Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2016 - I ZB 31/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:290916BIZB31.16.0
bei uns veröffentlicht am29.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 31/16
vom
29. September 2016
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
ECLI:DE:BGH:2016:290916BIZB31.16.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler und Feddersen

beschlossen:
Die Anträge der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist und der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist werden abgelehnt. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg - 3. Zivilsenat - vom 13. Januar 2016 wird auf Kosten der Antragstellerin als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 4.456,30 €

Gründe:

1
I. Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 25. März 2015 die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Antragsgegnerin. Diesen Antrag wies das Landgericht Würzburg mit Beschluss vom 3. Juni 2015 als unzulässig zurück, weil die Zuständigkeit deutscher Gerichte aufgrund einer Schiedsabrede zugunsten des H. für Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht gegeben sei. Dieser Beschluss war nicht mit einer Kostenentscheidung versehen und wurde der Antragstellerin zugestellt, der Antragsgegnerin aber nur formlos mitgeteilt. Die Antragstellerin legte gegen diesen Beschluss am 29. Juni 2015 sofortige Be- schwerde ein. Das Oberlandesgericht Bamberg wies mit Beschluss vom 12. August 2015, der beiden Parteien formlos mitgeteilt wurde, die sofortige Beschwerde zurück.
2
Am 1. September 2015 hat die Antragsgegnerin beantragt, die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen. Mit Beschluss vom 30. September 2015 hat das Landgericht diesem Antrag entsprochen. Mit Beschluss vom 13. Januar 2016, der Antragstellerin ausweislich des von ihrem Prozessbevollmächtigten unterzeichneten Empfangsbekenntnisses zugestellt am 22. Januar 2016, hat das Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
3
Am 7. März 2016 hat die Antragstellerin Rechtsbeschwerde eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Antragstellerin sei ohne ihr Verschulden gehindert gewesen, bis zum Ablauf der Einlegungsfrist die Rechtsbeschwerde einzulegen. Ein der Antragstellerin zurechenbares Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt R. liege nicht vor. Das Fristenwesen in seiner Kanzlei sei wie folgt organisiert: Die Mitarbeiterin Frau L. öffne die Post, versehe sie mit einem Stempel, lege die Post in eine Postmappe und leite diese Rechtsanwalt R. sowie seiner ebenfalls in diesem Büro als Rechtsanwältin tätigen Ehefrau Dr. B. zu. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt kreuze auf dem von Frau L. auf dem Schriftstück angebrachten Stempel an, ob eine Frist zu notieren sei. Frau L. arbeite dann die angekreuzten Anweisungen ab. Fristen würden mit entsprechenden Vorfristen sowohl in einem EDV-Programm als auch im Fristenkalender eingetragen. Sei ein Empfangsbekenntnis beigefügt, werde der Posteingang alsdann nach Fristnotierung dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt nochmals mit dem Empfangsbekenntnis vorgelegt.
4
Im Streitfall habe Rechtsanwalt R. die mit dem Kreuz im Feld „Frist notieren“ versehene Beschlussausfertigungentgegen der üblichen Vorgehensweise aus der Postmappe entnommen. Die Besonderheit des Falles habe darin bestanden, dass für die Rechtsbeschwerde ein beim Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt habe gefunden werden müssen. Die Postmappe sei ohne die angekreuzte Beschlussausfertigung an Frau L. zurückgelangt, die sodann keine Frist notierte. Rechtsanwalt R. habe die Beschlussausfertigung zunächst auf seinem Schreibtisch behalten. Er habe noch am selben Tag einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt finden wollen. Am 22. Januar 2016 habe er ein Schreiben an die Antragstellerin diktiert, das am 25. Januar 2016 geschrieben und abgesandt worden sei. Am 4. Februar 2016 habe eine Besprechung mit dem Geschäftsführer der Antragstellerin stattgefunden , der den Auftrag zur Einlegung der Rechtsbeschwerde erteilt habe.
5
Wegen einer außergewöhnlichen Belastungssituation sei Rechtsanwalt R. nicht in der Lage gewesen, seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben. Sein zu diesem Zeitpunkt 87 Jahre alter Vater habe am 17. September 2015 einen Herzschrittmacher eingepflanzt bekommen. Im Zuge dieser Operation habe der Vater reanimiert werden müssen. Während der folgenden Rehabilitation im -Klinikum B. sei der Vater ein weiteres Mal auf die Intensivstation verlegt worden und habe künstlich beatmet werden müssen. Sodann habe er sich eine Infektion mit einem resistenten Krankenhauskeim sowie eine Lungenentzündung zugezogen. Am 22. Januar 2016 habe der leitende Arzt Rechtsanwalt R. einbestellt und ihm mitgeteilt, dass die Zusage der Kostenübernahme durch die Krankenkasse lediglich bis zum 26. Januar 2016 gelte. Es müsse ein Platz in einem Pflegeheim gefunden werden. Innerhalb der verbleibenden vier Tage habe Rechtsanwalt R. nur in letzter Minute einen nahegelegenen Pflegeplatz ausfindig machen können. Am 26. Januar 2016 sei der Vater ohne Medikamente und medizinische Hilfsmittel für die Übergangszeit in das Pflegeheim gebracht worden. Rechtsanwalt R. habe mit Hilfe eines Arztes Medikamente und Hilfsmittel beschaffen sowie Kleider und einen Rasierer besorgen müssen; hierzu habe ein ständiger Austausch mit dem Pflegeheim stattgefunden. In den folgenden Tagen habe Rechtsanwalt R. neben täglichen Besuchen beim Vater zahlreiche Termine mit Behandlern und Angestellten von Sanitätshäusern wahrgenommen. Der Zustand des Vaters habe sich im Pflegeheim zunächst gebessert. Am 4. Februar 2016 sei der Vater verstorben. Diese Situation habe die gesamte Kanzlei erheblich belastet, insbesondere Rechtsanwalt R. und seine Ehefrau, Rechtsanwältin Dr. B. . Die Belastungssituation sei für Rechtsanwalt R. h einmalig gewesen und habe Krankheitswert besessen. Hierzu beruft sich die Antragstellerin auf ein psychiatrisches Gutachten des Facharztes für Psychiatrie A. vom 13. April 2016. Am Abend des 26. Februar 2016 sei Rechtsanwalt R. das Verfahren wieder in den Sinn gekommen. Er habe sich sofort in die Kanzlei begeben und bemerkt , dass die Rechtsbeschwerdefrist nicht notiert worden war.
6
Die Antragstellerin beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legt Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 13. Januar 2016 ein.
7
Die Antragsgegnerin beantragt, den Wiedereinsetzungsantrag abzulehnen und die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
8
II. Der Wiedereinsetzungsantrag hat keinen Erfolg (1.). Die Rechtsbeschwerde ist infolgedessen als unzulässig zu verwerfen (2.).
9
1. Die Antragstellerin war nicht ohne ihr Verschulden an der Einlegung der Rechtsbeschwerde gehindert. Ihr ist ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
10
a) Es stellt ein Versäumnis des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin dar, dass er am 22. Januar 2016 die Ausfertigung des angegriffenen Be- schlusses aus der ihm vorgelegten Postmappe entnahm, ohne durch Einzelanweisung die Notierung der Frist sicherzustellen.
11
Nach ständiger Rechtsprechung gehört es zu den Aufgaben des Rechtsanwalts , durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass die Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 6; Beschluss vom 28. Mai 2013 - VI ZB 6/13, NJW 2013, 2821 Rn. 9). Auf welche Weise der Anwalt sicherstellt, dass die Eintragung im Fristenkalender und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen, steht ihm grundsätzlich frei. Durch die organisatorischen Maßnahmen muss aber sichergestellt werden, dass die zur wirksamen Fristenkontrolle erforderlichen Handlungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt, d.h. unverzüglich nach Eingang des betreffenden Schriftstücks, und im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang vorgenommen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02, VersR 2003, 1460, 1461). Weicht der Rechtsanwalt von den allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen seiner Kanzlei für die Fristwahrung ab, muss er stattdessen eine klare und präzise Anweisung für den konkreten Fall erteilen, deren Befolgung die Fristwahrung sicherstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95, NJW 1996, 130; Beschluss vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935; Beschluss vom 29. Juli 2004 - III ZB 27/04, BGH-Report 2005, 44, 45 f.; Beschluss vom 6. Dezember 2007 - V ZB 91/07, JurBüro 2008, 280; Beschluss vom 25. Juli 2009 - V ZB 191/08, NJW 2009, 3036; Beschluss vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 13).
12
Durch die Entnahme der Beschlussausfertigung, die mit dem für die Fristennotierung zu markierenden Stempel versehen war, aus der ihm vorgelegten Postmappe ist der Prozessbevollmächtigte von den in seiner Kanzlei bestehen- den organisatorischen Maßnahmen zur Fristeinhaltung abgewichen. Er hat es sodann versäumt, durch eine Einzelanweisung die Eintragung der Frist sicherzustellen.
13
b) Ein weiteres Versäumnis des Prozessbevollmächtigten liegt darin, dass er das mit der Beschlussausfertigung übersandte Empfangsbekenntnis am 22. Januar 2016 unterzeichnete, obwohl die Fristenkontrolle nicht sichergestellt war.
14
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (BGH, Beschluss vom 30. November 1994 - XII ZB 197/94, BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 1 mwN; Beschluss vom 26. März 1996 - VI ZB 1/96, VersR 1996, 1390; Beschluss vom 26. März 1996 - VI ZB 2/96, VersR 1996, 1390; Beschluss vom 12. Januar 2010 - VI ZB 64/09, NJWRR 2010, 417). Bescheinigt der Rechtsanwalt den Empfang eines ohne Handakten vorgelegten Urteils, so erhöht sich damit die Gefahr, dass die Fristnotierung unterbleibt und dies erst nach Fristablauf bemerkt wird. Um dieses Risiko auszuschließen, muss der Anwalt, falls er nicht selbst unverzüglich die notwendigen Eintragungen in der Handakte und im Fristenkalender vornimmt, durch eine besondere Einzelanweisung die erforderlichen Eintragungen veranlassen (BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 - VI ZB 58/09, NJW 2010, 1080 Rn. 6).
15
Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte das Empfangsbekenntnis unterzeichnet , ohne durch eigenhändige Eintragung oder eine Einzelanweisung an sein Kanzleipersonal die Notierung der Frist sicherzustellen.
16
c) Die vorstehenden Versäumnisse des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin sind als schuldhaft zu beurteilen.
17
Zwar ist anerkannt, dass eine krankheitsbedingte Fristversäumung des Anwalts unter besonderen Voraussetzungen, insbesondere bei einer plötzlich auftretenden Erkrankung, für die der Anwalt keine Vorsorge treffen konnte, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen kann (BGH, Beschluss vom 26. November 1997 - XII ZB 150/97, NJW-RR 1998, 639; Beschluss vom 3. Dezember 1998 - X ZR 181/98, NJW-RR 1999, 938; Beschluss vom 1. Februar 2012 - XII ZB 298/11, NJW-RR 2012, 694 Rn. 15). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall aber nicht glaubhaft gemacht.
18
Die Antragstellerin macht geltend, ihr Prozessbevollmächtigter habe unter einer krankheitswertigen Belastung gelitten, die die ordnungsgemäße Berufsausübung unmöglich gemacht habe, und legt hierzu das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie A. vom 13. April 2016 vor. Dieses Gutachten basiert auf einer am 24. März 2016 vorgenommenen psychiatrischen Untersuchung. Das Gutachten verweist darauf, dass der drohende Verlust des Vaters bei dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin aufgrund einer zeitlebens bestehenden besonders engen emotionalen und geistigen Vater-SohnBeziehung überdimensionale Angst vor dem Ableben des Vaters hervorgerufen habe. Nach dem Tod des Vaters sei er mit fremdartigen und unerträglichen Dimensionen konfrontiert worden und habe sich in einem tiefen Schockzustand befunden. Sein Lebenskonzept sei aufgrund der verlorenen Bindung zum Vater verlorengegangen, er habe vor einem überdimensionalen Nichts gestanden. Er sei eine Zeit lang nicht mehr vollständig in der Lage gewesen, seinen privaten und beruflichen Verpflichtungen nachzugehen und sei in seiner Trauer erstarrt gewesen. Aus psychiatrischer Sicht lasse sich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine schwere Belastungsstörung depressiver Art nach ICD-10: F43.0 eruieren. Das Verhalten des Prozessbevollmächtigten sei hierdurch grundsätz- lich erklärlich. Die Störung habe zirka 20 Tage angehalten. Im Zeitpunkt der Untersuchung sei das psychische Befinden unauffällig gewesen.
19
Dieses Gutachten ist nicht geeignet, eine krankheitsbedingte Fristversäumung glaubhaft zu machen. Es erscheint schon fraglich, ob eine einzige ärztliche Exploration, die am 24. März 2016 bei psychisch unauffälligem Befinden des Untersuchten vorgenommen wird, verlässliche Aussagen über Art, Umfang und Dauer einer psychischen Erkrankung erlaubt, die mehrere Wochen zuvor bestanden haben soll. Jedenfalls aber lässt sich dem Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, innerhalb welchen genauen Zeitraums der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin zur Berufsausübung nicht in der La- ge gewesen sein soll. Das Gutachten erschöpft sich in der Aussage, „im verfahrensgegenständlichen Zeitraum“ lasse sich eine schwere Belastungsstörung eruieren, die „ca. 20 Tage“ angehalten habe. Es bleibt offen, wann dieser Zeitraum begonnen und geendet hat. Auf dieser Grundlage kann nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin bereits am 22. Januar 2016 krankheitsbedingt nicht zur Berufsausübung in der Lage war.
20
2. Die Rechtsbeschwerde ist mangels rechtzeitiger Einlegung als unzulässig zu verwerfen (§ 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 22. Januar 2016 zugestellt worden. Die einmonatige Einlegungsfrist endete mithin am 22. Februar 2016. Die Rechtsbeschwerde ist erst am 7. März 2016 eingelegt worden.
21
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Büscher Kirchhoff Koch
Löffler Feddersen
Vorinstanzen:
LG Würzburg, Entscheidung vom 30.09.2015 - 73 OH 542/15 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 13.01.2016 - 3 W 121/15 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2016 - I ZB 31/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2016 - I ZB 31/16

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2016 - I ZB 31/16 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2016 - I ZB 31/16 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2016 - I ZB 31/16 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2013 - VI ZB 6/13

bei uns veröffentlicht am 28.05.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 6/13 vom 28. Mai 2013 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 85 Abs. 2; § 233 (Fd, Ff) a) Bestehen nach dem Wortlaut der Verfügung, durch die die Berufungsbegründungsfr

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Jan. 2010 - VI ZB 64/09

bei uns veröffentlicht am 12.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 64/09 vom 12. Januar 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 85 Abs. 2, 233 Fc, Fd Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis nur unterzeichnen und zurückgeben , wen

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Feb. 2010 - VI ZB 58/09

bei uns veröffentlicht am 02.02.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 58/09 vom 2. Februar 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 85 Abs. 2, 233 Fc, Fd Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis nur unterzeichnen und zurückgeben , wen

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2007 - V ZB 91/07

bei uns veröffentlicht am 06.12.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 91/07 vom 6. Dezember 2007 in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann un

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Feb. 2012 - XII ZB 298/11

bei uns veröffentlicht am 01.02.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 298/11 vom 1. Februar 2012 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG §§ 113 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 1 Satz 4; ZPO §§ 85 Abs. 2, 233 B, Gc Der Verfahrensbevollmächtigte tr

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2003 - VI ZB 38/02

bei uns veröffentlicht am 11.02.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 38/02 vom 11. Februar 2003 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ZPO § 233 Fd Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Rechtsanwalt die Anweisung erteilt hat, die von ihm in Gegenwart s
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2016 - I ZB 31/16.

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2018 - VIII ZB 70/17

bei uns veröffentlicht am 04.09.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZB 70/17 vom 4. September 2018 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 233 B, Fd, Ff a) Bei Stellung eines Fristverlängerungsantrags muss als zusätzliche Fristensicherung a

Referenzen

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

9
Nach gefestigter Rechtsprechung gehört es zu den Aufgaben des Rechtsanwalts, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen , dass die Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 6 und vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07, juris Rn. 10). Auf welche Weise der Anwalt sicherstellt, dass die Eintragung im Fristenkalender und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen, steht ihm grundsätzlich frei. Durch die organisatorischen Maßnahmen muss aber sichergestellt werden, dass die zur wirksamen Fristenkontrolle erforderlichen Handlungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt, d.h. unverzüglich nach Eingang des betreffenden Schriftstücks, und im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang vorgenommen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02, VersR 2003, 1460, 1461). Beantragt der Prozessbevollmächtigte eine Fristverlängerung, so muss das hypothetische Ende der beantragten Fristverlängerung bei oder alsbald nach Einreichung des Verlängerungsantrags im Fristenkalender eingetragen, als vorläufig gekennzeichnet und rechtzeitig spätestens nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung überprüft werden, damit das wirkliche Ende der Frist festgestellt wird (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, aaO; BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99, NJW-RR 1999, 1663; vom 22. November 2001 - XII ZB 195/01, NJW-RR 2002, 712; vom 13. Dezember 2001 - VII ZB 19/01, NJOZ 2002, 906, 907 und vom 14. Juni 2007 - I ZB 5/06, AnwBl 2007, 796, 797).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 38/02
vom
11. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Rechtsanwalt die Anweisung
erteilt hat, die von ihm in Gegenwart seiner Büroangestellten unterzeichnete
Rechtsmittelschrift per Telefax an das Rechtsmittelgericht zu senden, die Angestellte
aber aufgrund einer Verwechslung eine nicht unterzeichnete Abschrift übermittelt.
BGH, Beschluß vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02 - OLG Jena
LG Gera
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 10. Juni 2002 aufgehoben. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Beschwerdewert: 95.743,64

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt wegen einer Lebensmittelvergiftung von dem Beklagten im Wege der abgesonderten Befriedigung gem. § 157 VVG Ersatz materieller und immaterieller Schäden. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 8. März 2002 zugestellt worden. Am 8. April 2002, einem Montag, ist beim Oberlandesgericht per Telefax eine Berufungsschrift aus der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten des Klägers eingegangen; zwei Tage später das Original. Beide Schriftstücke enthielten keine Unterschriften. Lediglich die zusammen mit dem Original eingereichte beglaubigte Abschrift der Berufungsschrift war von
Rechtsanwalt W. unterzeichnet. Hierauf wies das Oberlandesgericht die Pro- zeßbevollmächtigten des Klägers am 9. oder 10. April 2002 hin. Am 15. April 2002 hat der Kläger (erneut) Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, das Fehlen der Unterschrift auf der per Telefax übermittelten Rechtsmittelschrift beruhe auf einem Versehen einer Angestellten seiner Prozeßbevollmächtigten. Rechtsanwalt W. habe die Berufungsschrift in Anwesenheit der im Berufsausbildungsverhältnis beschäftigten Rechtsanwaltsfachangestellten H. unterzeichnet und diese angewiesen , den Schriftsatz per Telefax an das Oberlandesgericht zu übersenden. Da Frau H. auch eine beglaubigte und eine einfache Abschrift für die postalische Übersendung an das Oberlandesgericht habe fertigen sollen, habe sie weitere Exemplare ausgedruckt und auf dem Schreibtisch abgelegt. Anschließend habe sie per Telefax versehentlich ein nicht unterzeichnetes Exemplar übermittelt. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Organisationsverschulden seines Prozeßbevollmächtigten beruhe. Dieser habe es versäumt , sein Büropersonal anzuweisen, Schriftstücke vor ihrer Absendung auf Unterzeichnung zu überprüfen. Daneben sei ihm vorzuwerfen, bei der Unterzeichnung nicht zugleich das Original-Telefax unterschrieben zu haben. Ein weiterer Organisationsmangel liege darin, daß keine organisatorischen Vorkehrungen dafür getroffen worden seien, per Telefax zu übermittelnde Schriftstücke von den Postsendungen zu trennen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, denn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluß verletzt den Kläger in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Prozeßbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen er auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen mußte (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG, NJW-RR 2002, 1004, 1005). 1. Das Berufungsgericht übersieht, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für den Ausschluß des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei dann nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95 - VersR 1996, 348; vom 18. März 1998 - XII ZB 180/96 - NJW-RR 1998, 1360 f.; vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00 - NJW 2000, 2823; vom 2. Juli 2001 - II ZB 28/00 - NJW-RR 2002, 60 und vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01 - NJW-RR 2002, 1289 f.). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt (BGH, Beschluß vom 13. April 1997 - XII ZB
56/97 - NJW 1997, 1930). So liegt der Fall hier, denn der Prozeßbevollmäch- tigte des Klägers hatte der Auszubildenden H. konkret aufgetragen, die von ihm in ihrer Gegenwart unterzeichnete Berufungsschrift per Telefax an das Oberlandesgericht zu senden. Hätte Frau H. diese Einzelanweisung befolgt, wäre die Berufungsfrist gewahrt worden. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, daß sich Mängel bei der allgemeinen Organisation des Anwaltsbüros in einer die Wiedereinsetzung ausschließenden Weise ausgewirkt haben könnten (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - NJW 2003, 435 f. und BGH, Beschluß vom 9. Januar 2001 - VIII ZB 26/00 - NJW-RR 2001, 782 f.). Das für die Fristversäumung ursächliche Versehen der Büroangestellten H. steht dem Wiedereinsetzungsbegehren des Klägers nicht entgegen. Einer Partei ist nur ein Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten, nicht aber dasjenige seines Büropersonals zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschluß vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 22/93 - VersR 1994, 955). Zwar trägt ein Rechtsanwalt die Verantwortung dafür, daß eine einwandfreie Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht (BGH, Beschluß vom 10. Februar 1982 - VIII ZB 76/81 - VersR 1982, 471). Zur Erfüllung seiner Pflicht darf der Anwalt aber eine einfache Aufgabe einer zuverlässigen Angestellten übertragen, ohne daß er die ordnungsgemäße Erledigung überwachen muß (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 1982, aaO und vom 4. November 1981 - VIII ZB 59/81 und VIII ZB 60/81 - VersR 1982, 190). Das gilt nicht nur für allgemeine Weisungen, sondern auch und erst recht - wie hier - für eine konkrete mündliche Weisung im Einzelfall (BGH, Beschlüsse vom 29. April 1994 - V ZR 62/93 - VersR 1994, 1494 f. und vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170 f.). Die Versendung der Rechtsmittelschrift per Telefax ist eine einfache Bürotätigkeit, mit der eine im zweiten Lehrjahr stehende Auszubildende beauftragt werden darf, sofern sie mit einer solchen Tätigkeit vertraut ist und
eine regelmäßige Kontrolle ihrer Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1994 - VII ZB 7/94 - VersR 1995, 238, 239; vom 6. Dezember 1995 - VIII ZR 12/95 - VersR 1996, 910 und vom 27. Februar 2002 - I ZB 23/01 - NJW-RR 2002, 1070, 1071). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, wie der Kläger durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen des Rechtsanwalts W. und der Auszubildenden H. glaubhaft gemacht hat. 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers auch nicht vorgeworfen werden, bei der Unterzeichnung der (später wohl als beglaubigte Abschrift eingereichten) Berufungsschrift nicht zugleich das Original-Telefax unterschrieben zu haben. Die Unterzeichnung eines zweiten Exemplars der Berufungsschrift war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht möglich, denn nach dem glaubhaft gemachten Vortrag des Klägers hat Frau H. weitere Exemplare erst nach Unterzeichnung des ersten ausgedruckt. Dieser Arbeitsablauf ist nicht zu beanstanden, da zur wirksamen und rechtzeitigen Berufungseinlegung die Existenz eines einzigen Exemplars genügte. Weitergehende Anforderungen stellt die Rechtsprechung nicht.
3. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann auch nicht mit der Erwägung des Berufungsgerichts versagt werden, den Prozeßbevollmächtigten des Klägers treffe ein Organisationsverschulden wegen unzureichender Ausgangskontrolle , weil die per Telefax zu versendenden Schriftstücke nicht von den zur postalischen Übersendung vorgesehenen Exemplaren getrennt würden. Ob die Organisationspflichten eine allgemeine Anweisung zu einer solchen Trennung erfordern, kann hier dahinstehen, da bei Befolgung der Einzelanweisung eine Verwechslung der Schriftstücke ausgeschlossen gewesen wäre und sich deshalb die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage nicht stellt.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 91/07
vom
6. Dezember 2007
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. Dezember 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 12. Juli 2007 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 170.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde. Das Landgericht hat die Zwangsvollstreckungsgegenklage abgewiesen. Mit einem einen Tag nach Ablauf der Berufungsfrist bei dem Kammergericht eingegangenen Schriftsatz, der zudem von einem nicht postulationsfähigen Rechtsanwalt unterschrieben ist, hat die Klägerin Berufung eingelegt. Nach Hinweis auf das Fristversäumnis hat sie erneut Berufung eingelegt und beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
2
Zur Begründung hat sie vorgetragen, die erfahrene und ansonsten stets zuverlässig arbeitende Angestellte S. habe den Berufungsschriftsatz versehentlich auf den die Sache bearbeitenden, aber am Kammergericht nicht zugelassenen Rechtsanwalt S. ausgefertigt, der ihn auch unterschrieben habe. Der Schriftsatz sei am letzten Tag der Frist postfertig gemacht und die Frist im Fristenbuch gelöscht worden. Vor Abgang der Post habe die Angestellte ihren Fehler bemerkt und sich an den am Kammergericht zugelassenen Rechtsanwalt W. gewandt, der ihr die Einzelanweisung erteilt habe, den Schriftsatz unverzüglich erneut auszufertigen, ihm zur Unterschrift vorzulegen und gegen den falsch ausgefertigten auszutauschen. Zur Neuausfertigung und Unterzeichnung sei es auch gekommen. Die Angestellte habe den Schriftsatz sodann in eine Mappe mit dem Aufkleber "FA" (für Fristablauf) und mit dem Vermerk "Bitte unbedingt gegen den anderen Schriftsatz an das Kammergericht austauschen" gelegt. Sie habe indes vergessen, die Mappe in den Postraum zu bringen, so dass es zu einem Austausch nicht mehr gekommen sei.
3
Das Kammergericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.

II.

4
Das Berufungsgericht meint, die Fristversäumung beruhe auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Anwaltsverschulden. Zwar habe Rechtsanwalt W. der mit der Sache betrauten Angestellten eine konkrete Einzelweisung erteilt. Darauf, dass diese ausgeführt werde, habe er grundsätzlich auch vertrauen dürfen. Betreffe die Anweisung – wie hier – jedoch einen so wichtigen Vorgang wie die Wahrung der Rechtsmittelfrist, so seien in der Kanzlei grundsätzlich ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass die Anweisung in Vergessenheit gerate und die Frist dadurch versäumt werde. Daran habe es gefehlt. Die Klägerin habe nicht vorgetragen , dass die Angestellte angewiesen worden sei, den Vorgang bis zum Austausch der Schriftsätze sogleich auszuführen. Auch sei sie gerade nicht (jedenfalls nicht ausdrücklich) angewiesen worden, den Austausch der Schriftsätze persönlich vorzunehmen. Denn anderenfalls habe sie den Aufkleber "Bitte unbedingt gegen den anderen Schriftsatz an das Kammergericht austauschen" nicht fertigen müssen. Die Anweisung sei nach allem nicht konkret oder klar gewesen.

III.

5
Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, da es an einem Zulassungsgrund (§ 574 Abs. 2 ZPO) fehlt.
6
Die Rechtsbeschwerde macht, unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), allein eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend. Solche Rechtsverletzungen liegen jedoch nicht vor.
7
1. Das Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes ist verletzt, wenn die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlasst haben muss, um im Falle der Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, überspannt werden und der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (vgl. BVerfGE 41, 323, 326; 41, 332, 334 ff.; NJW-RR 2002, 1007; Senat, BGHZ 151, 221, 227; Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 44/03, NJW-RR 2004, 785). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht gegen diese Grundsätze nicht verstoßen. Die Entscheidung fügt sich vielmehr in die vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung ein.
8
a) Das Berufungsgericht geht von dem Grundsatz aus, dass sich ein Rechtsanwalt auf die Befolgung der einer zuverlässigen Angestellten erteilten Einzelanweisung verlassen darf und nicht verpflichtet ist, sich anschließend über die Ausführung zu vergewissern (BGH, Beschl. v. 4. November 2003, VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689; Beschl. v. 22. Juni 2004, VI ZB 10/04, NJW-RR 2004, 1361, 1362; Beschl. v. 13. September 2006, XII ZB 103/06, NJW-RR 2007, 127, 128; Beschl. v. 4. April 2007, III ZB 85/06, NJW-RR 2007, 1430, 1431). Es berücksichtigt zutreffend ferner, dass dies nur gilt, wenn die Einzelanweisung klar und präzise gefasst ist, da nur dann möglichen Fehlern entgegengewirkt werden kann (Senat, Beschl. v. 31. Mai 2000, V ZB 57/99, NJW-RR 2001, 209). Und es übersieht auch nicht, dass eine Einzelanweisung nicht stets organisatorische Vorkehrungen gegen eine Fristversäumnis entbehrlich macht. So ist es, wenn sich eine Einzelanweisung in die Kanzleiorganisation einfügt und daraus nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, einer Fristversäumnis entgegenzuwirken. In solch einem Fall, etwa wenn die Weisung nur die Art der Übermittlung betrifft, kommt es auf die Kanzleiorganisation im übrigen an und können Organisationsfehler im Falle der darauf beruhenden Fristversäumnis einer Wiedereinsetzung entgegen stehen (Senat, Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367; BGH, Beschl. v. 21. Dezember 2006, IX ZB 309/04, AnwBl 2007, 236, 237).
9
b) Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Anwalts nicht. Es hat vielmehr zu Recht der besonderen Situation Bedeutung beigemessen, in der der Fehler, dessen Behebung der Anwalt durch Einzelweisung zu erreichen suchte, entdeckt wurde.
10
Als die Angestellte bemerkte, dass der Berufungsschriftsatz von einem am Kammergericht nicht postulationsfähigen Anwalt unterschrieben war, hielt die allgemeine Kanzleiorganisation – jedenfalls ist dazu nichts vorgetragen – keine Sicherung mehr bereit. Der Schriftsatz befand sich im Postausgangsbereich , die Frist im Fristenbuch war gelöscht. Der Gefahr der Fristversäumung konnte nur noch dadurch begegnet werden, dass der Anwalt entweder selbst den Schriftsatz austauschte oder durch eine präzise Einzelanweisung sicherstellte , dass dies durch sein Personal geschah. Dass das Berufungsgericht eine solche präzise Weisung vermisst, ist nicht zu beanstanden.
11
Dabei kann dahin stehen, ob die Weisung hinreichend deutlich erkennen ließ, dass die Anordnungen unverzüglich umzusetzen waren (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Beschl. v. 22 Juni 2004, VI ZB 10/04, NJW-RR 2004, 1361, 1362; Beschl. v. 4. April 2007, III ZB 85/06, NJW-RR 2007, 1430, 1431). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ging die Einzelweisung dahin, den Schriftsatz nochmals "unverzüglich" auszufertigen, zur Unterschrift vorzulegen und gegen den fehlerhaften Schriftsatz auszutauschen. Das lässt immerhin auch die Annahme zu, dass alle Maßnahmen unverzüglich zu treffen waren.
12
Unpräzise ist die Weisung aber insoweit, als sie nicht erkennen ließ und von der Angestellten S. so auch nicht aufgefasst worden ist, dass sie selbst alle zur Behebung des Fehlers erforderlichen Arbeiten auszuführen, insbesondere daher auch den Austausch der Schriftsätze vorzunehmen hatte. Die Fertigung eines neuen Schriftsatzes und dessen Unterzeichnung durch den postulationsfähigen Anwalt nutzte nichts, wenn nicht auch die Absendung sicher gestellt war. Das war sie aber gerade nicht, da jede weitere Kontrolle angesichts der im Fristenbuch schon gelöschten Frist unterblieb. Angesichts dessen waren die von der Angestellten getroffenen Vorkehrungen, den Schriftsatz in eine Mappe zu legen und mit der Aufschrift zu versehen, dass der Schriftsatz auszutauschen sei, gut gemeint, aber völlig unzureichend. Dass die Angestellte damit bewusst und für den Anwalt unvorhersehbar gegen die ihr erteilte Wei- sung verstieß, macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend und ist auch fernliegend. Es wird vielmehr deutlich, dass sie annahm, im Sinne der insoweit also ganz unpräzisen Weisung zu handeln. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang auch zu Recht berücksichtigt, dass für den Anwalt in erhöhtem Maße Veranlassung für eine sehr viel genauere Anordnung bestand. Die von ihm mit der Sache betraute Angestellte hatte nämlich an diesem Tage, ihrem letzten Arbeitstag vor dem Urlaub, bereits zuvor fehleranfällig gearbeitet. Angesichts dessen bestanden für den Anwalt besondere Sorgfaltsanforderungen. Diesen ist er nicht gerecht geworden.
13
2. Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Verletzung von Art. 103 GG steht allein im Zusammenhang mit der Rüge, das Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes sei verletzt. Ein darüber hinausgehender Vorwurf, es sei Vortrag zu einzelnen Punkten übergangen worden, wird nicht erhoben.

IV.

14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 22.03.2007 - 9 O 341/06 -
KG Berlin, Entscheidung vom 12.07.2007 - 16 U 22/07 -

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 64/09
vom
12. Januar 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis nur unterzeichnen und zurückgeben
, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten
und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist.
BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 - VI ZB 64/09 - OLG Karlsruhe
LG Baden-Baden
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll, die Richterin Diederichsen, den
Richter Pauge und die Richterin von Pentz

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. August 2009 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 25.200 €.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls auf Schmerzensgeld in Anspruch. Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 15.000 € nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Urteil des Landgerichts wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 24. Juni 2009 zugestellt. Das anwaltliche Empfangsbekenntnis gelangte am 26. Juni 2009 an das Landgericht zurück. Am 30. Juli 2009 legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom selben Tage Berufung ein und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen. Er hat hierzu vorgetragen, das Urteil des Landgerichts sei am 24. Juni 2009 eingegangen und mit dem Eingangsstempel versehen worden. Die Eintragung der Berufungsfrist sei wegen der Abwesenheit des die Sache bearbeitenden Rechtsanwalts bis Freitag, den 26. Juni 2009, zurückgestellt worden. Am 26. Juni 2009 habe der Sachbearbeiter die Weisung erteilt, die Berufungsfrist einzutragen. Die Bürovorsteherin F., die seit über zwei Jahren in der Kanzlei ohne Beanstandungen tätig sei, habe fälschlicherweise die Frist nicht nach dem Datum des Eingangsstempels (24.6.2009), sondern nach dem Datum der Anfrage beim Sachbearbeiter (26.6.2009) berechnet und ins Fristenbuch eingetragen. Da das Ende der Frist danach am Sonntag, dem 26. Juli 2009, gewesen wäre, habe Frau F. den Ablauf auf den darauf folgenden Montag, den 27. Juli 2009, notiert. Bei Erstellung der Berufungsschrift sei die Verfristung dem Sachbearbeiter erst aufgefallen.
2
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

3
1. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin müsse sich die schuldhafte Fristversäumnis ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Weisungen des Anwalts, die gewährleisteten, dass die zur Fristenkontrolle erforderlichen Handlungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorgenommen würden, könnten nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten und den eidesstattlichen Versicherungen des Rechtsanwalts und der Rechtsanwaltsfachangestellten nicht festgestellt werden. Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgetragene Verfahrensweise habe das Risiko einer Fristversäumung in sich getragen, da der zusammengehörende einheitliche Vorgang der Fristenberechnung, Fristnotierung und Fristeintragung sofort nach Eingang des Urteils durch die zunächst vorgenommene Vorlage der Akten an den Rechtsanwalt unterbrochen worden sei. Das berge die Gefahr von Fehlern, Versehen oder Irrtümern in sich, vor allem dann, wenn sich die Rückgabe des Schriftstückes vom Anwalt an das Büropersonal verzögere oder die zuständige Angestellte durch Überlastung beeinträchtigt werde.
4
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 20. August 2009 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 18. September 2009 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist rechtzeitig begründet.

III.

5
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO), weil die hier maßgeblichen Rechtsfragen durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs geklärt sind und das Berufungsgericht hiernach im Ergebnis zutreffend entschieden hat.
6
2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin mit Recht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat die Berufungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
7
a) Zwar trifft zu, worauf die Rechtsbeschwerde hinweist, dass es auf die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen in einer Rechtsanwaltskanzlei für die Fristwahrung nicht entscheidend ankommt, wenn der Rechtsanwalt von ih- nen abweicht und stattdessen eine genaue Anweisung für den konkreten Fall erteilt, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - V ZB 191/08 - NJW 2009, 3036; vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - NJW 2004, 367, 369; vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00 - NJW 2000, 2823). In einem solchen Fall ist für die Fristversäumnis nicht die Büroorganisation , sondern der Fehler des Mitarbeiters ursächlich, weil ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die einem zuverlässigen Mitarbeiter erteilte Einzelanweisung befolgt wird (Senat, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - NJW-RR 2004, 1361, 1362 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689; BGH, Beschlüsse vom 13. September 2006 - XII ZB 103/06 - NJW-RR 2007, 127, 128). Jedoch kann eine konkrete Einzelanweisung den Rechtsanwalt dann nicht von einer unzureichenden Büroorganisation entlasten, wenn diese die bestehende Organisation nicht außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten, die bestimmt sind, der Fristversäumnis entgegenzuwirken , dieses infolge eines Organisationsmangels aber nicht bewirken (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Juni 2009 - V ZB 191/08 - aaO, Rn. 9 und vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - aaO). So liegt der Fall hier.
8
b) Die Darstellung in dem Wiedereinsetzungsantrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin belegt, dass die allgemeinen Organisationsregeln in der Kanzlei ihre Bedeutung durch die Einzelanweisung nicht verloren hatten. Darin wird die Fristversäumnis darauf zurückgeführt, dass sich die Bürovorsteherin F. am Datum der Anfrage bei dem die Sache bearbeitenden Rechtsanwalt , ob die Berufungsfrist eingetragen werden solle, orientiert habe, anstatt am Datum des Eingangsstempels. Diese Vorgehensweise lässt außer Acht, dass der Zeitpunkt der Zustellung eines Schriftstücks nicht zuverlässig anhand des Eingangsstempels ermittelt werden kann.
9
aa) Zur Bestimmung des Beginns einer Rechtsmittelfrist ist es erforderlich , das dafür maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu ermitteln und festzuhalten (vgl. Senat, Beschluss vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - VersR 2003, 1459, 1460 m.w.N.). Im Falle der Zustellung eines Schriftstücks an den Prozessbevollmächtigten der Partei nach § 174 ZPO kommt es für den Fristbeginn darauf an, wann der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis unterzeichnet hat. Dementsprechend musste auch dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin bekannt sein, dass nicht der Eingangsstempel, sondern allein das Datum, unter dem das Empfangsbekenntnis unterzeichnet worden war, für den Beginn der Rechtsmittelfrist maßgebend ist (Senat, Beschluss vom 16. April 1996 - VI ZR 362/95 - NJW 1996, 1968, 1969; BGH, Beschluss vom 13. März 1991 - XII ZB 22/91 - VersR 1992, 118, 119). Deshalb bedarf es eines besonderen Vermerks in den Handakten, wann die Zustellung des Urteils erfolgt ist. Diesen Vermerk vermag der Eingangsstempel des Anwaltsbüros auf dem zugestellten Urteil nicht zu ersetzen, weil er nur den Eingang des Dokuments in der Kanzlei bestätigt, nicht jedoch die für eine Zustellung gemäß § 174 ZPO erforderliche und für den Fristbeginn maßgebliche Entgegennahme durch den Rechtsanwalt (vgl. Senat, Beschluss vom 16. April 1996 - VI ZR 362/95 - aaO). Die Anfertigung eines Vermerks über das Datum der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses ist auch dann notwendig, wenn die Anweisung besteht, eine mit einem Eingangsstempel versehene Urteilsausfertigung zu den Handakten zu nehmen, denn ein solcher Stempel besagt für den Zeitpunkt der Zustellung nichts. Es besteht die Gefahr, dass das Datum des Eingangsstempels nicht mit dem allein maßgeblichen Datum übereinstimmt, unter dem der Anwalt das Empfangsbekenntnis unterzeichnet hat. Wird ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Rechtsmittelfrist nur mündlich vermittelt, müssen in der Rechtsanwaltskanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sein, dass der mündliche Hinweis ordnungsgemäß umgesetzt wird. Um zu gewährleisten, dass ein solcher Vermerk angefertigt wird und das maßgebende Datum zutreffend wiedergibt, darf der Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung nur unterzeichnen und zurückgeben , wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (Senat, Beschlüsse vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - aaO und vom 26. März 1996 - VI ZB 1/96 und VI ZR 2/96 - NJW 1996, 1900, 1901; BGH, Beschluss vom 30. November 1994 - XII ZB 197/94 - BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 1 m.w.N.).
10
bb) Diese Sorgfaltsanforderungen erfüllte die in der Kanzlei des Rechtsanwalts der Klägerin geübte Fristenkontrolle nicht. Das Empfangsbekenntnis wurde vielmehr am 24. Juni 2009 unterzeichnet und an das Landgericht zurückgegeben , wo es am 26. Juni 2009 einging, ohne die Notierung der Rechtsmittelfrist , die erst am 26. Juni 2009 erfolgte, sicherzustellen. Ob und ggf. auf welche Weise im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Ausführung mündlich erteilter Anweisungen kontrolliert wurde, ist nicht dargelegt. Der allgemeine Vortrag, die Arbeiten der Bürofachangestellten würden stichprobenartig kontrolliert, reicht hierfür nicht aus. Es fehlt jeder Vortrag dazu, in welcher Weise in dem Anwaltsbüro die Notierung von Fristen kontrolliert wird. Dieses Fehlen jeder Sicherung bedeutet einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. Senat, Beschluss vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - aaO; BGH, Beschluss vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 - NJW 1992, 574). Ein Anlass, in besonderer Weise sicherzustellen, dass die konkrete Fristeintragung richtig erfolgte , bestand im Übrigen aufgrund der mit der ausdrücklichen Anweisung des Rechtsanwalts vom üblichen Ablauf abweichenden Handhabung.
11
cc) Das Versäumnis des anwaltlichen Vertreters der Klägerin war für die Versäumung der Berufungsfrist auch ursächlich. Wäre das Empfangsbekenntnis an das Landgericht erst nach Anfertigung des Vermerks über das Datum der Unterzeichnung und Festhaltung der Rechtsmittelfrist in den Handakten und im Fristenkalender zurückgesandt worden, ist davon auszugehen, dass die Berufung rechtzeitig eingelegt worden wäre.
12
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Baden-Baden, Entscheidung vom 18.06.2009 - 3 O 376/08 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.08.2009 - 1 U 138/09 -
6
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (Senatsbeschlüsse vom 26. März 1996 - VI ZB 1/96 und VI ZB 2/96 - VersR 1996, 1390 und vom 12. Januar 2010 - VI ZB 64/09 - z.V.b.; BGH, Beschluss vom 30. November 1994 - XII ZB 197/94 - BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 1 m.w.N.). Bescheinigt der Rechtsanwalt den Empfang eines ohne Handakten vorgelegten Urteils, so erhöht sich damit die Gefahr, dass die Fristnotierung unterbleibt und dies erst nach Fristablauf bemerkt wird. Um dieses Risiko auszuschließen, muss der Anwalt, falls er nicht selbst unverzüglich die notwendigen Eintragungen in der Handakte und im Fristenkalender vornimmt, durch eine besondere Einzelanweisung die erforderlichen Eintragungen veranlassen. Auf allgemeine Anordnungen darf er sich in einem solchen Fall nicht verlassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. März 1992 - XII ZR 268/91 - VersR 1992, 1536; vom 16. September 1993 - VII ZB 20/93 - VersR 1994, 371 und vom 30. November 1994 - XII ZB 197/94 - aaO). Weist er seine Bürokraft im Einzelfall mündlich an, die Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sein, dass diese Anweisung nicht in Vergessenheit gerät (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01 - VersR 2003, 792, 793 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - VersR 2005, 94, 95; BGH, Beschlüsse vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - BGHR ZPO § 233 [Empfangsbekenntnis 6] und vom 27. September 2007 - IX ZA 14/07 - AnwBl 2008, 71).
15
aa) Es ist anerkannt, dass eine krankheitsbedingte Fristversäumung des Anwalts unter besonderen Voraussetzungen, insbesondere bei einer plötzlich auftretenden Erkrankung, für die der Anwalt keine Vorsorge treffen konnte, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen kann (Senatsbeschluss vom 26. November 1997 - XII ZB 150/97 - NJW-RR 1998, 639; BGH Beschluss vom 3. Dezember 1998 - X ZR 181/98 - NJW-RR 1999, 938).

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)