Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2017 - 4 StR 472/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 15. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) im Ausspruch über die Einzelstrafe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
c) im Ausspruch über die Anrechnung erbrachter Zahlungen ; dieser Ausspruch entfällt. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Heilbronn vom 6. Juni 2014 nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Zugleich hat es angeordnet, dass von der Gesamtstrafe vier Monate zur Entschädigung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten und die von dem Angeklagten auf die Gesamtgeldstrafe aus dem Strafbefehl erbrachten Geldzahlungen dahingehend angerechnet werden, dass für je in der Summe gezahlte 100 Euro ein Tag Freiheitsstrafe angerechnet und ein verbleibender Teilbetrag weder angerechnet noch erstattet wird. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
- 2
- 1. Das Landgericht hat im Wesentlichen das Folgende festgestellt:
- 3
- Anfang des Jahres 2006 trat der frühere Mitangeklagte R. an den Angeklagten mit der Bitte heran, bei ihm Gelder des K. e.V.anlegen zu dürfen. Der Angeklagte versprach R. daraufhin bewusst wahrheitswidrig , er könne diese Gelder bis zum 1. Oktober 2006 verdoppeln. Beide vereinbarten, dass der Angeklagte mit den Geldern eine Kapitalanlage in der Form eines Aktienkaufs tätigt, wobei er selbst Inhaber der Aktien werden sollte. Dem Angeklagten war bewusst, dass er R. mit dieser Vereinbarung täuschte. Diesem war zwar bekannt, dass die Anlage bei dem Angeklagten mit einem Risiko verbunden war. Insoweit nahm er auch einen eventuellen Totalverlust in Kauf. Er vertraute aber darauf, dass der Angeklagte tatsächlich eine Kapitalanlage in der Form eines Aktienerwerbs vornehmen werde. Die in Aussicht gestellten Renditen und Kursgewinne hielt er für möglich. Basierend auf dieser Vereinbarung überließ R. dem Angeklagten in der Zeit vom 24. Februar 2006 bis zum 15. August 2006 in neun Teilbeträgen insgesamt 180.500 Euro. Wie von Anfang an beabsichtigt, verwendete der Angeklagte mindestens die Hälfte der Gelder für seinen Lebensunterhalt und tätigte entgegen der Zusicherung in der Vereinbarung keine Kapitalanlage. Die andere Hälfte der Gelder übergab er – seinem Tatplan entsprechend – dem Zeugen Re. , ohne dass dabei eine Kapitalanlage vereinbart war. Im Oktober 2006 trat ein „Totalverlust“ ein. Der Angeklagte erbrachte keine der versprochenen Zahlungen. Zugriffsmöglichkeiten auf von ihm erworbene Aktien bestanden nicht. Das Landgericht ist der Auffassung, dass dem K. e.V. deshalb ein (tatbestandlicher ) Schaden in Höhe von 180.500 Euro entstanden sei.
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- 2. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe einen Vermögensschaden in Höhe von 180.500 Euro verursacht, wird von den Feststellungen nicht getragen.
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- a) Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung. Spätere Entwicklungen berühren den tatbestandlichen Schaden nicht. Diese haben nur noch für die Strafzumessung Bedeutung (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2016 – 1 StR 456/15, NStZ 2016, 674, 675; Urteil vom 10. Juli 1952 – 5 StR 358/52, BGHSt 3, 99, 102; Beschluss vom 14. Juli 2016 – 4 StR 362/15, WM 2016, 1785, 1786). Übergibt der Getäuschte dem Täter später zurückzuzahlende Gelder, damit dieser davon Aktien kauft und Spekulationsgeschäfte vornimmt, an deren Ertrag der Getäuschte teilhaben soll, liegt ein Vermögensschaden in voller Höhe vor, wenn der Täter von Anfang an keine Anlage tätigen und das Geld nicht zurückzahlen will (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1983 – 3 StR 300/83; Satzger in SSW- StGB, 3. Aufl., § 263 Rn. 271). Hat er lediglich die Absicht, die zugesagten Anlagegeschäfte nicht vorzunehmen und das Geld bei fortbestehender Rückzahlungsbereitschaft anderweitig zu verwenden, kommt es darauf an, ob und inwieweit der Rückzahlungsanspruch dadurch entwertet wird. Ein eventueller Minderwert ist dabei nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen und der Vermögensschaden unter Berücksichtigung banküblicher Bewertungsansätze konkret festzustellen und zu beziffern (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229 zu § 266 StGB; Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 47 zu § 263 StGB).
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- b) Die Urteilsgründe ergeben nicht, dass im Zeitpunkt der täuschungsbedingten Vermögensverfügungen keinerlei Aussicht auf eine auch nur teilweise Rückzahlung durch den Angeklagten bestand und der erworbene Gegenanspruch deshalb wirtschaftlich vollständig wertlos war. Der Umstand, dass im Oktober 2006 tatsächlich ein „Totalverlust“ eintrat, hat dafür lediglich einen In- dizwert. Dass der Angeklagte von Anfang an nicht nur die Absicht hatte, keine der Vereinbarung entsprechende Anlagen zu tätigen, sondern auch keinerlei Rückzahlungen leisten wollte, hat das Landgericht nicht festgestellt. Zwar wird der Eintritt eines tatbestandlichen Schadens hier bereits dadurch hinreichend belegt, dass der Angeklagte – seinem Tatplan entsprechend – mindestens die Hälfte der Gelder für private Zwecke verwandte. Um von einer völligen Wertlosigkeit des vertraglichen Rückzahlungsanspruchs ausgehen zu können, hätte es aber auch der näheren Darlegung bedurft, was aus dem Geld werden sollte, das der Angeklagte dem Zeugen Re. übergab. Allein der Umstand, dass dabei keine den vertraglichen Vorgaben entsprechende Kapitalanlage vereinbart wurde, belegt lediglich, dass der Angeklagte auch insoweit abredewidrig handelte. Dass auch dieser Teil des Geldes als verloren anzusehen war, weil keine Aussicht auf eine zumindest teilweise Rückzahlung bestand, ergibt sich daraus noch nicht.
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- 3. Da aufgrund der getroffenen Feststellungen sicher davon auszugehen ist, dass ein tatbestandlicher Vermögensschaden entstanden ist, hat der Rechtsfehler keine Auswirkungen auf den Bestand des Schuldspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 – 2 StR 36/15, NStZ-RR 2016, 205, 207; Urteil vom 26. November 2015 – 3 StR 247/15, NStZ 2016, 343, 344 mwN). Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass das Landgericht von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist, sodass der Ausspruch über die Einzelstrafe aufzuheben war. Dies entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Die Kompensationsentscheidung, die keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist, wird hierdurch nicht berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2016 – 3 StR 128/16, insofern nicht abgedruckt in NStZ 2016, 675; Beschluss vom 12. Januar 2016 – 3 StR 478/15, juris Rn. 2).
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- 4. Die gesonderte Anordnung der Anrechnung von Zahlungen hatte zu entfallen, weil es insoweit keiner Entscheidung des Tatrichters bedarf. Zahlungen auf einbezogene Geldstrafen sind kraft Gesetzes anzurechnen (§ 51 Abs. 2, 4 Satz 1 StGB). Für ein Ermessen des erkennenden Gerichts ist kein Raum. Die Berechnung erfolgt im Rahmen der Strafvollstreckung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2015 – 4 StR 378/15, StV 2016, 562 [Ls] mwN).
Quentin Feilcke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, - 2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, - 3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, - 4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder - 5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) (weggefallen)
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, - 2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, - 3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, - 4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder - 5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) (weggefallen)
(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.
(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.
(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.
(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.