Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Mai 2018 - 3 StR 39/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:020518B3STR39.18.0
02.05.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 39/18
vom
2. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:020518B3STR39.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) mit dessen Zustimmung, zu 2. auf dessen Antrag - am 2. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog, § 421 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 10. November 2017 wird
a) von der Einziehung des Wertes des Tatertrags in Höhe von 20 € abgesehen, diese entfällt;
b) das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, aa) soweit der Angeklagte wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist (Fall II. 2. der Urteilsgründe); jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatablauf aufrechterhalten; bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen (1) im Gesamstrafenausspruch; (2) im Ausspruch über die Einziehung von (a) 0,71 und 83,66 Gramm Marihuana und 96,26 Gramm Haschisch nebst Verpackung und einem Brieföffner sowie (b) von zwei am 21. März 2017 sichergestellten Haschischbrocken; diese entfällt.
Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie mehrere Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts sieht der Senat gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO von der Einziehung des Wertes des Tatertrages in Höhe von 20 € ab.
3
II. Soweit der Angeklagte wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist (Fall II. 2. der Urteilsgründe), hat das Urteil keinen Bestand.
4
1. Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen getroffen:
5
Der Angeklagte führte am Tattag eine Umhängetasche mit sich, in der sich rund 88 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 11,61 Gramm THC und rund 96 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 10,98 Gramm THC befanden. 80 Gramm Marihuana und 90 Gramm Haschisch waren für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Außerdem enthielt die Tasche ein sog. Cuttermesser mit einer vier Zentimeter lang ausgefahrenen und arretierten Klinge sowie einen 17 Zentimeter langen metallenen Brieföffner mit einer flachen, sich zum Griff hin verbreiternden Klinge. Diesen Brieföffner führte der Angeklagte mit sich, um ihn im Zusammenhang mit seinen Betäubungsmittelgeschäften notfalls als Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu benutzen.
6
2. Die Feststellung, dass der Brieföffner als sonstiger Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG durch den Angeklagten zur Verletzung von Menschen bestimmt war (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 1997 - 3 StR 465/97, BGHSt 43, 266), wird nicht von einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getragen.
7
a) Die Würdigung der Beweise ist zwar Sache des Tatrichters, dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht hat indes zu prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern be- haftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist oder mit den Denkgesetzen bzw. gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2017 - 3 StR 315/17, NJW 2018, 1411,

1412).


8
b) Hieran gemessen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts zu der Feststellung, dass der Angeklagte den Brieföffner gegebenenfalls zur Verletzung von Menschen einsetzen wollte, revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand; sie ist lückenhaft.
9
Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte den Brieföffner , von dem er nach seinen Angaben nichts wusste bzw. der ihm nicht gehört habe, mit sich führte, um ihn notfalls als Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu benutzen, maßgeblich auf die Erwägung gestützt, dass Anhaltspunkte für eine andere Zweckbestimmung nicht ersichtlich seien. So scheide auch die denktheoretische Möglichkeit aus, der im Tatzeitraum auch mit Ladendiebstählen aufgefallene Angeklagte könne den Brieföffner zum Ablösen von Sicherungsetiketten an Waren - zu einer Entfernung von Etiketten war es bei einem festgestellten Diebstahl am Tattag tatsächlich gekommen - bestimmt haben. Denn dies hätte der Angeklagte, der die Diebstähle nicht in Abrede gestellt habe , einräumen können, ohne "Nachteile" befürchten zu müssen. Damit übersieht die Strafkammer, dass der Angeklagte sich mit einer solchen Einlassung nicht nur eines einfachen Diebstahls nach § 242 StGB, sondern eines Diebstahls mit Waffen nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB, der eine Strafdrohung von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, hätte bezichtigen müssen. Auch hat das Landgericht nicht erörtert, warum der Brieföffner , der "mangels scharfer Klinge" als Portionierungswerkzeug für Haschisch ausscheiden müsse, aus Sicht des Angeklagten dennoch als geeignetes Angriffs - oder Abwehrmittel eingesetzt werden sollte.
10
Bei seiner Überzeugungsbildung zur Zweckbestimmung des Brieföffners hat das Landgericht damit maßgebliche Umstände unberücksichtigt gelassen. Dazu, welchem Zweck das mitgeführte "Cuttermesser" dienen sollte, verhält sich das Urteil nicht. Eine Strafbarkeit wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist somit nicht rechtsfehlerfrei belegt, so dass die Verurteilung im Fall II. 2. der Urteilsgründe der Aufhebung unterliegt. Da der aufgezeigte Rechtsfehler die Feststellungen zum objektiven Geschehensablauf nicht berührt , hat der Senat diese aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO).
11
3. Der Wegfall der für Fall II. 2. der Urteilsgründe verhängten Freiheitsstrafe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Darüber hinaus war die in diesem Fall angeordnete Einziehung von 0,71 und 83,66 Gramm Marihuana sowie 96,26 Gramm Haschisch nebst Verpackung und einem Brieföffner aufzuheben.
12
III. Ebenfalls aufzuheben war die vom Landgericht ausgesprochene Einziehung von zwei Haschischbrocken, die am 21. März 2017 sichergestellt worden waren. Diese auf § 33 Satz 1 BtMG, § 74 Abs. 2 StGB gestützte Anordnung erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht das Verfahren hinsichtlich der der Sicherstellung des Rauschmittels zugrundeliegenden Betäubungsmitteltat nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hat. Damit fehlt es an einer rechtlichen Grundlage für die Einziehung im Urteil (Weber, BtMG, 5. Aufl., § 33 Rn. 25 mwN). Der Senat ordnet in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO deren Entfallen an.
13
IV. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
Soweit die Strafkammer bei der Strafzumessung im Fall II. 2. der Urteilsgründe straferschwerend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte die bei dieser Tat gehandelte Drogenmenge im Verhältnis zu früheren Taten "deutlich gesteigert" habe und zusätzlich bewaffnet war, begegnet dies im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB erheblichen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt aber die Bewaffnung wie den Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge voraus. Zwar hat die Kammer darauf hingewiesen, dass sie nicht die - strafbarkeitsbegründende - Bewaffnung "als solche" straferschwerend berücksichtigt habe, sondern "lediglich die im Längsschnitt zu erkennende Entwicklung hin zu einer größeren Drogenmenge nebst Bewaffnung" und darin die "in der Gesamtschau" zum Ausdruck gekommene erhebliche Steigerung der kriminellen Energie. Dabei hat sie allerdings übersehen, dass auch die strafschärfende Berücksichtigung der vom Täter aufgebrachten kriminellen Energie dann gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt, wenn diese sich ihrerseits aus strafbarkeitsbegründenden Umständen herleitet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. März 2001 - 4 StR 36/01, NStZ-RR 2001, 295; vom 19. Oktober 2010 - 4 StR 465/10, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Körperverletzung 2; vom 29. April 2014 - 2 StR 616/13, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 7; vom 21. November 2017 - 1 StR 491/17, juris Rn. 16).
Becker Spaniol RiBGH Dr. Tiemann ist erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Becker Berg Leplow

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Mai 2018 - 3 StR 39/18

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Mai 2018 - 3 StR 39/18

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Mai 2018 - 3 StR 39/18 zitiert 12 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

Strafgesetzbuch - StGB | § 242 Diebstahl


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 74 Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern und Teilnehmern


(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden. (2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bez

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 33 Einziehung


Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 421 Absehen von der Einziehung


(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn 1. das Erlangte nur einen geringen Wert hat,2. die Einziehung nach den §§ 74 und 74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Be

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Mai 2018 - 3 StR 39/18 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Mai 2018 - 3 StR 39/18 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2010 - 4 StR 465/10

bei uns veröffentlicht am 19.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 465/10 vom 19. Oktober 2010 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Oktober

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. März 2001 - 4 StR 36/01

bei uns veröffentlicht am 01.03.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 36/01 vom 1. März 2001 in der Strafsache gegen wegen versuchten schweren Raubes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1. März 2001 ge

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2017 - 1 StR 491/17

bei uns veröffentlicht am 21.11.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 491/17 vom 21. November 2017 in der Strafsache gegen wegen schweren Bandendiebstahls u.a. ECLI:DE:BGH:2017:211117B1STR491.17.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers un

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Nov. 2017 - 3 StR 315/17

bei uns veröffentlicht am 16.11.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 315/17 vom 16. November 2017 in der Strafsache gegen wegen Anstiftung zur Brandstiftung mit Todesfolge u.a. ECLI:DE:BGH:2017:161117U3STR315.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Apr. 2014 - 2 StR 616/13

bei uns veröffentlicht am 29.04.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 S t R 6 1 6 / 1 3 vom 29. April 2014 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesa
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Mai 2018 - 3 StR 39/18.

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2019 - 2 StR 589/18

bei uns veröffentlicht am 03.07.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 589/18 vom 3. Juli 2019 in der Strafsache gegen wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2019:030719U2STR589.18.0 Der 2. Strafsenat des.

Referenzen

(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn

1.
das Erlangte nur einen geringen Wert hat,
2.
die Einziehung nach den §§ 74 und 74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ins Gewicht fällt oder
3.
das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.

(2) Das Gericht kann die Wiedereinbeziehung in jeder Lage des Verfahrens anordnen. Einem darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft hat es zu entsprechen. § 265 gilt entsprechend.

(3) Im vorbereitenden Verfahren kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränken. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn

1.
das Erlangte nur einen geringen Wert hat,
2.
die Einziehung nach den §§ 74 und 74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ins Gewicht fällt oder
3.
das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.

(2) Das Gericht kann die Wiedereinbeziehung in jeder Lage des Verfahrens anordnen. Einem darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft hat es zu entsprechen. § 265 gilt entsprechend.

(3) Im vorbereitenden Verfahren kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränken. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 315/17
vom
16. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur Brandstiftung mit Todesfolge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:161117U3STR315.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 2. November 2017 in der Sitzung am 16. November 2017, an denen teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berg, Hoch als beisitzende Richter, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - , Staatsanwalt - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Unterbevollmächtigter des Rechtsanwalts - in der Verhandlung - als Verteidiger, Rechtsanwältin für den Nebenkläger D. S. - in der Verhandlung -, Rechtsanwältin für den Nebenkläger M. S. - in der Verhandlung -, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger D. S. , M. S. und K. M. wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 19. Oktober 2016, soweit es den Angeklagten H. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten H. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen Anstiftung zur Brandstiftung mit Todesfolge in Tateinheit mit Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung und wegen Betruges" zu einer Gesamtfrei- heitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wenden sich die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, mit denen sie die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite angreifen, soweit sich das Landgericht nicht vom Vorliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes des Angeklagten zu überzeugen vermocht hat. Die Revision des Angeklagten beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben Erfolg; die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schloss der Angeklagte im August 2015 einen notariellen Kaufvertrag über ein Wohnhaus in R. zum Preis von 150.000 €. Im Einverständnis mit dem Verkäufer bezog er bereits vor Zahlung des Kaufpreises eine Wohnung im Untergeschoss des Hauses; er führte umfangreiche Renovierungsarbeiten durch und vermietete die Wohnung im Obergeschoss an die Geschädigte U. W. . Bei dieser übernachtete vorwiegend an Wochenenden ihr Lebensgefährte, der Geschädigte H. M. ; davon hatte der Angeklagte Kenntnis. Als die von Anfang an ungeklärte Finanzierung des Kaufs endgültig scheiterte und der Verkäufer auf Zahlung des Kaufpreises - den der Angeklagte nicht zu leisten vermochte - oder Auszug des Angeklagten drängte, veranlasste dieser den Nichtrevidenten B. , einen Brand in der vom Angeklagten genutzten Wohnung zu legen, um anschließend die Gebäudeversicherung und seine Hausratversicherung in Anspruch zu nehmen. B. gegenüber versicherte der Angeklagte wahrheitswidrig , dass die Mieterin noch nicht eingezogen sei. Am 29. November 2015 gegen 04:00 Uhr legte B. , nachdem der Angeklagte ihn kurz vor Mitternacht per WhatsApp-Chat aufgefordert hatte, die Tat noch in dieser Nacht auszuführen , wie geplant unter Verwendung von Benzin als Brandbeschleuniger Feuer in der Wohnung des Angeklagten. Er nahm dabei nicht wahr, dass sich im Obergeschoss schlafend die Mieterin und ihr Lebensgefährte befanden. Der Brand breitete sich schnell aus und ergriff nach schlagartiger Durchzündung auch die Treppe und die Obergeschosswohnung. U. W. und H. M. erwachten durch das Eindringen von Rauch in ihr Schlafzimmer; sie konnten noch Notrufe absetzen, sahen jedoch keine Fluchtmöglichkeit und verstarben dort wenige Minuten später an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Das gesamte Haus brannte aus. Die Hausratversicherung des Angeklagten leistete aufgrund seiner unrichtigen Angaben 12.500 € als Vorschuss an ihn; zur Aus- zahlung der Gebäudeversicherungssumme kam es nicht.
3
2. Das Landgericht hat sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte hinsichtlich des Todes der Geschädigten vorsätzlich gehandelt hat. Im Fall der Geschädigten U. W. hat es eine leichtfertige Verursachung des Todes (§ 306c StGB) angenommen; bezüglich des H. M. ist es hingegen von einer fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB) ausgegangen.
4
I. Dies beanstanden die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger zu Recht; denn die Beweiswürdigung des Landgerichts, auf deren Grundlage es einen (bedingten) Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint hat, weist durchgreifende Rechtsfehler zu dessen Gunsten auf. Insoweit gilt:
5
1. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt (Wissenselement) und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet (Willenselement). Beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, müssen in jedem Einzelfall umfassend geprüft, durch tatsächliche Feststellungen belegt und in eine individuelle Gesamtschau einbezogen und bewertet werden (vgl. BGH, Urteile vom 20. September 2012 - 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 77; vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; vom 28. Januar 2010 - 3 StR 533/09, NStZ-RR 2010, 144, 145; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372). Begeht der Täter eine das Leben Dritter in hohem Maße gefährdende Tat oder veranlasst er - wie hier - eine solche , so liegt es - vorbehaltlich in die Gesamtbetrachtung einzustellender gegenläufiger Umstände des Einzelfalls - nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Tuns erkennt und, da er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, den Todeserfolg auch billigend in Kauf nimmt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 360/11, NStZ 2012, 207, 208 mwN). Kann das Tatgericht auf der Grundlage dergebotenen Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel an der subjektiven Tatseite nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies zwar regelmäßig hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 StPO). Das Revisionsgericht hat indes zu prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 6. August 2015 - 3 StR 226/15, juris Rn. 5; vom 2. April 2015 - 3 StR 635/14, juris Rn. 3).
6
2. Hieran gemessen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Sie unterscheidet nicht durchgehend hinreichend zwischen den beiden Vorsatzelementen und erweist sich darüber hinaus in Teilen als widersprüchlich und lückenhaft.
7
a) Dies gilt zunächst hinsichtlich des Geschädigten M. .
8
aa) Insoweit stellen sich bereits die Erwägungen des Landgerichts zum Wissenselement des (bedingten) Vorsatzes als widersprüchlich und unvollständig dar, was gleichzeitig auch der Verneinung einer zumindest leichtfertigen Todesverursachung im Sinne des § 306c StGB die rechtliche Grundlage entzieht.
9
Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte "nicht zumindest billigend in Kauf, dass die Mieterin U. W. und/oder dessen [gemeint: deren] Lebensgefährte und Ex-Mann H. M. bei einer Inbrandsetzung des Hauses um 20:30 Uhr, mithin zu einem Zeitpunkt, zu welchem man, wenn man sich zu Hause befindet, üblicherweise noch wach ist, ums Leben kommen. Zu dieser Zeit wäre eine Rettung der Getöteten W. und M. besser möglich gewesen, als zur tatsächlich erfolgten Inbrandsetzung nachts gegen ca. 04:00 Uhr" (UA S. 28/29). Danach hatte der Angeklagte die Möglichkeit erkannt, dass sich die beiden späteren Tatopfer zum Zeitpunkt der Brandlegung in dem Haus aufhalten und durch die Tat erheblich in Lebensgefahr geraten könnten (so auch UA S. 38).
10
Im Rahmen der Beweiswürdigung verneint das Landgericht einen Tötungsvorsatz des Angeklagten in Bezug auf den Geschädigten M. dagegen, weil zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen sei, dass er nicht wusste und auch nicht davon ausgehen musste, dass dieser Geschädigte "konkret am Wochenende des Brandes" bei der Geschädigten W. übernachten werde (UA S. 98, 101). Dies ist in mehrfacher Hinsicht rechtlich nicht tragfähig. Zunächst setzt sich die Strafkammer damit schon in Widerspruch zu ihren oben dargelegten Ausführungen im Rahmen der getroffenen Feststellungen. Darüber hinaus legt sie auch nicht dar, aus welchem Grund zu Gunsten des Angeklagten von diesem abweichenden Vorstellungsbild auszugehen sei. Vor allem aber wendet sie einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab an: Maßgeblich ist nicht, ob der Angeklagte wusste oder davon ausgehen musste, dass der Geschädigte M. an dem "konkreten" Wochenende der geplanten Tat bei der Geschädigten W. übernachten werde. Entscheidend, weil für das Wissenselement des bedingten Vorsatzes ausreichend, ist vielmehr, ob er dies für möglich hielt. Davon ist nach den Feststellungen auszugehen; denn dass der Geschädigte M. an Wochenenden gelegentlich bei der Geschädigten W. übernachtete und der Angeklagte dies wusste, wird an mehreren Stellen des Urteils ausdrücklich dargelegt. Schon damit erweist es sich als rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht eine leichtfertige Verursachung des Todes des Geschädigten M. durch den Angeklagten verneint hat; denn dies stützt es ausdrücklich darauf, dass der Angeklagte nicht um den für das Tatwochenende beabsichtigten Besuch des Geschädigten M. bei der Geschädigten W. wusste, und sich ihm diese Möglichkeit auch "nicht aufdrängen" musste (UA S. 103).
11
bb) Auch soweit das Landgericht bedingten Tötungsvorsatz wegen Fehlens des Willenselements verneint, erweist sich seine Würdigung als rechtsfehlerhaft.
12
Schon indem die Strafkammer im Rahmen der bereits oben zitierten Feststellungen - ohne allerdings einen differenzierenden Bezug zum Wissensoder Willenselement herzustellen - einen bedingten Tötungsvorsatz lediglich mit der Erwägung verneint, zur ursprünglich geplanten Tatzeit um 20:30 Uhr sei eine Rettung besser möglich gewesen als zum Zeitpunkt der dann tatsächlich ausgeführten Brandlegung um 04:00 Uhr am Morgen, bleiben seine Ausführungen lückenhaft. Denn danach war sich der Angeklagte gerade nicht sicher, dass es zu einer "Rettung" der beiden möglicherweise im Brandobjekt aufhältlichen Personen kommen werde; er hielt eine "Rettung" nur für "besser möglich". Zu der Frage, wie sich der Angeklagte subjektiv zu dem damit nicht aus- geschlossenen Tatablauf stellte, dass es nicht zu der zwar "besser möglichen", aber nicht sicheren Rettung kommen werde, verhält sich das Urteil an dieser Stelle aber nicht. Das Willenselement bleibt damit offen.
13
Soweit das Landgericht anderweitig ausführt, der Angeklagte habe, als er nach dem Chatverkehr mit dem Mitangeklagten von einer Brandlegung erst nach Mitternacht ausgegangen sei, "nicht die Entscheidung getroffen", "nunmehr den Tod von U. W. und/oder H. M. billigend in Kauf" zu nehmen (UA S. 31), und darauf vertraut, dass sich diese "durch einen Sprung aus dem Fenster des ersten Stocks auf den Rasen" würden retten können (UA S. 38), vermag auch dies die Verneinung des Willenselements bedingten Tötungsvorsatzes rechtlich nicht zu tragen. Abgesehen davon, dass es schon kaum nachvollziehbar erscheint, der Angeklagte könne eine "Entscheidung" hinsichtlich des bedingten Tötungsvorsatzes getroffen haben, lässt das Landgericht bei seinen Erwägungen wesentliche Indizien unbeachtet. Ausgehend von den Feststellungen zu den ursprünglichen Vorstellungen des Angeklagten von den Rettungschancen für die beiden möglichen Hausbewohner bei einer Brandlegung um 20:30 Uhr, hatte sich die Gefahrenlage bei einer Tatzeit erst nach Mitternacht, mithin zu einem Zeitpunkt, als die beiden Personen möglicherweise schon zu Bett gegangen waren, auch aus Sicht des Angeklagten erheblich verstärkt. Warum er dennoch deren "Rettung" für naheliegend hielt und deren Tod im Hinblick auf sein erstrebtes Ziel der Versicherungsleistungen nicht billigend hinnahm, stellt das Landgericht nicht in seine Erwägungen ein. Ebenso wenig nimmt es in den Blick, dass ein Sprung aus dem Fenster des ersten Stocks von den beiden Geschädigten nicht nur einer zutreffenden Einschätzung ihrer Gefährdungslage und einer nicht unerheblichen Selbstüberwindung bedurfte, sondern zunächst überhaupt voraussetzte, dass sie den Brand zu einem Zeitpunkt bemerkten, als ihnen eine derartige Flucht überhaupt noch möglich war. Gerade aber schlafende Personen werden eines Brandes in vie- len Fällen nicht mehr rechtzeitig gewahr, insbesondere weil sie durch Rauchgasvergiftungen schon an dem Erkennen der ihnen drohenden Gefahr oder zumindest an erfolgversprechenden Bemühungen, sich selbst in Sicherheit zu bringen, gehindert sind. Auch dies hat das Landgericht nicht erwogen, sodass sich seine Beweiswürdigung auch in diesem Punkt als lückenhaft erweist.
14
b) Aus den unter a) bb) dargestellten Gründen ist auch die Verneinung bedingten Tötungsvorsatzes hinsichtlich der Geschädigten W. rechtsfehlerhaft. Zwar hat das Landgericht einige Indiztatsachen benannt, die aus seiner Sicht gegen einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten in Bezug auf die Geschädigte W. jedenfalls mit Blick auf das Willenselement sprechen (UA S. 101/102). Da es aber nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte in seine Gesamtabwägung einbezogen hat, vermögen diese Indizien für sich allein die Verneinung bedingten Tötungsvorsatzes nicht zu tragen.
15
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Da die Feststellungen zur inneren Tatseite des Angeklagten eng mit dem objektiven Tatgeschehen verknüpft sind, können auch die hierzu getroffenen Feststellungen nicht aufrechterhalten werden.
16
4. Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung darauf hin, dass ein Fall mittelbarer Täterschaft des Angeklagten in Betracht kommt, soweit der frühere Mitangeklagte B. aufgrund der Täuschung des Angeklagten von einer Entwidmung des Gebäudes zu Wohnzwecken (vgl. dazu BGH, Urteile vom 20. November 1961 - 2 StR 521/61, BGHSt 16, 394, 395 f.; vom 4. Juli 1984 - 3 StR 134/84, NStZ 1984, 455) durch den einzigen ihm bekannten Bewohner ausging. Für den Fall, dass die Strafe erneut dem § 306c StGB zu entnehmen ist, wird bei der Strafrahmenwahl zu beachten sein, dass diese eine umfassende Gesamtwürdigung aller strafzumessungsrelevanten Umstände erfordert. Eine Strafzumessungsregel des Inhalts, dass die Verhängung lebens- langer Freiheitsstrafe im Allgemeinen mindestens bedingten Tötungsvorsatz oder die Verursachung des Todes mehrerer Menschen voraussetze (s. UA S. 115), existiert nicht.
17
II. Revision des Angeklagten
18
Die auf die erhobene Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zu Ungunsten des Angeklagten ergeben; seine Revision erweist sich deshalb als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Becker Schäfer Spaniol
Berg Hoch

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.

(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.

(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 36/01
vom
1. März 2001
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 1. März 2001 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 28. September 2000 im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten schweren Raubes in zwei Fällen und wegen Diebstahls mit Waffen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 3. April 2000 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und s echs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, daß zwei Jahre der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollstrecken sind. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, hat teilweise Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und damit gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemeinen Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hält der Rechtsfolgenausspruch insgesamt rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil die Strafrahmenwahl in den Fällen II 1 und 2 der Urteilsgründe und die Strafzumessungserwägungen im engeren Sinne durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen.
Das Landgericht hat in den Fällen II 1 und 2 die wegen versuchten schweren Raubes verhängten Einzelstrafen von jeweils drei Jahren Freiheitsstrafe dem Strafrahmen für minder schwere Fälle nach § 250 Abs. 3 StGB entnommen. Eine weitere Milderung gemäß § 49 StGB hat es abgelehnt, “weil ohne die Heranziehung der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) und des Versuchs ein minder schwerer Fall nicht hätte begründet werden können” (UA 29). Dabei hat es übersehen, daß die zweifache Milderung des Regelstrafrahmens des § 250 Abs. 1 StGB gemäß §§ 21, 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB einen von einem Monat bis zu acht Jahren fünf Monaten Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmen eröffnet, der mithin günstiger als der des minder schweren Falles ist. Der Senat kann nicht ausschließen, daß die Wahl des (doppelt) gemilderten Regelstrafrahmens sich auch günstig auf die Strafbemessung im engeren Sinne ausgewirkt hätte, zumal das Landgericht die Strafen jeweils dem unteren Bereich des angewandten Strafrahmens entnommen hat (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 43).
Im übrigen weist die Strafbemessung im engeren Sinne durchgreifende Rechtsfehler auf, soweit das Landgericht zu Lasten des Angeklagten “seine Lebensumstände” wertet: er habe “sich zu einer dissozialen Persönlichkeit entwickelt, ohne daß dafür ein Auslöser erkennbar” sei; er sei “nicht ernsthaft gewillt, seine Fähigkeiten sinnvoll einzusetzen”, und lebe “viel lieber auf Kosten anderer in den Tag hinein” (UA 28). Nach der Rechtsprechung dürfen Umstände der allgemeinen Lebensführung bei der Strafzumessung nur berücksichtigt werden, wenn sie wegen ihrer engen Beziehung zur Tat Schlüsse auf den Unrechtsgehalt zulassen oder Einblicke in die innere Einstellung des Täters zur Tat gewähren (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 3, 8, 9, 10, 12, 23; BGH StV 1984, 21). Das ist hier nicht dargetan.
In den Fällen II 2 und 3 der Urteilsgründe hat das Landgericht dem Angeklagten zudem rechtsfehlerhaft strafschärfend angelastet, daß er sich “von den jeweils vorangegangenen Fehlschlägen nicht abhalten ließ, weitere Straftaten zu begehen. Dies spricht für eine erhebliche kriminelle Energie” (UA 28). Damit wertet es zu Lasten des Angeklagten, daß er die (weiteren) Taten überhaupt begangen hat, anstatt von deren Begehung Abstand zu nehmen. Dies verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH StV 1997, 129). Der Umstand, daß die Absicht des Angeklagten, “sich durch einen Überfall Geld für den Ankauf von Drogen zu beschaffen” (UA 11), zunächst scheiterte, könnte die in “enge(m) räumlichen, zeitlichen und situativen Zusammenhang” (UA 30) stehende weitere Tatbegehung sogar eher in einem milderen Lichte erscheinen lassen.
3. Der Maßregelausspruch hält ebenfalls rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 Abs. 1 StGB) setzt voraus, daß der Täter den Hang hat, berauschende Mittel im
Übermaß zu sich zu nehmen, er wegen einer auf den Hang zurückzuführenden rechtswidrigen Tat verurteilt wird und die Gefahr besteht, daß er infolge seines Hanges mit Wahrscheinlichkeit erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird (std. Rspr.; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 1, 3). Die Urteilsgründe belegen aber schon nicht die positive Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen des “Hanges”. Einerseits bejaht das Landgericht mit dem Sachverständigen zwar einen Hang des Angeklagten zum Betäubungsmittelmißbrauch. Andererseits meint das Landgericht abschließend, es könne “letztlich nicht ausschließen, daß ein solcher Hang im Sinne des § 64 StGB vorliegt” (UA 31). Damit bleibt offen, ob sich der Tatrichter zweifelsfrei vom Vorliegen eines “Hanges” im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung (vgl. Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 64 Rdn. 5 m.N.) überzeugt hat, zumal auch der Sachverständige “zunächst erhebliche Zweifel geäußert (hatte), ob bei dem Angeklagten tatsächlich ein solcher Hang ... vorliegt” (UA 30). Verbleibende Zweifel sind aber zugunsten des Angeklagten zu lösen und stehen deshalb der ihn belastenden (vgl. BGHSt 38, 4, 7 m.w.N.) Maßregelanordnung entgegen. Zwar sind den Urteilsgründen Anhaltspunkte zu entnehmen, die eine jedenfalls psychische Rauschmittelabhängigkeit beim Angeklagten (vgl. zuletzt BGH, Beschluß vom 30. Januar 2001 –1 StR 568/00) nahelegen; doch erlauben sie dem Senat nicht, die dem Tatrichter vorbehaltene Entscheidung zu bestätigen.
Der Senat weist für das weitere Verfahren vorsorglich darauf hin, daß der neue Tatrichter – sollte er erneut die Unterbringung des Angeklagten in eine Entziehungsanstalt anordnen – die besonderen Anforderungen zu beachten hätte, die bei einem Abweichen von der gesetzlich vorgesehenen Vollstreckungsreihenfolge gelten (vgl. BGH StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser , 4, 9 bis 13). Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 67
Abs. 1 StGB soll möglichst umgehend mit der Behandlung des süchtigen oder kranken Täters begonnen werden, weil dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht (std. Rspr.). Die – wie das Landgericht meint – beim Angeklagten “zur Zeit” fehlende “erforderliche selbstkritische Einstellung” (UA 32) vermag eine Ä nderung der Vollstreckungsreihenfolge ebensowenig zu rechtfertigen wie die Erwartung, “eine solche Einstellungsänderung (könne) in der Haft erreicht werden” (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 9 und Zweckerreichung, leichtere 11, 12). Soweit das Landgericht schließlich darauf abstellt, daß es günstiger wäre, wenn der Angeklagte “nach erfolgreichem Abschluß der Therapie ... seine Bewährung in der Freiheit erprob(en) kann” (UA 33), fehlt die Darlegung, welche konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß der anschließende Strafvollzug den Maßregelerfolg gefährden und wie sich dies bei diesem Angeklagten auswirken könnte (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 9; BGH NStZ 1986, 428; BGH, Beschluß vom 30. Januar 2001 – 1 StR 481/00).
Maatz Kuckein Athing

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 465/10
vom
19. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Oktober 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landau (Pfalz) vom 11. Juni 2010 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Hingegen hat es zum Strafausspruch Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen lauerte der Angeklagte der Geschädigten, die er für das durch sie und ihre Mutter, seine ehemalige Lebensgefährtin, vermeintlich erlittene Unrecht verantwortlich machte, gezielt am frühen Morgen hinter einer Hausecke in der Nähe ihrer Arbeitsstelle auf und versetzte ihr, für sie völlig überraschend, mit einer gusseisernen Armlehne mehrere Schläge auf Kopf und Oberkörper, bis Passanten auf den Vorfall aufmerksam wurden und der Angeklagte von der Geschädigten abließ. Diese erlitt eine Beule am Kopf, eine Prellung des linken Handgelenks sowie Hämatome an den Armen und am Rücken. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und eines hinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) begangen.

II.

3
1. Der Strafausspruch hat schon deshalb keinen Bestand, weil das Landgericht bei der Strafrahmenwahl zu Lasten des Angeklagten seine hohe kriminelle Energie berücksichtigt hat, die darin zum Ausdruck komme, dass er bei der Tatplanung und -ausführung die Dunkelheit sowie die Vereinzelung der Geschädigten ausgenutzt habe. Damit hat die Strafkammer entgegen § 46 Abs. 3 StGB ein Merkmal des Tatbestandes bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten herangezogen, das der Gesetzgeber bereits bei der Bestimmung des Strafrahmens als maßgeblich angesehen hat. Die Strafvorschrift der gefährlichen Körperverletzung in der Begehungsweise des hinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) setzt einen für das Tatopfer unvorhergesehenen Angriff voraus, der von einem planmäßigen, auf Verdeckung der wahren Absichten berechneten Vorgehen – etwa durch Auflauern – gekennzeichnet ist (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 – 1 StR 62/04, NStZ 2005, 40; SSWStGB /Momsen § 224 Rn. 22). Dass sich der Angeklagte zur Ausführung der Tat im Schutz der Dunkelheit hinter einer Mauer an einer unbelebten Stelle verbarg, also hinterlistig handelte, durfte das Landgericht daher für sich genommen nicht straferschwerend berücksichtigen. Die Urteilsgründe lassen auch nicht erkennen , dass mit dieser Erwägung lediglich die „Art der Tatausführung“ im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB gewertet worden ist.
4
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne den aufgezeigten Rechtsfehler zu einer anderen Rechtsfolgenentscheidung gekommen wäre, zumal es bei der Strafzumessung im engeren Sinne auf seine Erwägungen zur Wahl des Strafrahmens Bezug genommen und darüber hinaus die Verwirklichung von zwei Begehungsweisen des § 224 StGB ausdrücklich straferschwerend gewertet hat.
5
2. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass auch die Erwägung, gegen den Angeklagten spreche seine in der Vielzahl der ausgeführten Schläge zum Ausdruck kommende erhebliche Gewaltbereitschaft, rechtlichen Bedenken begegnet. Sie steht insbesondere im Widerspruch zu der Begründung, mit der die Strafkammer den bedingten Tötungsvorsatz verneint hat (UA 19). Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck Cierniak Franke

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 6 1 6 / 1 3
vom
29. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. April 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 22. August 2013
a) im Tenor dahingehend ergänzt, dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird und insoweit die Staatskasse die ausscheidbaren Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat,
b) im Rechtsfolgenausspruch, mit Ausnahme der Einziehungsentscheidung , aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen und Wertersatzverfall in Höhe von 291.000 € angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch weist - wie sich aus den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts ergibt - keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Allerdings ist hinsichtlich der Tat II.1 der Urteilsgründe ein Teilfreispruch nachzuholen, da die Strafkammer insoweit von den 16 tatmehrheitlich angeklagten Fällen lediglich neun (zu einer Bewertungseinheit verbundene) Taten für erwiesen erachtet hat und im Übrigen Feststellungen zu weiteren Fällen nicht treffen konnte (UA S. 7 f.).
3
2. Der Strafausspruch hält entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten dessen hohe kriminelle Energie berücksichtigt, "zumal hier nicht eigener Suchtdruck oder massive finanzielle Nöte Triebfeder des Handelns waren , sondern reines Gewinnstreben" (UA S. 14). Diese Formulierung lässt nicht nur besorgen, dass die Kammer entgegen § 46 Abs. 3 StGB mit dem Gewinnstreben einen bereits zum Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehörenden Umstand verwertet hat (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 24). Sie deutet darüber hinaus darauf hin, dass das Landgericht das bloße Fehlen genannter strafmildernder Umstände strafschärfend berücksichtigt hat (Senat, NStZ 2013, 46). Der Senat kann letztlich nicht sicher ausschließen, dass das Landgericht bei richtiger Würdigung trotz der großen Mengen von Betäubungsmitteln, mit denen Handel getrieben wurde, angesichts zahlreicher zu Gunsten wirkender Umstände einen minder schweren Fall angenommen oder bei Anwendung des Normalstrafrahmens jedenfalls zu niedrigeren Einzelstrafen gelangt wäre.
4
3. Der Ausspruch über den Wertersatzverfall erweist sich insoweit als fehlerhaft, als die nach den Feststellungen nahe liegende Mitverfügungsgewalt seiner gesondert verfolgten Ehefrau zu einer gesamtschuldnerischen Haftung des Angeklagten mit ihr führen müsste. Dies wird der neue Tatrichter gegebenenfalls im Tenor zum Ausdruck zu bringen haben (BGH StraFo 2013, 77).
5
4. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil es sich bei den aufgezeigten Rechtsfehlern um Wertungsfehler handelt. Der neue Tatrichter kann neue ergänzende Feststellungen treffen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen. Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

16
4. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird dabei darauf Bedacht zu nehmen haben , dass die Berücksichtigung einer erheblichen kriminellen Energie im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten, die die Strafkammer aus dem planmäßigen, arbeitsteiligen Vorgehen der Angeklagten schließt (UA S. 21), eine unzulässige Doppelverwertung der bandenmäßigen Begehung beinhalten könnte. Graf Jäger Bellay Cirener Hohoff