsregister auch nicht das Vertrauen der maßgeblichen Verkehrskreise in die Fortführung der früheren Firma beseitigt worden. Für die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 HGB kommt es nicht darauf an, welche Erklärung gegenüber dem Registergericht abgegeben wird, sondern vielmehr darauf, unter welcher Bezeichnung ein Unternehmen tatsächlich am Markt auftritt (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1986 - II ZR 303/85, NJW 1987, 1633).
17
2. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht auch an, dass die Beklagte das Unternehmen des zuletzt unter "J. Auto- und Servicehaus GmbH" firmierenden Autohauses im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB erworben und fortgeführt hat. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, genügt es für die Anwendung des § 25 Abs. 1 HGB, dass ein Teilerwerb des früheren Handelsgeschäfts stattfindet, wenn dieser den Kern des Unternehmens ausmacht.
18
a) Von einer Unternehmensfortführung im Sinne des § 25 Abs. 1 HGB geht der maßgebliche Verkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich , die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kundenund Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden (BGH, Urteil vom 28. November 2005, aaO, Tz. 9 m.w.N.). Die Haftungsfolge aus § 25 Abs. 1 HGB greift daher auch dann ein, wenn einzelne Vermögensbestandteile oder Betätigungsfelder von der Übernahme ausgenommen sind, solange nur der den Schwerpunkt des Unternehmens bildende wesentliche Kern desselben übernommen wird, so dass sich der nach außen für die beteiligten Verkehrskreise in Erscheinung tretende Tatbestand als Weiterführung des Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (BGH, Urteil vom 4. November 1991 - II ZR 85/91, NJW 1992, 911, unter III 1). Dies ist bei der Beklagten, auch wenn sie nur den Teilbereich des Handels mit Kraftfahrzeugen und nicht den Werkstattbetrieb fortgeführt hat, der Fall.
19
Nach den dazu vom Berufungsgericht getroffenen - von der Revision insoweit nicht angegriffenen - tatsächlichen Feststellungen hat die Beklagte durch den Handel mit Fahrzeugen derselben Automarken, wie sie auch von der "J. Auto- und Servicehaus GmbH" vertrieben wurden, in denselben Ausstellungsund Büroräumen unter Beibehaltung derselben Telefon- und Faxnummern und unter Wahrung der personellen Kontinuität durch den Namensgeber der Firma, den Geschäftsführer J. R. , sowie unter Aufrechterhaltung der bestehenden Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten und Abnehmern und nicht zuletzt durch Verwendung eines vergleichbaren, wenn nicht gar identischen Internetauftritts wie die Vorgängerfirma, einen wesentlichen Teil des früheren Autohauses R. , der "J. Auto- und Servicehaus GmbH", fortgeführt.
20
b) Ohne Erfolg beanstandet die Revision insoweit die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht seine Annahme begründet, die Beklagte und nicht die "R. Service GmbH" habe das frühere Handelsgeschäft in seinem wesentlichen Kern erworben und fortgeführt. Das Berufungsgericht hat den Teilbereich des Handels mit Kraftfahrzeugen als den wesentlichen Teil des Unter- nehmens des früheren Autohauses R. gewertet und die Übernahme des Werkstattbetriebs und der früheren Mitarbeiter durch die "R. Service GmbH" für nicht von ausschlaggebender Bedeutung gehalten. Dies begegnet aus revisionsrechtlicher Sicht keinen Bedenken.
21
Selbst wenn man - entsprechend der dahingehenden Rüge der Revision - für das Revisionsverfahren unterstellte, die Erlöse aus dem Werkstattbetrieb der "J. Auto- und Servicehaus GmbH" seien höher gewesen als diejenigen aus dem Autohandel, ergäbe sich keine abweichende Beurteilung. Der den Schwerpunkt eines Unternehmens bildende wesentliche Kern ist der Tätigkeitsbereich , mit dem das Unternehmen nach außen in Erscheinung tritt (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 2006, 408 f.). Die Vorgängerin der Beklagten betrieb ein Autohaus für bestimmte Automarken, also aus der maßgeblichen Sicht der beteiligten Verkehrskreise im Wesentlichen den Geschäftsgegenstand des Handels mit Kraftfahrzeugen. Demgegenüber tritt der Geschäftsbereich eines Werkstattbetriebs in dem äußeren Erscheinungsbild eines Autohauses dahinter gewöhnlich zurück und ist nicht der vordergründige Gegenstand eines Autohauses, selbst wenn durch den Werkstattbetrieb höhere Umsätze und Erlöse als durch den Autohandel erzielt werden sollten. Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 30.01.2008 - 420 O 108/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 06.11.2008 - 10 U 8/08 -

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 204/07
vom
14. Juli 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine unzulässige Rechtsausübung in Form des Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs
setzt ein in besonderem Maße illoyales Vorgehen voraus. Dafür reicht es
nicht aus, dass der Gläubiger einer Kommanditgesellschaft die Kommanditisten aus
§§ 171, 172 Abs. 4 HGB in Anspruch nimmt, obwohl er weiß, dass diese der Gesellschaft
gegenüber nicht zur Erstattung der an sie zurückgezahlten Einlagen verpflichtet
sind.
BGH, Beschluss vom 14. Juli 2008 - II ZR 204/07 - OLG München
LG Landshut
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Juli 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn,
Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 3. August 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 17. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.932,72 € festgesetzt.

Gründe:

1
I. Die zum Unternehmensverbund der Bankgesellschaft B. gehörende Klägerin nimmt den Beklagten als Kommanditisten der B. GmbH & Co. KG gemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB auf Rückzahlung eines Teilbetrages i.H.v. 25.932,72 € der Rate für Dezember 2003 eines der Kommanditgesellschaft gewährten Darlehens in Anspruch. Der Beklagte, dessen Haftsumme 160.000,00 DM beträgt, hatte diesen Betrag zuzüglich eines 5 %-igen Agios an die Gesellschaft gezahlt, dann aber einen Betrag in Höhe der Klagesumme zurückerhalten.
2
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
3
II. Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts, § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
4
1. Das gilt zum einen für die Annahme, die Rechtsverfolgung der Klägerin gegenüber dem Beklagten stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar. Das Berufungsgericht hat dabei wesentliche Teile des Vortrags der Klägerin nicht berücksichtigt.
5
a) Das Berufungsgericht sieht die unzulässige Rechtsausübung darin, dass die Klägerin ein vertragswidriges Verhalten der Kommanditgesellschaft gefördert habe. Dazu hat es sinngemäß ausgeführt: Die Kommanditgesellschaft sei aufgrund der "Genehmigung" der bisherigen Ausschüttungen in § 13 des neu gefassten Gesellschaftsvertrages vom 30. August 1999 daran gehindert gewesen, die an die Kommanditisten unberechtigt ausgezahlten Beträge i.H.v. 880.695,15 € wieder zurückzufordern. In dem die Komplementär-GmbH Darlehensraten i.H.v. insgesamt 897.317,25 € habe auflaufen lassen, habe sie den Zweck verfolgt, die Kommanditistin über deren Außenhaftung nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB zur Zahlung zu zwingen. Zu diesem Zweck habe sie sogar die Prozesskostenvorschüsse gezahlt und ihre Hausanwältin zur Verfügung gestellt. Dieses Verhalten stelle einen Verstoß der Komplementär-GmbH gegen den KG-Gesellschaftsvertrag dar. Der Klägerin seien diese Zusammenhänge be- kannt gewesen, und sie habe dieses Verhalten gefördert, wenn nicht gar - durch die Forderung nach Liquiditätsverbesserung - provoziert.
6
b) Bei dieser Abwägung hat das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin nicht erschöpfend berücksichtigt und damit gegen deren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen.
7
Voraussetzung für die Einrede des Schikaneverbots nach § 226 BGB und der unzulässigen Rechtsausübung ist - wie der Senat in seinem dieselbe Gesellschaft betreffenden Beschluss vom 9. Juli 2007 (II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074, Tz. 9) ausgeführt hat -, dass die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen (RGZ 68, 424, 425), dass der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt (BGHZ 29, 113, 117 f.) oder dass das Recht nur geltend gemacht wird, um ein anderes, vertragsfremdes oder unlauteres Ziel zu erreichen (BGHZ 107, 296, 310 f.; Palandt/Heinrichs, BGB 67. Aufl. § 242 Rdn. 50 f.). Ein Rechtsmissbrauch kann sich auch aus dem Gesichtspunkt des Verleitens zum Vertragsbruch oder des Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs ergeben (vgl. Erman/Palm, BGB 12. Aufl. § 138 Rdn. 85). Dafür ist erforderlich, dass in dem Eindringen des Dritten in die Beziehungen der Vertragspartner ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Betroffenen hervortritt. Das kann bei kollusivem Zusammenwirken mit dem Vertragsschuldner gerade zur Vereitelung der Rechte des betroffenen Vertragsgläubigers anzunehmen sein oder bei einer Anwendung verwerflicher Mittel zur Umstimmung des Vertragsschuldners oder bei einem Missverhältnis von Zweck und Mittel, das in der besondere Situation, in der das Vorgehen des Dritten den Vertragsgläubiger trifft, mit Grundbedürfnissen loyaler Rechtsgesinnung unvereinbar ist (BGH, Urt. v. 2. Juni 1981 - VI ZR 28/80, ZIP 1981, 872, 873 m.w.Nachw.). Das zu beurteilen, ist Sache des Tatrichters. Revisionsrechtlich kann nur überprüft werden, ob der Tatrichter den Sachverhalt zutreffend festgestellt hat, ob er den Rechtsbegriff der Schikane oder der unzulässigen Rechtsausübung zutreffend erfasst hat und ob seine Wertung gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstößt. Diese Prüfung ergibt hier, dass schon der Sachverhalt nicht zutreffend und erschöpfend festgestellt worden ist, weil das Berufungsgericht den Vortrag der Parteien in einer Weise unvollständig gewürdigt hat, die einem Übergehen entscheidungserheblichen Vortrags gleichkommt.
8
Von einem Verleiten zum Vertragsbruch, einem Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs oder einem Rechtsmissbrauch aus sonstigen Gründen kann nicht schon dann die Rede sein, wenn die Klägerin die vertraglichen Rechte, die den Kommanditisten gegen die Komplementärin zustehen, nicht respektiert. Ob die Komplementärin den KG-Gesellschaftsvertrag dadurch verletzt hat, dass sie Rückstände hat auflaufen lassen, um eine Inanspruchnahme der Kommanditisten aufgrund der Außenhaftung zu provozieren, betrifft in erster Linie das Innenverhältnis der Kommanditgesellschaft. Die Klägerin könnte davon nur betroffen sein, wenn die Gesellschaft in der Lage gewesen wäre, nicht nur die rückständigen, sondern auch die laufenden Darlehensraten zu begleichen , und wenn außerdem die Kommanditisten gegenüber der Außenhaftung rechtlos wären. Beides ist nicht festgestellt.
9
Im Gegenteil hat das Landgericht - gestützt auf die Aussagen der Zeugen T. und M. - festgestellt, dass die Kommanditgesellschaft nicht genügend Liquidität gehabt habe, um sämtliche Darlehensraten zu zahlen. Dem folgt das Berufungsgericht nicht und führt zur Begründung an, die Folgeraten ab Januar 2004 seien - wenn auch nicht immer fristgerecht - gezahlt worden. Wieso daraus folgen soll, dass die Kommanditgesellschaft auch genügend Mittel hatte, um die drei rückständigen Raten i.H.v. insgesamt 897.317,25 € zu zah- len, ist nicht nachvollziehbar und setzt sich über den entsprechenden Vortrag der Klägerin hinweg.
10
Weiter hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, dass die Kommanditisten aus §§ 110, 161 Abs. 2 HGB grundsätzlich einen Freistellungs- bzw. Rückgriffsanspruch gegen die Kommanditgesellschaft haben, wenn sie aus der Außenhaftung - im Widerspruch zu ihren Verpflichtungen im Innenverhältnis - in Anspruch genommen werden (Sen.Urt. v. 30. April 1984 - II ZR 132/83, WM 1984, 893, 895). Darauf hat der Senat in dem Hinweisbeschluss vom 9. Juli 2007 (aaO) entscheidend abgestellt. Vom Berufungsgericht wird dieser Gesichtspunkt indes überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Das ist umso unverständlicher , als der Beklagte diesen Anspruch im Wege einer - dann allerdings abgetrennten - Drittwiderklage geltend gemacht hatte. Das Berufungsgericht wird in der neu eröffneten mündlichen Verhandlung Gelegenheit haben, dazu die erforderlichen Feststellungen zu treffen.
11
2. Dieser Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Denn das Berufungsurteil ist auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig.
12
a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die von der Klägerin nach § 488 BGB i.V.m. §§ 128, 171, 172 Abs. 4 HGB allein geltend gemachte Darlehensrate für Dezember 2003 bereits durch die Zahlungen der Kommanditgesellschaft erloschen sei. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe nicht dargelegt, "welche Tilgungsbestimmungen in welcher Form die einzelnen Zahlungen aufwiesen". Damit seien zumindest die nach dem Ablauf der Stundungsfrist am 1. Januar 2005 von der Kommanditgesellschaft gezahlten Raten gemäß § 366 Abs. 2 BGB auf die offenen Darlehensraten aus Oktober bis Dezember 2003 zu verrechnen.
13
Das begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Einerseits widerspricht sich das Berufungsgericht selbst, wenn es auf S. 10 seines Urteils die Darlegung von Tilgungsbestimmungen vermisst und auf S. 5 feststellt, dass die Klägerin entsprechende Tilgungsbestimmungen vorgetragen hat. Zum anderen überspannt es die Substanziierungslast der Klägerin und verstößt so ebenfalls gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
14
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt für die Schlüssigkeit einer Klage der Vortrag von Tatsachen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich , wenn sie für die Rechtsfolgen bedeutsam sind (Sen.Urt. v. 6. November 2000 - II ZR 67/99, ZIP 2001, 28, 30; v. 25. Juli 2005 - II ZR 199/03, ZIP 2005, 1738, 1740). Danach genügte es hier vorzutragen, nach dem Jahre 2003 seien Zahlungen von der Kommanditgesellschaft nur noch mit Tilgungsbestimmungen geleistet worden, die sich nicht auf die Raten für Oktober bis Dezember 2003 bezogen hätten. Das hat die Klägerin vorgetragen (GA 299 f.). Der Begriff Tilgungsbestimmung ist eine den Parteien geläufige Rechtstatsache, die nicht erläutert werden muss (vgl. Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. § 138 Rdn. 2). Damit hätte das Berufungsgericht, wenn es diesen Vortrag als beweiserheblich ansah, den von der Klägerin dazu benannten Zeugen G. vernehmen müssen.
15
b) Zudem hat das Berufungsgericht nicht erwogen, dass eine Tilgungsbestimmung auch konkludent gegeben werden kann und hier ein solcher Fall in Betracht kommt mit der Folge, dass die Klägerin gegebenenfalls gehindert war, nach § 366 Abs. 2 BGB zu verfahren.
16
Nach der Senatsrechtsprechung reicht für eine Tilgungsbestimmung i.S. des § 366 Abs. 1 BGB, dass bei mehreren unterschiedlich hohen Forderungen genau der Betrag einer der Forderungen gezahlt wird (Sen.Urt. v. 17. September 2001 - II ZR 275/99, ZIP 2001, 1997, 1998; ebenso MünchKommBGB /Wenzel 5. Aufl. § 366 Rdn. 10). Das soll hier nach dem Vortrag der Klägerin insofern geschehen sein, als sich die monatlichen Darlehensraten für das Darlehen Nr. 3 … ab dem 1. Januar 2004 von 108.582,51 € auf 88.197,85 € verringert haben (Anl. K 44 und GA 299) und die Kommanditgesellschaft ab diesem Zeitpunkt nur noch Zahlungen in dieser geringeren Höhe geleistet hat.
Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 19.05.2006 - 24 O 2535/04 -
OLG München, Entscheidung vom 03.08.2007 - 5 U 3822/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 202/07
vom
1. Oktober 2008
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 1. Oktober 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn,
Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:
Der Beschluss vom 14. Juli 2008 wird im Tenor gemäß § 319 Abs. 1 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt , dass die Sache nicht an den 13., sondern an den 23. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen wird.
Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 11.09.2006 - 14 HKO 18483/03 -
OLG München, Entscheidung vom 08.08.2007 - 7 U 1917/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 266/04
vom
21. Mai 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn der Tatrichter
sich der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Anforderungen
an die Substantiierung des Klägervortrags verschließt.

b) Streiten die Parteien eines aktienrechtlichen Anfechtungsrechtsstreits unter
Vorlage einander in wesentlichen Punkten widersprechender Privatgutachten
über komplexe fachspezifische Fragen der Unternehmensbewertung, so
darf der Tatrichter, wenn er - wie im Regelfall - über keine eigene Sachkunde
verfügt bzw. eine solche nicht dargelegt hat, nicht ohne Einholung eines
gerichtlichen Sachverständigengutachtens dem Vortrag einer Partei zu Lasten
der anderen den Vorzug geben.

c) Ist bei einer Verschmelzung mit Kapitalerhöhung (hier: § 69 UmwG) durch
deren Eintragung in das Register aufgrund einer Freigabeentscheidung gemäß
§ 16 Abs. 3 UmwG nicht nur die Verschmelzung selbst, sondern auch
der notwendige "Annex" der Kapitalerhöhung unumkehrbar wirksam geworden
, so ist die Weiterführung der Anfechtungsklage des Hauptprozesses im
Hinblick auf die in § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG normierte Schadensersatzpflicht
auch in Bezug auf den "Annexbeschluss" zur Kapitalerhöhung zulässig.

d) Zur Wahrung der schriftlichen Form des Verschmelzungsberichts gemäß § 8
Abs. 1 UmwG bei dessen Unterzeichnung durch Organmitglieder (nur) in
vertretungsberechtigter Zahl und zur Relevanz eines etwaigen diesbezüglichen
Formmangels.
BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04 - Kammergericht
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. Mai 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Dr. Strohn und Dr. Reichart

beschlossen:
I. Auf die Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerinnen zu 1 und 4 wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 25. Oktober 2004 im Kostenpunkt - jedoch mit Ausnahme der Entscheidung über die Nebeninterventionskosten - und insoweit aufgehoben, als deren Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 6. Februar 2003 zu TOP 1 (Zustimmung zum Abschluss eines Verschmelzungsvertrages) und zu TOP 2 (Kapitalerhöhung im Rahmen der Verschmelzung) abgewiesen worden sind. II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zu 5 wird zurückgewiesen. III. Der Kläger zu 5 trägt die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren angefallenen Gerichtsgebühren und seine darin entstandenen eigenen notwendigen Auslagen. Ferner hat er 1/3 der gerichtlichen Auslagen und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu tragen. IV. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die weitergehenden, nicht durch die vorstehende Kostenentscheidung (III) erfassten Kos- ten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. V. Gegenstandswert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens: 110.000,00 € (Fortgesetzte Anfechtungsklagen der Kläger zu 1, 4 und 5 gem. § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG gegen die Zustimmung zur Verschmelzung: 100.000,00 €; fortgesetzte Anfechtungsklagen der Klägerinnen zu 1 und 4 gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss : 10.000,00 €)

Gründe:

1
I. Die am Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beteiligten Kläger zu 1, 4 und 5 sind Minderheitsaktionäre der beklagten börsennotierten V. AG, die im Jahre 2002 durch Zusammenführung der H. AG und der VE. AG B. entstanden ist. Mehrheitsaktionärin ist - über mehrere Beteiligungsgesellschaften - mit ca. 96,8 % der Aktien die - im Alleinbesitz des Königreichs Schweden stehende - V. AB mit Sitz in Schweden.
2
Die Beklagte und die B. Aktiengesellschaft (nachfolgend: B. ), an der die Beklagte zu 89,52 % beteiligt war, beabsichtigten eine Verschmelzung beider Unternehmen unter Übertragung des Vermögens der B. auf die Beklagte gegen Gewährung von Aktien an die Aktionäre der B. - mit Ausnahme der Beklagten selbst - zu einem Umtauschverhältnis von einer B. -Aktie zu 0,5976 Aktien der Beklagten; dabei sollte zur Durchführung der Verschmelzung das Grundkapital der Beklagten gemäß § 69 UmwG erhöht werden. Die außerordentliche Hauptversammlung der Beklagten vom 6. Februar 2003 stimmte mit 99,96 % der abgegebenen Stimmen und des vertretenen Grundkapitals dem Abschluss des Verschmelzungsvertrages (TOP 1) sowie der Kapitalerhöhung um 18 Mio. € im Zuge der Verschmelzung (TOP 2) zu. Die Kläger, die gegen die Beschlüsse stimmten und Widerspruch zur Niederschrift erklärten, haben sämtlich Anfechtungsklage gegen den Verschmelzungsbeschluss , die Klägerinnen zu 1 und 4 außerdem auch gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss erhoben; die Klägerin zu 1 hat ferner Feststellungsanträge gestellt.
3
Das Landgericht hat den Anfechtungsklagen stattgegeben, die Feststellungsklage der Klägerin zu 1 hingegen abgewiesen. Das Kammergericht hat auf die Berufung der Beklagten - während des zweitinstanzlichen Verfahrens sind die angefochtenen Beschlüsse auf Grund einer Freigabeentscheidung (§ 16 Abs. 3 UmwG) in das Handelsregister eingetragen worden - die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen wenden sich die Klägerinnen zu 1 und 4 sowie der Kläger zu 5 mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden.
4
II. Die Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerinnen zu 1 und 4 sind sowohl hinsichtlich ihrer Klagen gegen die Verschmelzung (A) als auch bezüglich ihrer Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses (B) begründet und führen gemäß §§ 544 Abs. 7, 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts. Demgegenüber hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zu 5 keinen Erfolg (C).
5
A. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerinnen zu 1 und 4 auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) hinsichtlich ihrer Anfechtungsklagen gegen die Zustimmung zur Verschmelzung (TOP 1) in entscheidungserhebli- cher Weise verletzt. Es hat umfangreichen, dezidierten und unter Sachverständigenbeweis gestellten Vortrag der Klägerinnen zu 1 und 4 zu dem - von ihnen als Aktionären des übernehmenden Rechtsträgers in zulässiger Weise erhobenen (vgl. arg. e contrario § 14 Abs. 2 UmwG; vgl. BGHZ 112, 9, 19 - zu § 352 c AktG a.F.) - Kernvorwurf, dem Verschmelzungsbeschluss liege infolge schwerwiegender Bewertungsmängel eine deutliche Unterbewertung des Unternehmens der Beklagten und damit ein für deren Aktionäre nachteiliges, fehlerhaftes Umtauschverhältnis zugrunde, verfahrensfehlerhaft als unsubstantiiert abqualifiziert bzw. - ohne nähere Begründung und insbesondere ohne Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens - als durch den gegenteiligen Parteivortrag der Beklagten widerlegt angesehen. Diese sich auf die Verwendung von Leerformeln beschränkende, nur scheinbar das Parteivorbringen würdigende Verfahrensweise stellt sich als Weigerung des Berufungsgerichts dar, in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise den Parteivortrag zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihm inhaltlich auseinanderzusetzen; sie ist deswegen nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Klägervortrags.
6
1. Die Klägerin zu 1 hat unter Berufung auf ein von ihr vorgelegtes Privatgutachten des Prof. Dr. K. - Inhaber des Lehrstuhls für Finanzmanagement und Kapitalmärkte der TU M. - vom 10. Juni 2003 und dessen Ergänzungsgutachten vom 30. August 2004 u.a. behauptet, die Finanzierungsprämissen bei der Unternehmensbewertung der Beklagten führten zu einer deutlichen Unterbewertung dieser Gesellschaft von mindestens 16 %; dabei sei insbesondere die Annahme des Bewertungsgutachtens der BDO unvertretbar, die Finanzierungskosten für den Erwerb der B. -Beteiligung seien auf Dauer nicht steuerlich absetzbar, obwohl dieser zur Reduzierung des Unternehmenswerts führende Nachteil durch eine - unternehmerisch gebotene - Eigenkapitalzuführung sofort beseitigt werden könne. Ferner sei der zur Berechnung des Zinsaufwandes angesetzte langfristige Basiszinssatz von 5,5 % p.a. - schon angesichts der geringeren Rendite einer Anleihe der Konzernmutter V. AB von lediglich 4,43 % zum Bewertungsstichtag - erheblich überhöht; hinzu kämen Ungereimtheiten bei der Anwendung des sog. Stand-alone-Prinzips, das zudem im Rahmen der durchgeführten Unternehmensbewertung nicht konsequent durchgehalten worden sei. Schließlich berücksichtige die von der Beklagten vorgelegte Bewertung zu Unrecht nicht, dass sich der Gesamtenergiemarkt von einem Verteilermarkt in einen Erzeugermarkt wandeln werde und angesichts einer kontinuierlichen Nachfragesteigerung mit einer nicht unerheblichen Preissteigerung gegen Ende dieses Jahrzehnts zu rechnen sei. Ferner hat die Klägerin zu 1 auch zu den gegenteiligen Ausführungen der Beklagten in einer detaillierten, zwei Seiten umfassenden Aufstellung der einzelnen Streitpunkte im Schriftsatz v. 27. Februar 2004 nochmals Stellung genommen.
7
a) Dazu hat das Berufungsgericht lediglich ausgeführt: Die Beklagte habe in der Berufungsbegründung nachvollziehbar dargelegt, dass die von der Klägerin zu 1 erhobenen Rügen unbegründet seien. Mit diesem Vorbringen setze sich die Klägerin zu 1 ganz überwiegend nicht einmal ansatzweise auseinander , was vorliegend zu ihren Lasten zu gehen habe. Ergänzend sei anzumerken , dass es Sache der Klägerin zu 1 sei, etwaige Fehler bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses substantiiert darzulegen und sich zu den gegnerischen Einwänden gegen das von ihr vorgelegte Privatgutachten zu äußern. Diesen Anforderungen genüge ihr Vortrag nicht.
8
b) Damit hat sich das Berufungsgericht der Erkenntnis verschlossen, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Partei ihrer Darlegungslast genügt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (vgl. nur: Sen.Urt. v. 25. Juli 2005 - II ZR 199/03, ZIP 2005, 1738, 1740 m.w.Nachw.). Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten, dabei ggf. Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder - sofern es, wie hier bei der Unternehmensbewertung, auf spezifische Fachkunde ankommt - einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten.
9
c) Diesen Anforderungen an die Substantiierungslast genügte das Vorbringen der Klägerin zu 1 - zumal es sogar, ohne eine dahingehende prozessuale Verpflichtung, durch ein Privatgutachten nebst Ergänzung untermauert war - angesichts der Komplexität der Bewertungsvorgänge zweifelsfrei (vgl. nur BGH, Urt. v. 19. Februar 2003 - IV ZR 321/02, NJW 2003, 1400), so dass das Berufungsgericht , wenn es den Parteivortrag inhaltlich zur Kenntnis genommen hätte , spätestens nach Vorliegen der klägerischen Replik auf die Klageerwiderung in die beantragte Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte eintreten müssen. Hatten hier beide Parteien zu den fachspezifischen Fragen des Unternehmensbewertungsrechts jeweils Privatgutachten kompetenter Sachverständiger vorgelegt, die einander in wesentlichen Punkten widersprachen, so durfte das Berufungsgericht - das über keine eigene Sachkunde verfügte bzw. eine solche nicht dargelegt hat - nicht ohne Erhebung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens dem einen Privatgutachten zu Lasten des anderen den Vorzug geben (BGH, Urt. v. 11. Mai 1993 - VI ZR 243/92, NJW 1993, 2382). Vollends unzulänglich war hier die pauschale Begründung, mit der sich das Berufungsgericht einfach das Beklagtenvorbringen nur leerformelhaft zu Eigen gemacht hat, ohne auch nur im Ansatz die zumindest gebotene ausgewogene Auseinandersetzung mit dem schlüssigen Klägervortrag erkennen zu lassen.
10
2. Entsprechendes gilt auch für das Vorbringen der Klägerin zu 4.
11
a) Diese hat schwerpunktmäßig behauptet, das Stand-alone-Prinzip anlässlich der Bewertung der Beklagten sei durch eine "Mischmaschrechnung" im Wertgutachten der BDO verletzt worden - eine Betrachtungsweise, die möglicherweise in dieser Verallgemeinerung unzutreffend sein könnte, weil die Beklagte schon vor der Verschmelzung über eine substantielle Beteiligung an der B. verfügte und diese Beteiligung einen Teil ihres Wertes ausmachte. Ob mit Rücksicht darauf die Annahme des Berufungsgerichts, der Rüge einer fehlerhaften aggregierten Bewertung fehle bereits die ausreichende Darlegung, als verfahrensfehlerfrei getroffen gelten kann oder ob auch insoweit die vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich war, kann offen bleiben.
12
b) Denn jedenfalls hat das Berufungsgericht bezüglich dieser Klägerin unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übersehen, dass sich deren Vorbringen nicht auf diesen einen Umstand beschränkte. Vielmehr hat die Klägerin zu 4 - worauf sie sich in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde mit noch ausreichender Deutlichkeit zur Begründung ihrer Rüge aus Art. 103 GG berufen hat - sich in den Vorinstanzen zusätzlich den Sachvortrag der Klägerin zu 1, insbesondere das von dieser vorgelegte Privatgutachten des Prof. Dr. K. , in Bezug auf weitergehende Bewertungsmängel - namentlich hinsichtlich der Berücksichtigung steuerlich nicht abzugsfähiger "ewiger" Zinsen und hinsichtlich des Zinssatzes - zu Eigen gemacht.
13
B. Von der vorstehend dargelegten Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerinnen zu 1 und 4 hinsichtlich ihrer Anfechtung des Beschlusses zur Verschmelzung werden zugleich auch ihre Anfechtungsanträge gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss erfasst. Der Kapitalerhöhungsbeschluss stellt im Rahmen der hier vorliegenden "Verschmelzung mit Kapitalerhöhung" (§ 69 UmwG) schon seinem Wortlaut, aber auch seinem Inhalt nach lediglich einen "Annex" zum Verschmelzungsbeschluss dar, weil die Kapitalerhöhung zur Finanzierung der Verschmelzung im Hinblick auf die Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers benötigt wurde. Nachdem das Landgericht die Freigabeentscheidung auf die Eintragung sowohl der Verschmelzung als auch des Kapitalerhöhungsbeschlusses erstreckt hat, ist - schon nach der seinerzeit maßgeblichen "alten" Rechtslage vor Inkrafttreten des § 246 a AktG n.F. (vgl. Art. 1 Nr. 23 UMAG v. 22. September 2005, BGBl. I, 2802) - mit deren Eintragung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG nicht nur die Verschmelzung selbst, sondern in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift auch der notwendige "Annex" der Kapitalerhöhung unumkehrbar wirksam geworden (h.M.: vgl. nur OLG Hamm, Konzern 2005, 374, 376; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG 3. Aufl. § 16 Rdn. 55; Grunewald in Lutter, UmwG 3. Aufl. § 69 Rdn. 22). Das schließt in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG die Zulässigkeit der Weiterführung der Anfechtungsklage des Hauptprozesses auch in Bezug auf den "Annexbeschluss" zur Kapitalerhöhung nach erfolgter Eintragung in das Handelsregister im Hinblick auf die dort zugleich normierte Schadensersatzpflicht ein (vgl. nunmehr auch § 246 a Abs. 4 AktG n.F.).
14
C. Die Beschwerde des Klägers zu 5 ist zurückzuweisen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
15
1. Das Berufungsgericht hat die Anfechtungsklage dieses Klägers wegen Rechtsmissbrauchs als unbegründet abgewiesen. Zu den Voraussetzungen des Einwands des individuellen Rechtsmissbrauchs gegenüber der aktienrechtlichen Anfechtungsklage i.S. des § 246 AktG hat der Senat bereits grundsätzli- che Leitlinien aufgestellt (BGHZ 107, 296). Diese bedürfen unter dem Blickwinkel des § 543 Abs. 2 ZPO aus Anlass des vorliegenden Einzelfalls keiner Ergänzung.
16
2. Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) liegt in Bezug auf den Kläger zu 5 - anders als dieser meint - nicht vor.
17
a) Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Abweisung der Anfechtungsklage des Klägers zu 5 ausgeführt: Die Beklagte habe in der Berufungsbegründung substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen die Erhebung der Anfechtungsklage in Bezug auf den Kläger zu 5 rechtsmissbräuchlich sei; diese Ausführungen mache sich der Senat zu Eigen; eine irgendwie geartete Auseinandersetzung mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs sei seitens des Klägers in dem Berufungsverfahren nicht erfolgt.
18
b) Es mag im Ansatz zweifelhaft sein, ob eine derartige pauschale Bezugnahme auf das schriftsätzliche Vorbringen des Beklagten zur Begründung der Entscheidung verfahrensrechtlich bedenkenfrei ist. Grundsätzlich muss das Urteil für die Prozessbeteiligten, insbesondere die unterlegene Partei, klar erkennen lassen, auf welchen Erwägungen es beruht. Es muss in wenn auch knappen, so doch eigenen Worten die Gründe für seine Entscheidung verdeutlichen , weil nur so eine Überprüfung durch die höhere Instanz ermöglicht wird. Ob die vom Berufungsgericht gegebene knappe Begründung diesen Anforderungen noch entspricht, kann letztlich dahinstehen, weil sich ein etwaiger derartiger formaler Mangel jedenfalls im Endergebnis nicht ausgewirkt hat.
19
c) Denn der Kläger zu 5 handelte auf der Grundlage des als unstreitig festgestellten Vortrags der Beklagten - wie er sich aus deren vom Berufungsge- richt konkret in Bezug genommenen Berufungsbegründungsschriftsatz eindeutig ergibt - rechtsmissbräuchlich.
20
Er hat die Anfechtungsklage mit dem Ziel erhoben, die verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hatte und billigerweise auch nicht erheben konnte (BGHZ 107, 296, 311). Der Kläger zu 5 hat bereits seit Juli 2002 in wenigstens zehn Schreiben mit seinem Briefkopf als Rechtsanwalt, die überwiegend direkt an den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten gerichtet waren, unaufgefordert seine Rechtsansicht mitgeteilt, die ehemaligen DDR-Kombinatsbetriebe, welche die Beklagte zu ihrer Unternehmensgruppe zähle, seien dieser in Wirklichkeit nicht zuzuordnen. In seinem Schreiben vom 29. August 2002 führt er aus: "Ich wäre deshalb schon in erster Linie daran interessiert, mit Ihrem Unternehmen die Dinge zu bereinigen, und ich möchte dies auch gerne tun zu einem Zeitpunkt, bevor sie an anderer Stelle sichtbar werden."
21
In folgenden Briefen bemühte er sich - weiterhin - um ein Beratungsmandat , worauf sich die Beklagte aber nicht einließ. Kurz vor der Hauptversammlung vom 6. Februar 2003 erwarb er sodann 20 Aktien der Beklagten, was er wiederum dem Vorstandsvorsitzenden - verbunden mit dem Hinweis, an der Hauptversammlung teilnehmen und dort Fragen zur Bilanz und zur Geschäftsführung stellen zu wollen - mitteilte. Nach der Hauptversammlung ließ er die Beklagte wissen, dass er ein Spruchverfahren beabsichtige und dass in diesem Fall alle weiteren Antragsteller sowie der gemeinsame Vertreter der außenstehenden Aktionäre Einblick in sämtliche Akten erhalten würden. In seinem Schreiben vom 18. März 2003 kündigte er ferner an, sich am Spruchverfahren der B. zu beteiligen. Seine Anfechtungsklage hat der Kläger zu 5 im Wesentlichen auf die bereits zuvor von ihm behaupteten angeblichen Umwandlungsmängel im Zusammenhang mit den zur Unternehmensgruppe der Beklag- ten (namentlich der B. ) gehörenden ehemaligen DDR-Betrieben und eine daraus vermeintlich resultierende Beeinflussung des Umtauschverhältnisses gestützt. Noch während des Prozesses legte der Kläger zu 5 der Beklagten nahe , es entspreche einer "zielführenden Konfliktstrategie und Problemstrategie", wenn sein Vorbringen den anderen Anfechtungsklägern nicht zur Kenntnis gebracht werde.
22
Ersichtlich wollte der Kläger zu 5 sich durch die von ihm durchgängig erstrebte Übertragung eines anwaltlichen Beratungsmandats von der Beklagten sein Schweigen zu der von ihm behaupteten Problematik der Umwandlung der ehemaligen DDR-Betriebe durch die ihn dann treffende anwaltliche Schweigepflicht abkaufen lassen. Dabei waren nicht zuletzt der Erwerb von Aktien der Beklagten kurz vor der Hauptversammlung sowie die anschließende Klageerhebung selbst Bestandteile der Strategie des Klägers zu 5, ein Droh- und Druckpotential gegenüber der Beklagten aufzubauen bzw. aufrechtzuerhalten, um diese zu der erstrebten Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hatte. Eine derartige grob eigennützige Handlungsweise rechtfertigt bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Verhaltens zweifelsfrei den Einwand des individuellen Rechtsmissbrauchs gegenüber der von diesem Kläger erhobenen Anfechtungsklage.
23
III. Für das auf die Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerin zu 1 und 4 gemäß § 544 Abs. 7 ZPO neu eröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
24
1. Die weitergehenden Anfechtungsgründe, die die Klägerinnen zu 1 und 4 ihren Nichtzulassungsbeschwerden zugrunde gelegt haben, hat der Senat geprüft, aber für nicht zulassungsrelevant i.S. des § 543 Abs. 2 ZPO erachtet.
25
a) Der Verschmelzungsbericht gemäß § 8 Abs. 1 UmwG weist keine entscheidungserheblichen , die Zulassung erforderlich machenden Mängel auf.
26
Allerdings ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden worden, ob - wie die Kläger meinen - aus der gesetzlichen Anordnung der Schriftlichkeit in § 8 UmwG abzuleiten ist, dass eine eigenhändige Unterschrift jedes einzelnen Mitglieds des Vertretungsorgans erforderlich ist (so die h.M.: vgl. Lutter/Drygala in Lutter aaO § 8 Rdn. 8; Kallmeyer/Marsch-Barner aaO § 8 Rdn. 3; Stratz in Schmidt/Hörtnagel/Stratz, UmwG/UmwStG 4. Aufl. § 8 Rdn. 6; Gehling in Semler/Stengel, UmwG § 8 Rdn. 7; Grunewald in Geßler/Hefermehl/ Eckhardt/Kropff, AktG § 340 a Rdn. 18) oder ob eine Unterzeichnung durch Organmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl - wie sie hier in Gestalt der Unterschriften von nur zwei Vorstandsmitgliedern der Beklagten vorliegt - ausreicht (so Klaus J. Müller, NJW 2000, 2001).
27
Für die zuletzt genannte Mindermeinung sprechen nachhaltig Sinn und Zweck der Regelung. Dem Verschmelzungsbericht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwG kommt vor allem eine umfassende Informationsfunktion zu: Er soll die Verschmelzung und den Verschmelzungsvertrag im Einzelnen, insbesondere das Umtauschverhältnis der Anteile, rechtlich und wirtschaftlich erläutern und begründen. Weil dem geschriebenen Wort eine größere Präzision, Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit zukommt, soll der Bericht schriftlich vorliegen und nicht lediglich mündlich vorgetragen werden. Dass bei Unterzeichnung des Berichts durch Organmitglieder nur in vertretungsberechtigter Zahl etwa die Gefahr bestünde, der Bericht entspreche nicht dem Willen der Mehrheit des Organs , erscheint lebensfremd: Eine solche Manipulation könnte nicht verborgen bleiben, weil der Verschmelzungsbericht in der Hauptversammlung - zumeist, so auch hier, in Anwesenheit aller Vorstandsmitglieder - mündlich erläutert und erörtert wird.
28
Der Senat braucht diese Frage aber nicht abschließend zu entscheiden, weil es hier - selbst wenn man der bisher h.M. folgen wollte - im Falle der Nichteinhaltung der Schriftform an der Relevanz des Formmangels für die Informations - und Mitwirkungsrechte der Aktionäre im Sinne der Senatsrechtsprechung fehlen würde (vgl. BGHZ 153, 32; 160, 385). Der Sinn eines etwaigen Erfordernisses der Unterzeichnung durch alle Organmitglieder könnte - wie dargelegt - nur darin bestehen, den Aktionären zu verlautbaren, dass der Vorstand mehrheitlich "hinter dem Bericht steht". Jedem vernünftig denkenden Aktionär ist aber klar, dass es der Lebenserfahrung widerspricht, dass ein Vorstand in vertretungsberechtigter Zahl einen Verschmelzungsbericht herausgibt, mit dem die Mehrheit des Vorstandes nicht einverstanden ist. Ein solcher Aktionär würde sich in seiner Entscheidung über die Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte von einer fehlenden - unterstellt: erforderlichen - Unterzeichnung des Berichts durch sämtliche Vorstandsmitglieder nicht beeinflussen lassen.
29
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 1, die auch in diesem Zusammenhang die anderwärts vielfältig von ihr und anderen öfter als Anfechtungsklägern in Erscheinung tretenden Aktionären vorgebrachten Standardrügen erhebt , wirft weder der Umstand, dass das Gericht den Verschmelzungsprüfer auf Vorschlag der Beklagten bestellt hat, noch die Tatsache der sog. Parallelprüfung entscheidungsbedürftige Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Beide Fragen hat der Senat - anders als die Klägerin zu 1 für richtig hält - entschieden (vgl. Sen.Urt. v. 18. September 2006 - II ZR 225/04, ZIP 2006, 2080, 2082, sowie schon BGHZ 135, 260).
30
2. In Bezug auf die diversen sonstigen Rügen der Beschwerden sieht der Senat von einer näheren Begründung gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO ab, weil insoweit offensichtlich Zulassungsgründe nicht gegeben sind.
31
3. Das Berufungsgericht wird nunmehr im Hinblick auf die schlüssigen Bewertungsrügen der Kläger zu 1 und 4, denen die Beklagte mit erheblichem Sachvortrag entgegengetreten ist, in die Beweisaufnahme einzutreten und das von beiden Seiten hierzu beantragte Sachverständigengutachten einzuholen haben.
Goette Kurzwelly Kraemer Strohn Reichart
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 08.09.2003 - 93 O 47/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 25.10.2004 - 23 U 234/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 199/03 Verkündet am:
25. Juli 2005
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 612 Abs. 2; KonkursVwVergütV §§ 3, 4; ZPO § 286 F

a) Die dem von der Gesellschafterversammlung bestellten Liquidator einer
GmbH - mangels Vereinbarung über die Höhe seines Honorars - geschuldete
übliche Vergütung i.S. von § 612 Abs. 2 BGB war zur Zeit der Geltung der
Konkursordnung (hier: 1994/1995) wegen der Vergleichbarkeit der Tätigkeit
des Liquidators (§ 70 GmbHG) mit der Aufgabe eines Konkursverwalters in
sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der VergütVO vom 25. Mai
1960 (i.d.F. der VO v. 11. Juni 1979) zu bemessen.

b) Zur Übergehung unter Beweis gestellten Vorbringens durch Verkennung der
Anforderungen an die Substantiierung sowie zur Ablehnung der Zeugenvernehmung
als unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung.
BGH, Urteil vom 25. Juli 2005 - II ZR 199/03 - OLG Köln
LG Köln
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 25. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Caliebe und Dr. Reichart

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Mai 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 8. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der L. -Baugesellschaft mbH i.L. (nachfolgend: Schuldnerin), die Ende 1991 aus der Zwischenbetrieblichen Einrichtung (ZBE) Bauorganisation N. durch Organisationsakt der beteiligten Trägerbetriebe hervorgegangen ist und Anfang Januar 1993 als GmbH in das Handelsregister eingetragen wurde. Bereits am 5. November 1993 beschlossen die Gesellschafter der Schuldnerin deren Liquidation und bestellten den Beklagten zum Liquidator; Regelungen über sein Honorar wurden nicht getroffen. In der Zeit von April 1994 bis Januar 1995 entnahmen der Beklagte und die in seinem N. Büro tätige freie Mitarbeiterin K. - seine jetzige Ehefrau - dem Vermögen der Schuldnerin insgesamt
593.921,30 DM, die der Beklagte als "Vorschüsse" auf seine Liquidatorvergütung verstanden wissen will. Nachdem mehrere Gesellschafter der Schuldnerin die ihrer Ansicht nach unzureichende Tätigkeit des Beklagten im Rahmen des Liquidationsverfahrens beanstandet hatten, wurde dieser durch Gesellschafterbeschluß vom 19. April 1995 als Liquidator abberufen und Rechtsanwalt P. als sein Nachfolger eingesetzt. Der Beklagte überließ diesem gemäß Übergabeprotokoll vom 3. Mai 1995 die aus 133 Aktenordnern und 47 Schnellheftern bestehenden Geschäftsunterlagen der Gesellschaft, von denen er sich zuvor auszugsweise Kopien für seine eigenen Unterlagen gefertigt hatte. Auf Antrag des neuen Liquidators vom 2. Juni 1995 eröffnete das Amtsgericht H. am 25. Januar 1996 das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin.
Der Kläger hat gegen den Beklagten Stufenklage auf Auskunfterteilung über die den Entnahmen zugrundeliegenden Tatsachen und auf Bezahlung der sich aus der Auskunft ergebenden Forderungen erhoben. Nach Erteilung der Auskunft durch den Beklagten haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Im übrigen begehrt der Kläger vom Beklagten Erstattung der entnommenen Beträge in Höhe von insgesamt 593.921,30 DM; der Beklagte verweigert deren Rückzahlung unter Berufung auf seine Honoraransprüche als Liquidator, die er in einer im Prozeß vorgelegten Rechnung vom 5. Juni 1997 auf 1.058.000,00 DM beziffert und hinsichtlich derer er im Umfang der Klageforderung vorsorglich die Aufrechnung erklärt hat.
Das Landgericht hat den Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung zur Rückzahlung von 321.772,46 DM nebst Zinsen verurteilt; im übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil dem Beklagten aus dem mit der Schuldnerin
zustande gekommenen Dienstvertrag über dessen Liquidatortätigkeit ein entsprechend den Vergütungssätzen und -richtlinien der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters vom 25. Mai 1960 (BGBl. I, 329, zuletzt geändert durch Verordnung v. 11. Juni 1979, BGBl. I, 637 - VergütVO) zu ermittelnder Vergütungsanspruch in Höhe von 272.184,84 DM brutto zustehe, der in dieser Höhe mit den dem Beklagten insgesamt zuzurechnenden Entnahmen aus dem Vermögen der Schuldnerin zu verrechnen sei. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat das Rechtsmittel des Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung des Klägers der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der - vom Senat zugelassenen - Revision, mit der er sein Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts (§§ 562, 563 Abs. 1 ZPO).
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Beklagte müsse dem Kläger die aus dem Vermögen der Schuldnerin ohne die erforderliche Zustimmung ihrer Gesellschafterversammlung entnommenen Gelder in vollem Umfang von 593.921,30 DM aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung in sonstiger Weise (§ 812 Abs. 1 Satz 2 2. Var. BGB) erstatten. Die vom Beklagten demgegenüber erklärte Aufrechnung sei zwar nicht bereits wegen eines Aufrechnungsverbots unzulässig, da der Kläger die Voraussetzungen des § 393 BGB nicht nachgewiesen habe; sie scheitere aber daran, daß der Beklagte einen aufrechenbaren Gegenanspruch auf
Vergütung seiner Leistungen als Liquidator der Schuldnerin letztlich nicht hinreichend dargelegt habe. Allerdings stehe dem Kläger grundsätzlich eine Vergütung für seine Liquidatortätigkeit aus einem konkludent mit der Schuldnerin geschlossenen Dienstvertrag zu. Mangels einer konkreten Honorarvereinbarung sei die geschuldete übliche Vergütung i.S. von § 612 Abs. 2 BGB entsprechend den Regelsätzen der VergütVO zu bemessen; dabei richte sie sich bei dem hier vorliegenden vorzeitigen Abbruch der Tätigkeit nach dem Verhältnis der tatsächlich erbrachten zur insgesamt geschuldeten Leistung. Diesbezüglich habe der Beklagte jedoch in beiden Instanzen nicht annähernd der ihm obliegenden Substantiierung genügt. Der von ihm vorgelegten pauschalen Leistungsaufstellung fehle die Bezugnahme auf konkrete Geschäftsunterlagen, in denen sich die von ihm beschriebenen Tätigkeiten dokumentiert haben müßten. Die zusätzlichen Zeugenbeweisantritte des Beklagten seien nicht geeignet, die ihm auferlegte Leistungsaufstellung anhand der Geschäftsunterlagen zu ersetzen. Wenn dieser es nicht für notwendig erachtet habe, entweder die umfangreichen Akten beim Kläger einzusehen oder konkrete Schriftstücke aus den von ihm selbst gefertigten Kopien zu benennen, so gehe das zu seinen Lasten.
II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Versagung jeglicher Vergütung für die vom Beklagten behauptete Tätigkeit als von der Gesellschafterversammlung der Schuldnerin beauftragter und bestellter Liquidator beruht auf einer Verkennung der Anforderungen an die Darlegungslast des Beklagten und - als Folge davon - auf einer verfahrensfehlerhaften Übergehung seines schlüssigen, unter Beweis gestellten Vortrags; überdies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft den vom Beklagten angebotenen Zeugenbeweis als ungeeignet zum Nachweis von Art und Umfang seiner Liquidatortätigkeit angesehen (§ 286 ZPO; Art. 103 Abs. 1 GG).
1. Im Ansatz noch zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß der Beklagte dem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsbegehren des Klägers hinsichtlich der eigenmächtig aus dem Vermögen der Schuldnerin entnommenen "Vorschüsse" grundsätzlich einen zur Aufrechnung geeigneten Vergütungsanspruch für die als Liquidator erbrachten Dienstleistungen entgegenhalten kann. Noch zutreffend ist auch die Erwägung, daß - mangels einer Vereinbarung über die Höhe seines Honorars - der Liquidator Anspruch auf die übliche Vergütung i.S. von § 612 Abs. 2 BGB hat und daß diese in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der VergütVO zu bemessen ist; denn die Tätigkeit als Liquidator einer GmbH, der die Geschäfte beendigen , die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft erfüllen, deren Forderungen einziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umsetzen soll (§ 70 GmbHG), ist mit der Aufgabe eines Konkurs- oder Gesamtvollstreckungsverwalters vergleichbar (BGHZ 139, 309, 311 f.).
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet hingegen die Annahme des Berufungsgerichts, dem Beklagten sei jegliche Vergütung zu versagen , weil er die von ihm behaupteten Leistungen nach Art und Umfang nicht hinreichend substantiiert dargelegt habe.

a) Die Versagung jeglicher Vergütung unter dem Blickwinkel unzureichender Substantiierung der vom Beklagten als Liquidator erbrachten Leistungen ist bereits deshalb unvertretbar, weil sie nur dann in Betracht käme, wenn der Beklagte überhaupt keine Tätigkeit als Liquidator entfaltet hätte. Davon kann aber - was das Oberlandesgericht übersehen hat - schon nach Aktenlage nicht ausgegangen werden, weil selbst der Kläger in der Klageschrift vorgetragen hat, der Beklagte sei für die Schuldnerin als Liquidator "tätig" geworden, und auch später schriftsätzlich eingeräumt hat, daß der Beklagte u.a. einen
gewissen Schriftwechsel mit der B. Bank AG geführt habe; im übrigen finden sich weitere Schriftstücke bei den Akten, die eindeutig ein Tätigwerden des Beklagten als Liquidator erkennen lassen (vgl. z.B. Beiakten 1204 Js 19283/97 StA H. , Bd. I, 161, 162 sowie Bd. II, 859). Angesichts dessen ist das nachträgliche Bestreiten jeglicher Liquidatortätigkeit des Beklagten durch den Kläger mit Nichtwissen als unbeachtlich anzusehen, wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Schon in Anbetracht dessen hätte das Berufungsgericht gemäß § 287 ZPO dem Beklagten daher zumindest irgendeine Vergütung zuerkennen müssen, die sich nach § 3 Abs. 2 VergütVO selbst bei der geringsten denkbaren Tätigkeit auf mindestens 400,00 DM belaufen müßte.

b) Der weitergehende umfangreiche, durch Zeugen und Sachverständigen unter Beweis gestellte Vortrag des Beklagten zu Art und Umfang seiner Liquidatortätigkeit ist - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht unsubstantiiert. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlußfolgerung aus Indizien besteht. Der Pflicht zur Substantiierung ist mithin nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind (vgl. Sen.Urt. v. 13. Juli 1998 - II ZR 131/97, WM 1998, 1779 sowie v. 16. März 1998 - II ZR 323/96, ZIP 1998, 956, 957 m.w.Nachw.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Art und Umfang seiner Tätigkeiten im Rahmen der einzelnen, von dem Sachverständigen W. vorgegebenen Leistungsbereiche - Liquidationseröffnungsbilanz, Überschuldungsprüfung, Anmeldung der Auflösung im Handelsregister, Bekanntmachung der Auflösung, Grund-
stücksverwaltung, Personalverwaltung, Erfüllung steuerlicher Pflichten der Gesellschaft , Jahresabschlüsse, Rechtsstreitigkeiten/Restitutionsansprüche, sonstige Rechtsstreitigkeiten, Liquidation von Vermögen, Begleichung von Verbindlichkeiten - hat der Beklagte zumindest so konkret vorgetragen, daß daraus die begehrte Rechtsfolge seiner nach §§ 3, 4 VergütVO zu ermittelnden Vergütung als Liquidator auch für den hier vorliegenden Fall der vorzeitigen Beendigung der Verwaltertätigkeit abgeleitet werden kann (vgl. zur Berechnungsweise: BGH, Beschl. v. 16. Dezember 2004 - IX ZB 301/03, ZIP 2005, 180 - betr. Insolvenzverwalter; BGHZ 146, 166 - betr. vorläufigen Insolvenzverwalter; zur Regelvergütung für den Konkursverwalter nach der VergütVO: BVerfG, Beschl. v. 9. Februar 1989 - 1 BvR 1165/87, ZIP 1989, 382 f.; BGHZ 157, 282, 297 m.w.Nachw.). Das gilt - entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts - auch insoweit, als der Beklagte für einige Leistungsbereiche "vorbereitende Tätigkeiten" wie Sichtung und Ordnung des vorgefundenen Aktenmaterials oder intensives Aktenstudium zur Einarbeitung bei der Vorbereitung der Liquidationseröffnungsbilanz behauptet hat, selbst wenn solche Arbeiten nicht in irgendwelchen Schriftstücken ihren Niederschlag gefunden haben sollten. Denn die Vergütung des Liquidators ist ebenso wie die des Konkursverwalters im wesentlichen kein "Erfolgshonorar", sondern Tätigkeitsvergütung für geleistete Dienste, zu denen auch sämtliche vorbereitenden Aktivitäten gehören (vgl. Hess, InsVV 2. Aufl. § 3 Rdn. 15 m.Nachw.). Selbst die Zahl der Stunden, die der Beklagte im Rahmen seiner Amtsführung in eigener Person und durch Gehilfen aufgewendet haben will, ließe sich - auch wenn ein Zeithonorar nicht vereinbart war - mit Hilfe eines Sachverständigen zumindest überschlägig im Sinne einer Mindestschätzung (§ 287 ZPO) in das Vergütungssystem der VergütVO - ein Mischsystem zwischen pauschalierender Regelvergütung und am Einzelfall orientierten Erhöhungen und Abschlägen (vgl. BGHZ 157, 282, 288 f.) - "umrechnen".
Genügte danach das Beklagtenvorbringen den Anforderungen an die Substantiierung, so konnte der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden; vielmehr war es Sache des Tatrichters, bei der Beweisaufnahme die benannten Zeugen nach allen Einzelheiten zu fragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erschienen (vgl. Sen.Urt. v. 13. Juli 1998 aaO S. 1779). Diesen Maßstab der Substantiierungslast hat das Berufungsgericht verkannt und dadurch das schlüssige, unter Beweis gestellte Vorbringen des Beklagten zu den wesentlichen Umständen seiner Tätigkeit übergangen (§ 286 ZPO).

c) Das Oberlandesgericht hat zudem von einer Beweiserhebung durch Vernehmung der vom Beklagten benannten Zeugen auch insoweit zu Unrecht abgesehen, als es "zusätzliche Zeugenbeweisantritte" für "nicht geeignet" erachtet hat, "die dem Beklagten auferlegte Leistungsaufstellung anhand der Geschäftsunterlagen zu ersetzen".
In dieser Ablehnung der Zeugenvernehmung liegt zum einen eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung (vgl. Sen.Urt. v. 13. September 2004 - II ZR 137/02, WM 2004, 2365, 2366 m.w.Nachw.). Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, daß der Tatrichter von der Erhebung zulässiger und rechtzeitig angetretener Beweise nur absehen darf, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache bereits erwiesen oder zugunsten des Antragstellers zu unterstellen ist, und daß bei der Zurückweisung eines Beweismittels als ungeeignet größte Zurückhaltung geboten ist (Sen.Urt. v. 19. Juni 2000 - II ZR 319/98, WM 2000, 2315, 2316 m.w.Nachw.). Dafür, daß die vom Beklagten benannten Zeugen zu den in ihr Wissen gestellten Tatsachen keine geeigneten Bekundungen bezüg-
lich der einzelnen Tätigkeiten des Beklagten machen könnten, fehlt jeder Anhalt.
Zum anderen findet das Vorgehen des Berufungsgerichts, dem darlegungs - und beweispflichtigen Beklagten die Art und Weise seiner Beweisführung , insbesondere die Reihenfolge der in Betracht kommenden Beweismittel, vorschreiben zu wollen, im Prozeßrecht keine Stütze. Selbst wenn es hier dem Beklagten - was offenbar nicht der Fall war - ohne weiteres möglich gewesen wäre, seine Leistungsaufstellung unter Bezeichnung konkreter Aktenstücke zu fertigen, so stand es ihm frei, anstelle des Beweisantritts durch Vorlage von Urkunden - zunächst oder vorrangig - den Zeugenbeweis zu wählen.
III. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es - ggf. nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die angebotenen Beweise erhebt und auf dieser Grundlage die erforderlichen Feststellungen trifft.
Goette Kurzwelly RiBGH Kraemer kann urlaubsbedingt nicht unterschreiben Goette Caliebe Reichart

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 272/06
vom
29. Oktober 2008
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 29. Oktober 2008

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 12. Oktober 2006 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 50.000 €

Gründe:


1
Das Berufungsgericht hat dem Kläger Deckungsschutz aus der bei der Beklagten gehaltenen Privathaftpflichtversicherung nach § 4 II Nr. 1 Satz 1 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen (AHB) und § 152 VVG a.F. versagt, weil er die dem Zeugen S. mittels zweier körperlicher Angriffe zugefügten Verletzungen (u.a. Schultereckgelenkssprengung mit Abriss meh- rerer Bänder, HWS-Distorsion, Becken- und Gesäßprellung) vorsätzlich herbeigeführt habe. Es hat dabei das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, soweit sich dieser unter Beweisantritt darauf berufen hat, er habe den Geschädigten im Vollrausch, mithin in einem die freie Willensbetätigung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit i.S. von § 827 BGB angegriffen.
2
1. Der Kläger hatte behauptet, am 19. April 2003 gegen 19.00 Uhr das Osterfeuer in A. aufgesucht und fortan bis 23.30 Uhr stündlich fünf bis sechs, insgesamt ca. 25 Gläser Bier, ferner zahlreiche Schnäpse getrunken zu haben. Zum Beweis für diese Behauptung hatte er sich auf das Zeugnis seiner damaligen Begleiter, der Zeugen Wi. und W. , berufen. Er hatte weiter die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt, dass der behauptete Alkoholkonsum bei ihm zu einem Vollrausch geführt habe.
3
Die Vorinstanzen haben den beantragten Beweis nicht erhoben.
4
Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, da dem Kläger seinerzeit keine Blutprobe entnommen worden sei, stehe seine Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit nicht fest. Die Rechtsprechung nehme eine alkoholbedingte Zurechnungsunfähigkeit etwa ab einem BAK-Wert von 3,0 Promille an. Entscheidend seien letztlich aber immer die Umstände des Einzelfalles. Gegen die Trinkmengenbehauptung oder aber für eine erhebliche Alkoholgewöhnung des Klägers spreche, dass er etwa eineinhalb Stunden vor den tätlichen Angriffen noch in der Lage gewesen sei, sich in einem Gespräch mit dem Geschädigten über seinen früheren Arbeitgeber zu unterhalten und sich dabei noch gut verständlich auszudrücken. Dass der Kläger nach diesem Gespräch noch besonders viel Alko- hol getrunken habe, habe er selbst nicht behauptet. Die Tatausführung spreche gegen eine Zurechnungsunfähigkeit des Klägers. Er habe den Geschädigten auf dem Nachhauseweg verfolgt und ihn - jeweils gezielt und mit erheblicher Wucht - zweimal hintereinander angegriffen. Zwar sei er nach dem ersten Angriff infolge seiner Alkoholisierung zunächst am Boden liegen geblieben und habe dort auch unkontrolliert um sich geschlagen , weil er stark betrunken gewesen sei; er sei aber immerhin noch in der Lage gewesen, gegenüber dem Opfer den Satz "ich reiß dich nieder" zu äußern. Insgesamt könne das Verhalten des Klägers damit als willensgesteuert und logisch nachvollziehbar eingestuft werden.
5
Für eine sachverständige Begutachtung der Trunkenheit des Klägers fehle es an verlässlichen Anknüpfungstatsachen. Der Kläger selbst berufe sich auf eine Amnesie (einen "Filmriss"); dass die von ihm benannten beiden Zeugen sich die gesamte Zeit über bei ihm befunden und seinen gesamten Alkoholkonsum beobachtet hätten, sei nicht ersichtlich und in Anbetracht des Ablaufs solcher Feste lebensfremd. Mithin sei offen , welche Menge Bier mit welchem Alkoholgehalt der Kläger getrunken habe, um welche Art Schnaps es sich gehandelt habe und in welcher genauen zeitlichen Abfolge der Alkohol konsumiert worden sei. Ferner sei über die körperliche Konstitution und eine mögliche Alkoholgewöhnung des Klägers nichts bekannt. Unbekannt sei schließlich auch, ob und inwieweit er am fraglichen Abend Nahrung zu sich genommen habe. Ergänzenden Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren dazu, dass es sich jeweils um 0,3-Liter-Gläser Bier und beim fraglichen Schnaps um Apfelkorn gehandelt habe, hat das Berufungsgericht nach § 531 Abs. 2 Ziff. 3 ZPO als verspätet zurückgewiesen. http://www.juris.de/jportal/portal/t/fft/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=6&numberofresults=217&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE013400314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/fft/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/fft/## - 5 -
6
3. Das verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör.
7
a) Die Vernehmung der beiden vom Kläger benannten Zeugen zu seinem Alkoholkonsum durfte nicht mit der Begründung verweigert werden , es sei nicht ersichtlich oder lebensfremd, dass die Zeugen die in ihr Wissen gestellten Beobachtungen gemacht hätten (vgl. dazu Zöller/Greger , ZPO 26. Aufl. vor § 284 Rdn. 10a m.w.N.). Darin liegt eine vorweggenommene Beweiswürdigung, die im Prozessrecht keine Stütze findet und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. Januar 2008 - IV ZR 9/06 - VersR 2008, 659 unter Tz. 3; vom 21. November 2007 - IV ZR 129/05 - VersR 2008, 382 unter Tz. 2; BVerfG NJW-RR 2001, 1006, 1007). Dafür, dass der Beweisantritt "ins Blaue hinein" erfolgt wäre, ist nichts ersichtlich. Vielmehr deuten zahlreiche Indizien, insbesondere auch die Aussagen des Geschädigten und seiner Verlobten , darauf hin, dass der Kläger am fraglichen Abend erheblich betrunken war und deutliche alkoholbedingte Ausfallerscheinungen gezeigt hatte. Ob und inwieweit die vom Kläger benannten Zeugen in der Lage waren , Beobachtungen zu seinem Trinkverhalten zu machen und zu erinnern , wäre erst durch die Vernehmung der Zeugen und die daran anschließende Würdigung ihrer Aussagen zu klären gewesen.
8
b) Der Beweisantritt war auch nicht deswegen unbeachtlich, weil der Kläger zunächst nicht ausreichend konkrete Tatsachenbehauptungen aufgestellt hatte. Zwar hatte er weder die von ihm konsumierte Bier- und Schnapssorte oder wenigstens deren jeweiligen Alkoholgehalt noch die Größe der benutzten Gläser angegeben, so dass aufgrund der von ihm zunächst unter Beweis gestellten Behauptungen ein ausreichender Überblick über die aufgenommene Alkoholmenge nicht ohne Weiteres zu gewinnen war. Andererseits wären aber diese offenen Fragen durch ei- nen entsprechenden gerichtlichen Hinweis oder auch eine Frage an die benannten Zeugen einfach zu klären gewesen.
9
aa) Nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO hat das Gericht dahin zu wirken , dass sich die Parteien rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären und insbesondere auch Angaben zu geltend gemachten Tatsachen ergänzen und die sachdienlichen Anträge stellen. Beantragt eine Partei - wie hier - die Einholung eines Sachverständigengutachtens und stellt sie dazu Anknüpfungstatsachen unter Zeugenbeweis , so muss das Gericht jedenfalls dann durch einen Hinweis nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf Ergänzung des Tatsachenvortrags hinwirken , wenn es der Auffassung ist, die unter Beweis gestellten Anknüpfungstatsachen seien zu unbestimmt (vgl. dazu Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 29. Aufl. § 139 Rdn. 8) und reichten deshalb für die Erstellung des Gutachtens nicht aus. Einen solchen Hinweis hatten hier weder das Landgericht noch das Berufungsgericht erteilt.
10
bb) Der Kläger wurde stattdessen erstmals durch die Berufungserwiderung der Beklagten vom 25. Juli 2006 darauf aufmerksam gemacht, dass seine unter Beweis gestellten Trinkmengenangaben unvollständig waren. Er hat daraufhin seinen Beweisantritt mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 4. September 2006 dahin ergänzt, dass er das Bier aus 0,3-Liter-Gläsern und im Übrigen Apfelkorn getrunken habe.
11
Diesen Vortrag hätte das Berufungsgericht nicht - wie geschehen - nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO als verspätet zurückweisen dürfen; das ist dann nicht zulässig, wenn die Verspätung des Vortrages auf einem Verfahrensfehler des Gerichts - hier dem sowohl vom Landgericht als auch vom Berufungsgericht unterlassenen Hinweis nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO - beruht (vgl. dazu auch BGH, Urteile vom 14. Oktober 2004 - VII ZR 180/03 - NJW-RR 2005, 213 unter II; vom 15. März 1990 - VII ZR 61/89 - NJW-RR 1990, 856 unter II 2 a).
12
Der cc) Senat kann nicht ausschließen, dass das Berufungsgericht , hätte es den ergänzenden Vortrag des Klägers berücksichtigt, davon ausgegangen wäre, dass bei Erweis der unter Zeugenbeweis gestellten Trinkmengenangaben ausreichende Anknüpfungstatsachen für das beantragte Sachverständigengutachten vorgelegen hätten. Zwar hatte sich der Kläger weiterhin nicht zum Alkoholgehalt der von ihm konsumierten Getränke, zu seiner körperlichen Konstitution und Alkoholgewöhnung geäußert, insoweit stehen aber Tatsachen in Rede, die ein Sachverständiger für Blutalkoholbestimmung regelmäßig unschwer aufgrund seiner Erfahrungswerte ermitteln kann. Das gilt insbesondere auch für die Frage der Alkoholgewöhnung, weil sich hierzu besonders bei hohen Alkoholisierungsgraden aus dem verbliebenen psychischen und motorischen Leistungsvermögen des Probanden Rückschlüsse ergeben.
13
4. Die Ermittlung der vom Kläger erreichten Blutalkoholkonzentration war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich anhand der Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Tatumstände ein Vollrausch des Klägers ohnehin sicher ausschließen ließe. Zwar ist die Blutalkoholkonzentration nicht das allein maßgebliche oder vorrangige Beweisanzeichen für das Vorliegen eines alkoholbedingten, die freie Willensbetätigung ausschließenden Zustandes krankhafter Störung der Geistestätigkeit i.S. von § 827 BGB. Es gibt insbesondere keinen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration regelmäßig bestimmte Beeinträchtigungsgrade vorliegen (vgl. zu § 21 StGB: BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04 - NStZ 2005, 329 unter 3 a). Vielmehr können aussagekräftige psychodiagnostische Beweisanzeichen im Einzelfall selbst bei hohen Alkoholisierungsgraden der Annahme einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit i.S. von § 827 BGB entgegenstehen. Umgekehrt gewinnt der Beweiswert der Blutalkoholkonzentration aber dort an Gewicht, wo solche anderweitigen Beweisanzeichen weitgehend fehlen.
14
So liegt der Fall hier. Anders als das Berufungsgericht meint, kann weder dem Umstand, dass der Kläger etwa eineinhalb Stunden vor den Angriffen auf den Geschädigten noch in der Lage war, mit diesem ein verständliches Gespräch zu führen und dabei gerade zu stehen, noch der eigentlichen Tatausführung und dem Umstand, dass er beim zweiten Angriff auf den Geschädigten den Satz "ich reiß dich nieder" hervorbrachte , ausreichend sicher entnommen werden, dass der Kläger nicht im Vollrausch handelte. Die Gesamtwürdigung des Berufungsgerichts lässt wesentliche Fallumstände außer Acht und erscheint insgesamt lückenhaft. Sie begründet im Übrigen die Besorgnis, dass das Berufungsgericht ohne sachverständige Hilfe und auch ausreichende eigene Sachkunde einzelnen wenigen psychodiagnostischen Beweisanzeichen eine zu große Aussagekraft beigemessen hat.
15
Sowohl der Geschädigte als auch dessen Verlobte haben übereinstimmend davon berichtet, dass der Kläger schon bei dem Gespräch eineinhalb Stunden vor den Angriffen, welches sich in einer Beschimpfung des früheren Arbeitgebers des Klägers erschöpfte, einen stark alkoholisierten Eindruck machte, mag er zu diesem Zeitpunkt auch noch gerade gestanden haben. Jedenfalls die Verlobte des Geschädigten will schon zu diesem Zeitpunkt bemerkt haben, dass der Kläger Sprachschwierigkeiten zeigte ("lallte"). Diese vom Berufungsgericht nicht erwähnte Beob- achtung deutet bereits auf erhebliche alkoholbedingte Ausfallerscheinungen hin und steht nicht notwendigerweise im Widerspruch dazu, dass der Geschädigte selbst den Kläger noch gut verstehen konnte. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger selbst habe nicht behauptet, nach diesem Gespräch bis zum Angriff auf den Geschädigten noch besonders viel Alkohol getrunken zu haben, findet in den Akten keine Stütze. Nach der Behauptung des Klägers hat er stündlich bis zu sechs Gläser Bier, ferner unbekannte Mengen an Apfelkorn getrunken. Das bedeutet , dass er in den verbleibenden ca. 90 Minuten seit dem Gespräch noch ca. acht bis neun weitere Gläser Bier und auch Apfelkorn getrunken haben will. Für einen ohnehin schon stark alkoholisierten Menschen ist das ein erheblicher weiterer Alkoholkonsum.
16
Die Einschätzung des Berufungsgerichts, die Tatausführung selbst spreche gegen eine Zurechnungsunfähigkeit des Klägers, weil dieser den Geschädigten auf dem Nachhauseweg verfolgt und zweimal massiv und erfolgreich von hinten attackiert habe, vermag deshalb nicht zu überzeugen, weil sie außer Acht lässt, dass ein nachvollziehbares Motiv für das äußerst aggressive Verhalten des Klägers nicht ersichtlich ist und er - obwohl selbst unverletzt - nach beiden Angriffen zunächst am Boden liegen blieb, im ersten Falle dort wild und unmotiviert um sich schlagend, weil er - wie das Berufungsgericht selbst feststellt - stark betrunken war. Dass das Berufungsgericht in alldem dennoch ein willensgesteuertes, "logisch nachvollziehbares" Verhalten erkennen will, erschließt sich auch nicht ohne Weiteres daraus, dass der Kläger noch imstande war, den Satz "ich reiß dich nieder" zu sprechen.
17
Es kommt hinzu, dass das Berufungsgericht, wie seine Darlegungen zur Schwierigkeit der Ermittlung von Anknüpfungstatsachen für eine Begutachtung zeigen, dem Kläger offensichtlich geglaubt hat, dass er an das Geschehen keine genaue Erinnerung mehr habe. Inwieweit diese Amnesie auch für das Vorliegen eines Vollrausches sprechen kann, hat das Berufungsgericht aber nicht geprüft.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 21.04.2006 - 8 O 292/05 -
OLG Celle, Entscheidung vom 12.10.2006 - 8 U 130/06 -