Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2017 - 3 StR 474/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 29. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
a) im Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten D. dahin neu gefasst, dass dieser des schweren Bandendiebstahls in neun Fällen, des versuchten schweren Bandendiebstahls sowie des Diebstahls schuldig ist,
b) aufgehoben aa) hinsichtlich des Angeklagten D. im Gesamtstrafenausspruch , jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten; bb) soweit der Verfall von Wertersatz (1) in Höhe von 100 € zum Nachteil des Angeklagten D. , (2) in Höhe von 4.854,95 € zum Nachteil des Angeklagten S. und (3) in Höhe von 585,60 € zum Nachteil des Angeklagten
G.
angeordnet worden ist.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen schweren Bandendiebstahls in zwölf Fällen, davon in zwei Fällen wegen Versuchs, sowie wegen schweren Bandendiebstahls oder gewerbsmäßiger Bandenhehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten D. hat es wegen schweren Bandendiebstahls in zehn Fällen , davon in einem Fall wegen Versuchs, sowie wegen "gewerbsmäßigen Diebstahls" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten G. hat es wegen schweren Bandendiebstahls in drei Fällen sowie wegen schweren Bandendiebstahls oder gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Darüber hinaus hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 4.854,95 € gegen den Angeklagten S. , in Höhe von 100 € gegen den Angeklagten D. und in Höhe von 585,60 € gegen den Angeklagten G. angeordnet. Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Soweit der Angeklagte D. im Fall II.1. der Urteilsgründe wegen "gewerbsmäßigen Diebstahls" verurteilt worden ist, war der Schuldspruch neu zu fassen. Das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere Fälle (hier § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) ist nicht in die Urteilsformel aufzunehmen; derartige Strafzumessungsvorschriften gehören nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 - 3 StR 104/12, juris Rn. 2; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 260 Rn. 25; jeweils mwN).
- 3
- 2. Der Gesamtstrafenausspruch betreffend den Angeklagten D. hat keinen Bestand.
- 4
- Nach den Urteilsfeststellungen beging der Angeklagte die abgeurteilten Taten im Zeitraum vom 7. Mai 2016 bis zum 16. September 2016. Davor war er mit Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 22. Februar 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden; dieses Urteil ist am 12. Oktober 2016 rechtskräftig geworden. Das Landgericht hat nicht mitgeteilt, ob die Rechtskraft aufgrund einer Berufungsoder Revisionsentscheidung bzw. durch Rechtsmittelrücknahme eingetreten ist. Daher kann der Senat nicht prüfen, ob das Landgericht zu Recht von einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung mit den Einzelstrafen aus dem amtsgerichtlichen Urteil abgesehen hat. Eine solche wäre gemäß § 55 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB möglich, wenn - was angesichts der mitgeteilten Daten nicht fernliegt - nach Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten in einer Berufungsverhandlung über das Urteil des Amtsgerichts Koblenz zur Sache verhandelt worden wäre.
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- Die lückenhaften Urteilsgründe zwingen daher zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Da die insoweit getroffenen bisherigen Feststellungen von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind, können sie bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
- 6
- 3. Die Anordnungen des Verfalls von Wertersatz haben keinen Bestand. Sie begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken:
- 7
- Hinsichtlich der sichergestellten Geldbeträge weichen die Urteilsgründe vom Urteilstenor ab: Danach wurden beim Angeklagten D. 332,50 € (statt 100 €), beim Angeklagten G. 585 € (statt 585,60 €) und beim Angeklagten S. 100 € sichergestellt, 2.024,32 € gepfändet und 4.800 € beschlagnahmt (statt 4.854,95 €; vgl. UA Seite 19).
- 8
- Das Landgericht hat zudem übersehen, dass der Anordnung des Verfalls von Wertersatz jeweils die zivilrechtlichen Ansprüche der Verletzten nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF entgegenstehen; diese Vorschrift ist auch bei Anwendung des § 73a StGB aF zu beachten (BGH, Beschlüsse vom 15. Mai 2003 - 3 StR 109/03, juris; vom 4. November 2003 - 4 StR 266/03, juris Rn. 4). Eine - hier naheliegende - Ermessensentscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO aF (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - 3 StR 460/08, wistra 2009, 241, 242; KK-Spillecke, StPO, 7. Aufl., § 111i Rn. 17) hat die Strafkammer rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 - 4 StR 60/14, BGHSt 60, 75, 77 f.) nicht getroffen; ein Fall, in dem diese ausnahmsweise durch das Revisionsgericht nachgeholt werden kann, liegt nicht vor. Daher waren die Verfallsanordnungen aufzuheben. Der Senat weist darauf hin, dass die Härtevorschrift des § 73c StGB aF auch im Rahmen der Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO aF zu prüfen ist.
Tiemann Hoch
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält, - 2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist, - 3.
gewerbsmäßig stiehlt, - 4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient, - 5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist, - 6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder - 7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.
(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.
(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.
(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.
(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.
Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.
(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.
(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.
(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.