Bundesgerichtshof Beschluss, 9. Feb. 2023 - I ZR 142/22

erstmalig veröffentlicht: 20.03.2023, letzte Fassung: 20.03.2023
vorgehend
Hanseatisches Oberlandesgericht, 13 U 58/22, 26.07.2022
Landgericht Hamburg, 415 HKO 45/20, 27.08.2021

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

Zusammenfassung des Autors

Der Bundesgerichtshof (BGH) äußert sich zur Befangenheit eines Richters bei Vorbefassung der Ehefrau im selben Fall. Zwar sei eine generallisierende Annahme eines Ausschlussgrundes bei Richter:innen die miteinander verheiratet sind nicht geboten. Ein böser Schein der Befangenheit liege jedoch dann vor, wenn ein:e Richter:in die Entscheidung, die der Ehegatte nun in der höheren Instanz entscheiden soll, als Einzelrichter getroffen hat. 

Der BGH "erweitert" diese Rechtsprechung und meint, dass eine Entscheidung die mittels eines einstimmig gefassten Beschlusses getroffen mit der Konstellation vergleichbar ist, bei der ein Einzelrichter die Entscheidung trifft, da nach außen erkennbar wird, welche Ansicht die:der fragliche:r Richter:in hat. Der böse Schein der Befangenheit ist mithin auch in diesem Fall begründet.

Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin

 

 

BUNDEGERICHTSHOF

Beschluss vom 09.02.2023

Az.: I ZR 142/22
 

Die Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn der abgelehnte Richter als Mitglied des Revisionsgerichts im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Beschluss zu entscheiden hat, mit dem das Berufungsgericht die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen hat, und an diesem Beschluss die Ehefrau des abgelehnten Richters als Berufungsrichterin mitgewirkt hat.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2023 durch 
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, die Richterinnen Dr. Schwonke, Pohl, 
Dr. Schmaltz und den Richter Odörfer
beschlossen:


Die Selbstablehnung von Richter am Bundesgerichtshof Dr. L. 
und das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch der Klägerin werden für begründet erklärt. 

Gründe

I.

Die Klägerin hat die Beklagte auf der Grundlage einer von den Parteien geschlossenen Vereinbarung auf Zahlung einer Provision in Anspruch genommen. Das Landgericht hat - soweit noch von Bedeutung - der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten nach vorherigem Hinweis durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Dagegen hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Richter am Bundesgerichtshof Dr. L.   , der auf der Grundlage der senatsinternen Mitwirkungsgrundsätze zur Mitwirkung an der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten berufen wäre, hat angezeigt, dass seine Ehefrau an der angefochtenen Entscheidung des Berufungsgerichts mitgewirkt hat.

Die Parteien hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Die Klägerin hat Richter am Bundesgerichtshof Dr. L.   wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Beklagte hat mitgeteilt, aus ihrer Sicht liege ein Befangenheitsgrund vor; sie beantragt, in diesem Sinn über die Anzeige von Richter am Bundesgerichtshof Dr. L.   zu entscheiden.

II.

Die Selbstablehnung des Richters am Bundesgerichtshof Dr. L.   und das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch der Klägerin sind begründet.

1.

Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der "böse Schein", das heißt der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität (BVerfG, NJW 2012, 3228 [juris Rn. 13]). Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln. Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des abgelehnten Richters aufkommen lassen (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2016 - VII ZR 36/14, NJW 2016, 1022 [juris Rn. 9]; Beschluss vom 20. November 2017 - IX ZR 80/15, juris Rn. 3; Beschluss vom 21. Juni 2018 - I ZB 58/17, NJW 2019, 516 [juris Rn. 10]). Solche Zweifel können sich aus dem Verhalten des Richters innerhalb oder außerhalb des konkreten Rechtsstreits, aus einer besonderen Beziehung des Richters zum Gegenstand des Rechtsstreits oder zu Prozessbeteiligten (vgl. BGH, NJW 2019, 516 [juris Rn. 10] mwN) oder - wie vorliegend - aus nahen persönlichen Beziehungen zwischen an derselben Sache beteiligten Richtern ergeben.

2.

Nach diesen Maßstäben sind aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters am Bundesgerichtshof Dr. L.  gerechtfertigt.

a)

Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Mitwirkung des Ehegatten eines Rechtsmittelrichters an der angefochtenen Entscheidung keinen generellen Ablehnungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2003 - II ZB 31/02, NJW 2004, 163 [juris Rn. 7]; Beschluss vom 17. März 2008 - II ZR 313/06, NJW 2008, 1672; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. August 2015 - III ZR 170/14, MDR 2016, 49 [juris Rn. 3]). Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof damit begründet, dass eine solche generalisierende, allein auf die Tatsache des ehelichen Verhältnisses abstellende Betrachtung im Ergebnis auf dem Umweg über § 42 ZPO zu einer unzulässigen Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 41 ZPO führen würde, da sie faktisch einem Ausschluss kraft Gesetzes gleichkäme (BGH, NJW 2004, 163 [juris Rn. 7]). Die Vorschrift des § 41 ZPO zähle die Ausschließungsgründe abschließend auf. Schon wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen Richter im voraus möglichst eindeutig zu bestimmen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), sei die Vorschrift einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich (BGH, NJW 2004, 163 [juris Rn. 6]). Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat im Schrifttum Kritik erfahren (Feiber, NJW 2004, 650 f.; M. Vollkommer, EWiR 2004, 205, 206; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 42 Rn. 13a mwN).

b)

Vorliegend muss nicht entschieden werden, ob an dieser Rechtsprechung uneingeschränkt festgehalten werden kann. Jedenfalls liegt im Streitfall ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit von Richter am Bundesgerichtshof Dr. L.   zu rechtfertigen.

aa)

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass es den Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters begründen kann, wenn seine Ehefrau nicht lediglich als Mitglied eines Kollegialgerichts an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt, sondern diese als Einzelrichterin allein verantwortet hat. Denn aus Sicht der ablehnenden Partei kann die Alleinverantwortung der Ehefrau des abgelehnten Richters für das angefochtene Urteil zu einer Solidarisierungsneigung des abgelehnten Richters führen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2020 - III ZB 61/19, NJW-RR 2020, 633 [juris Rn. 13]). Letztere ist nicht in gleichem Maße zu erwarten, wenn der Ehegatte des abgelehnten Richters lediglich als Mitglied eines Kollegialgerichts an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat (vgl. BGH, NJW 2004, 163 [juris Rn. 8]; BGH, NJW-RR 2020, 633 [juris Rn. 13]; Fellner, MDR 2020, 777, 778).

bb)

Im Streitfall hat die Ehefrau des Richters am Bundesgerichtshofs Dr. L.   an einem die Berufung der Beklagten zurückweisenden Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO mitgewirkt, der nach der gesetzlichen Regelung nur einstimmig gefasst werden kann. Sie hat damit nicht allein als - möglicherweise überstimmtes - Mitglied eines Kollegiums, sondern infolge der Einstimmigkeit des gefassten Beschlusses in nach außen erkennbarer Weise die Verantwortung für die angefochtene Entscheidung mit übernommen. Dieser Fall ist nicht anders zu beurteilen als der Fall, dass der Ehegatte des abgelehnten Richters die angefochtene Entscheidung als Einzelrichter getroffen hat. Ein solcher Sachverhalt begründet ebenfalls die Besorgnis, dass der abgelehnte Richter der Sache nicht unvoreingenommen gegenübersteht.

cc)

Da nach § 42 Abs. 3 ZPO das Ablehnungsrecht in jedem Fall beiden Parteien zusteht, steht dem Erfolg des Ablehnungsgesuchs der Klägerin nicht entgegen, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts zu ihren Gunsten ausgefallen ist. Die Klägerin hat dennoch Veranlassung, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters am Bundesgerichtshof Dr. L.   zu hegen. Auch wenn es näher liegen mag, dass die in der Vorinstanz unterlegene Beklagte eine Solidarisierung des abgelehnten Richters mit seiner Ehefrau befürchtet (vgl. BGH, NJW-RR 2020, 633 [juris Rn. 13]), kann auch die Klägerin die nachvollziehbare Besorgnis hegen, dass der abgelehnte Richter in dem Bestreben, seine Unvoreingenommenheit in dieser Sache zu zeigen, geneigt sein könnte, dem Begehren der Beklagten näherzutreten.

c)

Eine Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl. I S. 661) ist nicht veranlasst. Eine Abweichung gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist nicht gegeben, wenn die Rechtsauffassungen zwar nicht voll übereinstimmen, aber zum selben Ergebnis führen (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1999 - V ZB 1/99, BGHZ 141, 351 [juris Rn. 20] mwN). So liegt es hier.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stellt die Ehe zwischen einer an einem Revisionsgericht tätigen Richterin und einem Richter, der an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, "angesichts der Komplexität der Verfahren und der Intensität, mit der sich die für die Entscheidung zuständigen Richter mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzen", einen Grund dar, die Besorgnis der Befangenheit der Richterin, deren Ehepartner an der vorinstanzlichen Entscheidung mitgewirkt hat, zu rechtfertigen (BSG, Beschluss vom 18. März 2013 - B 14 AS 70/12 R, BeckRS 2013, 68558 Rn. 7). Nach dieser Rechtsprechung, die maßgeblich auf die Tätigkeit der abgelehnten Richterin oder des abgelehnten Richters an einem der obersten Gerichtshöfe des Bundes abstellt, wäre das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Bundesgerichtshof Dr. L.   ebenfalls begründet.

Koch

Schwonke

Pohl

Schmaltz

Odörfer

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 42 Ablehnung eines Richters


(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt

Zivilprozessordnung - ZPO | § 41 Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes


Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen: 1. in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;2.

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Beschluss vom 09.02.2023

Az.: I ZR 142/22
 

Die Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn der abgelehnte Richter als Mitglied des Revisionsgerichts im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Beschluss zu entscheiden hat, mit dem das Berufungsgericht die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen hat, und an diesem Beschluss die Ehefrau des abgelehnten Richters als Berufungsrichterin mitgewirkt hat.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2023 durch 
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, die Richterinnen Dr. Schwonke, Pohl, 
Dr. Schmaltz und den Richter Odörfer
beschlossen:


Die Selbstablehnung von Richter am Bundesgerichtshof Dr. L. 
und das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch der Klägerin werden für begründet erklärt. 

Gründe

I.

Die Klägerin hat die Beklagte auf der Grundlage einer von den Parteien geschlossenen Vereinbarung auf Zahlung einer Provision in Anspruch genommen. Das Landgericht hat - soweit noch von Bedeutung - der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten nach vorherigem Hinweis durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Dagegen hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Richter am Bundesgerichtshof Dr. L.   , der auf der Grundlage der senatsinternen Mitwirkungsgrundsätze zur Mitwirkung an der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten berufen wäre, hat angezeigt, dass seine Ehefrau an der angefochtenen Entscheidung des Berufungsgerichts mitgewirkt hat.

Die Parteien hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Die Klägerin hat Richter am Bundesgerichtshof Dr. L.   wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Beklagte hat mitgeteilt, aus ihrer Sicht liege ein Befangenheitsgrund vor; sie beantragt, in diesem Sinn über die Anzeige von Richter am Bundesgerichtshof Dr. L.   zu entscheiden.

II.

Die Selbstablehnung des Richters am Bundesgerichtshof Dr. L.   und das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch der Klägerin sind begründet.

1.

Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der "böse Schein", das heißt der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität (BVerfG, NJW 2012, 3228 [juris Rn. 13]). Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln. Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des abgelehnten Richters aufkommen lassen (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2016 - VII ZR 36/14, NJW 2016, 1022 [juris Rn. 9]; Beschluss vom 20. November 2017 - IX ZR 80/15, juris Rn. 3; Beschluss vom 21. Juni 2018 - I ZB 58/17, NJW 2019, 516 [juris Rn. 10]). Solche Zweifel können sich aus dem Verhalten des Richters innerhalb oder außerhalb des konkreten Rechtsstreits, aus einer besonderen Beziehung des Richters zum Gegenstand des Rechtsstreits oder zu Prozessbeteiligten (vgl. BGH, NJW 2019, 516 [juris Rn. 10] mwN) oder - wie vorliegend - aus nahen persönlichen Beziehungen zwischen an derselben Sache beteiligten Richtern ergeben.

2.

Nach diesen Maßstäben sind aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters am Bundesgerichtshof Dr. L.  gerechtfertigt.

a)

Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Mitwirkung des Ehegatten eines Rechtsmittelrichters an der angefochtenen Entscheidung keinen generellen Ablehnungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2003 - II ZB 31/02, NJW 2004, 163 [juris Rn. 7]; Beschluss vom 17. März 2008 - II ZR 313/06, NJW 2008, 1672; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. August 2015 - III ZR 170/14, MDR 2016, 49 [juris Rn. 3]). Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof damit begründet, dass eine solche generalisierende, allein auf die Tatsache des ehelichen Verhältnisses abstellende Betrachtung im Ergebnis auf dem Umweg über § 42 ZPO zu einer unzulässigen Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 41 ZPO führen würde, da sie faktisch einem Ausschluss kraft Gesetzes gleichkäme (BGH, NJW 2004, 163 [juris Rn. 7]). Die Vorschrift des § 41 ZPO zähle die Ausschließungsgründe abschließend auf. Schon wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen Richter im voraus möglichst eindeutig zu bestimmen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), sei die Vorschrift einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich (BGH, NJW 2004, 163 [juris Rn. 6]). Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat im Schrifttum Kritik erfahren (Feiber, NJW 2004, 650 f.; M. Vollkommer, EWiR 2004, 205, 206; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 42 Rn. 13a mwN).

b)

Vorliegend muss nicht entschieden werden, ob an dieser Rechtsprechung uneingeschränkt festgehalten werden kann. Jedenfalls liegt im Streitfall ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit von Richter am Bundesgerichtshof Dr. L.   zu rechtfertigen.

aa)

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass es den Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters begründen kann, wenn seine Ehefrau nicht lediglich als Mitglied eines Kollegialgerichts an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt, sondern diese als Einzelrichterin allein verantwortet hat. Denn aus Sicht der ablehnenden Partei kann die Alleinverantwortung der Ehefrau des abgelehnten Richters für das angefochtene Urteil zu einer Solidarisierungsneigung des abgelehnten Richters führen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2020 - III ZB 61/19, NJW-RR 2020, 633 [juris Rn. 13]). Letztere ist nicht in gleichem Maße zu erwarten, wenn der Ehegatte des abgelehnten Richters lediglich als Mitglied eines Kollegialgerichts an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat (vgl. BGH, NJW 2004, 163 [juris Rn. 8]; BGH, NJW-RR 2020, 633 [juris Rn. 13]; Fellner, MDR 2020, 777, 778).

bb)

Im Streitfall hat die Ehefrau des Richters am Bundesgerichtshofs Dr. L.   an einem die Berufung der Beklagten zurückweisenden Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO mitgewirkt, der nach der gesetzlichen Regelung nur einstimmig gefasst werden kann. Sie hat damit nicht allein als - möglicherweise überstimmtes - Mitglied eines Kollegiums, sondern infolge der Einstimmigkeit des gefassten Beschlusses in nach außen erkennbarer Weise die Verantwortung für die angefochtene Entscheidung mit übernommen. Dieser Fall ist nicht anders zu beurteilen als der Fall, dass der Ehegatte des abgelehnten Richters die angefochtene Entscheidung als Einzelrichter getroffen hat. Ein solcher Sachverhalt begründet ebenfalls die Besorgnis, dass der abgelehnte Richter der Sache nicht unvoreingenommen gegenübersteht.

cc)

Da nach § 42 Abs. 3 ZPO das Ablehnungsrecht in jedem Fall beiden Parteien zusteht, steht dem Erfolg des Ablehnungsgesuchs der Klägerin nicht entgegen, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts zu ihren Gunsten ausgefallen ist. Die Klägerin hat dennoch Veranlassung, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters am Bundesgerichtshof Dr. L.   zu hegen. Auch wenn es näher liegen mag, dass die in der Vorinstanz unterlegene Beklagte eine Solidarisierung des abgelehnten Richters mit seiner Ehefrau befürchtet (vgl. BGH, NJW-RR 2020, 633 [juris Rn. 13]), kann auch die Klägerin die nachvollziehbare Besorgnis hegen, dass der abgelehnte Richter in dem Bestreben, seine Unvoreingenommenheit in dieser Sache zu zeigen, geneigt sein könnte, dem Begehren der Beklagten näherzutreten.

c)

Eine Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl. I S. 661) ist nicht veranlasst. Eine Abweichung gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist nicht gegeben, wenn die Rechtsauffassungen zwar nicht voll übereinstimmen, aber zum selben Ergebnis führen (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1999 - V ZB 1/99, BGHZ 141, 351 [juris Rn. 20] mwN). So liegt es hier.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stellt die Ehe zwischen einer an einem Revisionsgericht tätigen Richterin und einem Richter, der an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, "angesichts der Komplexität der Verfahren und der Intensität, mit der sich die für die Entscheidung zuständigen Richter mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzen", einen Grund dar, die Besorgnis der Befangenheit der Richterin, deren Ehepartner an der vorinstanzlichen Entscheidung mitgewirkt hat, zu rechtfertigen (BSG, Beschluss vom 18. März 2013 - B 14 AS 70/12 R, BeckRS 2013, 68558 Rn. 7). Nach dieser Rechtsprechung, die maßgeblich auf die Tätigkeit der abgelehnten Richterin oder des abgelehnten Richters an einem der obersten Gerichtshöfe des Bundes abstellt, wäre das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Bundesgerichtshof Dr. L.   ebenfalls begründet.

Koch

Schwonke

Pohl

Schmaltz

Odörfer

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 36/14
vom
13. Januar 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage der Besorgnis der Befangenheit eines Richters, der Mitglied der
Spruchgruppe eines beim Bundesgerichtshofs anhängigen Rechtsstreits ist, der
derzeit ausgesetzt ist und dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung
einer Richtlinie vorgelegt ist, weil der Richter sich zu dem Fall und der Vorlageentscheidung
des Bundesgerichtshofs auf einer Fachtagung öffentlich geäußert
hat.
BGH, Beschluss vom 13. Januar 2016 - VII ZR 36/14 - OLG Zweibrücken
LG Frankenthal (Pfalz)
ECLI:DE:BGH:2016:130116BVIIZR36.14.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Halfmeier und Dr. Kartzke und die Richterinnen Graßnack und Sacher
beschlossen:
Das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen den Richter am Bundesgerichtshof X wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin ließ sich am 1. Dezember 2008 in Deutschland Silikonbrustimplantate einsetzen, die von einem in Frankreich ansässigen Unternehmen , das zwischenzeitlich in Insolvenz gefallen ist, hergestellt worden waren.
2
Silikonbrustimplantate sind Medizinprodukte, die nach Art. 1 der Richtlinie 2003/12/EG der Kommission vom 3. Februar 2003 zur Neuklassifizierung von Brustimplantaten im Rahmen der Richtlinie 93/42/EWG (ABl. 2003 L 28 S. 43 f.) als Medizinprodukte der Klasse III eingestuft werden. Medizinprodukte der Klasse III dürfen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Medizinproduktegesetz nur in den Verkehr gebracht werden, wenn unter anderem ein Konformitätsbewertungsverfahren nach § 37 Abs. 1 MPG, § 7 Abs. 1 Nr. 1 (vormals § 6 Abs. 1 Nr. 1) Medizinprodukte -Verordnung (MPV) in Verbindung mit Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG durchgeführt worden ist. Bestandteil dieses Konformitätsbewer- tungsverfahrens ist das Qualitätssicherungssystem, die Prüfung der Produktauslegung und die Überwachung (Nr. 3 bis 5 Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG). Die förmliche Überprüfung (Audit) des Qualitätssicherungssystems , die Prüfung der Produktauslegung und die Überwachung werden von einer sogenannten "benannten Stelle" durchgeführt, die der Hersteller zu beauftragen hat. Das Herstellerunternehmen beauftragte die Beklagte als benannte Stelle mit den genannten Aufgaben.
3
2010 stellte die zuständige französische Behörde fest, dass bei der Herstellung der Brustimplantate entgegen dem Qualitätsstandard minderwertiges Industriesilikon verwendet wurde. Auf ärztlichen Ratschlag ließ sich die Klägerin daraufhin 2012 ihre Implantate entfernen. Sie begehrt deshalb von der Beklag- ten ein Schmerzensgeld von 40.000 € und die Feststellung der Ersatzpflicht für künftig entstehende materielle Schäden.
4
Ihre Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Im Verfahren der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 93/42/EWG vom 14. Juni 1993 vorgelegt (Beschluss vom 9. April 2015 - VII ZR 36/14, NJW 2015, 2737).

II.

5
Im Revisionsverfahren, in dem die Klägerin ihre Klageanträge weiterverfolgt , hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 den Richter am Bundesgerichtshof X wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Der abgelehnte Richter, der Berichterstatter gewesen sei, habe sich am 25. September 2015 bei einer öffentlichen Fachtagung für Haftpflichtrecht in H. zu dem anhängigen Verfahren geäußert und dabei Äußerungen getätigt, die bei der Beklagten den Eindruck der Voreingenommenheit erweckten. Im Einzelnen: Die Äußerungen stünden in unmittelbarem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Verfahren, das aktuell bei dem Senat anhängig sei, dem der abgelehnte Richter angehöre, auch wenn der Senat die Entscheidung über die Revision ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte vorgelegt habe. Bei seinem Vortrag habe der abgelehnte Richter zwar die Parteien nicht namentlich genannt, jedoch hätten seine an die Teilnehmer ausgeteilten Unterlagen das einschlägige Aktenzeichen des Bundesgerichtshofs enthalten. Der abgelehnte Richter habe zudem davon gesprochen, dass Industriesilikon krebserregend sei oder jedenfalls eine krebserregende Wirkung nicht ausgeschlossen werden könne. Dies sei im Rechtsstreit jedoch streitig und von den Tatsacheninstanzen nicht positiv festgestellt worden. Der abgelehnte Richter habe weiter ausgeführt, dass die benannte Stelle möglicherweise sich von der Verwendung "wertvollen" Silikons zu überzeugen habe und ein bloßes "Vorbeigehen und Kucken" eventuell nicht ausreiche. Es sei von den Vorinstanzen aber nicht festgestellt, dass die Beklagte nur "vorbeigegangen und gekuckt" habe. Die Formulierung werte die Position der Beklagten ab, weil sie eine oberflächliche und unsorgfältige Vorgehensweise beim Audit suggeriere. In diesem Zusammenhang habe der abgelehnte Richter anekdotenhaft von seiner Tätigkeit als Werksstudent in einem Stahlunternehmen erzählt, wo nach Ankündigung einer Aufsicht die Schutzmaßnahmen zur Einhaltung von Sicherheitsvorschriften "auf Vordermann" gebracht worden seien. Am Tag danach seien diese jedoch wieder fallengelassen worden. Die Beklagte verstehe den Zusammenhang zwischen dem anhängigen Sachverhalt und der Anekdote nicht, dieser impliziere jedoch, dass der abgelehnte Richter der Ansicht sei, dass die Beklag- te jederzeit mit dem betrügerischen Verhalten der französischen Herstellerfirma habe rechnen müssen. Auf den von einigen Teilnehmern der Veranstaltung erhobenen Einwand, für die benannten Stellen ergebe sich ein hohes Haftungsrisiko , habe der abgelehnte Richter geantwortet, dass mit den Zertifizierungen viel Geld verdient werde, aber keiner haften wolle; zudem stehe es jeder angefragten Institution frei, ob sie dieses Risiko eingehe. Auf die Frage nach dem Beweis eines konkreten Schadens und der Beweislast für die Kausalität habe der abgelehnte Richter zunächst darauf verwiesen, dass es sich um ein laufendes Verfahren handele; gleichwohl habe er dazu eine klare Meinung und das Institut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sei schon seit über 100 Jahren bekannt. Auf die ebenfalls in der Diskussion gestellte Frage nach der Überschaubarkeit des geschützten Personenkreises in den Fällen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter habe er auf die Aufweichung dieser Voraussetzung in sogenannten Anlegerfällen hingewiesen. Die Beklagte sieht darin eine einseitige Vorfestlegung in der rechtlichen Beurteilung in der Person des abgelehnten Richters zuungunsten der Beklagten. In der gebotenen Gesamtschau aller Umstände lägen objektive Gründe vor, die ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters rechtfertigten.
6
Die Beklagte hat zur Glaubhaftmachung die eidesstattlichen Erklärungen dreier Teilnehmer an der Veranstaltung in H. zu den Akten gereicht. Der abgelehnte Richter hat sich am 9. November 2015 dienstlich geäußert.

III.

7
Das Ablehnungsgesuch ist nicht begründet.
8
Der Senat kann über das Ablehnungsgesuch trotz Aussetzung des Verfahrens entscheiden, weil es sich dabei nicht um eine Entscheidung in der Hauptsache, sondern um eine Nebenentscheidung handelt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 249 Rn. 9).
9
1. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet gemäß § 42 Abs. 2 ZPO nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln (BVerfG, BVerfGE 88, 17, 22 f., juris Rn. 27; BGH, Beschlüsse vom 10. Juni 2013 - AnwZ (Brfg) 24/12, NJW-RR 2013, 1211 Rn. 6; vom 15. März 2012 - V ZB 102/11, NJW 2012, 1890 Rn. 10 und vom 11. Dezember 2002 - VI ZA 8/02, NJW-RR 2003, 281, juris Rn. 4). Als Umstände in diesem Sinne kommen dabei nur objektive Gründe in Betracht, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit parteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2005 - II ZR 304/03, BGH-Report 2005, 1350, juris Rn. 1).
10
2. Nach diesen Maßstäben liegen Ablehnungsgründe nicht vor. Es liegen keine Umstände vor, die den Anschein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit begründen.
11
a) Die Teilnahme eines Richters an Seminaren zu aktuellen Rechtsfragen stellt keinen Befangenheitsgrund dar. Die Teilnahme von Richtern am Bundesgerichtshof und anderen Gerichten an wissenschaftlichen Veranstaltungen ist üblich und allgemein bekannt. Sie dient der Darstellung und Vermittlung der Rechtsprechung der Gerichte und dem Austausch von Meinungen, auch in Bezug auf sich neu stellende Probleme und deren wissenschaftlichen Hintergrund.
Ein solcher wissenschaftlicher Austausch ist für ein oberstes Bundesgericht unverzichtbar. Damit geht einher, dass die Teilnahme von Richtern an solchen Tagungen und Seminaren und ihre dortigen Meinungsbekundungen grundsätzlich nicht geeignet sind, ihre Befangenheit zu begründen (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2002 - XI ZR 388/01, NJW 2002, 2396, juris Rn. 8; vgl. auch BVerfG, BVerfGE 95, 189, 191, juris Rn. 7).
12
Das stellt sich im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht der Beklagten nicht anders dar, weil es sich um ein beim Senat noch anhängiges Verfahren handelte, zu dem der abgelehnte Richter vorgetragen hat. Denn dieser Rechtsstreit ist durch Beschluss vom 9. April 2015 ausgesetzt, weil der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union drei Fragen zur Auslegung der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte vorgelegt hat. Das unterbricht zwar nicht die Anhängigkeit des Rechtsstreits beim Bundesgerichtshof (§§ 148, 249 ZPO), führt aber zu einer Zäsur des Verfahrens durch die Vorlage der Sache an den Gerichtshof. Diese Entscheidung über die Aussetzung und Vorlage ist eine unanfechtbare Zwischenentscheidung, die mit Gründen versehen und veröffentlicht ist und die daher ohne weiteres im wissenschaftlichen Diskurs besprochen und diskutiert werden kann, ohne sich damit als Mitglied des entsprechenden Spruchkörpers dem Vorwurf der Befangenheit auszusetzen.
13
Ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit Gründen veröffentlicht, begegnet es auch keinen Bedenken, im Vortragsskript einer solchen Tagung das Aktenzeichen, unter dem der Beschluss auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs oder den einschlägigen Medien aufgefunden werden kann, zu nennen.
14
b) Ohne Erfolg stützt die Beklagte ihr Ablehnungsgesuch darauf, dass der abgelehnte Richter in seinem Vortrag das vom französischen Hersteller verwendete Industriesilikon als "krebserregend" bezeichnet hat. Diese Frage ist zwar unter den Parteien des Rechtsstreits streitig. Der Richter hat aber seine Aussage sofort dahin korrigiert, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Industriesilikon krebserregende Wirkung besitze. Zudem hat das Berufungsgericht zu dieser Frage keine Feststellungen getroffen, sodass für das Revisionsverfahren davon auszugehen ist, dass das minderwertige Industriesilikon auch krebserregende Wirkung hat. Nur auf dieser Basis hat der Senat über die Sache zu entscheiden.
15
c) Die Beklagte kann ihr Ablehnungsgesuch auch nicht mit Erfolg auf die im freien Vortrag verwandte Formulierung "Vorbeigehen und Kucken reicht eventuell nicht aus" stützen. Genau diese Problematik ist Teil der Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (Beschluss vom 9. April 2015 - VII ZR 36/14, aaO, Fragen 2 und 3). Es stellt sich dabei einerseits die Frage, ob nur unangemeldete Überprüfungen und Untersuchungen die Anforderungen der Richtlinie erfüllen oder nicht. Andererseits geht es um die Intensität der Überprüfungspflicht , also die Frage, ob auch das Produkt selbst der Überprüfung und Untersuchung unterliegt, oder nur der Herstellungsprozess als solcher. Eine Aussage, die Beklagte habe ihre Überprüfungen in dieser oder jener Art und Weise vorgenommen, ist mit dieser Äußerung nicht verbunden.
16
Die in diesem Zusammenhang vom abgelehnten Richter erzählte Anekdote aus der Tätigkeit als Werksstudent diente ersichtlich der Auflockerung des Vortrags. Im Kern trifft auch diese Äußerung eine der für den Senat entscheidenden Vorfragen, nämlich ob die Richtlinie unangemeldete Kontrollen erfordert , um auf diese Weise die Überprüfung und Kontrolle ausreichend effektiv zu gestalten. Dass der französische Hersteller verschiedene Institutionen und Per- sonen getäuscht und betrogen hat, steht zwischen den Parteien außer Frage. Die Anekdote impliziert nicht, dass die Beklagte mit einem systematischen Betrug des Herstellers rechnen musste. Eine objektiv begründete Besorgnis der Befangenheit ist deshalb insoweit nicht zu erkennen.
17
d) Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters ergibt sich auch nicht daraus, dass er auf die Frage nach dem hohen, gegebenenfalls ausufernden Haftungsrisiko der benannten Stelle darauf hingewiesen hat, dass es zum einen die freie Entscheidung einer jeden Prüforganisation sei, dieses Risiko einzugehen und die Zertifizierung zu übernehmen, und andererseits mit dem Zertifizierungsauftrag über längere Zeit ein nicht unerhebliches Entgelt verbunden sei. Beides ist richtig. Der Vorwurf, durch diese Äußerung zu zeigen, bereits hinsichtlich der Haftungsfrage festgelegt zu sein, begründet sich hieraus objektiv nicht. Der Richter hat vielmehr zu erkennen gegeben, dass ihm die Problematik des geschützten Personenkreises und die Gefahr ausufernder Haftung beim Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bekannt und damit für die in Zukunft gegebenenfalls zu treffende Entscheidung deren Relevanz durchaus bewusst ist. Eine Festlegung in die eine oder andere Richtung liegt nicht vor. Die Äußerung ist allgemeiner Art, ergebnisoffen und nicht direkt fallbezogen. Gleiches gilt für den Verweis auf die "Anlagefälle" unter Anwendung des Instituts des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
18
e) Zu Schadens- und Kausalitätsfragen hat der abgelehnte Richter unter Hinweis auf das noch laufende Verfahren keine Antwort gegeben. Wenn er insoweit eine klare, aber nicht kundgetane Meinung hat, begründet dies nicht die Besorgnis der Befangenheit zulasten der Beklagten, denn hieraus ergibt sich nicht, dass der Richter nicht bereit ist, seine Meinung kritisch zu überprüfen und das Vorbringen der Prozessbeteiligten unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2002 - XI ZR 388/01, NJW 2002, 2396, juris Rn. 7; BAG, BAGE 71, 293, 296, juris Rn. 11). Die Äußerung einer Rechtsauffassung begründet die Besorgnis der Befangenheit auch dann nicht, wenn sie für das Prozessziel eines Beteiligten nachteilig ist, sondern nur, wenn sie eine unsachliche oder willkürliche Einstellung des Richters erkennen lässt. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Äußerungen des abgelehnten Richters lassen erkennen, dass er eine rechtliche Meinung zu den im Revisionsverfahren einschlägigen Rechtsproblemen hat. Dafür, dass diese Ausdruck einer unsachlichen oder willkürlichen Einstellung ist oder eine Bereitschaft, sich mit anderen Auffassungen auseinanderzusetzen, fehlt, bieten die Äußerungen keine Anhaltspunkte (vgl. BFH, HFR 2010, 959, 960, juris Rn. 11).
19
f) Auch die Gesamtschau der von der Beklagten geltend gemachten Umstände und Meinungsäußerungen des abgelehnten Richters rechtfertigen aus der Sicht einer objektiv urteilenden, vernünftigen Prozesspartei den Vorwurf der mangelnden Unvoreingenommenheit gegenüber der Beklagten nicht. Das Verhalten des Richters begründet nicht die Annahme, die von ihm mitbestimmte Rechtsprechung des Senats zu Haftungsfällen wie diesen unter Anwendung des Rechtsinstituts des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder aus unerlaubter Handlung in Verbindung mit einem Schutzgesetz (hier: für Medizinprodukte ) beruhe auf unsachlichen Erwägungen und hindere ihn daran, das Vorbringen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen und sachlich zu würdigen.
Eick Halfmeier Kartzke Graßnack Sacher
Vorinstanzen:
LG Frankenthal, Entscheidung vom 14.03.2013 - 6 O 304/12 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 30.01.2014 - 4 U 66/13 -
3
1. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln. Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit der abgelehnten Richter aufkommen lassen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - V ZR 8/10, NJW-RR 2012, 61 Rn. 5; vom 13. Januar 2016 - VII ZR 36/14, NJW 2016, 1022 Rn. 9).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 58/17
vom
21. Juni 2018
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn seine
Ehegattin als Sekretärin der Rechtsanwaltskanzlei tätig ist, die den Gegner vor
diesem Richter vertritt, wenn aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei unter
Berücksichtigung der Umstände die Besorgnis besteht, dass der Prozessbevollmächtigte
des Gegners auf die Ehefrau und diese wiederum auf den Richter unzulässig
Einfluss nimmt (Fortführung von BGH, Beschluss vom 15. März 2012 -
V ZB 102/11, NJW 2012, 1890).
BGH, Beschluss vom 21. Juni 2018 - I ZB 58/17 - Kammergericht
LG Berlin
ECLI:DE:BGH:2018:210618BIZB58.17.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juni 2018 durch die Richter Prof. Dr. Koch und Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter Feddersen und die Richterin Dr. Schmaltz

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 18. Juli 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:


1
I. Die Parteien streiten im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens über die Begründetheit eines Ablehnungsgesuchs der Schuldnerin gegen den Vorsitzenden eines Zivilsenats des Kammergerichts.
2
Die Schuldnerin wurde durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Juni 2014 unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung DAS OMEN (IM KREIS DES BÖSEN) oder die Bezeichnung DAS OMEN IM KREIS DES BÖSEN für Ton- und/oder Bildträger zu benutzen oder benutzen zu lassen. Außerdem hat das Landgericht Berlin die Schuldnerin zur Auskunftserteilung verurteilt. Im vorliegenden Ordnungsmittel- und Zwangsgeldverfahren hat die Gläubigerin gegen die Schuldnerin wegen Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes und wegen Nichterteilung der Auskunft die Festsetzung eines Zwangsgeldes beantragt. Das Landgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Mit ihrer sofortigen Beschwerde hat die Gläubigerin weiterhin die Festsetzung eines Ordnungsgeldes begehrt; der Zwangsgeldantrag ist von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
3
Die Gläubigerin wird von Rechtsanwalt H. vertreten, der eine Einzelkanzlei in Berlin führt. Die Ehefrau des Vorsitzenden des mit dem Beschwerdeverfahren befassten Senats des Kammergerichts ist in der Kanzlei von Rechtsanwalt H. in Teilzeit als Sekretärin beschäftigt. Diesen Umstand hatte der Vorsitzende Richter in einem zwischen der Gläubigerin und einem mit der Schuldnerin verbundenen Unternehmen geführten weiteren Rechtsstreit im Oktober 2014 gemäß § 48 ZPO den Parteien mitgeteilt. In der Mitteilung führte der Vorsitzende Richter aus, dass er wegen der seit längerer Zeit bestehenden Teilzeitbeschäftigung seiner Ehefrau mit Rechtsanwalt H. auch persönlich bekannt geworden sei und beide vor ein paar Jahren bei der Anrede vom "Sie" zum "Du" übergegangen seien. Persönliche oder gar freundschaftliche Beziehungen bestünden jedoch nicht. Der Kontakt beschränke sich, von seltenen Ausnahmen abgesehen , auf ein alljährliches Zusammentreffen im Rahmen einer Weihnachtsfeier des Rechtsanwaltsbüros, an der der Vorsitzende Richter als Partner seiner im Büro tätigen Ehefrau teilnehme. Auf diese Mitteilung hat der zuständige Senat des Beschwerdegerichts durch Beschluss eine Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden Richters für unbegründet erklärt. Die in dem Beschluss zugelassene Rechtsbeschwerde wurde nicht eingelegt.
4
Im vorliegenden Zwangsvollstreckungsverfahren hat die Schuldnerin den Vorsitzenden des mit der Beschwerde der Gläubigerin befassten Senats des Kammergerichts unter Bezugnahme auf dessen in dem anderen Verfahren abgegebenen Mitteilung wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Ablehnungsgesuch weiter. Die Gläubigerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
5
II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, eine Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden des Beschwerdesenats liege nicht vor. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
6
Der Umstand, dass die Ehefrau des Vorsitzenden Richters als Sekretärin im Büro des Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin tätig sei, begründe keine Zweifel an der Unbefangenheit des Richters, weil es an der Gefahr einer fachlichen Einflussnahme fehle.
7
Angestellte Sekretärinnen seien zudem regelmäßig - wie auch im Streitfall - nicht am Gewinn einer Rechtsanwaltskanzlei beteiligt. Das arbeitsrechtliche Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Ehefrau des Richters als Sekretärin und dem Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin - der seinerseits Organ der Rechtspflege sei - habe unmittelbar keinen Einfluss auf die richterlichen Befugnisse ihres Ehemanns. Die soziale Abhängigkeit der Familie des Richters insgesamt sei bei derartigen Beschäftigungsverhältnissen gering. Insgesamt könne für Fallgestaltungen wie die vorliegende erwartet werden, dass Richter über jene innere Unabhängigkeit und Distanz verfügten, die sie befähigten, unvoreingenommen und objektiv zu entscheiden, ohne dass objektiv eine unzulässige Einflussnahme durch den Gegner zu befürchten sei.
8
Daran ändere sich nichts im Hinblick auf den Umstand, dass der Vorsitzende Richter und der Prozessbevollmächtigte der Gläubigerin sich duzten. Angesichts der weitgehend fehlenden sozialen Kontakte zwischen diesen Personen , die sich regelmäßig auf die Weihnachtsfeier des Büros des Rechtsan- walts beschränkten, sei diese Umgangsform kein Ausdruck einer besonderen inneren Verbundenheit.
9
III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann eine Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden des Beschwerdesenats nicht verneint werden.
10
1. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der "böse Schein", das heißt der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität (BVerfG, NJW 2012, 3228 [juris Rn. 13]). Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln. Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht , die aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des abgelehnten Richters aufkommen lassen (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - V ZR 8/10, NJW-RR 2012, 61 Rn. 5; Beschluss vom 13. Januar 2016 - VII ZR 36/14, NJW 2016, 1022 Rn. 9; Beschluss vom 20. November 2017 - IX ZR 80/15, juris Rn. 3). Solche Zweifel können sich zum einen aus dem Verhalten des Richters innerhalb oder außerhalb des konkreten Rechtsstreits sowie aus einer besonderen Beziehung des Richters zum Gegenstand des Rechtsstreits oder - wie vorliegend in Rede stehend - zu Prozessbeteiligten ergeben (vgl. MünchKomm.ZPO/Stackmann , 5. Aufl., § 42 Rn. 7). Maßgeblich sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalls (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2003 - II ZB 31/02, NJW 2004, 163 f. [juris Rn. 8]; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 210/09, NJW- RR 2011, 136 Rn. 7; MünchKomm.ZPO/Stackmann aaO § 42 Rn. 6 und 14; BeckOK.ZPO/Vossler, Stand 1. März 2018, § 42 Rn. 7), die vom Gericht in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2017 - RiZ (R) 1/15, NJW-RR 2017, 1021 Rn. 8; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 42 Rn. 9; Saenger/Bendtsen, ZPO, 7. Aufl., § 42 Rn. 12). Diesen rechtlichen Maßstäben genügt die Beurteilung des Beschwerdegerichts nicht in vollem Umfang.
11
2. Die Rechtsbeschwerde rügt mit Erfolg, dass mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung eine Besorgnis der Befangenheit wegen der besonderen Beziehung des Richters zu einem Prozessbeteiligten nicht verneint werden kann.
12
a) Allerdings hat das Beschwerdegericht im rechtlichen Ausgangspunkt seiner Beurteilung zutreffend erkannt, dass eine Besorgnis der Befangenheit unter dem Gesichtspunkt der besonderen Beziehung des Richters zu einem Prozessbeteiligten gegeben sein kann, wenn eine Ehe oder nahe Verwandtschaft des Richters mit einer in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten einer Partei tätigen Person besteht. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann, wenn sein Ehegatte als Rechtsanwalt in der Kanzlei tätig ist, die den Gegner vor diesem Richter vertritt (BGH, Beschluss vom 15. März 2012 - V ZB 102/11, NJW 2012, 1890 Rn. 9 bis 11).
13
b) Das Beschwerdegericht hat jedoch angenommen, diese Grundsätze seien nicht anwendbar, wenn die Ehegattin des erkennenden Richters nicht als Rechtsanwältin, sondern als Sekretärin in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten einer Partei tätig sei. Die fachliche Kollegialität zwischen Rechtsanwälten einer Kanzlei führe regelmäßig dazu, dass diese fachliche Probleme miteinander austauschten. Daraus ergebe sich die objektive Gefahr, dass in Rechtsge- sprächen des anwaltlichen Ehegatten mit den Kollegen der Kanzlei und dann auch in Rechtsgesprächen zwischen den Ehegatten selbst der Rechtsstreit erörtert werde, der vom richterlichen Ehegatten zu entscheiden sei. Sei die Ehefrau aber nicht als Rechtsanwältin, sondern als Sekretärin in der Kanzlei tätig, fehle es an der Gefahr einer fachlichen Einflussnahme, zumal es dann auch keine Versuchung gebe, juristische Probleme kollegial anzusprechen. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
14
aa) Der Bundesgerichtshof hat die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit darauf gestützt, dass bei einer in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten einer Partei als Rechtsanwältin arbeitenden Ehefrau die Gefahr besteht, dass der Prozessbevollmächtigte auf die Ehefrau und diese wiederum auf den erkennenden Richter unzulässig Einfluss nimmt. Auch wenn grundsätzlich davon auszugehen ist, dass Richter über jene innere Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigen, unvoreingenommen und objektiv zu entscheiden, ist es einer Partei in einem solchen Fall nicht zuzumuten, darauf zu vertrauen, dass eine unzulässige Einflussnahme durch den Gegner unterbleiben wird, und den Richter erst dann abzulehnen, wenn dies doch geschieht und ihr das bekannt wird (BGH, NJW 2012, 1890 Rn. 11).
15
bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann eine unzulässige Einflussnahme mithin nicht nur darin bestehen, dass der Prozessbevollmächtigte einer Partei - vermittelt über den in seiner Kanzlei tätigen Ehegatten - einem Richter rechtliche Gesichtspunkte näherbringt, die eine Entscheidung im Sinne der von ihm vertretenen Partei nahelegen. Das durch die Vorschriften über die Richterablehnung geschützte Vertrauen in die Unvoreingenommenheit, Objektivität (vgl. BVerfGE 108, 122, 126 [juris Rn. 25]) und Neutralität (vgl. BVerfGE 89, 28, 36 [juris Rn. 29]; BGH, Urteil vom 15. Dezember 1994 - I ZR 121/92, NJW 1995, 1678 [juris Rn. 32]) kann vielmehr auch dann maßgeblich beein- trächtigt werden, wenn aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei zu besorgen ist, dass der Prozessbevollmächtigte der Gegenpartei über einen bei ihm beschäftigten Ehepartner des Richters Einfluss ausübt, der nicht in der Vermittlung von rechtlichen Argumenten, sondern etwa darin besteht, dem Richter die Bedeutung eines Prozessgewinns für das Ansehen oder den wirtschaftlichen Erfolg der Kanzlei nahezubringen. Die Rechtsbeschwerde macht mit Recht und in Übereinstimmung mit der Lebenserfahrung geltend, dass eine solche, nicht auf der juristisch-fachlichen Ebene liegende Einflussnahme auch durch eine langjährig als Sekretärin des prozessbevollmächtigten Einzelanwalts beschäftigte Ehefrau des Richters erfolgen kann.
16
cc) Die Rechtsbeschwerde macht außerdem mit Recht geltend, das Beschwerdegericht habe bei seiner Beurteilung außer Acht gelassen, dass das langjährige Beschäftigungsverhältnis der Ehefrau des Vorsitzenden Richters beim Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin für das Vorliegen eines besonderen Vertrauensverhältnisses spricht. Zudem habe die Schuldnerin vorgetragen , dass die Gläubigerin eine wichtige Mandantin für die nur wenige Mitarbeiter beschäftigende Kanzlei des Einzelanwalts sei, weil dort insgesamt fünf "Omen"-Gerichtsverfahren zwischen den Parteien oder mit ihnen verbundenen Gesellschaften geführt würden.
17
Diese vom Berufungsgericht nicht erörterten Umstände sind im Rahmen der vom Gericht vorzunehmenden Gesamtbetrachtung auch erheblich. Sie betreffen den Grad des Interesses des Rechtsanwalts an einer Einflussnahme auf seine Sekretärin und einer möglichen Bereitschaft der Ehefrau des Richters, dieses Interesse ihrem Ehemann zu vermitteln. Daran ändert auch die Erwägung des Beschwerdegerichts nichts, angestellte Sekretärinnen seien regelmäßig - wie auch im Streitfall - nicht am Gewinn einer Rechtsanwaltskanzlei beteiligt. Vorliegend beruht eine mögliche Besorgnis der Befangenheit nicht auf dem Gesichtspunkt eines Eigeninteresses des Richters, das Einkommen seiner Ehefrau und damit das Familieneinkommen durch einen Prozesserfolg der Mandantin der Kanzlei zu erhöhen oder zu sichern. Maßgeblich ist vielmehr die Gefahr einer unzulässigen Einflussnahme des Rechtsanwalts auf den Richter, und zwar vermittelt über dessen bei ihm langjährig als Arbeitnehmerin beschäftigte Ehefrau.
18
3. Nicht frei von Rechtsfehlern ist zudem die Annahme des Beschwerdegerichts , auch im Rahmen einer Gesamtbetrachtung folge eine Besorgnis der Befangenheit nicht daraus, dass sich der Vorsitzende Richter und der Prozessbevollmächtigte der Gläubigerin duzten, weil diese Umfangsform angesichts der sich auf ein Zusammentreffen bei der alljährlichen Weihnachtsfeier beschränkenden sozialen Kontakte kein Ausdruck einer besonderen inneren Verbundenheit sei.
19
Allerdings ist das Beschwerdegericht zutreffend davon ausgegangen, dass allein der Umstand des Duzens noch nicht die Besorgnis rechtfertigt, zwischen dem Richter und dem Anwalt der Gegenseite bestehe eine der Unvoreingenommenheit des Richters entgegenstehende nahe persönliche Beziehung (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - IX ZB 60/06, NJW-RR 2007, 776). Das Beschwerdegericht hat jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, dass die persönliche Bekanntheit des Vorsitzenden Richters mit dem Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin nicht nur dann für die Frage der Besorgnis der Befangenheit relevant ist, wenn sie für sich genommen den Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität unter dem Gesichtspunkt einer besonderen inneren Verbundenheit begründet. Nach den in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehenden besonderen Umständen des Streitfalls ist die persönliche Bekanntheit von Richter und Prozessbevollmächtigten vielmehr ein Aspekt, der aus der Sicht einer vernünftigen Partei zumindest ver- stärkend darauf hindeuten könnte, dass eine über die Ehefrau vermittelte unzulässige Einflussnahme des Rechtsanwalts auf den Richter zu besorgen ist.
20
IV. Danach kann der mit der Rechtsbeschwerde angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts keinen Bestand haben; er ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Koch Löffler Schwonke
Feddersen Schmaltz
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 26.04.2017 - 97 O 176/03 -
Kammergericht, Entscheidung vom 18.07.2017 - 5 W 81/17 -

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 31/02
vom
20. Oktober 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Mitwirkung der Ehefrau eines Rechtsmittelrichters bei dem Erlaß der angefochtenen
(Kollegial-) Entscheidung stellt weder einen Ausschlußgrund entsprechend
§ 41 Nr. 6 ZPO noch generell einen Ablehnungsgrund gemäß § 42
Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im
Rechtsmittelverfahren dar.
BGH, Beschluß vom 20. Oktober 2003 - II ZB 31/02 - KG Berlin
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Kraemer, Münke und Dr. Gehrlein
am 20. Oktober 2003

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 2. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 8. Oktober 2002 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Gegenstandswert: 194.202,50

Gründe:


I. Die Kläger begehren mit der Klage von der Beklagten Zahlung einer Tätigkeitstantieme für das Jahr 1995, im Wege der Stufenklage Auskunft hinsichtlich einer für das Jahr 1996 beanspruchten Tantieme, Erklärung des Einverständnisses mit dem Übergang von Rechten und Pflichten aus Versicherungsverträgen , ferner Zahlung einer vorgezogenen Altersrente und schließlich Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz. Das Landgericht - Kammer für Handelssachen - hat unter dem Vorsitz der Vorsitzenden Richterin am Landgericht W.-G. durch Teilurteil vom 6. Juni 2001 die Beklagte dazu verurteilt, ihr Einverständnis mit dem Übergang von Rechten und Pflichten aus den Versicherungsverträgen zu erklären und an den Kläger zu 1 ab 1. Januar 2001 monatlich im voraus eine vorgezogene Altersrente zu zahlen; ferner hat
es eine Schadensersatzpflicht teilweise festgestellt, das weitergehende Feststellungsbegehren hingegen abgewiesen. Unter Mitwirkung derselben Vorsitzenden hat das Landgericht durch weiteres Teilurteil vom 1. August 2001 die Klage wegen der Tantieme für 1995 abgewiesen. Gegen das erste Teilurteil hat die Beklagte Berufung mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung eingelegt , während der Kläger zu 1 mit seiner Anschlußberufung die Verzinsung der zugesprochenen Altersrente begehrt. Das zweite Teilurteil haben die Kläger in einem parallelen Berufungsrechtsstreit angefochten.
Mit Schreiben vom 26. September 2002 hat der dem zuständigen 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts angehörende Richter am Kammergericht G. die Parteien darauf hingewiesen, daß er der Ehemann der Vorsitzenden Richterin ist, die an dem angefochtenen ersten Teilurteil mitgewirkt hat. Daraufhin haben die Kläger mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2002 diesen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der abgelehnte Richter hat sich dienstlich dahingehend geäußert, er kenne den dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Sachverhalt nicht und schließe aus, mit seiner Ehefrau über den Fall und damit zusammenhängende Rechtsfragen gesprochen zu haben, daher fühle er sich nicht befangen.
Das Kammergericht hat das Ablehnungsgesuch - im Tenor als solches "der Beklagten vom 19. September 2002" bezeichnet - zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der - vom Kammergericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde.
II. 1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zugelassene, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Kläger ist auch im übrigen zulässig. Die Kläger sind durch den angefochtenen Beschluß be-
schwert. Zwar ist nach dem Wortlaut des Beschlußtenors ein "Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 19. September 2002" für unbegründet erklärt worden, und auch in den Gründen ist davon die Rede, daß das Gesuch "der Beklagten" erfolglos bleibe; dabei handelt es sich jedoch, worauf die Kläger in der Beschwerdebegründung zutreffend hinweisen, um offensichtliche - und damit unschädliche - Bezeichnungsfehler, weil es ausweislich der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluß und nach Aktenlage im vorliegenden Verfahren kein Ablehnungsgesuch der Beklagten und darüber hinaus auch kein solches vom 19. September 2002 gibt, sondern allein das Ablehnungsgesuch der Kläger vom 2. Oktober 2002. Nur dieses - auf Seite 3 des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich genannte - Gesuch ist daher vom Kammergericht - objektiv und subjektiv - zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht worden.
2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Kammergericht hat das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen den Richter am Kammergericht G. mit Recht für unbegründet erachtet.

a) Richter am Kammergericht G. ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht nach § 41 Nr. 6 ZPO von der Ausübung des Richteramtes im Berufungsverfahren gegen das (erste) Teilurteil vom 6. Juni 2001 des Landgerichts kraft Gesetzes ausgeschlossen, weil er bei dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung des ersten Rechtszuges nicht selbst mitgewirkt hat. Die Mitwirkung seiner Ehefrau, der Vorsitzenden Richterin am Landgericht W.-G., an diesem Teilurteil ist dem nicht gleichzusetzen, weil § 41 ZPO die Ausschließungsgründe abschließend aufführt; schon wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen Richter im voraus möglichst eindeutig zu bestimmen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), ist die Vorschrift einer er-
weiternden Auslegung nicht zugänglich (vgl. BGH, Urt. v. 5. Dezember 1980 - V ZR 16/80, NJW 1981, 1723 f.; Urt. v. 4. Dezember 1989 - RiZ(R) 5/89, NJW 1991, 425 - jeweils m.w.N.).

b) Die Mitwirkung der Ehefrau eines Rechtsmittelrichters an der angefochtenen Entscheidung stellt auch - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - keinen generellen Ablehnungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar. Eine solche generalisierende, allein auf die Tatsache des ehelichen Näheverhältnisses abstellende Betrachtung würde im Endergebnis auf dem Umweg über § 42 ZPO zu einer unzulässigen Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 41 ZPO führen, da sie faktisch einem Ausschluß kraft Gesetzes gleichkäme.
Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit vielmehr nur dann statt, wenn ein konkreter Grund vorgetragen und glaubhaft gemacht wird, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Nach diesem Maßstab ist im Ablehnungsverfahren nach § 42 Abs. 2 ZPO nicht darüber zu entscheiden, ob der Richter sich befangen fühlt oder tatsächlich befangen ist, sondern ob aus der Sicht einer objektiv und vernünftig urteilenden Partei die Besorgnis besteht, der zur Entscheidung berufene Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber (st. Rspr., Nachweise bei Zöller/Vollkommer, ZPO 23. Aufl. § 46 Rdn. 9). Zu dieser Vorstellung kann eine nach diesem objektivierten Maßstab urteilende Partei nicht allein deswegen gelangen, weil der abgelehnte Richter mit der Vorsitzenden Richterin, die an der im Berufungsverfahren angegriffenen Kollegialentscheidung erster Instanz mitgewirkt, verheiratet ist. Nichts deutet im vorliegenden Fall darauf hin, der abgelehnte Richter könnte
geneigt sein, die Entscheidung, die seine Ehefrau nicht allein getroffen, sondern an der sie als Vorsitzende eines Kollegialgerichts lediglich mitgewirkt hat, aus sachfremden Erwägungen zu bestätigen oder zu ändern bzw. in die kollegiale Senatsentscheidung derartige sachfremde Erwägungen einfließen zu lassen. Umstände, aus denen sich etwas anderes ergeben könnte, haben die Kläger nicht dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO).
Goette Kurzwelly Kraemer
Münke Gehrlein

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 313/06
vom
17. März 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Eine Partei wird nicht in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt, wenn das Berufungsgericht in Anwendung des
§ 538 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO eine eigene Sachentscheidung trifft,
ohne darüber zu befinden, ob das Landgericht einen Ablehnungsantrag
- unter Mitwirkung der abgelehnten Richter - zu Recht als unzulässig verworfen
hat; vielmehr ist im Zivilprozess in dieser Lage das Berufungsgericht “der
gesetzliche Richter“.

b) Eine Rechtsmittelrichterin ist nicht deshalb entsprechend § 41 Nr. 6 ZPO von
der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen, weil ihr Ehegatte an der
angefochtenen Entscheidung des 1. Rechtszugs mitgewirkt hat. Ebenso wenig
ist dieser Umstand allein geeignet, die Ablehnung der Richterin gemäß
§ 42 Abs. 2 ZPO zu rechtfertigen (vgl. Sen.Beschl. v. 20. Oktober 2003
- II ZB 31/02, NJW 2004, 163 f.).
BGH, Beschluss vom 17. März 2008 - II ZR 313/06 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. März 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Strohn, Caliebe,
Dr. Reichart und Dr. Drescher

beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Juli 2006 wird zurückgewiesen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Die Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Die Klägerin ist durch das angefochtene Urteil auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt nicht deshalb vor, weil das Berufungsgericht in Anwendung des § 538 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO eine eigene Sachentscheidung getroffen hat, ohne darüber zu befinden, ob das Landgericht die in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Ablehnungsanträge zu Recht unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen hat. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO lässt im Falle eines in der 1. Instanz unterlaufenen Verfahrensfehlers - hierzu zählt auch die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erstinstanzlichen Gerichts (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 26. Aufl. § 538 Rdn. 14; Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. § 538 Rdn. 11) - eine Zurückverweisung grundsätzlich nur dann zu, wenn auf Grund des Verfahrensmangels außerdem eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Soweit einzelnen Äußerungen im Schrifttum (vgl. Zöller/Gummer/Heßler aaO § 538 Rdn. 15 für den Fall der fehlerhaften Bescheidung eines Ablehnungsantrags in den Urteilsgründen ) zu entnehmen sein sollte, dass eine fehlerhafte erstinstanzliche Entscheidung über eine Befangenheitsablehnung das Berufungsgericht - entgegen dem klaren Wortlaut und dem Sinn des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO - stets zur Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszugs verpflichtet, folgt der Senat dem nicht. Denn die in § 538 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, wonach das Berufungsgericht auch in einem derartigen Fall grundsätzlich selbst in der Sache zu entscheiden hat, wird durch die - in den von der Klägerin herangezogenen, das Strafverfahren betreffenden Entscheidungen nicht zutreffende - Erwägung gerechtfertigt, dass den Parteien im Zivilprozess mit dem Berufungsverfahren eine zweite Tatsacheninstanz eröffnet ist. Ein in der ersten Instanz unterlaufener Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 ZPO zwingt allerdings - ungeachtet der weiteren in § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO genannten Voraussetzungen - dann zur Zurückverweisung, wenn das erstinstanzliche Verfahren überhaupt keine Grundlage für das Berufungsverfahren darstellen kann. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall und wird von der Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht geltend gemacht. Abgesehen davon hat das Landgericht die Ablehnungsanträge ohne Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu Recht als un- zulässig verworfen. Denn die in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gestellten Ablehnungsanträge sind jedenfalls deshalb als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen, weil sie erneut auf einen Sachverhalt gestützt wurden, über den bereits - rechtskräftig - entschieden worden war, dass er die Befangenheit der abgelehnten Richter nicht begründete. Ebenso wenig ist die Rüge der Nichtzulassungsbeschwerde berechtigt , das Berufungsgericht sei wegen der Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht S. nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Die Richterin war wegen der Beteiligung ihres Ehemanns an der angefochtenen Entscheidung des 1. Rechtszugs weder gemäß § 41 Nr. 6 ZPO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen noch war dieser Umstand allein geeignet, die Ablehnung der Richterin gemäß § 42 Abs. 2 ZPO zu rechtfertigen (Sen.Beschl. v. 20. Oktober 2003 - II ZB 31/02, NJW 2004, 163 f.). Abgesehen davon wäre der letztgenannte Verfahrensfehler auch nach §§ 43, 295 ZPO geheilt; denn die Klägerin hat in Kenntnis dieses - nach ihrer nunmehrigen Auffassung die Befangenheit der Richterin S. begründenden - Sachverhalts Anträge gestellt und hat sich in die weitere Verhandlung vor dem Berufungsgericht eingelassen (BGHZ 165, 223, 226 f.; Zöller/Vollkommer aaO vor § 41 Rdn. 2; § 43 Rdn. 1; Thomas/ Putzo, ZPO 28. Aufl. § 43 Rdn. 1). Das Berufungsurteil ist auch materiellrechtlich richtig. Insbesondere hat das Berufungsgericht den Abschluss des konkreten mit der Klägerin geschlossenen Mietvertrags revisionsrechtlich einwandfrei als wesentliche Veränderung des gemeinschaftlichen Gegen- standes i.S. von § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB beurteilt, die der Zustimmung aller Miteigentümer bedurft hätte. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 ZPO). Streitwert: 2.500.000,00 € Goette Strohn Caliebe Reichart Drescher
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 30.06.2004 - 29 O 12083/94 -
OLG München, Entscheidung vom 12.07.2006 - 15 U 4749/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 170/14
vom
26. August 2015
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. August 2015 durch die
Richter Wöstmann, Hucke, Tombrink, Dr. Remmert und Reiter

beschlossen:
Die Selbstablehnung des Vorsitzenden Richters Dr. H. ist unbegründet.

Gründe

I.

1
Der Vorsitzende Richter Dr. H. hat gemäß § 48 ZPO angezeigt, dass der Vorsitzende Richter des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts C. , der bei der mit der Revision angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, der Vater seines Schwiegersohnes ist. Die hierzu angehörten Parteien haben von einer Stellungnahme abgesehen beziehungsweise mitgeteilt, dass der erkennende Senat von Amts wegen entscheiden möge.

II.

2
Die Selbstablehnung ist unbegründet.
3
Aus dem Umstand, dass der Vater des Schwiegersohnes des Rechtsmittelrichters bei der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ergibt sich weder ein Ausschlussgrund gemäß § 41 Nr. 6 ZPO noch ein Grund, der im Sinne von § 42 Abs. 2 ZPO geeignet ist, eine Besorgnis der Befangenheit des Rechtsmittelrichters zu rechtfertigen. Insoweit gilt nichts anderes als in dem Fall, dass der Ehegatte des Rechtsmittelrichters an der vorinstanzlichen Entscheidung mitgewirkt hat (s. dazu BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2003 - II ZB 31/02, NJW 2004, 163 f und vom 17. März 2008 - II ZR 313/06, NJW 2008, 1672). Zu der Vorstellung, dass der Rechtsmittelrichter der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüberstehe, kann eine objektiv und vernünftig denkende Partei nicht allein deswegen gelangen, weil dieser mit einem bei dem angefochtenen Urteil mitwirkenden Richter verheiratet, verwandt oder verschwägert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2003 aaO S. 164). Umstände, aus denen sich hier etwas anderes ergeben könnte, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Wöstmann Hucke Tombrink
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 04.12.2013 - 11 O 8/13 -
OLG Celle, Entscheidung vom 19.05.2014 - 11 U 5/14 -

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:

1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;
2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;
4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist;
5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist;
6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt;
7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird;
8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.