Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2015 - 3 StR 163/15

ECLI: ECLI:DE:BGH:2015:101215B3STR163.15.2
published on 10.12.2015 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2015 - 3 StR 163/15
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Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 163/15
vom
10. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges
ECLI:DE:BGH:2015:101215B3STR163.15.2

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 31. Juli 2014 wird verworfen; jedoch wird der Strafausspruch dahin ergänzt, dass die in der Schweiz erlittene Freiheitsentziehung im Maßstab 1:1 auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet wird.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt nur zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Ergänzung des Strafausspruchs; im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Die auf die Sachbeschwerde gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hinsichtlich der Angriffe der Revision auf die - sorgfältige - Beweiswürdigung und rechtliche Bewertung durch das Landgericht nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 16. Juni 2015 (S. 8 f.) Bezug.
3
Allerdings hat es das Landgericht entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB unterlassen , den Anrechnungsmaßstab für die vom Angeklagten in dieser Sache in der Schweiz erlittene Auslieferungshaft zu bestimmen. Da hier ersichtlich nur ein Anrechnungsmaßstab von 1:1 in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2008 - 1 StR 166/08, juris), bestimmt der Senat diesen in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO (BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 - 3 StR 152/14, juris Rn. 2) selbst.
4
II. Die erhobenen Verfahrensbeanstandungen sind aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 16. Juni 2015 dargelegten Gründen ohne Erfolg. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
5
1. Die Rüge der Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO ist jedenfalls unbegründet.
6
a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
7
Im Verlauf des ersten Hauptverhandlungstages (23. Oktober 2012) unterbrach der Vorsitzende die Hauptverhandlung, um mit den Verteidigern des Angeklagten, denjenigen der Mitangeklagten sowie der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit einer Verständigung zu erörtern. Das sich hieran anschließende Gespräch fand nichtöffentlich und in Abwesenheit der Angeklagten statt. Zunächst stellten die Staatsanwaltschaft und sodann das Gericht ihre Vorstellungen zu den in Betracht kommenden Strafen im Falle einer geständigen Einlassung des Angeklagten und der Mitangeklagten dar. Der vom Vorsitzenden in Aussicht gestellte Strafrahmen für die in diesem Fall gegen den Angeklagten festzusetzende Freiheitsstrafe betrug fünf Jahre bis fünf Jahre und sechs Monate. Der anwesende Verteidiger des Angeklagten nahm hierzu Stellung und rügte insbesondere das Verhältnis des in Aussicht gestellten Strafmaßes im Verhältnis zu denjenigen der Mitangeklagten; eine Einigung wurde nicht erzielt. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung ließ sich der Mitangeklagte T. zu seiner Person ein. Sodann gab der Vorsitzende bekannt, dass in der Sitzungsunterbrechung ein Rechtsgespräch stattgefunden habe, das bislang nicht zu einer Verständigung geführt habe. Der Angeklagte äußerte sich erstmals am 8. Januar 2014, dem 74. Hauptverhandlungstag, zur Sache. In der Hauptverhandlung vom 10. April 2014 (88. Hauptverhandlungstag) verlas der Vorsitzende einen von ihm verfassten Vermerk über das am ersten Hauptverhandlungstag geführte Rechtsgespräch. Hierin teilte er die im Gespräch vom 23. Oktober 2012 hinsichtlich des Angeklagten geäußerte Strafmaßvorstellung des Gerichts , die Straferwartung der Staatsanwaltschaft und die Erwiderung des damals anwesenden Verteidigers des Angeklagten mit. Der Angeklagte ließ sich nach der Mitteilung vom 10. April 2014 noch mehrfach zur Sache ein. Eine Verständigung kam auch im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht zustande. Das Urteil erging am 31. Juli 2014 nach insgesamt 101 Hauptverhandlungstagen.
8
b) Es kann offen bleiben, ob es - wie vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 16. Juni 2015 vertreten - bereits der Zulässigkeit der Rüge entgegensteht, dass die Revision nicht mitgeteilt hat, ob sowie gegebenenfalls wie und wann der Revisionsführer von seinen Verteidigern über den Inhalt des am 23. Oktober 2012 geführten Gesprächs unterrichtet worden war. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob es aufgrund der Einheitlichkeit des Rechtsmittels (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 345 Rn. 21) der Zulässigkeit der sowohl von Rechtsanwalt B. als auch von Rechtsanwalt Prof. Dr. S. vorgebrachten Verfahrensbeanstandung insgesamt entgegensteht, dass Rechtsanwalt B. in seiner Revisionsbegründungsschrift die Mitteilung des Vorsitzenden der Strafkammer über das durchgeführte Rechtsgespräch zur Erzielung einer Verständigung vorgetragen hat, während Rechtsanwalt Prof. Dr. S. in seiner Revisionsrechtfertigungsschrift hierzu widersprüchlich und unzutreffend behauptet hat, der Vorsitzende habe ins Protokoll keinen Hinweis aufgenommen, dass Gespräche stattgefunden hätten. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet, weil das Urteil auf der Rechtsverletzung nicht beruht. Hierzu gilt:
9
aa) Gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO ist über Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO zu berichten, die - wie hier - außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist. Das Transparenzgebot soll sicherstellen , dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen und durch die Möglichkeit, Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung zu führen, kein informelles und unkontrolliertes Verfahren betrieben wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168, 215 ff.; BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418 mwN). Die Mitteilungspflicht erstreckt sich auch auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wurden und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist (BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, wistra 2011, 72, 73; vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14, NJW 2015, 645). Dabei ist über die stattge- fundenen Erörterungen jedenfalls in der Regel unverzüglich zu informieren (BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, wistra 2011, 72, 73; vom 27. Januar 2015 - 1 StR 393/14, NStZ 2015, 353).
10
Diesen inhaltlich an die Mitteilung zu stellenden Maßstäben genügte die nur formelhaft gehaltene Erklärung vom ersten Hauptverhandlungstag nicht; die ergänzende Erklärung vom 10. April 2014 war verspätet.
11
bb) Das Urteil beruht jedoch nicht im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO auf dem Verfahrensverstoß.
12
Ein Urteil beruht auf einem Rechtsfehler, wenn es ohne diesen möglicherweise anders ausgefallen wäre. An einer solchen Möglichkeit fehlt es, wenn ein ursächlicher Zusammenhang mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann bzw. rein theoretischer Natur ist. Insbesondere bei Verstößen gegen das Verfahrensrecht hängt diese Entscheidung stark von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. etwa BGH, Urteile vom 15. November 1968 - 4 StR 190/68, BGHSt 22, 278, 280; vom 8. November 1984 - 1 StR 608/84, NStZ 1985, 135; vom 11. Mai 2011 - 2 StR 590/10, BGHSt 56, 235, 238; Beschluss vom 19. August 2010 - 3 StR 226/10, wistra 2011, 73, 74; Urteil vom 23. Juli 2015 - 3 StR 470/14, juris Rn. 17).
13
(1) Ausgehend von diesen Maßstäben ist zunächst auszuschließen, dass der Schuldspruch durch die unzureichende Mitteilung vom 23. Oktober 2012 über das geführte Gespräch beeinflusst wurde. Seine Feststellungen hat das Landgericht nach umfassender Beweisaufnahme und aufgrund einer - ausweislich der Urteilsurkunde sehr sorgfältigen - Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei getroffen. Auch im Falle eines frühzeitigen Geständnisses wäre die Strafkammer zwingend gehalten gewesen, das Geständnis umfassend auf seine Glaubhaftigkeit zu überprüfen (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168, 209 f.). Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten noch umfassender oder unter noch weitergehendem Beweisantritt in Abrede gestellt hätte, wenn er über den Inhalt des Gesprächs vom 23. Oktober 2012 bereits zu diesem Zeitpunkt vollumfänglich informiert worden wäre.
14
Es ist weiter auszuschließen, dass sich der Angeklagte bei rechtzeitiger vollständiger Unterrichtung über das Gespräch vom 23. Oktober 2012 frühzeitig geständig im Sinne der getroffenen Feststellungen eingelassen hätte und der Strafausspruch wegen des in diesem Fall gegebenen bestimmenden Strafmilderungsgrundes ohne den Rechtsfehler milder ausgefallen wäre. Der Angeklagte hat sich nach der Mitteilung vom 10. April 2014 noch mehrfach zur Sache eingelassen, ohne auf den Verständigungsvorschlag zurückzukommen. Daneben war er ausweislich seiner in der Hauptverhandlung vom 10. April 2014 zu Protokoll genommenen schriftlichen Erklärung von seinem Verteidiger darüber informiert worden, dass die Strafkammer eine Straferwartung von fünf Jahren geäußert hatte. Ob die Ausführungen in der Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Prof. Dr. S. (S. 3), dem Angeklagten sei von seiner Verteidigung lediglich mitgeteilt worden, "welche Höchststrafe sich das Gericht für ihn" vorstelle, dahin zu verstehen sind, dass der Angeklagte auch über die Höchstgrenze von fünf Jahren sechs Monaten unterrichtet war, kann dahinstehen. Da der Angeklagte nach seiner Erklärung vom 10. April 2014 schon kein Interesse an einer Verständigung auf Grundlage der von der Strafkammer genannten Strafuntergrenze von fünf Jahren hatte, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Angeklagte an einer Verständigung auf Grundlage der am 23. Oktober 2012 geäußerten Vorstellungen insgesamt nicht interessiert war. Dass der Angeklagte die Vorgänge in seiner Erklärung vom 10. April 2014 im Übrigen insoweit richtig wiedergegeben und nicht der Mitteilung des Vorsitzenden vom selben Tage angepasst hat, folgt bereits daraus, dass der Angeklagte seine Erklärung schriftlich vorformuliert hatte.
15
(2) Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der oben dargelegten, bereits vom Reichsgericht begründeten Auslegung des § 337 StPO nicht entgegensteht und die maßgebend auf die Kausalität abstellende Beruhensprüfung auch bei Verletzung von § 243 Abs. 4 StPO nicht um normative Gesichtspunkte zu ergänzen ist (BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 - 3 StR 470/14, juris Rn. 21 ff.). Selbst wenn man jedoch unter Zurückstellung der in der Entscheidung vom 23. Juli 2015 dargelegten Bedenken den in den Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14, NStZ 2015, 170; 2 BvR 2055/14, NStZ 2015, 172) aufgestellten Maßstäben zur normativen Beruhensprüfung folgen würde, wäre nach den dort aufgezeigten Kriterien hier ein Fall gegeben, der die Wertung, dass das Urteil auf dem Verstoß gegen § 243 Abs. 4 StPO nicht beruht, rechtfertigen würde. Hierzu gilt:
16
Das Schutzgut der Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit ist angesichts des konkreten Verfahrensablaufs schon nicht verletzt worden, weil der Vorsitzende über das Gespräch vom 23. Oktober 2012 - jedenfalls soweit sich die Erörterungen auf den Angeklagten bezogen - am 10. April 2014 ausreichend detailliert unterrichtet hatte. Zwar ist die Mitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO in der Regel unverzüglich zu machen; dies betrifft indes lediglich die Unterrichtung des Angeklagten, da die Mitteilung auf sein Prozessverhalten entscheidenden Einfluss haben kann. Die Öffentlichkeit hat hingegen keinen Anspruch auf eine rechtzeitige Unterrichtung. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang weiter rügt, die Unterrichtung durch den Vorsitzenden vom 10. April 2014 sei unvollständig gewesen, wird dies von dem Revisionsvortrag nicht getragen, da diesem ein weitergehender Inhalt des Erörterungsgesprächs vom 23. Oktober 2012 nicht zu entnehmen ist (zu dem Erfordernis, zum Inhalt der Verständigungsgespräche vorzutragen vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315, 318).
17
Es steht fest, dass eine rechtswidrige und informelle Verständigung zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt war. Der zweifelsfreie, vom Revisionsführer selbst mitgeteilte Inhalt des am 23. Oktober 2012 geführten Gesprächs gibt mit Blick auf den Regelungsinhalt des § 257c Abs. 2 StPO keinen Grund zur Beanstandung. Dass der Strafkammer an einer verständigungsbasierten Beendigung des Verfahrens gelegen war, wurde zu keiner Zeit verschwiegen. Vielmehr hatte der Vorsitzende der Strafkammer dies noch am 23. Oktober 2012 in der Hauptverhandlung durch seine Erklärung, ein entsprechendes Rechtsgespräch sei erfolglos verlaufen, öffentlich gemacht.
18
Auch Art und Schwere des Verstoßes gegen § 243 Abs. 4 StPO begründen bei der nach der Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebotenen normativen Betrachtung ein Beruhen des Urteils auf der unterlassenen Mitteilung nicht. Unter diesem Gesichtspunkt ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass das Vorgehen der Strafkammer durch die Mitteilung des Vorsitzenden vom ersten Hauptverhandlungstag sowohl gegenüber dem Angeklagten als auch gegenüber der Öffentlichkeit offen gelegt wurde. Angesichts des feststehenden unbedenklichen Inhalts des geführten Gesprächs ist nicht zu erkennen , dass der Angeklagte, der jedenfalls über die Strafmaßvorstellungen des Gerichts durch seinen Verteidiger informiert worden war, unzutreffend über weitere Details des Gesprächs von seinen Verteidigern unterrichtet worden ist oder worden wäre, hätte er sich - soweit eine weitere Unterrichtung unterblieben sein sollte - bei diesen nach der Mitteilung des Vorsitzenden über Inhalt und Verlauf des Gesprächs detailliert erkundigt. Schließlich sind der Angeklagte und die Öffentlichkeit später detailliert unterrichtet worden (zu einem Ausschluss des Beruhens bei vergleichbarer Sachlage BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14, NStZ 2015, 170, 172; BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - 1 StR 590/14, NStZ-RR 2015, 379).
19
c) Soweit Rechtsanwalt Prof. Dr. S. in seiner Revisionsbegründungsschrift (Revisionsbegründung S. 9 f.) rügt, die Strafkammer habe in gesetzeswidriger Weise Druck ausgeübt, weil die Differenz zwischen der im Falle eines Geständnisses und der nach streitiger Beweisaufnahme zu erwartenden Strafe unverhältnismäßig groß gewesen sei (sog. "Sanktionsschere"), verhilft auch dies der Rüge nicht zum Erfolg. Dass der Vorsitzende im Rahmen des Erörterungsgesprächs vom 23. Oktober 2012 auch eine Straferwartung für den Fall einer unterbleibenden oder die Anklagevorwürfe in Abrede stellenden Einlassung nannte, behauptet die Revision selbst nicht. Der Vorsitzende war hierzu auch nicht verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2013 - 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671). Soweit die Revision in diesem Zusammenhang das Urteil angreift, weil das Landgericht im weiteren Verlauf des Verfahrens mit einer unvertretbar hohen Strafe gedroht habe, "um ein prozesskonformes Verhaltes des Revisionsführers durch Abgabe eines Geständnisses zu erzwingen", ist die Rüge unzulässig. Konkrete Tatsachen hierzu sind nicht vorgetragen worden. Dies gilt auch, soweit die Revision in diesem Zusammenhang auf Ausführungen in Haftfortdauerbeschlüssen Bezug nimmt, da diese weder vorgelegt noch inhaltlich mitgeteilt worden sind.
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Dass die gegen den Angeklagten verhängte Strafe von den im Gespräch vom 23. Oktober 2012 für den Fall eines frühzeitigen Geständnisses genannten Strafmaß deutlich abweicht, vermag einen Verfahrensfehler unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des § 243 Abs. 4 StPO von vornherein nicht zu begründen. Die Frage nach dem Vorliegen einer unzulässig weit geöffneten "Sanktionsschere" bezieht sich hinsichtlich beider Alternativen (mit und ohne Geständnis) auf den Zeitpunkt der Verständigungsgespräche (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10, BGHR StPO § 257c Strafrahmen 1).
21
2. Zur Rüge einer Verletzung von § 338 Nr. 8, § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO, weil der Angeklagte nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen und der Vorsitzende gehalten gewesen sei, die Pflichtverteidiger D. und von Dr. auszutauschen und zumindest einen neuen Pflichtverteidiger zu bestellen (Revisionsbegründung RA B. , S. 2 ff.), gilt das Folgende:
22
a) Soweit die Revision einen Verstoß gegen § 338 Nr. 8 StPO rügt, bleibt der Rüge schon deshalb der Erfolg versagt, weil die Vorschrift eine Beschränkung der Verteidigung durch Gerichtsbeschluss voraussetzt (vgl. auch KK-Gericke aaO, § 338 Rn. 102); bei den im Rahmen der Rüge im Einzelnen angegriffenen Beschlüssen handelt es sich jedoch sämtlich um Entscheidungen des Vorsitzenden.
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b) Aber auch unter der Stoßrichtung einer Verletzung von § 140 Abs. 1 Nr. 1, § 141 StPO bleibt die Rüge erfolglos. Die eine Entpflichtung der Pflichtverteidiger ablehnenden Beschlüsse vom 25. April 2014 (Revisionsbegründung RA Birkner, S. 36 f.), vom 8. Mai 2014 (Revisionsbegründung RA B. , S. 42 f.) und vom 17. Juni 2014 (Revisionsbegründung RA B. , S. 45 f.) zeigen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 16. Juni 2015 keinen Rechtsfehler auf. Hinsichtlich des Ablehnungsbeschlusses vom 8. Juli 2014 (Revisionsbegründung RA B. , S. 89 f.) ist die Rüge bereits unzulässig, da die Revision weder das in dem Ablehnungsbeschluss in Bezug genommene Schreiben vom 26. Januar 2014 vorgelegt hat noch dessen vollständiger Inhalt der Revisionsbegründung zu entnehmen ist. Zudem liegt dem Beschluss vom 8. Juli 2014 die als Entpflichtungsantrag ausgelegte schriftliche Erklärung des Angeklagten vom 20. Juni 2014 zugrunde, die ihrerseits zur Begründung , dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und seinen Pflichtverteidigern nachhaltig und endgültig zerrüttet sei, maßgeblich Bezug auf einen früheren vom Angeklagten korrigierten Einlassungsentwurf nimmt. Diesen hat die Revision zwar vorgelegt, jedoch sind die handschriftlichen Anmerkungen des Angeklagten vermehrt nicht lesbar (vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1984 - 2 StR 166/84, BGHSt 33, 44; KK-Gericke aaO, § 344 Rn. 38).
24
Unzulässig ist die Rüge schließlich auch hinsichtlich des Entpflichtungsantrags des Angeklagten vom 16. Juli 2014 und des hierzu ergangenen Beschlusses des Vorsitzenden vom 29. Juli 2014 (Revisionsbegründung RA B. , S. 95 f.). Ob das den Pflichtverteidigern und hier insbesondere Rechtsanwalt D. vorgeworfene Verhalten geeignet war, das Vertrauensverhältnis des Angeklagten zu seinen Pflichtverteidigern zu zerstören, kann ohne Kenntnis der Erklärungen der Verteidiger hierzu nicht beurteilt werden. Dementsprechend sind solche Erklärungen des Verteidigers gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bei einer Verfahrensrüge mitzuteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2003 - 1 StR 481/03, NStZ 2004, 632, 633). Die Erklärungen der Pflichtverteidiger zu den von dem Angeklagten in seinem Entpflichtungsantrag vom 16. Juli 2014 erhobenen Vorwürfen teilt die Revision indes nicht mit. Der Revisionsbegründung lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Pflichtverteidi- ger zu den Vorwürfen keine Stellungnahme abgegeben haben, obwohl diesen - was die Revision ebenfalls nicht vorträgt - seitens des Vorsitzenden mit Verfügung vom 16. Juli 2014 Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden ist (Hauptakte Bd. XLVII, Bl. 10690). Ob der von der Revision vorgetragene Schriftsatz der Pflichtverteidiger D. und von Dr. vom 24. Juli 2014 mit dem Entpflichtungsantrag vom 16. Juli 2014 in Zusammenhang stand, lässt sich der Revisionsbegründung nicht entnehmen. Es bedarf daher keiner Entscheidung , ob die Revision auch hätte vortragen müssen, weshalb dem Wahlverteidiger Prof. Dr. S. eine Wahrnehmung des Sitzungstags vom 30. Juli 2014 und damit ein Schlussvortrag nicht möglich war, nachdem der Angeklagte das am 16. Juli 2014 von Rechtsanwalt D. gehaltene Plädoyer für unzureichend hielt (vgl. zu diesem Vortragserfordernis im Rahmen von § 338 Nr. 8 StPO: BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012 - 1 StR 373/11, NStZ 2012, 462,

463).


25
3. Die Rüge, das Landgericht habe zu Unrecht einen in der Hauptverhandlung vom 26. März 2014 gestellten Beweisantrag wegen Prozessverschleppung abgelehnt (Revisionsbegründung RA Dr. Z. , S. 40 ff.), ist unzulässig. In dem angegriffenen Ablehnungsbeschluss vom 27. März 2014 hat die Strafkammer zur Begründung ihrer Auffassung, der Beweisantrag sei ausschließlich gestellt worden, um das Verfahren zu verzögern, unter anderem darauf abgestellt, dass die Beweiserhebung nach dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme nichts ergeben werde, und wegen der Begründung auf einen früheren Ablehnungsbeschluss (Ablehnung des Antrags des Angeklagten auf Vernehmung "aller von ihm angesprochenen Kunden" und des ZeugenR. [Anlage 6 zum Protokoll vom 13. März 2014]) verwiesen. Diesen Ablehnungsbeschluss trägt die Revision zwar ebenfalls noch vor, nicht jedoch den dort weiter in Bezug genommenen Ablehnungsbeschluss hinsichtlich der Vernehmung des Zeugen W. . In diesem Beschluss hat die Strafkammer dargelegt, aus welchen Gründen sie nach dem bisherigen Beweisergebnis davon überzeugt war, dass es sich bei dem von der Business Capital Investors Corporation betriebenen Vertriebssystem um ein Schneeballsystem handelte. Dieser Umstand war für den Schuldspruch und insbesondere die Tatbestandsmerkmale Täuschung, Irrtum und Vermögensschaden von maßgebender Bedeutung. Seine Kenntnis ist daher für die Beurteilung erforderlich, ob der Schluss der Kammer, die im Beweisantrag vom 26. März 2014 beantragte Beweiserhebung werde keine Beweisergebnisse zugunsten des Angeklagten erbringen, rechtsfehlerfrei begründet war.
26
Zudem wurde der abgelehnte Beweisantrag am 13. Juni 2014 noch einmal wiederholt (Revisionsbegründung RA Dr. Z. , S. 47). Insoweit hätte es zur Zulässigkeit der Rüge gehört, auch den hierzu ergangenen Ablehnungsbeschluss der Kammer mitzuteilen; die neue Bescheidung eines wiederholt ge- stellten Beweisantrages kann etwaige Fehler der ersten Ablehnung heilen, weil der Angeklagte seine Verteidigung auf die neue Beurteilung einstellen kann (BGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2012 - 1 StR 647/11, NStZ-RR 2012, 178; vom 14. Oktober 2014 - 3 StR 167/14, juris Rn. 25).
Becker Hubert Mayer
Gericke Spaniol
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published on 09.09.2021 17:29

Die Verständigung ist der sog. „Deal“ im Strafprozess. Schon umstritten ist, wie sie strafrechtsdogmatisch überhaupt einzuordnen ist. Die Verständigung ist eine Verfahrensweise, bei der sich das Gericht mit den Verfahrensbe
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Die Verständigung ist der sog. „Deal“ im Strafprozess. Schon umstritten ist, wie sie strafrechtsdogmatisch überhaupt einzuordnen ist. Die Verständigung ist eine Verfahrensweise, bei der sich das Gericht mit den Verfahrensbeteiligten über das Ergebnis des Verfahrens verständigt, § 257 c StPO. Häufigster Anwendungsfall dabei ist die Einigung über das zu erwartende Strafmaß, d. h. die Rechtsfolge, im Falle dass der Angeklagte geständig ist.
 
Primär dient dieses Institut natürlich dazu, Ressourcen zu schonen und damit Verfahren zu kürzen. Da die Ermittlung der „materiellen Wahrheit“, also der Sachverhalt, so wie er sich wirklich abgespielt hat, Ziel eines jeden Strafverfahrens ist, darf die Verständigung die Sachverhaltsaufklärung der Ermittlungsbehörden nicht verkürzen. Hier entsteht ein Dilemna zwischen der praktischen Notwendigkeit eines solchen Instituts und den extremen Bedenken, die gegen ein solches Institut sprechen; die Verfahrensgrundsätze werden durch einen solchen Deal nämlich nicht hinreichend bedacht. Das Verfahren wird hierdurch erheblich verkürzt und Grundsätze wie beispielsweise der Öffentlichkeitsgrundsatz können nicht derartig eingehalten werden, wie unsere Verfassung das von uns eigentlich verlangt. 

Zum Zwecke der Transparenz wurden entsprechende Protokollierungspflichten in unserer Strafprozessordnung normiert, um die Absprache mit den Verfahrensgrundsätzen in Einklang zu bringen. Die Einführung der Norm des § 257 c StPO am 4. 08 2009 stellte damit eigentlich einen Fortschritt dar – vorher entsprach es der Regel, dass Gerichte eine sog. informelle Absprache durchführten, d. h. illegale Absprachen außerhalb der Hauptverhandlung ohne jegliche Dokumentation. Problem hierbei ist, dass sich die Praxis seit Einführung des § 257 c StPO nicht an die ihr auferlegten Dokumentationspflichten hielt – das nennt das Bundesverfassungsgericht Vollzugsdefizit. Dies könnte dazu führen, dass die Norm in ihrer Gesamtheit früher oder später nicht mehr verfassungsgemäß ist:
 
Im Frühjahr 2013 entschied das Bundesverfassungsgericht nämlich, dass die Regelung zur Verständigung im Strafprozess – trotz eines erheblichen Vollzugsdefizits – derzeit „noch nicht“ verfassungswidrig seien. Was das genau bedeuten soll, ist unklar. In diesem Aufsatz möchte ich mich mit diesem Urteil auseinandersetzen. Es gilt als eines der wichtigsten Urteile des 21. Jahrhunderts zum Thema Strafprozessrecht.

2 BvR 2628/10 – Ein Überblick
Wie schon soeben erwähnt, setzte sich das Bundesverfassungsgericht im vorliegenden Verfahren damit auseinander, ob das Verständigungsgesetz in seiner Fassung mit der deutschen Verfassung in Einklang steht. Dies bejahte das höchstrichterliche Gericht, verwies aber auf den Vollzugsdefizit und legte demnach dem Gesetzgeber die Pflicht auf, die Schutzmechanismen (damit ist die Transparenz richterlichen Handelns und die Protokollierungspflichten im Rahmen einer Verständigung gemeint) immer wieder auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen sowie bei Gelegenheit nachzubessern.

Wie steht es mit den Verfahrensgrundsätzen?
Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Urteil der Reihe nach auf die wichtigen Verfahrensprinzipien ein, die im Rahmen einer Verständigung unbedingt Beachtung finden müssen:
Es beginnt mit dem Schuldgrundsatz, der sich aus der Menschenwürde (Art. 1 GG und Art. 2 I GG) und aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) ableitet. Trotz einer Einigung über das Strafmaß im Rahmen einer Verständigung bleibt es immer noch Ziel des Strafverfahrens den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Ohne einen solchen lässt sich das materielle Schuldprinzip gar nicht realisieren – Die Strafe die der Verurteilte erhält ist nämlich die Antwort auf seine persönliche Schuld! Auch das Institut der Verständigung kann einen solch wichtigen Verfahrensgrundsatz nicht lahmlegen.
Eine Verständigung kann damit niemals alleinige Urteilsgrundlage bilden, sondern das Gericht – muss wie sonst auch immer – hiervon überzeugt sein, § 261 StPO. Vielmehr müssen verständigungsbasierte Geständnisse auf ihre Richtigkeit überprüft werden (Verlinkung!).
 
Das Gericht weist auch darauf hin, dass der Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren durch die Verständigung nach § 257 c StPO nicht verletzt wird. Ein solcher gewährleistet das Recht eines jeden Beschuldigten, prozessuale Rechte wahrzunehmen sowie Übergriffe des Staates in einer angemessenen Art und Weise abwehren zu können. Wie dieses Verfahrensrecht ausgestaltet wird, liegt grundsätzlich in der Kompetenz des Gesetzgebers.
Darüber schreibt das Gericht in seinem Urteil über die Relevanz des Grundsatzes der Selbstbelastungsfreiheit und der Unschuldsvermutung, die im Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 III GGverankert sind. Der Beschuldigte muss stets frei von jeglichem Zwang und eigenverantwortlich entscheiden können, ob und wie er im Strafprozess gegen sich selbst mitwirken möchte. Er muss also nicht an seiner eigenen Überführung mitwirken.
 
Die genannten Verfahrensgrundsätze lassen natürlich Zweifel aufkommen, inwieweit das Institut der Verständigung denn überhaupt mit diesen Verfahrensgrundsätzen in Einklang zu bringen ist. Außer Acht gelassen darf hierbei aber nicht, dass das Verständigungsgesetz vielmehr ein Versuch war, ein solches Institut mit der Verfassung in Einklang zu bringen, gerade weil es vorher der Praxis entsprach, eine solche ohne jegliche gesetzlich normierten Transparenzpflichten durchzuführen. Es entsprach also der Praxis einen solchen „Deal“ abzuschließen – und dies ohne Rücksicht darauf, dass ein solches Handeln unsere Verfassung und vielmehr die prozessualen Rechte eines jeden Beschuldigten mit Füßen trat.

Das Gericht schreibt in seinem Urteil, dass das Verständigungsgesetz das Risiko aufweisen würde, dass die Vorgaben, die uns die Verfassung an ein solches Institut vorschreibt, nur geringfügige Beachtung findet. Dies habe aber nicht zur Folge, dass es dem Gesetzgeber deshalb schlechthin verwehrt sei, eine solche Verfahrensvereinfachung dennoch grundsätzlich für zulässig zu erklären. Indem der Gesetzgeber an das Institut der Verständigung gewisse gesetzliche Vorgaben schuf, hat er damit kein „konsensuales Verfahrensmodell“ zwischen Beschuldigtem und Gericht geschaffen, sondern vielmehr die Verständigung als eine Art „Fremdkörper“ in unsere geltende Strafprozessordnung integriert.

Wieso sind Transparenz und Dokumentation von solchen Verständigungen so wichtig? 
Solche Pflichten, die der Gesetzgeber der Praxis mit seinem § 257 c StPO aufgebürdet hat sind deshalb bedeutsam, da sie eine effektive Kontrolle durch Öffentlichkeit, Staatsanwaltschaft und durch das Rechtsmittelgericht gewährt. Dadurch, dass die mit einer Verständigung verbundenen Handlungen umfassend in die öffentliche Hauptverhandlung einbezogen werden müssen, wird betont, dass sich auch bei dem Institut der Verständigung die richterliche Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ergeben muss. Der Staatsanwaltschaft wird hier eine herausragende Rolle zugeschrieben, denn ihr kommt eine Kontrollfunktion zu. Sie ist dazu verpflichtet, ihre Zustimmung zu einer gesetzeswidrigen Verständigung zu verweigern und muss vielmehr Rechtsmittel gegen Urteil einlegen, die auf einer solchen Verständigung beruhen.

Bundesverfassungsgericht versetzt sich in die Lage des BGH und nennt Revisionsgründe
Interessant ist auch, dass das Bundesverfassungsgericht darlegt, dass ein Verstoß gegen die Transparenz-und Dokumentationspflichten die Rechtswidrigkeit der Verständigung zur Folge hat. Behält das Gericht die Verständigung dennoch bei, so stelle dies ein Revisionsgrund dar – ein Beruhen ließe sich also regelmäßig nicht ausschließen.
 
Dasselbe gelte dann, wenn der Angeklagte nicht über die Voraussetzungen und mit welchen Folgen das Gericht von dem in Aussicht gestellten Ergebnis abweichen kann belehrt wird. Eine solche Belehrung soll nämlich den Angeklagten in seiner Entscheidungsfreiheit hinsichtlich über seine Mitwirkung an der Verständigung schützen.
 
Diese Passagen des Urteils lassen seine Leser freilich etwas grübeln – denn solche Vorgaben, die das höchstrichterliche Gericht hier tätigt, sind eigentlich solche, die allein der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz der Justiz auferlegen sollte; nicht hingegen das Bundesverfassungsgericht. Es überschritt hier mithin seine Kompetenzen.

Über den Vollzugsdefizit
Nun zum Knackpunkt der Entscheidung:
Das Verständigungsgesetz sichere die verfassungsrechtlichen Vorgaben in hinreichender Weise; der in erheblichen Maße defizitäre Vollzug des Verständigungsgesetzes führe derzeit noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung.
 
Was das Bundesverfassungsgericht kritisiert ist gar nicht das Gesetz in seiner jetzigen Fassung vom 4.08.2009 selbst; es ist vielmehr die Praxis, die sich nicht an die ihr auferlegten Transparenz und Protokollierungspflichten hält. Verfassungswidrig wäre der Gesetzestext allein dann, wenn die Schutzmechanismen in einer Art und Weise lückenhaft wären und damit (selbst gegen die Verfassung verstoßende) informelle Absprachen fördern würden – die Norm soll solche illegalen Absprachen aber gerade verhindern indem sie strenge Anforderungen an ein solches Institut aufstellt.  Problem ist hier also vielmehr die Praxis, die das Gesetz nicht oder nicht richtig anwendet.
Als Hauptgrund für den defizitären Vollzug wird in der im Gutachten genannten empirischen Studie nicht der strukturelle Mängel des gesetzlichen Regelungskonzeptes, sondern vielmehr eine „fehlende Praxisuntauglichkeit“ genannt.

Was folgt?
Was schlussfolgert das Bundesverfassungsgericht aus seinen Erwägungen? Was soll das überhaupt bedeuten, das Gesetz ist „noch“ verfassungskonform, „Schuld“ sei vielmehr die Praxis? Das höchstrichterliche Gericht meint in seinen Ausführungen, der Gesetzgeber müsse die weitere Entwicklung sorgfältig im Auge behalten. Sollte sich die gerichtliche Praxis weiterhin in derartiger Weise über die normierten Regelungen hinwegsetzen, so sei es als Aufgabe des Gesetzgebers anzusehen, diese Fehlentwicklung durch Maßnahmen entgegenzutreten. Wenn dies unterbleibt, so träte „ein verfassungswidriger Zustand“ ein.
 
Diese Begründung durch das Bundesverfassungsgericht wurde zu Recht in vielfacher Weise von der Literatur angegriffen. Und das aus vielerlei Gründen. Wieso? Der Senat legt dem Gesetzgeber die Pflicht auf, die Entwicklung sorgfältig zu beobachten. Zwingend ist diese „Verschiebung“ aber nicht. Vielmehr hätte sich der Senat einer endgültigen Entscheidung nicht entziehen dürfen – je nachdem wie er den defizitären Vollzug des Verständigungsgesetzes einschätzt (unabhängig davon, dass ein solcher nicht aus einer Schutzlücke des Gesetzes entspringt) hätte er sich somit für eine Verfassungsmäßigkeit oder eben Verfassungswidrigkeit entscheiden können. Die Frage, wieso der Senat warten möchte, und vielmehr eine „vorübergehende Lösung“ der „Noch-Verfassungsmäßigkeit“ einer endgültigen Entscheidung vorzieht, erschließt sich mir nicht.
 
Eine Frage habe ich mir außerdem noch gestellt: Was genau muss der Gesetzgeber jetzt tun? Schließlich ist es und bleibt es die Aufgabe des Gesetzgebers, Gesetze zu erlassen. Wenn das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber allerdings vorgibt, dass das Verständigungsgesetz den verfassungsmäßigen Anforderungen entspricht, so bleibt für den Gesetzgeber unklar, wann und wie er zu handeln hat, wenn das Vollzugsdefizit in der Praxis keine Besserung erfährt.

Dieses Urteil ist v. a. für die Gerichte relevant. Es bringt zum Ausdruck, dass sie sich an die Formvorschriften der Strafprozessordnung halten müssen. Tun sie dies nicht, so trete ein rechtswidriger Zustand ein, der zeitgleich einen Revisionsgrund ablichtet. Ein solches hat natürlich auch eine erhebliche Relevanz für den Beschuldigten - er ist als Subjekt des Strafprozesses besonders schützenswert. Die Verfahrensgrundsätze unserer Strafprozessordnung müssen zu seinem Schutze Anwendung finden. 

published on 05.10.2010 00:00

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.

(2) Unabhängig von einem Antrag wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald

1.
er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll;
2.
bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
3.
im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder
4.
er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.
Erfolgt die Vorführung in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 zur Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls nach § 127b Absatz 2 oder über die Vollstreckung eines Haftbefehls gemäß § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, so wird ein Pflichtverteidiger nur bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 kann die Bestellung unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.