Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Feb. 2017 - 3 ARs 20/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:230217B3ARS20.16.0
23.02.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 ARs 20/16
vom
23. Februar 2017
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
Der Minderheit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses kommen
im Verfahren nach § 17 Abs. 2 und 4 PUAG nur dann eigene Rechte zu, wenn
sie entsprechend Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG mindestens ein Viertel der Mitglieder
des Bundestags repräsentiert.
BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017- 3 ARs 20/16 - Ermittlungsrichterin des
Bundesgerichtshofs
ECLI:DE:BGH:2017:230217B3ARS20.16.0

in dem Verfahren
der Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des 1. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, bestehend aus den Abgeordneten , Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
- Antragstellerin und Beschwerdegegnerin -
gegen
den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages , vertreten durch den Vorsitzenden , Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
- Antragsgegner und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigter:

hier: Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs gemäß § 17 Abs. 4 PUAG
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Februar 2017 beschlossen :
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2016 aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Die Antragstellerin erstrebt die Umsetzung eines im 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gestellten Antrags, der darauf abzielt, dass die Voraussetzungen für den Vollzug eines vom Untersuchungsausschuss bereits gefassten Beweisbeschlusses geschaffen werden.
2
Der Bundestag setzte am 20. März 2014 den vorstehend genannten Untersuchungsausschuss ein, um unter anderem zu klären, "ob, in welcher Weise und in welchem Umfang durch Nachrichtendienste der Staaten der sogenannten "Five Eyes" (der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königsreichs , Kanadas, Australiens und Neuseelands) eine Erfassung von Daten über Kommunikationsvorgänge (...), deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge (...) von, nach und in Deutschland auf Vorrat oder eine Nutzung solcher auf öffentliche Unternehmen der genannten Staaten oder private Dritte erfasste Daten erfolgte bzw. erfolgt und inwieweit Stellen des Bundes, insbesondere die Bundesregierung, Nachrichtendienste oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik von derartigen Praktiken Kenntnis hatten, daran beteiligt waren, diesen entgegenwirkten und gegebenenfalls Nutzen daraus zogen", und ferner zu untersuchen, "ob und inwieweit Daten über Kommunikationsvorgänge und deren Inhalte (...) von Mitgliedern der Bundesregierung, Bediensteten des Bundes sowie Mitgliedern des Deutschen Bundestages oder anderer Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, durch Nachrich- tendienste der (…) genannten Staaten nachrichtendienstlich erfasst oder aus- gewertet wurden" (BT-Drucks. 18/843, S. 1, 3 f. i.V.m. BT-Plenarprotokoll 18/23, S. 1816, 1828). Die Antragstellerin stellt zusammen ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses; die hinter ihr stehenden Fraktionen umfassen demgegenüber weniger als ein Viertel der Mitglieder des Bundestags.
3
Von Beginn an stand im Untersuchungsausschuss die Vernehmung von Edward Snowden im Raum. Im Rahmen eines Ersuchens des Antragsgegners äußerte sich die Bundesregierung erstmals in einer Stellungnahme vom 2. Mai 2014 zu den hiermit verbundenen rechtlichen Fragen. Sie kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass auch eine Vernehmung des Zeugen im Ausland in Betracht komme und die außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem möglichen Interesse des Untersuchungsausschusses an einer Vernehmung von Snowden in Deutschland überwiegen dürften. Am 8. Mai 2014 beschloss der Untersuchungsausschuss, zu dem Untersuchungsauftrag Beweis zu erheben durch Vernehmung des Edward Snowden als Zeugen.
4
Im Untersuchungsausschuss bestand und besteht weiterhin Uneinigkeit darüber, wie dieser Beschluss umgesetzt werden soll. Auf ein weiteres Ersuchen des Antragsgegners erklärte die Bundesregierung in einer ergänzenden Stellungnahme vom 2. Juni 2014, es sei nach wie vor davon auszugehen, dass eine Vernehmung des Zeugen im Ausland möglich sei; es bestehe daher gegenwärtig kein Anlass für eine Neubewertung gegenüber der im Bericht vom 2. Mai 2014 dargelegten Rechtsauffassung. In der Folgezeit traf der Antragsgegner mehrere Beschlüsse mit dem Ziel, Snowden an seinem Aufenthaltsort in Russland zu vernehmen. Hierzu war dieser indes nicht bereit, da er befürchtete , durch umfassende Angaben zu dem Untersuchungsauftrag seinen ihm durch die russischen Behörden eingeräumten Aufenthaltsstatus zu gefährden. Im Gegensatz zu der von dem Antragsgegner verfolgten Vernehmung Snowdens in Russland ist es das Interesse der Antragstellerin, den Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss in Deutschland zu vernehmen. Im Juni und Juli 2014 stellte sie in diesem Zusammenhang mehrere Anträge, welche die Ausschussmehrheit jeweils ablehnte. In der Folge strengte die Antragstellerin ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht an mit dem Begehren festzustellen, dass sie durch die Weigerung der Bundesregierung, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung Snowdens in Berlin zu schaffen, sowie durch die Ablehnung ihrer diesbezüglichen Anträge durch den Antragsgegner in ihrem Recht aus Art. 44 Abs. 1 GG verletzt worden sei. Mit Beschluss vom 4. Dezember 2014 verwarf das Bundesverfassungsgericht (2 BvE 3/14, BVerfGE 138, 45) die Anträge. Soweit sich das Verfahren gegen die Weigerung der Bundesregierung richte, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Vernehmung Snowdens in Deutschland zu schaffen, sei der Antrag mangels eines zulässigen Angriffsgegenstandes unzulässig, weil es sich bei den bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Schreiben der Bundesre- gierung nur um unverbindliche Stellungnahmen gehandelt habe. Hinsichtlich der Ablehnung ihrer auf die Vernehmung des Zeugen Snowden in Deutschland abzielenden Verfahrensanträge sei der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht nicht eröffnet. Insbesondere betreffe die Bestimmung des Vernehmungsortes und des Zeitpunktes der Vernehmung nur die Modalitäten des Vollzugs eines bereits ergangenen Beweisbeschlusses; hierüber habe grundsätzlich die jeweilige Ausschussmehrheit nach Maßgabe der §§ 17 ff. PUAG und der sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der Strafprozessordnung zu entscheiden.
5
Am 8. Oktober 2015 beantragten die Antragsteller im Untersuchungsausschuss unter anderem (Ausschussdrucks. 423): "Der 1. Untersuchungsausschuss möge beschließen: (...)

II.

1. Die Bundesregierung wird ersucht, unverzüglich
a) die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen Snowden in Deutschland zu schaffen (insbesondere pass- und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt sowie Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes)
b) dem Ausschuss mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt sie die genannten Voraussetzungen herstellen kann und (…)."
6
Diesen Antrag lehnte die Ausschussmehrheit in der Sitzung vom 15. Oktober 2015 ab. Weitere, auf eine im Wege der Videokonferenz in Russland durchzuführende Vernehmung des Zeugen gerichtete Beschlüsse des An- tragsgegners blieben erfolglos. Die Haltung Snowdens, für eine Vernehmung als Zeuge in Russland nicht zur Verfügung zu stehen, ist unverändert.
7
Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, die Ablehnung des Antrags vom 8. Oktober 2015 durch den Antragsgegner verstoße gegen § 17 Abs. 2 PUAG, da der Antragsgegner zu Unrecht den Vollzug des Beweisbeschlusses vom 8. Mai 2014 verweigere. Die Rechtsschutzmöglichkeit des § 17 Abs. 4 PUAG sei auch dann gegeben, wenn die Ausschussmehrheit den Vollzug einer bereits beschlossenen Beweiserhebung verweigere. Da die Vernehmung des Zeugen Snowden aufgrund dessen eindeutiger Weigerung, sich in Russland vernehmen zu lassen, nur noch in Deutschland möglich sei, handele es sich bei dem begehrten Ersuchen an die Bundesregierung nicht um einen Antrag, der lediglich die Art und Weise des Vollzuges des Beweisbeschlusses betreffe; vielmehr gehe es um die Schaffung der unabdingbaren Voraussetzungen für die Durchführung der Beweiserhebung. Versagungsgründe nach § 17 Abs. 2 PUAG oder der sinngemäß anzuwendenden Strafprozessordnung lägen nicht vor. Insbesondere sei weder die Beweisaufnahme unzulässig noch Snowden - nach bisherigem Sachstand - unerreichbar.
8
Die Antragsteller haben beantragt zu beschließen, der 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages habe nochmals über II. 1. a) und b) des am 8. Oktober 2015 gestellten Antrages (Ausschussdrucks. 423) abzustimmen und ihm - zumindest mehrheitlich - zuzustimmen.
9
Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zu verwerfen.
10
Er hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei bereits unzulässig. Dieser erweise sich als unstatthaft. Zwar vermittele § 17 Abs. 2 PUAG auch einen Vollzugsanspruch hinsichtlich bereits gefasster Beweisbeschlüsse, diesem Vollzugsanspruch korrespondiere jedoch kein Rechtsschutzverfahren. Für den Antrag fehle es überdies an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil er sich als rechtsmissbräuchlich erweise. Dies ergebe sich insbesondere mit Blick darauf, dass zwischen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2014 und der Einleitung des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof mehr als 20 Monate vergangen seien. Jedenfalls sei der Antrag aber unbegründet. Er sei nicht von dem der qualifizierten Minderheit zustehenden Beweiserhebungsrecht des § 17 Abs. 2 PUAG erfasst. Ob ein Zeuge in Deutschland oder im Ausland vernommen werden solle, sei eine bloße Frage der Verfahrensgestaltung , die zur Verfahrensherrschaft der jeweiligen Ausschussmehrheit gehöre. Selbst wenn dies anders zu beurteilen sei, werde der Anspruch auf Vollzug des Beweisbeschlusses nicht verletzt, weil sich aus § 17 Abs. 2 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG, § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO Gründe ergäben, die ein Absehen von der Vernehmung Snowdens in Deutschland rechtfertigten. Der Zeuge sei unter anderem deshalb unerreichbar im Sinne von § 17 Abs. 2 PUAG, weil die Bundesregierung durch eine etwaige Zusage, den Zeugen im Falle einer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nicht an die USA auszuliefern, gegen völkerrechtliche Verpflichtungen verstieße. Überdies seien die Gründe für das Absehen von einer Beweiserhebung in § 17 Abs. 2 PUAG nicht abschließend geregelt; vorliegend sei auch der Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gegeben, wonach die Ladung eines Zeugen im Ausland unterbleiben könne, wenn diese nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei.
11
Mit Beschluss vom 11. November 2016 hat die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs entschieden, der Antragsgegner habe nochmals über die Ziffern II.1.a) und b) des Antrags der Antragstellerin vom 8. Oktober 2015 abzustimmen und ihm - sollte er weiter von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses unterstützt werden - insoweit zumindest mehrheitlich zuzustimmen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Antrag sei zulässig. Er sei nach § 17 Abs. 4 PUAG statthaft. Die dort einfachrechtlich ausgestaltete Rechtsschutzmöglichkeit erfasse auch den Fall, dass ein bereits ergangener Beweisbeschluss nicht vollzogen werde. Dies folge aus dem Zweck der Minderheitenrechte , die der Gesetzgeber über verfassungsrechtliche Vorgaben hinaus einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses zubillige, gleichgültig ob diese Minderheit auch eine einsetzungsberechtige Minderheit repräsentiere. Der Antrag der Antragstellerin betreffe nicht nur eine Vollzugsmodalität , sondern die Frage, ob der bereits gefasste Beweisbeschluss überhaupt vollzogen werde, da die Beweiserhebung ausschließlich im Wege einer Vernehmung Snowdens vor dem Untersuchungsausschuss in Deutschland möglich sei. Es bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin, insbesondere sei der Antrag weder verfristet noch habe die Antragstellerin ihr Beweiserhebungsrecht verwirkt. Der Antrag sei begründet, insbesondere bestünden keine Ablehnungsgründe. Von einer Unerreichbarkeit Snowdens im Sinne von § 17 Abs. 2 PUAG sei nach derzeitigem Sachstand nicht auszugehen. Ob über die in § 17 Abs. 2 PUAG genannten Möglichkeiten hinaus die Vernehmung eines Auslandszeugen auch nach den Maßstäben des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abgelehnt werden könne, bedürfe keiner Entscheidung. Der Antragsgegner habe nicht dargetan, dass die Aussage von Snowden zur Klärung des Untersuchungsauftrags nicht mehr erforderlich sei. Zudem fehle eine detaillierte Abwägung unter Darstellung des Untersuchungsauftrags, des von der Verneh- mung zu erwarteten Erkenntnisgewinns und der angestellten außenpolitischen Erwägungen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darlegungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
12
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Er vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und bringt vor, das Verfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG sei auch deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin nicht antragsbefugt sei. Das in § 17 Abs. 4 PUAG im Interesse der qualifizierten Minderheit geregelte Rechtsschutzverfahren könne kein von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG losgelöstes Minderheitenrecht vermitteln. Zur Unbegründetheit des Antrags macht er insbesondere erneut geltend, dass der Antrag nur eine Vollzugsmodalität zum Gegenstand habe, über die gemäß § 9 Abs. 4 PUAG die Ausschussmehrheit zu entscheiden habe. Hinsichtlich dieser Rechtsfrage bestehe zudem auch eine Bindung des Bundesgerichtshofs an die tragenden Gründe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2014. Überdies sei der Zeuge unerreichbar im Sinne von § 17 Abs. 2 PUAG. Insoweit obliege ihm, dem Antragsgegner, gegenüber der Bundesregierung eine eigene Beurteilungskompetenz hinsichtlich der Frage einer möglichen Verletzung völkerrechtlicher Verträge und der mit einer Vernehmung des Zeugen in Deutschland einhergehenden rechtlichen und politischen Risiken. Schließlich sei die Vernehmung auch nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO nicht geboten. Unter ausführlicher Darlegung seiner Position setzt sich der Antragsgegner insoweit auseinander mit dem Untersuchungsauftrag, dem durch die Vernehmung des Zeugen zu erwartenden Beweiswert, der - nach Auffassung des Antragsgegners erwiesenen - Authentizität der vom Zeugen Snowden veröffentlichten Dokumente sowie den durch die Vernehmung zu erwartenden Gefahren für die Außenpolitik und innere Sicherheit.
13
Der Antragsgegner beantragt, den Beschluss der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2016 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.
14
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
15
Sie hält ihr bisheriges Vorbringen aufrecht und führt ergänzend zu ihrer Antragsbefugnis nach § 17 Abs. 4 PUAG aus. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift genüge es, dass sie das Quorum von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses erfülle. Auf die engeren Voraussetzungen von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG komme es nicht an, weil das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof nach dem PUAG über die Möglichkeiten eines verfassungsrechtlichen Organstreitverfahrens hinausgehe; dies verdeutlichten auch die Gesetzesmaterialien. Der Zeuge Snowden sei auch erreichbar, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass er sich - ein entsprechendes Verhalten der Bundesregierung unterstellt - dem Untersuchungsausschuss für eine Vernehmung zur Verfügung stellen werde. Aus dem System der Rechtskontrolle, welches das PUAG in Ergänzung zum verfassungsrechtlichen Organstreitverfahren konstituiere, folge zudem, dass außenpolitische Erwägungen im Verfahren über die Beweiserhebung nach § 17 PUAG außer Betracht zu bleiben hätten. Ferner bedinge die Konzeption des § 17 PUAG, dass die Ausschussmehrheit die der Bundesregierung als im Wege der Amtshilfe zu ersuchenden Stelle obliegende rechtliche Prüfung nicht vorweg nehmen dürfe. Auch die Voraussetzungen des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO lägen nicht vor, insbesondere sei es dem Antragsgegner verwehrt, die zu erwartende Aussage Snowdens antizipierend zu würdigen.
16
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird ergänzend auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze, insbesondere die Beschwerdebegründung vom 14. Dezember 2016 und die Erwiderung vom 21. Dezember 2016 Bezug genommen.

II.

17
1. Die gemäß § 36 Abs. 3 PUAG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache Erfolg. Der auf § 17 Abs. 2 und 4 PUAG gestützte Antrag ist unzulässig, da die Antragstellerin das dort vorausgesetzte Quorum nicht erreicht.
18
a) Allerdings ist das Rechtsschutzverfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG statthaft. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist es aus den in der angegriffenen Entscheidung dargelegten Gründen nicht nur eröffnet, wenn der Erlass eines Beweisbeschlusses abgelehnt wird, sondern auch dann, wenn ein bereits gefasster Beweisbeschluss nicht vollzogen wird (Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl., § 17 Rn. 25; Waldhoff/Gärditz-Gärditz, PUAG, § 17 Rn. 33; zu Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG vgl. auch BVerfG, Urteil vom 8. April 2002 - 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197, 225 f.). Dies macht die Antragstellerin geltend. Ob der Antragsgegner durch sein Vorgehen tatsächlich den Vollzug des Beweisbeschlusses vom 8. Mai 2014 verhindert, ist - soweit entscheidungserheblich - eine Frage der Begründetheit.
19
b) Indes ist die Antragstellerin im vorliegenden Organstreitverfahren (Glauben/Brocker, PUAG, § 17 Rn. 25; Waldhoff/Gärditz-Gärditz, PUAG, § 17 Rn. 32; zur Rechtsnatur des Verfahrens nach § 36 Abs. 1 PUAG vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2010 - 3 ARs 23/10, NJW 2010, 3251, 3252 [insoweit nicht in BGHSt 55, 257 abgedruckt]) nicht antragsbefugt. § 17 Abs. 4 PUAG dient der Durchsetzung unter anderem der Rechte, welche § 17 Abs. 2 PUAG der qualifizierten Minderheit einräumt. Das entsprechende Quorum kann deshalb nur einheitlich bestimmt werden. Die Antragstellerin setzt sich zwar dem reinen Wortlaut des § 17 Abs. 2 und 4 PUAG entsprechend aus einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses zusammen. Diese Regelungen sind ungeachtet ihrer sprachlichen Fassungen jedoch dahin zu verstehen, dass der Ausschussminderheit im Verfahren nach § 17 Abs. 2 und 4 PUAG nur dann eigene Rechte zukommen, wenn sie entsprechend Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestags repräsentiert, was hinsichtlich der Antragstellerin nicht der Fall ist. Dieses Ergebnis folgt aus Sinn und Zweck der Regelung, wie sie sich unter Beachtung des den Gesetzesmaterialien zu entnehmenden Willens des Gesetzgebers ergeben, sowie der Systematik des Untersuchungsausschussgesetzes und den für das Recht des Untersuchungsausschusses bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Im Einzelnen :
20
aa) Nach seinem Wortlaut räumt § 17 Abs. 4 PUAG die Antragsbefugnis der qualifizierten Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses ein. Bei rein wörtlicher Interpretation knüpft die Norm damit ausschließlich an die Verhältnisse betreffend die Besetzung des Untersuchungsausschusses an. Dies steht indes einem Verständnis der Vorschrift im hier vorgenommenen Sinne unter Berücksichtigung der sonstigen Auslegungs- kriterien nicht von vorneherein entgegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, NVwZ 2017, 137, 140 [zu § 18 Abs. 3 PUAG]).
21
bb) Es entspricht dem aus der Entstehungsgeschichte des Untersuchungsausschussgesetzes ersichtlichen Willen des Gesetzgebers und dem von diesem verfolgten Zweck, die (qualifizierten) Minderheitenrechte nur nach Maßgabe des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG einzuräumen, der als entsprechendes Quorum auf ein Viertel der Mitglieder des Bundestages abstellt.
22
Der Einführung des Untersuchungsausschussgesetzes gingen zwei Gesetzesentwürfe voraus, welche beide dem späteren § 17 Abs. 2 PUAG gleichlautende Gesetzesfassungen enthielten. Der Fraktionsentwurf der FDP führte hierzu aus, dass das qualifizierte Antragsrecht für die Mitglieder im Untersuchungsausschuss in Fortentwicklung des qualifizierten Antragsrechts für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen gewährt werde (BT-Drucks. 14/2363, S. 13 f.). Der Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enthielt insoweit zwar keine näheren Ausführungen, allerdings beruhte er - wie später auch in § 4 Satz 2 PUAG umgesetzt - auf dem Ansatz, dass der Untersuchungsausschuss die Mehrheits- und Minderheitsverhältnisse widerspiegeln müsse, die im Plenum des Bundestags herrschten (BTDrucks. 14/2518, S. 12). Unter Zusammenführung der beiden vorgenannten Fraktionsentwürfe erarbeitete der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung im weiteren Verlauf eine Ausschussfassung (BT-Drucks. 14/5790). Während des Verfahrens im Ausschuss brachte die Fraktion der PDS einen Änderungsantrag ein, der darauf abzielte, das Quorum für die Einsetzung und bestimmte Verfahrensrechte - unter anderem derjenigen von § 17 Abs. 2 und 4 PUAG (BT-Drucks. 14/5790, S. 22 f.) - auf 5% des Deutschen Bundestages oder eine Fraktion herabzusetzen, um die Rechte kleinerer Frak- tionen zu stärken. Diesen Antrag lehnten die übrigen Fraktionen im Ausschuss ab, da Art. 44 GG mit dem Quorum eines Viertels der Mitglieder des Bundestages eine für das Untersuchungsrecht als wichtiges Kontrollinstrument angemessene Entscheidung getroffen habe. Hiervon solle weder bei den Einsetzungsvoraussetzungen noch bei der Ausgestaltung des Verfahrens abgewichen werden (BT-Drucks. 14/5790, S. 13). Die Ausschussfassung wurde schließlich mit Unterstützung aller Fraktionen einstimmig vom Deutschen Bundestag verabschiedet (Waldhoff/Gärditz-Roßbach, PUAG, Vorbemerkung B Rn. 13 f. m.w. Einzelheiten zum Gesetzgebungsverfahren). Der somit eindeutige Wille des Gesetzgebers fordert mithin auch und gerade bei der Auslegung der mit Blick auf die Aufgaben eines Untersuchungsausschusses zentralen Verfahrensregelungen für die Beweiserhebung Beachtung.
23
cc) Dass die qualifizierte Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nur dann im Verfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG eigene Rechte geltend machen kann, wenn sie gemäß § 1 Abs. 1 PUAG, Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG auch mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestags repräsentiert, wird darüber hinaus durch systematische Gesichtspunkte gestützt.
24
(1) Das für die Durchführung des Verfahrens nach § 17 Abs. 4 PUAG erforderliche Quorum knüpft - soweit hier von Bedeutung - an die gleichlautende Regelung in Abs. 2 der Vorschrift an. Beide Bestimmungen richten sich - wie dargelegt - ihrem Wortlaut nach zwar in Abweichung von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, § 1 Abs. 1 PUAG nicht an den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag aus, sondern nehmen diejenigen im Untersuchungsausschuss in Bezug. Indes ist nach § 4 Satz 2 PUAG bei der Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses darauf Bedacht zu nehmen, dass die Zahl der Ausschussmitglieder die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag widerspiegelt. Nach der Binnensystematik des Rechts der Untersuchungsausschüsse entsprechen sich daher die Quoren von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, § 1 Abs. 1 PUAG einerseits und § 17 PUAG andererseits.
25
(2) Diesem Verständnis von § 17 Abs. 2 und 4 PUAG entspricht es, dass im Rahmen des in § 18 Abs. 3 PUAG geregelten Rechtsschutzverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ebenfalls nicht jede Viertelminderheit im Untersuchungsausschuss antragsbefugt ist. Auch dort sind die an die qualifizierte Minderheit zu stellenden formalen Kriterien im Lichte des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG auszulegen. Antragsbefugt ist daher im Rahmen von § 18 Abs. 3 PUAG nur die von der konkreten oder potenziellen Einsetzungsminderheit im Deutschen Bundestag im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG getragene Ausschussminderheit (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 3/16, NVwZ 2017, 137, 140). Diese Einschränkung kann nicht nur für das in § 18 Abs. 3 PUAG geregelte verfassungsprozessuale Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gelten; sie muss vielmehr gleichfalls für das in derselben Vorschrift normierte einfachgesetzliche Rechtsschutzverfahren vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Anwendung finden. Andernfalls wären die für eine gerichtliche Überprüfung erforderlichen Quoren unter Umständen - je nach den konkreten Mehrheitsverhältnissen im Bundestag und dem Untersuchungsausschuss - unterschiedlich und hingen davon ab, ob die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Ersuchens betreffend die Vorlage von Beweismitteln oder die Rechtmäßigkeit der Einstufung eines Beweismittels als Verschlusssache im Streit steht. Eine in dieser Form unterschiedliche Auslegung derselben Verfahrensvoraussetzung innerhalb des § 18 Abs. 3 PUAG wäre in hohem Maße sachwidrig. Ist somit im Rahmen des § 18 Abs. 3 PUAG einheitlich als Quorum nur eine solche Ausschussminderheit anzusehen, die ein Vier- tel der Mitglieder des Bundestages repräsentiert, so wäre eine hiervon abweichende Betrachtung im Rahmen des § 17 Abs. 2 und 4 PUAG ebenfalls nicht sachgerecht; denn die §§ 17 und 18 PUAG sind beide wesentlicher Bestandteil des Regelungsgefüges über die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss und formen gemeinsam das Beweiserhebungsrecht der qualifizierten Minderheit aus.
26
dd) Dieser Gleichlauf von Viertelminderheit im Sinne von § 17 Abs. 2 und 4 PUAG und Einsetzungsminderheit im Sinne von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, § 1 Abs. 1 PUAG folgt auch aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
27
(1) § 17 Abs. 2 und 4 PUAG kann nicht losgelöst von der verfassungsrechtlichen Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Minderheitenrechten und Mehrheitsprinzip betrachtet werden (Brocker, DÖV 2014, 475, 477; aA zu § 17 Abs. 2 PUAG: Glauben, NVwZ 2017, 129, 130). Das Untersuchungsausschussgesetz ist im Kern verfassungsinterpretatorisch und damit ein lediglich deklaratorisches Gesetz. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt daher konzeptionell in dessen Regelungsregime hinein (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, NVwZ 2017, 137, 140). Ob und in welchem Maße das Untersuchungsausschussgesetz daneben auch Regelungen des parlamentarischen Geschäftsordnungsrechts enthält (vgl. Glauben/Brocker, PUAG, Einl. Rn. 14; Cancik, NVwZ 2014, 18, 21) und eine einfachrechtliche Regelung in Form des Untersuchungsausschussgesetzes angesichts der aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Geschäftsordnungsautonomie des - dem Grundsatz der Diskontinuität unterliegenden - Bundestags zulässig ist (hierzu Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz , S. 175 ff.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn jedenfalls im hier einschlägigen Regelungsbereich von § 17 Abs. 2 und 4 PUAG handelt es sich um die unmittelbare Umsetzung der aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden Vorgaben für die Beweiserhebung. Das Untersuchungsausschussgesetz kann deshalb bereits aufgrund seines Rechtscharakters in dem hier bedeutsamen Bereich der Beweisaufnahme keine über Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG hinausgehenden Minderheitenrechte festsetzen (Brocker, DÖV 2014, 475, 477 f.; ders., NVwZ 2015, 410, 411). Insoweit gilt:
28
Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG räumt dem Bundestag das Recht ein, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Damit erhält das Parlament die Möglichkeit, sich ohne Einflussnahme von Regierung und Verwaltung über Angelegenheiten zu informieren, deren Kenntnis es zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Das Schwergewicht der Untersuchungen liegt regelmäßig in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung. Unter den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems hat sich das Untersuchungsrecht dabei maßgeblich zu einem Recht der Opposition auf Sachverhaltsaufklärung unabhängig von der Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit entwickelt. Dementsprechend ist das parlamentarische Untersuchungsrecht durch das Grundgesetz als Minderheitenrecht ausgestaltet (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, NVwZ 2017, 137, 138). Indes war es angesichts der Erfahrungen aus der Zeit der Weimarer Republik die bewusste Entscheidung des historischen Verfassungsgebers, nur eine Viertelmehrheit des Bundestages als organisatorisch verfestigte selbständige Teilgliederung mit eigenen verfassungsrechtlichen Rechten auszustatten. Er hat damit die Belange des Minderheitenschutzes auf der einen Seite und der Gefahr des Missbrauchs von Minderheitenrechten auf der anderen Seite gegeneinander abgewogen (BVerfG, Urteile vom 8. April 2002 - 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197, 223 f.; vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14, NVwZ 2016, 922, 927 f.; Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, NVwZ 2017, 137, 139; Brocker, DÖV 2014, 475, 476; Cancik, NVwZ 2014, 18, 21). Mit Blick hierauf statuiert Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ein austariertes System, das die Interessen der parlamentarischen Minderheit und das in der parlamentarischen Demokratie geltende Mehrheitsprinzip (Art. 42 Abs. 2 GG) - das auch im Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss die gesetzliche Regel darstellt und in § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG seinen einfachrechtlichen Niederschlag gefunden hat (BGH, Beschluss vom 17. August 2010 - 3 ARs 23/10, BGHSt 55, 257, 259 f.; Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, Kapitel 27 Rn. 2; Brocker, DÖV 2014, 475) - zum Ausgleich bringt (allgemein zum Verhältnis von Mehrheitsprinzip und Minderheitenrechten vgl. BVerfG, Urteil vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14, NVwZ 2016, 922, 923 ff.). Vor diesem Hintergrund widerspräche die Abkopplung des nach § 17 Abs. 2 und 4 PUAG erforderlichen Quorums von den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag dem verfassungsrechtlich verbindlich gelösten Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten von parlamentarischer Minderheit und Mehrheit.
29
(2) Dies steht auch im Einklang mit dem von § 4 Satz 2 PUAG in einfaches Gesetzesrecht umgesetzten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Spiegelbildlichkeit. Danach muss grundsätzlich jeder vom Bundestag gebildete Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und dessen Zusammensetzung in seiner politischen Gewichtung widerspiegeln. Dies folgt aus der von Art. 38 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit und Gleichheit des Mandats sowie der Repräsentationsfunktion des Bundestags. Wird die Repräsentation des Volkes in Ausschüsse verlagert, weil dort die Entscheidungen des Parlaments tendenziell vorbestimmt oder gar für das Parlament getroffen werden, müssen diese Gremien auch in ihrer politischen Prägung dem Plenum entsprechen. Das gilt namentlich dann, wenn sie wesentliche Teile der dem Bundestag zustehenden Informations-, Kontroll- und Untersuchungsaufgaben wahrnehmen (BVerfG, Urteile vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88, BVerfGE 80, 188, 221 f.; vom 8. Dezember 2004 - 2 BvE 3/02, BVerfGE 112, 118, 133, 136; zur Anwendbarkeit des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit auf den Untersuchungsausschuss vgl. Maunz/Dürig/Klein, GG, 78. EL, Art. 44 Rn. 90; Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, § 4 PUAG Rn. 6 f.; Waldhoff/Gärditz-Georgii, PUAG, § 4 Rn. 4 ff.).
30
ee) Nach alldem kann schließlich aus der derzeit geltenden Fassung der Geschäftsordnung des Bundestages (GOBT), insbesondere deren § 126a, kein anderes Ergebnis folgen. Zwar hat der Bundestag insoweit für die Dauer der 18. Wahlperiode geregelt, dass er bereits auf Antrag von 120 seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss gemäß Art. 44 GG einsetzt und die Zahl der Mitglieder im Untersuchungsausschuss so bestimmt wird, dass die Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, gemeinsam ein Viertel der Mitglieder stellen. Ungeachtet der Frage, welche Rechtspositionen für die Minderheitsfraktionen hieraus folgen, kann diese jederzeit änderbare (Cancik, NVwZ 2014, 18, 20 ff.) und jedenfalls durch die Diskontinuität des Bundestages begrenzte Regelung (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. März 1952 - 2 BvE 1/51, BVerfGE 1, 144, 148; Maunz/Dürig/Klein, GG, 78. EL, Art. 40 Rn. 62 mwN) die verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG nicht ausdehnen (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, NVwZ 2017, 137, 139). Ihr kommt deshalb auch bei der Auslegung des Untersuchungsausschussgesetzes in dem hier relevanten Zusammenhang mit Blick auf den Gleichklang zwischen verfassungs - und einfachrechtlicher Regelung bei der Gestaltung der Minderheitenrechte keine maßgebende Bedeutung zu (im Ergebnis ebenso Brocker, DÖV 2014, 475, 477).
31
2. Es bedarf keiner Entscheidung, ob aus Art. 38 Abs. 1 GG ein Anspruch der Antragstellerin auf willkürfreie Entscheidung über ihren Antrag folgt (so Brocker, DÖV 2014, 475, 477). Angesichts dessen, dass die von § 17 Abs. 2 und 4 PUAG eingeräumten Rechte nur der qualifizierten Minderheit zustehen , bestehen bereits Bedenken, ob dieser Anspruch in dem Verfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG geltend gemacht werden kann und insoweit nicht allenfalls ein verfassungsprozessuales Organstreitverfahren eröffnet wäre (aA unter Hinweis auf § 126a GOBT Brocker, DÖV 2014, 475, 478). Jedenfalls erweist sich die Entscheidung des Antragsgegners, von einer Vernehmung des Zeugen Snowden in Deutschland abzusehen, mit Blick auf die etwa im Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 14. Dezember 2016 dargelegten Erwägungen nicht als unsachliche, sich von den einschlägigen rechtlichen Maßstäben völlig entfernende Entscheidung, die unter keinem Gesichtspunkt vertretbar erscheint, und damit nicht als objektiv willkürlich.
32
3. Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist im Beschwerdeverfahren nach § 36 Abs. 3 PUAG nicht veranlasst (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2009 - 3 ARs 6/09, juris Rn. 24).
Becker Schäfer Spaniol Berg Hoch

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(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

Tenor

Die Anträge werden verworfen.

Gründe

A.

1

Der Organstreit betrifft die Frage der Beweiserhebung des 1. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (sogenannter NSA-Untersuchungsausschuss) durch Zeugenvernehmung von Edward Snowden, einem US-amerikanischen Staatsangehörigen und früheren Mitarbeiter des Geheimdienstes National Security Agency. Antragsteller sind die Fraktionen DIE LINKE sowie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 18. Deutschen Bundestag (Antragsteller zu 1.), 127 Mitglieder des 18. Deutschen Bundestages (Antragsteller zu 2.) und zwei Mitglieder des 1. Untersuchungsausschusses des 18. Deutschen Bundestages (Antragsteller zu 3.). Sie wenden sich gegen die nach ihrer Ansicht unzulässige Weigerung der Bundesregierung (Antragsgegnerin zu 1.), die Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung Edward Snowdens durch den 1. Untersuchungsausschuss des 18. Deutschen Bundestages in Berlin zu schaffen (Antrag zu 1.), sowie gegen die Ablehnung von Anträgen der Antragsteller zu 3. auf Vernehmung Edward Snowdens in Berlin durch den Untersuchungsausschuss (Antragsgegner zu 2. [Antrag zu 2.]).

I.

2

1. Am 14. Juni 2013 wurde beim United States District Court for the Eastern District of Virginia Anklage gegen Edward Snowden erhoben. Ihm wurden wegen der Verbreitung von Informationen über die Internet- und Telekommunikationsüberwachung durch amerikanische und britische Geheimdienste Theft of Government Property (Diebstahl von Regierungseigentum), Unauthorized Communication of National Defense Information (unautorisierte Veröffentlichung von Informationen über die Landesverteidigung) und Willfull Communication of Classified Communications Intelligence Information to an Unauthorized Person (vorsätzliche Weitergabe von als geheim eingestufter Geheimdienstkommunikation an nicht autorisierte Personen) vorgeworfen. Am gleichen Tag wurde gegen ihn ein Haftbefehl erlassen. Seit Juni 2013 hält Snowden sich in Moskau auf.

3

2. Am 20. März 2014 setzte der 18. Deutsche Bundestag einen Untersuchungsausschuss ein (BTDrucks 18/843; BT-Plenarprot. 18/23). Der Untersuchungsausschuss soll im Wesentlichen aufklären, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang durch Nachrichtendienste der Staaten der sogenannten "Five Eyes" (der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, Kanadas, Australiens und Neuseelands) eine Erfassung von Daten über Kommunikationsvorgänge, deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge von, nach und in Deutschland auf Vorrat oder eine Nutzung solcher durch öffentliche Unternehmen der genannten Staaten oder private Dritte erfasster Daten erfolgte beziehungsweise erfolgt und inwieweit Stellen des Bundes von derartigen Praktiken Kenntnis hatten, daran beteiligt waren, diesen entgegenwirkten oder gegebenenfalls daraus Nutzen zogen.

4

3. In seiner 2. Sitzung am 10. April 2014 (Ausschussprotokoll [Ausschussprot.] 18/2, S. 9) beschloss der Antragsgegner zu 2. mit den Stimmen der Ausschussmehrheit der Vertreter der Fraktionen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Ausschussminderheit der Vertreter der Fraktionen DIE LINKE und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Entscheidung über den Antrag der Antragsteller zu 3. vom 2. April 2014 (Ausschuss-Drucksache [ADrucks] 41) zur Beweiserhebung durch Vernehmung Edward Snowdens als Zeuge zu vertagen.

5

4. Aufgrund eines Beschlusses der Ausschussmehrheit in der Sitzung vom 10. April 2014 (Ausschussprot. 18/2, S. 9 f.) nahm die Antragsgegnerin zu 1. zu den mit einer möglichen Vernehmung Edward Snowdens vor dem Untersuchungsausschuss verbundenen verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen, aufenthaltsrechtlichen und strafprozessualen Fragen mit einem Schreiben vom 2. Mai 2014 Stellung (ADrucks 104). In einer Vorbemerkung wies sie auf Folgendes hin:

Sofern Erkenntnisse zum tatsächlichen Sachverhalt nicht gesichert oder überhaupt nicht vorlagen, konnten Prüfung und Stellungnahme nur in allgemeiner Form erfolgen. Entscheidungen unabhängiger Gerichte oder von Behörden können hierdurch nicht präjudiziert oder vorweggenommen werden. Die nachfolgende Stellungnahme der Bundesregierung kann insofern auch keine bindende Wirkung entfalten.

6

Vertiefend führte sie aus, dass es für die Wahl der aufenthaltsrechtlichen Instrumente zur Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt Edward Snowdens darauf ankomme, ob dieser im Besitz eines gültigen Passes sei. Dies sei nach ihrer Kenntnis nicht der Fall. Nicht sicher sei, ob die Russische Föderation Edward Snowden ohne Reisedokumente ausreisen lasse. Im Hinblick auf ihre Unterstützungspflicht gegenüber dem Antragsgegner zu 2. sei im Rahmen der gebotenen Abwägung des Weiteren zu berücksichtigen, ob Edward Snowden als Zeuge im Ausland vernommen werden könne und deshalb ihre Weigerung, ihn nach Deutschland einreisen zu lassen, voraussichtlich nicht zur Folge hätte, dass das Beweismittel nicht zur Verfügung stünde. Eine Vernehmung Edward Snowdens in der Russischen Föderation unmittelbar durch den Untersuchungsausschuss oder durch russische Behörden, per Videokonferenz unter Leitung des Untersuchungsausschusses oder russischer Behörden oder in der deutschen Botschaft setze die Zustimmung russischer Stellen voraus.

7

Weiter vertrat die Antragsgegnerin zu 1. die Auffassung, dass im Fall einer Vernehmung in Deutschland mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen und einer Beeinträchtigung der Kooperation mit US-Sicherheitsbehörden zu rechnen sei, die für die Sicherheit Deutschlands von grundlegender Bedeutung sei. Die rechtliche Prüfung habe ergeben, dass Edward Snowden - vorbehaltlich der Zustimmung der Behörden des Aufenthaltsstaates - auch im Ausland vernommen werden könne. Vor diesem Hintergrund dürften die außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands gegenüber dem möglichen Interesse des Untersuchungsausschusses an einer Vernehmung Edward Snowdens in Deutschland überwiegen. Es sei möglich, dass Edward Snowden im Fall einer Einreise nach Deutschland an die Vereinigten Staaten auszuliefern wäre. Auch ein etwaiges freies beziehungsweise sicheres Geleit wäre in diesem Fall nicht geeignet, eine Auslieferung umfassend zu verhindern.

8

In einem weiteren Bericht vom 2. Juni 2014 nahm die Antragsgegnerin zu 1. zu fünf Fragen des Antragsgegners zu 2. Stellung (ADrucks 131) und führte ergänzend aus, dass sie weiterhin eine Zeugenvernehmung im Ausland für möglich halte, dass zur Prüfung der Bewilligung einer Auslieferung an die Vereinigten Staaten noch weitere Fragen an das Department of Justice gerichtet worden seien und dass das Bestehen eines Auslieferungshindernisses auf der Grundlage des bislang mitgeteilten Sachverhaltes nicht abschließend beurteilt werden könne.

9

5. Am 8. Mai 2014 beschloss der Antragsgegner zu 2. aufgrund des Beweisantrags der Antragsteller zu 3. vom 2. April 2014 (ADrucks 41) einstimmig, zu dem Untersuchungsauftrag (BTDrucks 18/843) Beweis zu erheben durch Vernehmung von Edward Snowden als Zeuge (Beweisbeschluss Z-1). Den weitergehenden Antrag der Antragsteller zu 3., Edward Snowden einzuladen, dem Antragsgegner zu 2. über seine Kenntnisse Auskunft zu erteilen, lehnte der Antragsgegner zu 2. mit den Stimmen der Ausschussmehrheit der Vertreter der Fraktionen von CDU/CSU und SPD ab (Ausschussprot. 18/3, S. 7). Weiter beschloss der Antragsgegner zu 2. in dieser Sitzung mit den Stimmen der Vertreter der Fraktionen von CDU/CSU und SPD, Edward Snowden zu ersuchen, möglichst bis zum 20. Mai 2014 schriftlich mitzuteilen, ob und in welcher Art und Weise er für eine Befragung durch den Ausschuss zur Verfügung stehen könne (Ausschussprot. 18/3, S. 9). Mit Schreiben vom 19. Mai 2014 an den Untersuchungsausschuss teilte der Rechtsanwalt Edward Snowdens mit, dass er seinem Mandanten davon abrate, sich unter den derzeitigen aufenthaltsrechtlichen Bedingungen in einer Weise "von Moskau aus zu äußern", die seine Situation verschlechtere und seinen Aufenthaltsstatus möglicherweise gefährde.

10

6. Am 5. Juni 2014 beantragten die Antragsteller zu 3. (ADrucks 134):

Der 1. Untersuchungsausschuss möge beschließen:

1. Herr Rechtsanwalt K. wird gebeten,

a. möglichst bis 15. Juni 2014 mitzuteilen, ob sein Mandant entsprechend dem anwaltlichen Rat nur in Deutschland zu einer Zeugenvernehmung zur Verfügung steht,

b. für diesen Fall (Vernehmung nur in Deutschland) seinem Mandanten eine Ladung für eine Zeugenvernehmung am 4. Juli 2014 in Berlin zu übermitteln.

2. Falls Herr Snowden nur in Deutschland für eine Zeugenvernehmung zur Verfügung steht, wird die Bundesregierung nach Übermittlung der entsprechenden Äußerung ersucht (siehe 1b.), binnen 14 Tagen nach deren Eingang nunmehr in Ansehung dieser Äußerung sogleich alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um eine Vernehmung des Zeugen vor dem 1. Untersuchungsausschuss zu ermöglichen (insbesondere pass- und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt, Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes sowie alle notwendigen Vorkehrungen für einen wirksamen Zeugenschutz).

11

Dieser Antrag wurde in der Sitzung vom 5. Juni 2014 mit den Stimmen der Vertreter der Fraktionen von CDU/CSU und SPD durch den Antragsgegner zu 2. abgelehnt (Ausschussprot. 18/6, S. 7). In derselben Sitzung beschloss der Ausschuss mit den Stimmen der Ausschussmehrheit gegen die Stimmen der Vertreter der Fraktionen DIE LINKE und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Edward Snowden zu ersuchen mitzuteilen, ob er möglichst bis zum 2. Juli 2014 für ein (informelles) Gespräch mit dem Vorsitzenden und den Obleuten des Untersuchungsausschusses an seinem momentanen Aufenthaltsort zur Verfügung stehe (Ausschussprot. 18/6, S. 7). Der Rechtsanwalt Edward Snowdens teilte in seinem Antwortschreiben vom 19. Juni 2014 mit, dass eine Zeugenvernehmung Snowdens in Moskau nicht in Betracht komme und für ein informelles Gespräch in Moskau derzeit kein Bedarf bestehe (ADrucks 137).

12

7. Am 25. Juni 2014 stellten die Antragsteller zu 3. folgenden Antrag (ADrucks 138):

1. Der Ausschuss möge beschließen:

a. Der Zeuge Snowden (Beweisbeschluss Z-1) wird für die erste Sitzung des Ausschusses zur Beweisaufnahme nach der Sommerpause am 11. September 2014 in Berlin zur Vernehmung geladen.

b. Die Bundesregierung wird ersucht, in Erfüllung ihrer grundgesetzlichen Verpflichtungen unverzüglich die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen Snowden in Deutschland zu diesem Termin zu schaffen (insbesondere pass- und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt sowie Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes) und dies dem Ausschuss verbindlich mitzuteilen sowie - im Falle einer partiellen oder vollständigen Ablehnung bzw. Nichterfüllung dieses Ersuchens - bis spätestens 29. August 2014 die für die Ablehnung bzw. Nichtveranlassung der betreffenden Maßnahme(n) jeweils maßgeblichen Gründe schriftlich darzulegen und dem Ausschuss mitzuteilen.

2. Für den Fall einer ablehnenden Beschlussfassung des Ausschusses über den Antrag zu 1.a. erheben das Mitglied der Fraktion DIE LINKE und das Mitglied der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN als Viertel der Mitglieder des Ausschusses dagegen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG Widerspruch und beantragen:

Der Ausschuss möge beschließen:

a. Der Zeuge Snowden (Beweisbeschluss Z-1) wird für die nächste Beweisaufnahmesitzung geladen, für die die Mitglieder der Fraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/DIE GRÜNEN in entsprechender Anwendung der Geschäftsordnung des Bundestages gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG nach dem sogenannten Reißverschlussverfahren seine Vernehmung verlangen können.

b. Die Bundesregierung wird ersucht, in Erfüllung ihrer grundgesetzlichen Verpflichtungen unverzüglich die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen Snowden in Deutschland zu diesem Termin zu schaffen (insbesondere pass- und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt sowie Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes) und dies dem Ausschuss verbindlich mitzuteilen sowie - im Falle einer partiellen oder vollständigen Ablehnung bzw. Nichterfüllung dieses Ersuchens - bis spätestens 29. August 2014 die für die Ablehnung bzw. Nichtveranlassung der betreffenden Maßnahme(n) jeweils maßgeblichen Gründe schriftlich darzulegen und dem Ausschuss mitzuteilen."

3. Für den Fall einer ablehnenden Beschlussfassung des Ausschusses über den Antrag zu 1.b. oder den Antrag zu 2.b. bei Annahme des Antrages zu 1. bzw. 2. im Übrigen beantragen das Mitglied der Fraktion DIE LINKE und das Mitglied der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN als Viertel der Mitglieder des Ausschusses in Wahrnehmung ihres verfassungsrechtlichen Minderheitenrechts auf Beweiserhebung des Ausschusses zu seinem Beweisbeschluss Z-1 (Vernehmung von Edward Snowden als Zeuge):

Der Ausschuss möge beschließen:

Der Vorsitzende erarbeitet und übermittelt bis zur nächsten Beratungssitzung des Ausschusses einen schriftlichen Vorschlag mit detaillierten Ausführungen dazu, wie angesichts der Ablehnung des Antrages auf Ersuchen der Bundesregierung (1.b. bzw. 2.b.) eine Vernehmung des Zeugen Snowden vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin am vom Ausschuss beschlossenen Termin erfolgen kann, insbesondere, wie dem Zeugen Snowden Einreise nach und Aufenthalt in Deutschland ermöglicht und ein wirksamer Schutz des Zeugen vor einer Auslieferung an das Ausland gewährleistet werden soll.

13

Alle drei Anträge wurden durch Beschluss vom 26. Juni 2014 mit den Stimmen der Vertreter der Fraktionen von CDU/CSU und SPD abgelehnt (Ausschussprot. 18/8, S. 9). An demselben Tag fasste der Antragsgegner zu 2. mit den Stimmen der Ausschussmehrheit gegen die Stimmen der Vertreter der Fraktionen DIE LINKE und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den folgenden Beschluss (Ausschussprot. 18/8, a.a.O.):

1. Auf Antrag der Mitglieder der Fraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/DIE GRÜNEN auf Ausschussdrucksache 138 wird die Vernehmung des Zeugen Edward Snowden für den 11.9.2014, 13 Uhr MESZ, terminiert.

2. Diese Vernehmung wird als audiovisuelle Zeugenvernehmung entsprechend § 247a StPO durch Übertragung von seinem zu diesem Zeitpunkt aktuellen Aufenthaltsort in die - öffentliche - Ausschusssitzung in Berlin durchgeführt.

3. Der Zeuge wird im Wege der förmlichen Ladung ersucht, für diese Vernehmung am 11.9.2014, 13 Uhr MESZ, zur Verfügung zu stehen.

4. Dem Zeugen wird in Aussicht gestellt, dass er auf seinen Wunsch hin an diesem Termin alternativ auch nicht förmlich als sonstige Auskunftsperson gehört werden könnte.

5. Die Bundesregierung wird ersucht, die äußeren Voraussetzungen für die Durchführung dieser Vernehmung entsprechend § 247a StPO zu diesem Termin zu schaffen.

6. Eine mit einem Aufenthalt von Herrn Snowden in Deutschland verbundene Vernehmung wird zum oben genannten Zeitpunkt unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Bundesregierung (A-Drs. 104 und 131), der Sicherheitsinteressen des Zeugen und der für den Zeugen abgegebenen anwaltlichen Stellungnahmen abgelehnt.

14

Mit Schreiben vom 8. Juli 2014 teilte der Rechtsanwalt Edward Snowdens mit, dass sein Mandant trotz grundsätzlicher Aussagebereitschaft für die avisierte Videovernehmung in Moskau nicht zur Verfügung stehe.

15

8. Gegen die Ablehnung ihrer Anträge vom 25. Juni 2014 erhoben die Antragsteller zu 3. als Viertel der Mitglieder des Ausschusses unter Berufung auf § 17 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG vom 19. Juni 2001 [BGBl I S. 1142], geändert durch Artikel 4 Absatz 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 [BGBl I S. 718]) Widerspruch und beantragten am 21. Juli 2014 (ADrucks 180):

Der Ausschuss möge beschließen:

1. Der Zeuge Snowden (Beweisbeschluss Z-1) wird für die nächste Beweisaufnahmesitzung, für die die Mitglieder der Fraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/DIE GRÜNEN in entsprechender Anwendung der Geschäftsordnung des Bundestages gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG nach dem sogenannten Reißverschlussverfahren seine Vernehmung verlangen können, zu seiner zeugenschaftlichen Vernehmung am Sitz des Deutschen Bundestages in Berlin geladen.

2. Die Bundesregierung wird ersucht, in Erfüllung ihrer grundgesetzlichen Verpflichtungen unverzüglich die Voraussetzungen für eine zeugenschaftliche Vernehmung des Zeugen Snowden in Deutschland zu diesem Termin zu schaffen (insbesondere pass- und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt sowie Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes) und dies dem Ausschuss verbindlich mitzuteilen sowie - im Falle einer partiellen oder vollständigen Ablehnung bzw. Nichterfüllung dieses Ersuchens - bis spätestens 19. September 2014 die für die Ablehnung bzw. Nichtveranlassung der betreffenden Maßnahme(n) jeweils maßgeblichen Gründe schriftlich darzulegen und dem Ausschuss mitzuteilen."

16

Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner zu 2. mit den Stimmen der Ausschussmehrheit in der Sitzung vom 11. September 2014 ab.

II.

17

Die Antragsteller begehren die Feststellung, sie seien durch die Weigerung der Antragsgegnerin zu 1., die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung Edward Snowdens in Berlin zu schaffen, sowie aufgrund der Ablehnung der Beweisanträge gerichtet auf dessen Zeugenvernehmung in Berlin durch den Antragsgegner zu 2. in ihrem Recht aus Art. 44 Abs. 1 GG verletzt worden.

18

1. Die Antragsteller halten ihre Anträge im Organstreitverfahren für zulässig.

19

Insbesondere ergebe sich eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 13 Nr. 5 BVerfGG. Das Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sei vorrangig gegenüber dem Rechtsweg zum Bundesgerichtshof. Die durch das Untersuchungsausschussgesetz eingeräumten Rechtsmittel vor dem Bundesgerichtshof blieben auf Fälle beschränkt, bei denen eine qualifizierte Minderheit im Ausschuss die Verletzung von Rechten geltend mache, die nicht Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Minderheitenrechts seien. Die Frage der Zulässigkeit eines Beweisantrags könne nicht generell als nicht-verfassungsrechtliche Frage verstanden werden, da der Anspruch der Minderheit auf Beweiserhebung auf Verfassungsrecht beruhe, nämlich dem Einsetzungsrecht der Minderheit gemäß Art. 44 Abs. 1 GG, das sich in der Untersuchungsarbeit des Ausschusses fortsetze. Für die Frage des Rechtswegs komme es darauf an, ob die Maßnahmen des Untersuchungsausschusses einer verfahrensrechtlichen Überprüfung unterzogen werden sollten - dann Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs - oder ob aufeinander bezogene Rechte und Pflichten der verschiedenen Verfassungsorgane beziehungsweise ihrer Untergliederungen in Streit stünden. Ausschlaggebend sei der verfassungsrechtliche Charakter des Rechts, das zur Entscheidung des Streits heranzuziehen sei. Nur wenn die streitentscheidende Norm eine des Untersuchungsausschussgesetzes sei, die nicht Art. 44 GG konkretisiere, oder eine Norm der entsprechend anzuwendenden Strafprozessordnung, komme der Rechtsweg zum Bundesgerichtshof in Betracht.

20

Hinsichtlich des Antrags zu 1. scheide eine Zuweisung an den Bundesgerichtshof gemäß § 17 Abs. 4 PUAG schon deshalb aus, weil das Beweisantragsrecht im Sinne des § 17 Abs. 2 PUAG gar nicht betroffen sei. Andere ausdrückliche Rechtswegzuweisungen, wie die in § 18 PUAG, seien ebenfalls nicht einschlägig. Aus § 36 PUAG ergebe sich auch keine generelle Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs. Jedenfalls handele es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit, da die Pflicht der Bundesregierung aus Art. 44 GG, die Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses zu unterstützen, in Streit stehe. Die verschiedenen rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Vernehmung Snowdens könnten nur von der der Bundesregierung unterstehenden Exekutive vorgenommen werden. Bei dem Streit um die Grenzen der Pflichten der Bundesregierung aus Art. 44 GG handele es sich um einen Organstreit.

21

Auch hinsichtlich des Antrags zu 2. sei eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts gegeben. Zwar handele es sich bei den vom Untersuchungsausschuss abgelehnten Anträgen zur Zeugenvernehmung um solche im Sinne des § 17 Abs. 2 PUAG. Die Ablehnung beruhe aber nicht auf verfahrensmäßigen, das heißt nicht-verfassungsrechtlichen Gründen. Der Untersuchungsausschuss habe als Begründung angegeben, dass er sich die Erwägungen der Bundesregierung zu Eigen gemacht habe; er habe jedenfalls keine verfahrensrechtlichen Einwände geltend gemacht, die denen des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO ähnlich seien. Streitentscheidend sei, ob die Einwände der Bundesregierung im Untersuchungsausschuss beachtet werden müssten oder dürften. Die Entscheidung darüber bedürfe einer verfassungsrechtlichen Würdigung der Kompetenzen der betroffenen Organe oder Organteile. Mithin handele es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit. Unzutreffend sei die Annahme, dass allein der Beschluss darüber, ob ein Zeuge überhaupt vernommen werde, Ausfluss des verfassungsrechtlichen Minderheitenrechts sei und demgegenüber die Bestimmung von Ort und Zeit der Vernehmung in die Sphäre der Verfahrensherrschaft der Ausschussmehrheit falle, ohne dass der aus Art. 44 GG folgende Minderheitenschutz Relevanz habe.

22

2. Das angegriffene Verhalten der Antragsgegner verletze die Antragsteller auch in ihren verfassungsrechtlichen Rechten.

23

a) Der Antrag zu 1. sei begründet, weil die Antragsgegnerin zu 1. mit ihren Schreiben vom 2. Mai 2014 und 2. Juni 2014 Art. 44 Abs. 1 GG verletzt habe. Sie sei verfassungsrechtlich verpflichtet, die Voraussetzungen für eine Vernehmung Snowdens zu schaffen. Es ergebe sich auch über die Aktenvorlagepflicht hinaus aufgrund des Art. 44 GG eine umfassende Pflicht der Antragsgegnerin zu 1. zur Unterstützung des Untersuchungsausschusses. Im Fall der Vernehmung Snowdens, der sich im Ausland aufhalte, sei der Ausschuss auf die Unterstützung der Antragsgegnerin zu 1. angewiesen, da Snowden eine Einreise- und Aufenthaltserlaubnis benötige und da er um die Zusicherung gebeten habe, nicht an die Vereinigten Staaten von Amerika ausgeliefert zu werden. Die Antragsgegnerin zu 1. verfüge dabei über die entsprechenden Handlungsmöglichkeiten, Snowden Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen. § 22 Satz 2 AufenthG ermögliche eine Aufnahme aus dem Ausland aus politischen Gründen. Des Weiteren könne sie Snowden zusichern, im Fall der Einreise nach Deutschland von einer Auslieferung an die Vereinigten Staaten abzusehen. Eine Auslieferungspflicht bestehe nicht, da der entsprechende Auslieferungsvertrag eine Ausnahme für politische Straftaten vorsehe. Eine solche werde Snowden hier vorgeworfen. Aus der verfassungsrechtlichen Unterstützungspflicht folge hinsichtlich der Entscheidung über die Aufnahme Snowdens und der "Zusicherung der Nicht-Auslieferung" eine "Entscheidungsreduktion". Der Unterstützungspflicht habe sich die Antragsgegnerin zu 1. mit ihren Schreiben vom 2. Mai 2014 und 2. Juni 2014 "vorgreiflich" verweigert. Zwar habe die Antragsgegnerin zu 1. noch nicht auf eine konkrete Bitte des Ausschusses reagieren müssen. Sie habe aber die Anfragen des Ausschusses genutzt, um auf indirekte, gewissermaßen diplomatisch kaschierte Weise schon im Vorgriff auf potentielle Erwägungen des Ausschusses ihre Ablehnung und Weigerung zu den notwendigen Unterstützungsmaßnahmen für eine Vernehmung Snowdens in Deutschland zum Ausdruck zu bringen. Die Ablehnung möglicher Unterstützung des Ausschusses sei auch nicht von den Grenzen der verfassungsrechtlichen Unterstützungspflicht (Reichweite des Untersuchungsauftrags, Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, Geheimhaltungsbedürftigkeit aus Gründen des Staatswohls sowie Grundrechte Dritter) gedeckt. Verfassungsrechtliche Rechtfertigungsgründe seien weder substantiiert dargetan noch ersichtlich.

24

b) Der Antrag zu 2. sei ebenfalls begründet. Der Antragsgegner zu 2. verletze seine Pflicht gemäß Art. 44 Abs. 1 GG, die erforderlichen Beweise in öffentlicher Verhandlung zu erheben, indem er die Beweisanträge der Antragsteller zu 3. vom 25. Juni 2014 und vom 21. Juli 2014 abgelehnt und zudem die Vernehmung des Zeugen durch offensichtlich nicht zielführende Beschlüsse verhindert habe. Der Antragsgegner zu 2. sei zur Ladung Snowdens zur Vernehmung am Sitz des Bundestages in Berlin verpflichtet, weil die Opposition im Ausschuss dies beantragt habe. Das Bundesverfassungsgericht habe wegen der spiegelbildlichen Besetzung des Ausschusses die Opposition mit besonderen Verfahrensrechten ihrer Repräsentanten im Ausschuss auch im Rahmen der Beweiserhebung gestärkt. Namentlich habe das Bundesverfassungsgericht ein Beweisantragsrecht der Vertreter einer potentiellen Einsetzungsminderheit im Ausschuss sowie ein Recht auf angemessene Berücksichtigung der von der Opposition benannten Zeugen im Ausschuss verlangt. Beides habe § 17 PUAG kodifiziert. Hiermit seien die möglichen Konflikte zwischen Mehrheit und Opposition im Ausschuss aber nicht erschöpfend geregelt. Das Bundesverfassungsgericht habe aus dem Einsetzungsrecht des Art. 44 Abs. 1 GG ein Beweiserzwingungsrecht und daran anknüpfend ein Beweisdurchsetzungsrecht der Opposition im Ausschuss anerkannt. Das Beweiserhebungsrecht umfasse den gesamten Bereich der Beweisverschaffung, Beweissicherung und Beweisauswertung. Der Opposition im Ausschuss müsse zur Wahrung der Effektivität des Beweisdurchsetzungsrechts und des dahinterstehenden Beweiserhebungsrechts das Recht zustehen, den Vernehmungsort gegen die Ausschussmehrheit durchzusetzen. Angesichts der Anträge der Antragsteller zu 3. sei der Ausschuss also verpflichtet gewesen, Snowden nach Berlin zu laden. Diese Pflicht habe der Antragsgegner zu 2. durch die Ablehnung entsprechender Beschlüsse sowie die Verhinderung und Verzögerung der Vernehmung Snowdens verletzt. Zunächst sei der Beweisantrag gegen den Willen der Antragsteller zu 3. vertagt worden. Die Absicht der Ausschussmehrheit, die Beweiserhebung zu vereiteln, sei auch erkennbar geworden, als der Antragsgegner zu 2. am 5. Juni 2014 beschlossen habe, Snowden um ein informelles Gespräch mit den Obleuten des Ausschusses an seinem momentanen Aufenthaltsort zu bitten, und als er am 26. Juni 2014 anstelle einer Ladung Snowdens nach Berlin dessen audiovisuelle Vernehmung beschlossen habe. Der Antragsgegner zu 2. könne sich zur Rechtfertigung seines Vorgehens weder auf die Verfahrensherrschaft noch auf überwiegende Belange des Staatswohls berufen.

B.

25

Die Anträge sind unzulässig.

I.

26

Mit dem Antrag zu 1. wenden sich die Antragsteller nicht gegen einen tauglichen Angriffsgegenstand. Dabei kann dahinstehen, ob sie sich nur gegen ein schlichtes Unterlassen der Antragsgegnerin zu 1. wenden, das in der Weigerung der Unterstützung der Ausschussarbeit liegen soll, oder ob sie kumulativ die Feststellung begehren, dass sie durch die beiden Schreiben vom 2. Mai 2014 und 2. Juni 2014 in ihren Rechten verletzt seien. In jedem Fall ist das gerügte Verhalten der Antragsgegnerin zu 1. kein zulässiger Gegenstand im Organstreitverfahren.

27

1. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG ist ein Antrag im Organstreitverfahren zulässig, wenn der Antragsteller geltend machen kann, dass er durch eine Maßnahme oder eine Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch die Verfassung übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Die zur Nachprüfung gestellte Maßnahme muss rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung des Antragstellers beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten können (vgl. BVerfGE 57, 1 <4 f.>; 60, 374 <381>; 97, 408 <414>; 120, 82 <96>). Als rechtserhebliche Maßnahme kommt jedes Verhalten des Antragsgegners in Betracht, das geeignet ist, die Rechtsstellung des Antragstellers zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 118, 277 <317> m.w.N.). Erforderlich ist, dass der Antragsteller durch die angegriffene Maßnahme in seinem Rechtskreis konkret betroffen wird (vgl. BVerfGE 1, 208 <228 f.>; 13, 123 <125>; 124, 161 <185>). Handlungen, die nur vorbereitenden oder bloß vollziehenden Charakter haben, scheiden als Angriffsgegenstand im Organstreit aus (vgl. BVerfGE 68, 1 <74 f.>; 97, 408 <414>; 120, 82 <96>).

28

2. Nach diesen Maßstäben bezieht sich der Antrag zu 1. nicht auf taugliche Angriffsgegenstände.

29

a) Die beiden Schreiben vom 2. Mai 2014 und vom 2. Juni 2014 stellen keine rechtserheblichen Maßnahmen im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG dar.

30

aa) Die Einschätzungen der Antragsgegnerin zu 1. in dem Schreiben vom 2. Mai 2014 sind nur vorläufiger Natur. Im Hinblick darauf, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Antragsgegnerin zu 1. zu dem Beschluss des Ausschusses vom 10. April 2014 Stellung nahm, wesentliche Erkenntnisse zum relevanten Sachverhalt noch nicht vorlagen oder jedenfalls nicht gesichert waren, ist das Schreiben vom 2. Mai 2014 erkennbar lediglich als erste, nur in allgemeiner Form abgefasste Äußerung ohne Festlegung auf eine bestimmte Bewertung des bisher bekannten Sachverhalts gemeint. Dies betrifft etwa die Fragen, ob Edward Snowden im Besitz eines gültigen Passes ist und ob seitens der Behörden der Russischen Föderation eine Ausreise bewilligt oder eine Zustimmung der russischen Behörden zur Zeugenvernehmung vor Ort erteilt würde. Die Vorläufigkeit der Einschätzung ergibt sich auch daraus, dass der Antragsgegnerin zu 1. zu diesem Zeitpunkt ein konkretes Amtshilfeersuchen des Antragsgegners zu 2. zur Beurteilung noch nicht vorlag. Standen die tatsächlichen Umstände eines solchen Ersuchens aber (noch) nicht fest, konnte eine abschließende Bewertung der Antragsgegnerin zu 1. zur Reichweite einer sie möglicherweise treffenden verfassungsrechtlichen Unterstützungspflicht gegenüber dem Antragsgegner zu 2. noch nicht vorgenommen werden.

31

Im Übrigen handelt es sich bei diesem Schreiben um eine lediglich unverbindliche Stellungnahme, die Entscheidungen zuständiger Behörden oder unabhängiger Gerichte über die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder über die Bewilligung einer Auslieferung nicht präjudizieren oder vorwegnehmen sollte oder konnte. Bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Behandlung eines Amtshilfeersuchens, die Rechte der Antragsteller oder des Antragsgegners zu 2. berühren könnte, entfaltet das Vorgehen der Antragsgegnerin zu 1. keine rechtlich relevante Außenwirkung. Die Beantwortung der Anfrage durch die Antragsgegnerin zu 1. erschöpft sich vielmehr darin, den Antragsgegner zu 2. über Abwägungsgesichtspunkte im Umgang mit einem möglicherweise künftig an sie zu richtenden Amtshilfeersuchen zu informieren. Das Schreiben hat insofern nur gutachtlichen Charakter und kann durch den Antragsgegner zu 2. zur Vorbereitung seiner Willensbildung im Hinblick auf eine Entscheidung über die Ladung Edward Snowdens zur Zeugenvernehmung in Deutschland herangezogen werden. Aus dem rein informatorischen Charakter dieses Schreibens folgt auch, dass verfassungsrechtlich garantierte Rechte der Antragsteller nicht berührt werden.

32

bb) Gleiches gilt für das Schreiben der Antragsgegnerin zu 1. vom 2. Juni 2014, in dem sie durch den Hinweis auf offene Sachverhaltsfragen erneut die Vorläufigkeit ihrer Einschätzung herausstellt.

33

b) Soweit sich die Antragsteller generell gegen die Weigerung der Antragsgegnerin zu 1. wenden, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung Snowdens in Deutschland zu schaffen, ist der Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Unterlassens ebenfalls mangels eines zulässigen Angriffsgegenstandes unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin zu 1. unter Umständen von Verfassungs wegen verpflichtet sein kann, entsprechende Maßnahmen zu treffen. Solange weder eine Ladung Edward Snowdens zur Zeugenvernehmung nach Deutschland vorliegt noch ein konkretes Amtshilfeersuchen des Antragsgegners zu 2. abgelehnt wurde, verdichten sich Stellungnahmen der Antragsgegnerin zu 1. mit dem Ziel einer bloßen Unterrichtung noch nicht zu einem rechtserheblichen Unterlassen.

II.

34

Hinsichtlich des Antrags zu 2. ist der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht nicht eröffnet.

35

1. Der Antrag ist dahingehend auszulegen, dass die Antragsteller die Feststellung begehren, dass der Antragsgegner zu 2. sie mit der Ablehnung von Verfahrensanträgen vom 25. Juni 2014 und vom 21. Juli 2014 in ihren Rechten aus Art. 44 Abs. 1 GG verletzt hat. Zwar greifen die Antragsteller ausweislich des Wortlautes und der Begründung des Antrags im Organstreitverfahren die Ablehnung von Beweisanträgen an. Bei den streitgegenständlichen Anträgen vom 25. Juni 2014 und 21. Juli 2014 handelt es sich aber nicht um Beweisanträge. Formale Voraussetzung eines Beweisantrags ist auch im Untersuchungsausschussverfahren, dass das Beweismittel hinreichend präzise benannt und das Beweisthema hinreichend bestimmt ist (vgl. Brocker, in: Glauben/Brocker, PUAG, 2011, § 17 Rn. 4). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Demzufolge handelt es sich bei den Anträgen vom 25. Juni 2014 und 21. Juli 2014 lediglich um (Verfahrens-)Anträge zur Ausgestaltung der weiteren Arbeit des Untersuchungsausschusses.

36

2. § 36 Abs. 1 PUAG bestimmt bezüglich der gerichtlichen Zuständigkeit, dass zuständiges Gericht für Streitigkeiten nach dem Untersuchungsausschussgesetz der Bundesgerichtshof ist, soweit Art. 93 GG sowie § 13 BVerfGG und die Vorschriften des Untersuchungsausschussgesetzes nichts Abweichendes bestimmen.

37

Aus dem Vorbehalt in § 36 Abs. 1 PUAG sowie aus der Vorlagepflicht an das Bundesverfassungsgericht bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses nach § 36 Abs. 2 PUAG ergibt sich, dass dem Bundesgerichtshof nach dem Untersuchungsausschussgesetz keine verfassungsrechtliche Zuständigkeit zugewiesen ist, sondern allein die verfahrensrechtliche Überprüfung der Ausschussarbeit im Einzelnen, bei der die - dem Ablauf eines Strafprozesses vergleichbare - Ordnung des Untersuchungsverfahrens im engeren Sinne in Rede steht, zum Beispiel bezüglich der Erhebung bestimmter Beweise, der Verlesung von Schriftstücken oder der Herausgabepflicht von Gegenständen (vgl. BVerfGE 113, 113 <123>; 124, 78 <104>).

38

Das Organstreitverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG zielt demgegenüber auf die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten von Verfassungsorganen (vgl. BVerfGE 104, 151 <193>). Die als verletzt geltend gemachte Rechtsposition muss in einem Verfassungsrechtsverhältnis gründen (vgl. BVerfGE 118, 277 <318 f.>; 131, 152 <191>). Ein Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor, wenn auf beiden Seiten des Streits Verfassungsorgane oder Teile von Verfassungsorganen stehen und um diese verfassungsrechtliche Positionen streiten (vgl. BVerfGE 118, 277 <318>).

39

3. Nach diesen Maßstäben ist eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die vorliegende Streitigkeit nicht gegeben.

40

Sie ergibt sich nicht aufgrund einer abweichenden Regelung im Untersuchungsausschussgesetz (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2, § 18 Abs. 3 Hs. 1, § 23 Abs. 2 Hs. 2 i.V.m. § 18 Abs. 3 Hs. 1 PUAG).

41

Das Bundesverfassungsgericht kann auch nicht im Wege des Organstreits angerufen werden, da Gegenstand des Antrags nicht die Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Grundgesetz ist. Die Antragsteller haben geltend gemacht, ihnen stehe ein Anspruch auf Bestimmung des Zeitpunktes und des Ortes der Zeugenvernehmung zu. Damit machen sie kein in Art. 44 Abs. 1 GG wurzelndes Recht der Ausschussminderheit gegenüber dem Untersuchungsausschuss geltend. Nicht im Streit steht nämlich das aus Art. 44 Abs. 1 GG abzuleitende Beweiserzwingungs- und Beweisdurchsetzungsrecht der qualifizierten Minderheit im Ausschuss (vgl. BVerfGE 105, 197 <223 ff.>). Die Bestimmung des Vernehmungsortes und des Zeitpunktes der Vernehmung betrifft vielmehr die Modalitäten des Vollzugs eines bereits ergangenen Beweisbeschlusses. Über derartige Verfahrensabläufe entscheidet grundsätzlich die jeweilige Ausschussmehrheit nach Maßgabe der §§ 17 ff. PUAG und der sinngemäß anwendbaren Vorschriften der Strafprozessordnung (Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG). Ihre Verfahrensherrschaft ist durch das Recht der qualifizierten Minderheit auf angemessene Beteiligung begrenzt (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 226). Nachdem dem Antrag der Antragsteller zu 3. auf Zeugenvernehmung Edward Snowdens seitens des Antragsgegners zu 2. durch Erlass des Beweisbeschlusses Z-1 entsprochen wurde, ist auch dieses Beteiligungsrecht der qualifizierten Minderheit nicht streitgegenständlich. Kern der Auseinandersetzung ist die Klärung der einfachrechtlichen Frage, ob und wie zur Erreichung des Aufklärungszwecks eine unmittelbare Einvernahme vor dem Untersuchungsausschuss vorzunehmen ist. Allein der Umstand, dass der Antragsgegner zu 2. einfachrechtliche und völkerrechtliche Überlegungen der Antragsgegnerin zu 1. in seine Entscheidungen einbezieht, begründet entgegen der Auffassung der Antragsteller keine verfassungsrechtliche Streitigkeit.

C.

42

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Untersuchungsausschuss ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist. Er gilt solange als beschlussfähig, wie nicht auf Antrag die Beschlussunfähigkeit festgestellt wird.

(2) Ist die Beschlussunfähigkeit festgestellt, so unterbricht der oder die Vorsitzende sofort die Sitzung auf bestimmte Zeit. Ist der Untersuchungsausschuss auch nach Ablauf dieser Zeit noch nicht beschlussfähig, so ist unverzüglich eine neue Sitzung anzuberaumen. In dieser Sitzung ist der Untersuchungsausschuss beschlussfähig, auch wenn nicht die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist; hierauf ist in der Einladung hinzuweisen.

(3) Bei Beschlussunfähigkeit darf der Untersuchungsausschuss keine Untersuchungshandlungen durchführen.

(4) Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, beschließt der Untersuchungsausschuss mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Zuständiges Gericht für Streitigkeiten nach diesem Gesetz ist der Bundesgerichtshof, soweit Artikel 93 des Grundgesetzes sowie § 13 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und die Vorschriften dieses Gesetzes nichts Abweichendes bestimmen.

(2) Hält der Bundesgerichtshof den Einsetzungsbeschluss für verfassungswidrig und kommt es für die Entscheidung auf dessen Gültigkeit an, so ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Satz 1 gilt für den Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes entsprechend.

(3) Gegen Entscheidungen des Ermittlungsrichters oder der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes ist die Beschwerde statthaft, über die der Bundesgerichtshof entscheidet.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Zuständiges Gericht für Streitigkeiten nach diesem Gesetz ist der Bundesgerichtshof, soweit Artikel 93 des Grundgesetzes sowie § 13 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und die Vorschriften dieses Gesetzes nichts Abweichendes bestimmen.

(2) Hält der Bundesgerichtshof den Einsetzungsbeschluss für verfassungswidrig und kommt es für die Entscheidung auf dessen Gültigkeit an, so ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Satz 1 gilt für den Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes entsprechend.

(3) Gegen Entscheidungen des Ermittlungsrichters oder der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes ist die Beschwerde statthaft, über die der Bundesgerichtshof entscheidet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 ARs 23/10
vom
17. August 2010
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
__________________
Ob im Rahmen der Beweiserhebung eines Untersuchungsausschusses die Gegenüberstellung
von Zeugen durchzuführen ist, entscheidet gemäß § 9 Abs. 4
Satz 1, § 24 Abs. 2 PUAG der Untersuchungsausschuss mit der Mehrheit der
abgegebenen Stimmen abschließend. Das Untersuchungsausschussgesetz
räumt der qualifizierten Minderheit von einem Viertel der Mitglieder nicht die
Befugnis ein, gegen den Willen der Ausschussmehrheit die Gegenüberstellung
durchzusetzen oder die Entscheidung der Mehrheit gerichtlich überprüfen zu
lassen.
BGH, Beschl. vom 17. August 2010 - 3 ARs 23/10
in dem Verfahren
der Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Verteidigungsausschusses
als 1. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages
, bestehend aus den Abgeordneten
- Antragstellerin -
gegen
den Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode
des Deutschen Bundestages,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
- Antragsgegner -
Verfahrensbevollmächtigter:
wegen: AntragaufDurchführung einer Gegenüberstellung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. August 2010 beschlossen
:
Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe:


1
Mit ihren Anträgen auf gerichtliche Entscheidung will die Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Verteidigungsausschusses als 1. Untersu- chungsausschuss der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages eine Gegenüberstellung des Bundesministers der Verteidigung Dr. Freiherr zu Guttenberg mit den Zeugen Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan erzwingen, die von der Ausschussmehrheit als unzulässig abgelehnt worden ist. Die Anträge bleiben ohne Erfolg.

I.

2
In der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 veranlasste der militärische Leiter des Provinz-Wiederaufbauteams (PRT) in Kunduz (Afghanistan) einen Luftangriff auf zwei Tanklastwagen, die entführt worden waren und auf einer Sandbank im Fluss Kunduz feststeckten. Dieser Luftschlag führte zu einer Vielzahl von Todesopfern.
3
Auf der Grundlage der Ausschussdrucksache 17(12)120 konstituierte sich zur Aufklärung des Luftangriffs selbst und zum jeweiligen Informationsstand über den Luftangriff innerhalb der Bundesregierung und der Bundeswehr in der 7. Sitzung des Verteidigungsausschusses vom 16. Dezember 2009 gemäß Art. 45a Abs. 2 GG der 1. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages. Dieser hat den Auftrag, den Luftangriff selbst, die diesbezügliche Aufklärungs- und Informationspraxis der Bundesregierung sowie die Vereinbarkeit der beim Luftangriff gewählten Vorgehensweise mit nationalen und internationalen politischen, rechtlichen und militärischen Vorgaben für den Einsatz in Afghanistan umfassend zu untersuchen und dabei u. a. zu klären, welche Informationen über den Luftangriff zu welchem Zeitpunkt an die politische Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung weitergegeben wurden (Frage 2 des Untersuchungsauftrags), auf welcher Informationsgrundlage der frühere Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung und sein Nachfolger Dr. Frei- herr zu Guttenberg ihre öffentlichen Bewertungen des Angriffs vornahmen (Frage 3 des Untersuchungsauftrags) und ob durch die Bundesregierung falsch oder unvollständig über die Militäraktion informiert wurde (Frage 5 des Untersuchungsauftrags ).
4
In der Folgezeit vernahm der Untersuchungsausschuss eine Vielzahl von Zeugen vorwiegend in öffentlicher Sitzung. Die öffentlichen Vernehmungen der zentralen Zeugen wurden in der Reihenfolge General a. D. Schneiderhan - Staatssekretär a. D. Dr. Wichert - Bundesminister Dr. Freiherr zu Guttenberg am 18. März 2010 und 22. April 1010 durchgeführt.
5
Die Vertreter der Minderheit im Untersuchungsausschuss beantragten - nach zwischenzeitlicher Zurücknahme eines gleichlautenden Antrags vom 17. Mai 2010 - am 14. Juni 2010 eine Vernehmungsgegenüberstellung der Zeugen General a. D. Schneiderhan und Staatssekretär a. D. Dr. Wichert mit Bundesverteidigungsminister Dr. Freiherr zu Guttenberg zur Klärung von Widersprüchen in den Aussagen dieser Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss, die in der Beratungsunterlage 17-220 vom 14. Juni 2010 unter III. im Einzelnen dargestellt wurden. Der Antrag wurde in der 23. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 17. Juni 2010 mit den Stimmen von 18 Abgeordneten der Fraktionen von CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen von 15 Abgeordneten der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE abgelehnt , weil die Gegenüberstellung unzulässig sei. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, eine Vernehmungsgegenüberstellung, die nur ausnahmsweise in Betracht komme, sei zur Sachaufklärung des Untersuchungsgegenstandes nicht geboten, sie solle vielmehr aus rein parteipolitischen Motiven durchgeführt werden, um ein "Spektakel Guttenberg" zu inszenieren.
6
Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Klärung der in den Vernehmungen der drei zentralen Zeugen aufgetretenen Widersprüche betreffe den Kern des Untersuchungsauftrages, verlässliche Informationen als Grundlage für die Benennung politischer Verantwortlichkeit zu erlangen. Die Gegenüberstellung stelle im Vergleich zum bloßen Vorhalt die einzig geeignete und wirksame Methode dar, um die sich widersprechenden Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen und damit dem Untersuchungszweck gerecht zu werden. Der Untersuchungsausschuss habe durch die Ablehnung der zulässigen und gebotenen Vernehmungsgegenüberstellung neben dem Verfassungsgebot der Effektivität parlamentarischer Untersuchungsverfahren das verfassungsrechtliche Recht der Ausschussminderheit auf angemessene Beteiligung an der Sachaufklärung in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise nachhaltig verletzt. Die Ausschussminderheit habe einen gesetzlichen Anspruch auf Durchführung der Vernehmungsgegenüberstellung. Über das positiv formulierte Recht der qualifizierten Minderheit auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses hinaus sei dieser auch hinsichtlich des Beweisverfahrens die "maßgebliche Geltungsmacht" zuzuerkennen.
7
Die Antragstellerin beantragt festzustellen, 1. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß § 45a Abs. 2 GG der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages mit seinem Beschluss vom 17. Juni 2010, den Antrag der Minderheit auf Durchführung einer Vernehmungsgegenüberstellung (Beratungsunterlage 17-220) als unzulässig abzulehnen, gegen § 24 Abs. 2 i. V. m. § 17 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG) verstoßen hat, 2. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß § 45a Abs. 2 GG der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG verpflichtet ist, die Reihenfolge der Vernehmung der Zeugen so festzulegen, dass am 30. September 2010 die von der Minderheit mit Beratungsunterlage 17-220 begehrte Vernehmungsgegenüberstellung durchgeführt wird, hilfsweise festzustellen, 1. dass die mit Beratungsunterlage 17-220 beantragte Vernehmungsgegenüberstellung zulässig ist im Sinne von § 24 Abs. 2 PUAG und 2. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß § 45a Abs. 2 GG der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages verpflichtet ist, die zulässige Vernehmungsgegenüberstellung in einer durch den Ausschuss festzulegenden Sitzung zur Beweisaufnahme durchzuführen.
Der Antragsgegner beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
8
Der Antragsgegner bezweifelt die Zulässigkeit der beim Bundesgerichtshof gestellten Anträge, weil es sich im Kern um eine verfassungsgerichtliche Streitigkeit handele, für die das Bundesverfassungsgericht zuständig sei. Er meint, die Vernehmungsgegenüberstellung sei zur Beseitigung der in den Zeugenaussagen aufgetretenen Ungereimtheiten nicht geeignet und deshalb für den Untersuchungszweck nicht geboten, sodass er diese zu Recht mit der Mehrheit der Stimmen zurückgewiesen habe. Die von der Antragstellerin behaupteten Widersprüche in den Zeugenaussagen seien nicht relevant; diese wolle vermeintliche Minderheitenrechte für parteipolitische Zwecke missbrauchen. Bei der Vernehmungsgegenüberstellung handele es sich um die Modalität der Zeugenvernehmung und damit eine Verfahrensfrage, für die das PUAG keinen Minderheitenschutz vorsehe. Auch ein unmittelbar aus Art. 44 GG hergeleiteter Minderheitenschutz komme nicht in Betracht, weil die Mehrheitsfraktionen den Antrag der Minderheit auf Gegenüberstellung mit einleuchtenden Sachargumenten zurückgewiesen hätten.
9
Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze verwiesen.

II.

10
Die Anträge der Minderheit des Untersuchungsausschusses sind zulässig , aber unbegründet.
11
1. Zulässigkeit der Anträge
12
a) Der Bundesgerichtshof ist gemäß § 36 Abs. 1 PUAG für die Entscheidung des Streits über die Vernehmungsgegenüberstellung zwischen der Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss und dem Untersuchungsausschuss selbst zuständig, weil eine Streitigkeit im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages vorliegt und eine vorrangige Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für das Begehren der Antragstellerin nicht besteht.
13
b) Die Antragstellerin ist im vorliegenden Organstreitverfahren als antragsberechtigt anzusehen (vgl. Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 2005, § 28 Rn. 32). Sie ist in mehreren Vorschriften des PUAG (vgl. § 8 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4, § 18 Abs. 3 und 4 Satz 2, § 27 Abs. 2, § 29 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 PUAG) mit eigenen Rechten ausgestattet und macht geltend, sie sei durch die Ablehnung der von ihr beantragten Vernehmungsgegenüberstellung durch die Ausschussmehrheit in ihren Rechten als qualifizierte Ausschussminderheit von einem Viertel des Untersuchungsausschusses verletzt. Ob sie durch die Ablehnung in ihren Rechten verletzt und deswegen tatsächlich befugt ist, den Bundesgerichtshof anzurufen, ist eine Frage der Begründetheit.
14
2. Begründetheit der Anträge
15
Die Anträge sind unbegründet. Die Vernehmungsgegenüberstellung eines Zeugen mit anderen Zeugen betrifft die Art und Weise der Beweisaufnahme. Über die Frage, ob sie gemäß § 24 Abs. 2 PUAG für den Untersuchungszweck geboten und zur Sachverhaltsaufklärung zweckmäßig ist, entscheidet der Untersuchungsausschuss mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 9 Abs. 4 PUAG). Seine qualifizierte Minderheit von einem Viertel der Mitglieder ist nicht befugt, die von der Ausschussmehrheit getroffene Entscheidung vom Bundesgerichtshof rechtlich überprüfen zu lassen. Eine Antragsberechtigung der Antragstellerin sieht das Untersuchungsausschussgesetz nach seinem Wortlaut insoweit nicht vor. Sie ist ihm auch im Wege der Auslegung nicht zu entnehmen. Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Einzelnen :
16
a) Durch das Recht zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses erhält das Parlament die Möglichkeit, unabhängig von Regierung, Behörden und Gerichten mit hoheitlichen Mitteln, wie sie sonst nur Gerichten und besonderen Behörden zur Verfügung stehen, selbständig solche Sachverhalte aufzuklären , die es in Erfüllung seines Verfassungsauftrags als Vertretung des Volkes für aufklärungsbedürftig hält. Aufgabe eines Untersuchungsausschusses ist es, das Parlament bei seiner Arbeit zu unterstützen und seine Entscheidungen vorzubereiten. Das Schwergewicht seiner Untersuchungen liegt dabei in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung, insbesondere in der Aufklärung von in den Verantwortungsbereich der Regierung und ihrer Mitglieder fallender Vorgänge, die Missstände vermuten lassen. Da in der parlamentarischen Demokratie die Regierung regelmäßig von der Parlamentsmehrheit getragen wird, sind Untersuchungsausschüsse in erster Linie ein politisches Instrument der Opposition, als Minderheit die Regierungsarbeit zu kontrollieren (BVerfG, Beschluss vom 2. August 1978 - 2 BvK 1/77, BVerfGE 49, 70, 85 f.; BayVerfGH, Entscheidung vom 10. Oktober 2006 - Vf. 19-IVa-06, BayVBl 2007, 171; vgl. auch Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz, 1. Aufl., S. 28 f.).
17
Im parlamentarischen Regierungssystem ist das Untersuchungsverfahren als Aufklärungsinstrument im Rahmen der politischen Kontroverse angelegt (BVerfG, Urteil vom 2. August 1978 - 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197, 225 f.). Es geht um die Feststellung eines objektiven Sachverhalts mit parlamentarischen Mitteln auf der Grundlage der jeweiligen politischen Interessenlagen zum Zwecke der politischen Bewertung und der Zuweisung politischer Verantwortlichkeit (vgl. BT-Drucks. 7/5924, S. 50 ff., 52 f.). In einem Untersuchungsverfahren besteht daher ein Spannungsverhältnis zwischen der Sachverhaltsaufklärung einerseits und der politischen Auseinandersetzung andererseits (vgl. Wiefelspütz, aaO, S. 29 f. mwN). Seine politische Bedeutung ergibt sich aus dem Vorgang der Sachaufklärung selbst, der Information der Öffentlichkeit über politische Missstände und vor allem der darüber öffentlich ausgetragenen politischen Auseinandersetzung. Da im Untersuchungsverfahren die politische Bewertung im Vordergrund steht und häufig Tatsachen mit Bewertungen eng verknüpft sind, kann es eine vollständige und in jeder Hinsicht objektive Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts nicht gewährleisten (vgl. Rixen, JZ 2002, 435, 438 mwN; Weisgerber, Das Beweiserhebungsverfahren parlamentarischer Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, 2003, S. 164 f.).
18
b) Ein Untersuchungsausschuss ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet , den ihm erteilten Untersuchungsauftrag möglichst effektiv zu erfüllen und alle mit ihm zusammenhängenden Umstände aufzuklären, die für die politische Bewertung von Bedeutung sind (BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11, 15/83, BVerfGE 67, 100, 124; BayVerfGH, Entscheidung vom 10. Oktober 2006 - Vf. 19-IVa-06, BayVBl 2007, 171; Scholz, AöR (1980) 105, 564, 603; Glauben/Brocker, aaO, § 15 Rn. 1). Bei seiner Tätigkeit entscheidet er im Allgemeinen mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen; bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt (§ 9 Abs. 4 PUAG). Damit gilt das in der parlamentarischen Demokratie konstitutive Mehrheitsprinzip grundsätzlich auch in dem vom Parlament eingesetzten Untersuchungsausschuss. Anders verhält es sich nur, wenn das Untersuchungsausschussgesetz aus Gründen des Minderheitenschutzes eine abweichende Regelung trifft. Dies ist hinsichtlich der hier in Rede stehenden Frage, ob Zeugen einander gegenüberzustellen sind, indessen nicht der Fall.
19
aa) Allerdings regelt das Untersuchungsausschussgesetz in mehrfacher Hinsicht die Rechte der Ausschussminderheit. Damit insbesondere die im Bundestag in Opposition zur Regierung stehenden Fraktionen ihre Aufgaben sachgerecht erfüllen und auch Vorgänge aufklären lassen können, deren Aufdeckung der Parlamentsmehrheit und der von dieser getragenen Regierung unangenehm sind, werden schon für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses der regelmäßig aus Abgeordneten der Oppositionsparteien bestehenden qualifizierten Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages durch Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 GG und § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 PUAG besondere Befugnisse übertragen. Entsprechend räumt das Untersuchungsausschussgesetz im Interesse einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle der von der Bundestags- und Ausschussmehrheit gestützten Regierung und ihrer Exekutivorgane der qualifizierten Minderheit von einem Viertel (teilweise auch von mehr als einem Drittel; vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2, § 25 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz PUAG) der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses im Rahmen der Arbeit dieses Gremiums vielfältige Rechte ein, die sie unabhängig von der Ausschussmehrheit wahrnehmen und - gegebenenfalls gerichtlich - durchsetzen kann (vgl. § 8 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4, § 18 Abs. 3 und 4 Satz 2, § 27 Abs. 2, § 29 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 PUAG).
20
Vor allem steht der qualifizierten Minderheit von einem Viertel ein Beweisantrags - und Beweiserzwingungsrecht zu. Vom Untersuchungsausschuss sind Beweise zu erheben, wenn sie von mindestens einem Viertel seiner Mitglieder beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der im Untersuchungsausschussgesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar (§ 17 Abs. 2 PUAG). Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gegen die von der Mehrheit beschlossene Reihenfolge der Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages (§ 28 GO-BT) zur Reihenfolge der Reden entsprechend (§ 17 Abs. 3 PUAG), sodass bei der Festlegung der Reihenfolge der Beweiserhebung auch die Vorstellungen der Opposition Berücksichtigung finden (vgl. Beschlussempfehlung Untersuchungsausschussgesetz , BT-Drucks. 14/5790, S. 17). Verweigert ein Zeuge das Zeugnis ohne gesetzlichen Grund oder verweigert eine Person die Herausgabe eines Gegenstandes, die für die Untersuchung von Bedeutung sein kann, kann der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses zur Erzwingung des Zeugnisses oder der Herausgabe die Haft anordnen (§ 27 Abs. 2, § 29 Abs. 2 Satz 2 PUAG). Werden als Beweismittel in Betracht kommende Gegenstände nicht freiwillig vorgelegt, so entscheidet nach § 29 Abs. 3 Satz 1 PUAG auf Antrag derselben qualifizierten Minderheit der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs über die Beschlagnahme und die Herausgabe an den Untersuchungsausschuss. Widerspricht eine Person, die über ein Beweismittel verfügungsberechtigt ist, der Aufhebung des Geheimhaltungsgrades GEHEIM durch den Untersuchungsausschuss , so hat die Aufhebung zu unterbleiben, wenn nicht der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf Antrag eines Viertels der Ausschussmitglieder sie für zulässig erklärt. Ergänzt wird dies durch die Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz PUAG, wonach die Zurückweisung der Frage an einen Zeugen einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Ausschusses bedarf. Durch diese Rechte wird die Minderheit im Unter- suchungsausschuss in die Lage versetzt, eine möglichst umfassende Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts durchzusetzen (vgl. BayVerfGH Entscheidung vom 10. Oktober 2006 - Vf. 19-IVa-06, BayVBl 2007, 171; Klein in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 44 Rn. 197 - Stand August 2005).
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bb) Entsprechende Befugnisse einer qualifizierten Ausschussminderheit zur Erzwingung der Gegenüberstellung von Zeugen sieht das Untersuchungsausschussgesetz hingegen nicht vor.
22
Gemäß § 24 Abs. 2 PUAG ist die Gegenüberstellung zulässig, wenn es für den Untersuchungszweck geboten ist. Dies ist der Fall, wenn ihre Durchführung wegen widersprüchlicher Aussagen von Zeugen zur Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts beitragen kann. Zweck einer Vernehmungsgegenüberstellung im Untersuchungsverfahren ist es, Widersprüche zwischen den Aussagen von Zeugen durch Rede und Gegenrede, Fragen und Vorhalte zu klären. Der Untersuchungsausschuss ist aber nicht verpflichtet, eine für den Untersuchungszweck gebotene Gegenüberstellung anzuordnen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 PUAG, der eine solche Gegenüberstellung lediglich für zulässig erklärt, ohne ihre Durchführung zum Zwecke der Aufklärung allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen zur Pflicht zu machen. Entgegen der Meinung der Antragstellerin kann eine Pflicht des Untersuchungsausschusses zur Gegenüberstellung nicht daraus abgeleitet werden, dass diese für den Untersuchungszweck geboten und die einzig geeignete Methode zur Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts ist. Wenn der Gesetzgeber den Untersuchungsausschuss in diesem Fall zu einer solchen Gegenüberstellung hätte verpflichten wollen, hätte er § 24 Abs. 2 PUAG etwa wie folgt formuliert: "Eine Gegenüberstellung mit anderen Zeugen ist durchzuführen, wenn es für den Untersuchungszweck geboten ist."
23
Ob eine Gegenüberstellung durchzuführen ist, entscheidet gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG die Ausschussmehrheit. Deren Entscheidung ist abschließend. Das Untersuchungsausschussgesetz enthält keine Bestimmung, die der qualifizierten Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses die Befugnis einräumt, gegen den Willen der Ausschussmehrheit die Gegenüberstellung durchzusetzen oder die Entscheidung der Mehrheit gerichtlich überprüfen zu lassen.
24
Dem § 24 Abs. 2 PUAG lässt sich derartiges nicht entnehmen; es kann auch nicht aus sonstigen Vorschriften, insbesondere aus § 17 Abs. 2 und Abs. 4 PUAG, hergeleitet werden. Diese Vorschriften bestimmen, dass Beweise zu erheben sind, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, und diese qualifizierte Minderheit auf gerichtliche Entscheidung antragen kann, wenn die Mehrheit eine Beweiserhebung dennoch ablehnt. Der auf die Durchführung einer Gegenüberstellung gerichtete verfahrensgegenständliche Antrag ist kein Beweisantrag im Sinne dieser Vorschrift , weil er nicht die Vernehmung der Zeugen Bundesverteidigungsminister Dr. Freiherr zu Guttenberg, Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan, die bereits vernommen worden sind, zu einer bestimmten Beweisbehauptung zum Gegenstand hat. Vielmehr zielt er als Verfahrensantrag auf die nochmalige Durchführung der Vernehmung in der bestimmten Art und Weise der Vernehmungsgegenüberstellung als besonderer Form der Zeugenvernehmung ab (Brocker, BayVBl. 2007, 173, 174; vgl. für den Strafprozess auch KK-Senge, StPO, 6. Aufl. § 58 Rn. 7; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. § 58 Rn. 8, 10).
25
Die eindeutige gesetzliche Regelung im Untersuchungsausschussgesetz , die bei den weniger wichtigen Verfahrensfragen die demokratische Mehrheitsregel vorschreibt, kann auch nicht durch die undifferenzierte Annahme ei- ner "maßgeblichen Geltungsmacht" der Minderheit im Untersuchungsausschuss unterlaufen werden (vgl. Brocker, BayVBl. 2007, 173, 174). Zwar ist der Mitge-staltungsanspruch der qualifizierten Minderheit grundsätzlich dem der Ausschussmehrheit vom Gewicht her gleich zu erachten (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. April 2002 - 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197, 222; Glauben/Brocker, aaO, § 27 Rn. 5). Jedoch ist es grundsätzlich Sache des einfach-rechtlichen Gesetzgebers , wie er diesen - verfassungsrechtlich in Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten - Anspruch für das Verfahren vor den Untersuchungsausschüssen im Einzelnen ausformt und mit dem an sich auch für die Arbeit dieser Ausschüsse zu respektierenden demokratischen Grundprinzip der Mehrheitsentscheidung zum Ausgleich bringt. Die hierzu erforderliche Grenzziehung hat der Gesetzgeber mit den dargestellten differenzierten Regelungen des Untersuchungsausschussgesetzes zu den Gestaltungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten qualifizierter Minderheiten im Beweiserhebungsverfahren eines Untersuchungsausschusses vorgenommen. Wenn es der qualifizierten Minderheit der Mitglieder des Ausschusses danach verwehrt ist, die Gegenüberstellung von Zeugen durch einen entsprechenden Antrag zu erzwingen und gegebenenfalls auch gerichtlich durchzusetzen, so haben die an das Gesetz gebundenen Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) dies grundsätzlich zu respektieren.
26
Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Gesetzgeber dadurch, dass er in diesem Punkt der Ausschussmehrheit die gerichtlich nicht überprüfbare alleinige Entscheidungskompetenz zugesprochen hat, die Mitgestaltungsbefugnis der qualifizierten Minderheit in einer Weise beschränkt hätte, die mit den aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen nicht mehr in Einklang stünde. Nur in diesem Fall wäre der Senat als Fachgericht berufen zu prüfen, ob nicht unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Prinzipien doch eine Auslegung des Untersuchungsausschussgesetzes entgegen seinem Wortlaut in Betracht käme, die der qualifizier- ten Ausschussminderheit insoweit eigene Gestaltungsrechte und Rechtsschutzmöglichkeiten einräumt; wäre eine derartige verfassungskonforme Auslegung nicht möglich, so wäre die Sache dagegen dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, damit dieses über die Vereinbarkeit von § 24 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 4 PUAG entscheidet (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG). Der Senat hält indes § 24 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG für vereinbar. Hierzu gilt:
27
Die Bestimmungen des Untersuchungsausschussgesetzes zu den Rechten der Ausschussminderheit bleiben in ihrer Gesamtheit nicht hinter dem verfassungsrechtlich zu gewährleistenden Minderheitenschutz zurück (vgl. Glauben /Brocker, aaO, § 27 Rn. 22 f.). Sie enthalten einen angemessenen Ausgleich zwischen dem notwendigen Minderheitenschutz einerseits und dem in der Demokratie grundsätzlich geltenden Mehrheitsprinzip andererseits (vgl. dazu Achterberg/Schulte in: Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44 Rn. 157 ff.). Sie gewährleisten, dass sowohl die Mehrheit als auch die Minderheit des Untersuchungsausschusses ihre Vorstellungen von einer sachgemäßen Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts in angemessener Weise durchsetzen kann. Ein weitergehender Schutz der qualifizierten Ausschussminderheit dadurch, dass ihr über die ausdrücklich im Untersuchungsausschussgesetz geregelten Gestaltungsbefugnisse und Antragsrechte auf gerichtliche Entscheidung hinaus weitere zugestanden werden, ist daher verfassungsrechtlich nicht geboten. Ein allgemeiner Grundsatz, dass der Minderheit im Untersuchungsverfahren - wie die Antragstellerin meint - umfassend die "maßgebliche Geltungsmacht" zuzuerkennen wäre, existiert nicht. Vielmehr bestehen Minderheitenrechte als Ausnahmen von der in der parlamentarischen Demokratie geltenden Regel der Mehrheitsentscheidung auch im Untersuchungsverfahren nur insoweit, als sie sich zwingend aus der Verfassung - oder den diese konkretisierenden einfach- gesetzlichen Regelungen - ergeben (Glauben/Brocker, aaO, § 27 Rn. 2 mwN; Brocker, BayVBl. 2007, 173, 174).
28
Die fehlende Berechtigung der qualifizierten Minderheit, bei der Ablehnung einer Vernehmungsgegenüberstellung den Bundesgerichtshof anrufen zu können, steht vor diesem Hintergrund in Einklang mit dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens. In diesem geht es um die Aufklärung eines Sachverhalts unter politischen Gesichtspunkten, die möglichst zeitnah und zügig geschehen soll. Bei der Beurteilung, ob wegen Widersprüchen in den Aussagen von Zeugen eine Gegenüberstellung zulässig und zweckmäßig ist, sind die politischen Bewertungen der Zeugenaussagen von ausschlaggebender Bedeutung. Diese ist Aufgabe der Mitglieder des Untersuchungsausschusses und nicht der Gerichte, die nur über Rechtsfragen, nicht dagegen über politische Bewertungen zu entscheiden haben.
29
Durch die Ablehnung einer Vernehmungsgegenüberstellung wird das Recht der Ausschussminderheit auf angemessene Beteiligung an der Sachaufklärung nicht in so gravierender Weise eingeschränkt, dass die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend erforderlich wäre; denn der Ausschussminderheit bleiben ausreichende sonstige Möglichkeiten, auf sich widersprechende Zeugenaussagen zu reagieren. So kann sie einem Zeugen regelmäßig die gegenteilige Aussage eines anderen Zeugen vorhalten. Entsprechend wurde im vorliegenden Fall der Bundesverteidigungsminister Dr. Freiherr zu Guttenberg mit den Aussagen der Zeugen Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan konfrontiert. Außerdem stehen die sich widersprechenden Zeugenaussagen für die politische Bewertung zur Verfügung, sodass die Ablehnung einer Gegenüberstellung im Vergleich zu einer abgelehnten Zeugenvernehmung die Interessen der Ausschussminderheit nur in geringem Umfang beeinträchtigt. Weiterhin hat die qua- lifizierte Ausschussminderheit des Untersuchungsausschusses die Möglichkeit, durch Presseerklärungen auf Widersprüche in Zeugenaussagen hinzuweisen, um eine Berichterstattung in den Medien zu ereichen. Sie kann zudem die Begründung , mit der eine Gegenüberstellung abgelehnt worden ist, der interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen, die sich selbst ein Bild von der Überzeugungskraft der Ablehnungsgründe verschaffen kann. Weiterhin kann sie ein Sondervotum (§ 33 Abs. 1 und 2 PUAG) zum Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses erstellen und sich in diesem zu den Widersprüchen in den Zeugenaussagen äußern. Weitergehende Befugnisse sind aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zwingend geboten.
30
3. Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst. Hinsichtlich der Gerichtskosten ist ein Gebührentatbestand nicht ersichtlich, zudem wäre der Bund von der Bezahlung dieser Gebühren befreit. Auch für die Überbürdung der Kosten der an dem Verfahren Beteiligten fehlt es an einer Rechtsgrundlage (vgl. zudem § 35 Abs. 1 PUAG). Einer entsprechenden Anwendung der VwGO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18. Juli 2006 - 3 ARs 27/06 und Beschluss vom 17. Februar 2009 - 3 ARs 24/08) steht im vorliegenden Fall entgegen , dass sich der Untersuchungsausschuss und eine Minderheit seiner Mitglieder als Beteiligte gegenüberstehen. Die Übertragung der Regelungen der §§ 154 ff. VwGO erscheint in dieser einem Organstreit ähnlichen Konstellation grundsätzlich nicht sach- und interessengerecht (vgl. auch § 34a Abs. 3 BVerfGG). Becker Pfister von Lienen Hubert Mayer

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

Tenor

1. Der Antrag der Antragstellerin zu 3. wird verworfen.

2. Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Berechtigung der Bundesregierung, der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2., ein Vorlageersuchen des 1. Untersuchungsausschusses des 18. Deutschen Bundestages (sogenannter NSA-Untersuchungsausschuss) mit dem Hinweis auf entgegenstehende völkerrechtliche Verpflichtungen und den Schutz der Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste abzulehnen.

2

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag. Die Antragstellerin zu 3. besteht aus den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses, die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehören.

I.

3

1. Anlass des Untersuchungsausschussverfahrens waren die im Sommer 2013 durch die britische Zeitung "The Guardian" und die amerikanische Zeitung "The Washington Post" veröffentlichten geheimen Dokumente der National Security Agency (NSA). Aus diesen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die NSA in großem Umfang Daten auch in Deutschland erhoben haben könnte, teilweise in Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst (BND).

4

2. Der BND betrieb gemeinsam mit der NSA unter dem Projektnamen Joint SIGINT Activity in B. eine Kooperation zur Aufklärung von internationalen Fernmeldeverkehren zu Krisenregionen. Dieser Zusammenarbeit lagen ein zunächst als VS-VERTRAULICH und ab August 2016 als offen eingestuftes, aus Verbalnoten bestehendes Geheimschutzabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland sowie ein als STRENG GEHEIM-Schutzwort eingestuftes Memorandum of Agreement (MoA) zugrunde. Das MoA legte die Modalitäten für die gemeinsame Arbeit fest. Eine Aufklärung europäischer Ziele war danach nur beschränkt auf näher bezeichnete Phänomenbereiche zulässig. Auch sollten ausschließlich solche Kommunikationen aufgeklärt werden, an denen kein G 10-geschützter Teilnehmer beteiligt war.

5

Im Rahmen dieser Kooperation durchsuchten BND-Mitarbeiter die aus einem Internetknotenpunkt in F. ausgeleiteten Daten nach von der NSA definierten Merkmalen, den sogenannten Selektoren. Diese Selektoren wurden von B. aus regelmäßig abgerufen und nach entsprechender Prüfung auf eine G 10-Relevanz oder einen Verstoß gegen deutsche Interessen durch den BND in die Erfassungssysteme eingestellt. Aufgrund der hohen Zahl der Selektoren wurde die Prüfung mit Hilfe des vom BND entwickelten Datenfilterungssystems DAFIS durchgeführt.

6

Bereits Ende des Jahres 2005 fiel BND-Mitarbeitern im Rahmen der Prüfung von NSA-Selektoren auf, dass die NSA auch Selektoren übergeben hatte, die nach Einschätzung des BND gegen deutsche Interessen verstießen. Nachdem im Sommer 2013 in der Presse berichtet worden war, dass EU-Vertretungen und auch deutsche Grundrechtsträger von der Fernmeldeaufklärung im Rahmen der Joint SIGINT Activity betroffen seien, führte der BND eine interne Untersuchung der Selektoren durch. Dabei stellte sich heraus, dass die überprüften Selektoren nur zu einem Teil bereits bei der ersten Filterung von der weiteren Verwendung ausgeschlossen und nicht in die Erfassungssysteme übernommen worden waren. Ein anderer Teil war für unterschiedlich lange Zeiträume gesteuert worden.

7

3. Am 20. März 2014 beschloss der Deutsche Bundestag auf Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Einsetzung des NSA-Untersuchungsausschusses. Das Gremium konstituierte sich am selben Tag.

8

Der Untersuchungsauftrag (vgl. BTDrucks 18/843, S. 1 ff.) lautet in den für den streitgegenständlichen Antrag wesentlichen Passagen wie folgt:

Der Untersuchungsausschuss soll - angestoßen insbesondere durch Presseberichterstattung infolge der Enthüllungen von Edward Snowden über Internet- und Telekommunikationsüberwachung - für den Zeitraum seit Jahresbeginn 2001 klären,

I. ob, in welcher Weise und in welchem Umfang durch Nachrichtendienste der Staaten der sogenannten "Five Eyes" (der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, Kanadas, Australiens und Neuseelands) eine Erfassung von Daten über Kommunikationsvorgänge (einschließlich Inhalts-, Bestands- und Verkehrsdaten), deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge (einschließlich Internetnutzung und angelegter Adressverzeichnisse) von, nach und in Deutschland auf Vorrat oder eine Nutzung solcher durch öffentliche Unternehmen der genannten Staaten oder private Dritte erfasster Daten erfolgte beziehungsweise erfolgt und inwieweit Stellen des Bundes, insbesondere die Bundesregierung, Nachrichtendienste oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik von derartigen Praktiken Kenntnis hatten, daran beteiligt waren, diesen entgegenwirkten oder gegebenenfalls Nutzen daraus zogen. (…)

II. ob und inwieweit Daten über Kommunikationsvorgänge und deren Inhalte (mittels Telekommunikation oder Gespräche einschließlich deren Inhalte wie etwa Gesetzentwürfe oder Verhandlungsstrategien) von Mitgliedern der Bundesregierung, Bediensteten des Bundes sowie Mitgliedern des Deutschen Bundestages oder anderer Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, durch Nachrichtendienste der unter Nummer I. genannten Staaten nachrichtendienstlich erfasst oder ausgewertet wurden. (…)

III. ob Empfehlungen zur Wahrung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutzes der informationellen Selbstbestimmung, der Privatsphäre, des Fernmeldegeheimnisses und der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme sowie der sicheren und vertraulichen Kommunikation in der staatlichen Sphäre geboten sind. (…)

9

4. Der Untersuchungsausschuss befasste sich in der Folge zunächst mit den Komplexen der Kooperationsmaßnahmen des BND und der NSA gemäß der Ziffern I. und II. des Untersuchungsauftrags und fasste hierzu mehrere Beweisbeschlüsse.

10

Auf diese Beschlüsse hin erklärte ein Vertreter des Bundesministeriums des Innern in der Ausschusssitzung vom 26. Juni 2014, über Unterlagen ausländischer Nachrichtendienste fehle die Verfügungsberechtigung deutscher Stellen. Eine Vorlage ohne Zustimmung des Herausgebers sei ein Verstoß gegen völkervertragliche Geheimschutzabkommen. Unabhängig von diesen Geheimschutzabkommen könne die Vorlage dieser Unterlagen auch die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Die betroffenen Staaten seien daher zunächst im Wege eines Konsultationsverfahrens um Freigabe der Unterlagen zu ersuchen.

11

Mit Schreiben vom 9. Juli 2014 erklärte das Bundeskanzleramt gegenüber den Regierungen der "Five Eyes"-Staaten die Einleitung des Konsultationsverfahrens. Es stellte die deutsche Rechtslage dar und bat um Unterstützung sowie um Ausführungen zur Rechtsansicht der betroffenen Staaten. Im Nachgang zu diesem Schreiben fanden Besprechungen auf unterschiedlichen Ebenen in Deutschland und in den jeweiligen Staaten statt. Der Untersuchungsausschuss wurde hierüber in der Sitzung am 11. September 2014 unterrichtet.

12

Die Antworten der Staaten fielen unterschiedlich aus. Das Vereinigte Königreich und Australien sahen generell keine Möglichkeit zur Freigabe von Unterlagen. Kanada stimmte dem Konsultationsverfahren im Grundsatz zu. Die Vereinigten Staaten von Amerika und Neuseeland kündigten eine Einzelfallprüfung an. Das Ergebnis der Konsultation mit den Vereinigten Staaten von Amerika wurde dem Untersuchungsausschuss in seiner Sitzung am 25. September 2014 erläutert. Das Antwortschreiben mit entsprechender Arbeitsübersetzung wurde ihm anschließend übermittelt und in der Sitzung vom 9. Oktober 2014 erörtert.

13

5. Nachdem eine Vielzahl geheimhaltungsbedürftiger Informationen in den Medien veröffentlicht worden war und die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ihre Sorge hierüber zum Ausdruck gebracht hatte, bat der Antragsgegner zu 2. mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses um Sensibilisierung der Mitglieder im Umgang mit als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen.

14

6. Aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt erzielten Ergebnisse der Beweiserhebung und weiterer Presseveröffentlichungen fasste der Untersuchungsausschuss am 26. Februar 2015 - auf die Beweisanträge der Antragstellerin zu 3. hin - die Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26, um sämtliche Beweismittel beizuziehen, die

1. Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim Bundesnachrichtendienst darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die National Security Agency im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen (d.h. gegen Menschen in Deutschland oder der EU; dortige deutsche oder europäische bi-, multi- bzw. supranationale Dienststellen oder entsprechend gegen Unternehmen, beispielhaft seien genannt EADS, Eurocopter, französische Behörden, vgl. Süddeutsche Zeitung v. 4.10.2014 "Codewort Eikonal") versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagierten

oder die

2. bei der Erstellung der Schriftstücke des Bundeskanzleramts bzw. des Bundesnachrichtendienstes hinsichtlich der vorgenannten Thematik unter den folgenden Fundstellen zugrunde lagen: MAT A BK-7, Tgb.- Nr. 05/14 streng geheim (auf geheim herabgestuft), Anl. 06, Ordner 135, Bl. 36, Bl. 41, Bl. 120, und die

15

im Organisationsbereich des Bundeskanzleramtes und des BND im Untersuchungszeitraum entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind. Der Untersuchungsausschuss setzte eine Frist bis zum 15. April 2015.

16

7. Das Bundeskanzleramt übermittelte dem Untersuchungsausschuss fristgerecht Beweismaterialien zu den Beweisbeschlüssen BK-14 und BND-26.

17

Am 24. April 2015 wurde das die NSA-Selektorenlisten betreffende Konsultationsverfahren mit den Vereinigten Staaten von Amerika eingeleitet.

18

Nach Fristablauf legte die Antragsgegnerin zu 1. mit Schreiben vom 27. April 2015 zwei weitere, als STRENG GEHEIM eingestufte Ordner zum Beweisbeschluss BND-26 vor. Allerdings ergab sich aus den Inhaltsübersichten der beiden Ordner, dass einzelne Dokumente entnommen worden waren. Anstelle des jeweiligen Dokumentes war ein Fehlblatt eingeheftet. Darüber hinaus waren einzelne Informationen geschwärzt. Zur Begründung der Entnahmen und Schwärzungen wurde angeführt, dass es sich um Originalmaterial ausländischer Nachrichtendienste handele, über welches der BND nicht uneingeschränkt verfügen könne und welches als Verschlusssache eingestuft oder erkennbar geheimhaltungsbedürftig sei. Eine Weitergabe an den Untersuchungsausschuss ohne Einverständnis des Herausgebers würde einen Verstoß gegen die bindenden Geheimschutzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Herausgeberstaat darstellen. Die Nichtbeachtung völkervertraglicher Vereinbarungen könne die internationale Kooperationsfähigkeit Deutschlands stark beeinträchtigen und andere Staaten dazu veranlassen, ihrerseits völkervertragliche Vereinbarungen mit Deutschland in Einzelfällen zu ignorieren und damit deutschen Interessen zu schaden. Eine Freigabe zur Vorlage an den Untersuchungsausschuss durch den ausländischen Nachrichtendienst liege gegenwärtig noch nicht vor.

19

Im Hinblick auf die NSA-Selektorenlisten gelangten die Antragsgegner zu der Einschätzung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika erst nach Prüfung und Abwägung über die Herausgabe an den Untersuchungsausschuss entscheiden würden. Daher übermittelte die Antragsgegnerin zu 1. dem Untersuchungsausschuss am 30. April 2015 zunächst ein schriftliches Testat des BND zu den Erkenntnissen über die NSA-Selektorenlisten.

20

8. Die Antragstellerin zu 3. beantragte am 21. Mai 2015 (Ausschussdrucksache 373), der Untersuchungsausschuss möge die Antragsgegnerin zu 1. durch Beschluss auffordern,

die aus den beigezogenen Beweismitteln zum Beweisbeschluss BND-26 entnommen[en] Listen mit Steuerungs- und Telekommunikationsmerkmalen (Selektoren) dem 1. Untersuchungsausschuss umgehend vorzulegen.

21

In seiner Sitzung am 11. Juni 2015 fasste der Untersuchungsausschuss über den Antrag der Antragstellerin zu 3. einen Beschluss und forderte die Antragsgegnerin zu 1. auf, bis zum 18. Juni 2015 die NSA-Selektorenlisten vorzulegen oder die Ablehnung zu begründen.

22

9. Mit einem überwiegend als GEHEIM eingestuften Schreiben vom 17. Juni 2015 lehnte der Antragsgegner zu 2. die Vorlage der NSA-Selektorenlisten ab.

23

In dem nicht eingestuften Abschnitt IV des Schreibens wird ausgeführt, es sei auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, dass die US-Regierung einer Weitergabe ausdrücklich zustimmen werde. Daher sei die Antragsgegnerin zu 1. über die bisherigen Aktivitäten hinaus bereit, zur verfassungskonformen Erfüllung des Beweisbeschlusses und vor dem Hintergrund der völkerrechtlichen Verpflichtungen eine in ihrer Bewertung unabhängige sachverständige Vertrauensperson einzusetzen, welche die Dokumente, die dem Beweisbeschluss BND-26 unterfielen und dem Untersuchungsausschuss bisher aufgrund der bezeichneten Gründe nicht zur Verfügung gestellt worden seien, untersuchen und dem Untersuchungsausschuss darüber Bericht erstatten solle.

24

10. Am 18. Juni 2015 fasste der Untersuchungsausschuss auf Antrag der Ausschussmitglieder der Fraktionen von CDU/CSU und SPD folgenden Beschluss zur Einsetzung einer sachverständigen Vertrauensperson (Ausschussdrucksache 385):

1. Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundeskanzleramts vom 17. Juni 2015 zur Erfüllung des Beweisbeschlusses BND-26 und unter Abwägung des vom Deutschen Bundestag beschlossenen Untersuchungsauftrags mit der auch dem Parlament obliegenden Beachtung von Belangen des Staatswohls (vgl. etwa: BVerfGE 124, S. 78, 123 f.) bewertet der 1. Untersuchungsausschuss die Entscheidung der Bundesregierung als sachgerecht, einer vom Parlament zu benennenden unabhängigen sachverständigen Vertrauensperson Einsicht in die notwendigen Unterlagen zu gewähren.

2. Der Untersuchungsausschuss erwartet, dass die von ihm benannte Vertrauensperson

- die von der Bundesregierung im Rahmen der Vorlage zu Beweisbeschluss BND-26 unter Berufung auf Staatswohlbelange und Konsultationsverpflichtungen vorläufig entnommenen so genannten "Selektorenlisten" im Bundeskanzleramt vollständig sichtet sowie unabhängig und weisungsfrei bewertet,

- dem Untersuchungsausschuss über ihre Tätigkeit und Erkenntnisse umfassend Bericht erstattet und

- für eine Erörterung mit den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses im Rahmen einer förmlichen Anhörung als Sachverständige gemäß § 28 PUAG eine entsprechende Aussagegenehmigung erhält.

(…)

5. Die Einsichtnahme und gutachterliche Stellungnahme soll als Beitrag zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages der Klärung der Frage dienen, ob bei der Kooperation des BND mit Diensten der "Five Eyes"-Staaten im Bereich der Fernmeldeaufklärung von Routineverkehren öffentliche Stellen des Bundes dazu beigetragen haben, dass deutsche Grundrechtsträger Gegenstand der Kommunikationserfassung durch Dienste der "Five Eyes"-Staaten, insbesondere im Bereich von Spionage zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen, werden konnten. Geprüft werden soll weiterhin, ob und in welchem Maße im Rahmen dieser Kooperation gegen "deutsche Interessen" verstoßen worden ist, insbesondere, in welchem Ausmaß politische Spionage gegen Personen bzw. Dienststellen europäischer Mitgliedstaaten, gegen EU-Institutionen oder andere entsprechende Stellen erfolgt sein könnte.

Die Vertrauensperson soll im Rahmen der genannten Fragestellung jeweils gutachterlich Stellung nehmen

- zur Zahl der von ihr festgestellten einschlägigen Selektoren oder Suchbegriffe;

- zur Art und Weise von deren Filterung und Ermittlung durch den BND und dazu, ob und welche Feststellungen möglich sind zur Dauer von deren tatsächlicher Nutzung;

- zur Systematik der unzulässig eingebrachten Selektoren und Suchbegriffe und dazu, ob und welche Daten aufgrund solcher Selektoren oder Suchbegriffe erfasst sowie gegebenenfalls übermittelt wurden;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen die einschlägigen bilateralen Vereinbarungen;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen deutsche Interessen;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen deutsches Recht.

(…)

9. Der Untersuchungsausschuss behält sich vor, nach Abschluss des hier beschriebenen Verfahrens weitere Schritte zur Wahrung seiner verfassungsrechtlichen Rechte aus Art. 44 GG einzuleiten, sollte er zu dem Schluss gelangen, dass den parlamentarischen Rechten im durchgeführten Verfahren nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen worden ist.

(…)

25

Am 2. Juli 2015 beschloss der Untersuchungsausschuss gegen die Stimmen der Antragstellerin zu 3., Herrn RiBVerwG a.D. G. als sachverständige Vertrauensperson zu benennen. Entsprechend bestimmte das Bundeskabinett in seiner Sitzung am 8. Juli 2015 Herrn RiBVerwG a.D. G. zur sachverständigen Vertrauensperson und teilte dies mit Schreiben des Antragsgegners zu 2. vom 8. Juli 2015 dem Untersuchungsausschuss mit.

26

Am 23. Oktober 2015 legte die sachverständige Vertrauensperson ihren Bericht "Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation "Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses BND-26" in einer offenen sowie in zwei VS-eingestuften Fassungen vor und erläuterte diesen Bericht in der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 5. November 2015.

II.

27

Mit Schriftsatz vom 16. September 2015 haben die Antragstellerinnen ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihrem Antrag begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. die Rechte des Bundestages aus Art. 44 GG verletzt haben, indem sie es abgelehnt hätten, sämtliche Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherte Daten und sonstige sächliche Beweismittel vorzulegen, die Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim BND darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die NSA der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagierten.

28

1. Die Antragstellerinnen sehen ihren Antrag als zulässig an.

29

a) Sie seien parteifähig.

30

aa) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. seien als Fraktionen des Deutschen Bundestages gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG parteifähig. Fraktionen seien Teile und ständige Gliederungen des Bundestages, die durch dessen Geschäftsordnung anerkannt und mit eigenen Rechten ausgestattet seien. Sie seien befugt, im eigenen Namen auch Rechte des Bundestages geltend zu machen.

31

Die Antragstellerinnen seien darüber hinaus gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 [BGBl I S. 1237], zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 23. April 2014 [BGBl I S. 534]) parteifähig. Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG sei eine Einsetzungsminderheit von einem Viertel der Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Organstreitverfahren als mit eigenen Rechten ausgestatteter Organteil parteifähig. Dieses Recht werde durch § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT, mithin durch das Geschäftsordnungsrecht eines obersten Bundesorgans, auf eine Zahl von 120 Mitgliedern des Deutschen Bundestages ausgedehnt. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. stellten zusammen 127 Abgeordnete und seien daher in ihrer Gesamtheit parteifähig.

32

bb) Aufgrund des § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT sei auch die Antragstellerin zu 3. parteifähig. Sie sei als Vertreterin einer Einsetzungsminderheit nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT anzusehen. Zudem sei die Antragstellerin zu 3. nach § 18 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG vom 19. Juni 2001 [BGBl I S. 1142], zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 [BGBl I S. 718]) parteifähig, denn sie bilde ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Dass das Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach § 18 Abs. 3 PUAG zugleich eine Einsetzungsminderheit von einem Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages im Ausschuss repräsentieren müsse, werde nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht vorausgesetzt.

33

b) Die Antragstellerinnen seien berechtigt, im Organstreit die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung von Rechten des gesamten Parlaments in Prozessstandschaft geltend zu machen. Für die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. folge dies aus § 64 Abs. 1 BVerfGG und für die Antragstellerin zu 3. aus § 18 Abs. 3 PUAG. Zudem seien die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. aufgrund ihrer Stellung als Einsetzungsminderheit gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT und die Antragstellerin zu 3. als Vertreterin einer solchen Einsetzungsminderheit im Ausschuss antragsbefugt.

34

2. Der Antrag sei begründet. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten die Rechte des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG verletzt, indem sie die vollständige Aktenvorlage nach Maßgabe der Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26 unter Hinweis auf angebliche Geheimschutzbelange ausländischer Staaten abgelehnt hätten.

35

a) Die Weigerung sei nicht von einer verfassungsrechtlichen Schranke des Aktenvorlagerechts gedeckt.

36

aa) Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten sich vorprozessual darauf berufen, die Bundesrepublik Deutschland sei völkerrechtlich verpflichtet, die aus den vorgelegten Akten entfernten Bestandteile, die von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika übergebene Verschlusssachen darstellten, nicht herauszugeben. Diese Pflicht solle sich aus dem als Verschlusssache eingestuften Geheimschutzabkommen vom 23. Dezember 1960 ergeben. Dieses sei normativ aber nicht geeignet, das verfassungskräftige Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages auszuschließen.

37

Das Geheimschutzabkommen sei ein bloßes Verwaltungsabkommen. Es sei nicht durch eine Rechtsverordnung oder Richtlinie vollzogen worden, so dass es keinen Eingang in die deutsche Rechtsordnung gefunden habe.

38

Das Geheimschutzabkommen könne aber auch dann nicht das Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG ausschließen, wenn es sich um einen Vertrag im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG handelte. Ungeachtet des Umstandes, dass es an der Zustimmung oder Mitwirkung des Deutschen Bundestages fehle, hätte das Abkommen innerstaatlich nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.

39

bb) Für die Berücksichtigungsfähigkeit im Sinne eines Ausschlussgrundes fehle es dem Geheimschutzabkommen auch deshalb an der erforderlichen Qualität als Außenrecht, weil es eine Verschlusssache darstelle. Völkerrecht könne nur dann berücksichtigt werden, wenn es Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung geworden sei. Innerstaatliches Recht aber müsse das Kriterium der Publizität erfüllen.

40

cc) Letztlich ergebe eine Auslegung des Abkommens gemäß Art. 31, 32 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, dass kein vertraglicher Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika vereinbart worden sei. Dies belege bereits der Wortlaut des Geheimschutzabkommens. Es werde zwar die Weitergabe von Verschlusssachen zwischen den Regierungen geregelt. Der Bundesregierung werde aber nicht untersagt, Verschlusssachen der Vereinigten Staaten von Amerika dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis zu geben. Gegenstand des Abkommens sei allein die Festlegung des Übermittlungsverfahrens. Des Weiteren wäre es mit dem Sinn und Zweck des Geheimschutzabkommens nicht zu vereinbaren, mit dem Wort "Regierung" nur die Exekutive erfasst zu sehen. Sowohl die Vereinigten Staaten von Amerika als auch die Bundesrepublik Deutschland seien demokratisch verfasste Staaten mit einer starken Tradition der parlamentarischen Kontrolle. Keine der beiden Regierungen sei verfassungsrechtlich ermächtigt, die parlamentarische Kontrolle ihrer Geheimdienste auszuschließen oder zu verkürzen.

41

dd) Auch die "Third Party Rule" stehe einer Vorlage von Informationen an ein eigenständiges staatliches Kontrollorgan mit eigener Geheimschutzfähigkeit - wie dem Untersuchungsausschuss - nicht entgegen. Die Antragsgegner beriefen sich zu Unrecht auf den Zweckbindungsgrundsatz, da eine Verarbeitung oder Nutzung von Daten für andere Zwecke nicht vorliege, wenn sie der Wahrnehmung von Aufsichts- und Kontrollrechten dienten. Die parlamentarische Kontrolle sei Annex zu dem ursprünglichen Verwendungszweck.

42

b) Ungeachtet dessen unterlägen die Staatswohlbelange, die sich nach der Auffassung der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. aus der vorgeblichen Völkerrechtsverletzung ergeben sollten, der Abwägung mit dem Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages. Die Einschränkung der Aktenvorlage erweise sich als unangemessen. Im Ergebnis überwiege das parlamentarische Informationsinteresse.

43

aa) Die Achtung der Souveränität sowie des Existenz- und Selbsterhaltungsrechts des ausländischen Staates sei ein gewichtiges Rechtsgut. Es sei jedoch zu bezweifeln, dass dieses Rechtsgut ernstlich beeinträchtigt würde, wenn die begehrte Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss erfolgte. Letztlich gehe es bei dem Beweisthema nicht um eine bestimmte Form der Auslandsaufklärung eines Nachrichtendienstes der Vereinigten Staaten von Amerika, mithin nicht um Informationen über die militärische Verteidigung oder den Zivilschutz. Zudem könnten die Antragsgegner die Aktenvorlage nur verweigern, wenn der Untersuchungsausschuss nicht den von ihnen für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleiste. Es sei nicht erkennbar, dass beim Untersuchungsausschuss das Risiko der Indiskretion in einem größeren Umfang bestehe als bei der deutschen Exekutive, die von Verschlusssachen durch die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika bewusst in Kenntnis gesetzt worden sei. Dass es Indiskretionen gegeben habe, könne dem Untersuchungsausschuss nicht zur Last gelegt werden.

44

bb) Von dem Belang der staatlichen Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika zu trennen sei die von den Antragsgegnern geltend gemachte Erwägung, eine Indiskretion könne dazu führen, dass die Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten von Amerika und gegebenenfalls weiterer Staaten ihre Zusammenarbeit mit dem BND einstellen könnten. Diese Erwägung sei bereits unzureichend begründet worden. Dass die amerikanischen Dienste den Informationsaustausch mit den deutschen Diensten einstellten, müsse als höchst unwahrscheinlich gelten. Weiterhin sei zu beachten, dass der nachrichtendienstliche Informationsfluss niemals einseitig sei und im Falle einer Reduzierung der Zusammenarbeit dies auch zu negativen Konsequenzen für die nachrichtendienstliche Arbeit der Vereinigten Staaten von Amerika führen könne.

45

cc) Das Interesse des Deutschen Bundestages an der vollständigen Aktenvorlage überwiege die dargelegten Belange des Staatswohls. Ihm komme dann besonders hohes Gewicht zu, wenn es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung gehe. Dies sei vorliegend in qualifizierter Weise der Fall. Mit der Kenntnis deutscher Stellen von einer Telekommunikationsüberwachung zulasten deutscher Ziele und deutscher Interessen und erst recht mit der Mitwirkung deutscher Stellen hieran seien massenhafte Eingriffe in die Fernmeldefreiheit gemäß Art. 10 Abs. 1 GG verbunden. Aus Art. 10 Abs. 1 GG ergebe sich nicht nur ein Verbot, in den Telekommunikationsverkehr einzugreifen; aus dieser Verfassungsnorm folgten auch staatliche Schutzpflichten. Ohne die Kenntnis der Selektorenlisten könnten die Angaben aus dem Bereich der Antragsgegnerin zu 1. nicht überprüft und hinterfragt werden. Zudem seien bei der Untersuchung politischer Vorgänge Akten ein besonders wichtiges Beweismittel.

46

dd) Dass die Antragsgegnerin zu 1. im Benehmen mit dem Untersuchungsausschuss eine Vertrauensperson beauftragt habe, Einsicht in die nicht vorgelegten Verschlusssachen zu nehmen und Bericht zu erstatten, mindere das parlamentarische Informationsinteresse nicht. Die Erkenntnismöglichkeit des Untersuchungsausschusses werde damit gegenüber dem Ersuchen aus den Beweisbeschlüssen deutlich eingeschränkt. Die rechtliche und politische Bewertung der nicht vorgelegten Aktenbestandteile obliege nunmehr allein der sachverständigen Vertrauensperson. Diese sei zudem von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzt worden, was ihre Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit und Unparteilichkeit gefährde.

47

3. Die Antragstellerinnen verweisen zur Begründung ihrer Ansicht, das Geheimschutzabkommen könne das parlamentarische Recht auf Aktenvorlage nicht einschränken, auf ein der Antragsschrift als Anlage beigefügtes Gutachten "Zur Vereinbarkeit des Abschlusses von Geheimschutzabkommen ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages mit dem Grundgesetz und zur Auslegung derartiger Abkommen am Beispiel des Abkommens mit dem Vereinigten Königreich", erstattet im Auftrag der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von Prof. Dr. W. und Ass. iur. L. vom 28. Juli 2015.

III.

48

Nach Auffassung der Antragsgegner ist der Antrag unbegründet. Das parlamentarische Informations- und Kontrollrecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG sei entsprechend der Vorgaben der Verfassung beachtet und Rechte der Antragstellerinnen seien nicht verletzt worden.

49

1. Würden die streitgegenständlichen, dem Untersuchungsausschuss nicht vorgelegten Informationen öffentlich bekannt, so würde dies die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährden. Es sei zu befürchten, dass alle unmittelbar betroffenen US-amerikanischen Nachrichtendienste ihre Informationsübermittlung an alle deutschen Nachrichtendienste einschränken würden. Darüber hinaus sei zu befürchten, dass auch Dienste anderer Staaten sich gezwungen sähen, ihrerseits das Weitergabeverhalten an die deutschen Dienste einzuschränken oder gar einzustellen. Deutsche Nachrichtendienste würden international als nicht mehr vertrauenswürdig angesehen.

50

a) Damit der Staat seine Schutzpflichten erfüllen könne, sei er unter anderem auf nachrichtendienstliche Informationen angewiesen. Die streitgegenständlichen Selektoren seien für die technische Fernmeldeaufklärung des BND vorgesehen. Bei der Fernmeldeaufklärung (Signal Intelligence - SIGINT) handele es sich um eine besonders wertvolle Form der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung, da sie kurzfristig auf relevante Ziele ausgerichtet werden könne, die Betroffenen diese nicht bemerkten und die Informationen in der Regel authentisch seien sowie keine Anwesenheit vor Ort mit persönlichem Risiko für die Quelle bestehe.

51

Grundvoraussetzung der SIGINT-Maßnahmen sei jedoch der Einsatz geeigneter Selektoren. Die Suche nach geeigneten Selektoren, insbesondere im Bereich des Terrorismus und im Bereich der sicherheitspolitischen Aufklärung krisenhafter außenpolitischer Entwicklungen, gestalte sich schwierig. Selektorenlisten beschrieben umfassend das Aufklärungsprofil eines Nachrichtendienstes. Selektoren seien daher als die sensibelsten Informationen aus dem Bereich der nachrichtendienstlichen technischen Aufklärung anzusehen.

52

Zudem handele es sich bei den streitgegenständlichen Selektoren nicht um Selektoren des BND. Dieser habe lediglich bestimmte Selektoren, die die NSA zur Verfügung gestellt habe, ausgesondert. Die besondere Sensibilität für den Kooperationspartner entfalle damit jedoch nicht.

53

b) Um am internationalen nachrichtendienstlichen Informationsaustausch teilnehmen zu können, seien deutsche Nachrichtendienste an die "Third Party Rule" gebunden. Diese sei eine "fundamentale Grundregel" nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit. Hiernach dürften Informationen nur mit dem Einverständnis des Urhebers an Dritte weitergegeben oder zu einem anderen Zweck verwendet werden. Der Begriff des "Dritten" sei besonders weit auszulegen und umfasse in der Regel alle Bereiche außerhalb des Nachrichtendienstes. Akzeptiert werde allenfalls die Weitergabe an die vorgesetzte Behörde im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht. In Einzelfällen wiesen die Dienste sogar darauf hin, dass nicht einmal andere Nachrichtendienste des eigenen Landes ohne Zustimmung des Herausgebers als berechtigte Empfänger angesehen werden dürften. Die Informationen unterlägen schließlich einer Zweckbindung. Im nachrichtendienstlichen Kontext erfolge die Übermittlung üblicherweise nur als Hintergrundinformation, das heißt, dass die Informationen des ausländischen Dienstes mit den eigenen Informationen abgeglichen werden, sie bestätigen oder ihnen entgegenstehen könnten. Soweit sie noch nicht bekannt seien, könnten Informationen Anlass für eigene Aufklärungen sein. Eine Nutzung für andere als nachrichtendienstliche Zwecke, insbesondere für die Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung, sei hingegen nicht erlaubt und zustimmungsbedürftig.

54

Die "Third Party Rule" diene vor allem der Sicherung des Quellenschutzes. Für den empfangenden Nachrichtendienst sei nicht erkennbar, auf welche Weise - durch menschliche Quellen oder technisches Aufkommen - die Information gewonnen worden sei und welche Risiken bei der Nutzung auftreten könnten. Dies könne nur der Herausgeber beurteilen.

55

Die "Third Party Rule" sei Grundlage der internationalen Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten. Sie beanspruche als Staatspraxis internationale Geltung und spiegele sich auch in den Regelungen internationaler Konventionen wider. Ihr Rechtsgedanke finde sich auch im deutschen Recht in § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz - PKGrG vom 29. Juli 2009 [BGBl I S. 2346]) und sei vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29. April 2015 - 20 F 8.14 - sowie in der Literatur anerkannt.

56

Die "Third Party Rule" sei schließlich völkervertragsrechtlich in dem Geheimschutzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika fixiert.

57

Soweit es um die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands gehe, sei zwar nicht von einem absoluten Verbot der Weitergabe von Informationen an parlamentarische Kontrollgremien auszugehen. Bei völkerrechtskonformer Auslegung des Abkommens und angesichts der "Third Party Rule" bestehe aber eine Konsultationspflicht der Bundesregierung.

58

c) Der im Geheimschutzabkommen enthaltene Zustimmungsvorbehalt löse nicht das Erfordernis eines Vertragsgesetzes gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG aus. Weder betreffe das Konsultationsverfahren einen Gegenstand der Bundesgesetzgebung, noch liege ersichtlich eine Regelung der politischen Beziehungen des Bundes vor. Das Geheimschutzabkommen sei ein Verwaltungsabkommen. Der Umstand, dass es sich bei ihm um eine Verschlusssache handele, schließe eine innerstaatliche Rechtswirkung nicht aus. Aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG resultiere eine Publikationspflicht nur für Vorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten. Aus dem Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika ergäben sich jedoch keine unmittelbaren Bindungswirkungen im Staat-Bürger-Verhältnis.

59

2. Die Antragsgegnerin zu 1. müsse von Verfassungs wegen eine praktische Konkordanz zwischen der besonderen Bedeutung des parlamentarischen Untersuchungsrechts und der Pflicht zur Vermeidung schwerer Staatswohlgefährdungen durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen herstellen. Beide durch die Verfassung geschützten Rechtsgüter seien so zuzuordnen, dass sie weitestmögliche Wirkung entfalten könnten.

60

Die Antragsgegnerin zu 1. habe das Konsultationsverfahren eingeleitet und den Untersuchungsausschuss fortlaufend informiert. Aufgrund der Reaktionen der Vereinigten Staaten von Amerika habe die Antragsgegnerin zu 1. die Gefahr einer rechtswidrigen Weitergabe an und Veröffentlichung von Selektoren durch die Presse einbeziehen müssen. Bei der Einschätzung der Gefahr sei zu berücksichtigen, dass bereits eine große Anzahl von Unterlagen nach einer Übersendung an den Untersuchungsausschuss veröffentlicht worden sei. Diese Veröffentlichungen seien unabhängig von der Art und Weise erfolgt, in der die Informationen zugänglich gemacht worden seien (mündliche Offenlegung gegenüber einem begrenzten Personenkreis, Einsichtnahme ohne Übersendung), und welchem Geheimhaltungsgrad sie unterfielen. Zwar solle nicht in Abrede gestellt werden, dass im Einzelfall eine rechtswidrige Weitergabe auch aus der Sphäre der Antragsgegnerin zu 1. erfolgt sein könne. Maßgeblich sei aber allein, dass das faktische Risiko einer rechtswidrigen Weitergabe und einer anschließenden Veröffentlichung durch die Medien nach Übermittlung an den Untersuchungsausschuss ungleich höher sei, als es dies bei einem Verbleib bei den zuständigen Stellen der Antragsgegnerin zu 1. wäre.

61

Die Einschätzung der Gefährdungslage stelle eine Prognoseentscheidung dar, bei der unter Anwendung des Gebots der bestmöglichen Sachaufklärung die Stellungnahme der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und die diesen zu entnehmenden Folgen sowie deren zu erwartende Auswirkungen auf die deutsche Sicherheitslage zu beachten seien. Es seien nicht bloße Unannehmlichkeiten zu erwarten, sondern massive Beeinträchtigungen.

62

Aus diesem Grund habe die Antragsgegnerin zu 1. zur Befriedigung des Informationsinteresses bei gleichzeitiger Wahrung der berechtigten Geheimhaltungsinteressen die Einsetzung einer sachverständigen Vertrauensperson vorgeschlagen. Die unabhängige sachverständige Vertrauensperson sei die Form der Informationsvermittlung, welche das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung der berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Regierung bestmöglich befriedige. Um die in der Staatspraxis anerkannte "Third Party Rule" sowie das Geheimschutzabkommen nicht zu verletzen, sollte der Ausschuss zwar über Person und Auftrag befinden, die Regierung aber die Vertrauensperson einsetzen. Denn bei einer von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzten Vertrauensperson erfolge keine Übermittlung an das Parlament und damit keine Verletzung der "Third Party Rule" sowie des Geheimschutzabkommens.

63

3. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten ihrer Begründungspflicht Genüge getan. Sie hätten den Untersuchungsausschuss, nötigenfalls in vertraulicher Sitzung, detailliert und umfassend über die Natur der zurückgehaltenen Informationen und die Notwendigkeit zur Geheimhaltung unterrichtet. Sie hätten ihm die Möglichkeit gegeben, eine unabhängige sachverständige Vertrauensperson zu benennen, um die vom Untersuchungsausschuss gewünschten Untersuchungen durchzuführen.

IV.

64

Der Senat hat gemäß § 66a Satz 1 BVerfGG aus Geheimschutzgründen (vgl. BTDrucks 14/9220 S. 5) von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

65

Soweit es sich bei den von den Beteiligten vorgelegten Akten um Verschlusssachen handelt, wird deren Inhalt nicht wiedergegeben.

B.

66

Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ist zulässig; der Antrag der Antragstellerin zu 3. ist unzulässig.

I.

67

Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht ist für die hier umstrittenen Fragen der Beweiserhebung durch den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5 BVerfGG eröffnet.

II.

68

Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG muss der Antragsgegenstand eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners sein, durch die der Antragsteller oder das Organ, dem er angehört, in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

69

Dem Wortlaut ihres Antrages zufolge begehren die Antragstellerinnen die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. die dem Deutschen Bundestag nach Art. 44 GG zustehenden verfassungsmäßigen Rechte verletzt haben, indem sie es abgelehnt hätten, dem Untersuchungsausschuss sämtliche Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherten Daten und sonstige sächliche Beweismittel vorzulegen, die Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim BND darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die NSA der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagiert haben. Auf welche dem Untersuchungsausschuss vorenthaltenen Beweismittel sich der Antrag bezieht, ist angesichts der Formulierung "sämtliche" konkretisierungsbedürftig.

70

Das Bundesverfassungsgericht ist dabei an die Wortfassung der gestellten Anträge nicht gebunden (vgl. BVerfGE 1, 14 <39>; 68, 1 <68>; 106, 51 <59 f.>). Entscheidend ist vielmehr der eigentliche Sinn des mit dem Antrag verfolgten prozessualen Begehrens. Damit ist auch die Begründung des Antrages zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 68, 1 <68>).

71

Aus der Antragsbegründung und dem Zusammenhang, in dem die Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses gestellt worden waren, ergibt sich, dass die Antragstellerinnen die Verletzung von Rechten des Bundestages in der Nichtvorlage der NSA-Selektorenlisten sehen. Sie führen in ihrer Antragsbegründung aus, die Antragsgegnerin zu 1. habe die Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26 nur teilweise erfüllt, so dass sie durch den weiteren Beschluss des Untersuchungsausschusses vom 11. Juni 2015 aufgefordert worden sei, die aus den beigezogenen Beweismitteln zum Beweisbeschluss BND-26 entnommenen Unterlagen, das heißt die Listen mit Steuerungs- und Telekommunikationsmerkmalen, vorzulegen. Daraus folgt, dass die Antragsgegnerin zu 1. zur Vorlage der NSA-Selektorenlisten aufgefordert worden ist, was sie mit Schreiben vom 17. Juni 2015 abgelehnt hat. Nach dem - unwidersprochen gebliebenen - schriftsätzlichen Vorbringen der Antragsgegner ist der Beweisbeschluss BND-26 bis auf die Vorlage der NSA-Selektorenlisten umfassend erfüllt worden.

III.

72

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind jeweils für sich als Fraktionen (a) und in der Gesamtheit ihrer Mitglieder parteifähig (b).

73

a) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig, da sie als Fraktionen des Deutschen Bundestages sowohl von der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages als auch von der Verfassung anerkannte Teile des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag sind (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 58, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen; stRspr).

74

b) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind zugleich in der Gesamtheit ihrer Mitglieder gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT parteifähig.

75

Art. 44 Abs.1 Satz 1 GG gibt dem Bundestag das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Damit erhält das Parlament die Möglichkeit, sich ohne Einflussnahme von Regierung und Verwaltung über Angelegenheiten zu informieren, deren Kenntnis es zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Das Schwergewicht der Untersuchungen liegt regelmäßig in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung. War das Untersuchungsrecht im System der konstitutionellen Monarchie noch in erster Linie ein Instrument des gewählten Parlaments gegen die monarchische Exekutive, so hat es sich unter den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems maßgeblich zu einem Recht der Opposition auf eine Sachverhaltsaufklärung unabhängig von der Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit entwickelt (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>; 105, 197 <222>; zum sogenannten neuen oder innerparlamentarischen Dualismus vgl. auch BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 87, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Dementsprechend ist das parlamentarische Untersuchungsrecht durch das Grundgesetz bewusst als Minderheitenrecht ausgestaltet (vgl. BVerfGE 49, 70 <86 f.>; 67, 100 <126>).

76

Vor diesem Hintergrund ist eine Einsetzungsminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, die sich in dem Rechtsakt der Stellung eines Antrags gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG als ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages konstituiert hat (sogenannte konkrete Einsetzungsminderheit; vgl. BVerfGE 67, 100 <124>; 105, 197 <220>; 124, 78 <106 f.>), vom Grundgesetz als Träger kompetenzieller Rechte ausgewiesen (vgl. BVerfGE 124, 78 <107>) und daher parteifähig.

77

Mit eigenen Rechten ausgestattetes Organteil im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ist aber auch die sogenannte potentielle Einsetzungsminderheit (vgl. BVerfGE 105, 197 <220, 224 f.>; auch BVerfGE 113, 113 <121>). Die einsetzungsberechtigte Minderheit muss sich nicht mit einem eigenen Untersuchungsantrag konstituieren. Wäre dies von Verfassungs wegen gefordert, so müsste die einsetzungsberechtigte Minderheit praktisch jeder Mehrheitsenquete eine eigene Minderheitsenquete entgegensetzen, entweder parallel zur Einsetzung der Mehrheitsenquete oder später im Fall eines Konflikts über Beweiserhebungen. Die potentielle Einsetzungsminderheit behält deshalb selbst dann ihre Verfahrensrechte aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn sie zunächst ausdrücklich gegen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gestimmt hat. Folglich genügt es, wenn sich die einsetzungsberechtigte Minderheit mit einem eigenen Untersuchungsantrag konstituieren könnte (vgl. BVerfGE 105, 197 <224 f.>).

78

Voraussetzung der Parteifähigkeit ist hiernach das Erreichen des in Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG genannten Quorums.

79

Die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehörenden Mitglieder erreichen freilich weder für sich noch zusammen ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Antragstellerin zu 1. hat 64 Sitze und die Antragstellerin zu 2. verfügt über 63 Sitze im Deutschen Bundestag, so dass die Antragstellerinnen zusammen lediglich 127, das heißt gut 20% der - im Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses vorhandenen - 631 Sitze des Deutschen Bundestages erreichen.

80

Die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehörenden Mitglieder werden jedoch durch das Geschäftsordnungsrecht mit eigenen Rechten im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ausgestattet. Nach § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT ist für die Dauer der 18. Wahlperiode auf Antrag von 120 der Mitglieder des Bundestages ein Untersuchungsausschuss gemäß Art. 44 GG einzusetzen. Im Hinblick auf die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen weicht die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages damit vom Viertelquorum des Art. 44 Abs. 1 GG ab und erfordert geschäftsordnungsrechtlich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bereits auf Verlangen von 120 Abgeordneten.

81

2. Die Antragstellerin zu 3. ist gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT parteifähig.

82

Der Regelungsgehalt von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG erschöpft sich nicht in der Pflicht des Bundestages, auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die bei der Einsetzung des Ausschusses von Verfassungs wegen vorhandene Spannung zwischen Mehrheit und qualifizierter Minderheit setzt sich daher im Untersuchungsverfahren fort (vgl. BVerfGE 105, 197 <223>). Art. 44 GG wirkt insoweit in den Untersuchungsausschuss hinein. Die in den Untersuchungsausschuss entsandten Abgeordneten einer Fraktion oder mehrerer Fraktionen, die allein oder zusammen mindestens ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages umfassen, repräsentieren den einsetzungsberechtigten Teil des Deutschen Bundestages im Ausschuss jedenfalls so lange, wie kein Dissens zwischen der jeweiligen Fraktion und ihren Vertretern im Ausschuss erkennbar ist (sogenannte Fraktion im Ausschuss; vgl. BVerfGE 105, 197 <220 f.>; 113, 113 <121>).

83

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. in der Gesamtheit ihrer Mitglieder werden im Untersuchungsausschuss durch die Antragstellerin zu 3. repräsentiert, so dass diese ebenfalls ihre Parteifähigkeit aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT ableiten kann.

IV.

84

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind antragsbefugt; die Antragstellerin zu 3. ist nicht antragsbefugt.

85

1. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

86

Der Organstreit zielt auf die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten von Verfassungsorganen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG). Die als verletzt geltend gemachte Rechtsposition muss in einem Verfassungsrechtsverhältnis gründen (vgl. BVerfGE 118, 277 <318>; 131, 152 <191>). Ein Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor, wenn auf beiden Seiten des Streits Verfassungsorgane oder Teile von Verfassungsorganen stehen und um verfassungsrechtliche Positionen streiten (vgl. BVerfGE 118, 277 <318>). Rechte, die sich lediglich auf Vorschriften einfachen Gesetzesrechts oder der Geschäftsordnung stützen, reichen für die Begründung der Antragsbefugnis nicht aus (vgl. BVerfGE 118, 277 <319>; 131, 152 <191>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 79, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

87

Die Antragstellerinnen beanstanden die Weigerung der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2., an sie gerichtete Beweisbeschlüsse zu erfüllen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des aus Art. 44 Abs. 1 GG abzuleitenden Beweiserhebungsrechts des Deutschen Bundestages und der Verpflichtung der Bundesregierung zur Aktenvorlage. Träger des Untersuchungsrechts und damit Herr des Untersuchungsverfahrens ist der Deutsche Bundestag als Ganzer (vgl. BVerfGE 124, 78 <114>). Da das Plenum selbst die mit dem Untersuchungsrecht verbundenen Befugnisse nicht wahrnehmen kann, bedient es sich nach der Bestimmung des Art. 44 Abs. 1 GG des Untersuchungsausschusses (vgl. BVerfGE 67, 100 <125>; 105, 197 <220>; 113, 113 <121 f.>). Aufgabe der Untersuchungsausschüsse ist es, das Parlament bei seiner Arbeit zu unterstützen und seine Entscheidungen vorzubereiten (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>). Das Untersuchungsrecht aus Art. 44 Abs. 1 GG bleibt auch nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses Sache des Parlaments in seiner Gesamtheit (vgl. BVerfGE 105, 197 <220>; 113, 113 <121>).

88

Innerhalb des durch die Verfassung und das Untersuchungsausschussgesetz sowie die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gesteckten Rahmens und innerhalb des durch den Einsetzungsbeschluss des Plenums vorgegebenen Untersuchungsauftrags ist ein Untersuchungsausschuss in der Gestaltung seines Verfahrens frei. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ermächtigt den Untersuchungsausschuss, die in Verfolgung des Untersuchungszweckes erforderlichen Beweise selbst zu erheben (vgl. BVerfGE 67, 100 <128>). Der Untersuchungsausschuss ist damit "Herr im Verfahren", obwohl er die Informations- und Untersuchungsrechte des Deutschen Bundestages nur als dessen Hilfsorgan ausübt (vgl. BVerfGE 67, 100 <124>; 105, 197 <220>; 113, 113 <120>; 124, 78 <114>).

89

2. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind nicht antragsbefugt, soweit sie die Verletzung eigener Rechte geltend machen (a). Sie sind jedoch befugt, als einzelne Fraktionen die Rechte des Deutschen Bundestages in Prozessstandschaft geltend zu machen (b).

90

a) Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ist nur eine Viertelminderheit als organisatorisch verfestigte selbstständige Teilgliederung des Deutschen Bundestages mit eigenen verfassungsrechtlichen Rechten ausgestattet. Aufgrund des expliziten Wortlauts der Grundgesetzbestimmung ist der Weg für eine Auslegung (zum Gebot der Auslegung zugunsten der Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 90, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen) im Sinne einer teleologischen Reduktion des angeordneten Quorums verstellt; für Analogieschlüsse fehlt es bereits an der notwendigen Lücke. Der Verfassungsgeber hat den Belang des Minderheitenschutzes auf der einen Seite und der Gefahr des Missbrauchs von Minderheitenrechten, die ihm noch aus Zeiten der Weimarer Republik vor Augen stand, auf der anderen Seite erkannt und gegeneinander abgewogen. Er hat auch die Konsequenzen seiner Quorenbestimmungen gesehen und billigend in Kauf genommen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 116, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

91

Hieran vermag die Einfügung des § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT nichts zu ändern. Eine geschäftsordnungsmäßig verbriefte Rechtsposition ist nicht zwangsläufig von einem (behaupteten) Verfassungsorganstatus, das heißt vom Verfassungsrecht, umfasst (vgl. BVerfGE 27, 44 <51>; 130, 367 <370>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 79, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Als bloßes Geschäftsordnungsrecht kann § 126a GO-BT das verfassungsrechtliche innerparlamentarische Spannungsfeld zwischen parlamentarischer Mehrheit und Minderheit nicht letztverbindlich auflösen, insbesondere keine über Art. 44 GG hinausgehenden, verfassungsrechtlich einklagbaren Minderheitenrechte schaffen. § 126a GO-BT ist jederzeit änderbar und begründet daher - auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 126a Abs. 2 GO-BT - keine gesicherte Rechtsposition (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 78, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

92

b) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. können sich aber als Fraktionen grundsätzlich auf Rechte des Deutschen Bundestages berufen, die sie als dessen Organteil im Wege der Prozessstandschaft geltend machen können (vgl. BVerfGE 67, 100 <125>; 105, 197 <220>; 124, 78 <106>; 139, 194 <220 Rn. 96>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 66, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

93

3. Die Antragstellerin zu 3. ist nicht antragsbefugt.

94

a) Da die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. in der Gesamtheit ihrer Mitglieder schon nicht antragsbefugt sind, kann die Antragstellerin zu 3. auch nicht aufgrund ihrer Stellung als Vertreterin einer Minderheit von nur 120 Mitgliedern des Deutschen Bundestages gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT antragsbefugt sein.

95

b) Die Antragstellerin zu 3. ist auch nicht befugt, als Viertelminderheit im Untersuchungsausschuss im Wege der Prozessstandschaft gemäß § 18 Abs. 3 PUAG Rechte des Bundestages geltend zu machen.

96

§ 18 Abs. 3 PUAG billigt nicht jeder Minderheit im Untersuchungsausschuss die Antragsbefugnis zu. Ein solches Verständnis würde eine Loslösung von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, der konzeptionell in das Regelungsregime der Untersuchungsausschüsse hineinwirkt, bedeuten. Antragsbefugt ist vielmehr nur die von der konkreten oder potentiellen Einsetzungsminderheit im Deutschen Bundestag im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG getragene Ausschussminderheit; nur diese kann als Prozessstandschafterin auftreten.

97

Zwar gebietet der Grundsatz effektiver Opposition (hierzu BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 85 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen), die im Grundgesetz vorgesehenen Minderheitenrechte auf Wirksamkeit hin auszulegen. Allerdings bildet der Wortlaut des Grundgesetzes - namentlich die dort angeordneten Quoren - die Grenze jeder Auslegung (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 109, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Insoweit stellen die in den Verfassungstext aufgenommenen Quoren die vom Verfassungsgeber und vom verfassungsändernden Gesetzgeber gewollte Konkretisierung des Grundsatzes effektiver Opposition dar (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 114, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

98

Eine Ableitung der Rechte der Minderheit aus Art. 44 GG und ein Hineinwirken des Art. 44 GG in das Regelungsregime der Untersuchungsausschüsse ist für die Begründung der Antragsbefugnis im Organstreitverfahren konstitutiv. Das Untersuchungsausschussgesetz kann als im Kern verfassungsinterpretatorisches und damit deklaratorisches Gesetz (vgl. Seidel, BayVBl. 2002, S. 97 <98>) keine über Art. 44 GG hinausgehenden verfassungsprozessual durchsetzbaren Minderheitenrechte schaffen. § 18 Abs. 3 PUAG regelt ein einfachrechtliches Antragsrecht, das sich aus einem einfachrechtlichen Rechtsverhältnis ergibt und nicht die für den Verfassungsorganstreit erforderliche Verfassungsqualität aufweist. Im Übrigen wollte der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 18 Abs. 3 PUAG keine Abkopplung der Abgeordneten im Ausschuss von der Viertelminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG erzielen. Ausweislich der Gesetzesbegründung sieht die Neuregelung in § 18 Abs. 3 Halbsatz 1 PUAG betreffend Streitigkeiten über die (Nicht-)Vorlage beziehungsweise (Nicht-)Freigabe von Beweismitteln keine neue Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts vor. Eine Modifizierung enthalte § 18 Abs. 3 Halbsatz 1 PUAG nur insofern, als die geänderte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Antragsbefugnis der Fraktion im Ausschuss gesetzlich umgesetzt werde (vgl. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, BTDrucks 14/9220, S. 4). Der Senat hatte noch in seiner Entscheidung zum Flick-Untersuchungsausschuss eine Prozessstandschaft der Fraktion im Ausschuss verneint (vgl. BVerfGE 67, 100 <126>) und ist hiervon in seiner Entscheidung zum Parteispenden-Untersuchungsausschuss abgerückt (vgl. BVerfGE 105, 197 <220 f.>).

V.

99

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. wenden sich gegen die richtigen Antragsgegner, da die Bundesregierung und der Chef des Bundeskanzleramtes die Vorlage der NSA-Selektorenlisten abgelehnt haben und damit für die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung die Verantwortung tragen (vgl. BVerfGE 140, 115 <140 Rn. 61> m.w.N.).

100

Die Bundesregierung trägt die rechtliche Verantwortung für die Verweigerung der vollständigen Aktenvorlage, da sie im Rahmen ihrer Koordinierungsbefugnis (vgl. Art. 65 Satz 3 GG) entschieden hat, das Aktenvorlagebegehren des Untersuchungsausschusses nicht zu erfüllen. Neben der Bundesregierung trägt der Chef des Bundeskanzleramtes (§ 7 Geschäftsordnung der Bundesregierung), der zugleich Bundesminister für besondere Aufgaben ist, die Verantwortung für die sächlichen Beweismittel des dem Bundeskanzleramt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz - BNDG vom 20. Dezember 1990 [BGBl I S. 2954, 2979], zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 [BGBl I S. 1818]) nachgeordneten Bundesnachrichtendienstes. Er hat im Rahmen seiner Ressortkompetenz nach Art. 65 Satz 2 GG über den Umfang der Aktenherausgabe und damit konkret darüber entschieden, inwieweit dem Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses entsprochen werden soll.

VI.

101

Nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. durch eine unterbliebene oder unvollständige Aktenvorlage an den Ausschuss das parlamentarische Untersuchungsrecht des Deutschen Bundestages gemäß Art. 44 GG in der im Antrag spezifizierten Weise verletzt haben.

102

Selbst wenn die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. das Ersuchen des Untersuchungsausschusses nicht endgültig, sondern lediglich vorläufig abgelehnt haben sollten, erscheint eine Verletzung im Hinblick auf die Verzögerungswirkung möglich (zum Erlass einer einstweiligen Anordnung vgl. BVerfGE 105, 197 <234>; 106, 51 <61 f.>; 113, 113 <125 f.>; zur Verzögerung durch Erweiterung des Untersuchungsauftrags vgl. Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil vom 1. Dezember 2006 - HVerfG 01/06 -, juris, Rn. 132 ff.; vgl. auch Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2002 - 11/02 -, juris, Rn. 88). Schon eine bloße Verzögerung kann die Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle entscheidend in Frage stellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ausschuss mit dem Ende der jeweiligen Wahlperiode zu bestehen aufhört (vgl. BVerfGE 49, 70 <86>).

VII.

103

Mit dem am 16. September 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG, denn sie rügen die Entscheidung der Antragsgegner vom 17. Juni 2015.

VIII.

104

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. haben ein Rechtsschutzinteresse. Zur Durchsetzung der von ihnen geltend gemachten Rechte steht kein anderer Weg als der des Organstreitverfahrens zur Verfügung. Die Einleitung dieses Verfahrens kann daher auch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Der von den Antragstellerinnen angegriffene Akt der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. - die Verweigerung der Aktenvorlage - entfaltet nach wie vor rechtserhebliche Wirkungen, die geeignet sind, das Untersuchungsergebnis zu beeinträchtigen. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. haben im Vorfeld des Organstreitverfahrens und auch schriftsätzlich die Verfassungsmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage behauptet. Die Verweigerung der Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss ist dem Einflussbereich der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. entzogen, so dass keine Alternative zu einer Entscheidung im Wege des Organstreitverfahrens besteht (vgl. BVerfGE 124, 78 <113>).

C.

105

Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ist unbegründet.

I.

106

1. Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG hat der Deutsche Bundestag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss mit der Befugnis zur Erhebung der erforderlichen Beweise einzusetzen.

107

a) Das in Art. 44 GG gewährleistete Untersuchungsrecht gehört zu den ältesten und wichtigsten Rechten des Parlaments (vgl. BVerfGE 124, 78 <114>). Über das Zitierrecht nach Art. 43 Abs. 1 GG und das Frage- und Informationsrecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG hinaus verschafft es die Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung, die das Parlament zur Vorbereitung seiner Entscheidungen und vor allem zur Wahrung seiner Kontrollfunktion gegenüber der ihm verantwortlichen Regierung benötigt (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>; 124, 78 <114>). Der Untersuchungsausschuss ist als Aufklärungsinstrument im Rahmen der politischen Kontroverse (vgl. BVerfGE 105, 197 <225 f.>) dabei ein spezifisches Instrument parlamentarischer Kontrolle.

108

Die Auslegung des Art. 44 GG und der das Untersuchungsausschussrecht konkretisierenden Vorschriften des Untersuchungsausschussgesetzes hat, insbesondere bei der Frage, welche Befugnisse einem Untersuchungsausschuss zustehen, zu berücksichtigen, dass diese Bestimmungen die Voraussetzungen für eine wirksame parlamentarische Kontrolle schaffen sollen (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 77, 1 <48>; 124, 78 <114>).

109

b) Der Untersuchungsausschuss ist gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG befugt, im Rahmen seines Untersuchungsauftrags diejenigen Beweise zu erheben, die er für erforderlich hält (vgl. BVerfGE 67, 100 <127 f.>; 124, 78 <114>). Nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG finden auf Beweiserhebungen die Vorschriften über den Strafprozess sinngemäß Anwendung. Diese Verweisung erstreckt sich auf alle Bestimmungen, die die strafprozessuale Sachverhaltsaufklärung regeln; sie erfasst sowohl befugnisbegründende als auch befugnisbegrenzende Regelungen (vgl. BVerfGE 67, 100 <133>; 77, 1 <48 f.>; 124, 78 <115>). Die Bestimmungen der Strafprozessordnung geben einem Untersuchungsausschuss Zwangsmittel zur Beschaffung von Beweismitteln an die Hand, stellen den Informationsverschaffungsanspruch aber auch unter rechtsstaatliche Vorgaben. In sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess stehen dem Untersuchungsausschuss Zeugen (§§ 48 ff. StPO), Urkunden und andere Schriftstücke (§§ 249 ff. StPO) sowie Sachverständige und Augenschein (§§ 72 ff. StPO) als Beweismittel zur Verfügung. Zur Beweiserhebung im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG zählt nicht nur die Beweisaufnahme im engeren Sinne (§ 244 Abs. 1 StPO), sondern der gesamte Vorgang der Beweisverschaffung, Beweissicherung und Beweisauswertung (vgl. BVerfGE 67, 100 <133>; 77, 1 <49>; 124, 78 <115>).

110

Das Recht auf Aktenvorlage gehört zum Kern des Untersuchungsrechts. Der Anspruch auf Vorlage von Akten im Verantwortungsbereich der Regierung folgt nicht lediglich aus dem Recht auf Amtshilfe gemäß Art. 44 Abs. 3 GG; er ist Bestandteil des Kontrollrechts aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und des Rechts der Beweiserhebung nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 67, 100 <128 f., 132>; 124, 78 <116>). Akten sind bei der Untersuchung politischer Vorgänge ein besonders wichtiges Beweismittel. Sie haben gegenüber Zeugenaussagen in der Regel einen höheren Beweiswert, weil das Gedächtnis von Zeugen aus mancherlei Gründen unergiebig werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <132>; 124, 78 <117>). Der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben oder sein Verlangen auf bestimmte Aktenteile beschränken. Vielmehr soll er sich anhand der vollständigen Akten selbst ein Bild vom Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit machen können (vgl. BVerfGE 124, 78 <117>). Der Vorlageanspruch bezieht sich grundsätzlich auf alle Akten, die mit dem Untersuchungsgegenstand in Zusammenhang stehen. Bei einem Ersuchen auf Aktenvorlage muss nicht bereits feststehen, dass die Unterlagen auch tatsächlich entscheidungserhebliches Material oder entsprechende Beweismittel enthalten. Es reicht aus, wenn sie Hinweise hierauf geben könnten (vgl. BVerfGE 124, 78 <117>).

111

2. Das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses unterliegt Grenzen, die, auch soweit sie einfachgesetzlich geregelt sind, ihren Grund im Verfassungsrecht haben müssen (vgl. BVerfGE 124, 78 <118>).

112

a) Völkerrechtliche Verpflichtungen können demgemäß keine unmittelbare Schranke des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts begründen, da sie als solche keinen Verfassungsrang besitzen. Das zeigt insbesondere der Blick auf die insoweit maßgeblichen verfassungsrechtlichen Regelungen in Art. 25 GG und Art. 59 Abs. 2 GG.

113

Art. 25 Satz 1 GG bestimmt, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind. Er verschafft diesen unmittelbar, das heißt, ohne dass ein sonstiger (einfachrechtlicher) Rechtsakt hinzukommen müsste, Wirksamkeit innerhalb der deutschen Rechtsordnung. Nach Art. 25 Satz 2 GG gehen sie den Gesetzen vor. Ein Gesetz, das mit einer allgemeinen Regel des Völkerrechts kollidiert, verstößt daher gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG. Gleichzeitig ist Art. 25 GG jedoch dahingehend zu verstehen, dass er - dem Wortlaut von Satz 2 entsprechend - den allgemeinen Regeln des Völkerrechts einen Rang oberhalb der (einfachen) Gesetze, aber unterhalb der Verfassung einräumt (Zwischenrang) (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 39 ff. m.w.N., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

114

Nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erlangen völkerrechtliche Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, erst durch das dort vorgesehene Zustimmungsgesetz innerstaatliche Wirksamkeit. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt nicht nur die Methodik, durch die völkervertragliche Regelungen in der nationalen Rechtsordnung wirksam werden, sondern auch den Rang, der dem für anwendbar erklärten Völkervertragsrecht innerhalb der nationalen Rechtsordnung zukommt. Aus Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, dass völkerrechtlichen Verträgen, soweit sie nicht in den Anwendungsbereich einer anderen, spezielleren Öffnungsklausel - insbesondere Art. 23 bis Art. 25 GG - fallen, innerstaatlich der Rang eines einfachen (Bundes-)Gesetzes zukommt und sie insofern keinen Übergesetzes- oder gar Verfassungsrang besitzen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 43 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

115

Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit kann die differenzierten Regelungen des Grundgesetzes über den Rang der unterschiedlichen Quellen des Völkerrechts nicht verdrängen und ihre Systematik nicht unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 65 ff., 73 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

116

b) Begrenzt wird das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse zunächst durch den im Einsetzungsbeschluss zu bestimmenden Untersuchungsauftrag. Dieser selbst muss sich im Rahmen der parlamentarischen Kontrollkompetenz halten und hinreichend deutlich bestimmt sein (vgl. BVerfGE 124, 78 <118 f.>).

117

c) Gründe, einem Untersuchungsausschuss Informationen vorzuenthalten, können sich zudem aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergeben (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; zur Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>).

118

Der Grundsatz der Gewaltenteilung zielt auf Machtverteilung und die sich daraus ergebende Mäßigung staatlicher Herrschaft. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient er zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 3 GG) (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>). In der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist die Teilung der Gewalten nicht als absolute Trennung realisiert und geboten. Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>; 137, 185 <233 Rn. 135>).

119

aa) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

120

Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen. Diese Möglichkeit besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (vgl. BVerfGE 110, 199 <214 f.>; 124, 78 <120 f.>; 131, 152 <206, 210>; 137, 185 <234 Rn. 136>).Die Kontrollkompetenz des Parlaments erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

121

Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung. Auch dem nachträglichen parlamentarischen Zugriff auf Informationen aus der Phase der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen setzt der Grundsatz der Gewaltenteilung Grenzen. Auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung nicht verpflichtet ist, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen. Ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Informationsanspruch würde vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die die grundgesetzliche Gewaltenteilung ihr zuweist (vgl. BVerfGE 110, 199 <215 f.>; 124, 78 <121>).

122

bb) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt angesichts des Gefüges der grundgesetzlichen Zuordnung staatlicher Aufgaben zu bestimmten Funktionen und ihren Trägern zudem die Gewährleistung einer funktionsgerechten und organadäquaten Aufgabenwahrnehmung voraus.

123

(1) Das Grundgesetz verpflichtet die Verfassungsorgane im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Ordnung unter Einhaltung der Regeln des Rechtsstaats. Das gilt namentlich für die Verfolgung der fundamentalen Staatszwecke der Sicherheit und des Schutzes der Bevölkerung (vgl. BVerfGE 115, 320 <358>).

124

Die verfassungsmäßige Ordnung, der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder sowie Leib, Leben und Freiheit der Person sind Schutzgüter von überragendem verfassungsrechtlichem Gewicht. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm - unter Achtung von Würde und Eigenwert des Einzelnen - zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung Verfassungswerte sind, die mit anderen hochwertigen Verfassungsgütern im gleichen Rang stehen. Der Staat ist deshalb von Verfassungs wegen verpflichtet, das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit des Einzelnen zu schützen (vgl. BVerfGE 49, 24 <56 f.>; 115, 320 <346 f.>; 120, 274 <319>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 11 BvR 1140/09 -, juris, Rn. 100, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

125

Dieser Verpflichtung kommt er nach, indem er Gefahren etwa durch terroristische Bestrebungen entgegen tritt. Straftaten mit dem Gepräge des Terrorismus zielen auf die Destabilisierung des Gemeinwesens und umfassen in rücksichtsloser Instrumentalisierung anderer Menschen Angriffe auf Leib und Leben beliebiger Dritter. Sie richten sich gegen die Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Ordnung und das Gemeinwesen als Ganzes. Die Bereitstellung von wirksamen Aufklärungsmitteln zu ihrer Abwehr ist ein legitimes Ziel und für die demokratische und freiheitliche Ordnung von großem Gewicht (vgl. BVerfGE 115, 320 <357 f.>; 133, 277 <333 f. Rn. 133>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 11 BvR 1140/09 -, juris, Rn. 96, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

126

Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Ebert, in: Borgs-Maciejewski/Ebert, Das Recht der Geheimdienste, Kommentar zum BVerfSchG sowie zum G 10, 1986, Teil A, Vor § 1 Rn. 4).

127

Die Festlegung der strategischen Gesamtausrichtung nachrichtendienstlicher Tätigkeit, mithin auch die Entscheidung zur internationalen Kooperation der Nachrichtendienste, erfolgt durch die Bundesregierung. Dies entspricht dem Grundsatz einer organadäquaten Funktionenzuweisung. So bestimmt die Bundesregierung mit dem sogenannten Auftragsprofil die regionalen und thematischen Arbeitsschwerpunkte des BND. Sie gibt die Detailtiefe der zu beschaffenden Erkenntnisse und damit auch den Ressourcenansatz vor. Das Auftragsprofil wird kontinuierlich dem aktuellen Informationsbedarf der einzelnen Ressorts angepasst (vgl. Wieck, in: Eberwein/Kaiser, Deutschlands neue Außenpolitik, Bd. 4, 1998, S. 47 <50 f.>). Es ist auch Aufgabe der Regierung, die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste zu gewährleisten.

128

(2) Zur Effektivierung der Beschaffung und Auswertung von Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung arbeiten die deutschen Nachrichtendienste mit ausländischen Nachrichtendiensten zusammen. Die Zusammenarbeit setzt die Einhaltung von Vertraulichkeit voraus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 -, juris, Rn. 11). Hierfür sind völkerrechtliche Verpflichtungen einzugehen, die als Teil der Außen- und Sicherheitspolitik der Initiativ- und Gestaltungsbefugnis der Regierung obliegen (vgl. BVerfGE 90, 286 <358>).

129

(a) Der Bund hat gemäß Art. 32 GG die Zuständigkeit für die Ausübung der auswärtigen Gewalt (vgl. BVerfGE 2, 347 <378 f.>). Außenpolitik ist eine Funktion der Regierung (so schon BVerfGE 1, 372 <394>; vgl. auch BVerfGE 68, 1 <85 f.>; 90, 286 <357>).

130

In Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung hat das Grundgesetz der Regierung im Bereich auswärtiger Politik einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen. Die Rolle des Parlaments ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (vgl. BVerfGE 104, 151 <207>; 131, 152 <195>).

131

Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG sieht zwar für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, die Notwendigkeit der Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in Form eines Bundesgesetzes vor. Der Verkehr mit anderen Staaten, die Vertretung in internationalen Organisationen, zwischenstaatlichen Einrichtungen und Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit (Art. 24 Abs. 2 GG) sowie die Sicherstellung der gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Außenvertretung Deutschlands fallen demgegenüber aber grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Exekutive, insbesondere der Bundesregierung. Diese grundsätzliche Zuordnung der Akte des auswärtigen Verkehrs zum Kompetenzbereich der Exekutive beruht auf der Annahme, dass institutionell und auf Dauer typischerweise allein die Regierung in hinreichendem Maße über die personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten verfügt, auf wechselnde äußere Lagen zügig und sachgerecht zu reagieren und so die staatliche Aufgabe, die auswärtigen Angelegenheiten verantwortlich wahrzunehmen, bestmöglich zu erfüllen (BVerfGE 68, 1 <87>; 131, 152 <195>).

132

Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages unter Überspielung der konkreten Ordnung der Verteilung und des Ausgleichs staatlicher Macht im Grundgesetz würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und liefe auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinaus (vgl. BVerfGE 90, 286 <363>; 104, 151 <207>; 131, 152 <195 f.>); sie verlagerte in weitem Umfang politische Macht zu Lasten der Exekutive auf den Bundestag in einem Handlungsbereich, der funktionell betrachtet nicht Gesetzgebung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG darstellt (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>).

133

(b) Vor diesem Hintergrund obliegt das Verhandeln und Abschließen von Geheimschutzabkommen als Grundlage einer internationalen Kooperation der Nachrichtendienste der Bundesregierung.

134

Ziel dieser Geheimschutzabkommen ist es in erster Linie, den Austausch geheimhaltungsbedürftiger Informationen mit anderen Staaten abzusichern, denn die Weitergabe von Verschlusssachen hat eine empfindliche Beeinträchtigung der nationalen Souveränität zur Folge. Der herausgebende Staat begibt sich seiner unmittelbaren Beherrschungs- und Geheimhaltungsmöglichkeiten. In Geheimschutzabkommen werden daher die Voraussetzungen, unter denen Personen Zugang zu den zwischen den Staaten ausgetauschten Verschlusssachen erhalten, und die zu ergreifenden materiellen Schutzmaßnahmen zur Geheimhaltung geregelt. Ein Verzicht auf Geheimschutzabkommen würde den deutschen Einfluss auf die Geheimhaltung deutscher Verschlusssachen im Partnerstaat ausschließen und könnte dazu führen, dass ein Geheimnis nach Weitergabe an den Partnerstaat dort einem unbegrenzten Personenkreis zugänglich werden und folglich seinen Charakter als Staatsgeheimnis verlieren könnte (vgl. Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsrecht, Ordner 1, § 1 SÜG Rn. 21 ff. [Juni 2015]; Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 1 SÜG Rn. 38). Im Gegenzug muss die Bundesrepublik Deutschland in der Lage sein, sich ihrerseits gegenüber Stellen anderer Staaten zur Geheimhaltung zu verpflichten (vgl. BTDrucks 12/4891, S. 18).

135

In der nachrichtendienstlichen Praxis werden aber auch Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in Form von sogenannten Memoranda of Understanding oder Memoranda of Agreement abgeschlossen, die den Rechtscharakter von unverbindlichen Übereinkünften haben (vgl. van Ginkel, ICCT - The Hague Research Paper August 2012, S. 3 f.; Sepper, Texas International Law Journal Vol. 46 [2010], S. 151 <158>).

136

Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG lässt die in der auswärtigen Gewalt angelegte Kompetenz unberührt, das jeweils im völkerrechtlichen Verkehr angemessen erscheinende Handlungsinstrumentarium zu wählen und dabei auch eine vertragliche Bindung zu vermeiden. Es obliegt der Bundesregierung, in Abstimmung mit den bisherigen und etwa neu zu gewinnenden Vertragsparteien zu entscheiden, ob, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Inhalt völkerrechtliche Bindungen eingegangen werden sollen. Der Verzicht auf einen Vertrag wird insbesondere sinnvoll sein, wenn die beteiligten Völkerrechtssubjekte sich in der Phase der Vertragsanbahnung, der Erprobung neuer Formen der Zusammenarbeit oder der Abstimmung mit und Rücksichtnahme auf weitere Völkerrechtssubjekte befinden. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG steht auch einem mit den Vertragspartnern abgestimmten außenpolitischen Handeln auf der bisherigen Vertragsgrundlage nicht entgegen, das - etwa mit Rücksicht auf noch nicht abgeschlossene und nicht genügend überschaubare politische Entwicklungen - die völkervertragliche Bindung bewusst vermeidet. Hierdurch sollen neue oder weitergehende Rechte und Pflichten gerade nicht begründet werden (vgl. BVerfGE 90, 286 <360>).

137

d) Eine weitere Grenze des Beweiserhebungsrechts bildet das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>).

138

Welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls. Für die Frage, ob Zeugenaussagen oder die Vorlage von Akten das Staatswohl gefährden würden, ist danach zunächst zu berücksichtigen, dass der Umgang mit Informationen in einem Untersuchungsausschuss eigenen Geheimschutzbestimmungen unterliegt und dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 124, 78 <123 f.>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind. Die Berufung auf das Staatswohl kann daher gegenüber dem Deutschen Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht völlig ausschließt, steht dem nicht entgegen. Diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>).

139

Der Bundestag hat in seiner Geheimschutzordnung, die Bestandteil der Geschäftsordnung ist, in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei seiner Aufgabenerfüllung festgelegt. Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Daneben regelt das Untersuchungsausschussgesetz den Schutz staatlicher Geheimnisse in § 14 Abs. 1 Nr. 4, § 15, § 16 und § 18 Abs. 2 PUAG (vgl. BVerfGE 124, 78 <124 f.>). Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>).

140

Gleichwohl bleibt die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>). Die Bundesregierung ist insbesondere nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

141

e) Parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben darüber hinaus gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Diese können zu einer Einschränkung des Beweiserhebungsrechts führen (BVerfGE 67, 100 <142>; 77, 1 <46>; 124, 78 <125>).

142

f) Das Beweiserhebungsrecht endet schließlich an der Grenze des Rechtsmissbrauchs. So können etwa Beweisanträge zurückgewiesen werden, wenn sie offensichtlich der Verzögerung dienen (BVerfGE 105, 197 <225>; 124, 78 <128>).

143

3. Nimmt die Bundesregierung das Recht für sich in Anspruch, einem Untersuchungsausschuss Beweismittel aus verfassungsrechtlichen Gründen vorzuenthalten, so unterliegt sie von Verfassungs wegen einer Begründungspflicht (vgl. BVerfGE 124, 78 <128>). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies kann er nur dann, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessenen, ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können. Eine Begründung der Antwortverweigerung ist nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>).

144

Im Hinblick auf die Form der Begründung wird die Bundesregierung zwar einfachrechtlich in § 18 Abs. 2 Satz 2 PUAG verpflichtet, den Untersuchungsausschuss über die Gründe der Ablehnung schriftlich zu unterrichten. Das Ablehnungsschreiben ist damit zentral. Es bleibt der Bundesregierung aber unbenommen, dem Untersuchungsausschuss durch ergänzende Maßnahmen die Verweigerungsgründe zu erläutern. Je nach den Umständen ist die Bundesregierung sogar zu solchen Maßnahmen verpflichtet und muss den Ausschuss, gegebenenfalls in vertraulicher Sitzung, detailliert und umfassend über die Natur der zurückgehaltenen Informationen, die Notwendigkeit der Geheimhaltung und den Grad der nach ihrer Auffassung bestehenden Geheimhaltungsbedürftigkeit unterrichten. Dazu ist die Regierung gehalten, dem Untersuchungsausschuss für die Erörterung ihres Standpunktes zur Verfügung zu stehen (vgl. BVerfGE 67, 100 <138>). Hat der Untersuchungsausschuss dennoch Grund zu der Annahme, dass zurückgehaltene Informationen mit dem ihm erteilten Kontrollauftrag zu tun haben, und besteht er deshalb auf Herausgabe der Akten, so hat die Regierung die vom Untersuchungsausschuss genannten Gründe zu erwägen und, sollten diese ihre Auffassung nicht erschüttern können, zu prüfen, welche Wege beschritten werden können, um den Untersuchungsausschuss davon zu überzeugen, dass seine Annahme nicht zutrifft (vgl. BVerfGE 67, 100 <138>). Das Ablehnungsschreiben ergeht regelmäßig in einem - in die verfassungsrechtliche Bewertung einzustellenden - Kontext, so dass eine Gesamtschau der - das Ablehnungsschreiben begleitenden - begründenden Darlegungen geboten ist.

II.

145

Nach diesen Maßstäben haben die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. durch die Verweigerung der Vorlage der sogenannten NSA-Selektorenlisten das Beweiserhebungsrecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG nicht verletzt.

146

Unter Beachtung der Bedeutung des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts (1.) ist dem Interesse der Antragsgegnerin zu 1. an funktionsgerechter und organadäquater Aufgabenwahrnehmung (2.) der Vorrang einzuräumen, weil die vom Beweisbeschluss erfassten NSA-Selektorenlisten aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen nicht der Verfügungsbefugnis der Antragsgegnerin zu 1. unterfallen, die Einschätzung, eine nicht konsentierte Herausgabe könne die Funktions- und Kooperationsfähigkeit deutscher Nachrichtendienste erheblich beeinträchtigen, nachvollziehbar ist und die Antragsgegner dem Vorlageersuchen in Abstimmung mit dem Untersuchungsausschuss durch andere Verfahrensweisen so präzise, wie es ohne eine Offenlegung von Geheimnissen möglich gewesen ist, Rechnung getragen haben (3.). Die Antragsgegner sind auch ihrer von Verfassungs wegen bestehenden Begründungspflicht nachgekommen (4.).

147

1. Das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses umfasst dem Grunde nach auch die NSA-Selektorenlisten.

148

a) Es besteht ein besonderes Informationsinteresse des Untersuchungsausschusses an der Vorlage der NSA-Selektorenlisten zur Gewährleistung der demokratischen Rückanbindung der Nachrichtendienste und der Bundesregierung. Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Eine besondere Kontrollrelevanz ergibt sich dabei aus der Tendenz zur Kooperation und Internationalisierung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit (vgl. Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 199, 201). Die zunehmende internationale Kooperation der Nachrichtendienste entkoppelt partiell die Informationsgewinnung von demokratischer Verantwortung, weil Teilelemente von Entscheidungsgrundlagen außerhalb der Einflusssphäre der demokratischen Organe des Empfängerstaates - hier der Bundesrepublik Deutschland - erzeugt werden (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>).

149

Der Deutsche Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen. Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

150

Auch die US-amerikanischen Nachrichtendienste unterliegen einer parlamentarischen Kontrolle. Der Kongress verfügt in beiden Häusern über ständige Spezialausschüsse - das Senate Select Committee on Intelligence und das House Permanent Select Committee on Intelligence. Die beiden parlamentarischen Kontrollgremien besitzen weitgehende Kontrollrechte unter anderem im Hinblick auf Budgetierung und Budgetvollzug, taktische Geheimdienstinformationen sowie Dienstquellen und -methoden (vgl. Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 248 ff.; Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 297 ff.; Rehli, in: Dörr/Zimmermann, Die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 2007, S. 45 <54 ff.>). Wie in Deutschland ist in den Vereinigten Staaten von Amerika auch die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen oder Sonderkommissionen - etwa der Review Group on Intelligence and Communications Technologies zur Reform der NSA-Überwachungspraxis - möglich.

151

b) Angesichts von Art und Umfang der den Nachrichtendiensten an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns der Nachrichtendienste und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste eine besondere Aufklärungsfunktion zu.

152

Ausweislich des im Einsetzungsantrag (vgl. BTDrucks 18/843) näher bezeichneten Untersuchungsauftrags hat der Untersuchungsausschuss unter anderem aufzuklären, ob ausländische Stellen mit Hilfe deutscher Stellen Daten deutscher Grundrechtsträger über Kommunikationsvorgänge, deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge einer Erfassung und Speicherung auf Vorrat sowie einer Kontrolle und Auswertung unterzogen haben.

153

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Sammlung der dem Grundrechtsschutz unterliegenden personenbezogenen Informationen auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 100, 313 <360>; 115, 320 <350>; 118, 168 <187>). Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss (vgl. BVerfGE 125, 260 <323 f.> mit Verweis auf BVerfGE 123, 267 <353 f.> zum grundgesetzlichen Identitätsvorbehalt).

154

c) Das aus dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses grundsätzlich folgende Recht auf Vorlage der NSA-Selektorenlisten ist nicht durch die Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson und deren gutachterliche Stellungnahme erfüllt. Die sachverständige Vertrauensperson handelte nicht als Hilfsorgan des Untersuchungsausschusses.

155

Das Untersuchungsausschussgesetz kennt die Konstruktion der sachverständigen Vertrauensperson nicht. Nach § 28 PUAG kann der Untersuchungsausschuss zur Beweiserhebung ein Sachverständigengutachten einholen. Der Sachverständige hat aufgrund seiner besonderen Sachkunde dem Untersuchungsausschuss Tatsachen-, aber auch Rechtskenntnis zu verschaffen. § 10 PUAG gibt dem Untersuchungsausschuss die Möglichkeit, einen Ermittlungsbeauftragten zu seiner Unterstützung einzusetzen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll der Ermittlungsbeauftragte es dem Untersuchungsausschuss ermöglichen, sich bei einem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfangreichen Untersuchungsauftrag auf die eigentlichen Kernfragen zu konzentrieren. Voraussetzung hierfür ist bei komplexen Sachverhalten eine intensive Vorarbeit durch einen Ermittlungsbeauftragten, der das Beweismaterial zunächst zu beschaffen und zu sichten sowie die zu beurteilenden Sachverhalte sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht aufzubereiten hat. Auf der Basis solcher Vorermittlungen kann der Untersuchungsausschuss seine Arbeit, insbesondere seine Beweisaufnahme, gezielter und zügiger durchführen (vgl. BTDrucks 14/5790, S. 15). Da Sachverständige und Ermittlungsbeauftragte letztlich als Hilfsorgane vor allem eine Voruntersuchungs- und damit Entlastungsfunktion haben sollen, bleibt der Ausschuss "Herr im Verfahren" und hat die Gesamtverantwortung inne. Der Untersuchungsausschuss muss letztlich selbst eine abschließende, umfassende Beweiserhebung und Beweiswürdigung vornehmen.

156

Dies war bei der Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson nicht gewährleistet. Die von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzte sachverständige Vertrauensperson hat nicht bloße Voruntersuchungen zur Arbeitserleichterung für den Untersuchungsausschuss durchgeführt. Vielmehr wurde sie von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzt, um die Einsichtnahme der NSA-Selektorenlisten durch den Untersuchungsausschuss zu ersetzen. Die sachverständige Vertrauensperson hat eine eigene inhaltliche Interpretation und rechtliche Bewertung der NSA-Selektorenlisten vorgenommen. Da aber eine Delegation der Erfüllung des Untersuchungsauftrags an die sachverständige Vertrauensperson ausscheidet, ist ihr Bericht den Antragsgegnern zuzurechnen und kommt einer Auskunft der Antragsgegner zu den vom Untersuchungsausschuss im Beschluss vom 18. Juni 2015 (Ausschussdrucksache 385) gestellten Fragen gleich.

157

Auskünfte der Antragsgegner sind aber für den Vorlageanspruch keine Maßnahme an Erfüllungs statt. Denn der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ermächtigt den Untersuchungsausschuss, die in Verfolgung des Untersuchungszwecks erforderlichen Beweise selbst zu erheben. Darin ist das Recht eingeschlossen, die Vorlage von Akten zu verlangen (vgl. BVerfGE 67, 100 <128 ff.>; 124, 78 <116 f.>).

158

2. Dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses steht das Interesse der Antragsgegnerin zu 1. an funktionsgerechter und organadäquater Aufgabenwahrnehmung gegenüber.

159

Die Herausgabe der NSA-Selektorenlisten entgegen einer völkerrechtlichen Vertraulichkeitszusage und ohne Einverständnis der Vereinigten Staaten von Amerika würde nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung der Antragsgegnerin zu 1. die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit auch die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung erheblich beeinträchtigen.

160

a) Sowohl nach Maßgabe des gemeinsamen Verständnisses der Kooperationspartner hinsichtlich des Geheimschutzabkommens und des MoA (aa) als auch nach Maßgabe der "Third Party Rule" (bb) ist der herausgebende Staat "Herr der Information" und behält auch nach deren Übermittlung die Verfügungsbefugnis. Der Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss steht die fehlende Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika entgegnen (cc).

161

aa) Der Zusammenarbeit zwischen dem BND und der NSA liegen das Geheimschutzabkommen und das MoA zugrunde. In dem Geheimschutzabkommen sind die allgemeinen Grundsätze des Austausches von Verschlusssachen, mithin die technisch-administrativen Vorgaben festgelegt. Mit dem MoA werden die organisatorischen und technischen Bedingungen, Personalausstattung und Kostentragung sowie das maßgebliche Rechtsregime des konkreten Projektes der Joint SIGINT Activity geregelt.Wie bei der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen ist auch bei der Auslegung des Geheimschutzabkommens und des MoA darüber hinaus die sich hierauf beziehende nachträgliche Übereinkunft der Parteien über die Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 90, 286 <362 ff.>). Gemäß den Absprachen und Verständigungen im Rahmen des Konsultationsverfahrens soll die herausgebende Stelle den zu gewährleistenden Geheimhaltungsgrad sowie den Nutzungszweck vorgeben und über die Möglichkeit zur Weitergabe entscheiden.

162

bb) Ungeachtet dieser bilateralen Vereinbarungen und Absprachen wird die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste von der "Third Party Rule" geprägt. Hiernach dürfen ausgetauschte Informationen ohne Zustimmung des Informationsgebers nicht an Dritte weitergegeben oder für andere Zwecke verwendet werden.

163

(1) Der "Third Party Rule" wird als Auskunftsverweigerungsgrund gegenüber Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Bedeutung beigemessen (vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, Rn. 712; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 26. November 2003 - 6 VR 4.03 -, juris). Ob dieser Grundsatz nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit auch gegenüber Kontrollorganen des Parlaments und selbst gegenüber Aufsichtsbehörden gilt (bejahend: Wills/Born, in: Born/Leigh/Wills, International Intelligence Cooperation and Accountability, 2011, S. 277 <283>; verneinend: Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>), bedarf keiner abschließenden Bewertung. Denn jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang ist der bekundete Wille der herausgebenden Stelle maßgeblich. Sie bestimmt, wen sie als "Dritten" ansieht.

164

Die "Third Party Rule" ist dabei nicht als ein absolutes Verbot der Weitergabe von Informationen zu verstehen, sondern als ein Verbot mit Zustimmungsvorbehalt. Die übermittelnde Stelle behält sich in der Sache ein Informationsbeherrschungsrecht vor (vgl. Singer, Praxiskommentar zum PKGrG, 2016, § 6 Rn. 11 f.). Das Einverständnis der übermittelnden Stelle kann daher die Weitergabe legitimieren. Korrespondierend zum Vertrauensschutz trifft im Konfliktfall den Empfängerstaat - hier die Bundesrepublik Deutschland - eine Verpflichtung, sich um ein Einverständnis zu bemühen (vgl. Federal Court of Canada, Charkaoui (Re), 2009 FC 476, [2010] 3 F.C.R. 102, Rn. 21; Gazeas, Übermittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse an Strafverfolgungsbehörden, 2014, S. 373 f.; Roach, in: Supreme Court Law Review 47 [2009], S. 147 <164>).

165

(2) Bei der "Third Party Rule" handelt es sich jedenfalls um eine allgemein anerkannte Verhaltensregel der internationalen Kooperation im Sicherheits- und Nachrichtendienstbereich (vgl. Federal Court of Canada, Charkaoui (Re), 2009 FC 476, [2010] 3 F.C.R. 102, Rn. 17 ff.; Ajluni v. FBI, 947 F. Supp. 599 [N.D.N.Y. 1996] mit Verweis auf Ajluni v. FBI, No. 94-CV-325, 1996 WL 776996 [N.D.N.Y. July 13, 1996]). Sie ist in Art. 4 Buchstabe d und Art. 5 Buchstabe b Geheimschutzabkommen zwischen EU und NATO (ABl EU L Nr. 80 vom 27. März 2003, S. 36 ff.) ausdrücklich erwähnt. Sie findet sich auch im nationalen Recht in § 6 Abs. 1 PKGrG wieder, wonach die Verfügungsberechtigung der Bundesregierung und der deutschen Nachrichtendienste in der Regel fehlt, wenn es sich um Informationen handelt, die den Nachrichtendiensten von ausländischen Behörden übermittelt worden sind (zur wortgleichen Regelung des § 2b a.F. PKGrG vgl. BTDrucks 14/539, S. 7). Auch entspricht es der Praxis deutscher Dienste, bei Übermittlungen an ausländische Dienste auf die "Third Party Rule" hinzuweisen (vgl. BTDrucks 17/11296, S. 9).

166

Die Einhaltung wird nicht durch Rechtszwang, sondern als selbstverständliche Geschäftsgrundlage im Bereich sicherheitssensibler beziehungsweise nachrichtendienstlicher Kooperation durch das gegenseitige Interesse an der Vertraulichkeit und institutionellen Verlässlichkeit rein faktisch gewahrt (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <904>; Wills/Born, in: Born/Leigh/Wills, International Intelligence Cooperation and Accountability, 2011, S. 277 <283>).

167

cc) Nach dem Willen der Vereinigten Staaten von Amerika, dem die Antragsgegnerin zu 1. ausweislich ihres vorprozessualen und prozessualen Vorbringens unwidersprochen folgt, ist der Untersuchungsausschuss als "Dritter" anzusehen, die Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an ihn nicht vom Übermittlungszweck umfasst und daher von der Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika abhängig. Einer Auslegung dahingehend, dass die Nachrichtendienste sowohl der Vereinigten Staaten von Amerika als auch der Bundesrepublik Deutschland der Kontrolle durch übergeordnete Stellen und durch von den Parlamenten eingesetzte spezielle Kontrollorgane unterlägen und folglich diese Kontrollinstanzen grundsätzlich nicht als "Dritte" anzusehen seien, steht der bekundete Wille der Vereinigten Staaten von Amerika entgegen. Die Antragsgegnerin zu 1. hat sich um die Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Weitergabe der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss bemüht, diese aber nicht erhalten.

168

b) Die der Antragsgegnerin zu 1. obliegende Einschätzung, durch eine nicht konsentierte Herausgabe würden die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit ihre außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, hält der verfassungsgerichtlichen Kontrolle stand.

169

aa) Die tatsächliche und rechtliche Wertung der Antragsgegnerin zu 1. bei der Annahme, die Weitergabe der NSA-Selektorenlisten könne institutions- und aufgabenbezogene Gefährdungen zur Folge haben, stellt eine politische Einschätzung des Verhältnisses zu ausländischen Nachrichtendiensten und Partnerstaaten dar, die angesichts des Einschätzungs- und Prognosespielraums der Bundesregierung nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.

170

Die Weite des Ermessens im auswärtigen Bereich hat ihren Grund darin, dass die Gestaltung auswärtiger Verhältnisse und Geschehensabläufe nicht allein vom Willen der Bundesrepublik Deutschland bestimmt werden kann, sondern vielfach von Umständen abhängig ist, die sich ihrer Bestimmung entziehen. Um es zu ermöglichen, die jeweiligen politischen Ziele der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des völkerrechtlich und verfassungsrechtlich Zulässigen durchzusetzen, gewährt das Grundgesetz den Organen der auswärtigen Gewalt einen weiten Spielraum bei der Einschätzung außenpolitisch erheblicher Sachverhalte wie der Zweckmäßigkeit möglichen Verhaltens (vgl. BVerfGE 55, 349 <365>; vgl. auch BVerfGE 40, 141 <178 f.>).

171

bb) Die Antragsgegnerin zu 1. hat plausibel dargelegt, dass Nachrichtendienste zur Gewährleistung eines wirksamen Staats- und Verfassungsschutzes zusammenarbeiten müssen. Zwischen den deutschen und US-amerikanischen Nachrichtendiensten besteht im Hinblick auf Intelligence-Fähigkeiten eine wechselseitige Abhängigkeit (vgl. Daun, Auge um Auge? - Intelligence-Kooperation in den deutsch-amerikanischen Beziehungen, 2011, S. 128 ff., 141 ff.; 172 f.). Auf deutscher Seite wird - vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus und der Gefährdung durch Cyberattacken - die internationale Kooperation im Allgemeinen als von "überragender Bedeutung" (vgl. Verfassungsschutzbericht 2015, S. 18; Verfassungsschutzbericht 2014, S. 16) und die Partnerschaft zu den Vereinigten Staaten von Amerika im Besonderen als "unverzichtbar" (vgl. Abschlussbericht des BND-Untersuchungsausschusses BTDrucks 16/13400, S. 58 f., 351 f.) bewertet.

172

Diese Zusammenarbeit wird beeinträchtigt, wenn unter Missachtung einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit Informationen an Dritte bekannt gegeben werden, etwa weil der Begriff des "Dritten" entgegen der Sichtweise der herausgebenden Stelle ausgelegt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 -, juris, Rn. 11).

173

Dagegen wird angeführt, das Argument der Geheimhaltungsbedürftigkeit werde in seiner Reichweite überbetont. Die parlamentarische Kontrolle gehöre zum Nachrichtendienst genauso wie die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>; B. Huber, NVwZ 2015, S. 1354 <1357>). Die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten überwiege keinesfalls stets gegenüber der parlamentarischen Kontrolle. Im Kollisionsfall könne der Konflikt vielmehr auch dazu führen, dass die Zusammenarbeit geändert oder eingestellt werden müsse (vgl. Wolff, JZ 2010, S. 173 <180>; siehe auch Möllers, Gutachterliche Stellungnahme in der Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 25. Mai 2009 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 45d), A-Drucks 16(4)614 D, S. 4).

174

Dies lässt außer Acht, dass damit der langfristige Verlust wesentlicher außen- und sicherheitspolitischer Erkenntnisse einhergehen kann, ohne die die Aufklärung verfassungsfeindlicher, sicherheitsgefährdender und terroristischer Aktivitäten nicht mehr in gleichem Umfang geleistet werden könnte (vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, Rn. 712). Selbst wenn man im Hinblick auf die Folgenschwere eines Vertrauensbruchs relativierend davon ausginge, dass sich Tätigkeiten eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nur vorübergehend auf den Umfang des internationalen Informationsaustauschs auswirkten (so B. Huber, NVwZ 2015, S. 1354 <1356>), wäre hiermit eine nicht hinzunehmende temporäre Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit eine Sicherheitslücke nahe liegend. Schließlich haben die Antragsgegner nachvollziehbar dargelegt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bereits Konsequenzen gezogen und für den Fall der Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an den NSA-Untersuchungsausschuss weitere Folgen angekündigt haben. Angesichts einer solchermaßen konkretisierten Gefährdungslage für die äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sind zugleich im Staatswohl gründende Geheimhaltungsinteressen berührt.

175

Da die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit die Gefährdung der Staatssicherheit bereits durch eine nicht konsentierte Vorlage der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss erfolgten, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf an, ob das Risiko des Bekanntwerdens der NSA-Selektorenlisten nach Übermittlung an den Untersuchungsausschuss über das bei allen drei Gewalten nicht auszuschließende Risiko (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <139>) tatsächlich hinausgeht. Die von den Antragsgegnern vorgelegte Zusammenstellung von Presseveröffentlichungen kann jedenfalls keinen Nachweis für einen mangelnden Geheimnisschutz im und durch den Untersuchungsausschuss erbringen. Angesichts dieser Veröffentlichungen erscheint der Geheimnisschutz vielmehr generell nicht hinreichend gewährleistet.

176

3. Das Interesse an der Erhaltung der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesregierung überwiegt das Recht des Untersuchungsausschusses auf Herausgabe der NSA-Selektorenlisten.

177

a) Im Rahmen der Abwägung der konfligierenden Interessen ist zu berücksichtigen, dass das Vorlageersuchen bezüglich der NSA-Selektorenlisten ein mehrpoliges Rechtsverhältnis betrifft. Denn das Verlangen des Untersuchungsausschusses berührt auch originäre Belange und Geheimhaltungsinteressen der Vereinigten Staaten von Amerika. Das Grundgesetz, das durch den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit (vgl. BVerfGE 111, 307 <317 f.>; 112, 1 <26>; 123, 267 <344, 347>) und internationalen Offenheit (vgl. BVerfGE 92, 26 <48>) geprägt ist, begnügt sich nicht damit, die innere Ordnung des deutschen Staates festzulegen, sondern bestimmt auch in Grundzügen sein Verhältnis zur Staatengemeinschaft. Insofern geht es von der Notwendigkeit einer Abgrenzung und Abstimmung mit anderen Staaten und Rechtsordnungen aus (vgl. BVerfGE 100, 313 <362>). Die Beurteilungs- und Handlungsfreiheit der Antragsgegnerin zu 1. ist angesichts der zwischenstaatlichen Beziehungen eingeschränkt; eine ausschließliche Verfügungsbefugnis über die NSA-Selektorenlisten fehlt ihr aufgrund der völkerrechtlichen Vereinbarungen und Absprachen. Insoweit unterscheidet sich das Handeln der auswärtigen Gewalt von rein innerstaatlichen Sachverhalten.

178

b) Zudem besteht die Gefahr des Entstehens eines kontrollfreien Raumes und damit eines völligen Ausschlusses des Parlaments von jeglicher Information hier nicht. Dem Untersuchungsausschuss wurde nicht der gesamte Sachverhaltskomplex der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit von NSA und BND im Rahmen des Projekts der Joint SIGINT Activity vorenthalten. Die Antragsgegner haben dem Vorlageersuchen in Abstimmung mit dem Untersuchungsausschuss vielmehr durch andere Verfahrensweisen so präzise, wie es ohne eine Offenlegung von Geheimnissen möglich war, Rechnung getragen.

179

Sie haben dem Untersuchungsausschuss Auskünfte zu den Schwerpunkten der Zusammenarbeit von BND und NSA, zum Inhalt und zur Zusammenstellung der Selektoren, zur Filterung der Selektoren durch den BND sowie zur Anzahl der abgelehnten Selektoren erteilt. Sie haben unter anderem ein schriftliches Testat des BND zu den Erkenntnissen über die NSA-Selektorenlisten vorgelegt.

180

Weiterhin hat die Antragsgegnerin zu 1. dem Untersuchungsausschuss vorgeschlagen, eine sachverständige Vertrauensperson einzusetzen, welche die NSA-Selektorenlisten zu untersuchen und dem Untersuchungsausschuss über die Prüfungsergebnisse Bericht zu erstatten hat. Der Untersuchungssauschuss hat die Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson als sachgerecht bewertet (Ausschussdrucksache 385, Ziffer 1) und die zu beauftragende sachverständige Vertrauensperson benannt. Er hat einen Fragenkatalog erstellt (Ausschussdrucksache 385, Ziffer 5) und in Gesprächen mit der sachverständigen Vertrauensperson Kriterien, Schwerpunkte und Fragestellungen des Berichts festgelegt. Der Bericht der sachverständigen Vertrauensperson bietet schon in seiner offenen Fassung eine Grundlage für die Bewertung von Art und Umfang der nachrichtendienstlichen Kooperation und der Verstöße gegen deutsche Interessen und gegen deutsches Recht. Er ist statistisch aufbereitet und soweit wie möglich konkret formuliert. Die Auswertung der Selektorenlisten erfolgt durch eine Beschreibung der Selektorentypen, der technischen Struktur der Selektoren und ihrer Permutationen sowie der Anzahl der abgelehnten Selektoren unter abstrakter Benennung der betroffenen Ziele - wie etwa Deutsche Vertretungen im Ausland, Regierungseinrichtungen und staatliche Stellen in EU-Staaten, Institutionen der EU, Mitglieder europäischer Regierungen sowie deren Mitarbeiter und Parlamentsabgeordnete. Soweit es um die konkrete Benennung, das heißt um die namentliche Erwähnung der als Erfassungsziele betroffenen natürlichen oder juristischen Personen sowie Institutionen und staatlichen Einrichtungen geht, ist deren Kenntnis durch den Untersuchungsausschuss eher von allgemeinem politischem Interesse, für die Erfüllung des Untersuchungsauftrags und damit für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns aber nicht in einem Maße zentral, um gegenüber den Belangen des Staatswohls und der Funktionsfähigkeit der Regierung Vorrang zu beanspruchen.

181

4. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. haben ihrer verfassungsrechtlichen Begründungspflicht hinreichend Rechnung getragen. Sie haben das Bestehen von Geheimhaltungsgründen bei der Vorlageverweigerung in der Gesamtschau schriftlich und mündlich substantiiert begründet.

182

a) Zwar vermag allein das Argument entgegenstehender völkerrechtlicher Verpflichtungen die Verweigerung einer Vorlage an den Untersuchungsausschuss nicht unmittelbar zu begründen (vgl. Rn. 112). Das Völkervertragsrecht ist wie auch das Völkergewohnheitsrecht innerstaatlich nicht mit dem Rang des Verfassungsrechts ausgestattet. Es kann folglich nicht unmittelbar dem Vorlageersuchen des Untersuchungsausschusses entgegengehalten werden. Allerdings ist zu beachten, dass die Antragsgegner die Nichtvorlage weitergehend mit den Folgen eines Verstoßes gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen für die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit für die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland begründet haben. Sie sehen durch eine Vorlage der NSA-Selektorenlisten die eigenverantwortliche und funktionsgerechte Wahrnehmung der ihnen von Verfassung wegen übertragenen Aufgaben gefährdet.

183

Die in dem Ablehnungsschreiben vom 17. Juni 2015 angeführte Begründung, eine Weitergabe ohne Zustimmung der US-Regierung stelle einen Verstoß gegen das geltende Geheimschutzabkommen dar, erweist sich zunächst als nicht hinreichend konkret, da sie ohne Wiedergabe der oder Bezugnahme auf die maßgeblichen Bestimmungen erfolgte. Auch wird das gemeinsame Verständnis der Vertragsparteien von den Bestimmungen, mithin deren Auslegung nicht nachvollziehbar dargelegt.

184

Nimmt man jedoch zusätzlich das dem Ablehnungsschreiben vorangegangene Informationsverhalten der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. in den Blick, so wurde der Untersuchungsausschuss detailliert über die Notwendigkeit zur Einholung der Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika im Wege eines Konsultationsverfahrens aufgeklärt. Dem Untersuchungsausschuss wurden das Geheimschutzabkommen und das MoA zur Kenntnis gegeben; die Fragen der Auslegung und Anwendung wurden mehrmals ausführlich in Ausschusssitzungen erörtert.

185

Die Antragsgegner haben gegenüber dem Untersuchungsausschuss auch dargelegt, dass und wie sie sich um die Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika bemüht haben, und ihn über die Durchführung und das Ergebnis des Konsultationsverfahrens laufend informiert. Sie haben damit ausreichende Transparenz gewährleistet und den Untersuchungsausschuss in das Verfahren eingebunden.

186

Sie haben gegenüber dem Untersuchungsausschuss auch glaubhaft gemacht, dass - wie sich in der jüngeren Vergangenheit gezeigt hat - Verstöße gegen den Zustimmungsvorbehalt erhebliche Auswirkungen auf die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit haben, indem der gegenseitige Austausch von Erkenntnissen eingeschränkt oder gänzlich eingestellt wird. Ferner haben sie anhand der Reaktionen und Stellungnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen des Konsultationsverfahrens und der von den Vereinigten Staaten von Amerika angekündigten Konsequenzen nachvollziehbar dargelegt, dass eine Herausgabe Beeinträchtigungen der nachrichtendienstlichen Beziehungen und ihrer außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit erwarten lässt sowie schließlich zu Gefahren für die äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland führen kann.

187

b) Die Antragsgegner haben zudem zur Plausibilisierung und Überzeugung im sogenannten Vorsitzendenverfahren und in Obleutebesprechungen Auskünfte erteilt.

188

Das sogenannte Vorsitzendenverfahren ist ein Mittel zur möglichen Plausibilisierung der verweigerten Erfüllung des Informationsanspruchs des Untersuchungsausschusses (zum Vorsitzendenverfahren vgl. BVerfGE 67, 100 <138 f.>; 77, 1 <56>; 124, 78 <139 f.>). Es dient dazu, dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter durch die entsprechende Information die Überzeugung zu vermitteln, dass die Zurückhaltung der Information durch die Regierung berechtigt ist. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter können ihrerseits den anderen Ausschussmitgliedern ihre Überzeugung von der Rechtmäßigkeit der Zurückhaltung der Information kommunizieren. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 18 PUAG erkennt der Gesetzgeber das Vorsitzendenverfahren als eine Möglichkeit zur Lösung eines Konfliktfalles an. Von der Normierung der Einzelschritte bei einem Ersuchen auf Vorlage von Beweismitteln und insbesondere der Festschreibung des Vorsitzendenverfahrens hat er abgesehen, um unter anderem den Beteiligten Freiraum für geeignete Schritte zu Lösungen im Konfliktfalle zu eröffnen (vgl. BTDrucks 14/5790, S. 17).

189

Allerdings ist im Hinblick auf das Enqueterecht der parlamentarischen Opposition die gebotene Neutralität des Verfahrens nicht gewährleistet, wenn der Vorsitzende wie auch sein Stellvertreter einer die Regierungskoalition bildenden Partei angehören (vgl. BVerfGE 124, 78 <139 f.>). Der Benachteiligung der oppositionellen Ausschussmitglieder durch das Vorsitzendenverfahren kann durch das - von den Antragsgegnern ebenfalls initiierte - Obleuteverfahren begegnet werden, an dem die Obleute jeder im Ausschuss vertretenen Fraktion beteiligt sind (vgl. Peters, Untersuchungsausschussrecht, 2012, S. 126 f. Rn. 211; Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz, 2003, S. 233). Das Obleuteverfahren ist dabei nicht nur bloße Parlamentspraxis, sondern hat seinen gesetzlichen Niederschlag in § 4 Abs. 1 Satz 3 und § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz vom 18. März 2005 [BGBl I S. 775]) gefunden.

D.

190

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

(1) Die Bundesregierung, die Behörden des Bundes sowie die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Grenzen auf Ersuchen verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss sächliche Beweismittel, insbesondere die Akten, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, vorzulegen.

(2) Die Entscheidung über das Ersuchen nach Absatz 1 trifft der zuständige Bundesminister oder die zuständige Bundesministerin, soweit sie nicht durch Gesetz der Bundesregierung vorbehalten ist. Wird das Ersuchen abgelehnt oder werden sächliche Beweismittel als Verschlusssache eingestuft vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der Ablehnung oder der Einstufung schriftlich zu unterrichten. Die Vorlage ist mit einer Erklärung über die Vollständigkeit zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Ersuchens, der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Rechtmäßigkeit einer Einstufung.

(4) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe, insbesondere zur Vorlage sächlicher Beweismittel, verpflichtet. Über Streitigkeiten entscheidet auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

Der Bundestag bestimmt bei der Einsetzung die Zahl der ordentlichen und die gleich große Zahl der stellvertretenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Die Bemessung der Zahl hat einerseits die Mehrheitsverhältnisse widerzuspiegeln und andererseits die Aufgabenstellung und die Arbeitsfähigkeit des Untersuchungsausschusses zu berücksichtigen. Jede Fraktion muss vertreten sein. Die Berücksichtigung von Gruppen richtet sich nach den allgemeinen Beschlüssen des Bundestages. Die Zahl der auf die Fraktionen entfallenden Sitze wird nach dem Verfahren der mathematischen Proportion (St. Lague/Schepers) berechnet.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(2) Die Einsetzung erfolgt durch Beschluss des Bundestages.

(3) Ein Untersuchungsverfahren ist zulässig im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Bundestages.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(2) Die Einsetzung erfolgt durch Beschluss des Bundestages.

(3) Ein Untersuchungsverfahren ist zulässig im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Bundestages.

Der Bundestag bestimmt bei der Einsetzung die Zahl der ordentlichen und die gleich große Zahl der stellvertretenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Die Bemessung der Zahl hat einerseits die Mehrheitsverhältnisse widerzuspiegeln und andererseits die Aufgabenstellung und die Arbeitsfähigkeit des Untersuchungsausschusses zu berücksichtigen. Jede Fraktion muss vertreten sein. Die Berücksichtigung von Gruppen richtet sich nach den allgemeinen Beschlüssen des Bundestages. Die Zahl der auf die Fraktionen entfallenden Sitze wird nach dem Verfahren der mathematischen Proportion (St. Lague/Schepers) berechnet.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(2) Die Einsetzung erfolgt durch Beschluss des Bundestages.

(3) Ein Untersuchungsverfahren ist zulässig im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Bundestages.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Die Bundesregierung, die Behörden des Bundes sowie die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Grenzen auf Ersuchen verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss sächliche Beweismittel, insbesondere die Akten, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, vorzulegen.

(2) Die Entscheidung über das Ersuchen nach Absatz 1 trifft der zuständige Bundesminister oder die zuständige Bundesministerin, soweit sie nicht durch Gesetz der Bundesregierung vorbehalten ist. Wird das Ersuchen abgelehnt oder werden sächliche Beweismittel als Verschlusssache eingestuft vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der Ablehnung oder der Einstufung schriftlich zu unterrichten. Die Vorlage ist mit einer Erklärung über die Vollständigkeit zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Ersuchens, der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Rechtmäßigkeit einer Einstufung.

(4) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe, insbesondere zur Vorlage sächlicher Beweismittel, verpflichtet. Über Streitigkeiten entscheidet auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Die Bundesregierung, die Behörden des Bundes sowie die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Grenzen auf Ersuchen verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss sächliche Beweismittel, insbesondere die Akten, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, vorzulegen.

(2) Die Entscheidung über das Ersuchen nach Absatz 1 trifft der zuständige Bundesminister oder die zuständige Bundesministerin, soweit sie nicht durch Gesetz der Bundesregierung vorbehalten ist. Wird das Ersuchen abgelehnt oder werden sächliche Beweismittel als Verschlusssache eingestuft vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der Ablehnung oder der Einstufung schriftlich zu unterrichten. Die Vorlage ist mit einer Erklärung über die Vollständigkeit zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Ersuchens, der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Rechtmäßigkeit einer Einstufung.

(4) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe, insbesondere zur Vorlage sächlicher Beweismittel, verpflichtet. Über Streitigkeiten entscheidet auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Die Bundesregierung, die Behörden des Bundes sowie die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Grenzen auf Ersuchen verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss sächliche Beweismittel, insbesondere die Akten, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, vorzulegen.

(2) Die Entscheidung über das Ersuchen nach Absatz 1 trifft der zuständige Bundesminister oder die zuständige Bundesministerin, soweit sie nicht durch Gesetz der Bundesregierung vorbehalten ist. Wird das Ersuchen abgelehnt oder werden sächliche Beweismittel als Verschlusssache eingestuft vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der Ablehnung oder der Einstufung schriftlich zu unterrichten. Die Vorlage ist mit einer Erklärung über die Vollständigkeit zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Ersuchens, der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Rechtmäßigkeit einer Einstufung.

(4) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe, insbesondere zur Vorlage sächlicher Beweismittel, verpflichtet. Über Streitigkeiten entscheidet auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Die Bundesregierung, die Behörden des Bundes sowie die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Grenzen auf Ersuchen verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss sächliche Beweismittel, insbesondere die Akten, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, vorzulegen.

(2) Die Entscheidung über das Ersuchen nach Absatz 1 trifft der zuständige Bundesminister oder die zuständige Bundesministerin, soweit sie nicht durch Gesetz der Bundesregierung vorbehalten ist. Wird das Ersuchen abgelehnt oder werden sächliche Beweismittel als Verschlusssache eingestuft vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der Ablehnung oder der Einstufung schriftlich zu unterrichten. Die Vorlage ist mit einer Erklärung über die Vollständigkeit zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Ersuchens, der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Rechtmäßigkeit einer Einstufung.

(4) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe, insbesondere zur Vorlage sächlicher Beweismittel, verpflichtet. Über Streitigkeiten entscheidet auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(2) Die Einsetzung erfolgt durch Beschluss des Bundestages.

(3) Ein Untersuchungsverfahren ist zulässig im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Bundestages.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

Tenor

1. Der Antrag der Antragstellerin zu 3. wird verworfen.

2. Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Berechtigung der Bundesregierung, der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2., ein Vorlageersuchen des 1. Untersuchungsausschusses des 18. Deutschen Bundestages (sogenannter NSA-Untersuchungsausschuss) mit dem Hinweis auf entgegenstehende völkerrechtliche Verpflichtungen und den Schutz der Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste abzulehnen.

2

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag. Die Antragstellerin zu 3. besteht aus den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses, die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehören.

I.

3

1. Anlass des Untersuchungsausschussverfahrens waren die im Sommer 2013 durch die britische Zeitung "The Guardian" und die amerikanische Zeitung "The Washington Post" veröffentlichten geheimen Dokumente der National Security Agency (NSA). Aus diesen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die NSA in großem Umfang Daten auch in Deutschland erhoben haben könnte, teilweise in Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst (BND).

4

2. Der BND betrieb gemeinsam mit der NSA unter dem Projektnamen Joint SIGINT Activity in B. eine Kooperation zur Aufklärung von internationalen Fernmeldeverkehren zu Krisenregionen. Dieser Zusammenarbeit lagen ein zunächst als VS-VERTRAULICH und ab August 2016 als offen eingestuftes, aus Verbalnoten bestehendes Geheimschutzabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland sowie ein als STRENG GEHEIM-Schutzwort eingestuftes Memorandum of Agreement (MoA) zugrunde. Das MoA legte die Modalitäten für die gemeinsame Arbeit fest. Eine Aufklärung europäischer Ziele war danach nur beschränkt auf näher bezeichnete Phänomenbereiche zulässig. Auch sollten ausschließlich solche Kommunikationen aufgeklärt werden, an denen kein G 10-geschützter Teilnehmer beteiligt war.

5

Im Rahmen dieser Kooperation durchsuchten BND-Mitarbeiter die aus einem Internetknotenpunkt in F. ausgeleiteten Daten nach von der NSA definierten Merkmalen, den sogenannten Selektoren. Diese Selektoren wurden von B. aus regelmäßig abgerufen und nach entsprechender Prüfung auf eine G 10-Relevanz oder einen Verstoß gegen deutsche Interessen durch den BND in die Erfassungssysteme eingestellt. Aufgrund der hohen Zahl der Selektoren wurde die Prüfung mit Hilfe des vom BND entwickelten Datenfilterungssystems DAFIS durchgeführt.

6

Bereits Ende des Jahres 2005 fiel BND-Mitarbeitern im Rahmen der Prüfung von NSA-Selektoren auf, dass die NSA auch Selektoren übergeben hatte, die nach Einschätzung des BND gegen deutsche Interessen verstießen. Nachdem im Sommer 2013 in der Presse berichtet worden war, dass EU-Vertretungen und auch deutsche Grundrechtsträger von der Fernmeldeaufklärung im Rahmen der Joint SIGINT Activity betroffen seien, führte der BND eine interne Untersuchung der Selektoren durch. Dabei stellte sich heraus, dass die überprüften Selektoren nur zu einem Teil bereits bei der ersten Filterung von der weiteren Verwendung ausgeschlossen und nicht in die Erfassungssysteme übernommen worden waren. Ein anderer Teil war für unterschiedlich lange Zeiträume gesteuert worden.

7

3. Am 20. März 2014 beschloss der Deutsche Bundestag auf Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Einsetzung des NSA-Untersuchungsausschusses. Das Gremium konstituierte sich am selben Tag.

8

Der Untersuchungsauftrag (vgl. BTDrucks 18/843, S. 1 ff.) lautet in den für den streitgegenständlichen Antrag wesentlichen Passagen wie folgt:

Der Untersuchungsausschuss soll - angestoßen insbesondere durch Presseberichterstattung infolge der Enthüllungen von Edward Snowden über Internet- und Telekommunikationsüberwachung - für den Zeitraum seit Jahresbeginn 2001 klären,

I. ob, in welcher Weise und in welchem Umfang durch Nachrichtendienste der Staaten der sogenannten "Five Eyes" (der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, Kanadas, Australiens und Neuseelands) eine Erfassung von Daten über Kommunikationsvorgänge (einschließlich Inhalts-, Bestands- und Verkehrsdaten), deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge (einschließlich Internetnutzung und angelegter Adressverzeichnisse) von, nach und in Deutschland auf Vorrat oder eine Nutzung solcher durch öffentliche Unternehmen der genannten Staaten oder private Dritte erfasster Daten erfolgte beziehungsweise erfolgt und inwieweit Stellen des Bundes, insbesondere die Bundesregierung, Nachrichtendienste oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik von derartigen Praktiken Kenntnis hatten, daran beteiligt waren, diesen entgegenwirkten oder gegebenenfalls Nutzen daraus zogen. (…)

II. ob und inwieweit Daten über Kommunikationsvorgänge und deren Inhalte (mittels Telekommunikation oder Gespräche einschließlich deren Inhalte wie etwa Gesetzentwürfe oder Verhandlungsstrategien) von Mitgliedern der Bundesregierung, Bediensteten des Bundes sowie Mitgliedern des Deutschen Bundestages oder anderer Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, durch Nachrichtendienste der unter Nummer I. genannten Staaten nachrichtendienstlich erfasst oder ausgewertet wurden. (…)

III. ob Empfehlungen zur Wahrung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutzes der informationellen Selbstbestimmung, der Privatsphäre, des Fernmeldegeheimnisses und der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme sowie der sicheren und vertraulichen Kommunikation in der staatlichen Sphäre geboten sind. (…)

9

4. Der Untersuchungsausschuss befasste sich in der Folge zunächst mit den Komplexen der Kooperationsmaßnahmen des BND und der NSA gemäß der Ziffern I. und II. des Untersuchungsauftrags und fasste hierzu mehrere Beweisbeschlüsse.

10

Auf diese Beschlüsse hin erklärte ein Vertreter des Bundesministeriums des Innern in der Ausschusssitzung vom 26. Juni 2014, über Unterlagen ausländischer Nachrichtendienste fehle die Verfügungsberechtigung deutscher Stellen. Eine Vorlage ohne Zustimmung des Herausgebers sei ein Verstoß gegen völkervertragliche Geheimschutzabkommen. Unabhängig von diesen Geheimschutzabkommen könne die Vorlage dieser Unterlagen auch die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Die betroffenen Staaten seien daher zunächst im Wege eines Konsultationsverfahrens um Freigabe der Unterlagen zu ersuchen.

11

Mit Schreiben vom 9. Juli 2014 erklärte das Bundeskanzleramt gegenüber den Regierungen der "Five Eyes"-Staaten die Einleitung des Konsultationsverfahrens. Es stellte die deutsche Rechtslage dar und bat um Unterstützung sowie um Ausführungen zur Rechtsansicht der betroffenen Staaten. Im Nachgang zu diesem Schreiben fanden Besprechungen auf unterschiedlichen Ebenen in Deutschland und in den jeweiligen Staaten statt. Der Untersuchungsausschuss wurde hierüber in der Sitzung am 11. September 2014 unterrichtet.

12

Die Antworten der Staaten fielen unterschiedlich aus. Das Vereinigte Königreich und Australien sahen generell keine Möglichkeit zur Freigabe von Unterlagen. Kanada stimmte dem Konsultationsverfahren im Grundsatz zu. Die Vereinigten Staaten von Amerika und Neuseeland kündigten eine Einzelfallprüfung an. Das Ergebnis der Konsultation mit den Vereinigten Staaten von Amerika wurde dem Untersuchungsausschuss in seiner Sitzung am 25. September 2014 erläutert. Das Antwortschreiben mit entsprechender Arbeitsübersetzung wurde ihm anschließend übermittelt und in der Sitzung vom 9. Oktober 2014 erörtert.

13

5. Nachdem eine Vielzahl geheimhaltungsbedürftiger Informationen in den Medien veröffentlicht worden war und die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ihre Sorge hierüber zum Ausdruck gebracht hatte, bat der Antragsgegner zu 2. mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses um Sensibilisierung der Mitglieder im Umgang mit als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen.

14

6. Aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt erzielten Ergebnisse der Beweiserhebung und weiterer Presseveröffentlichungen fasste der Untersuchungsausschuss am 26. Februar 2015 - auf die Beweisanträge der Antragstellerin zu 3. hin - die Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26, um sämtliche Beweismittel beizuziehen, die

1. Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim Bundesnachrichtendienst darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die National Security Agency im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen (d.h. gegen Menschen in Deutschland oder der EU; dortige deutsche oder europäische bi-, multi- bzw. supranationale Dienststellen oder entsprechend gegen Unternehmen, beispielhaft seien genannt EADS, Eurocopter, französische Behörden, vgl. Süddeutsche Zeitung v. 4.10.2014 "Codewort Eikonal") versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagierten

oder die

2. bei der Erstellung der Schriftstücke des Bundeskanzleramts bzw. des Bundesnachrichtendienstes hinsichtlich der vorgenannten Thematik unter den folgenden Fundstellen zugrunde lagen: MAT A BK-7, Tgb.- Nr. 05/14 streng geheim (auf geheim herabgestuft), Anl. 06, Ordner 135, Bl. 36, Bl. 41, Bl. 120, und die

15

im Organisationsbereich des Bundeskanzleramtes und des BND im Untersuchungszeitraum entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind. Der Untersuchungsausschuss setzte eine Frist bis zum 15. April 2015.

16

7. Das Bundeskanzleramt übermittelte dem Untersuchungsausschuss fristgerecht Beweismaterialien zu den Beweisbeschlüssen BK-14 und BND-26.

17

Am 24. April 2015 wurde das die NSA-Selektorenlisten betreffende Konsultationsverfahren mit den Vereinigten Staaten von Amerika eingeleitet.

18

Nach Fristablauf legte die Antragsgegnerin zu 1. mit Schreiben vom 27. April 2015 zwei weitere, als STRENG GEHEIM eingestufte Ordner zum Beweisbeschluss BND-26 vor. Allerdings ergab sich aus den Inhaltsübersichten der beiden Ordner, dass einzelne Dokumente entnommen worden waren. Anstelle des jeweiligen Dokumentes war ein Fehlblatt eingeheftet. Darüber hinaus waren einzelne Informationen geschwärzt. Zur Begründung der Entnahmen und Schwärzungen wurde angeführt, dass es sich um Originalmaterial ausländischer Nachrichtendienste handele, über welches der BND nicht uneingeschränkt verfügen könne und welches als Verschlusssache eingestuft oder erkennbar geheimhaltungsbedürftig sei. Eine Weitergabe an den Untersuchungsausschuss ohne Einverständnis des Herausgebers würde einen Verstoß gegen die bindenden Geheimschutzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Herausgeberstaat darstellen. Die Nichtbeachtung völkervertraglicher Vereinbarungen könne die internationale Kooperationsfähigkeit Deutschlands stark beeinträchtigen und andere Staaten dazu veranlassen, ihrerseits völkervertragliche Vereinbarungen mit Deutschland in Einzelfällen zu ignorieren und damit deutschen Interessen zu schaden. Eine Freigabe zur Vorlage an den Untersuchungsausschuss durch den ausländischen Nachrichtendienst liege gegenwärtig noch nicht vor.

19

Im Hinblick auf die NSA-Selektorenlisten gelangten die Antragsgegner zu der Einschätzung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika erst nach Prüfung und Abwägung über die Herausgabe an den Untersuchungsausschuss entscheiden würden. Daher übermittelte die Antragsgegnerin zu 1. dem Untersuchungsausschuss am 30. April 2015 zunächst ein schriftliches Testat des BND zu den Erkenntnissen über die NSA-Selektorenlisten.

20

8. Die Antragstellerin zu 3. beantragte am 21. Mai 2015 (Ausschussdrucksache 373), der Untersuchungsausschuss möge die Antragsgegnerin zu 1. durch Beschluss auffordern,

die aus den beigezogenen Beweismitteln zum Beweisbeschluss BND-26 entnommen[en] Listen mit Steuerungs- und Telekommunikationsmerkmalen (Selektoren) dem 1. Untersuchungsausschuss umgehend vorzulegen.

21

In seiner Sitzung am 11. Juni 2015 fasste der Untersuchungsausschuss über den Antrag der Antragstellerin zu 3. einen Beschluss und forderte die Antragsgegnerin zu 1. auf, bis zum 18. Juni 2015 die NSA-Selektorenlisten vorzulegen oder die Ablehnung zu begründen.

22

9. Mit einem überwiegend als GEHEIM eingestuften Schreiben vom 17. Juni 2015 lehnte der Antragsgegner zu 2. die Vorlage der NSA-Selektorenlisten ab.

23

In dem nicht eingestuften Abschnitt IV des Schreibens wird ausgeführt, es sei auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, dass die US-Regierung einer Weitergabe ausdrücklich zustimmen werde. Daher sei die Antragsgegnerin zu 1. über die bisherigen Aktivitäten hinaus bereit, zur verfassungskonformen Erfüllung des Beweisbeschlusses und vor dem Hintergrund der völkerrechtlichen Verpflichtungen eine in ihrer Bewertung unabhängige sachverständige Vertrauensperson einzusetzen, welche die Dokumente, die dem Beweisbeschluss BND-26 unterfielen und dem Untersuchungsausschuss bisher aufgrund der bezeichneten Gründe nicht zur Verfügung gestellt worden seien, untersuchen und dem Untersuchungsausschuss darüber Bericht erstatten solle.

24

10. Am 18. Juni 2015 fasste der Untersuchungsausschuss auf Antrag der Ausschussmitglieder der Fraktionen von CDU/CSU und SPD folgenden Beschluss zur Einsetzung einer sachverständigen Vertrauensperson (Ausschussdrucksache 385):

1. Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundeskanzleramts vom 17. Juni 2015 zur Erfüllung des Beweisbeschlusses BND-26 und unter Abwägung des vom Deutschen Bundestag beschlossenen Untersuchungsauftrags mit der auch dem Parlament obliegenden Beachtung von Belangen des Staatswohls (vgl. etwa: BVerfGE 124, S. 78, 123 f.) bewertet der 1. Untersuchungsausschuss die Entscheidung der Bundesregierung als sachgerecht, einer vom Parlament zu benennenden unabhängigen sachverständigen Vertrauensperson Einsicht in die notwendigen Unterlagen zu gewähren.

2. Der Untersuchungsausschuss erwartet, dass die von ihm benannte Vertrauensperson

- die von der Bundesregierung im Rahmen der Vorlage zu Beweisbeschluss BND-26 unter Berufung auf Staatswohlbelange und Konsultationsverpflichtungen vorläufig entnommenen so genannten "Selektorenlisten" im Bundeskanzleramt vollständig sichtet sowie unabhängig und weisungsfrei bewertet,

- dem Untersuchungsausschuss über ihre Tätigkeit und Erkenntnisse umfassend Bericht erstattet und

- für eine Erörterung mit den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses im Rahmen einer förmlichen Anhörung als Sachverständige gemäß § 28 PUAG eine entsprechende Aussagegenehmigung erhält.

(…)

5. Die Einsichtnahme und gutachterliche Stellungnahme soll als Beitrag zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages der Klärung der Frage dienen, ob bei der Kooperation des BND mit Diensten der "Five Eyes"-Staaten im Bereich der Fernmeldeaufklärung von Routineverkehren öffentliche Stellen des Bundes dazu beigetragen haben, dass deutsche Grundrechtsträger Gegenstand der Kommunikationserfassung durch Dienste der "Five Eyes"-Staaten, insbesondere im Bereich von Spionage zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen, werden konnten. Geprüft werden soll weiterhin, ob und in welchem Maße im Rahmen dieser Kooperation gegen "deutsche Interessen" verstoßen worden ist, insbesondere, in welchem Ausmaß politische Spionage gegen Personen bzw. Dienststellen europäischer Mitgliedstaaten, gegen EU-Institutionen oder andere entsprechende Stellen erfolgt sein könnte.

Die Vertrauensperson soll im Rahmen der genannten Fragestellung jeweils gutachterlich Stellung nehmen

- zur Zahl der von ihr festgestellten einschlägigen Selektoren oder Suchbegriffe;

- zur Art und Weise von deren Filterung und Ermittlung durch den BND und dazu, ob und welche Feststellungen möglich sind zur Dauer von deren tatsächlicher Nutzung;

- zur Systematik der unzulässig eingebrachten Selektoren und Suchbegriffe und dazu, ob und welche Daten aufgrund solcher Selektoren oder Suchbegriffe erfasst sowie gegebenenfalls übermittelt wurden;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen die einschlägigen bilateralen Vereinbarungen;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen deutsche Interessen;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen deutsches Recht.

(…)

9. Der Untersuchungsausschuss behält sich vor, nach Abschluss des hier beschriebenen Verfahrens weitere Schritte zur Wahrung seiner verfassungsrechtlichen Rechte aus Art. 44 GG einzuleiten, sollte er zu dem Schluss gelangen, dass den parlamentarischen Rechten im durchgeführten Verfahren nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen worden ist.

(…)

25

Am 2. Juli 2015 beschloss der Untersuchungsausschuss gegen die Stimmen der Antragstellerin zu 3., Herrn RiBVerwG a.D. G. als sachverständige Vertrauensperson zu benennen. Entsprechend bestimmte das Bundeskabinett in seiner Sitzung am 8. Juli 2015 Herrn RiBVerwG a.D. G. zur sachverständigen Vertrauensperson und teilte dies mit Schreiben des Antragsgegners zu 2. vom 8. Juli 2015 dem Untersuchungsausschuss mit.

26

Am 23. Oktober 2015 legte die sachverständige Vertrauensperson ihren Bericht "Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation "Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses BND-26" in einer offenen sowie in zwei VS-eingestuften Fassungen vor und erläuterte diesen Bericht in der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 5. November 2015.

II.

27

Mit Schriftsatz vom 16. September 2015 haben die Antragstellerinnen ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihrem Antrag begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. die Rechte des Bundestages aus Art. 44 GG verletzt haben, indem sie es abgelehnt hätten, sämtliche Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherte Daten und sonstige sächliche Beweismittel vorzulegen, die Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim BND darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die NSA der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagierten.

28

1. Die Antragstellerinnen sehen ihren Antrag als zulässig an.

29

a) Sie seien parteifähig.

30

aa) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. seien als Fraktionen des Deutschen Bundestages gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG parteifähig. Fraktionen seien Teile und ständige Gliederungen des Bundestages, die durch dessen Geschäftsordnung anerkannt und mit eigenen Rechten ausgestattet seien. Sie seien befugt, im eigenen Namen auch Rechte des Bundestages geltend zu machen.

31

Die Antragstellerinnen seien darüber hinaus gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 [BGBl I S. 1237], zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 23. April 2014 [BGBl I S. 534]) parteifähig. Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG sei eine Einsetzungsminderheit von einem Viertel der Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Organstreitverfahren als mit eigenen Rechten ausgestatteter Organteil parteifähig. Dieses Recht werde durch § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT, mithin durch das Geschäftsordnungsrecht eines obersten Bundesorgans, auf eine Zahl von 120 Mitgliedern des Deutschen Bundestages ausgedehnt. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. stellten zusammen 127 Abgeordnete und seien daher in ihrer Gesamtheit parteifähig.

32

bb) Aufgrund des § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT sei auch die Antragstellerin zu 3. parteifähig. Sie sei als Vertreterin einer Einsetzungsminderheit nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT anzusehen. Zudem sei die Antragstellerin zu 3. nach § 18 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG vom 19. Juni 2001 [BGBl I S. 1142], zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 [BGBl I S. 718]) parteifähig, denn sie bilde ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Dass das Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach § 18 Abs. 3 PUAG zugleich eine Einsetzungsminderheit von einem Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages im Ausschuss repräsentieren müsse, werde nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht vorausgesetzt.

33

b) Die Antragstellerinnen seien berechtigt, im Organstreit die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung von Rechten des gesamten Parlaments in Prozessstandschaft geltend zu machen. Für die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. folge dies aus § 64 Abs. 1 BVerfGG und für die Antragstellerin zu 3. aus § 18 Abs. 3 PUAG. Zudem seien die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. aufgrund ihrer Stellung als Einsetzungsminderheit gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT und die Antragstellerin zu 3. als Vertreterin einer solchen Einsetzungsminderheit im Ausschuss antragsbefugt.

34

2. Der Antrag sei begründet. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten die Rechte des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG verletzt, indem sie die vollständige Aktenvorlage nach Maßgabe der Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26 unter Hinweis auf angebliche Geheimschutzbelange ausländischer Staaten abgelehnt hätten.

35

a) Die Weigerung sei nicht von einer verfassungsrechtlichen Schranke des Aktenvorlagerechts gedeckt.

36

aa) Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten sich vorprozessual darauf berufen, die Bundesrepublik Deutschland sei völkerrechtlich verpflichtet, die aus den vorgelegten Akten entfernten Bestandteile, die von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika übergebene Verschlusssachen darstellten, nicht herauszugeben. Diese Pflicht solle sich aus dem als Verschlusssache eingestuften Geheimschutzabkommen vom 23. Dezember 1960 ergeben. Dieses sei normativ aber nicht geeignet, das verfassungskräftige Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages auszuschließen.

37

Das Geheimschutzabkommen sei ein bloßes Verwaltungsabkommen. Es sei nicht durch eine Rechtsverordnung oder Richtlinie vollzogen worden, so dass es keinen Eingang in die deutsche Rechtsordnung gefunden habe.

38

Das Geheimschutzabkommen könne aber auch dann nicht das Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG ausschließen, wenn es sich um einen Vertrag im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG handelte. Ungeachtet des Umstandes, dass es an der Zustimmung oder Mitwirkung des Deutschen Bundestages fehle, hätte das Abkommen innerstaatlich nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.

39

bb) Für die Berücksichtigungsfähigkeit im Sinne eines Ausschlussgrundes fehle es dem Geheimschutzabkommen auch deshalb an der erforderlichen Qualität als Außenrecht, weil es eine Verschlusssache darstelle. Völkerrecht könne nur dann berücksichtigt werden, wenn es Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung geworden sei. Innerstaatliches Recht aber müsse das Kriterium der Publizität erfüllen.

40

cc) Letztlich ergebe eine Auslegung des Abkommens gemäß Art. 31, 32 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, dass kein vertraglicher Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika vereinbart worden sei. Dies belege bereits der Wortlaut des Geheimschutzabkommens. Es werde zwar die Weitergabe von Verschlusssachen zwischen den Regierungen geregelt. Der Bundesregierung werde aber nicht untersagt, Verschlusssachen der Vereinigten Staaten von Amerika dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis zu geben. Gegenstand des Abkommens sei allein die Festlegung des Übermittlungsverfahrens. Des Weiteren wäre es mit dem Sinn und Zweck des Geheimschutzabkommens nicht zu vereinbaren, mit dem Wort "Regierung" nur die Exekutive erfasst zu sehen. Sowohl die Vereinigten Staaten von Amerika als auch die Bundesrepublik Deutschland seien demokratisch verfasste Staaten mit einer starken Tradition der parlamentarischen Kontrolle. Keine der beiden Regierungen sei verfassungsrechtlich ermächtigt, die parlamentarische Kontrolle ihrer Geheimdienste auszuschließen oder zu verkürzen.

41

dd) Auch die "Third Party Rule" stehe einer Vorlage von Informationen an ein eigenständiges staatliches Kontrollorgan mit eigener Geheimschutzfähigkeit - wie dem Untersuchungsausschuss - nicht entgegen. Die Antragsgegner beriefen sich zu Unrecht auf den Zweckbindungsgrundsatz, da eine Verarbeitung oder Nutzung von Daten für andere Zwecke nicht vorliege, wenn sie der Wahrnehmung von Aufsichts- und Kontrollrechten dienten. Die parlamentarische Kontrolle sei Annex zu dem ursprünglichen Verwendungszweck.

42

b) Ungeachtet dessen unterlägen die Staatswohlbelange, die sich nach der Auffassung der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. aus der vorgeblichen Völkerrechtsverletzung ergeben sollten, der Abwägung mit dem Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages. Die Einschränkung der Aktenvorlage erweise sich als unangemessen. Im Ergebnis überwiege das parlamentarische Informationsinteresse.

43

aa) Die Achtung der Souveränität sowie des Existenz- und Selbsterhaltungsrechts des ausländischen Staates sei ein gewichtiges Rechtsgut. Es sei jedoch zu bezweifeln, dass dieses Rechtsgut ernstlich beeinträchtigt würde, wenn die begehrte Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss erfolgte. Letztlich gehe es bei dem Beweisthema nicht um eine bestimmte Form der Auslandsaufklärung eines Nachrichtendienstes der Vereinigten Staaten von Amerika, mithin nicht um Informationen über die militärische Verteidigung oder den Zivilschutz. Zudem könnten die Antragsgegner die Aktenvorlage nur verweigern, wenn der Untersuchungsausschuss nicht den von ihnen für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleiste. Es sei nicht erkennbar, dass beim Untersuchungsausschuss das Risiko der Indiskretion in einem größeren Umfang bestehe als bei der deutschen Exekutive, die von Verschlusssachen durch die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika bewusst in Kenntnis gesetzt worden sei. Dass es Indiskretionen gegeben habe, könne dem Untersuchungsausschuss nicht zur Last gelegt werden.

44

bb) Von dem Belang der staatlichen Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika zu trennen sei die von den Antragsgegnern geltend gemachte Erwägung, eine Indiskretion könne dazu führen, dass die Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten von Amerika und gegebenenfalls weiterer Staaten ihre Zusammenarbeit mit dem BND einstellen könnten. Diese Erwägung sei bereits unzureichend begründet worden. Dass die amerikanischen Dienste den Informationsaustausch mit den deutschen Diensten einstellten, müsse als höchst unwahrscheinlich gelten. Weiterhin sei zu beachten, dass der nachrichtendienstliche Informationsfluss niemals einseitig sei und im Falle einer Reduzierung der Zusammenarbeit dies auch zu negativen Konsequenzen für die nachrichtendienstliche Arbeit der Vereinigten Staaten von Amerika führen könne.

45

cc) Das Interesse des Deutschen Bundestages an der vollständigen Aktenvorlage überwiege die dargelegten Belange des Staatswohls. Ihm komme dann besonders hohes Gewicht zu, wenn es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung gehe. Dies sei vorliegend in qualifizierter Weise der Fall. Mit der Kenntnis deutscher Stellen von einer Telekommunikationsüberwachung zulasten deutscher Ziele und deutscher Interessen und erst recht mit der Mitwirkung deutscher Stellen hieran seien massenhafte Eingriffe in die Fernmeldefreiheit gemäß Art. 10 Abs. 1 GG verbunden. Aus Art. 10 Abs. 1 GG ergebe sich nicht nur ein Verbot, in den Telekommunikationsverkehr einzugreifen; aus dieser Verfassungsnorm folgten auch staatliche Schutzpflichten. Ohne die Kenntnis der Selektorenlisten könnten die Angaben aus dem Bereich der Antragsgegnerin zu 1. nicht überprüft und hinterfragt werden. Zudem seien bei der Untersuchung politischer Vorgänge Akten ein besonders wichtiges Beweismittel.

46

dd) Dass die Antragsgegnerin zu 1. im Benehmen mit dem Untersuchungsausschuss eine Vertrauensperson beauftragt habe, Einsicht in die nicht vorgelegten Verschlusssachen zu nehmen und Bericht zu erstatten, mindere das parlamentarische Informationsinteresse nicht. Die Erkenntnismöglichkeit des Untersuchungsausschusses werde damit gegenüber dem Ersuchen aus den Beweisbeschlüssen deutlich eingeschränkt. Die rechtliche und politische Bewertung der nicht vorgelegten Aktenbestandteile obliege nunmehr allein der sachverständigen Vertrauensperson. Diese sei zudem von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzt worden, was ihre Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit und Unparteilichkeit gefährde.

47

3. Die Antragstellerinnen verweisen zur Begründung ihrer Ansicht, das Geheimschutzabkommen könne das parlamentarische Recht auf Aktenvorlage nicht einschränken, auf ein der Antragsschrift als Anlage beigefügtes Gutachten "Zur Vereinbarkeit des Abschlusses von Geheimschutzabkommen ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages mit dem Grundgesetz und zur Auslegung derartiger Abkommen am Beispiel des Abkommens mit dem Vereinigten Königreich", erstattet im Auftrag der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von Prof. Dr. W. und Ass. iur. L. vom 28. Juli 2015.

III.

48

Nach Auffassung der Antragsgegner ist der Antrag unbegründet. Das parlamentarische Informations- und Kontrollrecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG sei entsprechend der Vorgaben der Verfassung beachtet und Rechte der Antragstellerinnen seien nicht verletzt worden.

49

1. Würden die streitgegenständlichen, dem Untersuchungsausschuss nicht vorgelegten Informationen öffentlich bekannt, so würde dies die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährden. Es sei zu befürchten, dass alle unmittelbar betroffenen US-amerikanischen Nachrichtendienste ihre Informationsübermittlung an alle deutschen Nachrichtendienste einschränken würden. Darüber hinaus sei zu befürchten, dass auch Dienste anderer Staaten sich gezwungen sähen, ihrerseits das Weitergabeverhalten an die deutschen Dienste einzuschränken oder gar einzustellen. Deutsche Nachrichtendienste würden international als nicht mehr vertrauenswürdig angesehen.

50

a) Damit der Staat seine Schutzpflichten erfüllen könne, sei er unter anderem auf nachrichtendienstliche Informationen angewiesen. Die streitgegenständlichen Selektoren seien für die technische Fernmeldeaufklärung des BND vorgesehen. Bei der Fernmeldeaufklärung (Signal Intelligence - SIGINT) handele es sich um eine besonders wertvolle Form der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung, da sie kurzfristig auf relevante Ziele ausgerichtet werden könne, die Betroffenen diese nicht bemerkten und die Informationen in der Regel authentisch seien sowie keine Anwesenheit vor Ort mit persönlichem Risiko für die Quelle bestehe.

51

Grundvoraussetzung der SIGINT-Maßnahmen sei jedoch der Einsatz geeigneter Selektoren. Die Suche nach geeigneten Selektoren, insbesondere im Bereich des Terrorismus und im Bereich der sicherheitspolitischen Aufklärung krisenhafter außenpolitischer Entwicklungen, gestalte sich schwierig. Selektorenlisten beschrieben umfassend das Aufklärungsprofil eines Nachrichtendienstes. Selektoren seien daher als die sensibelsten Informationen aus dem Bereich der nachrichtendienstlichen technischen Aufklärung anzusehen.

52

Zudem handele es sich bei den streitgegenständlichen Selektoren nicht um Selektoren des BND. Dieser habe lediglich bestimmte Selektoren, die die NSA zur Verfügung gestellt habe, ausgesondert. Die besondere Sensibilität für den Kooperationspartner entfalle damit jedoch nicht.

53

b) Um am internationalen nachrichtendienstlichen Informationsaustausch teilnehmen zu können, seien deutsche Nachrichtendienste an die "Third Party Rule" gebunden. Diese sei eine "fundamentale Grundregel" nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit. Hiernach dürften Informationen nur mit dem Einverständnis des Urhebers an Dritte weitergegeben oder zu einem anderen Zweck verwendet werden. Der Begriff des "Dritten" sei besonders weit auszulegen und umfasse in der Regel alle Bereiche außerhalb des Nachrichtendienstes. Akzeptiert werde allenfalls die Weitergabe an die vorgesetzte Behörde im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht. In Einzelfällen wiesen die Dienste sogar darauf hin, dass nicht einmal andere Nachrichtendienste des eigenen Landes ohne Zustimmung des Herausgebers als berechtigte Empfänger angesehen werden dürften. Die Informationen unterlägen schließlich einer Zweckbindung. Im nachrichtendienstlichen Kontext erfolge die Übermittlung üblicherweise nur als Hintergrundinformation, das heißt, dass die Informationen des ausländischen Dienstes mit den eigenen Informationen abgeglichen werden, sie bestätigen oder ihnen entgegenstehen könnten. Soweit sie noch nicht bekannt seien, könnten Informationen Anlass für eigene Aufklärungen sein. Eine Nutzung für andere als nachrichtendienstliche Zwecke, insbesondere für die Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung, sei hingegen nicht erlaubt und zustimmungsbedürftig.

54

Die "Third Party Rule" diene vor allem der Sicherung des Quellenschutzes. Für den empfangenden Nachrichtendienst sei nicht erkennbar, auf welche Weise - durch menschliche Quellen oder technisches Aufkommen - die Information gewonnen worden sei und welche Risiken bei der Nutzung auftreten könnten. Dies könne nur der Herausgeber beurteilen.

55

Die "Third Party Rule" sei Grundlage der internationalen Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten. Sie beanspruche als Staatspraxis internationale Geltung und spiegele sich auch in den Regelungen internationaler Konventionen wider. Ihr Rechtsgedanke finde sich auch im deutschen Recht in § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz - PKGrG vom 29. Juli 2009 [BGBl I S. 2346]) und sei vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29. April 2015 - 20 F 8.14 - sowie in der Literatur anerkannt.

56

Die "Third Party Rule" sei schließlich völkervertragsrechtlich in dem Geheimschutzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika fixiert.

57

Soweit es um die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands gehe, sei zwar nicht von einem absoluten Verbot der Weitergabe von Informationen an parlamentarische Kontrollgremien auszugehen. Bei völkerrechtskonformer Auslegung des Abkommens und angesichts der "Third Party Rule" bestehe aber eine Konsultationspflicht der Bundesregierung.

58

c) Der im Geheimschutzabkommen enthaltene Zustimmungsvorbehalt löse nicht das Erfordernis eines Vertragsgesetzes gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG aus. Weder betreffe das Konsultationsverfahren einen Gegenstand der Bundesgesetzgebung, noch liege ersichtlich eine Regelung der politischen Beziehungen des Bundes vor. Das Geheimschutzabkommen sei ein Verwaltungsabkommen. Der Umstand, dass es sich bei ihm um eine Verschlusssache handele, schließe eine innerstaatliche Rechtswirkung nicht aus. Aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG resultiere eine Publikationspflicht nur für Vorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten. Aus dem Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika ergäben sich jedoch keine unmittelbaren Bindungswirkungen im Staat-Bürger-Verhältnis.

59

2. Die Antragsgegnerin zu 1. müsse von Verfassungs wegen eine praktische Konkordanz zwischen der besonderen Bedeutung des parlamentarischen Untersuchungsrechts und der Pflicht zur Vermeidung schwerer Staatswohlgefährdungen durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen herstellen. Beide durch die Verfassung geschützten Rechtsgüter seien so zuzuordnen, dass sie weitestmögliche Wirkung entfalten könnten.

60

Die Antragsgegnerin zu 1. habe das Konsultationsverfahren eingeleitet und den Untersuchungsausschuss fortlaufend informiert. Aufgrund der Reaktionen der Vereinigten Staaten von Amerika habe die Antragsgegnerin zu 1. die Gefahr einer rechtswidrigen Weitergabe an und Veröffentlichung von Selektoren durch die Presse einbeziehen müssen. Bei der Einschätzung der Gefahr sei zu berücksichtigen, dass bereits eine große Anzahl von Unterlagen nach einer Übersendung an den Untersuchungsausschuss veröffentlicht worden sei. Diese Veröffentlichungen seien unabhängig von der Art und Weise erfolgt, in der die Informationen zugänglich gemacht worden seien (mündliche Offenlegung gegenüber einem begrenzten Personenkreis, Einsichtnahme ohne Übersendung), und welchem Geheimhaltungsgrad sie unterfielen. Zwar solle nicht in Abrede gestellt werden, dass im Einzelfall eine rechtswidrige Weitergabe auch aus der Sphäre der Antragsgegnerin zu 1. erfolgt sein könne. Maßgeblich sei aber allein, dass das faktische Risiko einer rechtswidrigen Weitergabe und einer anschließenden Veröffentlichung durch die Medien nach Übermittlung an den Untersuchungsausschuss ungleich höher sei, als es dies bei einem Verbleib bei den zuständigen Stellen der Antragsgegnerin zu 1. wäre.

61

Die Einschätzung der Gefährdungslage stelle eine Prognoseentscheidung dar, bei der unter Anwendung des Gebots der bestmöglichen Sachaufklärung die Stellungnahme der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und die diesen zu entnehmenden Folgen sowie deren zu erwartende Auswirkungen auf die deutsche Sicherheitslage zu beachten seien. Es seien nicht bloße Unannehmlichkeiten zu erwarten, sondern massive Beeinträchtigungen.

62

Aus diesem Grund habe die Antragsgegnerin zu 1. zur Befriedigung des Informationsinteresses bei gleichzeitiger Wahrung der berechtigten Geheimhaltungsinteressen die Einsetzung einer sachverständigen Vertrauensperson vorgeschlagen. Die unabhängige sachverständige Vertrauensperson sei die Form der Informationsvermittlung, welche das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung der berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Regierung bestmöglich befriedige. Um die in der Staatspraxis anerkannte "Third Party Rule" sowie das Geheimschutzabkommen nicht zu verletzen, sollte der Ausschuss zwar über Person und Auftrag befinden, die Regierung aber die Vertrauensperson einsetzen. Denn bei einer von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzten Vertrauensperson erfolge keine Übermittlung an das Parlament und damit keine Verletzung der "Third Party Rule" sowie des Geheimschutzabkommens.

63

3. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten ihrer Begründungspflicht Genüge getan. Sie hätten den Untersuchungsausschuss, nötigenfalls in vertraulicher Sitzung, detailliert und umfassend über die Natur der zurückgehaltenen Informationen und die Notwendigkeit zur Geheimhaltung unterrichtet. Sie hätten ihm die Möglichkeit gegeben, eine unabhängige sachverständige Vertrauensperson zu benennen, um die vom Untersuchungsausschuss gewünschten Untersuchungen durchzuführen.

IV.

64

Der Senat hat gemäß § 66a Satz 1 BVerfGG aus Geheimschutzgründen (vgl. BTDrucks 14/9220 S. 5) von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

65

Soweit es sich bei den von den Beteiligten vorgelegten Akten um Verschlusssachen handelt, wird deren Inhalt nicht wiedergegeben.

B.

66

Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ist zulässig; der Antrag der Antragstellerin zu 3. ist unzulässig.

I.

67

Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht ist für die hier umstrittenen Fragen der Beweiserhebung durch den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5 BVerfGG eröffnet.

II.

68

Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG muss der Antragsgegenstand eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners sein, durch die der Antragsteller oder das Organ, dem er angehört, in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

69

Dem Wortlaut ihres Antrages zufolge begehren die Antragstellerinnen die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. die dem Deutschen Bundestag nach Art. 44 GG zustehenden verfassungsmäßigen Rechte verletzt haben, indem sie es abgelehnt hätten, dem Untersuchungsausschuss sämtliche Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherten Daten und sonstige sächliche Beweismittel vorzulegen, die Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim BND darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die NSA der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagiert haben. Auf welche dem Untersuchungsausschuss vorenthaltenen Beweismittel sich der Antrag bezieht, ist angesichts der Formulierung "sämtliche" konkretisierungsbedürftig.

70

Das Bundesverfassungsgericht ist dabei an die Wortfassung der gestellten Anträge nicht gebunden (vgl. BVerfGE 1, 14 <39>; 68, 1 <68>; 106, 51 <59 f.>). Entscheidend ist vielmehr der eigentliche Sinn des mit dem Antrag verfolgten prozessualen Begehrens. Damit ist auch die Begründung des Antrages zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 68, 1 <68>).

71

Aus der Antragsbegründung und dem Zusammenhang, in dem die Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses gestellt worden waren, ergibt sich, dass die Antragstellerinnen die Verletzung von Rechten des Bundestages in der Nichtvorlage der NSA-Selektorenlisten sehen. Sie führen in ihrer Antragsbegründung aus, die Antragsgegnerin zu 1. habe die Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26 nur teilweise erfüllt, so dass sie durch den weiteren Beschluss des Untersuchungsausschusses vom 11. Juni 2015 aufgefordert worden sei, die aus den beigezogenen Beweismitteln zum Beweisbeschluss BND-26 entnommenen Unterlagen, das heißt die Listen mit Steuerungs- und Telekommunikationsmerkmalen, vorzulegen. Daraus folgt, dass die Antragsgegnerin zu 1. zur Vorlage der NSA-Selektorenlisten aufgefordert worden ist, was sie mit Schreiben vom 17. Juni 2015 abgelehnt hat. Nach dem - unwidersprochen gebliebenen - schriftsätzlichen Vorbringen der Antragsgegner ist der Beweisbeschluss BND-26 bis auf die Vorlage der NSA-Selektorenlisten umfassend erfüllt worden.

III.

72

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind jeweils für sich als Fraktionen (a) und in der Gesamtheit ihrer Mitglieder parteifähig (b).

73

a) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig, da sie als Fraktionen des Deutschen Bundestages sowohl von der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages als auch von der Verfassung anerkannte Teile des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag sind (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 58, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen; stRspr).

74

b) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind zugleich in der Gesamtheit ihrer Mitglieder gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT parteifähig.

75

Art. 44 Abs.1 Satz 1 GG gibt dem Bundestag das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Damit erhält das Parlament die Möglichkeit, sich ohne Einflussnahme von Regierung und Verwaltung über Angelegenheiten zu informieren, deren Kenntnis es zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Das Schwergewicht der Untersuchungen liegt regelmäßig in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung. War das Untersuchungsrecht im System der konstitutionellen Monarchie noch in erster Linie ein Instrument des gewählten Parlaments gegen die monarchische Exekutive, so hat es sich unter den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems maßgeblich zu einem Recht der Opposition auf eine Sachverhaltsaufklärung unabhängig von der Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit entwickelt (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>; 105, 197 <222>; zum sogenannten neuen oder innerparlamentarischen Dualismus vgl. auch BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 87, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Dementsprechend ist das parlamentarische Untersuchungsrecht durch das Grundgesetz bewusst als Minderheitenrecht ausgestaltet (vgl. BVerfGE 49, 70 <86 f.>; 67, 100 <126>).

76

Vor diesem Hintergrund ist eine Einsetzungsminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, die sich in dem Rechtsakt der Stellung eines Antrags gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG als ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages konstituiert hat (sogenannte konkrete Einsetzungsminderheit; vgl. BVerfGE 67, 100 <124>; 105, 197 <220>; 124, 78 <106 f.>), vom Grundgesetz als Träger kompetenzieller Rechte ausgewiesen (vgl. BVerfGE 124, 78 <107>) und daher parteifähig.

77

Mit eigenen Rechten ausgestattetes Organteil im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ist aber auch die sogenannte potentielle Einsetzungsminderheit (vgl. BVerfGE 105, 197 <220, 224 f.>; auch BVerfGE 113, 113 <121>). Die einsetzungsberechtigte Minderheit muss sich nicht mit einem eigenen Untersuchungsantrag konstituieren. Wäre dies von Verfassungs wegen gefordert, so müsste die einsetzungsberechtigte Minderheit praktisch jeder Mehrheitsenquete eine eigene Minderheitsenquete entgegensetzen, entweder parallel zur Einsetzung der Mehrheitsenquete oder später im Fall eines Konflikts über Beweiserhebungen. Die potentielle Einsetzungsminderheit behält deshalb selbst dann ihre Verfahrensrechte aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn sie zunächst ausdrücklich gegen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gestimmt hat. Folglich genügt es, wenn sich die einsetzungsberechtigte Minderheit mit einem eigenen Untersuchungsantrag konstituieren könnte (vgl. BVerfGE 105, 197 <224 f.>).

78

Voraussetzung der Parteifähigkeit ist hiernach das Erreichen des in Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG genannten Quorums.

79

Die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehörenden Mitglieder erreichen freilich weder für sich noch zusammen ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Antragstellerin zu 1. hat 64 Sitze und die Antragstellerin zu 2. verfügt über 63 Sitze im Deutschen Bundestag, so dass die Antragstellerinnen zusammen lediglich 127, das heißt gut 20% der - im Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses vorhandenen - 631 Sitze des Deutschen Bundestages erreichen.

80

Die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehörenden Mitglieder werden jedoch durch das Geschäftsordnungsrecht mit eigenen Rechten im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ausgestattet. Nach § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT ist für die Dauer der 18. Wahlperiode auf Antrag von 120 der Mitglieder des Bundestages ein Untersuchungsausschuss gemäß Art. 44 GG einzusetzen. Im Hinblick auf die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen weicht die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages damit vom Viertelquorum des Art. 44 Abs. 1 GG ab und erfordert geschäftsordnungsrechtlich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bereits auf Verlangen von 120 Abgeordneten.

81

2. Die Antragstellerin zu 3. ist gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT parteifähig.

82

Der Regelungsgehalt von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG erschöpft sich nicht in der Pflicht des Bundestages, auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die bei der Einsetzung des Ausschusses von Verfassungs wegen vorhandene Spannung zwischen Mehrheit und qualifizierter Minderheit setzt sich daher im Untersuchungsverfahren fort (vgl. BVerfGE 105, 197 <223>). Art. 44 GG wirkt insoweit in den Untersuchungsausschuss hinein. Die in den Untersuchungsausschuss entsandten Abgeordneten einer Fraktion oder mehrerer Fraktionen, die allein oder zusammen mindestens ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages umfassen, repräsentieren den einsetzungsberechtigten Teil des Deutschen Bundestages im Ausschuss jedenfalls so lange, wie kein Dissens zwischen der jeweiligen Fraktion und ihren Vertretern im Ausschuss erkennbar ist (sogenannte Fraktion im Ausschuss; vgl. BVerfGE 105, 197 <220 f.>; 113, 113 <121>).

83

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. in der Gesamtheit ihrer Mitglieder werden im Untersuchungsausschuss durch die Antragstellerin zu 3. repräsentiert, so dass diese ebenfalls ihre Parteifähigkeit aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT ableiten kann.

IV.

84

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind antragsbefugt; die Antragstellerin zu 3. ist nicht antragsbefugt.

85

1. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

86

Der Organstreit zielt auf die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten von Verfassungsorganen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG). Die als verletzt geltend gemachte Rechtsposition muss in einem Verfassungsrechtsverhältnis gründen (vgl. BVerfGE 118, 277 <318>; 131, 152 <191>). Ein Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor, wenn auf beiden Seiten des Streits Verfassungsorgane oder Teile von Verfassungsorganen stehen und um verfassungsrechtliche Positionen streiten (vgl. BVerfGE 118, 277 <318>). Rechte, die sich lediglich auf Vorschriften einfachen Gesetzesrechts oder der Geschäftsordnung stützen, reichen für die Begründung der Antragsbefugnis nicht aus (vgl. BVerfGE 118, 277 <319>; 131, 152 <191>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 79, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

87

Die Antragstellerinnen beanstanden die Weigerung der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2., an sie gerichtete Beweisbeschlüsse zu erfüllen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des aus Art. 44 Abs. 1 GG abzuleitenden Beweiserhebungsrechts des Deutschen Bundestages und der Verpflichtung der Bundesregierung zur Aktenvorlage. Träger des Untersuchungsrechts und damit Herr des Untersuchungsverfahrens ist der Deutsche Bundestag als Ganzer (vgl. BVerfGE 124, 78 <114>). Da das Plenum selbst die mit dem Untersuchungsrecht verbundenen Befugnisse nicht wahrnehmen kann, bedient es sich nach der Bestimmung des Art. 44 Abs. 1 GG des Untersuchungsausschusses (vgl. BVerfGE 67, 100 <125>; 105, 197 <220>; 113, 113 <121 f.>). Aufgabe der Untersuchungsausschüsse ist es, das Parlament bei seiner Arbeit zu unterstützen und seine Entscheidungen vorzubereiten (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>). Das Untersuchungsrecht aus Art. 44 Abs. 1 GG bleibt auch nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses Sache des Parlaments in seiner Gesamtheit (vgl. BVerfGE 105, 197 <220>; 113, 113 <121>).

88

Innerhalb des durch die Verfassung und das Untersuchungsausschussgesetz sowie die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gesteckten Rahmens und innerhalb des durch den Einsetzungsbeschluss des Plenums vorgegebenen Untersuchungsauftrags ist ein Untersuchungsausschuss in der Gestaltung seines Verfahrens frei. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ermächtigt den Untersuchungsausschuss, die in Verfolgung des Untersuchungszweckes erforderlichen Beweise selbst zu erheben (vgl. BVerfGE 67, 100 <128>). Der Untersuchungsausschuss ist damit "Herr im Verfahren", obwohl er die Informations- und Untersuchungsrechte des Deutschen Bundestages nur als dessen Hilfsorgan ausübt (vgl. BVerfGE 67, 100 <124>; 105, 197 <220>; 113, 113 <120>; 124, 78 <114>).

89

2. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind nicht antragsbefugt, soweit sie die Verletzung eigener Rechte geltend machen (a). Sie sind jedoch befugt, als einzelne Fraktionen die Rechte des Deutschen Bundestages in Prozessstandschaft geltend zu machen (b).

90

a) Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ist nur eine Viertelminderheit als organisatorisch verfestigte selbstständige Teilgliederung des Deutschen Bundestages mit eigenen verfassungsrechtlichen Rechten ausgestattet. Aufgrund des expliziten Wortlauts der Grundgesetzbestimmung ist der Weg für eine Auslegung (zum Gebot der Auslegung zugunsten der Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 90, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen) im Sinne einer teleologischen Reduktion des angeordneten Quorums verstellt; für Analogieschlüsse fehlt es bereits an der notwendigen Lücke. Der Verfassungsgeber hat den Belang des Minderheitenschutzes auf der einen Seite und der Gefahr des Missbrauchs von Minderheitenrechten, die ihm noch aus Zeiten der Weimarer Republik vor Augen stand, auf der anderen Seite erkannt und gegeneinander abgewogen. Er hat auch die Konsequenzen seiner Quorenbestimmungen gesehen und billigend in Kauf genommen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 116, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

91

Hieran vermag die Einfügung des § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT nichts zu ändern. Eine geschäftsordnungsmäßig verbriefte Rechtsposition ist nicht zwangsläufig von einem (behaupteten) Verfassungsorganstatus, das heißt vom Verfassungsrecht, umfasst (vgl. BVerfGE 27, 44 <51>; 130, 367 <370>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 79, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Als bloßes Geschäftsordnungsrecht kann § 126a GO-BT das verfassungsrechtliche innerparlamentarische Spannungsfeld zwischen parlamentarischer Mehrheit und Minderheit nicht letztverbindlich auflösen, insbesondere keine über Art. 44 GG hinausgehenden, verfassungsrechtlich einklagbaren Minderheitenrechte schaffen. § 126a GO-BT ist jederzeit änderbar und begründet daher - auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 126a Abs. 2 GO-BT - keine gesicherte Rechtsposition (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 78, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

92

b) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. können sich aber als Fraktionen grundsätzlich auf Rechte des Deutschen Bundestages berufen, die sie als dessen Organteil im Wege der Prozessstandschaft geltend machen können (vgl. BVerfGE 67, 100 <125>; 105, 197 <220>; 124, 78 <106>; 139, 194 <220 Rn. 96>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 66, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

93

3. Die Antragstellerin zu 3. ist nicht antragsbefugt.

94

a) Da die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. in der Gesamtheit ihrer Mitglieder schon nicht antragsbefugt sind, kann die Antragstellerin zu 3. auch nicht aufgrund ihrer Stellung als Vertreterin einer Minderheit von nur 120 Mitgliedern des Deutschen Bundestages gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT antragsbefugt sein.

95

b) Die Antragstellerin zu 3. ist auch nicht befugt, als Viertelminderheit im Untersuchungsausschuss im Wege der Prozessstandschaft gemäß § 18 Abs. 3 PUAG Rechte des Bundestages geltend zu machen.

96

§ 18 Abs. 3 PUAG billigt nicht jeder Minderheit im Untersuchungsausschuss die Antragsbefugnis zu. Ein solches Verständnis würde eine Loslösung von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, der konzeptionell in das Regelungsregime der Untersuchungsausschüsse hineinwirkt, bedeuten. Antragsbefugt ist vielmehr nur die von der konkreten oder potentiellen Einsetzungsminderheit im Deutschen Bundestag im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG getragene Ausschussminderheit; nur diese kann als Prozessstandschafterin auftreten.

97

Zwar gebietet der Grundsatz effektiver Opposition (hierzu BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 85 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen), die im Grundgesetz vorgesehenen Minderheitenrechte auf Wirksamkeit hin auszulegen. Allerdings bildet der Wortlaut des Grundgesetzes - namentlich die dort angeordneten Quoren - die Grenze jeder Auslegung (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 109, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Insoweit stellen die in den Verfassungstext aufgenommenen Quoren die vom Verfassungsgeber und vom verfassungsändernden Gesetzgeber gewollte Konkretisierung des Grundsatzes effektiver Opposition dar (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 114, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

98

Eine Ableitung der Rechte der Minderheit aus Art. 44 GG und ein Hineinwirken des Art. 44 GG in das Regelungsregime der Untersuchungsausschüsse ist für die Begründung der Antragsbefugnis im Organstreitverfahren konstitutiv. Das Untersuchungsausschussgesetz kann als im Kern verfassungsinterpretatorisches und damit deklaratorisches Gesetz (vgl. Seidel, BayVBl. 2002, S. 97 <98>) keine über Art. 44 GG hinausgehenden verfassungsprozessual durchsetzbaren Minderheitenrechte schaffen. § 18 Abs. 3 PUAG regelt ein einfachrechtliches Antragsrecht, das sich aus einem einfachrechtlichen Rechtsverhältnis ergibt und nicht die für den Verfassungsorganstreit erforderliche Verfassungsqualität aufweist. Im Übrigen wollte der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 18 Abs. 3 PUAG keine Abkopplung der Abgeordneten im Ausschuss von der Viertelminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG erzielen. Ausweislich der Gesetzesbegründung sieht die Neuregelung in § 18 Abs. 3 Halbsatz 1 PUAG betreffend Streitigkeiten über die (Nicht-)Vorlage beziehungsweise (Nicht-)Freigabe von Beweismitteln keine neue Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts vor. Eine Modifizierung enthalte § 18 Abs. 3 Halbsatz 1 PUAG nur insofern, als die geänderte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Antragsbefugnis der Fraktion im Ausschuss gesetzlich umgesetzt werde (vgl. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, BTDrucks 14/9220, S. 4). Der Senat hatte noch in seiner Entscheidung zum Flick-Untersuchungsausschuss eine Prozessstandschaft der Fraktion im Ausschuss verneint (vgl. BVerfGE 67, 100 <126>) und ist hiervon in seiner Entscheidung zum Parteispenden-Untersuchungsausschuss abgerückt (vgl. BVerfGE 105, 197 <220 f.>).

V.

99

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. wenden sich gegen die richtigen Antragsgegner, da die Bundesregierung und der Chef des Bundeskanzleramtes die Vorlage der NSA-Selektorenlisten abgelehnt haben und damit für die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung die Verantwortung tragen (vgl. BVerfGE 140, 115 <140 Rn. 61> m.w.N.).

100

Die Bundesregierung trägt die rechtliche Verantwortung für die Verweigerung der vollständigen Aktenvorlage, da sie im Rahmen ihrer Koordinierungsbefugnis (vgl. Art. 65 Satz 3 GG) entschieden hat, das Aktenvorlagebegehren des Untersuchungsausschusses nicht zu erfüllen. Neben der Bundesregierung trägt der Chef des Bundeskanzleramtes (§ 7 Geschäftsordnung der Bundesregierung), der zugleich Bundesminister für besondere Aufgaben ist, die Verantwortung für die sächlichen Beweismittel des dem Bundeskanzleramt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz - BNDG vom 20. Dezember 1990 [BGBl I S. 2954, 2979], zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 [BGBl I S. 1818]) nachgeordneten Bundesnachrichtendienstes. Er hat im Rahmen seiner Ressortkompetenz nach Art. 65 Satz 2 GG über den Umfang der Aktenherausgabe und damit konkret darüber entschieden, inwieweit dem Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses entsprochen werden soll.

VI.

101

Nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. durch eine unterbliebene oder unvollständige Aktenvorlage an den Ausschuss das parlamentarische Untersuchungsrecht des Deutschen Bundestages gemäß Art. 44 GG in der im Antrag spezifizierten Weise verletzt haben.

102

Selbst wenn die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. das Ersuchen des Untersuchungsausschusses nicht endgültig, sondern lediglich vorläufig abgelehnt haben sollten, erscheint eine Verletzung im Hinblick auf die Verzögerungswirkung möglich (zum Erlass einer einstweiligen Anordnung vgl. BVerfGE 105, 197 <234>; 106, 51 <61 f.>; 113, 113 <125 f.>; zur Verzögerung durch Erweiterung des Untersuchungsauftrags vgl. Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil vom 1. Dezember 2006 - HVerfG 01/06 -, juris, Rn. 132 ff.; vgl. auch Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2002 - 11/02 -, juris, Rn. 88). Schon eine bloße Verzögerung kann die Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle entscheidend in Frage stellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ausschuss mit dem Ende der jeweiligen Wahlperiode zu bestehen aufhört (vgl. BVerfGE 49, 70 <86>).

VII.

103

Mit dem am 16. September 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG, denn sie rügen die Entscheidung der Antragsgegner vom 17. Juni 2015.

VIII.

104

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. haben ein Rechtsschutzinteresse. Zur Durchsetzung der von ihnen geltend gemachten Rechte steht kein anderer Weg als der des Organstreitverfahrens zur Verfügung. Die Einleitung dieses Verfahrens kann daher auch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Der von den Antragstellerinnen angegriffene Akt der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. - die Verweigerung der Aktenvorlage - entfaltet nach wie vor rechtserhebliche Wirkungen, die geeignet sind, das Untersuchungsergebnis zu beeinträchtigen. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. haben im Vorfeld des Organstreitverfahrens und auch schriftsätzlich die Verfassungsmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage behauptet. Die Verweigerung der Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss ist dem Einflussbereich der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. entzogen, so dass keine Alternative zu einer Entscheidung im Wege des Organstreitverfahrens besteht (vgl. BVerfGE 124, 78 <113>).

C.

105

Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ist unbegründet.

I.

106

1. Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG hat der Deutsche Bundestag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss mit der Befugnis zur Erhebung der erforderlichen Beweise einzusetzen.

107

a) Das in Art. 44 GG gewährleistete Untersuchungsrecht gehört zu den ältesten und wichtigsten Rechten des Parlaments (vgl. BVerfGE 124, 78 <114>). Über das Zitierrecht nach Art. 43 Abs. 1 GG und das Frage- und Informationsrecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG hinaus verschafft es die Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung, die das Parlament zur Vorbereitung seiner Entscheidungen und vor allem zur Wahrung seiner Kontrollfunktion gegenüber der ihm verantwortlichen Regierung benötigt (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>; 124, 78 <114>). Der Untersuchungsausschuss ist als Aufklärungsinstrument im Rahmen der politischen Kontroverse (vgl. BVerfGE 105, 197 <225 f.>) dabei ein spezifisches Instrument parlamentarischer Kontrolle.

108

Die Auslegung des Art. 44 GG und der das Untersuchungsausschussrecht konkretisierenden Vorschriften des Untersuchungsausschussgesetzes hat, insbesondere bei der Frage, welche Befugnisse einem Untersuchungsausschuss zustehen, zu berücksichtigen, dass diese Bestimmungen die Voraussetzungen für eine wirksame parlamentarische Kontrolle schaffen sollen (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 77, 1 <48>; 124, 78 <114>).

109

b) Der Untersuchungsausschuss ist gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG befugt, im Rahmen seines Untersuchungsauftrags diejenigen Beweise zu erheben, die er für erforderlich hält (vgl. BVerfGE 67, 100 <127 f.>; 124, 78 <114>). Nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG finden auf Beweiserhebungen die Vorschriften über den Strafprozess sinngemäß Anwendung. Diese Verweisung erstreckt sich auf alle Bestimmungen, die die strafprozessuale Sachverhaltsaufklärung regeln; sie erfasst sowohl befugnisbegründende als auch befugnisbegrenzende Regelungen (vgl. BVerfGE 67, 100 <133>; 77, 1 <48 f.>; 124, 78 <115>). Die Bestimmungen der Strafprozessordnung geben einem Untersuchungsausschuss Zwangsmittel zur Beschaffung von Beweismitteln an die Hand, stellen den Informationsverschaffungsanspruch aber auch unter rechtsstaatliche Vorgaben. In sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess stehen dem Untersuchungsausschuss Zeugen (§§ 48 ff. StPO), Urkunden und andere Schriftstücke (§§ 249 ff. StPO) sowie Sachverständige und Augenschein (§§ 72 ff. StPO) als Beweismittel zur Verfügung. Zur Beweiserhebung im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG zählt nicht nur die Beweisaufnahme im engeren Sinne (§ 244 Abs. 1 StPO), sondern der gesamte Vorgang der Beweisverschaffung, Beweissicherung und Beweisauswertung (vgl. BVerfGE 67, 100 <133>; 77, 1 <49>; 124, 78 <115>).

110

Das Recht auf Aktenvorlage gehört zum Kern des Untersuchungsrechts. Der Anspruch auf Vorlage von Akten im Verantwortungsbereich der Regierung folgt nicht lediglich aus dem Recht auf Amtshilfe gemäß Art. 44 Abs. 3 GG; er ist Bestandteil des Kontrollrechts aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und des Rechts der Beweiserhebung nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 67, 100 <128 f., 132>; 124, 78 <116>). Akten sind bei der Untersuchung politischer Vorgänge ein besonders wichtiges Beweismittel. Sie haben gegenüber Zeugenaussagen in der Regel einen höheren Beweiswert, weil das Gedächtnis von Zeugen aus mancherlei Gründen unergiebig werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <132>; 124, 78 <117>). Der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben oder sein Verlangen auf bestimmte Aktenteile beschränken. Vielmehr soll er sich anhand der vollständigen Akten selbst ein Bild vom Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit machen können (vgl. BVerfGE 124, 78 <117>). Der Vorlageanspruch bezieht sich grundsätzlich auf alle Akten, die mit dem Untersuchungsgegenstand in Zusammenhang stehen. Bei einem Ersuchen auf Aktenvorlage muss nicht bereits feststehen, dass die Unterlagen auch tatsächlich entscheidungserhebliches Material oder entsprechende Beweismittel enthalten. Es reicht aus, wenn sie Hinweise hierauf geben könnten (vgl. BVerfGE 124, 78 <117>).

111

2. Das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses unterliegt Grenzen, die, auch soweit sie einfachgesetzlich geregelt sind, ihren Grund im Verfassungsrecht haben müssen (vgl. BVerfGE 124, 78 <118>).

112

a) Völkerrechtliche Verpflichtungen können demgemäß keine unmittelbare Schranke des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts begründen, da sie als solche keinen Verfassungsrang besitzen. Das zeigt insbesondere der Blick auf die insoweit maßgeblichen verfassungsrechtlichen Regelungen in Art. 25 GG und Art. 59 Abs. 2 GG.

113

Art. 25 Satz 1 GG bestimmt, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind. Er verschafft diesen unmittelbar, das heißt, ohne dass ein sonstiger (einfachrechtlicher) Rechtsakt hinzukommen müsste, Wirksamkeit innerhalb der deutschen Rechtsordnung. Nach Art. 25 Satz 2 GG gehen sie den Gesetzen vor. Ein Gesetz, das mit einer allgemeinen Regel des Völkerrechts kollidiert, verstößt daher gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG. Gleichzeitig ist Art. 25 GG jedoch dahingehend zu verstehen, dass er - dem Wortlaut von Satz 2 entsprechend - den allgemeinen Regeln des Völkerrechts einen Rang oberhalb der (einfachen) Gesetze, aber unterhalb der Verfassung einräumt (Zwischenrang) (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 39 ff. m.w.N., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

114

Nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erlangen völkerrechtliche Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, erst durch das dort vorgesehene Zustimmungsgesetz innerstaatliche Wirksamkeit. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt nicht nur die Methodik, durch die völkervertragliche Regelungen in der nationalen Rechtsordnung wirksam werden, sondern auch den Rang, der dem für anwendbar erklärten Völkervertragsrecht innerhalb der nationalen Rechtsordnung zukommt. Aus Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, dass völkerrechtlichen Verträgen, soweit sie nicht in den Anwendungsbereich einer anderen, spezielleren Öffnungsklausel - insbesondere Art. 23 bis Art. 25 GG - fallen, innerstaatlich der Rang eines einfachen (Bundes-)Gesetzes zukommt und sie insofern keinen Übergesetzes- oder gar Verfassungsrang besitzen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 43 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

115

Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit kann die differenzierten Regelungen des Grundgesetzes über den Rang der unterschiedlichen Quellen des Völkerrechts nicht verdrängen und ihre Systematik nicht unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 65 ff., 73 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

116

b) Begrenzt wird das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse zunächst durch den im Einsetzungsbeschluss zu bestimmenden Untersuchungsauftrag. Dieser selbst muss sich im Rahmen der parlamentarischen Kontrollkompetenz halten und hinreichend deutlich bestimmt sein (vgl. BVerfGE 124, 78 <118 f.>).

117

c) Gründe, einem Untersuchungsausschuss Informationen vorzuenthalten, können sich zudem aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergeben (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; zur Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>).

118

Der Grundsatz der Gewaltenteilung zielt auf Machtverteilung und die sich daraus ergebende Mäßigung staatlicher Herrschaft. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient er zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 3 GG) (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>). In der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist die Teilung der Gewalten nicht als absolute Trennung realisiert und geboten. Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>; 137, 185 <233 Rn. 135>).

119

aa) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

120

Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen. Diese Möglichkeit besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (vgl. BVerfGE 110, 199 <214 f.>; 124, 78 <120 f.>; 131, 152 <206, 210>; 137, 185 <234 Rn. 136>).Die Kontrollkompetenz des Parlaments erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

121

Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung. Auch dem nachträglichen parlamentarischen Zugriff auf Informationen aus der Phase der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen setzt der Grundsatz der Gewaltenteilung Grenzen. Auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung nicht verpflichtet ist, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen. Ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Informationsanspruch würde vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die die grundgesetzliche Gewaltenteilung ihr zuweist (vgl. BVerfGE 110, 199 <215 f.>; 124, 78 <121>).

122

bb) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt angesichts des Gefüges der grundgesetzlichen Zuordnung staatlicher Aufgaben zu bestimmten Funktionen und ihren Trägern zudem die Gewährleistung einer funktionsgerechten und organadäquaten Aufgabenwahrnehmung voraus.

123

(1) Das Grundgesetz verpflichtet die Verfassungsorgane im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Ordnung unter Einhaltung der Regeln des Rechtsstaats. Das gilt namentlich für die Verfolgung der fundamentalen Staatszwecke der Sicherheit und des Schutzes der Bevölkerung (vgl. BVerfGE 115, 320 <358>).

124

Die verfassungsmäßige Ordnung, der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder sowie Leib, Leben und Freiheit der Person sind Schutzgüter von überragendem verfassungsrechtlichem Gewicht. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm - unter Achtung von Würde und Eigenwert des Einzelnen - zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung Verfassungswerte sind, die mit anderen hochwertigen Verfassungsgütern im gleichen Rang stehen. Der Staat ist deshalb von Verfassungs wegen verpflichtet, das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit des Einzelnen zu schützen (vgl. BVerfGE 49, 24 <56 f.>; 115, 320 <346 f.>; 120, 274 <319>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 11 BvR 1140/09 -, juris, Rn. 100, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

125

Dieser Verpflichtung kommt er nach, indem er Gefahren etwa durch terroristische Bestrebungen entgegen tritt. Straftaten mit dem Gepräge des Terrorismus zielen auf die Destabilisierung des Gemeinwesens und umfassen in rücksichtsloser Instrumentalisierung anderer Menschen Angriffe auf Leib und Leben beliebiger Dritter. Sie richten sich gegen die Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Ordnung und das Gemeinwesen als Ganzes. Die Bereitstellung von wirksamen Aufklärungsmitteln zu ihrer Abwehr ist ein legitimes Ziel und für die demokratische und freiheitliche Ordnung von großem Gewicht (vgl. BVerfGE 115, 320 <357 f.>; 133, 277 <333 f. Rn. 133>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 11 BvR 1140/09 -, juris, Rn. 96, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

126

Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Ebert, in: Borgs-Maciejewski/Ebert, Das Recht der Geheimdienste, Kommentar zum BVerfSchG sowie zum G 10, 1986, Teil A, Vor § 1 Rn. 4).

127

Die Festlegung der strategischen Gesamtausrichtung nachrichtendienstlicher Tätigkeit, mithin auch die Entscheidung zur internationalen Kooperation der Nachrichtendienste, erfolgt durch die Bundesregierung. Dies entspricht dem Grundsatz einer organadäquaten Funktionenzuweisung. So bestimmt die Bundesregierung mit dem sogenannten Auftragsprofil die regionalen und thematischen Arbeitsschwerpunkte des BND. Sie gibt die Detailtiefe der zu beschaffenden Erkenntnisse und damit auch den Ressourcenansatz vor. Das Auftragsprofil wird kontinuierlich dem aktuellen Informationsbedarf der einzelnen Ressorts angepasst (vgl. Wieck, in: Eberwein/Kaiser, Deutschlands neue Außenpolitik, Bd. 4, 1998, S. 47 <50 f.>). Es ist auch Aufgabe der Regierung, die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste zu gewährleisten.

128

(2) Zur Effektivierung der Beschaffung und Auswertung von Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung arbeiten die deutschen Nachrichtendienste mit ausländischen Nachrichtendiensten zusammen. Die Zusammenarbeit setzt die Einhaltung von Vertraulichkeit voraus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 -, juris, Rn. 11). Hierfür sind völkerrechtliche Verpflichtungen einzugehen, die als Teil der Außen- und Sicherheitspolitik der Initiativ- und Gestaltungsbefugnis der Regierung obliegen (vgl. BVerfGE 90, 286 <358>).

129

(a) Der Bund hat gemäß Art. 32 GG die Zuständigkeit für die Ausübung der auswärtigen Gewalt (vgl. BVerfGE 2, 347 <378 f.>). Außenpolitik ist eine Funktion der Regierung (so schon BVerfGE 1, 372 <394>; vgl. auch BVerfGE 68, 1 <85 f.>; 90, 286 <357>).

130

In Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung hat das Grundgesetz der Regierung im Bereich auswärtiger Politik einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen. Die Rolle des Parlaments ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (vgl. BVerfGE 104, 151 <207>; 131, 152 <195>).

131

Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG sieht zwar für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, die Notwendigkeit der Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in Form eines Bundesgesetzes vor. Der Verkehr mit anderen Staaten, die Vertretung in internationalen Organisationen, zwischenstaatlichen Einrichtungen und Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit (Art. 24 Abs. 2 GG) sowie die Sicherstellung der gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Außenvertretung Deutschlands fallen demgegenüber aber grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Exekutive, insbesondere der Bundesregierung. Diese grundsätzliche Zuordnung der Akte des auswärtigen Verkehrs zum Kompetenzbereich der Exekutive beruht auf der Annahme, dass institutionell und auf Dauer typischerweise allein die Regierung in hinreichendem Maße über die personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten verfügt, auf wechselnde äußere Lagen zügig und sachgerecht zu reagieren und so die staatliche Aufgabe, die auswärtigen Angelegenheiten verantwortlich wahrzunehmen, bestmöglich zu erfüllen (BVerfGE 68, 1 <87>; 131, 152 <195>).

132

Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages unter Überspielung der konkreten Ordnung der Verteilung und des Ausgleichs staatlicher Macht im Grundgesetz würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und liefe auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinaus (vgl. BVerfGE 90, 286 <363>; 104, 151 <207>; 131, 152 <195 f.>); sie verlagerte in weitem Umfang politische Macht zu Lasten der Exekutive auf den Bundestag in einem Handlungsbereich, der funktionell betrachtet nicht Gesetzgebung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG darstellt (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>).

133

(b) Vor diesem Hintergrund obliegt das Verhandeln und Abschließen von Geheimschutzabkommen als Grundlage einer internationalen Kooperation der Nachrichtendienste der Bundesregierung.

134

Ziel dieser Geheimschutzabkommen ist es in erster Linie, den Austausch geheimhaltungsbedürftiger Informationen mit anderen Staaten abzusichern, denn die Weitergabe von Verschlusssachen hat eine empfindliche Beeinträchtigung der nationalen Souveränität zur Folge. Der herausgebende Staat begibt sich seiner unmittelbaren Beherrschungs- und Geheimhaltungsmöglichkeiten. In Geheimschutzabkommen werden daher die Voraussetzungen, unter denen Personen Zugang zu den zwischen den Staaten ausgetauschten Verschlusssachen erhalten, und die zu ergreifenden materiellen Schutzmaßnahmen zur Geheimhaltung geregelt. Ein Verzicht auf Geheimschutzabkommen würde den deutschen Einfluss auf die Geheimhaltung deutscher Verschlusssachen im Partnerstaat ausschließen und könnte dazu führen, dass ein Geheimnis nach Weitergabe an den Partnerstaat dort einem unbegrenzten Personenkreis zugänglich werden und folglich seinen Charakter als Staatsgeheimnis verlieren könnte (vgl. Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsrecht, Ordner 1, § 1 SÜG Rn. 21 ff. [Juni 2015]; Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 1 SÜG Rn. 38). Im Gegenzug muss die Bundesrepublik Deutschland in der Lage sein, sich ihrerseits gegenüber Stellen anderer Staaten zur Geheimhaltung zu verpflichten (vgl. BTDrucks 12/4891, S. 18).

135

In der nachrichtendienstlichen Praxis werden aber auch Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in Form von sogenannten Memoranda of Understanding oder Memoranda of Agreement abgeschlossen, die den Rechtscharakter von unverbindlichen Übereinkünften haben (vgl. van Ginkel, ICCT - The Hague Research Paper August 2012, S. 3 f.; Sepper, Texas International Law Journal Vol. 46 [2010], S. 151 <158>).

136

Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG lässt die in der auswärtigen Gewalt angelegte Kompetenz unberührt, das jeweils im völkerrechtlichen Verkehr angemessen erscheinende Handlungsinstrumentarium zu wählen und dabei auch eine vertragliche Bindung zu vermeiden. Es obliegt der Bundesregierung, in Abstimmung mit den bisherigen und etwa neu zu gewinnenden Vertragsparteien zu entscheiden, ob, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Inhalt völkerrechtliche Bindungen eingegangen werden sollen. Der Verzicht auf einen Vertrag wird insbesondere sinnvoll sein, wenn die beteiligten Völkerrechtssubjekte sich in der Phase der Vertragsanbahnung, der Erprobung neuer Formen der Zusammenarbeit oder der Abstimmung mit und Rücksichtnahme auf weitere Völkerrechtssubjekte befinden. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG steht auch einem mit den Vertragspartnern abgestimmten außenpolitischen Handeln auf der bisherigen Vertragsgrundlage nicht entgegen, das - etwa mit Rücksicht auf noch nicht abgeschlossene und nicht genügend überschaubare politische Entwicklungen - die völkervertragliche Bindung bewusst vermeidet. Hierdurch sollen neue oder weitergehende Rechte und Pflichten gerade nicht begründet werden (vgl. BVerfGE 90, 286 <360>).

137

d) Eine weitere Grenze des Beweiserhebungsrechts bildet das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>).

138

Welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls. Für die Frage, ob Zeugenaussagen oder die Vorlage von Akten das Staatswohl gefährden würden, ist danach zunächst zu berücksichtigen, dass der Umgang mit Informationen in einem Untersuchungsausschuss eigenen Geheimschutzbestimmungen unterliegt und dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 124, 78 <123 f.>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind. Die Berufung auf das Staatswohl kann daher gegenüber dem Deutschen Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht völlig ausschließt, steht dem nicht entgegen. Diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>).

139

Der Bundestag hat in seiner Geheimschutzordnung, die Bestandteil der Geschäftsordnung ist, in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei seiner Aufgabenerfüllung festgelegt. Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Daneben regelt das Untersuchungsausschussgesetz den Schutz staatlicher Geheimnisse in § 14 Abs. 1 Nr. 4, § 15, § 16 und § 18 Abs. 2 PUAG (vgl. BVerfGE 124, 78 <124 f.>). Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>).

140

Gleichwohl bleibt die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>). Die Bundesregierung ist insbesondere nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

141

e) Parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben darüber hinaus gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Diese können zu einer Einschränkung des Beweiserhebungsrechts führen (BVerfGE 67, 100 <142>; 77, 1 <46>; 124, 78 <125>).

142

f) Das Beweiserhebungsrecht endet schließlich an der Grenze des Rechtsmissbrauchs. So können etwa Beweisanträge zurückgewiesen werden, wenn sie offensichtlich der Verzögerung dienen (BVerfGE 105, 197 <225>; 124, 78 <128>).

143

3. Nimmt die Bundesregierung das Recht für sich in Anspruch, einem Untersuchungsausschuss Beweismittel aus verfassungsrechtlichen Gründen vorzuenthalten, so unterliegt sie von Verfassungs wegen einer Begründungspflicht (vgl. BVerfGE 124, 78 <128>). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies kann er nur dann, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessenen, ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können. Eine Begründung der Antwortverweigerung ist nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>).

144

Im Hinblick auf die Form der Begründung wird die Bundesregierung zwar einfachrechtlich in § 18 Abs. 2 Satz 2 PUAG verpflichtet, den Untersuchungsausschuss über die Gründe der Ablehnung schriftlich zu unterrichten. Das Ablehnungsschreiben ist damit zentral. Es bleibt der Bundesregierung aber unbenommen, dem Untersuchungsausschuss durch ergänzende Maßnahmen die Verweigerungsgründe zu erläutern. Je nach den Umständen ist die Bundesregierung sogar zu solchen Maßnahmen verpflichtet und muss den Ausschuss, gegebenenfalls in vertraulicher Sitzung, detailliert und umfassend über die Natur der zurückgehaltenen Informationen, die Notwendigkeit der Geheimhaltung und den Grad der nach ihrer Auffassung bestehenden Geheimhaltungsbedürftigkeit unterrichten. Dazu ist die Regierung gehalten, dem Untersuchungsausschuss für die Erörterung ihres Standpunktes zur Verfügung zu stehen (vgl. BVerfGE 67, 100 <138>). Hat der Untersuchungsausschuss dennoch Grund zu der Annahme, dass zurückgehaltene Informationen mit dem ihm erteilten Kontrollauftrag zu tun haben, und besteht er deshalb auf Herausgabe der Akten, so hat die Regierung die vom Untersuchungsausschuss genannten Gründe zu erwägen und, sollten diese ihre Auffassung nicht erschüttern können, zu prüfen, welche Wege beschritten werden können, um den Untersuchungsausschuss davon zu überzeugen, dass seine Annahme nicht zutrifft (vgl. BVerfGE 67, 100 <138>). Das Ablehnungsschreiben ergeht regelmäßig in einem - in die verfassungsrechtliche Bewertung einzustellenden - Kontext, so dass eine Gesamtschau der - das Ablehnungsschreiben begleitenden - begründenden Darlegungen geboten ist.

II.

145

Nach diesen Maßstäben haben die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. durch die Verweigerung der Vorlage der sogenannten NSA-Selektorenlisten das Beweiserhebungsrecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG nicht verletzt.

146

Unter Beachtung der Bedeutung des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts (1.) ist dem Interesse der Antragsgegnerin zu 1. an funktionsgerechter und organadäquater Aufgabenwahrnehmung (2.) der Vorrang einzuräumen, weil die vom Beweisbeschluss erfassten NSA-Selektorenlisten aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen nicht der Verfügungsbefugnis der Antragsgegnerin zu 1. unterfallen, die Einschätzung, eine nicht konsentierte Herausgabe könne die Funktions- und Kooperationsfähigkeit deutscher Nachrichtendienste erheblich beeinträchtigen, nachvollziehbar ist und die Antragsgegner dem Vorlageersuchen in Abstimmung mit dem Untersuchungsausschuss durch andere Verfahrensweisen so präzise, wie es ohne eine Offenlegung von Geheimnissen möglich gewesen ist, Rechnung getragen haben (3.). Die Antragsgegner sind auch ihrer von Verfassungs wegen bestehenden Begründungspflicht nachgekommen (4.).

147

1. Das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses umfasst dem Grunde nach auch die NSA-Selektorenlisten.

148

a) Es besteht ein besonderes Informationsinteresse des Untersuchungsausschusses an der Vorlage der NSA-Selektorenlisten zur Gewährleistung der demokratischen Rückanbindung der Nachrichtendienste und der Bundesregierung. Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Eine besondere Kontrollrelevanz ergibt sich dabei aus der Tendenz zur Kooperation und Internationalisierung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit (vgl. Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 199, 201). Die zunehmende internationale Kooperation der Nachrichtendienste entkoppelt partiell die Informationsgewinnung von demokratischer Verantwortung, weil Teilelemente von Entscheidungsgrundlagen außerhalb der Einflusssphäre der demokratischen Organe des Empfängerstaates - hier der Bundesrepublik Deutschland - erzeugt werden (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>).

149

Der Deutsche Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen. Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

150

Auch die US-amerikanischen Nachrichtendienste unterliegen einer parlamentarischen Kontrolle. Der Kongress verfügt in beiden Häusern über ständige Spezialausschüsse - das Senate Select Committee on Intelligence und das House Permanent Select Committee on Intelligence. Die beiden parlamentarischen Kontrollgremien besitzen weitgehende Kontrollrechte unter anderem im Hinblick auf Budgetierung und Budgetvollzug, taktische Geheimdienstinformationen sowie Dienstquellen und -methoden (vgl. Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 248 ff.; Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 297 ff.; Rehli, in: Dörr/Zimmermann, Die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 2007, S. 45 <54 ff.>). Wie in Deutschland ist in den Vereinigten Staaten von Amerika auch die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen oder Sonderkommissionen - etwa der Review Group on Intelligence and Communications Technologies zur Reform der NSA-Überwachungspraxis - möglich.

151

b) Angesichts von Art und Umfang der den Nachrichtendiensten an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns der Nachrichtendienste und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste eine besondere Aufklärungsfunktion zu.

152

Ausweislich des im Einsetzungsantrag (vgl. BTDrucks 18/843) näher bezeichneten Untersuchungsauftrags hat der Untersuchungsausschuss unter anderem aufzuklären, ob ausländische Stellen mit Hilfe deutscher Stellen Daten deutscher Grundrechtsträger über Kommunikationsvorgänge, deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge einer Erfassung und Speicherung auf Vorrat sowie einer Kontrolle und Auswertung unterzogen haben.

153

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Sammlung der dem Grundrechtsschutz unterliegenden personenbezogenen Informationen auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 100, 313 <360>; 115, 320 <350>; 118, 168 <187>). Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss (vgl. BVerfGE 125, 260 <323 f.> mit Verweis auf BVerfGE 123, 267 <353 f.> zum grundgesetzlichen Identitätsvorbehalt).

154

c) Das aus dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses grundsätzlich folgende Recht auf Vorlage der NSA-Selektorenlisten ist nicht durch die Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson und deren gutachterliche Stellungnahme erfüllt. Die sachverständige Vertrauensperson handelte nicht als Hilfsorgan des Untersuchungsausschusses.

155

Das Untersuchungsausschussgesetz kennt die Konstruktion der sachverständigen Vertrauensperson nicht. Nach § 28 PUAG kann der Untersuchungsausschuss zur Beweiserhebung ein Sachverständigengutachten einholen. Der Sachverständige hat aufgrund seiner besonderen Sachkunde dem Untersuchungsausschuss Tatsachen-, aber auch Rechtskenntnis zu verschaffen. § 10 PUAG gibt dem Untersuchungsausschuss die Möglichkeit, einen Ermittlungsbeauftragten zu seiner Unterstützung einzusetzen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll der Ermittlungsbeauftragte es dem Untersuchungsausschuss ermöglichen, sich bei einem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfangreichen Untersuchungsauftrag auf die eigentlichen Kernfragen zu konzentrieren. Voraussetzung hierfür ist bei komplexen Sachverhalten eine intensive Vorarbeit durch einen Ermittlungsbeauftragten, der das Beweismaterial zunächst zu beschaffen und zu sichten sowie die zu beurteilenden Sachverhalte sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht aufzubereiten hat. Auf der Basis solcher Vorermittlungen kann der Untersuchungsausschuss seine Arbeit, insbesondere seine Beweisaufnahme, gezielter und zügiger durchführen (vgl. BTDrucks 14/5790, S. 15). Da Sachverständige und Ermittlungsbeauftragte letztlich als Hilfsorgane vor allem eine Voruntersuchungs- und damit Entlastungsfunktion haben sollen, bleibt der Ausschuss "Herr im Verfahren" und hat die Gesamtverantwortung inne. Der Untersuchungsausschuss muss letztlich selbst eine abschließende, umfassende Beweiserhebung und Beweiswürdigung vornehmen.

156

Dies war bei der Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson nicht gewährleistet. Die von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzte sachverständige Vertrauensperson hat nicht bloße Voruntersuchungen zur Arbeitserleichterung für den Untersuchungsausschuss durchgeführt. Vielmehr wurde sie von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzt, um die Einsichtnahme der NSA-Selektorenlisten durch den Untersuchungsausschuss zu ersetzen. Die sachverständige Vertrauensperson hat eine eigene inhaltliche Interpretation und rechtliche Bewertung der NSA-Selektorenlisten vorgenommen. Da aber eine Delegation der Erfüllung des Untersuchungsauftrags an die sachverständige Vertrauensperson ausscheidet, ist ihr Bericht den Antragsgegnern zuzurechnen und kommt einer Auskunft der Antragsgegner zu den vom Untersuchungsausschuss im Beschluss vom 18. Juni 2015 (Ausschussdrucksache 385) gestellten Fragen gleich.

157

Auskünfte der Antragsgegner sind aber für den Vorlageanspruch keine Maßnahme an Erfüllungs statt. Denn der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ermächtigt den Untersuchungsausschuss, die in Verfolgung des Untersuchungszwecks erforderlichen Beweise selbst zu erheben. Darin ist das Recht eingeschlossen, die Vorlage von Akten zu verlangen (vgl. BVerfGE 67, 100 <128 ff.>; 124, 78 <116 f.>).

158

2. Dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses steht das Interesse der Antragsgegnerin zu 1. an funktionsgerechter und organadäquater Aufgabenwahrnehmung gegenüber.

159

Die Herausgabe der NSA-Selektorenlisten entgegen einer völkerrechtlichen Vertraulichkeitszusage und ohne Einverständnis der Vereinigten Staaten von Amerika würde nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung der Antragsgegnerin zu 1. die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit auch die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung erheblich beeinträchtigen.

160

a) Sowohl nach Maßgabe des gemeinsamen Verständnisses der Kooperationspartner hinsichtlich des Geheimschutzabkommens und des MoA (aa) als auch nach Maßgabe der "Third Party Rule" (bb) ist der herausgebende Staat "Herr der Information" und behält auch nach deren Übermittlung die Verfügungsbefugnis. Der Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss steht die fehlende Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika entgegnen (cc).

161

aa) Der Zusammenarbeit zwischen dem BND und der NSA liegen das Geheimschutzabkommen und das MoA zugrunde. In dem Geheimschutzabkommen sind die allgemeinen Grundsätze des Austausches von Verschlusssachen, mithin die technisch-administrativen Vorgaben festgelegt. Mit dem MoA werden die organisatorischen und technischen Bedingungen, Personalausstattung und Kostentragung sowie das maßgebliche Rechtsregime des konkreten Projektes der Joint SIGINT Activity geregelt.Wie bei der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen ist auch bei der Auslegung des Geheimschutzabkommens und des MoA darüber hinaus die sich hierauf beziehende nachträgliche Übereinkunft der Parteien über die Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 90, 286 <362 ff.>). Gemäß den Absprachen und Verständigungen im Rahmen des Konsultationsverfahrens soll die herausgebende Stelle den zu gewährleistenden Geheimhaltungsgrad sowie den Nutzungszweck vorgeben und über die Möglichkeit zur Weitergabe entscheiden.

162

bb) Ungeachtet dieser bilateralen Vereinbarungen und Absprachen wird die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste von der "Third Party Rule" geprägt. Hiernach dürfen ausgetauschte Informationen ohne Zustimmung des Informationsgebers nicht an Dritte weitergegeben oder für andere Zwecke verwendet werden.

163

(1) Der "Third Party Rule" wird als Auskunftsverweigerungsgrund gegenüber Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Bedeutung beigemessen (vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, Rn. 712; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 26. November 2003 - 6 VR 4.03 -, juris). Ob dieser Grundsatz nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit auch gegenüber Kontrollorganen des Parlaments und selbst gegenüber Aufsichtsbehörden gilt (bejahend: Wills/Born, in: Born/Leigh/Wills, International Intelligence Cooperation and Accountability, 2011, S. 277 <283>; verneinend: Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>), bedarf keiner abschließenden Bewertung. Denn jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang ist der bekundete Wille der herausgebenden Stelle maßgeblich. Sie bestimmt, wen sie als "Dritten" ansieht.

164

Die "Third Party Rule" ist dabei nicht als ein absolutes Verbot der Weitergabe von Informationen zu verstehen, sondern als ein Verbot mit Zustimmungsvorbehalt. Die übermittelnde Stelle behält sich in der Sache ein Informationsbeherrschungsrecht vor (vgl. Singer, Praxiskommentar zum PKGrG, 2016, § 6 Rn. 11 f.). Das Einverständnis der übermittelnden Stelle kann daher die Weitergabe legitimieren. Korrespondierend zum Vertrauensschutz trifft im Konfliktfall den Empfängerstaat - hier die Bundesrepublik Deutschland - eine Verpflichtung, sich um ein Einverständnis zu bemühen (vgl. Federal Court of Canada, Charkaoui (Re), 2009 FC 476, [2010] 3 F.C.R. 102, Rn. 21; Gazeas, Übermittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse an Strafverfolgungsbehörden, 2014, S. 373 f.; Roach, in: Supreme Court Law Review 47 [2009], S. 147 <164>).

165

(2) Bei der "Third Party Rule" handelt es sich jedenfalls um eine allgemein anerkannte Verhaltensregel der internationalen Kooperation im Sicherheits- und Nachrichtendienstbereich (vgl. Federal Court of Canada, Charkaoui (Re), 2009 FC 476, [2010] 3 F.C.R. 102, Rn. 17 ff.; Ajluni v. FBI, 947 F. Supp. 599 [N.D.N.Y. 1996] mit Verweis auf Ajluni v. FBI, No. 94-CV-325, 1996 WL 776996 [N.D.N.Y. July 13, 1996]). Sie ist in Art. 4 Buchstabe d und Art. 5 Buchstabe b Geheimschutzabkommen zwischen EU und NATO (ABl EU L Nr. 80 vom 27. März 2003, S. 36 ff.) ausdrücklich erwähnt. Sie findet sich auch im nationalen Recht in § 6 Abs. 1 PKGrG wieder, wonach die Verfügungsberechtigung der Bundesregierung und der deutschen Nachrichtendienste in der Regel fehlt, wenn es sich um Informationen handelt, die den Nachrichtendiensten von ausländischen Behörden übermittelt worden sind (zur wortgleichen Regelung des § 2b a.F. PKGrG vgl. BTDrucks 14/539, S. 7). Auch entspricht es der Praxis deutscher Dienste, bei Übermittlungen an ausländische Dienste auf die "Third Party Rule" hinzuweisen (vgl. BTDrucks 17/11296, S. 9).

166

Die Einhaltung wird nicht durch Rechtszwang, sondern als selbstverständliche Geschäftsgrundlage im Bereich sicherheitssensibler beziehungsweise nachrichtendienstlicher Kooperation durch das gegenseitige Interesse an der Vertraulichkeit und institutionellen Verlässlichkeit rein faktisch gewahrt (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <904>; Wills/Born, in: Born/Leigh/Wills, International Intelligence Cooperation and Accountability, 2011, S. 277 <283>).

167

cc) Nach dem Willen der Vereinigten Staaten von Amerika, dem die Antragsgegnerin zu 1. ausweislich ihres vorprozessualen und prozessualen Vorbringens unwidersprochen folgt, ist der Untersuchungsausschuss als "Dritter" anzusehen, die Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an ihn nicht vom Übermittlungszweck umfasst und daher von der Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika abhängig. Einer Auslegung dahingehend, dass die Nachrichtendienste sowohl der Vereinigten Staaten von Amerika als auch der Bundesrepublik Deutschland der Kontrolle durch übergeordnete Stellen und durch von den Parlamenten eingesetzte spezielle Kontrollorgane unterlägen und folglich diese Kontrollinstanzen grundsätzlich nicht als "Dritte" anzusehen seien, steht der bekundete Wille der Vereinigten Staaten von Amerika entgegen. Die Antragsgegnerin zu 1. hat sich um die Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Weitergabe der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss bemüht, diese aber nicht erhalten.

168

b) Die der Antragsgegnerin zu 1. obliegende Einschätzung, durch eine nicht konsentierte Herausgabe würden die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit ihre außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, hält der verfassungsgerichtlichen Kontrolle stand.

169

aa) Die tatsächliche und rechtliche Wertung der Antragsgegnerin zu 1. bei der Annahme, die Weitergabe der NSA-Selektorenlisten könne institutions- und aufgabenbezogene Gefährdungen zur Folge haben, stellt eine politische Einschätzung des Verhältnisses zu ausländischen Nachrichtendiensten und Partnerstaaten dar, die angesichts des Einschätzungs- und Prognosespielraums der Bundesregierung nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.

170

Die Weite des Ermessens im auswärtigen Bereich hat ihren Grund darin, dass die Gestaltung auswärtiger Verhältnisse und Geschehensabläufe nicht allein vom Willen der Bundesrepublik Deutschland bestimmt werden kann, sondern vielfach von Umständen abhängig ist, die sich ihrer Bestimmung entziehen. Um es zu ermöglichen, die jeweiligen politischen Ziele der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des völkerrechtlich und verfassungsrechtlich Zulässigen durchzusetzen, gewährt das Grundgesetz den Organen der auswärtigen Gewalt einen weiten Spielraum bei der Einschätzung außenpolitisch erheblicher Sachverhalte wie der Zweckmäßigkeit möglichen Verhaltens (vgl. BVerfGE 55, 349 <365>; vgl. auch BVerfGE 40, 141 <178 f.>).

171

bb) Die Antragsgegnerin zu 1. hat plausibel dargelegt, dass Nachrichtendienste zur Gewährleistung eines wirksamen Staats- und Verfassungsschutzes zusammenarbeiten müssen. Zwischen den deutschen und US-amerikanischen Nachrichtendiensten besteht im Hinblick auf Intelligence-Fähigkeiten eine wechselseitige Abhängigkeit (vgl. Daun, Auge um Auge? - Intelligence-Kooperation in den deutsch-amerikanischen Beziehungen, 2011, S. 128 ff., 141 ff.; 172 f.). Auf deutscher Seite wird - vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus und der Gefährdung durch Cyberattacken - die internationale Kooperation im Allgemeinen als von "überragender Bedeutung" (vgl. Verfassungsschutzbericht 2015, S. 18; Verfassungsschutzbericht 2014, S. 16) und die Partnerschaft zu den Vereinigten Staaten von Amerika im Besonderen als "unverzichtbar" (vgl. Abschlussbericht des BND-Untersuchungsausschusses BTDrucks 16/13400, S. 58 f., 351 f.) bewertet.

172

Diese Zusammenarbeit wird beeinträchtigt, wenn unter Missachtung einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit Informationen an Dritte bekannt gegeben werden, etwa weil der Begriff des "Dritten" entgegen der Sichtweise der herausgebenden Stelle ausgelegt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 -, juris, Rn. 11).

173

Dagegen wird angeführt, das Argument der Geheimhaltungsbedürftigkeit werde in seiner Reichweite überbetont. Die parlamentarische Kontrolle gehöre zum Nachrichtendienst genauso wie die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>; B. Huber, NVwZ 2015, S. 1354 <1357>). Die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten überwiege keinesfalls stets gegenüber der parlamentarischen Kontrolle. Im Kollisionsfall könne der Konflikt vielmehr auch dazu führen, dass die Zusammenarbeit geändert oder eingestellt werden müsse (vgl. Wolff, JZ 2010, S. 173 <180>; siehe auch Möllers, Gutachterliche Stellungnahme in der Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 25. Mai 2009 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 45d), A-Drucks 16(4)614 D, S. 4).

174

Dies lässt außer Acht, dass damit der langfristige Verlust wesentlicher außen- und sicherheitspolitischer Erkenntnisse einhergehen kann, ohne die die Aufklärung verfassungsfeindlicher, sicherheitsgefährdender und terroristischer Aktivitäten nicht mehr in gleichem Umfang geleistet werden könnte (vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, Rn. 712). Selbst wenn man im Hinblick auf die Folgenschwere eines Vertrauensbruchs relativierend davon ausginge, dass sich Tätigkeiten eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nur vorübergehend auf den Umfang des internationalen Informationsaustauschs auswirkten (so B. Huber, NVwZ 2015, S. 1354 <1356>), wäre hiermit eine nicht hinzunehmende temporäre Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit eine Sicherheitslücke nahe liegend. Schließlich haben die Antragsgegner nachvollziehbar dargelegt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bereits Konsequenzen gezogen und für den Fall der Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an den NSA-Untersuchungsausschuss weitere Folgen angekündigt haben. Angesichts einer solchermaßen konkretisierten Gefährdungslage für die äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sind zugleich im Staatswohl gründende Geheimhaltungsinteressen berührt.

175

Da die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit die Gefährdung der Staatssicherheit bereits durch eine nicht konsentierte Vorlage der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss erfolgten, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf an, ob das Risiko des Bekanntwerdens der NSA-Selektorenlisten nach Übermittlung an den Untersuchungsausschuss über das bei allen drei Gewalten nicht auszuschließende Risiko (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <139>) tatsächlich hinausgeht. Die von den Antragsgegnern vorgelegte Zusammenstellung von Presseveröffentlichungen kann jedenfalls keinen Nachweis für einen mangelnden Geheimnisschutz im und durch den Untersuchungsausschuss erbringen. Angesichts dieser Veröffentlichungen erscheint der Geheimnisschutz vielmehr generell nicht hinreichend gewährleistet.

176

3. Das Interesse an der Erhaltung der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesregierung überwiegt das Recht des Untersuchungsausschusses auf Herausgabe der NSA-Selektorenlisten.

177

a) Im Rahmen der Abwägung der konfligierenden Interessen ist zu berücksichtigen, dass das Vorlageersuchen bezüglich der NSA-Selektorenlisten ein mehrpoliges Rechtsverhältnis betrifft. Denn das Verlangen des Untersuchungsausschusses berührt auch originäre Belange und Geheimhaltungsinteressen der Vereinigten Staaten von Amerika. Das Grundgesetz, das durch den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit (vgl. BVerfGE 111, 307 <317 f.>; 112, 1 <26>; 123, 267 <344, 347>) und internationalen Offenheit (vgl. BVerfGE 92, 26 <48>) geprägt ist, begnügt sich nicht damit, die innere Ordnung des deutschen Staates festzulegen, sondern bestimmt auch in Grundzügen sein Verhältnis zur Staatengemeinschaft. Insofern geht es von der Notwendigkeit einer Abgrenzung und Abstimmung mit anderen Staaten und Rechtsordnungen aus (vgl. BVerfGE 100, 313 <362>). Die Beurteilungs- und Handlungsfreiheit der Antragsgegnerin zu 1. ist angesichts der zwischenstaatlichen Beziehungen eingeschränkt; eine ausschließliche Verfügungsbefugnis über die NSA-Selektorenlisten fehlt ihr aufgrund der völkerrechtlichen Vereinbarungen und Absprachen. Insoweit unterscheidet sich das Handeln der auswärtigen Gewalt von rein innerstaatlichen Sachverhalten.

178

b) Zudem besteht die Gefahr des Entstehens eines kontrollfreien Raumes und damit eines völligen Ausschlusses des Parlaments von jeglicher Information hier nicht. Dem Untersuchungsausschuss wurde nicht der gesamte Sachverhaltskomplex der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit von NSA und BND im Rahmen des Projekts der Joint SIGINT Activity vorenthalten. Die Antragsgegner haben dem Vorlageersuchen in Abstimmung mit dem Untersuchungsausschuss vielmehr durch andere Verfahrensweisen so präzise, wie es ohne eine Offenlegung von Geheimnissen möglich war, Rechnung getragen.

179

Sie haben dem Untersuchungsausschuss Auskünfte zu den Schwerpunkten der Zusammenarbeit von BND und NSA, zum Inhalt und zur Zusammenstellung der Selektoren, zur Filterung der Selektoren durch den BND sowie zur Anzahl der abgelehnten Selektoren erteilt. Sie haben unter anderem ein schriftliches Testat des BND zu den Erkenntnissen über die NSA-Selektorenlisten vorgelegt.

180

Weiterhin hat die Antragsgegnerin zu 1. dem Untersuchungsausschuss vorgeschlagen, eine sachverständige Vertrauensperson einzusetzen, welche die NSA-Selektorenlisten zu untersuchen und dem Untersuchungsausschuss über die Prüfungsergebnisse Bericht zu erstatten hat. Der Untersuchungssauschuss hat die Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson als sachgerecht bewertet (Ausschussdrucksache 385, Ziffer 1) und die zu beauftragende sachverständige Vertrauensperson benannt. Er hat einen Fragenkatalog erstellt (Ausschussdrucksache 385, Ziffer 5) und in Gesprächen mit der sachverständigen Vertrauensperson Kriterien, Schwerpunkte und Fragestellungen des Berichts festgelegt. Der Bericht der sachverständigen Vertrauensperson bietet schon in seiner offenen Fassung eine Grundlage für die Bewertung von Art und Umfang der nachrichtendienstlichen Kooperation und der Verstöße gegen deutsche Interessen und gegen deutsches Recht. Er ist statistisch aufbereitet und soweit wie möglich konkret formuliert. Die Auswertung der Selektorenlisten erfolgt durch eine Beschreibung der Selektorentypen, der technischen Struktur der Selektoren und ihrer Permutationen sowie der Anzahl der abgelehnten Selektoren unter abstrakter Benennung der betroffenen Ziele - wie etwa Deutsche Vertretungen im Ausland, Regierungseinrichtungen und staatliche Stellen in EU-Staaten, Institutionen der EU, Mitglieder europäischer Regierungen sowie deren Mitarbeiter und Parlamentsabgeordnete. Soweit es um die konkrete Benennung, das heißt um die namentliche Erwähnung der als Erfassungsziele betroffenen natürlichen oder juristischen Personen sowie Institutionen und staatlichen Einrichtungen geht, ist deren Kenntnis durch den Untersuchungsausschuss eher von allgemeinem politischem Interesse, für die Erfüllung des Untersuchungsauftrags und damit für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns aber nicht in einem Maße zentral, um gegenüber den Belangen des Staatswohls und der Funktionsfähigkeit der Regierung Vorrang zu beanspruchen.

181

4. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. haben ihrer verfassungsrechtlichen Begründungspflicht hinreichend Rechnung getragen. Sie haben das Bestehen von Geheimhaltungsgründen bei der Vorlageverweigerung in der Gesamtschau schriftlich und mündlich substantiiert begründet.

182

a) Zwar vermag allein das Argument entgegenstehender völkerrechtlicher Verpflichtungen die Verweigerung einer Vorlage an den Untersuchungsausschuss nicht unmittelbar zu begründen (vgl. Rn. 112). Das Völkervertragsrecht ist wie auch das Völkergewohnheitsrecht innerstaatlich nicht mit dem Rang des Verfassungsrechts ausgestattet. Es kann folglich nicht unmittelbar dem Vorlageersuchen des Untersuchungsausschusses entgegengehalten werden. Allerdings ist zu beachten, dass die Antragsgegner die Nichtvorlage weitergehend mit den Folgen eines Verstoßes gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen für die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit für die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland begründet haben. Sie sehen durch eine Vorlage der NSA-Selektorenlisten die eigenverantwortliche und funktionsgerechte Wahrnehmung der ihnen von Verfassung wegen übertragenen Aufgaben gefährdet.

183

Die in dem Ablehnungsschreiben vom 17. Juni 2015 angeführte Begründung, eine Weitergabe ohne Zustimmung der US-Regierung stelle einen Verstoß gegen das geltende Geheimschutzabkommen dar, erweist sich zunächst als nicht hinreichend konkret, da sie ohne Wiedergabe der oder Bezugnahme auf die maßgeblichen Bestimmungen erfolgte. Auch wird das gemeinsame Verständnis der Vertragsparteien von den Bestimmungen, mithin deren Auslegung nicht nachvollziehbar dargelegt.

184

Nimmt man jedoch zusätzlich das dem Ablehnungsschreiben vorangegangene Informationsverhalten der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. in den Blick, so wurde der Untersuchungsausschuss detailliert über die Notwendigkeit zur Einholung der Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika im Wege eines Konsultationsverfahrens aufgeklärt. Dem Untersuchungsausschuss wurden das Geheimschutzabkommen und das MoA zur Kenntnis gegeben; die Fragen der Auslegung und Anwendung wurden mehrmals ausführlich in Ausschusssitzungen erörtert.

185

Die Antragsgegner haben gegenüber dem Untersuchungsausschuss auch dargelegt, dass und wie sie sich um die Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika bemüht haben, und ihn über die Durchführung und das Ergebnis des Konsultationsverfahrens laufend informiert. Sie haben damit ausreichende Transparenz gewährleistet und den Untersuchungsausschuss in das Verfahren eingebunden.

186

Sie haben gegenüber dem Untersuchungsausschuss auch glaubhaft gemacht, dass - wie sich in der jüngeren Vergangenheit gezeigt hat - Verstöße gegen den Zustimmungsvorbehalt erhebliche Auswirkungen auf die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit haben, indem der gegenseitige Austausch von Erkenntnissen eingeschränkt oder gänzlich eingestellt wird. Ferner haben sie anhand der Reaktionen und Stellungnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen des Konsultationsverfahrens und der von den Vereinigten Staaten von Amerika angekündigten Konsequenzen nachvollziehbar dargelegt, dass eine Herausgabe Beeinträchtigungen der nachrichtendienstlichen Beziehungen und ihrer außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit erwarten lässt sowie schließlich zu Gefahren für die äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland führen kann.

187

b) Die Antragsgegner haben zudem zur Plausibilisierung und Überzeugung im sogenannten Vorsitzendenverfahren und in Obleutebesprechungen Auskünfte erteilt.

188

Das sogenannte Vorsitzendenverfahren ist ein Mittel zur möglichen Plausibilisierung der verweigerten Erfüllung des Informationsanspruchs des Untersuchungsausschusses (zum Vorsitzendenverfahren vgl. BVerfGE 67, 100 <138 f.>; 77, 1 <56>; 124, 78 <139 f.>). Es dient dazu, dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter durch die entsprechende Information die Überzeugung zu vermitteln, dass die Zurückhaltung der Information durch die Regierung berechtigt ist. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter können ihrerseits den anderen Ausschussmitgliedern ihre Überzeugung von der Rechtmäßigkeit der Zurückhaltung der Information kommunizieren. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 18 PUAG erkennt der Gesetzgeber das Vorsitzendenverfahren als eine Möglichkeit zur Lösung eines Konfliktfalles an. Von der Normierung der Einzelschritte bei einem Ersuchen auf Vorlage von Beweismitteln und insbesondere der Festschreibung des Vorsitzendenverfahrens hat er abgesehen, um unter anderem den Beteiligten Freiraum für geeignete Schritte zu Lösungen im Konfliktfalle zu eröffnen (vgl. BTDrucks 14/5790, S. 17).

189

Allerdings ist im Hinblick auf das Enqueterecht der parlamentarischen Opposition die gebotene Neutralität des Verfahrens nicht gewährleistet, wenn der Vorsitzende wie auch sein Stellvertreter einer die Regierungskoalition bildenden Partei angehören (vgl. BVerfGE 124, 78 <139 f.>). Der Benachteiligung der oppositionellen Ausschussmitglieder durch das Vorsitzendenverfahren kann durch das - von den Antragsgegnern ebenfalls initiierte - Obleuteverfahren begegnet werden, an dem die Obleute jeder im Ausschuss vertretenen Fraktion beteiligt sind (vgl. Peters, Untersuchungsausschussrecht, 2012, S. 126 f. Rn. 211; Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz, 2003, S. 233). Das Obleuteverfahren ist dabei nicht nur bloße Parlamentspraxis, sondern hat seinen gesetzlichen Niederschlag in § 4 Abs. 1 Satz 3 und § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz vom 18. März 2005 [BGBl I S. 775]) gefunden.

D.

190

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

(1) Der Bundestag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und die Schriftführer. Er gibt sich eine Geschäftsordnung.

(2) Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Gebäude des Bundestages aus. Ohne seine Genehmigung darf in den Räumen des Bundestages keine Durchsuchung oder Beschlagnahme stattfinden.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

Tenor

1. Der Antrag der Antragstellerin zu 3. wird verworfen.

2. Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Berechtigung der Bundesregierung, der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2., ein Vorlageersuchen des 1. Untersuchungsausschusses des 18. Deutschen Bundestages (sogenannter NSA-Untersuchungsausschuss) mit dem Hinweis auf entgegenstehende völkerrechtliche Verpflichtungen und den Schutz der Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste abzulehnen.

2

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag. Die Antragstellerin zu 3. besteht aus den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses, die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehören.

I.

3

1. Anlass des Untersuchungsausschussverfahrens waren die im Sommer 2013 durch die britische Zeitung "The Guardian" und die amerikanische Zeitung "The Washington Post" veröffentlichten geheimen Dokumente der National Security Agency (NSA). Aus diesen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die NSA in großem Umfang Daten auch in Deutschland erhoben haben könnte, teilweise in Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst (BND).

4

2. Der BND betrieb gemeinsam mit der NSA unter dem Projektnamen Joint SIGINT Activity in B. eine Kooperation zur Aufklärung von internationalen Fernmeldeverkehren zu Krisenregionen. Dieser Zusammenarbeit lagen ein zunächst als VS-VERTRAULICH und ab August 2016 als offen eingestuftes, aus Verbalnoten bestehendes Geheimschutzabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland sowie ein als STRENG GEHEIM-Schutzwort eingestuftes Memorandum of Agreement (MoA) zugrunde. Das MoA legte die Modalitäten für die gemeinsame Arbeit fest. Eine Aufklärung europäischer Ziele war danach nur beschränkt auf näher bezeichnete Phänomenbereiche zulässig. Auch sollten ausschließlich solche Kommunikationen aufgeklärt werden, an denen kein G 10-geschützter Teilnehmer beteiligt war.

5

Im Rahmen dieser Kooperation durchsuchten BND-Mitarbeiter die aus einem Internetknotenpunkt in F. ausgeleiteten Daten nach von der NSA definierten Merkmalen, den sogenannten Selektoren. Diese Selektoren wurden von B. aus regelmäßig abgerufen und nach entsprechender Prüfung auf eine G 10-Relevanz oder einen Verstoß gegen deutsche Interessen durch den BND in die Erfassungssysteme eingestellt. Aufgrund der hohen Zahl der Selektoren wurde die Prüfung mit Hilfe des vom BND entwickelten Datenfilterungssystems DAFIS durchgeführt.

6

Bereits Ende des Jahres 2005 fiel BND-Mitarbeitern im Rahmen der Prüfung von NSA-Selektoren auf, dass die NSA auch Selektoren übergeben hatte, die nach Einschätzung des BND gegen deutsche Interessen verstießen. Nachdem im Sommer 2013 in der Presse berichtet worden war, dass EU-Vertretungen und auch deutsche Grundrechtsträger von der Fernmeldeaufklärung im Rahmen der Joint SIGINT Activity betroffen seien, führte der BND eine interne Untersuchung der Selektoren durch. Dabei stellte sich heraus, dass die überprüften Selektoren nur zu einem Teil bereits bei der ersten Filterung von der weiteren Verwendung ausgeschlossen und nicht in die Erfassungssysteme übernommen worden waren. Ein anderer Teil war für unterschiedlich lange Zeiträume gesteuert worden.

7

3. Am 20. März 2014 beschloss der Deutsche Bundestag auf Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Einsetzung des NSA-Untersuchungsausschusses. Das Gremium konstituierte sich am selben Tag.

8

Der Untersuchungsauftrag (vgl. BTDrucks 18/843, S. 1 ff.) lautet in den für den streitgegenständlichen Antrag wesentlichen Passagen wie folgt:

Der Untersuchungsausschuss soll - angestoßen insbesondere durch Presseberichterstattung infolge der Enthüllungen von Edward Snowden über Internet- und Telekommunikationsüberwachung - für den Zeitraum seit Jahresbeginn 2001 klären,

I. ob, in welcher Weise und in welchem Umfang durch Nachrichtendienste der Staaten der sogenannten "Five Eyes" (der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, Kanadas, Australiens und Neuseelands) eine Erfassung von Daten über Kommunikationsvorgänge (einschließlich Inhalts-, Bestands- und Verkehrsdaten), deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge (einschließlich Internetnutzung und angelegter Adressverzeichnisse) von, nach und in Deutschland auf Vorrat oder eine Nutzung solcher durch öffentliche Unternehmen der genannten Staaten oder private Dritte erfasster Daten erfolgte beziehungsweise erfolgt und inwieweit Stellen des Bundes, insbesondere die Bundesregierung, Nachrichtendienste oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik von derartigen Praktiken Kenntnis hatten, daran beteiligt waren, diesen entgegenwirkten oder gegebenenfalls Nutzen daraus zogen. (…)

II. ob und inwieweit Daten über Kommunikationsvorgänge und deren Inhalte (mittels Telekommunikation oder Gespräche einschließlich deren Inhalte wie etwa Gesetzentwürfe oder Verhandlungsstrategien) von Mitgliedern der Bundesregierung, Bediensteten des Bundes sowie Mitgliedern des Deutschen Bundestages oder anderer Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, durch Nachrichtendienste der unter Nummer I. genannten Staaten nachrichtendienstlich erfasst oder ausgewertet wurden. (…)

III. ob Empfehlungen zur Wahrung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutzes der informationellen Selbstbestimmung, der Privatsphäre, des Fernmeldegeheimnisses und der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme sowie der sicheren und vertraulichen Kommunikation in der staatlichen Sphäre geboten sind. (…)

9

4. Der Untersuchungsausschuss befasste sich in der Folge zunächst mit den Komplexen der Kooperationsmaßnahmen des BND und der NSA gemäß der Ziffern I. und II. des Untersuchungsauftrags und fasste hierzu mehrere Beweisbeschlüsse.

10

Auf diese Beschlüsse hin erklärte ein Vertreter des Bundesministeriums des Innern in der Ausschusssitzung vom 26. Juni 2014, über Unterlagen ausländischer Nachrichtendienste fehle die Verfügungsberechtigung deutscher Stellen. Eine Vorlage ohne Zustimmung des Herausgebers sei ein Verstoß gegen völkervertragliche Geheimschutzabkommen. Unabhängig von diesen Geheimschutzabkommen könne die Vorlage dieser Unterlagen auch die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Die betroffenen Staaten seien daher zunächst im Wege eines Konsultationsverfahrens um Freigabe der Unterlagen zu ersuchen.

11

Mit Schreiben vom 9. Juli 2014 erklärte das Bundeskanzleramt gegenüber den Regierungen der "Five Eyes"-Staaten die Einleitung des Konsultationsverfahrens. Es stellte die deutsche Rechtslage dar und bat um Unterstützung sowie um Ausführungen zur Rechtsansicht der betroffenen Staaten. Im Nachgang zu diesem Schreiben fanden Besprechungen auf unterschiedlichen Ebenen in Deutschland und in den jeweiligen Staaten statt. Der Untersuchungsausschuss wurde hierüber in der Sitzung am 11. September 2014 unterrichtet.

12

Die Antworten der Staaten fielen unterschiedlich aus. Das Vereinigte Königreich und Australien sahen generell keine Möglichkeit zur Freigabe von Unterlagen. Kanada stimmte dem Konsultationsverfahren im Grundsatz zu. Die Vereinigten Staaten von Amerika und Neuseeland kündigten eine Einzelfallprüfung an. Das Ergebnis der Konsultation mit den Vereinigten Staaten von Amerika wurde dem Untersuchungsausschuss in seiner Sitzung am 25. September 2014 erläutert. Das Antwortschreiben mit entsprechender Arbeitsübersetzung wurde ihm anschließend übermittelt und in der Sitzung vom 9. Oktober 2014 erörtert.

13

5. Nachdem eine Vielzahl geheimhaltungsbedürftiger Informationen in den Medien veröffentlicht worden war und die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ihre Sorge hierüber zum Ausdruck gebracht hatte, bat der Antragsgegner zu 2. mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses um Sensibilisierung der Mitglieder im Umgang mit als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen.

14

6. Aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt erzielten Ergebnisse der Beweiserhebung und weiterer Presseveröffentlichungen fasste der Untersuchungsausschuss am 26. Februar 2015 - auf die Beweisanträge der Antragstellerin zu 3. hin - die Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26, um sämtliche Beweismittel beizuziehen, die

1. Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim Bundesnachrichtendienst darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die National Security Agency im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen (d.h. gegen Menschen in Deutschland oder der EU; dortige deutsche oder europäische bi-, multi- bzw. supranationale Dienststellen oder entsprechend gegen Unternehmen, beispielhaft seien genannt EADS, Eurocopter, französische Behörden, vgl. Süddeutsche Zeitung v. 4.10.2014 "Codewort Eikonal") versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagierten

oder die

2. bei der Erstellung der Schriftstücke des Bundeskanzleramts bzw. des Bundesnachrichtendienstes hinsichtlich der vorgenannten Thematik unter den folgenden Fundstellen zugrunde lagen: MAT A BK-7, Tgb.- Nr. 05/14 streng geheim (auf geheim herabgestuft), Anl. 06, Ordner 135, Bl. 36, Bl. 41, Bl. 120, und die

15

im Organisationsbereich des Bundeskanzleramtes und des BND im Untersuchungszeitraum entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind. Der Untersuchungsausschuss setzte eine Frist bis zum 15. April 2015.

16

7. Das Bundeskanzleramt übermittelte dem Untersuchungsausschuss fristgerecht Beweismaterialien zu den Beweisbeschlüssen BK-14 und BND-26.

17

Am 24. April 2015 wurde das die NSA-Selektorenlisten betreffende Konsultationsverfahren mit den Vereinigten Staaten von Amerika eingeleitet.

18

Nach Fristablauf legte die Antragsgegnerin zu 1. mit Schreiben vom 27. April 2015 zwei weitere, als STRENG GEHEIM eingestufte Ordner zum Beweisbeschluss BND-26 vor. Allerdings ergab sich aus den Inhaltsübersichten der beiden Ordner, dass einzelne Dokumente entnommen worden waren. Anstelle des jeweiligen Dokumentes war ein Fehlblatt eingeheftet. Darüber hinaus waren einzelne Informationen geschwärzt. Zur Begründung der Entnahmen und Schwärzungen wurde angeführt, dass es sich um Originalmaterial ausländischer Nachrichtendienste handele, über welches der BND nicht uneingeschränkt verfügen könne und welches als Verschlusssache eingestuft oder erkennbar geheimhaltungsbedürftig sei. Eine Weitergabe an den Untersuchungsausschuss ohne Einverständnis des Herausgebers würde einen Verstoß gegen die bindenden Geheimschutzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Herausgeberstaat darstellen. Die Nichtbeachtung völkervertraglicher Vereinbarungen könne die internationale Kooperationsfähigkeit Deutschlands stark beeinträchtigen und andere Staaten dazu veranlassen, ihrerseits völkervertragliche Vereinbarungen mit Deutschland in Einzelfällen zu ignorieren und damit deutschen Interessen zu schaden. Eine Freigabe zur Vorlage an den Untersuchungsausschuss durch den ausländischen Nachrichtendienst liege gegenwärtig noch nicht vor.

19

Im Hinblick auf die NSA-Selektorenlisten gelangten die Antragsgegner zu der Einschätzung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika erst nach Prüfung und Abwägung über die Herausgabe an den Untersuchungsausschuss entscheiden würden. Daher übermittelte die Antragsgegnerin zu 1. dem Untersuchungsausschuss am 30. April 2015 zunächst ein schriftliches Testat des BND zu den Erkenntnissen über die NSA-Selektorenlisten.

20

8. Die Antragstellerin zu 3. beantragte am 21. Mai 2015 (Ausschussdrucksache 373), der Untersuchungsausschuss möge die Antragsgegnerin zu 1. durch Beschluss auffordern,

die aus den beigezogenen Beweismitteln zum Beweisbeschluss BND-26 entnommen[en] Listen mit Steuerungs- und Telekommunikationsmerkmalen (Selektoren) dem 1. Untersuchungsausschuss umgehend vorzulegen.

21

In seiner Sitzung am 11. Juni 2015 fasste der Untersuchungsausschuss über den Antrag der Antragstellerin zu 3. einen Beschluss und forderte die Antragsgegnerin zu 1. auf, bis zum 18. Juni 2015 die NSA-Selektorenlisten vorzulegen oder die Ablehnung zu begründen.

22

9. Mit einem überwiegend als GEHEIM eingestuften Schreiben vom 17. Juni 2015 lehnte der Antragsgegner zu 2. die Vorlage der NSA-Selektorenlisten ab.

23

In dem nicht eingestuften Abschnitt IV des Schreibens wird ausgeführt, es sei auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, dass die US-Regierung einer Weitergabe ausdrücklich zustimmen werde. Daher sei die Antragsgegnerin zu 1. über die bisherigen Aktivitäten hinaus bereit, zur verfassungskonformen Erfüllung des Beweisbeschlusses und vor dem Hintergrund der völkerrechtlichen Verpflichtungen eine in ihrer Bewertung unabhängige sachverständige Vertrauensperson einzusetzen, welche die Dokumente, die dem Beweisbeschluss BND-26 unterfielen und dem Untersuchungsausschuss bisher aufgrund der bezeichneten Gründe nicht zur Verfügung gestellt worden seien, untersuchen und dem Untersuchungsausschuss darüber Bericht erstatten solle.

24

10. Am 18. Juni 2015 fasste der Untersuchungsausschuss auf Antrag der Ausschussmitglieder der Fraktionen von CDU/CSU und SPD folgenden Beschluss zur Einsetzung einer sachverständigen Vertrauensperson (Ausschussdrucksache 385):

1. Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundeskanzleramts vom 17. Juni 2015 zur Erfüllung des Beweisbeschlusses BND-26 und unter Abwägung des vom Deutschen Bundestag beschlossenen Untersuchungsauftrags mit der auch dem Parlament obliegenden Beachtung von Belangen des Staatswohls (vgl. etwa: BVerfGE 124, S. 78, 123 f.) bewertet der 1. Untersuchungsausschuss die Entscheidung der Bundesregierung als sachgerecht, einer vom Parlament zu benennenden unabhängigen sachverständigen Vertrauensperson Einsicht in die notwendigen Unterlagen zu gewähren.

2. Der Untersuchungsausschuss erwartet, dass die von ihm benannte Vertrauensperson

- die von der Bundesregierung im Rahmen der Vorlage zu Beweisbeschluss BND-26 unter Berufung auf Staatswohlbelange und Konsultationsverpflichtungen vorläufig entnommenen so genannten "Selektorenlisten" im Bundeskanzleramt vollständig sichtet sowie unabhängig und weisungsfrei bewertet,

- dem Untersuchungsausschuss über ihre Tätigkeit und Erkenntnisse umfassend Bericht erstattet und

- für eine Erörterung mit den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses im Rahmen einer förmlichen Anhörung als Sachverständige gemäß § 28 PUAG eine entsprechende Aussagegenehmigung erhält.

(…)

5. Die Einsichtnahme und gutachterliche Stellungnahme soll als Beitrag zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages der Klärung der Frage dienen, ob bei der Kooperation des BND mit Diensten der "Five Eyes"-Staaten im Bereich der Fernmeldeaufklärung von Routineverkehren öffentliche Stellen des Bundes dazu beigetragen haben, dass deutsche Grundrechtsträger Gegenstand der Kommunikationserfassung durch Dienste der "Five Eyes"-Staaten, insbesondere im Bereich von Spionage zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen, werden konnten. Geprüft werden soll weiterhin, ob und in welchem Maße im Rahmen dieser Kooperation gegen "deutsche Interessen" verstoßen worden ist, insbesondere, in welchem Ausmaß politische Spionage gegen Personen bzw. Dienststellen europäischer Mitgliedstaaten, gegen EU-Institutionen oder andere entsprechende Stellen erfolgt sein könnte.

Die Vertrauensperson soll im Rahmen der genannten Fragestellung jeweils gutachterlich Stellung nehmen

- zur Zahl der von ihr festgestellten einschlägigen Selektoren oder Suchbegriffe;

- zur Art und Weise von deren Filterung und Ermittlung durch den BND und dazu, ob und welche Feststellungen möglich sind zur Dauer von deren tatsächlicher Nutzung;

- zur Systematik der unzulässig eingebrachten Selektoren und Suchbegriffe und dazu, ob und welche Daten aufgrund solcher Selektoren oder Suchbegriffe erfasst sowie gegebenenfalls übermittelt wurden;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen die einschlägigen bilateralen Vereinbarungen;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen deutsche Interessen;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen deutsches Recht.

(…)

9. Der Untersuchungsausschuss behält sich vor, nach Abschluss des hier beschriebenen Verfahrens weitere Schritte zur Wahrung seiner verfassungsrechtlichen Rechte aus Art. 44 GG einzuleiten, sollte er zu dem Schluss gelangen, dass den parlamentarischen Rechten im durchgeführten Verfahren nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen worden ist.

(…)

25

Am 2. Juli 2015 beschloss der Untersuchungsausschuss gegen die Stimmen der Antragstellerin zu 3., Herrn RiBVerwG a.D. G. als sachverständige Vertrauensperson zu benennen. Entsprechend bestimmte das Bundeskabinett in seiner Sitzung am 8. Juli 2015 Herrn RiBVerwG a.D. G. zur sachverständigen Vertrauensperson und teilte dies mit Schreiben des Antragsgegners zu 2. vom 8. Juli 2015 dem Untersuchungsausschuss mit.

26

Am 23. Oktober 2015 legte die sachverständige Vertrauensperson ihren Bericht "Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation "Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses BND-26" in einer offenen sowie in zwei VS-eingestuften Fassungen vor und erläuterte diesen Bericht in der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 5. November 2015.

II.

27

Mit Schriftsatz vom 16. September 2015 haben die Antragstellerinnen ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihrem Antrag begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. die Rechte des Bundestages aus Art. 44 GG verletzt haben, indem sie es abgelehnt hätten, sämtliche Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherte Daten und sonstige sächliche Beweismittel vorzulegen, die Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim BND darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die NSA der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagierten.

28

1. Die Antragstellerinnen sehen ihren Antrag als zulässig an.

29

a) Sie seien parteifähig.

30

aa) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. seien als Fraktionen des Deutschen Bundestages gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG parteifähig. Fraktionen seien Teile und ständige Gliederungen des Bundestages, die durch dessen Geschäftsordnung anerkannt und mit eigenen Rechten ausgestattet seien. Sie seien befugt, im eigenen Namen auch Rechte des Bundestages geltend zu machen.

31

Die Antragstellerinnen seien darüber hinaus gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 [BGBl I S. 1237], zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 23. April 2014 [BGBl I S. 534]) parteifähig. Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG sei eine Einsetzungsminderheit von einem Viertel der Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Organstreitverfahren als mit eigenen Rechten ausgestatteter Organteil parteifähig. Dieses Recht werde durch § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT, mithin durch das Geschäftsordnungsrecht eines obersten Bundesorgans, auf eine Zahl von 120 Mitgliedern des Deutschen Bundestages ausgedehnt. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. stellten zusammen 127 Abgeordnete und seien daher in ihrer Gesamtheit parteifähig.

32

bb) Aufgrund des § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT sei auch die Antragstellerin zu 3. parteifähig. Sie sei als Vertreterin einer Einsetzungsminderheit nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT anzusehen. Zudem sei die Antragstellerin zu 3. nach § 18 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG vom 19. Juni 2001 [BGBl I S. 1142], zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 [BGBl I S. 718]) parteifähig, denn sie bilde ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Dass das Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach § 18 Abs. 3 PUAG zugleich eine Einsetzungsminderheit von einem Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages im Ausschuss repräsentieren müsse, werde nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht vorausgesetzt.

33

b) Die Antragstellerinnen seien berechtigt, im Organstreit die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung von Rechten des gesamten Parlaments in Prozessstandschaft geltend zu machen. Für die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. folge dies aus § 64 Abs. 1 BVerfGG und für die Antragstellerin zu 3. aus § 18 Abs. 3 PUAG. Zudem seien die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. aufgrund ihrer Stellung als Einsetzungsminderheit gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT und die Antragstellerin zu 3. als Vertreterin einer solchen Einsetzungsminderheit im Ausschuss antragsbefugt.

34

2. Der Antrag sei begründet. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten die Rechte des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG verletzt, indem sie die vollständige Aktenvorlage nach Maßgabe der Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26 unter Hinweis auf angebliche Geheimschutzbelange ausländischer Staaten abgelehnt hätten.

35

a) Die Weigerung sei nicht von einer verfassungsrechtlichen Schranke des Aktenvorlagerechts gedeckt.

36

aa) Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten sich vorprozessual darauf berufen, die Bundesrepublik Deutschland sei völkerrechtlich verpflichtet, die aus den vorgelegten Akten entfernten Bestandteile, die von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika übergebene Verschlusssachen darstellten, nicht herauszugeben. Diese Pflicht solle sich aus dem als Verschlusssache eingestuften Geheimschutzabkommen vom 23. Dezember 1960 ergeben. Dieses sei normativ aber nicht geeignet, das verfassungskräftige Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages auszuschließen.

37

Das Geheimschutzabkommen sei ein bloßes Verwaltungsabkommen. Es sei nicht durch eine Rechtsverordnung oder Richtlinie vollzogen worden, so dass es keinen Eingang in die deutsche Rechtsordnung gefunden habe.

38

Das Geheimschutzabkommen könne aber auch dann nicht das Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG ausschließen, wenn es sich um einen Vertrag im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG handelte. Ungeachtet des Umstandes, dass es an der Zustimmung oder Mitwirkung des Deutschen Bundestages fehle, hätte das Abkommen innerstaatlich nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.

39

bb) Für die Berücksichtigungsfähigkeit im Sinne eines Ausschlussgrundes fehle es dem Geheimschutzabkommen auch deshalb an der erforderlichen Qualität als Außenrecht, weil es eine Verschlusssache darstelle. Völkerrecht könne nur dann berücksichtigt werden, wenn es Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung geworden sei. Innerstaatliches Recht aber müsse das Kriterium der Publizität erfüllen.

40

cc) Letztlich ergebe eine Auslegung des Abkommens gemäß Art. 31, 32 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, dass kein vertraglicher Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika vereinbart worden sei. Dies belege bereits der Wortlaut des Geheimschutzabkommens. Es werde zwar die Weitergabe von Verschlusssachen zwischen den Regierungen geregelt. Der Bundesregierung werde aber nicht untersagt, Verschlusssachen der Vereinigten Staaten von Amerika dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis zu geben. Gegenstand des Abkommens sei allein die Festlegung des Übermittlungsverfahrens. Des Weiteren wäre es mit dem Sinn und Zweck des Geheimschutzabkommens nicht zu vereinbaren, mit dem Wort "Regierung" nur die Exekutive erfasst zu sehen. Sowohl die Vereinigten Staaten von Amerika als auch die Bundesrepublik Deutschland seien demokratisch verfasste Staaten mit einer starken Tradition der parlamentarischen Kontrolle. Keine der beiden Regierungen sei verfassungsrechtlich ermächtigt, die parlamentarische Kontrolle ihrer Geheimdienste auszuschließen oder zu verkürzen.

41

dd) Auch die "Third Party Rule" stehe einer Vorlage von Informationen an ein eigenständiges staatliches Kontrollorgan mit eigener Geheimschutzfähigkeit - wie dem Untersuchungsausschuss - nicht entgegen. Die Antragsgegner beriefen sich zu Unrecht auf den Zweckbindungsgrundsatz, da eine Verarbeitung oder Nutzung von Daten für andere Zwecke nicht vorliege, wenn sie der Wahrnehmung von Aufsichts- und Kontrollrechten dienten. Die parlamentarische Kontrolle sei Annex zu dem ursprünglichen Verwendungszweck.

42

b) Ungeachtet dessen unterlägen die Staatswohlbelange, die sich nach der Auffassung der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. aus der vorgeblichen Völkerrechtsverletzung ergeben sollten, der Abwägung mit dem Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages. Die Einschränkung der Aktenvorlage erweise sich als unangemessen. Im Ergebnis überwiege das parlamentarische Informationsinteresse.

43

aa) Die Achtung der Souveränität sowie des Existenz- und Selbsterhaltungsrechts des ausländischen Staates sei ein gewichtiges Rechtsgut. Es sei jedoch zu bezweifeln, dass dieses Rechtsgut ernstlich beeinträchtigt würde, wenn die begehrte Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss erfolgte. Letztlich gehe es bei dem Beweisthema nicht um eine bestimmte Form der Auslandsaufklärung eines Nachrichtendienstes der Vereinigten Staaten von Amerika, mithin nicht um Informationen über die militärische Verteidigung oder den Zivilschutz. Zudem könnten die Antragsgegner die Aktenvorlage nur verweigern, wenn der Untersuchungsausschuss nicht den von ihnen für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleiste. Es sei nicht erkennbar, dass beim Untersuchungsausschuss das Risiko der Indiskretion in einem größeren Umfang bestehe als bei der deutschen Exekutive, die von Verschlusssachen durch die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika bewusst in Kenntnis gesetzt worden sei. Dass es Indiskretionen gegeben habe, könne dem Untersuchungsausschuss nicht zur Last gelegt werden.

44

bb) Von dem Belang der staatlichen Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika zu trennen sei die von den Antragsgegnern geltend gemachte Erwägung, eine Indiskretion könne dazu führen, dass die Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten von Amerika und gegebenenfalls weiterer Staaten ihre Zusammenarbeit mit dem BND einstellen könnten. Diese Erwägung sei bereits unzureichend begründet worden. Dass die amerikanischen Dienste den Informationsaustausch mit den deutschen Diensten einstellten, müsse als höchst unwahrscheinlich gelten. Weiterhin sei zu beachten, dass der nachrichtendienstliche Informationsfluss niemals einseitig sei und im Falle einer Reduzierung der Zusammenarbeit dies auch zu negativen Konsequenzen für die nachrichtendienstliche Arbeit der Vereinigten Staaten von Amerika führen könne.

45

cc) Das Interesse des Deutschen Bundestages an der vollständigen Aktenvorlage überwiege die dargelegten Belange des Staatswohls. Ihm komme dann besonders hohes Gewicht zu, wenn es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung gehe. Dies sei vorliegend in qualifizierter Weise der Fall. Mit der Kenntnis deutscher Stellen von einer Telekommunikationsüberwachung zulasten deutscher Ziele und deutscher Interessen und erst recht mit der Mitwirkung deutscher Stellen hieran seien massenhafte Eingriffe in die Fernmeldefreiheit gemäß Art. 10 Abs. 1 GG verbunden. Aus Art. 10 Abs. 1 GG ergebe sich nicht nur ein Verbot, in den Telekommunikationsverkehr einzugreifen; aus dieser Verfassungsnorm folgten auch staatliche Schutzpflichten. Ohne die Kenntnis der Selektorenlisten könnten die Angaben aus dem Bereich der Antragsgegnerin zu 1. nicht überprüft und hinterfragt werden. Zudem seien bei der Untersuchung politischer Vorgänge Akten ein besonders wichtiges Beweismittel.

46

dd) Dass die Antragsgegnerin zu 1. im Benehmen mit dem Untersuchungsausschuss eine Vertrauensperson beauftragt habe, Einsicht in die nicht vorgelegten Verschlusssachen zu nehmen und Bericht zu erstatten, mindere das parlamentarische Informationsinteresse nicht. Die Erkenntnismöglichkeit des Untersuchungsausschusses werde damit gegenüber dem Ersuchen aus den Beweisbeschlüssen deutlich eingeschränkt. Die rechtliche und politische Bewertung der nicht vorgelegten Aktenbestandteile obliege nunmehr allein der sachverständigen Vertrauensperson. Diese sei zudem von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzt worden, was ihre Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit und Unparteilichkeit gefährde.

47

3. Die Antragstellerinnen verweisen zur Begründung ihrer Ansicht, das Geheimschutzabkommen könne das parlamentarische Recht auf Aktenvorlage nicht einschränken, auf ein der Antragsschrift als Anlage beigefügtes Gutachten "Zur Vereinbarkeit des Abschlusses von Geheimschutzabkommen ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages mit dem Grundgesetz und zur Auslegung derartiger Abkommen am Beispiel des Abkommens mit dem Vereinigten Königreich", erstattet im Auftrag der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von Prof. Dr. W. und Ass. iur. L. vom 28. Juli 2015.

III.

48

Nach Auffassung der Antragsgegner ist der Antrag unbegründet. Das parlamentarische Informations- und Kontrollrecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG sei entsprechend der Vorgaben der Verfassung beachtet und Rechte der Antragstellerinnen seien nicht verletzt worden.

49

1. Würden die streitgegenständlichen, dem Untersuchungsausschuss nicht vorgelegten Informationen öffentlich bekannt, so würde dies die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährden. Es sei zu befürchten, dass alle unmittelbar betroffenen US-amerikanischen Nachrichtendienste ihre Informationsübermittlung an alle deutschen Nachrichtendienste einschränken würden. Darüber hinaus sei zu befürchten, dass auch Dienste anderer Staaten sich gezwungen sähen, ihrerseits das Weitergabeverhalten an die deutschen Dienste einzuschränken oder gar einzustellen. Deutsche Nachrichtendienste würden international als nicht mehr vertrauenswürdig angesehen.

50

a) Damit der Staat seine Schutzpflichten erfüllen könne, sei er unter anderem auf nachrichtendienstliche Informationen angewiesen. Die streitgegenständlichen Selektoren seien für die technische Fernmeldeaufklärung des BND vorgesehen. Bei der Fernmeldeaufklärung (Signal Intelligence - SIGINT) handele es sich um eine besonders wertvolle Form der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung, da sie kurzfristig auf relevante Ziele ausgerichtet werden könne, die Betroffenen diese nicht bemerkten und die Informationen in der Regel authentisch seien sowie keine Anwesenheit vor Ort mit persönlichem Risiko für die Quelle bestehe.

51

Grundvoraussetzung der SIGINT-Maßnahmen sei jedoch der Einsatz geeigneter Selektoren. Die Suche nach geeigneten Selektoren, insbesondere im Bereich des Terrorismus und im Bereich der sicherheitspolitischen Aufklärung krisenhafter außenpolitischer Entwicklungen, gestalte sich schwierig. Selektorenlisten beschrieben umfassend das Aufklärungsprofil eines Nachrichtendienstes. Selektoren seien daher als die sensibelsten Informationen aus dem Bereich der nachrichtendienstlichen technischen Aufklärung anzusehen.

52

Zudem handele es sich bei den streitgegenständlichen Selektoren nicht um Selektoren des BND. Dieser habe lediglich bestimmte Selektoren, die die NSA zur Verfügung gestellt habe, ausgesondert. Die besondere Sensibilität für den Kooperationspartner entfalle damit jedoch nicht.

53

b) Um am internationalen nachrichtendienstlichen Informationsaustausch teilnehmen zu können, seien deutsche Nachrichtendienste an die "Third Party Rule" gebunden. Diese sei eine "fundamentale Grundregel" nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit. Hiernach dürften Informationen nur mit dem Einverständnis des Urhebers an Dritte weitergegeben oder zu einem anderen Zweck verwendet werden. Der Begriff des "Dritten" sei besonders weit auszulegen und umfasse in der Regel alle Bereiche außerhalb des Nachrichtendienstes. Akzeptiert werde allenfalls die Weitergabe an die vorgesetzte Behörde im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht. In Einzelfällen wiesen die Dienste sogar darauf hin, dass nicht einmal andere Nachrichtendienste des eigenen Landes ohne Zustimmung des Herausgebers als berechtigte Empfänger angesehen werden dürften. Die Informationen unterlägen schließlich einer Zweckbindung. Im nachrichtendienstlichen Kontext erfolge die Übermittlung üblicherweise nur als Hintergrundinformation, das heißt, dass die Informationen des ausländischen Dienstes mit den eigenen Informationen abgeglichen werden, sie bestätigen oder ihnen entgegenstehen könnten. Soweit sie noch nicht bekannt seien, könnten Informationen Anlass für eigene Aufklärungen sein. Eine Nutzung für andere als nachrichtendienstliche Zwecke, insbesondere für die Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung, sei hingegen nicht erlaubt und zustimmungsbedürftig.

54

Die "Third Party Rule" diene vor allem der Sicherung des Quellenschutzes. Für den empfangenden Nachrichtendienst sei nicht erkennbar, auf welche Weise - durch menschliche Quellen oder technisches Aufkommen - die Information gewonnen worden sei und welche Risiken bei der Nutzung auftreten könnten. Dies könne nur der Herausgeber beurteilen.

55

Die "Third Party Rule" sei Grundlage der internationalen Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten. Sie beanspruche als Staatspraxis internationale Geltung und spiegele sich auch in den Regelungen internationaler Konventionen wider. Ihr Rechtsgedanke finde sich auch im deutschen Recht in § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz - PKGrG vom 29. Juli 2009 [BGBl I S. 2346]) und sei vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29. April 2015 - 20 F 8.14 - sowie in der Literatur anerkannt.

56

Die "Third Party Rule" sei schließlich völkervertragsrechtlich in dem Geheimschutzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika fixiert.

57

Soweit es um die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands gehe, sei zwar nicht von einem absoluten Verbot der Weitergabe von Informationen an parlamentarische Kontrollgremien auszugehen. Bei völkerrechtskonformer Auslegung des Abkommens und angesichts der "Third Party Rule" bestehe aber eine Konsultationspflicht der Bundesregierung.

58

c) Der im Geheimschutzabkommen enthaltene Zustimmungsvorbehalt löse nicht das Erfordernis eines Vertragsgesetzes gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG aus. Weder betreffe das Konsultationsverfahren einen Gegenstand der Bundesgesetzgebung, noch liege ersichtlich eine Regelung der politischen Beziehungen des Bundes vor. Das Geheimschutzabkommen sei ein Verwaltungsabkommen. Der Umstand, dass es sich bei ihm um eine Verschlusssache handele, schließe eine innerstaatliche Rechtswirkung nicht aus. Aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG resultiere eine Publikationspflicht nur für Vorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten. Aus dem Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika ergäben sich jedoch keine unmittelbaren Bindungswirkungen im Staat-Bürger-Verhältnis.

59

2. Die Antragsgegnerin zu 1. müsse von Verfassungs wegen eine praktische Konkordanz zwischen der besonderen Bedeutung des parlamentarischen Untersuchungsrechts und der Pflicht zur Vermeidung schwerer Staatswohlgefährdungen durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen herstellen. Beide durch die Verfassung geschützten Rechtsgüter seien so zuzuordnen, dass sie weitestmögliche Wirkung entfalten könnten.

60

Die Antragsgegnerin zu 1. habe das Konsultationsverfahren eingeleitet und den Untersuchungsausschuss fortlaufend informiert. Aufgrund der Reaktionen der Vereinigten Staaten von Amerika habe die Antragsgegnerin zu 1. die Gefahr einer rechtswidrigen Weitergabe an und Veröffentlichung von Selektoren durch die Presse einbeziehen müssen. Bei der Einschätzung der Gefahr sei zu berücksichtigen, dass bereits eine große Anzahl von Unterlagen nach einer Übersendung an den Untersuchungsausschuss veröffentlicht worden sei. Diese Veröffentlichungen seien unabhängig von der Art und Weise erfolgt, in der die Informationen zugänglich gemacht worden seien (mündliche Offenlegung gegenüber einem begrenzten Personenkreis, Einsichtnahme ohne Übersendung), und welchem Geheimhaltungsgrad sie unterfielen. Zwar solle nicht in Abrede gestellt werden, dass im Einzelfall eine rechtswidrige Weitergabe auch aus der Sphäre der Antragsgegnerin zu 1. erfolgt sein könne. Maßgeblich sei aber allein, dass das faktische Risiko einer rechtswidrigen Weitergabe und einer anschließenden Veröffentlichung durch die Medien nach Übermittlung an den Untersuchungsausschuss ungleich höher sei, als es dies bei einem Verbleib bei den zuständigen Stellen der Antragsgegnerin zu 1. wäre.

61

Die Einschätzung der Gefährdungslage stelle eine Prognoseentscheidung dar, bei der unter Anwendung des Gebots der bestmöglichen Sachaufklärung die Stellungnahme der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und die diesen zu entnehmenden Folgen sowie deren zu erwartende Auswirkungen auf die deutsche Sicherheitslage zu beachten seien. Es seien nicht bloße Unannehmlichkeiten zu erwarten, sondern massive Beeinträchtigungen.

62

Aus diesem Grund habe die Antragsgegnerin zu 1. zur Befriedigung des Informationsinteresses bei gleichzeitiger Wahrung der berechtigten Geheimhaltungsinteressen die Einsetzung einer sachverständigen Vertrauensperson vorgeschlagen. Die unabhängige sachverständige Vertrauensperson sei die Form der Informationsvermittlung, welche das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung der berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Regierung bestmöglich befriedige. Um die in der Staatspraxis anerkannte "Third Party Rule" sowie das Geheimschutzabkommen nicht zu verletzen, sollte der Ausschuss zwar über Person und Auftrag befinden, die Regierung aber die Vertrauensperson einsetzen. Denn bei einer von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzten Vertrauensperson erfolge keine Übermittlung an das Parlament und damit keine Verletzung der "Third Party Rule" sowie des Geheimschutzabkommens.

63

3. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten ihrer Begründungspflicht Genüge getan. Sie hätten den Untersuchungsausschuss, nötigenfalls in vertraulicher Sitzung, detailliert und umfassend über die Natur der zurückgehaltenen Informationen und die Notwendigkeit zur Geheimhaltung unterrichtet. Sie hätten ihm die Möglichkeit gegeben, eine unabhängige sachverständige Vertrauensperson zu benennen, um die vom Untersuchungsausschuss gewünschten Untersuchungen durchzuführen.

IV.

64

Der Senat hat gemäß § 66a Satz 1 BVerfGG aus Geheimschutzgründen (vgl. BTDrucks 14/9220 S. 5) von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

65

Soweit es sich bei den von den Beteiligten vorgelegten Akten um Verschlusssachen handelt, wird deren Inhalt nicht wiedergegeben.

B.

66

Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ist zulässig; der Antrag der Antragstellerin zu 3. ist unzulässig.

I.

67

Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht ist für die hier umstrittenen Fragen der Beweiserhebung durch den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5 BVerfGG eröffnet.

II.

68

Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG muss der Antragsgegenstand eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners sein, durch die der Antragsteller oder das Organ, dem er angehört, in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

69

Dem Wortlaut ihres Antrages zufolge begehren die Antragstellerinnen die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. die dem Deutschen Bundestag nach Art. 44 GG zustehenden verfassungsmäßigen Rechte verletzt haben, indem sie es abgelehnt hätten, dem Untersuchungsausschuss sämtliche Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherten Daten und sonstige sächliche Beweismittel vorzulegen, die Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim BND darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die NSA der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagiert haben. Auf welche dem Untersuchungsausschuss vorenthaltenen Beweismittel sich der Antrag bezieht, ist angesichts der Formulierung "sämtliche" konkretisierungsbedürftig.

70

Das Bundesverfassungsgericht ist dabei an die Wortfassung der gestellten Anträge nicht gebunden (vgl. BVerfGE 1, 14 <39>; 68, 1 <68>; 106, 51 <59 f.>). Entscheidend ist vielmehr der eigentliche Sinn des mit dem Antrag verfolgten prozessualen Begehrens. Damit ist auch die Begründung des Antrages zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 68, 1 <68>).

71

Aus der Antragsbegründung und dem Zusammenhang, in dem die Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses gestellt worden waren, ergibt sich, dass die Antragstellerinnen die Verletzung von Rechten des Bundestages in der Nichtvorlage der NSA-Selektorenlisten sehen. Sie führen in ihrer Antragsbegründung aus, die Antragsgegnerin zu 1. habe die Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26 nur teilweise erfüllt, so dass sie durch den weiteren Beschluss des Untersuchungsausschusses vom 11. Juni 2015 aufgefordert worden sei, die aus den beigezogenen Beweismitteln zum Beweisbeschluss BND-26 entnommenen Unterlagen, das heißt die Listen mit Steuerungs- und Telekommunikationsmerkmalen, vorzulegen. Daraus folgt, dass die Antragsgegnerin zu 1. zur Vorlage der NSA-Selektorenlisten aufgefordert worden ist, was sie mit Schreiben vom 17. Juni 2015 abgelehnt hat. Nach dem - unwidersprochen gebliebenen - schriftsätzlichen Vorbringen der Antragsgegner ist der Beweisbeschluss BND-26 bis auf die Vorlage der NSA-Selektorenlisten umfassend erfüllt worden.

III.

72

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind jeweils für sich als Fraktionen (a) und in der Gesamtheit ihrer Mitglieder parteifähig (b).

73

a) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig, da sie als Fraktionen des Deutschen Bundestages sowohl von der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages als auch von der Verfassung anerkannte Teile des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag sind (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 58, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen; stRspr).

74

b) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind zugleich in der Gesamtheit ihrer Mitglieder gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT parteifähig.

75

Art. 44 Abs.1 Satz 1 GG gibt dem Bundestag das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Damit erhält das Parlament die Möglichkeit, sich ohne Einflussnahme von Regierung und Verwaltung über Angelegenheiten zu informieren, deren Kenntnis es zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Das Schwergewicht der Untersuchungen liegt regelmäßig in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung. War das Untersuchungsrecht im System der konstitutionellen Monarchie noch in erster Linie ein Instrument des gewählten Parlaments gegen die monarchische Exekutive, so hat es sich unter den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems maßgeblich zu einem Recht der Opposition auf eine Sachverhaltsaufklärung unabhängig von der Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit entwickelt (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>; 105, 197 <222>; zum sogenannten neuen oder innerparlamentarischen Dualismus vgl. auch BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 87, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Dementsprechend ist das parlamentarische Untersuchungsrecht durch das Grundgesetz bewusst als Minderheitenrecht ausgestaltet (vgl. BVerfGE 49, 70 <86 f.>; 67, 100 <126>).

76

Vor diesem Hintergrund ist eine Einsetzungsminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, die sich in dem Rechtsakt der Stellung eines Antrags gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG als ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages konstituiert hat (sogenannte konkrete Einsetzungsminderheit; vgl. BVerfGE 67, 100 <124>; 105, 197 <220>; 124, 78 <106 f.>), vom Grundgesetz als Träger kompetenzieller Rechte ausgewiesen (vgl. BVerfGE 124, 78 <107>) und daher parteifähig.

77

Mit eigenen Rechten ausgestattetes Organteil im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ist aber auch die sogenannte potentielle Einsetzungsminderheit (vgl. BVerfGE 105, 197 <220, 224 f.>; auch BVerfGE 113, 113 <121>). Die einsetzungsberechtigte Minderheit muss sich nicht mit einem eigenen Untersuchungsantrag konstituieren. Wäre dies von Verfassungs wegen gefordert, so müsste die einsetzungsberechtigte Minderheit praktisch jeder Mehrheitsenquete eine eigene Minderheitsenquete entgegensetzen, entweder parallel zur Einsetzung der Mehrheitsenquete oder später im Fall eines Konflikts über Beweiserhebungen. Die potentielle Einsetzungsminderheit behält deshalb selbst dann ihre Verfahrensrechte aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn sie zunächst ausdrücklich gegen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gestimmt hat. Folglich genügt es, wenn sich die einsetzungsberechtigte Minderheit mit einem eigenen Untersuchungsantrag konstituieren könnte (vgl. BVerfGE 105, 197 <224 f.>).

78

Voraussetzung der Parteifähigkeit ist hiernach das Erreichen des in Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG genannten Quorums.

79

Die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehörenden Mitglieder erreichen freilich weder für sich noch zusammen ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Antragstellerin zu 1. hat 64 Sitze und die Antragstellerin zu 2. verfügt über 63 Sitze im Deutschen Bundestag, so dass die Antragstellerinnen zusammen lediglich 127, das heißt gut 20% der - im Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses vorhandenen - 631 Sitze des Deutschen Bundestages erreichen.

80

Die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehörenden Mitglieder werden jedoch durch das Geschäftsordnungsrecht mit eigenen Rechten im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ausgestattet. Nach § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT ist für die Dauer der 18. Wahlperiode auf Antrag von 120 der Mitglieder des Bundestages ein Untersuchungsausschuss gemäß Art. 44 GG einzusetzen. Im Hinblick auf die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen weicht die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages damit vom Viertelquorum des Art. 44 Abs. 1 GG ab und erfordert geschäftsordnungsrechtlich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bereits auf Verlangen von 120 Abgeordneten.

81

2. Die Antragstellerin zu 3. ist gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT parteifähig.

82

Der Regelungsgehalt von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG erschöpft sich nicht in der Pflicht des Bundestages, auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die bei der Einsetzung des Ausschusses von Verfassungs wegen vorhandene Spannung zwischen Mehrheit und qualifizierter Minderheit setzt sich daher im Untersuchungsverfahren fort (vgl. BVerfGE 105, 197 <223>). Art. 44 GG wirkt insoweit in den Untersuchungsausschuss hinein. Die in den Untersuchungsausschuss entsandten Abgeordneten einer Fraktion oder mehrerer Fraktionen, die allein oder zusammen mindestens ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages umfassen, repräsentieren den einsetzungsberechtigten Teil des Deutschen Bundestages im Ausschuss jedenfalls so lange, wie kein Dissens zwischen der jeweiligen Fraktion und ihren Vertretern im Ausschuss erkennbar ist (sogenannte Fraktion im Ausschuss; vgl. BVerfGE 105, 197 <220 f.>; 113, 113 <121>).

83

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. in der Gesamtheit ihrer Mitglieder werden im Untersuchungsausschuss durch die Antragstellerin zu 3. repräsentiert, so dass diese ebenfalls ihre Parteifähigkeit aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT ableiten kann.

IV.

84

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind antragsbefugt; die Antragstellerin zu 3. ist nicht antragsbefugt.

85

1. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

86

Der Organstreit zielt auf die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten von Verfassungsorganen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG). Die als verletzt geltend gemachte Rechtsposition muss in einem Verfassungsrechtsverhältnis gründen (vgl. BVerfGE 118, 277 <318>; 131, 152 <191>). Ein Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor, wenn auf beiden Seiten des Streits Verfassungsorgane oder Teile von Verfassungsorganen stehen und um verfassungsrechtliche Positionen streiten (vgl. BVerfGE 118, 277 <318>). Rechte, die sich lediglich auf Vorschriften einfachen Gesetzesrechts oder der Geschäftsordnung stützen, reichen für die Begründung der Antragsbefugnis nicht aus (vgl. BVerfGE 118, 277 <319>; 131, 152 <191>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 79, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

87

Die Antragstellerinnen beanstanden die Weigerung der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2., an sie gerichtete Beweisbeschlüsse zu erfüllen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des aus Art. 44 Abs. 1 GG abzuleitenden Beweiserhebungsrechts des Deutschen Bundestages und der Verpflichtung der Bundesregierung zur Aktenvorlage. Träger des Untersuchungsrechts und damit Herr des Untersuchungsverfahrens ist der Deutsche Bundestag als Ganzer (vgl. BVerfGE 124, 78 <114>). Da das Plenum selbst die mit dem Untersuchungsrecht verbundenen Befugnisse nicht wahrnehmen kann, bedient es sich nach der Bestimmung des Art. 44 Abs. 1 GG des Untersuchungsausschusses (vgl. BVerfGE 67, 100 <125>; 105, 197 <220>; 113, 113 <121 f.>). Aufgabe der Untersuchungsausschüsse ist es, das Parlament bei seiner Arbeit zu unterstützen und seine Entscheidungen vorzubereiten (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>). Das Untersuchungsrecht aus Art. 44 Abs. 1 GG bleibt auch nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses Sache des Parlaments in seiner Gesamtheit (vgl. BVerfGE 105, 197 <220>; 113, 113 <121>).

88

Innerhalb des durch die Verfassung und das Untersuchungsausschussgesetz sowie die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gesteckten Rahmens und innerhalb des durch den Einsetzungsbeschluss des Plenums vorgegebenen Untersuchungsauftrags ist ein Untersuchungsausschuss in der Gestaltung seines Verfahrens frei. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ermächtigt den Untersuchungsausschuss, die in Verfolgung des Untersuchungszweckes erforderlichen Beweise selbst zu erheben (vgl. BVerfGE 67, 100 <128>). Der Untersuchungsausschuss ist damit "Herr im Verfahren", obwohl er die Informations- und Untersuchungsrechte des Deutschen Bundestages nur als dessen Hilfsorgan ausübt (vgl. BVerfGE 67, 100 <124>; 105, 197 <220>; 113, 113 <120>; 124, 78 <114>).

89

2. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind nicht antragsbefugt, soweit sie die Verletzung eigener Rechte geltend machen (a). Sie sind jedoch befugt, als einzelne Fraktionen die Rechte des Deutschen Bundestages in Prozessstandschaft geltend zu machen (b).

90

a) Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ist nur eine Viertelminderheit als organisatorisch verfestigte selbstständige Teilgliederung des Deutschen Bundestages mit eigenen verfassungsrechtlichen Rechten ausgestattet. Aufgrund des expliziten Wortlauts der Grundgesetzbestimmung ist der Weg für eine Auslegung (zum Gebot der Auslegung zugunsten der Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 90, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen) im Sinne einer teleologischen Reduktion des angeordneten Quorums verstellt; für Analogieschlüsse fehlt es bereits an der notwendigen Lücke. Der Verfassungsgeber hat den Belang des Minderheitenschutzes auf der einen Seite und der Gefahr des Missbrauchs von Minderheitenrechten, die ihm noch aus Zeiten der Weimarer Republik vor Augen stand, auf der anderen Seite erkannt und gegeneinander abgewogen. Er hat auch die Konsequenzen seiner Quorenbestimmungen gesehen und billigend in Kauf genommen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 116, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

91

Hieran vermag die Einfügung des § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT nichts zu ändern. Eine geschäftsordnungsmäßig verbriefte Rechtsposition ist nicht zwangsläufig von einem (behaupteten) Verfassungsorganstatus, das heißt vom Verfassungsrecht, umfasst (vgl. BVerfGE 27, 44 <51>; 130, 367 <370>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 79, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Als bloßes Geschäftsordnungsrecht kann § 126a GO-BT das verfassungsrechtliche innerparlamentarische Spannungsfeld zwischen parlamentarischer Mehrheit und Minderheit nicht letztverbindlich auflösen, insbesondere keine über Art. 44 GG hinausgehenden, verfassungsrechtlich einklagbaren Minderheitenrechte schaffen. § 126a GO-BT ist jederzeit änderbar und begründet daher - auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 126a Abs. 2 GO-BT - keine gesicherte Rechtsposition (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 78, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

92

b) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. können sich aber als Fraktionen grundsätzlich auf Rechte des Deutschen Bundestages berufen, die sie als dessen Organteil im Wege der Prozessstandschaft geltend machen können (vgl. BVerfGE 67, 100 <125>; 105, 197 <220>; 124, 78 <106>; 139, 194 <220 Rn. 96>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 66, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

93

3. Die Antragstellerin zu 3. ist nicht antragsbefugt.

94

a) Da die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. in der Gesamtheit ihrer Mitglieder schon nicht antragsbefugt sind, kann die Antragstellerin zu 3. auch nicht aufgrund ihrer Stellung als Vertreterin einer Minderheit von nur 120 Mitgliedern des Deutschen Bundestages gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT antragsbefugt sein.

95

b) Die Antragstellerin zu 3. ist auch nicht befugt, als Viertelminderheit im Untersuchungsausschuss im Wege der Prozessstandschaft gemäß § 18 Abs. 3 PUAG Rechte des Bundestages geltend zu machen.

96

§ 18 Abs. 3 PUAG billigt nicht jeder Minderheit im Untersuchungsausschuss die Antragsbefugnis zu. Ein solches Verständnis würde eine Loslösung von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, der konzeptionell in das Regelungsregime der Untersuchungsausschüsse hineinwirkt, bedeuten. Antragsbefugt ist vielmehr nur die von der konkreten oder potentiellen Einsetzungsminderheit im Deutschen Bundestag im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG getragene Ausschussminderheit; nur diese kann als Prozessstandschafterin auftreten.

97

Zwar gebietet der Grundsatz effektiver Opposition (hierzu BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 85 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen), die im Grundgesetz vorgesehenen Minderheitenrechte auf Wirksamkeit hin auszulegen. Allerdings bildet der Wortlaut des Grundgesetzes - namentlich die dort angeordneten Quoren - die Grenze jeder Auslegung (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 109, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Insoweit stellen die in den Verfassungstext aufgenommenen Quoren die vom Verfassungsgeber und vom verfassungsändernden Gesetzgeber gewollte Konkretisierung des Grundsatzes effektiver Opposition dar (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 114, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

98

Eine Ableitung der Rechte der Minderheit aus Art. 44 GG und ein Hineinwirken des Art. 44 GG in das Regelungsregime der Untersuchungsausschüsse ist für die Begründung der Antragsbefugnis im Organstreitverfahren konstitutiv. Das Untersuchungsausschussgesetz kann als im Kern verfassungsinterpretatorisches und damit deklaratorisches Gesetz (vgl. Seidel, BayVBl. 2002, S. 97 <98>) keine über Art. 44 GG hinausgehenden verfassungsprozessual durchsetzbaren Minderheitenrechte schaffen. § 18 Abs. 3 PUAG regelt ein einfachrechtliches Antragsrecht, das sich aus einem einfachrechtlichen Rechtsverhältnis ergibt und nicht die für den Verfassungsorganstreit erforderliche Verfassungsqualität aufweist. Im Übrigen wollte der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 18 Abs. 3 PUAG keine Abkopplung der Abgeordneten im Ausschuss von der Viertelminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG erzielen. Ausweislich der Gesetzesbegründung sieht die Neuregelung in § 18 Abs. 3 Halbsatz 1 PUAG betreffend Streitigkeiten über die (Nicht-)Vorlage beziehungsweise (Nicht-)Freigabe von Beweismitteln keine neue Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts vor. Eine Modifizierung enthalte § 18 Abs. 3 Halbsatz 1 PUAG nur insofern, als die geänderte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Antragsbefugnis der Fraktion im Ausschuss gesetzlich umgesetzt werde (vgl. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, BTDrucks 14/9220, S. 4). Der Senat hatte noch in seiner Entscheidung zum Flick-Untersuchungsausschuss eine Prozessstandschaft der Fraktion im Ausschuss verneint (vgl. BVerfGE 67, 100 <126>) und ist hiervon in seiner Entscheidung zum Parteispenden-Untersuchungsausschuss abgerückt (vgl. BVerfGE 105, 197 <220 f.>).

V.

99

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. wenden sich gegen die richtigen Antragsgegner, da die Bundesregierung und der Chef des Bundeskanzleramtes die Vorlage der NSA-Selektorenlisten abgelehnt haben und damit für die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung die Verantwortung tragen (vgl. BVerfGE 140, 115 <140 Rn. 61> m.w.N.).

100

Die Bundesregierung trägt die rechtliche Verantwortung für die Verweigerung der vollständigen Aktenvorlage, da sie im Rahmen ihrer Koordinierungsbefugnis (vgl. Art. 65 Satz 3 GG) entschieden hat, das Aktenvorlagebegehren des Untersuchungsausschusses nicht zu erfüllen. Neben der Bundesregierung trägt der Chef des Bundeskanzleramtes (§ 7 Geschäftsordnung der Bundesregierung), der zugleich Bundesminister für besondere Aufgaben ist, die Verantwortung für die sächlichen Beweismittel des dem Bundeskanzleramt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz - BNDG vom 20. Dezember 1990 [BGBl I S. 2954, 2979], zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 [BGBl I S. 1818]) nachgeordneten Bundesnachrichtendienstes. Er hat im Rahmen seiner Ressortkompetenz nach Art. 65 Satz 2 GG über den Umfang der Aktenherausgabe und damit konkret darüber entschieden, inwieweit dem Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses entsprochen werden soll.

VI.

101

Nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. durch eine unterbliebene oder unvollständige Aktenvorlage an den Ausschuss das parlamentarische Untersuchungsrecht des Deutschen Bundestages gemäß Art. 44 GG in der im Antrag spezifizierten Weise verletzt haben.

102

Selbst wenn die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. das Ersuchen des Untersuchungsausschusses nicht endgültig, sondern lediglich vorläufig abgelehnt haben sollten, erscheint eine Verletzung im Hinblick auf die Verzögerungswirkung möglich (zum Erlass einer einstweiligen Anordnung vgl. BVerfGE 105, 197 <234>; 106, 51 <61 f.>; 113, 113 <125 f.>; zur Verzögerung durch Erweiterung des Untersuchungsauftrags vgl. Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil vom 1. Dezember 2006 - HVerfG 01/06 -, juris, Rn. 132 ff.; vgl. auch Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2002 - 11/02 -, juris, Rn. 88). Schon eine bloße Verzögerung kann die Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle entscheidend in Frage stellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ausschuss mit dem Ende der jeweiligen Wahlperiode zu bestehen aufhört (vgl. BVerfGE 49, 70 <86>).

VII.

103

Mit dem am 16. September 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG, denn sie rügen die Entscheidung der Antragsgegner vom 17. Juni 2015.

VIII.

104

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. haben ein Rechtsschutzinteresse. Zur Durchsetzung der von ihnen geltend gemachten Rechte steht kein anderer Weg als der des Organstreitverfahrens zur Verfügung. Die Einleitung dieses Verfahrens kann daher auch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Der von den Antragstellerinnen angegriffene Akt der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. - die Verweigerung der Aktenvorlage - entfaltet nach wie vor rechtserhebliche Wirkungen, die geeignet sind, das Untersuchungsergebnis zu beeinträchtigen. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. haben im Vorfeld des Organstreitverfahrens und auch schriftsätzlich die Verfassungsmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage behauptet. Die Verweigerung der Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss ist dem Einflussbereich der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. entzogen, so dass keine Alternative zu einer Entscheidung im Wege des Organstreitverfahrens besteht (vgl. BVerfGE 124, 78 <113>).

C.

105

Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ist unbegründet.

I.

106

1. Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG hat der Deutsche Bundestag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss mit der Befugnis zur Erhebung der erforderlichen Beweise einzusetzen.

107

a) Das in Art. 44 GG gewährleistete Untersuchungsrecht gehört zu den ältesten und wichtigsten Rechten des Parlaments (vgl. BVerfGE 124, 78 <114>). Über das Zitierrecht nach Art. 43 Abs. 1 GG und das Frage- und Informationsrecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG hinaus verschafft es die Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung, die das Parlament zur Vorbereitung seiner Entscheidungen und vor allem zur Wahrung seiner Kontrollfunktion gegenüber der ihm verantwortlichen Regierung benötigt (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>; 124, 78 <114>). Der Untersuchungsausschuss ist als Aufklärungsinstrument im Rahmen der politischen Kontroverse (vgl. BVerfGE 105, 197 <225 f.>) dabei ein spezifisches Instrument parlamentarischer Kontrolle.

108

Die Auslegung des Art. 44 GG und der das Untersuchungsausschussrecht konkretisierenden Vorschriften des Untersuchungsausschussgesetzes hat, insbesondere bei der Frage, welche Befugnisse einem Untersuchungsausschuss zustehen, zu berücksichtigen, dass diese Bestimmungen die Voraussetzungen für eine wirksame parlamentarische Kontrolle schaffen sollen (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 77, 1 <48>; 124, 78 <114>).

109

b) Der Untersuchungsausschuss ist gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG befugt, im Rahmen seines Untersuchungsauftrags diejenigen Beweise zu erheben, die er für erforderlich hält (vgl. BVerfGE 67, 100 <127 f.>; 124, 78 <114>). Nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG finden auf Beweiserhebungen die Vorschriften über den Strafprozess sinngemäß Anwendung. Diese Verweisung erstreckt sich auf alle Bestimmungen, die die strafprozessuale Sachverhaltsaufklärung regeln; sie erfasst sowohl befugnisbegründende als auch befugnisbegrenzende Regelungen (vgl. BVerfGE 67, 100 <133>; 77, 1 <48 f.>; 124, 78 <115>). Die Bestimmungen der Strafprozessordnung geben einem Untersuchungsausschuss Zwangsmittel zur Beschaffung von Beweismitteln an die Hand, stellen den Informationsverschaffungsanspruch aber auch unter rechtsstaatliche Vorgaben. In sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess stehen dem Untersuchungsausschuss Zeugen (§§ 48 ff. StPO), Urkunden und andere Schriftstücke (§§ 249 ff. StPO) sowie Sachverständige und Augenschein (§§ 72 ff. StPO) als Beweismittel zur Verfügung. Zur Beweiserhebung im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG zählt nicht nur die Beweisaufnahme im engeren Sinne (§ 244 Abs. 1 StPO), sondern der gesamte Vorgang der Beweisverschaffung, Beweissicherung und Beweisauswertung (vgl. BVerfGE 67, 100 <133>; 77, 1 <49>; 124, 78 <115>).

110

Das Recht auf Aktenvorlage gehört zum Kern des Untersuchungsrechts. Der Anspruch auf Vorlage von Akten im Verantwortungsbereich der Regierung folgt nicht lediglich aus dem Recht auf Amtshilfe gemäß Art. 44 Abs. 3 GG; er ist Bestandteil des Kontrollrechts aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und des Rechts der Beweiserhebung nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 67, 100 <128 f., 132>; 124, 78 <116>). Akten sind bei der Untersuchung politischer Vorgänge ein besonders wichtiges Beweismittel. Sie haben gegenüber Zeugenaussagen in der Regel einen höheren Beweiswert, weil das Gedächtnis von Zeugen aus mancherlei Gründen unergiebig werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <132>; 124, 78 <117>). Der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben oder sein Verlangen auf bestimmte Aktenteile beschränken. Vielmehr soll er sich anhand der vollständigen Akten selbst ein Bild vom Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit machen können (vgl. BVerfGE 124, 78 <117>). Der Vorlageanspruch bezieht sich grundsätzlich auf alle Akten, die mit dem Untersuchungsgegenstand in Zusammenhang stehen. Bei einem Ersuchen auf Aktenvorlage muss nicht bereits feststehen, dass die Unterlagen auch tatsächlich entscheidungserhebliches Material oder entsprechende Beweismittel enthalten. Es reicht aus, wenn sie Hinweise hierauf geben könnten (vgl. BVerfGE 124, 78 <117>).

111

2. Das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses unterliegt Grenzen, die, auch soweit sie einfachgesetzlich geregelt sind, ihren Grund im Verfassungsrecht haben müssen (vgl. BVerfGE 124, 78 <118>).

112

a) Völkerrechtliche Verpflichtungen können demgemäß keine unmittelbare Schranke des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts begründen, da sie als solche keinen Verfassungsrang besitzen. Das zeigt insbesondere der Blick auf die insoweit maßgeblichen verfassungsrechtlichen Regelungen in Art. 25 GG und Art. 59 Abs. 2 GG.

113

Art. 25 Satz 1 GG bestimmt, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind. Er verschafft diesen unmittelbar, das heißt, ohne dass ein sonstiger (einfachrechtlicher) Rechtsakt hinzukommen müsste, Wirksamkeit innerhalb der deutschen Rechtsordnung. Nach Art. 25 Satz 2 GG gehen sie den Gesetzen vor. Ein Gesetz, das mit einer allgemeinen Regel des Völkerrechts kollidiert, verstößt daher gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG. Gleichzeitig ist Art. 25 GG jedoch dahingehend zu verstehen, dass er - dem Wortlaut von Satz 2 entsprechend - den allgemeinen Regeln des Völkerrechts einen Rang oberhalb der (einfachen) Gesetze, aber unterhalb der Verfassung einräumt (Zwischenrang) (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 39 ff. m.w.N., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

114

Nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erlangen völkerrechtliche Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, erst durch das dort vorgesehene Zustimmungsgesetz innerstaatliche Wirksamkeit. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt nicht nur die Methodik, durch die völkervertragliche Regelungen in der nationalen Rechtsordnung wirksam werden, sondern auch den Rang, der dem für anwendbar erklärten Völkervertragsrecht innerhalb der nationalen Rechtsordnung zukommt. Aus Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, dass völkerrechtlichen Verträgen, soweit sie nicht in den Anwendungsbereich einer anderen, spezielleren Öffnungsklausel - insbesondere Art. 23 bis Art. 25 GG - fallen, innerstaatlich der Rang eines einfachen (Bundes-)Gesetzes zukommt und sie insofern keinen Übergesetzes- oder gar Verfassungsrang besitzen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 43 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

115

Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit kann die differenzierten Regelungen des Grundgesetzes über den Rang der unterschiedlichen Quellen des Völkerrechts nicht verdrängen und ihre Systematik nicht unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 65 ff., 73 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

116

b) Begrenzt wird das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse zunächst durch den im Einsetzungsbeschluss zu bestimmenden Untersuchungsauftrag. Dieser selbst muss sich im Rahmen der parlamentarischen Kontrollkompetenz halten und hinreichend deutlich bestimmt sein (vgl. BVerfGE 124, 78 <118 f.>).

117

c) Gründe, einem Untersuchungsausschuss Informationen vorzuenthalten, können sich zudem aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergeben (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; zur Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>).

118

Der Grundsatz der Gewaltenteilung zielt auf Machtverteilung und die sich daraus ergebende Mäßigung staatlicher Herrschaft. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient er zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 3 GG) (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>). In der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist die Teilung der Gewalten nicht als absolute Trennung realisiert und geboten. Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>; 137, 185 <233 Rn. 135>).

119

aa) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

120

Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen. Diese Möglichkeit besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (vgl. BVerfGE 110, 199 <214 f.>; 124, 78 <120 f.>; 131, 152 <206, 210>; 137, 185 <234 Rn. 136>).Die Kontrollkompetenz des Parlaments erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

121

Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung. Auch dem nachträglichen parlamentarischen Zugriff auf Informationen aus der Phase der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen setzt der Grundsatz der Gewaltenteilung Grenzen. Auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung nicht verpflichtet ist, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen. Ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Informationsanspruch würde vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die die grundgesetzliche Gewaltenteilung ihr zuweist (vgl. BVerfGE 110, 199 <215 f.>; 124, 78 <121>).

122

bb) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt angesichts des Gefüges der grundgesetzlichen Zuordnung staatlicher Aufgaben zu bestimmten Funktionen und ihren Trägern zudem die Gewährleistung einer funktionsgerechten und organadäquaten Aufgabenwahrnehmung voraus.

123

(1) Das Grundgesetz verpflichtet die Verfassungsorgane im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Ordnung unter Einhaltung der Regeln des Rechtsstaats. Das gilt namentlich für die Verfolgung der fundamentalen Staatszwecke der Sicherheit und des Schutzes der Bevölkerung (vgl. BVerfGE 115, 320 <358>).

124

Die verfassungsmäßige Ordnung, der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder sowie Leib, Leben und Freiheit der Person sind Schutzgüter von überragendem verfassungsrechtlichem Gewicht. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm - unter Achtung von Würde und Eigenwert des Einzelnen - zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung Verfassungswerte sind, die mit anderen hochwertigen Verfassungsgütern im gleichen Rang stehen. Der Staat ist deshalb von Verfassungs wegen verpflichtet, das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit des Einzelnen zu schützen (vgl. BVerfGE 49, 24 <56 f.>; 115, 320 <346 f.>; 120, 274 <319>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 11 BvR 1140/09 -, juris, Rn. 100, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

125

Dieser Verpflichtung kommt er nach, indem er Gefahren etwa durch terroristische Bestrebungen entgegen tritt. Straftaten mit dem Gepräge des Terrorismus zielen auf die Destabilisierung des Gemeinwesens und umfassen in rücksichtsloser Instrumentalisierung anderer Menschen Angriffe auf Leib und Leben beliebiger Dritter. Sie richten sich gegen die Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Ordnung und das Gemeinwesen als Ganzes. Die Bereitstellung von wirksamen Aufklärungsmitteln zu ihrer Abwehr ist ein legitimes Ziel und für die demokratische und freiheitliche Ordnung von großem Gewicht (vgl. BVerfGE 115, 320 <357 f.>; 133, 277 <333 f. Rn. 133>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 11 BvR 1140/09 -, juris, Rn. 96, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

126

Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Ebert, in: Borgs-Maciejewski/Ebert, Das Recht der Geheimdienste, Kommentar zum BVerfSchG sowie zum G 10, 1986, Teil A, Vor § 1 Rn. 4).

127

Die Festlegung der strategischen Gesamtausrichtung nachrichtendienstlicher Tätigkeit, mithin auch die Entscheidung zur internationalen Kooperation der Nachrichtendienste, erfolgt durch die Bundesregierung. Dies entspricht dem Grundsatz einer organadäquaten Funktionenzuweisung. So bestimmt die Bundesregierung mit dem sogenannten Auftragsprofil die regionalen und thematischen Arbeitsschwerpunkte des BND. Sie gibt die Detailtiefe der zu beschaffenden Erkenntnisse und damit auch den Ressourcenansatz vor. Das Auftragsprofil wird kontinuierlich dem aktuellen Informationsbedarf der einzelnen Ressorts angepasst (vgl. Wieck, in: Eberwein/Kaiser, Deutschlands neue Außenpolitik, Bd. 4, 1998, S. 47 <50 f.>). Es ist auch Aufgabe der Regierung, die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste zu gewährleisten.

128

(2) Zur Effektivierung der Beschaffung und Auswertung von Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung arbeiten die deutschen Nachrichtendienste mit ausländischen Nachrichtendiensten zusammen. Die Zusammenarbeit setzt die Einhaltung von Vertraulichkeit voraus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 -, juris, Rn. 11). Hierfür sind völkerrechtliche Verpflichtungen einzugehen, die als Teil der Außen- und Sicherheitspolitik der Initiativ- und Gestaltungsbefugnis der Regierung obliegen (vgl. BVerfGE 90, 286 <358>).

129

(a) Der Bund hat gemäß Art. 32 GG die Zuständigkeit für die Ausübung der auswärtigen Gewalt (vgl. BVerfGE 2, 347 <378 f.>). Außenpolitik ist eine Funktion der Regierung (so schon BVerfGE 1, 372 <394>; vgl. auch BVerfGE 68, 1 <85 f.>; 90, 286 <357>).

130

In Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung hat das Grundgesetz der Regierung im Bereich auswärtiger Politik einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen. Die Rolle des Parlaments ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (vgl. BVerfGE 104, 151 <207>; 131, 152 <195>).

131

Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG sieht zwar für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, die Notwendigkeit der Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in Form eines Bundesgesetzes vor. Der Verkehr mit anderen Staaten, die Vertretung in internationalen Organisationen, zwischenstaatlichen Einrichtungen und Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit (Art. 24 Abs. 2 GG) sowie die Sicherstellung der gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Außenvertretung Deutschlands fallen demgegenüber aber grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Exekutive, insbesondere der Bundesregierung. Diese grundsätzliche Zuordnung der Akte des auswärtigen Verkehrs zum Kompetenzbereich der Exekutive beruht auf der Annahme, dass institutionell und auf Dauer typischerweise allein die Regierung in hinreichendem Maße über die personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten verfügt, auf wechselnde äußere Lagen zügig und sachgerecht zu reagieren und so die staatliche Aufgabe, die auswärtigen Angelegenheiten verantwortlich wahrzunehmen, bestmöglich zu erfüllen (BVerfGE 68, 1 <87>; 131, 152 <195>).

132

Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages unter Überspielung der konkreten Ordnung der Verteilung und des Ausgleichs staatlicher Macht im Grundgesetz würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und liefe auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinaus (vgl. BVerfGE 90, 286 <363>; 104, 151 <207>; 131, 152 <195 f.>); sie verlagerte in weitem Umfang politische Macht zu Lasten der Exekutive auf den Bundestag in einem Handlungsbereich, der funktionell betrachtet nicht Gesetzgebung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG darstellt (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>).

133

(b) Vor diesem Hintergrund obliegt das Verhandeln und Abschließen von Geheimschutzabkommen als Grundlage einer internationalen Kooperation der Nachrichtendienste der Bundesregierung.

134

Ziel dieser Geheimschutzabkommen ist es in erster Linie, den Austausch geheimhaltungsbedürftiger Informationen mit anderen Staaten abzusichern, denn die Weitergabe von Verschlusssachen hat eine empfindliche Beeinträchtigung der nationalen Souveränität zur Folge. Der herausgebende Staat begibt sich seiner unmittelbaren Beherrschungs- und Geheimhaltungsmöglichkeiten. In Geheimschutzabkommen werden daher die Voraussetzungen, unter denen Personen Zugang zu den zwischen den Staaten ausgetauschten Verschlusssachen erhalten, und die zu ergreifenden materiellen Schutzmaßnahmen zur Geheimhaltung geregelt. Ein Verzicht auf Geheimschutzabkommen würde den deutschen Einfluss auf die Geheimhaltung deutscher Verschlusssachen im Partnerstaat ausschließen und könnte dazu führen, dass ein Geheimnis nach Weitergabe an den Partnerstaat dort einem unbegrenzten Personenkreis zugänglich werden und folglich seinen Charakter als Staatsgeheimnis verlieren könnte (vgl. Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsrecht, Ordner 1, § 1 SÜG Rn. 21 ff. [Juni 2015]; Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 1 SÜG Rn. 38). Im Gegenzug muss die Bundesrepublik Deutschland in der Lage sein, sich ihrerseits gegenüber Stellen anderer Staaten zur Geheimhaltung zu verpflichten (vgl. BTDrucks 12/4891, S. 18).

135

In der nachrichtendienstlichen Praxis werden aber auch Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in Form von sogenannten Memoranda of Understanding oder Memoranda of Agreement abgeschlossen, die den Rechtscharakter von unverbindlichen Übereinkünften haben (vgl. van Ginkel, ICCT - The Hague Research Paper August 2012, S. 3 f.; Sepper, Texas International Law Journal Vol. 46 [2010], S. 151 <158>).

136

Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG lässt die in der auswärtigen Gewalt angelegte Kompetenz unberührt, das jeweils im völkerrechtlichen Verkehr angemessen erscheinende Handlungsinstrumentarium zu wählen und dabei auch eine vertragliche Bindung zu vermeiden. Es obliegt der Bundesregierung, in Abstimmung mit den bisherigen und etwa neu zu gewinnenden Vertragsparteien zu entscheiden, ob, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Inhalt völkerrechtliche Bindungen eingegangen werden sollen. Der Verzicht auf einen Vertrag wird insbesondere sinnvoll sein, wenn die beteiligten Völkerrechtssubjekte sich in der Phase der Vertragsanbahnung, der Erprobung neuer Formen der Zusammenarbeit oder der Abstimmung mit und Rücksichtnahme auf weitere Völkerrechtssubjekte befinden. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG steht auch einem mit den Vertragspartnern abgestimmten außenpolitischen Handeln auf der bisherigen Vertragsgrundlage nicht entgegen, das - etwa mit Rücksicht auf noch nicht abgeschlossene und nicht genügend überschaubare politische Entwicklungen - die völkervertragliche Bindung bewusst vermeidet. Hierdurch sollen neue oder weitergehende Rechte und Pflichten gerade nicht begründet werden (vgl. BVerfGE 90, 286 <360>).

137

d) Eine weitere Grenze des Beweiserhebungsrechts bildet das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>).

138

Welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls. Für die Frage, ob Zeugenaussagen oder die Vorlage von Akten das Staatswohl gefährden würden, ist danach zunächst zu berücksichtigen, dass der Umgang mit Informationen in einem Untersuchungsausschuss eigenen Geheimschutzbestimmungen unterliegt und dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 124, 78 <123 f.>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind. Die Berufung auf das Staatswohl kann daher gegenüber dem Deutschen Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht völlig ausschließt, steht dem nicht entgegen. Diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>).

139

Der Bundestag hat in seiner Geheimschutzordnung, die Bestandteil der Geschäftsordnung ist, in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei seiner Aufgabenerfüllung festgelegt. Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Daneben regelt das Untersuchungsausschussgesetz den Schutz staatlicher Geheimnisse in § 14 Abs. 1 Nr. 4, § 15, § 16 und § 18 Abs. 2 PUAG (vgl. BVerfGE 124, 78 <124 f.>). Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>).

140

Gleichwohl bleibt die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>). Die Bundesregierung ist insbesondere nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

141

e) Parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben darüber hinaus gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Diese können zu einer Einschränkung des Beweiserhebungsrechts führen (BVerfGE 67, 100 <142>; 77, 1 <46>; 124, 78 <125>).

142

f) Das Beweiserhebungsrecht endet schließlich an der Grenze des Rechtsmissbrauchs. So können etwa Beweisanträge zurückgewiesen werden, wenn sie offensichtlich der Verzögerung dienen (BVerfGE 105, 197 <225>; 124, 78 <128>).

143

3. Nimmt die Bundesregierung das Recht für sich in Anspruch, einem Untersuchungsausschuss Beweismittel aus verfassungsrechtlichen Gründen vorzuenthalten, so unterliegt sie von Verfassungs wegen einer Begründungspflicht (vgl. BVerfGE 124, 78 <128>). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies kann er nur dann, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessenen, ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können. Eine Begründung der Antwortverweigerung ist nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>).

144

Im Hinblick auf die Form der Begründung wird die Bundesregierung zwar einfachrechtlich in § 18 Abs. 2 Satz 2 PUAG verpflichtet, den Untersuchungsausschuss über die Gründe der Ablehnung schriftlich zu unterrichten. Das Ablehnungsschreiben ist damit zentral. Es bleibt der Bundesregierung aber unbenommen, dem Untersuchungsausschuss durch ergänzende Maßnahmen die Verweigerungsgründe zu erläutern. Je nach den Umständen ist die Bundesregierung sogar zu solchen Maßnahmen verpflichtet und muss den Ausschuss, gegebenenfalls in vertraulicher Sitzung, detailliert und umfassend über die Natur der zurückgehaltenen Informationen, die Notwendigkeit der Geheimhaltung und den Grad der nach ihrer Auffassung bestehenden Geheimhaltungsbedürftigkeit unterrichten. Dazu ist die Regierung gehalten, dem Untersuchungsausschuss für die Erörterung ihres Standpunktes zur Verfügung zu stehen (vgl. BVerfGE 67, 100 <138>). Hat der Untersuchungsausschuss dennoch Grund zu der Annahme, dass zurückgehaltene Informationen mit dem ihm erteilten Kontrollauftrag zu tun haben, und besteht er deshalb auf Herausgabe der Akten, so hat die Regierung die vom Untersuchungsausschuss genannten Gründe zu erwägen und, sollten diese ihre Auffassung nicht erschüttern können, zu prüfen, welche Wege beschritten werden können, um den Untersuchungsausschuss davon zu überzeugen, dass seine Annahme nicht zutrifft (vgl. BVerfGE 67, 100 <138>). Das Ablehnungsschreiben ergeht regelmäßig in einem - in die verfassungsrechtliche Bewertung einzustellenden - Kontext, so dass eine Gesamtschau der - das Ablehnungsschreiben begleitenden - begründenden Darlegungen geboten ist.

II.

145

Nach diesen Maßstäben haben die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. durch die Verweigerung der Vorlage der sogenannten NSA-Selektorenlisten das Beweiserhebungsrecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG nicht verletzt.

146

Unter Beachtung der Bedeutung des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts (1.) ist dem Interesse der Antragsgegnerin zu 1. an funktionsgerechter und organadäquater Aufgabenwahrnehmung (2.) der Vorrang einzuräumen, weil die vom Beweisbeschluss erfassten NSA-Selektorenlisten aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen nicht der Verfügungsbefugnis der Antragsgegnerin zu 1. unterfallen, die Einschätzung, eine nicht konsentierte Herausgabe könne die Funktions- und Kooperationsfähigkeit deutscher Nachrichtendienste erheblich beeinträchtigen, nachvollziehbar ist und die Antragsgegner dem Vorlageersuchen in Abstimmung mit dem Untersuchungsausschuss durch andere Verfahrensweisen so präzise, wie es ohne eine Offenlegung von Geheimnissen möglich gewesen ist, Rechnung getragen haben (3.). Die Antragsgegner sind auch ihrer von Verfassungs wegen bestehenden Begründungspflicht nachgekommen (4.).

147

1. Das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses umfasst dem Grunde nach auch die NSA-Selektorenlisten.

148

a) Es besteht ein besonderes Informationsinteresse des Untersuchungsausschusses an der Vorlage der NSA-Selektorenlisten zur Gewährleistung der demokratischen Rückanbindung der Nachrichtendienste und der Bundesregierung. Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Eine besondere Kontrollrelevanz ergibt sich dabei aus der Tendenz zur Kooperation und Internationalisierung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit (vgl. Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 199, 201). Die zunehmende internationale Kooperation der Nachrichtendienste entkoppelt partiell die Informationsgewinnung von demokratischer Verantwortung, weil Teilelemente von Entscheidungsgrundlagen außerhalb der Einflusssphäre der demokratischen Organe des Empfängerstaates - hier der Bundesrepublik Deutschland - erzeugt werden (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>).

149

Der Deutsche Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen. Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

150

Auch die US-amerikanischen Nachrichtendienste unterliegen einer parlamentarischen Kontrolle. Der Kongress verfügt in beiden Häusern über ständige Spezialausschüsse - das Senate Select Committee on Intelligence und das House Permanent Select Committee on Intelligence. Die beiden parlamentarischen Kontrollgremien besitzen weitgehende Kontrollrechte unter anderem im Hinblick auf Budgetierung und Budgetvollzug, taktische Geheimdienstinformationen sowie Dienstquellen und -methoden (vgl. Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 248 ff.; Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 297 ff.; Rehli, in: Dörr/Zimmermann, Die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 2007, S. 45 <54 ff.>). Wie in Deutschland ist in den Vereinigten Staaten von Amerika auch die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen oder Sonderkommissionen - etwa der Review Group on Intelligence and Communications Technologies zur Reform der NSA-Überwachungspraxis - möglich.

151

b) Angesichts von Art und Umfang der den Nachrichtendiensten an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns der Nachrichtendienste und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste eine besondere Aufklärungsfunktion zu.

152

Ausweislich des im Einsetzungsantrag (vgl. BTDrucks 18/843) näher bezeichneten Untersuchungsauftrags hat der Untersuchungsausschuss unter anderem aufzuklären, ob ausländische Stellen mit Hilfe deutscher Stellen Daten deutscher Grundrechtsträger über Kommunikationsvorgänge, deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge einer Erfassung und Speicherung auf Vorrat sowie einer Kontrolle und Auswertung unterzogen haben.

153

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Sammlung der dem Grundrechtsschutz unterliegenden personenbezogenen Informationen auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 100, 313 <360>; 115, 320 <350>; 118, 168 <187>). Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss (vgl. BVerfGE 125, 260 <323 f.> mit Verweis auf BVerfGE 123, 267 <353 f.> zum grundgesetzlichen Identitätsvorbehalt).

154

c) Das aus dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses grundsätzlich folgende Recht auf Vorlage der NSA-Selektorenlisten ist nicht durch die Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson und deren gutachterliche Stellungnahme erfüllt. Die sachverständige Vertrauensperson handelte nicht als Hilfsorgan des Untersuchungsausschusses.

155

Das Untersuchungsausschussgesetz kennt die Konstruktion der sachverständigen Vertrauensperson nicht. Nach § 28 PUAG kann der Untersuchungsausschuss zur Beweiserhebung ein Sachverständigengutachten einholen. Der Sachverständige hat aufgrund seiner besonderen Sachkunde dem Untersuchungsausschuss Tatsachen-, aber auch Rechtskenntnis zu verschaffen. § 10 PUAG gibt dem Untersuchungsausschuss die Möglichkeit, einen Ermittlungsbeauftragten zu seiner Unterstützung einzusetzen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll der Ermittlungsbeauftragte es dem Untersuchungsausschuss ermöglichen, sich bei einem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfangreichen Untersuchungsauftrag auf die eigentlichen Kernfragen zu konzentrieren. Voraussetzung hierfür ist bei komplexen Sachverhalten eine intensive Vorarbeit durch einen Ermittlungsbeauftragten, der das Beweismaterial zunächst zu beschaffen und zu sichten sowie die zu beurteilenden Sachverhalte sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht aufzubereiten hat. Auf der Basis solcher Vorermittlungen kann der Untersuchungsausschuss seine Arbeit, insbesondere seine Beweisaufnahme, gezielter und zügiger durchführen (vgl. BTDrucks 14/5790, S. 15). Da Sachverständige und Ermittlungsbeauftragte letztlich als Hilfsorgane vor allem eine Voruntersuchungs- und damit Entlastungsfunktion haben sollen, bleibt der Ausschuss "Herr im Verfahren" und hat die Gesamtverantwortung inne. Der Untersuchungsausschuss muss letztlich selbst eine abschließende, umfassende Beweiserhebung und Beweiswürdigung vornehmen.

156

Dies war bei der Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson nicht gewährleistet. Die von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzte sachverständige Vertrauensperson hat nicht bloße Voruntersuchungen zur Arbeitserleichterung für den Untersuchungsausschuss durchgeführt. Vielmehr wurde sie von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzt, um die Einsichtnahme der NSA-Selektorenlisten durch den Untersuchungsausschuss zu ersetzen. Die sachverständige Vertrauensperson hat eine eigene inhaltliche Interpretation und rechtliche Bewertung der NSA-Selektorenlisten vorgenommen. Da aber eine Delegation der Erfüllung des Untersuchungsauftrags an die sachverständige Vertrauensperson ausscheidet, ist ihr Bericht den Antragsgegnern zuzurechnen und kommt einer Auskunft der Antragsgegner zu den vom Untersuchungsausschuss im Beschluss vom 18. Juni 2015 (Ausschussdrucksache 385) gestellten Fragen gleich.

157

Auskünfte der Antragsgegner sind aber für den Vorlageanspruch keine Maßnahme an Erfüllungs statt. Denn der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ermächtigt den Untersuchungsausschuss, die in Verfolgung des Untersuchungszwecks erforderlichen Beweise selbst zu erheben. Darin ist das Recht eingeschlossen, die Vorlage von Akten zu verlangen (vgl. BVerfGE 67, 100 <128 ff.>; 124, 78 <116 f.>).

158

2. Dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses steht das Interesse der Antragsgegnerin zu 1. an funktionsgerechter und organadäquater Aufgabenwahrnehmung gegenüber.

159

Die Herausgabe der NSA-Selektorenlisten entgegen einer völkerrechtlichen Vertraulichkeitszusage und ohne Einverständnis der Vereinigten Staaten von Amerika würde nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung der Antragsgegnerin zu 1. die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit auch die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung erheblich beeinträchtigen.

160

a) Sowohl nach Maßgabe des gemeinsamen Verständnisses der Kooperationspartner hinsichtlich des Geheimschutzabkommens und des MoA (aa) als auch nach Maßgabe der "Third Party Rule" (bb) ist der herausgebende Staat "Herr der Information" und behält auch nach deren Übermittlung die Verfügungsbefugnis. Der Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss steht die fehlende Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika entgegnen (cc).

161

aa) Der Zusammenarbeit zwischen dem BND und der NSA liegen das Geheimschutzabkommen und das MoA zugrunde. In dem Geheimschutzabkommen sind die allgemeinen Grundsätze des Austausches von Verschlusssachen, mithin die technisch-administrativen Vorgaben festgelegt. Mit dem MoA werden die organisatorischen und technischen Bedingungen, Personalausstattung und Kostentragung sowie das maßgebliche Rechtsregime des konkreten Projektes der Joint SIGINT Activity geregelt.Wie bei der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen ist auch bei der Auslegung des Geheimschutzabkommens und des MoA darüber hinaus die sich hierauf beziehende nachträgliche Übereinkunft der Parteien über die Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 90, 286 <362 ff.>). Gemäß den Absprachen und Verständigungen im Rahmen des Konsultationsverfahrens soll die herausgebende Stelle den zu gewährleistenden Geheimhaltungsgrad sowie den Nutzungszweck vorgeben und über die Möglichkeit zur Weitergabe entscheiden.

162

bb) Ungeachtet dieser bilateralen Vereinbarungen und Absprachen wird die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste von der "Third Party Rule" geprägt. Hiernach dürfen ausgetauschte Informationen ohne Zustimmung des Informationsgebers nicht an Dritte weitergegeben oder für andere Zwecke verwendet werden.

163

(1) Der "Third Party Rule" wird als Auskunftsverweigerungsgrund gegenüber Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Bedeutung beigemessen (vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, Rn. 712; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 26. November 2003 - 6 VR 4.03 -, juris). Ob dieser Grundsatz nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit auch gegenüber Kontrollorganen des Parlaments und selbst gegenüber Aufsichtsbehörden gilt (bejahend: Wills/Born, in: Born/Leigh/Wills, International Intelligence Cooperation and Accountability, 2011, S. 277 <283>; verneinend: Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>), bedarf keiner abschließenden Bewertung. Denn jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang ist der bekundete Wille der herausgebenden Stelle maßgeblich. Sie bestimmt, wen sie als "Dritten" ansieht.

164

Die "Third Party Rule" ist dabei nicht als ein absolutes Verbot der Weitergabe von Informationen zu verstehen, sondern als ein Verbot mit Zustimmungsvorbehalt. Die übermittelnde Stelle behält sich in der Sache ein Informationsbeherrschungsrecht vor (vgl. Singer, Praxiskommentar zum PKGrG, 2016, § 6 Rn. 11 f.). Das Einverständnis der übermittelnden Stelle kann daher die Weitergabe legitimieren. Korrespondierend zum Vertrauensschutz trifft im Konfliktfall den Empfängerstaat - hier die Bundesrepublik Deutschland - eine Verpflichtung, sich um ein Einverständnis zu bemühen (vgl. Federal Court of Canada, Charkaoui (Re), 2009 FC 476, [2010] 3 F.C.R. 102, Rn. 21; Gazeas, Übermittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse an Strafverfolgungsbehörden, 2014, S. 373 f.; Roach, in: Supreme Court Law Review 47 [2009], S. 147 <164>).

165

(2) Bei der "Third Party Rule" handelt es sich jedenfalls um eine allgemein anerkannte Verhaltensregel der internationalen Kooperation im Sicherheits- und Nachrichtendienstbereich (vgl. Federal Court of Canada, Charkaoui (Re), 2009 FC 476, [2010] 3 F.C.R. 102, Rn. 17 ff.; Ajluni v. FBI, 947 F. Supp. 599 [N.D.N.Y. 1996] mit Verweis auf Ajluni v. FBI, No. 94-CV-325, 1996 WL 776996 [N.D.N.Y. July 13, 1996]). Sie ist in Art. 4 Buchstabe d und Art. 5 Buchstabe b Geheimschutzabkommen zwischen EU und NATO (ABl EU L Nr. 80 vom 27. März 2003, S. 36 ff.) ausdrücklich erwähnt. Sie findet sich auch im nationalen Recht in § 6 Abs. 1 PKGrG wieder, wonach die Verfügungsberechtigung der Bundesregierung und der deutschen Nachrichtendienste in der Regel fehlt, wenn es sich um Informationen handelt, die den Nachrichtendiensten von ausländischen Behörden übermittelt worden sind (zur wortgleichen Regelung des § 2b a.F. PKGrG vgl. BTDrucks 14/539, S. 7). Auch entspricht es der Praxis deutscher Dienste, bei Übermittlungen an ausländische Dienste auf die "Third Party Rule" hinzuweisen (vgl. BTDrucks 17/11296, S. 9).

166

Die Einhaltung wird nicht durch Rechtszwang, sondern als selbstverständliche Geschäftsgrundlage im Bereich sicherheitssensibler beziehungsweise nachrichtendienstlicher Kooperation durch das gegenseitige Interesse an der Vertraulichkeit und institutionellen Verlässlichkeit rein faktisch gewahrt (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <904>; Wills/Born, in: Born/Leigh/Wills, International Intelligence Cooperation and Accountability, 2011, S. 277 <283>).

167

cc) Nach dem Willen der Vereinigten Staaten von Amerika, dem die Antragsgegnerin zu 1. ausweislich ihres vorprozessualen und prozessualen Vorbringens unwidersprochen folgt, ist der Untersuchungsausschuss als "Dritter" anzusehen, die Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an ihn nicht vom Übermittlungszweck umfasst und daher von der Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika abhängig. Einer Auslegung dahingehend, dass die Nachrichtendienste sowohl der Vereinigten Staaten von Amerika als auch der Bundesrepublik Deutschland der Kontrolle durch übergeordnete Stellen und durch von den Parlamenten eingesetzte spezielle Kontrollorgane unterlägen und folglich diese Kontrollinstanzen grundsätzlich nicht als "Dritte" anzusehen seien, steht der bekundete Wille der Vereinigten Staaten von Amerika entgegen. Die Antragsgegnerin zu 1. hat sich um die Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Weitergabe der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss bemüht, diese aber nicht erhalten.

168

b) Die der Antragsgegnerin zu 1. obliegende Einschätzung, durch eine nicht konsentierte Herausgabe würden die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit ihre außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, hält der verfassungsgerichtlichen Kontrolle stand.

169

aa) Die tatsächliche und rechtliche Wertung der Antragsgegnerin zu 1. bei der Annahme, die Weitergabe der NSA-Selektorenlisten könne institutions- und aufgabenbezogene Gefährdungen zur Folge haben, stellt eine politische Einschätzung des Verhältnisses zu ausländischen Nachrichtendiensten und Partnerstaaten dar, die angesichts des Einschätzungs- und Prognosespielraums der Bundesregierung nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.

170

Die Weite des Ermessens im auswärtigen Bereich hat ihren Grund darin, dass die Gestaltung auswärtiger Verhältnisse und Geschehensabläufe nicht allein vom Willen der Bundesrepublik Deutschland bestimmt werden kann, sondern vielfach von Umständen abhängig ist, die sich ihrer Bestimmung entziehen. Um es zu ermöglichen, die jeweiligen politischen Ziele der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des völkerrechtlich und verfassungsrechtlich Zulässigen durchzusetzen, gewährt das Grundgesetz den Organen der auswärtigen Gewalt einen weiten Spielraum bei der Einschätzung außenpolitisch erheblicher Sachverhalte wie der Zweckmäßigkeit möglichen Verhaltens (vgl. BVerfGE 55, 349 <365>; vgl. auch BVerfGE 40, 141 <178 f.>).

171

bb) Die Antragsgegnerin zu 1. hat plausibel dargelegt, dass Nachrichtendienste zur Gewährleistung eines wirksamen Staats- und Verfassungsschutzes zusammenarbeiten müssen. Zwischen den deutschen und US-amerikanischen Nachrichtendiensten besteht im Hinblick auf Intelligence-Fähigkeiten eine wechselseitige Abhängigkeit (vgl. Daun, Auge um Auge? - Intelligence-Kooperation in den deutsch-amerikanischen Beziehungen, 2011, S. 128 ff., 141 ff.; 172 f.). Auf deutscher Seite wird - vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus und der Gefährdung durch Cyberattacken - die internationale Kooperation im Allgemeinen als von "überragender Bedeutung" (vgl. Verfassungsschutzbericht 2015, S. 18; Verfassungsschutzbericht 2014, S. 16) und die Partnerschaft zu den Vereinigten Staaten von Amerika im Besonderen als "unverzichtbar" (vgl. Abschlussbericht des BND-Untersuchungsausschusses BTDrucks 16/13400, S. 58 f., 351 f.) bewertet.

172

Diese Zusammenarbeit wird beeinträchtigt, wenn unter Missachtung einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit Informationen an Dritte bekannt gegeben werden, etwa weil der Begriff des "Dritten" entgegen der Sichtweise der herausgebenden Stelle ausgelegt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 -, juris, Rn. 11).

173

Dagegen wird angeführt, das Argument der Geheimhaltungsbedürftigkeit werde in seiner Reichweite überbetont. Die parlamentarische Kontrolle gehöre zum Nachrichtendienst genauso wie die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>; B. Huber, NVwZ 2015, S. 1354 <1357>). Die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten überwiege keinesfalls stets gegenüber der parlamentarischen Kontrolle. Im Kollisionsfall könne der Konflikt vielmehr auch dazu führen, dass die Zusammenarbeit geändert oder eingestellt werden müsse (vgl. Wolff, JZ 2010, S. 173 <180>; siehe auch Möllers, Gutachterliche Stellungnahme in der Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 25. Mai 2009 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 45d), A-Drucks 16(4)614 D, S. 4).

174

Dies lässt außer Acht, dass damit der langfristige Verlust wesentlicher außen- und sicherheitspolitischer Erkenntnisse einhergehen kann, ohne die die Aufklärung verfassungsfeindlicher, sicherheitsgefährdender und terroristischer Aktivitäten nicht mehr in gleichem Umfang geleistet werden könnte (vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, Rn. 712). Selbst wenn man im Hinblick auf die Folgenschwere eines Vertrauensbruchs relativierend davon ausginge, dass sich Tätigkeiten eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nur vorübergehend auf den Umfang des internationalen Informationsaustauschs auswirkten (so B. Huber, NVwZ 2015, S. 1354 <1356>), wäre hiermit eine nicht hinzunehmende temporäre Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit eine Sicherheitslücke nahe liegend. Schließlich haben die Antragsgegner nachvollziehbar dargelegt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bereits Konsequenzen gezogen und für den Fall der Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an den NSA-Untersuchungsausschuss weitere Folgen angekündigt haben. Angesichts einer solchermaßen konkretisierten Gefährdungslage für die äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sind zugleich im Staatswohl gründende Geheimhaltungsinteressen berührt.

175

Da die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit die Gefährdung der Staatssicherheit bereits durch eine nicht konsentierte Vorlage der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss erfolgten, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf an, ob das Risiko des Bekanntwerdens der NSA-Selektorenlisten nach Übermittlung an den Untersuchungsausschuss über das bei allen drei Gewalten nicht auszuschließende Risiko (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <139>) tatsächlich hinausgeht. Die von den Antragsgegnern vorgelegte Zusammenstellung von Presseveröffentlichungen kann jedenfalls keinen Nachweis für einen mangelnden Geheimnisschutz im und durch den Untersuchungsausschuss erbringen. Angesichts dieser Veröffentlichungen erscheint der Geheimnisschutz vielmehr generell nicht hinreichend gewährleistet.

176

3. Das Interesse an der Erhaltung der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesregierung überwiegt das Recht des Untersuchungsausschusses auf Herausgabe der NSA-Selektorenlisten.

177

a) Im Rahmen der Abwägung der konfligierenden Interessen ist zu berücksichtigen, dass das Vorlageersuchen bezüglich der NSA-Selektorenlisten ein mehrpoliges Rechtsverhältnis betrifft. Denn das Verlangen des Untersuchungsausschusses berührt auch originäre Belange und Geheimhaltungsinteressen der Vereinigten Staaten von Amerika. Das Grundgesetz, das durch den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit (vgl. BVerfGE 111, 307 <317 f.>; 112, 1 <26>; 123, 267 <344, 347>) und internationalen Offenheit (vgl. BVerfGE 92, 26 <48>) geprägt ist, begnügt sich nicht damit, die innere Ordnung des deutschen Staates festzulegen, sondern bestimmt auch in Grundzügen sein Verhältnis zur Staatengemeinschaft. Insofern geht es von der Notwendigkeit einer Abgrenzung und Abstimmung mit anderen Staaten und Rechtsordnungen aus (vgl. BVerfGE 100, 313 <362>). Die Beurteilungs- und Handlungsfreiheit der Antragsgegnerin zu 1. ist angesichts der zwischenstaatlichen Beziehungen eingeschränkt; eine ausschließliche Verfügungsbefugnis über die NSA-Selektorenlisten fehlt ihr aufgrund der völkerrechtlichen Vereinbarungen und Absprachen. Insoweit unterscheidet sich das Handeln der auswärtigen Gewalt von rein innerstaatlichen Sachverhalten.

178

b) Zudem besteht die Gefahr des Entstehens eines kontrollfreien Raumes und damit eines völligen Ausschlusses des Parlaments von jeglicher Information hier nicht. Dem Untersuchungsausschuss wurde nicht der gesamte Sachverhaltskomplex der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit von NSA und BND im Rahmen des Projekts der Joint SIGINT Activity vorenthalten. Die Antragsgegner haben dem Vorlageersuchen in Abstimmung mit dem Untersuchungsausschuss vielmehr durch andere Verfahrensweisen so präzise, wie es ohne eine Offenlegung von Geheimnissen möglich war, Rechnung getragen.

179

Sie haben dem Untersuchungsausschuss Auskünfte zu den Schwerpunkten der Zusammenarbeit von BND und NSA, zum Inhalt und zur Zusammenstellung der Selektoren, zur Filterung der Selektoren durch den BND sowie zur Anzahl der abgelehnten Selektoren erteilt. Sie haben unter anderem ein schriftliches Testat des BND zu den Erkenntnissen über die NSA-Selektorenlisten vorgelegt.

180

Weiterhin hat die Antragsgegnerin zu 1. dem Untersuchungsausschuss vorgeschlagen, eine sachverständige Vertrauensperson einzusetzen, welche die NSA-Selektorenlisten zu untersuchen und dem Untersuchungsausschuss über die Prüfungsergebnisse Bericht zu erstatten hat. Der Untersuchungssauschuss hat die Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson als sachgerecht bewertet (Ausschussdrucksache 385, Ziffer 1) und die zu beauftragende sachverständige Vertrauensperson benannt. Er hat einen Fragenkatalog erstellt (Ausschussdrucksache 385, Ziffer 5) und in Gesprächen mit der sachverständigen Vertrauensperson Kriterien, Schwerpunkte und Fragestellungen des Berichts festgelegt. Der Bericht der sachverständigen Vertrauensperson bietet schon in seiner offenen Fassung eine Grundlage für die Bewertung von Art und Umfang der nachrichtendienstlichen Kooperation und der Verstöße gegen deutsche Interessen und gegen deutsches Recht. Er ist statistisch aufbereitet und soweit wie möglich konkret formuliert. Die Auswertung der Selektorenlisten erfolgt durch eine Beschreibung der Selektorentypen, der technischen Struktur der Selektoren und ihrer Permutationen sowie der Anzahl der abgelehnten Selektoren unter abstrakter Benennung der betroffenen Ziele - wie etwa Deutsche Vertretungen im Ausland, Regierungseinrichtungen und staatliche Stellen in EU-Staaten, Institutionen der EU, Mitglieder europäischer Regierungen sowie deren Mitarbeiter und Parlamentsabgeordnete. Soweit es um die konkrete Benennung, das heißt um die namentliche Erwähnung der als Erfassungsziele betroffenen natürlichen oder juristischen Personen sowie Institutionen und staatlichen Einrichtungen geht, ist deren Kenntnis durch den Untersuchungsausschuss eher von allgemeinem politischem Interesse, für die Erfüllung des Untersuchungsauftrags und damit für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns aber nicht in einem Maße zentral, um gegenüber den Belangen des Staatswohls und der Funktionsfähigkeit der Regierung Vorrang zu beanspruchen.

181

4. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. haben ihrer verfassungsrechtlichen Begründungspflicht hinreichend Rechnung getragen. Sie haben das Bestehen von Geheimhaltungsgründen bei der Vorlageverweigerung in der Gesamtschau schriftlich und mündlich substantiiert begründet.

182

a) Zwar vermag allein das Argument entgegenstehender völkerrechtlicher Verpflichtungen die Verweigerung einer Vorlage an den Untersuchungsausschuss nicht unmittelbar zu begründen (vgl. Rn. 112). Das Völkervertragsrecht ist wie auch das Völkergewohnheitsrecht innerstaatlich nicht mit dem Rang des Verfassungsrechts ausgestattet. Es kann folglich nicht unmittelbar dem Vorlageersuchen des Untersuchungsausschusses entgegengehalten werden. Allerdings ist zu beachten, dass die Antragsgegner die Nichtvorlage weitergehend mit den Folgen eines Verstoßes gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen für die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit für die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland begründet haben. Sie sehen durch eine Vorlage der NSA-Selektorenlisten die eigenverantwortliche und funktionsgerechte Wahrnehmung der ihnen von Verfassung wegen übertragenen Aufgaben gefährdet.

183

Die in dem Ablehnungsschreiben vom 17. Juni 2015 angeführte Begründung, eine Weitergabe ohne Zustimmung der US-Regierung stelle einen Verstoß gegen das geltende Geheimschutzabkommen dar, erweist sich zunächst als nicht hinreichend konkret, da sie ohne Wiedergabe der oder Bezugnahme auf die maßgeblichen Bestimmungen erfolgte. Auch wird das gemeinsame Verständnis der Vertragsparteien von den Bestimmungen, mithin deren Auslegung nicht nachvollziehbar dargelegt.

184

Nimmt man jedoch zusätzlich das dem Ablehnungsschreiben vorangegangene Informationsverhalten der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. in den Blick, so wurde der Untersuchungsausschuss detailliert über die Notwendigkeit zur Einholung der Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika im Wege eines Konsultationsverfahrens aufgeklärt. Dem Untersuchungsausschuss wurden das Geheimschutzabkommen und das MoA zur Kenntnis gegeben; die Fragen der Auslegung und Anwendung wurden mehrmals ausführlich in Ausschusssitzungen erörtert.

185

Die Antragsgegner haben gegenüber dem Untersuchungsausschuss auch dargelegt, dass und wie sie sich um die Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika bemüht haben, und ihn über die Durchführung und das Ergebnis des Konsultationsverfahrens laufend informiert. Sie haben damit ausreichende Transparenz gewährleistet und den Untersuchungsausschuss in das Verfahren eingebunden.

186

Sie haben gegenüber dem Untersuchungsausschuss auch glaubhaft gemacht, dass - wie sich in der jüngeren Vergangenheit gezeigt hat - Verstöße gegen den Zustimmungsvorbehalt erhebliche Auswirkungen auf die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit haben, indem der gegenseitige Austausch von Erkenntnissen eingeschränkt oder gänzlich eingestellt wird. Ferner haben sie anhand der Reaktionen und Stellungnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen des Konsultationsverfahrens und der von den Vereinigten Staaten von Amerika angekündigten Konsequenzen nachvollziehbar dargelegt, dass eine Herausgabe Beeinträchtigungen der nachrichtendienstlichen Beziehungen und ihrer außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit erwarten lässt sowie schließlich zu Gefahren für die äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland führen kann.

187

b) Die Antragsgegner haben zudem zur Plausibilisierung und Überzeugung im sogenannten Vorsitzendenverfahren und in Obleutebesprechungen Auskünfte erteilt.

188

Das sogenannte Vorsitzendenverfahren ist ein Mittel zur möglichen Plausibilisierung der verweigerten Erfüllung des Informationsanspruchs des Untersuchungsausschusses (zum Vorsitzendenverfahren vgl. BVerfGE 67, 100 <138 f.>; 77, 1 <56>; 124, 78 <139 f.>). Es dient dazu, dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter durch die entsprechende Information die Überzeugung zu vermitteln, dass die Zurückhaltung der Information durch die Regierung berechtigt ist. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter können ihrerseits den anderen Ausschussmitgliedern ihre Überzeugung von der Rechtmäßigkeit der Zurückhaltung der Information kommunizieren. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 18 PUAG erkennt der Gesetzgeber das Vorsitzendenverfahren als eine Möglichkeit zur Lösung eines Konfliktfalles an. Von der Normierung der Einzelschritte bei einem Ersuchen auf Vorlage von Beweismitteln und insbesondere der Festschreibung des Vorsitzendenverfahrens hat er abgesehen, um unter anderem den Beteiligten Freiraum für geeignete Schritte zu Lösungen im Konfliktfalle zu eröffnen (vgl. BTDrucks 14/5790, S. 17).

189

Allerdings ist im Hinblick auf das Enqueterecht der parlamentarischen Opposition die gebotene Neutralität des Verfahrens nicht gewährleistet, wenn der Vorsitzende wie auch sein Stellvertreter einer die Regierungskoalition bildenden Partei angehören (vgl. BVerfGE 124, 78 <139 f.>). Der Benachteiligung der oppositionellen Ausschussmitglieder durch das Vorsitzendenverfahren kann durch das - von den Antragsgegnern ebenfalls initiierte - Obleuteverfahren begegnet werden, an dem die Obleute jeder im Ausschuss vertretenen Fraktion beteiligt sind (vgl. Peters, Untersuchungsausschussrecht, 2012, S. 126 f. Rn. 211; Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz, 2003, S. 233). Das Obleuteverfahren ist dabei nicht nur bloße Parlamentspraxis, sondern hat seinen gesetzlichen Niederschlag in § 4 Abs. 1 Satz 3 und § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz vom 18. März 2005 [BGBl I S. 775]) gefunden.

D.

190

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

Gründe

A.

1

Gegenstand des Organstreitverfahrens sind auf verschiedenen Normebenen angesiedelte Minderheiten- und Oppositionsrechte im Deutschen Bundestag, die von der Antragstellerin überwiegend beschränkt auf die 18. Wahlperiode eingefordert werden.

I.

2

1. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im 18. Deutschen Bundestag können die die Regierung tragenden Fraktionen CDU/CSU und SPD derzeit insgesamt 503 der 630 Sitze auf sich vereinen, während auf die nicht die Bundesregierung tragenden Fraktionen - die Antragstellerin sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - lediglich 127 der 630 Sitze entfallen.

3

2. Damit unterschreitet die Gesamtheit der Abgeordneten der Oppositionsfraktionen die Quoren, die das Grundgesetz für die Ausübung von parlamentarischen Minderheitenrechten vorsieht. Dies betrifft im Einzelnen

4

· das Antragsrecht eines Viertels der Mitglieder des Bundestages auf Erhebung einer Subsidiaritätsklage durch den Bundestag (Art. 23 Abs. 1a Satz 2 GG),

5

· das Antragsrecht eines Drittels der Mitglieder des Bundestages auf Einberufung des Bundestages durch den Präsidenten des Bundestages (Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG),

6

· das Antragsrecht eines Viertels der Mitglieder des Bundestages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den Bundestag (Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG),

7

· das Antragsrecht eines Viertels der Mitglieder des Verteidigungsausschusses auf dessen Tätigwerden als Untersuchungsausschuss (Art. 45a Abs. 2 Satz 2 GG) sowie

8

· die Antragsberechtigung eines Viertels der Mitglieder des Bundestages für die abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG).

9

Diese Minderheitenrechte sind - mit Ausnahme des Antragsrechts aus Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG - auch einfachgesetzlich geregelt, namentlich

10

· das Antragsrecht aus Art. 23 Abs. 1a Satz 2 GG in § 12 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union (Integrationsverantwortungsgesetz - IntVG vom 22. September 2009 [BGBl I S. 3022], geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 1. Dezember 2009 [BGBl I S. 3822]),

11

· das Antragsrecht aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und das Antragsrecht aus Art. 45a Abs. 2 Satz 2 GG in § 1 Abs. 1 sowie § 34 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG vom 19. Juni 2001 [BGBl I S. 1142], geändert durch Art. 4 Abs. 1 des Geset- zes vom 5. Mai 2004 [BGBl I S. 718]) und

12

· das Antragsrecht aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG in § 76 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 [BGBl I S. 1473], zuletzt geändert durch Art. 8 der Verordnung vom 31. August 2015 [BGBl I S. 1474]).

13

Darüber hinaus sind weitere an die Erreichung eines Viertel-Quorums gebundene Minderheitenrechte auf der Ebene einfacher Gesetze verankert, etwa

14

· in § 8 Abs. 5 Satz 3 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG vom 4. Juli 2013 [BGBl I S. 2170]),

15

· in § 5 Abs. 4 des Gesetzes zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz - ESMFinG vom 13. September 2012 [BGBl I S. 1918], geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 29. November 2014 [BGBl I S. 1821]) oder

16

· in § 12 Abs. 1 Satz 2 IntVG.

17

Schließlich enthält die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 [BGBl I S. 1237], zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 23. April 2014 [BGBl I S. 534]) weitere an die Erreichung eines Viertel-Quorums gebundene Minderheitenrechte, etwa in § 56 Abs. 1 Satz 2, in § 69a Abs. 5 Satz 1 oder in § 70 Abs. 1 Satz 2.

18

3. Vergleichbare parlamentarische Kräfteverhältnisse gab es in der Geschichte der Bundesrepublik in der fünften Wahlperiode des Deutschen Bundestages zu Zeiten der "Bonner großen Koalition" von 1966 bis 1969 während der Kanzlerschaft Kurt Georg Kiesingers und in der 16. Wahlperiode zu Zeiten der ersten Kanzlerschaft Angela Merkels von 2005 bis 2009.

19

4. In seiner Sitzung am 3. April 2014 stimmte der Antragsgegner über insgesamt vier Anträge betreffend die parlamentarischen Minderheiten- und Oppositionsrechte ab. Während der am 11. Februar 2014 eingebrachte Antrag der Koalitionsfraktionen zur Änderung der Geschäftsordnung (BTDrucks 18/481) mit Änderungen angenommen wurde - dies ist Gegenstand des Antrags zu 3 -, wurden drei von Oppositionsfraktionen eingebrachte Anträge abgelehnt. Hierbei handelt es sich zum einen um den durch die Antragstellerin sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Gesetzentwurf vom 29. Januar 2014 zur Änderung mehrerer Gesetze (BTDrucks 18/380) - auf dessen Ablehnung bezieht sich der Antrag zu 2 - und zum anderen um den allein von der Antragstellerin eingebrachten Gesetzentwurf vom 18. März 2014 (BTDrucks 18/838) zur Grundgesetzänderung - auf dessen Ablehnung bezieht sich der Antrag zu 1. Die Ablehnung des ebenfalls von beiden Oppositionsfraktionen am 29. Januar 2014 eingebrachten Antrags auf "Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zwecks Sicherung der Minderheitenrechte der Opposition im 18. Deutschen Bundestag" (BTDrucks 18/379) wird im vorliegenden Verfahren nicht angegriffen.

20

a) Der durch die Antragstellerin sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachte "Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Oppositionsrechte in der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages" vom 29. Januar 2014 (BTDrucks 18/380) zielte auf die Änderung von insgesamt sechs Gesetzen aus dem Bereich des Staatsorganisationsrechts, namentlich des PUAG, des BVerfGG hinsichtlich der abstrakten Normenkontrolle, des EUZBBG, des ESMFinG, des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz - StabMechG vom 22. Mai 2010 [BGBl I S. 627], zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. Mai 2012 [BGBl I S. 1166]) sowie des IntVG. Der Entwurf sah vor, die in den genannten Gesetzen vorgesehenen Minderheitenrechte, die an die Erreichung eines Viertel-Quorums gebunden sind, zusätzlich "mindestens zwei Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen", zu deren gemeinsamer Ausübung zuzuweisen und im Falle des StabMechG das Quorum vollständig zu streichen.

21

Zur Begründung wurde ausgeführt, das Ziel, die deutsche Demokratie funktionsfähig zu erhalten, erfordere Rechtsänderungen. Da die gegenwärtige große Koalition über eine "übergroße Mehrheit" - mehr als zwei Drittel der Bundestagssitze - verfüge, drohten zahlreiche Kontrollrechte, die im deutschen parlamentarischen System im Kern der Opposition überlassen seien, ihre Wirksamkeit zu verlieren. Eine Regelung zumindest auf Gesetzesebene sei erforderlich, da eine schlichte Beteuerung der Koalitionsfraktionen, ihre überaus starke Rechtsposition gegenüber der Opposition wohlwollend und zurückhaltend auszuüben, nicht ausreiche. Wer eine wirksame Opposition für notwendig halte, dürfe sie nicht vom Wohlwollen im Einzelfall abhängig machen. Die Oppositionsfraktionen müssten im konkreten Streitfall versuchen können, ihre Rechtsposition beim Bundesverfassungsgericht durchzusetzen. Bevor man solche Regelungen - etwa nach dem Vorbild mancher Landesverfassungen - auf Verfassungsebene verankern könnte, sei allerdings eine gründlichere Diskussion sinnvoll. Die Gültigkeit der angestrebten Regelung werde - bis auf wenige Ausnahmen, in denen die Widersinnigkeit der jetzigen Rechtslage auch für die weitere Zukunft klar auf der Hand liege - wegen der gegenwärtigen Ausnahmekonstellation grundsätzlich auf die 18. Legislaturperiode beschränkt.

22

b) Der allein durch die Antragstellerin eingebrachte "Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 23, 39, 44, 45a, 93)" vom 18. März 2014 (BTDrucks 18/838) zielte auf die Änderung der fünf im Titel genannten Grundgesetzbestimmungen, und zwar durch Ergänzung des jeweils berechtigten Drittels (vgl. Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG) oder Viertels (vgl. Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) der Mitglieder des Bundestages - und im Falle des Art. 45a GG des Ausschusses für Verteidigung - um die "Gesamtheit der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen".

23

Zur Begründung wurde die Bedeutung des Schutzes von Minderheiten als unabdingbares Korrelat zum Mehrheitsprinzip in der parlamentarischen Demokratie und im parlamentarischen Regierungssystem betont. Das aus dem Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzip fließende verfassungsrechtliche Gebot einer effektiven parlamentarischen Opposition erfordere im Grundsatz: je größer die Mehrheit, desto stärker ihre Kontrolle. Daher sei die gegenwärtige Situation verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. Der Verfassungsgeber dürfte eine vom guten Willen der Regierungsfraktionen abhängige Opposition auch nicht vorhergesehen haben. Eine missbräuchliche Ausübung der vorgesehenen Oppositionsrechte sei schon deshalb nicht besonders wahrscheinlich, da sowohl das Betreiben eines Untersuchungsausschusses als auch die Erhebung einer Subsidiaritäts- und Normenkontrollklage gerade für eine kleine Opposition überaus arbeitsintensiv und kostspielig sei. Hinzu komme, dass sich die Opposition für eine missbräuchliche Verwendung bei der nächsten Wahl politisch verantworten müsse. Es könne offen bleiben, ob eine Änderung des Grundgesetzes zwingend erforderlich sei. Eine Grundgesetzänderung sei jedenfalls im Interesse der Rechtssicherheit und -verbindlichkeit einer bloßen Änderung der GO-BT oder einfacher Gesetze vorzuziehen.

24

c) Die streitgegenständliche Änderung der GO-BTist im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vom 16. Dezember 2013 angelegt. Darin heißt es (S. 128):

Eine starke Demokratie braucht die Opposition im Parlament. CDU, CSU und SPD werden die Minderheitenrechte im Bundestag schützen. Auf Initiative der Koalitionspartner wird der Bundestag einen Beschluss fassen, der den Oppositionsfraktionen die Wahrnehmung von Minderheitenrechten ermöglicht sowie die Abgeordneten der Opposition bei der Redezeitverteilung angemessen berücksichtigt.

25

Die eingefügte Vorschrift des § 126a GO-BT enthält in ihrem Absatz 1 vorübergehende Änderungen von bestimmten - grundgesetzlich (§ 126a Abs. 1 Nr. 1 bis 4), einfachgesetzlich (§ 126a Abs. 1 Nr. 5 bis 8) oder in der Geschäftsordnung selbst geregelten (§ 126a Abs. 1 Nr. 9 bis 11) - Antragsberechtigungen sowie eine Regelung zur Abweichungsfestigkeit der Änderungen im Einzelfall in ihrem Absatz 2:

§ 126a - Besondere Anwendung von Minderheitsrechten in der 18. Wahlperiode

(1) Für die Dauer der 18. Wahlperiode gelten folgende Regelungen:

1. Auf Antrag von 120 seiner Mitglieder setzt der Bundestag einen Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes ein. Die Zahl der Mitglieder des Untersuchungsausschusses wird nach dem vom Bundestag beschlossenen Verteilverfahren (Bundestagsdrucksache 18/212) so bestimmt, dass die Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, gemeinsam ein Viertel der Mitglieder stellen.

2. Der Verteidigungsausschuss stellt sicher, dass auf Antrag aller Ausschussmitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, gemäß Artikel 45a Absatz 2 des Grundgesetzes eine Angelegenheit der Verteidigung zum Gegenstand seiner Untersuchung gemacht wird und die Rechte, die nach dem Untersuchungsausschussgesetz einem Viertel der Ausschussmitglieder zustehen, von diesen Mitgliedern entsprechend geltend gemacht werden können.

3. Auf Antrag von 120 Mitgliedern des Bundestages beruft der Präsident den Bundestag ein.

4. Auf Antrag von 120 seiner Mitglieder erhebt der Bundestag wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts der Europäischen Union gegen das Subsidiaritätsprinzip Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union entsprechend Artikel 23 Absatz 1a des Grundgesetzes.

5. Auf Antrag von 120 seiner Mitglieder macht der Bundestag deren Auffassung entsprechend § 12 Absatz 1 des Integrationsverantwortungsgesetzes in Verbindung mit § 93d in der Klageschrift deutlich, sofern sie die Erhebung einer Klage wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts der Europäischen Union gegen das Subsidiaritätsprinzip vor dem Gerichtshof der Europäischen Union nicht stützen.

6. Einem Verlangen, die Bundesregierung möge nach § 8 Absatz 5 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union die Gründe erläutern, aus denen nicht alle Belange einer Stellungnahme des Bundestages berücksichtigt wurden, tritt der Bundestag dann bei, wenn es von 120 seiner Mitglieder erhoben wird.

7. Einem Verlangen nach Unterrichtung des Haushaltsausschusses gemäß § 5 Absatz 4 des ESM-Finanzierungsgesetzes durch den von Deutschland nach Artikel 5 Absatz 1 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ernannten Gouverneur und dessen Stellvertreter wird der Haushaltsausschuss dann beitreten, wenn es von allen Ausschussmitgliedern der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, erhoben wird.

8. Bei Anträgen oder Vorlagen der Bundesregierung gemäß § 5 Absatz 6 des ESM-Finanzierungsgesetzes oder § 4 Absatz 5 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes führt der Haushaltsausschuss auf Verlangen aller Ausschussmitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, eine öffentliche Anhörung entsprechend § 70 Absatz 1 Satz 2 durch.

9. Bei überwiesenen Vorlagen führt der federführende Ausschuss auf Verlangen aller Ausschussmitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, eine öffentliche Anhörung entsprechend § 70 Absatz 1 Satz 2 durch.

10. Eine Plenarberatung statt einer erweiterten öffentlichen Ausschusssitzung (§ 69a Absatz 5) findet statt, wenn es von allen Mitgliedern des Ausschusses, die nicht die Bundesregierung tragen, verlangt wird.

11. Auf Antrag von 120 seiner Mitglieder setzt der Bundestag entsprechend § 56 Absatz 1 eine Enquete-Kommission ein.

(2) Auf die Regelungen nach Absatz 1 findet § 126 keine Anwendung.

26

Die letztlich weitgehend unverändert (vgl. aber Rn. 28) beschlossene BTDrucks 18/481 überschneidet sich inhaltlich mit den beiden abgelehnten Gesetzentwürfen BTDrucks 18/380 und BTDrucks 18/838 insoweit, als - auf Ebene der Geschäftsordnung - entsprechende Regelungskomplexe berührt und Quoren gesenkt werden; eine Absenkung von Quoren ist ferner in weiteren Regelungen der GO-BT erfolgt (durch § 126a Abs. 1 Nr. 9 bis 11). Keine Änderungen sieht der eingefügte § 126a Abs. 1 GO-BT hinsichtlich der Antragsberechtigung für die abstrakte Normenkontrolle vor. Einen zusammenfassenden Überblick liefert folgende Übersicht:

27

BTDrucks 18/380

(Antrag zu 2)

BTDrucks 18/838, Art. 1

(Antrag zu 1)

§ 126a Abs. 1 GO-BT

(Antrag zu 3)

Art. 1 - PUAG

Nr. 3 - Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG

Nr. 4 - Art. 45a Abs. 2 Satz 2 GG

Nr. 1

Nr. 2

Art. 2 - BVerfGG

Nr. 5 - Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG

- - -

Art. 3 - EUZBBG

- - -

Nr. 6

Art. 4 - ESMFinG

- - -

- - -

Nr. 7

Nr. 8

Art. 5 - StabMechG

- - -

Nr. 8

Art. 6 - IntVG

Nr. 1 - Art. 23 Abs. 1a Satz 2 GG

- - -

Nr. 4

Nr. 5

- - -

Nr. 2 - Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG

Nr. 3

- - -

- - -

Nr. 9 - § 70 Abs. 1 Satz 2 GO-BT

- - -

- - -

Nr. 10 - § 69a Abs. 5 GO-BT

- - -

- - -

Nr. 11 - § 56 Abs. 1 GO-BT

28

Im Verlauf der Ausschussberatungen über den Antrag kamen die Koalitionsfraktionen einem Einwand der Oppositionsfraktionen nach, die Geltendmachung von Minderheitenrechten nicht von der Antragstellung aller ihrer Mitglieder abhängig zu machen: Während der Antrag zur Einfügung eines § 126a Abs. 1 GO-BT in den - das Bundestagsplenum betreffenden - Nummern 1, 3 bis 6 und 11 noch die Berechtigung "aller Mitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen" vorsah, wurden schließlich 120 Mitglieder des Bundestages - gleich welcher Fraktion - als berechtigte parlamentarische Minderheit vorgesehen. Da die Anzahl von 120 Abgeordneten die Summe sämtlicher Abgeordneter der Oppositionsfraktionen unterschreitet, hat dies zur Folge, dass die Oppositionsfraktionen nicht geschlossen auftreten müssen, sondern bis zu sieben "Abweichler" aus den eigenen Reihen einer Ausübung des jeweiligen parlamentarischen Minderheitenrechts nicht im Wege stehen. Ohne inhaltliche Änderungen beschlossen wurden hingegen die Formulierungen der - von Ausschüssen handelnden - Nummern 2 und 7 bis 10 des § 126a Abs. 1 GO-BT, wonach ein Antragsrecht "aller Ausschussmitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen" neben das Antragsrecht eines "Viertels der Mitglieder des Ausschusses" tritt. Hierzu heißt es in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, eine Änderung des ursprünglichen Textes sei nicht erforderlich, weil in diesen Gremien Abwesenheiten von Mitgliedern durch die Vertretensregelungen aufgefangen werden könnten (vgl. BTDrucks 18/997, S. 7 f.). Im Übrigen hat der Deutsche Bundestag im Beschluss über den Haushalt 2014 entschieden, für die Dauer der 18. Wahlperiode den Oppositionszuschlag auf den Betrag für jedes Fraktionsmitglied (§ 50 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages [Abgeordnetengesetz - AbgG]) von 10 % auf 15 % zu erhöhen (vgl. BTDrucks 18/2500, S. 2). Aus dem Antrag der Koalitionsfraktionen hat hingegen die als Nr. 12 des § 126a GO-BT vorgesehene Regelung, mit der den Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, ein überproportionaler Anteil an der Debattendauer in der 18. Wahlperiode zugemessen werden sollte, nicht in den neuen § 126a GO-BT Eingang gefunden; vielmehr wurden entsprechende Vereinbarungen im Ältestenrat (§ 35 Abs. 1 GO-BT)getroffen (vgl. BTDrucks 18/997, S. 2).

29

Ausweislich der Antragsbegründung zur Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (BTDrucks 18/481) sei "Aufgabe des ganzen Parlaments und zuvorderst jedes einzelnen Abgeordneten, die Regierung zu kontrollieren" (a.a.O., S. 4). Dafür besitze jeder Abgeordnete eigene, aus seiner verfassungsrechtlichen Stellung ableitbare Informations-, Rede- und Mitwirkungsrechte. Ergänzend gebe es an den Status einer Fraktion anknüpfende zentrale Kontroll- und Mitwirkungsrechte im Bundestag, die von den Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, jederzeit unabhängig voneinander wahrgenommen werden könnten. Die Wahrnehmung bestimmter zusätzlicher Minderheitenrechte, die sich "in der parlamentarischen Praxis als klassische Oppositionsinstrumente herausgebildet" hätten (a.a.O., S. 5), sei an die Erfüllung von Mindestquoren gebunden. Es seien wesentliche Rechte, die daher auch unter den Mehrheitsverhältnissen der 18. Wahlperiode Anwendung finden können sollten. Dies werde mit der vorliegenden Ergänzung der Geschäftsordnung ermöglicht.

II.

30

Die Antragstellerin steht auf dem Standpunkt, der Antragsgegner hätte die auf die Änderung von Bestimmungen des Grundgesetzes und einfacher Gesetze gerichteten Gesetzentwürfe nicht ablehnen und die Änderung der GO-BT nicht beschließen dürfen.

31

1. a) Sie ist der Ansicht, der Zulässigkeit ihrer Anträge zu 1 und zu 2, mit denen sie sich in Prozessstandschaft auf eine Verletzung der Rechte des Deutschen Bundestages beruft, stehe nicht entgegen, dass der Deutsche Bundestag zugleich der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren sei. Es handle sich hierbei um einen zulässigen Insichprozess, der der Wirklichkeit des politischen Kräftespiels Rechnung trage.

32

b) Auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis sei bei allen drei Anträgen zu bejahen, da Bestand und Reichweite der aus dem Grundgesetz ableitbaren Minderheiten- und Oppositionsrechte zwischen den Beteiligten losgelöst von einem konkreten Streitfall klärungsbedürftig seien. Am Beispiel der Antragsberechtigung zur abstrakten Normenkontrolle führt die Antragstellerin aus, dass schon die bloße Existenz jenes objektiven Verfahrens disziplinierend auf die potenziellen Antragsgegner eines abstrakten Normenkontrollverfahrens einwirke ("fleet in being").

33

2. a) Zur Begründung ihres Antrags zu 1 macht sich die Antragstellerin die Begründung des abgelehnten, auf eine Verfassungsänderung gerichteten Gesetzentwurfs (BTDrucks 18/838) zu eigen und stützt sich im Wesentlichen auf ein Verfassungsgebot effektiver Oppositionsrechte (aa) bis bb)), auf die Gesetzes- und Verfassungswidrigkeit der stattdessen gewählten Regelungsebene der Geschäftsordnung (cc)) sowie auf die materielle Verfassungswidrigkeit der getroffenen Regelungen in § 126a GO-BT (dd)).

34

aa) Aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und aus den Verfassungsnormen über das parlamentarische Regierungssystem (Art. 45b, 63, 67, 68 und 69 GG), namentlich aus den Geboten effektiver Ausübung der Opposition und wirksamer parlamentarischer Kontrolle von Regierung und Parlamentsmehrheit, folge die verfassungsrechtliche Pflicht des Antragsgegners, den Gesetzentwurf der Antragstellerin zur Änderung des Grundgesetzes anzunehmen. Es gebe zwar im Grundgesetz - anders als in einigen Landesverfassungen - keine institutionelle Gewährleistung der parlamentarischen Opposition, wohl aber eine Funktionsgarantie. Im Demokratieprinzip wurzele das Gebot, parlamentarische Minderheiten zu schützen, sowie das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition. Es müsse der Minderheit ermöglicht werden, ihren Standpunkt in den Willensbildungsprozess des Parlaments einzubringen. Um dieser Artikulations- und Partizipationsfunktion der Minderheit den nötigen politischen Nachdruck zu verleihen, sehe die Verfassung bestimmte Rechte vor, die sich als klassische Oppositionsrechte herausgebildet hätten und auch in der Bevölkerung als solche wahrgenommen würden. Soweit die Ausübung dieser Rechte an ein bestimmtes Quorum geknüpft sei, das die beiden derzeitigen Oppositionsfraktionen auch zusammen nicht erfüllten, würden sie ihnen in verfassungswidriger Weise vorenthalten.

35

bb) Für dieses Ergebnis spreche auch die im Grundgesetz angelegte Funktionsweise des parlamentarischen Regierungssystems (vgl. Art. 45b, 63, 67, 68 und 69 GG), derzufolge die Opposition jederzeit die reale Chance haben müsse, zur Mehrheit zu werden und die Regierung abzulösen. Da im parlamentarischen Regierungssystem in erster Linie nicht die Parlamentsmehrheit die Regierung überwache, sondern diese Aufgabe vorwiegend von der Opposition - und damit in der Regel von einer Minderheit - wahrgenommen werde, seien Minderheitenrechte in der Verfassung so auszugestalten, dass parlamentarische Kontrolle wirksam sein könne (Prinzip der Kontrolleffektivität). Nach Auffassung der Antragstellerin unterscheide sich die Kontrolle der Regierung durch die Opposition faktisch und qualitativ von der konstruktiven - und daher missverständlich ebenfalls als "Kontrolle" bezeichneten - Mitwirkung der Mehrheit an den Regierungsaufgaben. Vor allem in offenen Debatten würde die Mehrheit typischerweise "ihre" Regierung und "ihren" Kanzler unterstützen, während sie gleichwohl bestehende Kritik am politischen Kurs der Regierung regelmäßig lediglich fraktions- oder parteiintern äußere. Gegenstand der Oppositionskontrolle sei überdies nicht nur das Handeln von Regierung und Verwaltung, sondern ebenso das Verhalten der parlamentarischen Mehrheit. Aus dem Verfassungsgebot, die Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments zu gewährleisten, folge die Pflicht, die parlamentarische Opposition mit den Rechten auszustatten, derer sie zur wirksamen Erfüllung ihrer Aufgabe bedürfe. Die mit der Einräumung spezifischer Oppositionsrechte verbundene Ungleichbehandlung von Fraktionen und Abgeordneten ("Oppositionsprivileg") sei durch die Erfordernisse der Schaffung eines arbeits- und funktionsfähigen Parlaments gerechtfertigt. Ohne Änderungen drohe ein Bedeutungsverlust oder sogar Ausfall namentlich des Instruments der abstrakten Normenkontrolle. Jedenfalls müssten zwecks wirksamer Aufgabenerfüllung durch die Opposition "zu hohe Quoren" angepasst oder entsprechende Rechte an den Fraktionsstatus geknüpft werden.

36

cc) Mit der stattdessen erfolgten Ergänzung der GO-BT sei der Antragsgegner hingegen unterhalb des verfassungsrechtlich gebotenen "Schutzniveaus" geblieben. Die getroffenen Regelungen in der GO-BT seien mit dem Makel objektiver Verfassungswidrigkeit beziehungsweise Gesetzwidrigkeit behaftet und daher durch ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit gekennzeichnet, die noch dadurch verschärft werde, dass die in § 126a GO-BT enthaltenen Rechte nicht einklagbar seien.

37

Der Antragsgegner habe durch die Einfügung des § 126a GO-BT seine gesamtparlamentarische Kontrollverantwortung nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Form wahrgenommen. In der GO-BT als autonomer Satzung dürften keine von grundgesetzlich geregelten Quoren (Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 39 Abs. 3 Satz 3, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 GG) für die Ausübung von Minderheitenrechten abweichenden Regelungen getroffen werden. Die GO-BT könne den Antragsgegner nicht von der Beachtung der Unterstützungsquoren dispensieren, da auf die Einhaltung verbindlicher Organisationsnormen der Verfassung auch eine parlamentarische Mehrheit nicht verzichten dürfe. Autonomes Satzungsrecht dürfe aus rechtsstaatlichen Gründen nicht von höherrangigen Vorschriften abweichen.

38

dd) Der Sache nach rügt die Antragstellerin schließlich die materielle Verfassungswidrigkeit der eingeführten Regelungen des § 126a GO-BT. Bei einem Großteil der im Wege der Einfügung des § 126a GO-BT eingeführten Minderheitenrechte handle es sich nicht um spezifische Oppositionsrechte, verstanden als Rechte der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, sondern schlicht um unspezifische Minderheitenrechte, verstanden als Rechte einer bestimmten Anzahl von Abgeordneten, die von jeder beliebigen Gruppe von Abgeordneten dieser Anzahl in Anspruch genommen werden könnten. Damit erfüllten sie nicht die Funktion, die ihnen im ursprünglichen Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (BTDrucks 18/481) zugedacht gewesen sei. Die in § 126a GO-BT getroffenen Regelungen seien auch als "Substitut für Oppositionsrechte" ungeeignet, da sie nicht einklagbar seien; die durch die Einfügung des § 126a GO-BT berechtigten 120 Abgeordneten seien im Organstreit weder parteifähig noch antragsbefugt. Auch die in § 126a Abs. 2 GO-BT vorgesehene "Änderungsfestigkeit" bewahre die Oppositionsfraktionen nicht davor, dass erstens im Einzelfall gleichwohl hiervon abgewichen werde und zweitens der gesamte § 126a GO-BT durch einen "actus contrarius" des Bundestages wieder aufgehoben werde.

39

Während die Regelung in dieser Hinsicht zu weit geraten sei, gehe sie in anderer Hinsicht nicht weit genug: Die in § 126a GO-BT verankerten Antragsrechte vermöchten vor allem die entsprechenden Minderheitenrechte in der Verfassung materiell nicht zu ersetzen. So erschöpfe sich § 126a GO-BT in der Feststellung, dass der Bundestag einen Untersuchungsausschuss gemäß Art. 44 GG einsetzt. Hiermit entstehe jedoch kein "Pflichtausschuss" der Minderheit im Sinne von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, vielmehr bleibe der nach § 126a GO-BT eingesetzte Ausschuss ein Mehrheitsausschuss, für den die einen Minderheitsausschuss auszeichnenden Beschränkungen der Mehrheit (Verbot für die Parlamentsmehrheit, den Untersuchungsgegenstand gegen den Willen der Antragsteller zu erweitern oder im Kern zu verändern) nicht gälten. Auch hier sei der Antragsgegner hinter seiner eigenen Absicht zurückgeblieben.

40

b) Zur Begründung ihres Antrags zu 2 macht sich die Antragstellerin die Begründung des abgelehnten Entwurfs zur Änderung einfacher Gesetze (BTDrucks 18/380) zu eigen und verweist im Übrigen weitgehend auf die Ausführungen zum Antrag zu 1, namentlich hinsichtlich der Rüge der materiellen Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 126a GO-BT wegen fehlender Spezifität ("falscher Adressat") und Unzulänglichkeit der vorgesehenen Minderheitenrechte. Bei Übertragung des Vorwurfs verfassungswidriger Regelungsebenenwahl der GO-BT ist die Antragstellerin nunmehr der Ansicht, eine Modifikation der grundgesetzlich geregelten Antragsrechte auf Ebene der einfachen Gesetze könne den aufgezeigten Maßstäben genügen. Die in Art. 1 und 2 des abgelehnten Gesetzentwurfs vorgesehenen Änderungen von den im Grundgesetz geregelten Antragsquoren im Wege der Anpassung der entsprechenden einfachen Gesetze (des PUAG sowie des BVerfGG) seien mit dem Grundgesetz vereinbar: So sei etwa Art. 2 des Gesetzentwurfs (Änderung des § 76 BVerfGG zur Antragsberechtigung für die abstrakte Normenkontrolle) trotz des Widerspruchs zum Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG verfassungskonform, da sich eine anderweitige gesetzliche Regelung auf Art. 93 Abs. 3 GG stützen könne.

41

c) Lediglich zur Begründung des Antrags zu 3 beruft sich die Antragstellerin auf die mögliche Verletzung ihrer eigenen Rechte als Oppositionsfraktion aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Ergänzend zu den Begründungen der Anträge zu 1 und zu 2 wird vorgebracht, die in § 126a GO-BT verankerten Minderheitenrechte für jede beliebige Gruppe von 120 Abgeordneten könnten schon ihrer Natur nach nur Fraktionsrechte sein. Es sei in der parlamentarischen Demokratie verfassungsrechtlich zwingend, dass die Kontrollbefugnisse von Minderheiten als Oppositionsrechte ausgestaltet und den einzelnen Oppositionsfraktionen aus eigenem Recht zugeordnet würden. Dafür spreche auch die Entstehungsgeschichte des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, wonach die Parteifähigkeit im Organstreit gerade auch dem parlamentarischen Gegenspieler der Regierungsmehrheit zustehen sollte. Der weite Gestaltungsspielraum des Antragsgegners bei der Ordnung seines inneren Geschäftsgangs nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG sei durch die aus dem Demokratieprinzip und den Grundsätzen des parlamentarischen Regierungssystems abzuleitenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausübung des parlamentarischen Selbstorganisationsrechts eingeschränkt.

III.

42

1. Der Antragsgegner hält die Anträge für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

43

a) Es fehle an einem feststellungsfähigen Verfassungsrechtsverhältnis, das der Antragsgegner verletzt haben könnte. Die Funktion des Organstreitverfahrens sei die objektive Bewahrung des Verfassungsrechts; der Antrag zu 1 ziele aber auf eine Änderung der Verfassung und damit nicht auf ein bestehendes, sondern vielmehr auf ein erst zu schaffendes Verfassungsrechtsverhältnis. Die Antragstellerin verkenne zudem die formellen Vorgaben in Art. 79 Abs. 2 GG, wonach es für eine Änderung der Verfassung zwingend der Mitwirkung des Bundesrates bedürfe. Im Übrigen wäre es der Antragstellerin zuzumuten, zunächst im parlamentarischen Prozess einen konkreten Antrag - etwa auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - zu stellen. Für den Fall einer Ablehnung des Antrags - entgegen der Regelung des § 126a GO-BT - bestehe die Möglichkeit, ein Organstreitverfahren wegen dieser konkreten Weigerung im Einzelfall vor dem Bundesverfassungsgericht einzuleiten.

44

b) Die Sonderlage der parlamentarischen Opposition sei primär dem Wahlergebnis der Bundestagswahl von 2013 geschuldet. Zwar möge durchaus die verfassungspolitische Notwendigkeit bestehen, die parlamentarische Opposition de lege ferenda auch auf Ebene der Verfassung oder durch Maßnahmen des einfachen Gesetzgebers zu stärken. Es gebe jedoch kein Verfassungsgebot, das Wahlergebnis durch die Einräumung weiterer Rechte zu korrigieren. Die Einräumung weitergehender Kontrollbefugnisse berge die Gefahr einer zunehmenden Fragmentierung und könnte die Funktionsfähigkeit des Parlamentarismus insgesamt in Frage stellen. Eine wirkungsvolle Opposition sei zwar unabdingbare Voraussetzung der effektiven Entfaltung des demokratischen Prinzips. Die Verfassung begnüge sich aber im Wesentlichen damit, die Existenz einer parlamentarischen Opposition als Merkmal einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zur Kenntnis zu nehmen. Daher erweise sich Opposition als eine optimierungsbedürftige Zielvorgabe. Der Verfassungsgeber habe - unter Berücksichtigung des Widerspruchs zwischen Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz - die Grundentscheidung für bestimmte notwendige, aber auch als ausreichend erachtete Kontrollmechanismen getroffen. Diese dürften nicht mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts überspielt werden. Anderes folge weder aus dem Demokratieprinzip noch aus einer Schutzpflicht des Bundestages für die parlamentarische Minderheit. Die abstrakte Normenkontrolle zähle nicht zu den Funktionsbedingungen der Opposition.

45

2. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag teilt zwar grundsätzlich die rechtspolitischen Ziele der Antragstellerin: Die Regeln des politischen Prozesses dürften nicht so gefasst sein, dass wesentliche parlamentarische Kontrollfunktionen ausfielen. Diesen Gesichtspunkt bilde das Grundgesetz selbst ab, indem es im parlamentarischen Bereich das Mehrheitsprinzip durchbreche und Minderheitspositionen anerkenne. Zum Beispiel zähle das Instrument des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den wesentlichen, den relevanten Kräften der parlamentarischen Opposition zustehenden Instrumenten. Die abstrakte Normenkontrolle sei in der bundesdeutschen Demokratie nach ihrer Konzeption und in der Praxis stets ein wichtiges Instrument der Opposition gewesen, und Art. 93 Abs. 3 GG eröffne auch die Möglichkeit einer einfachgesetzlichen Rechtszuweisung an die Opposition im 18. Deutschen Bundestag.

46

Das mit dem Antrag zu 1 verfolgte Begehren der Antragstellerin, ein Änderungserfordernis des Grundgesetzes aus dem Grundgesetz abzuleiten, sei allerdings kaum nachvollziehbar. Das höherrangige Recht hindere den Bundestag beziehungsweise die Parlamentsmehrheit jedoch nicht daran, sich im Rahmen der Selbstbindung zu verpflichten, der parlamentarischen Minderheit weitergehende Rechte zuzuweisen. Mit der Einfügung des § 126a GO-BT seien die Anforderungen an die Sicherung der Ausübung parlamentarischer Opposition im Wesentlichen erfüllt worden.

47

3. In ihrer Replik weist die Antragstellerin darauf hin, dass die derzeitigen Kräfteverhältnisse zwischen Koalitions- und Oppositionsfraktionen nicht das unmittelbare Ergebnis der Bundestagswahl, sondern vielmehr der Koalitionsverhandlungen seien.

48

Der "Snowden-Organstreit" vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 138, 45) verdeutliche, dass die Neuregelung des § 126a Abs. 1 Nr. 1 GO-BT in der parlamentarischen Praxis keineswegs so problemlos gehandhabt werde, wie der Antragsgegner behaupte.

49

Die Antragstellerin betont einerseits den Unterschied zwischen den geforderten spezifischen Oppositionsrechten (von Fraktionen) und den gewährten Minderheitenrechten (von Abgeordneten). Die im Rahmen des neuen § 126a GO-BT ergriffenen Maßnahmen verfehlten als bloße Minderheitenrechte ihr Ziel, die parlamentarische Opposition zu stärken. Andererseits vertritt die Antragstellerin an anderer Stelle die Auffassung, die den einzelnen Abgeordneten und den Fraktionen zustehenden Rechte, die auch der Opposition und den Oppositionsfraktionen zur Verfügung stünden, könnten einen "funktionellen Ersatz für spezifische Oppositionsrechte" darstellen.

50

Die Antragstellerin ist ferner der Ansicht, seit die Oppositionsfraktionen die Quoren nicht mehr erreichten, schlage die "verdeckte Unzulänglichkeit" jener Vorschriften in eine "offene Lückenhaftigkeit" um. Der Antragsgegner in Gestalt der Mehrheit im Bundestag habe seinen Schutzauftrag nicht erfüllt. Hilfsweise macht die Antragstellerin geltend, dass die ursprünglich rechtmäßige Regelung wegen zwischenzeitlich veränderter Verhältnisse verfassungsrechtlich untragbar geworden sei.

51

Beim "Gebot der Oppositionseffektivität", das auch zu einer Stärkung des Parlaments gegenüber der Regierung führe, gehe es entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht lediglich um eine "optimierungsbedürftige Zielvorgabe", sondern um ein Stück ungeschriebenen Verfassungsrechts (Gebot oppositionsfreundlichen Verhaltens), welches gegebenenfalls durch entsprechende Verfassungsfortbildung "praeter constitutionem" ans Licht zu heben sei. Dem Antragsgegner in Gestalt der parlamentarischen Mehrheit komme eine "Garantenstellung" zu. Die "Mitverantwortung" der parlamentarischen Mehrheit ergebe sich in dreierlei Hinsicht aus "vorangegangenem Tun": Erstens wegen der Koalitionsabsprache, zweitens wegen des "Vertrauenstatbestands", den sie durch den Vorschlag der Zuweisung von Rechten an "nicht die Regierung tragende Fraktionen" in ihrer Initiative zur Änderung der Bundestagsgeschäftsordnung für die 18. Wahlperiode (BTDrucks 18/481) geschaffen habe, und drittens wegen des Zurückbleibens der mit der Einfügung des § 126a GO-BT geschaffenen Rechte hinter ihren eigenen Forderungen.

52

Aus der Wesentlichkeitstheorie im Bereich der Staatsorganisation folge darüber hinaus, dass alle für den Aufbau des Staates, seiner Organe und deren Verfahren wichtigen Entscheidungen vom Parlament selbst getroffen und in die Form eines Gesetzes gekleidet werden müssten.

53

Das "Gebot der Oppositionseffektivität" erhalte eine zusätzliche verfassungsrechtliche Begründung durch den die Minderheitenrechte verkürzenden Effekt der Fünfprozentklausel. Ohne die Verfassungsmäßigkeit der Fünfprozentklausel prinzipiell infrage stellen zu wollen, sei die durch sie bewirkte Durchbrechung der Wahlgleichheit im Bereich der Kontrollfunktion geradezu kontraproduktiv. Sie könne dadurch beseitigt oder zumindest neutralisiert werden, dass den Anträgen stattgegeben werde.

54

In Bezug auf den "Hauptstreitpunkt" des Zugangs zur abstrakten Normenkontrolle betont die Antragstellerin die disziplinierende "Vorwirkung" dieses Instruments. Allein die Möglichkeit einer abstrakten Normenkontrolle führe zu größerer Sorgfalt bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen der Regierung und auch zu einem höheren Gewicht öffentlicher Anhörungen etwa im Rechtsausschuss, "die nach § 126a Abs. 1 Nr. 9 GO-BT von allen Ausschussmitgliedern der Opposition verlangt werden können und bei denen häufig verfassungsrechtliche Fragen im Mittelpunkt" stünden. Auch führe die Ablehnung der Verfassungsänderung nicht zwingend zu einer Entlastung des Bundesverfassungsgerichts, da die gegenwärtige Opposition im Falle einer künftigen Regierungsbeteiligung das von ihr angestrebte Normenkontrollverfahren zeitlich verschoben realisieren könne. Ohne die abstrakte Normenkontrolle sei die Opposition ein "zahnloser Tiger", denn jedenfalls das Haushaltsgesetz könne nicht auf andere Weise, sondern nur durch die parlamentarische Opposition angegriffen werden, was in der Vergangenheit schon zweimal vorgekommen sei. Ungeachtet dessen könne sich die Antragsberechtigung der Oppositionsfraktionen selbst für eine Mehrheitsfraktion als vorteilhaft erweisen, wenn diese, um einen Koalitionsstreit zu vermeiden, es der Opposition überließe, gegen ein Gesetz vorzugehen. Auch die Antragsberechtigung von Landesregierungen gleiche das Manko nicht aus, da "die Parteien gerade kleinerer Oppositionsfraktionen zusammen mit mindestens einer Mehrheitspartei an allen Landesregierungen beteiligt" seien, deren Zustimmung zur Einleitung eines abstrakten Normenkontrollverfahrens damit nahezu illusorisch werde.

IV.

55

Das Bundesverfassungsgericht hat am 13. Januar 2016 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Beteiligten ihre Rechtsstandpunkte erläutert und vertieft haben.

B.

56

Die Anträge sind überwiegend zulässig.

I.

57

Gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch das Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Eine verfassungsrechtliche Streitigkeit in diesem Sinne liegt vor. Die Antragstellerin sieht durch die Ablehnung der Zuerkennung der begehrten Oppositionsrechte prozessstandschaftlich geltend gemachte verfassungsrechtlich verbürgte Rechte des Bundestages (Antrag zu 1 und zu 2) und eigene Rechte (Antrag zu 3) durch den Antragsgegner verletzt. Streitgegenstand sind somit verfassungsrechtliche Organbeziehungen (vgl. BVerfGE 84, 290 <297>; 84, 304 <317 f.>; 90, 286 <337 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11 -, juris, Rn. 54, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

II.

58

Die Antragstellerin ist in Organstreitigkeiten nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG parteifähig, da sie als Fraktion des Deutschen Bundestages ein sowohl von der GO-BT als auch von der Verfassung anerkannter Teil des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag ist. Im Organstreit antragsberechtigt sind - angesichts der im parlamentarischen Regierungssystem bestehenden weitgehenden Übereinstimmung von Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit - gerade auch die Oppositionsfraktionen und damit die organisierte parlamentarische Minderheit als Gegenspieler der Regierungsmehrheit (vgl. BVerfGE 90, 286 <344>; 117, 359 <367 f.>). Der Antragsgegner ist als oberstes Bundesorgan nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG parteifähig.

III.

59

Die Antragstellerin greift statthafte Antragsgegenstände im Sinne von § 64 Abs. 1 BVerfGG an, indem sie sich gegen konkrete rechtserhebliche Maßnahmen oder Unterlassungen des Antragsgegners wendet.

60

1. Mit ihren Anträgen zu 1 und zu 2 wendet sich die Antragstellerin einerseits gegen die Ablehnung des jeweiligen Gesetzentwurfs durch den Antragsgegner, andererseits gegen die Nichtzuweisung der in dem abgelehnten Gesetzentwurf enthaltenen Rechte. Dabei kann die bislang vom Bundesverfassungsgericht noch nicht entschiedene Frage offen bleiben, unter welchen Voraussetzungen eine bloße Untätigkeit des Gesetzgebers im Wege des Organstreitverfahrens angreifbar ist (vgl. BVerfGE 120, 82 <97> m.w.N.) und ob Ablehnungen von Gesetzentwürfen der Antragstellerin generell rügefähige Maßnahmen darstellen. Der Antragsgegner hat sich mit den in den abgelehnten Gesetzentwürfen begehrten Rechten inhaltlich befasst und jeweils einen ausdrücklich auf bestimmte Änderungen des Grundgesetzes (Antrag zu 1) oder einzelner Gesetze (Antrag zu 2) gerichteten Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren abgelehnt. Da die nach inhaltlicher Befassung erfolgende Ablehnung des Gesetzentwurfs als qualifizierte Unterlassung dem als Maßnahme zu wertenden Erlass eines Gesetzes gleichsteht, stellt sie einen zulässigen Angriffsgegenstand im Organstreitverfahren dar (vgl. BVerfGE 120, 82 <98 f.>).

61

2. Mit ihrem Antrag zu 3 greift die Antragstellerin den Beschluss über die Einführung des § 126a GO-BT an, welcher eine rechtserhebliche Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG darstellt. Zudem begehrt sie in Parallelität zu den Anträgen zu 1 und zu 2 die Zuweisung weitergehender Rechte, macht also wiederum ein qualifiziertes Unterlassen geltend.

IV.

62

Hinsichtlich sämtlicher Antragsgegenstände wendet sich die Antragstellerin gegen den richtigen Antragsgegner, da der Deutsche Bundestag, der die jeweiligen Gesetzentwürfe abgelehnt und den Antrag auf Änderung der GO-BT angenommen hat, das Organ ist, welches für die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung die Verantwortung trägt. Alle drei Antragsgegenstände sind dem Deutschen Bundestag zuzurechnen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11 -, juris, Rn. 61 m.w.N., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

V.

63

Gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG hat der Antragsteller geltend zu machen, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch den Antragsgegenstand in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

64

1. Soweit sich die Antragstellerin hinsichtlich des Antrags zu 3 auf eigene Rechte als Fraktion aus Art. 38 Abs. 1 GG beruft, erscheint es jedenfalls nicht als von vornherein ausgeschlossen, dass sie durch die Einfügung des § 126a GO-BT durch den Antragsgegner in ihren grundgesetzlich verbürgten Rechten verletzt worden ist. Auch wenn in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bislang von jeder Institutionalisierung parlamentarischer Opposition abgesehen und diese in keinem Fall als eigenes Verfassungssubjekt oder als organisatorisch verselbstständigte parlamentsrechtliche Institution angesehen worden ist, erscheint es - wie etwa einige Landesverfassungen illustrieren, welche die nicht die Regierung tragenden Fraktionen als Oppositionsträger anerkennen und bestimmte Gewährleistungen an diesen Status knüpfen (vgl. Cancik, Parlamentarische Opposition in den Landesverfassungen, 2000, S. 80 ff.) - nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist, indem ihr durch Einfügung des § 126a GO-BT nicht Rechte in einem Umfang eingeräumt worden sind, wie sie von Verfassungs wegen geboten gewesen wären.

65

2. Auch hinsichtlich der Anträge zu 1 und zu 2 ist die Antragstellerin grundsätzlich antragsbefugt.

66

a) Fraktionen sind berechtigt, sowohl eigene Rechte als auch Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft, das heißt fremde Rechte im eigenen Namen, geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 45, 1 <28>; 67, 100 <125>; 131, 152 <190>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 2. Juni 2015 - 2 BvE 7/11 -, juris, Rn. 95; Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11 -, juris, Rn. 56, jeweils zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Zuerkennung der Prozessstandschaftsbefugnis ist sowohl Ausdruck der Kontrollfunktion des Parlaments als auch Instrument des Minderheitenschutzes (vgl. BVerfGE 45, 1 <29 f.>; 60, 319 <325 f.>; 68, 1 <77 f.>; 121, 135 <151>; 123, 267 <338 f.>; 131, 152 <190>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 2. Juni 2015 - 2 BvE 7/11 -, juris, Rn. 95, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Vor dem Hintergrund der weitgehenden Übereinstimmung von Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit im parlamentarischen Regierungssystem soll die Öffnung des Organstreits für andere Beteiligte als die obersten Bundesorgane nach der Vorstellung des Parlamentarischen Rates vor allem dazu dienen, Oppositionsfraktionen und damit der organisierten parlamentarischen Minderheit als dem Gegenspieler der Regierungsmehrheit den Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht zu eröffnen, um somit die tatsächliche Geltendmachung der dem Parlament im Verfassungsgefüge zukommenden Rechte zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 90, 286 <344> mit Nachweisen zur Debatte im Parlamentarischen Rat; 117, 359 <367 f.>).

67

Dem steht nicht entgegen, dass es sich im vorliegenden Organstreit beim Deutschen Bundestag zugleich um den Antragsgegner handelt. Die prozessstandschaftliche Geltendmachung der Rechte des Bundestages ist nicht allein dann möglich, wenn dieser die angegriffene Maßnahme oder Unterlassung gebilligt hat (vgl. BVerfGE 1, 351 <359>; 45, 1 <29 f.>), sondern auch dann, wenn es sich beim Bundestag um den Antragsgegner handelt (vgl. BVerfGE 123, 267 <338 f.>; 132, 195 <247>; 134, 366 <397>). Die in § 64 Abs. 1 BVerfGG vorgesehene Prozessstandschaft stellt den Organstreit in die Wirklichkeit des politischen Kräftespiels, in der sich Gewaltenteilung über die klassische Gegenüberstellung der geschlossenen Gewaltträger hinaus in erster Linie in der Einrichtung von Minderheitenrechten verwirklicht. Daher liegen Sinn und Zweck der Prozessstandschaft darin, der Parlamentsminderheit die Befugnis zur Geltendmachung der Rechte des Bundestages nicht nur dann zu erhalten, wenn dieser seine Rechte, vor allem im Verhältnis zu der von ihm getragenen Bundesregierung, nicht wahrnehmen will (vgl. BVerfGE 1, 351 <359>; 45, 1 <29 f.>; 121, 135 <151>), sondern auch dann, wenn die Parlamentsminderheit Rechte des Bundestages gegen die die Bundesregierung politisch stützende Parlamentsmehrheit geltend macht (vgl. BVerfGE 123, 267 <338 f.>).

68

b) Die Antragstellerin beruft sich auf einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und gegen Grundsätze des parlamentarischen Regierungssystems (Art. 45b, 63, 67, 68 und 69 GG), namentlich gegen die Gebote effektiver Ausübung der Opposition und wirksamer parlamentarischer Kontrolle von Regierung und Parlamentsmehrheit.

69

Bei dem vorliegend prozessstandschaftlich geltend gemachten Recht des Bundestages handelt es sich um parlamentarische Kontrollrechte, welche strukturell maßgeblich von Ausübungsmöglichkeiten durch die parlamentarische Opposition abhängig sind. Effektivität und Intensität der vom Bundestag ausgeübten Kontrolle hängen im parlamentarischen Regierungssystem von der Reichweite der parlamentarischen Minderheitenrechte und ihrer Ausgestaltung im Hinblick auf Instrumente der Kontrolle von Regierung und regierungstragender Mehrheit ab. Die parlamentarische Kontrolle ist umso effektiver, je stärker die der parlamentarischen Opposition zur Verfügung stehenden Minderheitenrechte sind. Es erscheint daher nicht als von vornherein ausgeschlossen, dass der Antragsgegner seine Kontrollrechte durch die Nichtannahme der Gesetzentwürfe, die Gegenstand der Anträge zu 1 und zu 2 sind, verletzt hat.

70

c) Hingegen geht die Auffassung des Antragsgegners fehl, der Antrag zu 1 sei mangels eines feststellungsfähigen Verfassungsrechtsverhältnisses unzulässig, da die Antragstellerin - indem sie eine Änderung der Verfassung begehre - nicht auf die objektive Bewahrung des Verfassungsrechts, sondern auf ein erst zu schaffendes Verfassungsrechtsverhältnis ziele. Er übersieht insoweit, dass sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag zu 1 durchaus auf ein - auch aus verfassungsrechtlichen Prinzipien und Grundsätzen abgeleitetes - bereits bestehendes Verfassungsrechtsverhältnis beruft, das Rechte und Pflichten des Bundestages begründet.

71

3. a) Allerdings ist die Begründung, mit der eine Erstreckung (gemäß Art. 3 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380) des Rechts nach § 8 Abs. 5 Satz 3 EUZBBG auf zwei Oppositionsfraktionen in dem Sinne geltend gemacht wird, dass keine Gründe erkennbar seien, dieses Recht der Opposition vorzuenthalten, bereits unsubstantiiert und der Antrag zu 2 daher unzulässig, soweit er sich auf die Änderung des EUZBBG bezieht.

72

b) Unzulässig ist der Antrag zu 2 ferner, soweit danach der die Bestimmung des § 70 GO-BT gesetzlich modifizierende, in § 5 Abs. 6 Satz 2 ESMFinG enthaltene qualifizierende Zusatz der Unterstützung durch mindestens zwei Fraktionen im Ausschuss vollständig entfallen soll (Art. 4 Nr. 3 des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380) und auch die als Ersetzung konzipierte, in Art. 4 Nr. 1 des Gesetzentwurfs vorgeschlagene Änderung zugleich das Entfallen einer parallelen qualifizierenden Voraussetzung enthält.

73

Das in Art. 4 Nr. 1 und 3 des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380 vorgeschlagene Entfallen eines qualifizierenden Zusatzes stellt keine Zuweisung von Befugnissen an zwei Oppositionsfraktionen dar. Damit hat die Konstellation lediglich gemein, dass auch das Entfallen einer erschwerenden Voraussetzung eine irgendwie geartete Begünstigung (auch) der Antragstellerin darstellt. Damit setzt diese sich in der Antragsbegründung nicht auseinander. Im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwiefern ein Entfallen des qualifizierenden Zusatzes der Unterstützung durch mindestens zwei Fraktionen im Ausschuss etwa aufgrund des allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes effektiver Opposition verfassungsrechtlich geboten sein könnte. In der Entwurfsbegründung, in der lediglich lapidar von einem - nicht näher begründeten - "Entfallen-Können" die Rede ist (vgl. BTDrucks 18/380, S. 7 Abs. 4), wird bereits nicht von einer verfassungsrechtlichen Gebotenheit der Gesetzesänderung ausgegangen.

74

c) Entsprechendes gilt hinsichtlich der - parallel gelagerten - in Art. 5 des Gesetzentwurfs vorgeschlagenen Streichung des § 4 Abs. 5 Satz 2 StabMechG. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwiefern ein Entfallen des qualifizierenden Zusatzes der Unterstützung durch mindestens zwei Fraktionen im Ausschuss etwa aufgrund des allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes effektiver Opposition verfassungsrechtlich geboten sein könnte (vgl. oben, Rn. 73).

VI.

75

Die Anträge sind formgerecht im Sinne des § 23 Abs. 1 BVerfGG erhoben worden. Die Frist von sechs Monaten (§ 64 Abs. 3 BVerfGG), die gleichermaßen auf Maßnahmen wie auf Unterlassungen Anwendung findet und im Hinblick auf die angegriffenen drei Beschlüsse des Antragsgegners vom 3. April 2014 am 3. Oktober 2014 geendet hat, ist gewahrt.

VII.

76

Auch im Organstreitverfahren ist das Rechtsschutzbedürfnis des Organs grundsätzlich Voraussetzung für die Sachentscheidung (vgl. BVerfGE 62, 1 <33>; 67, 100 <127>; 68, 1 <77>; 119, 302 <307 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11 -, juris, Rn. 80, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Da Bestand und Reichweite der aus dem Grundgesetz oder ungeschriebenem Verfassungsrecht ableitbaren Minderheiten- und Oppositionsrechte zwischen den Beteiligten umstritten und klärungsbedürftig sind, ist das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin zu bejahen (1.). Andere gleichwertige verfassungsrechtliche oder parlamentarisch-politische Handlungsmöglichkeiten bestehen nicht (2.). Schließlich steht die notwendige Beteiligung des Bundesrates an einer Verfassungsänderung nach Art. 79 Abs. 2 GG dem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin nicht entgegen (3.).

77

1. Soweit die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin mit Blick auf die Regelung des § 126a GO-BT in Frage stellt, solange die Mehrheit nicht gegen die getroffenen Regeln verstoße, verkennt sie, dass die Antragstellerin ein erhebliches Interesse an einer verbindlichen Feststellung der sich gerade aus dem Grundgesetz ergebenden Rechtslage hat.

78

Zum einen sind die in der Geschäftsordnung getroffenen Regelungen - ungeachtet der hier nicht zur Entscheidung anstehenden Frage, ob diese den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen - jederzeit änderbar und stellen daher - auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 126a Abs. 2 GO-BT - keine gesicherte Rechtsposition der parlamentarischen Opposition dar (vgl. Cancik, NVwZ 2014, S. 18 <21 f.>).

79

Zum anderen ist Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts im Organstreit allein das Grundgesetz, wohingegen nicht jede der in Ausübung der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG getroffene Regelung der GO-BT von Verfassungs wegen geboten sein muss. Vor dem Bundesverfassungsgericht sind vielmehr nur jene Rechte einklagbar, die sich auf ein entsprechendes Verfassungsgebot zurückführen lassen (vgl. § 64 Abs. 1 und 2 BVerfGG). Allein in der GO-BT gewährleistete Rechte sind verfassungsrechtlich nicht einklagbar (vgl. Winkelmann/Hadamek, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, 30. EL Stand: Dezember 2014, § 126a Erl. 1).

80

2. Auch der vom Antragsgegner ins Feld geführte Subsidiaritätsgedanke, wonach die Antragstellerin zunächst einen konkreten Antrag - etwa auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - stellen müsse und erst gegen dessen etwaige Ablehnung das Bundesverfassungsgericht anrufen könne, vermag am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses nichts zu ändern. Es ist der Antragstellerin nicht zumutbar, im parlamentarischen Prozess zunächst den Versuch zu unternehmen, ein Minderheitenrecht auszuüben. Sie hat bereits in dessen Vorfeld ein erhebliches Interesse an der Klärung der verfassungsrechtlichen Rechtslage, da bereits die abstrakte Möglichkeit der Ausübung von Minderheitenrechten Vorwirkungen auf die oppositionellen Wirkungsmöglichkeiten haben kann. So kann etwa allein die (Möglichkeit der) Androhung, ein der Opposition zur Verfügung stehendes Minderheitenrecht - etwa auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - auszuüben, zu einer entsprechenden Reaktion - etwa der Steigerung der Auskunftsbereitschaft - bei der Regierung und der parlamentarischen Regierungsmehrheit führen und auf diese Weise die eigentliche Ausübung des Minderheitenrechts überflüssig machen (vgl. bereits Kelsen, VVDStRL 5 [1929], S. 30 <81>).

81

3. Dem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin hinsichtlich des Antrags zu 1 steht schließlich nicht entgegen, dass - wie der Antragsgegner vorträgt - eine Änderung der Verfassung nach Art. 79 Abs. 2 GG zwingend der Mitwirkung des Bundesrates bedarf. Mit dem Begehren festzustellen, dass der Antragsgegner ihren verfassungsändernden Gesetzentwurf hätte beschließen müssen, verfolgt die Antragstellerin ein im Organstreitverfahren statthaftes Verfahrensziel. Insoweit handelt es sich um einen abgrenzbaren Teilakt im Verfahren der Verfassungsänderung. Bei Ausbleiben der nach Art. 79 Abs. 2 GG erforderlichen Zustimmung des Bundesrates könnte die Antragstellerin - einen entsprechenden verfassungskräftigen Anspruch unterstellt - im Übrigen ein eigenständiges Organstreitverfahren gegen diesen anstrengen.

C.

82

Soweit die Anträge zulässig sind, sind sie unbegründet.

I.

83

Der Antrag zu 1 ist unbegründet, da eine Pflicht des Antragsgegners zur Effektuierung seiner Kontrollfunktion durch Einräumung der von der Antragstellerin begehrten Oppositionsrechte auf Verfassungsebene nicht besteht.

84

Das Grundgesetz enthält zwar einen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisierten allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition (1.). Dieser Grundsatz umfasst jedoch kein Gebot spezifischer Oppositionsfraktionsrechte (2.). Unabhängig davon ist die Einführung spezifischer Oppositionsfraktionsrechte mit der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar (3.). Einer dem Rechtsschutzziel der Antragstellerin nahe kommenden - im Hinblick auf die Gleichheit aller Abgeordneten neutralen - Absenkung der grundgesetzlichen Quoren zur Erleichterung der praktischen Ausübbarkeit parlamentarischer Minderheitenrechte stehen der eindeutige Wortlaut der verfassungsrechtlichen Regelungen und der Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers im Wege (4.).

85

1. Das Grundgesetz enthält einen durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisierten allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition.

86

a) Der verfassungsrechtliche Schutz der Opposition wurzelt im Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 2, 1 <13>; 44, 308 <321>; 70, 324 <363>). Aus dem Mehrheitsprinzip nach Art. 42 Abs. 2 GG und den - eine punktuelle Durchbrechung des Mehrheitsprinzips darstellenden - parlamentarischen Minderheitenrechten nach Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 39 Abs. 3 Satz 3, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG folgen der Respekt vor der Sachentscheidung der parlamentarischen Mehrheit und die Gewährleistung einer realistischen Chance der parlamentarischen Minderheit, zur Mehrheit zu werden (vgl. BVerfGE 5, 85 <198 f.>; 44, 308 <321>; 70, 324 <363>; 123, 267 <367>). Dahinter steht die Idee eines - inner- wie außerparlamentarischen - offenen Wettbewerbs der unterschiedlichen politischen Kräfte, welcher namentlich voraussetzt, dass die Opposition nicht behindert wird (vgl. BVerfGE 123, 267 <341 f.>). Demgemäß ist die Bildung und Ausübung einer organisierten politischen Opposition konstitutiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung (vgl. BVerfGE 2, 1 <13>; 5, 85 <199>; 123, 267 <367>).

87

b) Zusätzlich verfassungsrechtlich abgesichert ist das Recht "auf organisierte politische Opposition" (BVerfGE 123, 267 <367>) im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG). Der dort verankerte Grundsatz der Gewaltenteilung, der die Gliederung und wechselseitige Kontrolle der gesetzgebenden, der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt anleitet und namentlich die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung erfasst (vgl. Art. 45b GG), hat den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems Rechnung zu tragen, wie sie durch das Grundgesetz und die politische Praxis ausgestaltet werden. Weil danach die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung unerlässlich ist (vgl. Art. 63 und 67 bis 69 GG), obliegt die parlamentarische Kontrolle der Regierung nicht nur dem Parlament als Ganzem, sondern insbesondere und gerade auch den Abgeordneten und Fraktionen, die nicht die Regierung tragen. Als parlamentarische Opposition stellen sie die natürlichen Gegenspieler von Regierung und regierungstragender Mehrheit dar (sogenannter neuer oder innerparlamentarischer Dualismus; vgl. auch BVerfGE 49, 70 <85 f.>; 129, 300 <331>; 135, 259 <293 f.>).

88

c) Die zentrale Rolle der parlamentarischen Opposition bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrollfunktion spiegelt sich auch im verfassungsrechtlichen Rechtsschutzsystem wider: Zum einen besteht ein parlamentarisches Minderheitenrecht hinsichtlich der abstrakten Normenkontrolle aus der Mitte des Bundestages neben der parallel verlaufenden Möglichkeit der Antragstellung über (auch) "oppositionelle" Landesregierungen (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG; vgl. auch Mundil, Die Opposition, 2014, S. 191; zur "föderativen Kontrolle" vgl. Stüwe, Die Opposition im Bundestag und das Bundesverfassungsgericht, 1997, S. 40 ff.). Zum anderen sind subjektive Rechtsstellungen im innerparlamentarischen Bereich über die Antragsberechtigung "anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind", im Wege des Organstreitverfahrens (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG) verfassungsprozessual durchsetzbar. Darüber hinaus eröffnet die Möglichkeit einer prozessstandschaftlichen Geltendmachung der Rechte des Bundestages gerade den Oppositionsfraktionen und damit der organisierten parlamentarischen Minderheit als dem Gegenspieler der Regierungsmehrheit ein effektives Eintreten für die parlamentarische Kontrollfunktion (vgl. oben, Rn. 66).

89

d) Das individuelle Recht zum - sowohl strukturellen als auch situativen - parlamentarischen Opponieren gegen die politische Linie von Regierung und regierungstragender Mehrheit gründet in der in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Freiheit und Gleichheit der Abgeordneten, die als Vertreter des ganzen Volkes an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Diese Freiheit wird durch die nach Art. 46 GG gewährleistete Indemnität und Immunität und das Zeugnisverweigerungsrecht eines jeden Abgeordneten nach Art. 47 GG abgesichert und ist gerade für die Opposition von besonderer Bedeutung.

90

e) Damit die Opposition ihre parlamentarische Kontrollfunktion erfüllen kann, müssen die im Grundgesetz vorgesehenen Minderheitenrechte auf Wirksamkeit hin ausgelegt werden (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>). Dies ist namentlich für das Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in seiner Ausprägung als Minderheitsenquete anerkannt (vgl. BVerfGE 49, 70 <86 f.>; zur Hoheit der Minderheit über den Untersuchungsauftrag eines auf ihren Antrag eingesetzten Untersuchungsausschusses vgl. nunmehr § 2 Abs. 2 und § 3 PUAG; zum Schutz auch der potenziell einsetzungsberechtigten Minderheit vgl. BVerfGE 105, 197 <224 f.>). Es gilt der Grundsatz effektiver Opposition. Sie darf bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnisse nicht auf das Wohlwollen der Parlamentsmehrheit angewiesen sein. Denn die Kontrollbefugnisse sind der parlamentarischen Opposition nicht nur in ihrem eigenen Interesse, sondern in erster Linie im Interesse des demokratischen, gewaltengegliederten Staates - nämlich zur öffentlichen Kontrolle der von der Mehrheit gestützten Regierung und ihrer Exekutivorgane - in die Hand gegeben (vgl. BVerfGE 49, 70 <87>). Der Grundsatz der Gewaltenteilung im parlamentarischen Regierungssystem gewährleistet daher die praktische Ausübbarkeit der parlamentarischen Kontrolle gerade auch durch die parlamentarische Opposition.

91

2. Das Grundgesetz begründet jedoch weder explizit spezifische Oppositions(fraktions)rechte, noch lässt sich ein Gebot der Schaffung solcher Rechte aus dem Grundgesetz ableiten.

92

a) Das Grundgesetz schweigt bereits über den Begriff der Opposition. Schon gar nicht erkennt es Oppositionsfraktionen als spezifische Rechtsträger an. Ihre Aufnahme in das Grundgesetz wurde von der Gemeinsamen Verfassungskommission nach der Wiedervereinigung zwar erwogen, der Antrag fand aber nicht die erforderliche Mehrheit (vgl. BTDrucks 12/6000, S. 89). Die Ausgestaltung von Rechten der parlamentarischen Opposition vollzieht sich innerhalb der Ordnung des Grundgesetzes vielmehr über die Rechte der parlamentarischen Minderheiten. Den ihnen etwa in Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 39 Abs. 3 Satz 3, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 oder Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG zugewiesenen Rechten kommt für das der parlamentarischen Opposition zur Verfügung stehende Instrumentarium zentrale Bedeutung zu. Außer der Grundentscheidung für eine punktuelle Durchbrechung des Mehrheitsprinzips in den Fällen, in denen die parlamentarische Minderheit bestimmte Maßnahmen gegen den Willen der Mehrheit durchzusetzen im Stande sein soll, ist ihnen jedoch zu entnehmen, dass Minderheitenrechte stets nur einer nach bestimmten Merkmalen qualifizierten Minderheit zur Verfügung stehen. Die Qualifizierung der mit diesen besonderen Rechten ausgestatteten Minderheiten besteht in der Erreichung eines bestimmten Quorums an Mitgliedern des Bundestages; bei Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG liegt dieses Quorum bei einem Drittel, bei Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG jeweils bei einem Viertel. In keiner grundgesetzlichen Bestimmung wird eine bestimmte Anzahl an Fraktionen (vgl. Art. 53a Abs. 1 Satz 2 GG) mit besonderen Rechten ausgestattet.

93

Dieses Regelungskonzept orientiert sich an den politischen Kräfteverhältnissen im parlamentarischen Regierungssystem, da die parlamentarische Opposition in der Regel die parlamentarische Minderheit verkörpert (vgl. BVerfGE 49, 70 <85 f.>), in sich aber - ebenso wie die parlamentarische Mehrheit - nicht notwendig eine homogene Einheit darstellt, sondern in eine Mehrzahl oder sogar in eine Vielzahl von Gruppierungen - Fraktionen oder auch Fraktionsstärke nicht erreichende Gruppen und einzelne Abgeordnete - aufgespalten sein kann (vgl. BVerfGE 70, 324 <363 f.>). Das Grundgesetz hat sich dafür entschieden, die parlamentarischen Minderheitenrechte Abgeordneten, die bestimmte Quoren erfüllen, ohne Ansehung ihrer Zusammensetzung zur Verfügung zu stellen (vgl. BVerfGE 124, 78 <107>), mithin die Ausübbarkeit parlamentarischer Minderheitenrechte nicht auf oppositionelle Akteure - wie etwa die Oppositionsfraktionen - zu beschränken.

94

b) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergibt sich nichts anderes aus der Existenz der Fünf-Prozent-Sperrklausel. Zutreffend ist, dass sich aufgrund der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag ein Wähleranteil von insgesamt 15,7 % der abgegebenen Zweitstimmen in der Sitzverteilung nicht niederschlagen konnte (vgl. Bundeswahlleiter, Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013, Heft 5, Teil 1, Textliche Auswertung, Wahlergebnisse, S. 51). Das Bundesverfassungsgericht hat sich mehrfach mit der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel des Bundeswahlgesetzes (BWahlG; vgl. heute § 6 Abs. 3 Satz 1, 1. Var.) befasst, sie als Durchbrechung des Grundsatzes der (Erfolgswert-)Gleichheit der Wahl identifiziert, jedoch - aufgrund des hinreichend zwingenden Differenzierungsgrundes der Sicherung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Parlaments - als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen (vgl. BVerfGE 82, 322 <338>; 95, 335 <366>; 131, 316 <344>; stRspr; vgl. schon BVerfGE 1, 208 <247 ff.>). Bereits die Prämisse der Antragstellerin, die Fünf-Prozent-Sperrklausel führe zu einer Schwächung der parlamentarischen Opposition, geht insoweit fehl, als das Verhältnis der Stimmanteile der im Parlament vertretenen Parteien zueinander durch die Vergabe aller Sitze nach § 6 Abs. 1 bis 3 BWahlG grundsätzlich nicht verändert wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 2011 - 2 BvC 7/11 -, juris, Rn. 7), sich die Sperrklausel folglich innerparlamentarisch neutral verhält. Überdies ist die Prämisse der Antragstellerin insoweit spekulativ, als sich bei Einzug weiterer Parteien ins Parlament die etwaig erforderliche Bildung einer Regierungskoalition unter anderen Bedingungen vollziehen würde. Inwieweit Parteien, die die Sperrklausel verfehlt haben, an einer Regierungskoalition beteiligt würden, ist offen. Daher kann es sogar im Interesse einer Stärkung der parlamentarischen Opposition liegen, dass Parteien, die potenziell die Regierung mittragen, nicht in den Bundestag einziehen.

95

3. Einer Einführung spezifischer Oppositionsfraktionsrechte steht zudem Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG entgegen. Exklusiv den Oppositionsfraktionen zur Verfügung stehende Rechte - wie beispielhaft die Schaffung spezifischer Oppositionsrechte im Ausschuss in § 126a Abs. 1 Nr. 2 und 7 bis 10 GO-BT - stellen eine nicht zu rechtfertigende Durchbrechung des Grundsatzes der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dar.

96

a) Alle Mitglieder des Bundestages verfügen grundsätzlich über die gleichen Rechte und Pflichten. Dies folgt vor allem daraus, dass der Deutsche Bundestag seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit wahrnimmt, durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder, nicht durch einzelne Abgeordnete, eine Gruppe von Abgeordneten oder die parlamentarische Mehrheit (vgl. BVerfGE 40, 296 <318>; 44, 308 <316>; 56, 396 <405>; 80, 188 <218>; 93, 195 <204>; 96, 264 <278>; 123, 267 <342>; 130, 318 <342>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11 -, juris, Rn. 91, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Jeder Abgeordnete ist berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen. Dies gilt namentlich für die Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 80, 188 <217 f.>; 92, 130 <134>; stRspr). Demzufolge ist auch den Abgeordneten, die strukturell die Regierung stützen, die Möglichkeit eines Opponierens im Einzelfall eröffnet.

97

Diese Maßstäbe gelten auch für Fraktionen, deren Rechtsstellung als notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens, politisches Gliederungsprinzip für die Arbeit des Bundestages und maßgebliche Faktoren der politischen Willensbildung ebenfalls in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG begründet ist, da Fraktionen Zusammenschlüsse von Abgeordneten sind (vgl. Art. 53a Abs. 1 Satz 2 GG; BVerfGE 70, 324 <362 f.>; 80, 188 <219 f.>; 84, 304 <322>; 93, 195 <204>; zum Grundsatz der Fraktionsgleichheit vgl. BVerfGE 93, 195 <204>; 112, 118 <133>; 130, 318 <354>; 135, 317 <396 Rn. 153>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11 -, juris, Rn. 92, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

98

Eine Durchbrechung des Grundsatzes der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse ist nur bei Vorliegen besonderer Gründe verfassungsrechtlich gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 93, 195 <204>; 96, 264 <278>; stRspr), die ihrerseits durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sein müssen, das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann. Die Anforderungen an einen solchen Grund entsprechen denen, die an Differenzierungen innerhalb der Wahlrechtsgleichheit zu stellen sind, weil diese auf der zweiten Stufe der Entfaltung demokratischer Willensbildung, das heißt im Status und der Tätigkeit der Abgeordneten, fortwirkt (vgl. BVerfGE 102, 224 <237 f.>; 112, 118 <134>; 130, 318 <352>; stRspr). Das Recht des einzelnen Abgeordneten, an der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Bundestages mitzuwirken, darf nicht in Frage gestellt werden (vgl. BVerfGE 80, 188 <218 f.>; 84, 304 <321 f.>).

99

b) Die Zuweisung spezifischer Oppositionsrechte stellt eine Bevorzugung, mithin eine Ungleichbehandlung zugunsten der oppositionellen Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse gegenüber den die Regierung tragenden Abgeordneten und deren Zusammenschlüssen dar. Ein durchgreifender Rechtfertigungsgrund nach den genannten Maßstäben ist vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich.

100

aa) Von der Möglichkeit eines Opponierens im konkreten Einzelfall parlamentarischer Arbeit wird durch die Abgeordneten, die strukturell die Regierung stützen, wegen der Bindungen innerhalb der Koalitionsfraktionen in der politischen Praxis zwar vergleichsweise selten Gebrauch gemacht (vgl. BVerfGE 49, 70 <86>, vgl. oben, Rn. 87). Allein das Bestehen dieser Möglichkeit zwingt die Regierung aber immer wieder, für die eigene politische Position auch "in den eigenen Reihen" zu werben, was der Offenheit des politischen Prozesses nur förderlich sein kann. Die faktische Kontrollzurückhaltung der strukturell die Regierung stützenden Abgeordneten vermag ihren Ausschluss von der Wahrnehmung bestimmter Minderheitenrechte daher nicht zu rechtfertigen.

101

bb) Auch die besondere Situation einer "entrechteten" Opposition angesichts einer geradezu "erdrückenden" Regierungsmehrheit führt zu keinem anderen Ergebnis. Das insofern von der Antragstellerin vorgebrachte Kompensationsargument greift zu kurz. Durch die Einführung der Opposition vorbehaltener Minderheitenrechte wäre diese lediglich relativ, im Vergleich zu den die Regierung tragenden Abgeordneten, im Vorteil. Geht es der Antragstellerin indes um eine Verbesserung der Kontrollfunktion des Parlaments, wäre es sogar kontraproduktiv, den übrigen Abgeordneten die - zumindest theoretische - Möglichkeit eines situativen Gebrauchs der Rechte vorzuenthalten. Dies gilt selbst dann, wenn die spezifischen Oppositionsrechte neben und nicht anstelle der bereits vorhandenen Minderheitenrechte eingeführt würden.

102

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach betont, dass sich die quorengebundenen parlamentarischen Minderheitenrechte durch jede sich situativ bildende Minderheit ausüben lassen - ohne Ansehung ihrer Zusammensetzung und ihres Zustandekommens und ohne Rücksicht auf Partei- oder Fraktionszugehörigkeit der mitwirkenden Abgeordneten (vgl. BVerfGE 21, 52 <53>; 124, 78 <107>). Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet vielmehr jedem einzelnen Abgeordneten eine verhaltensbezogen-prozedurale Oppositionsmöglichkeit (vgl. Ingold, Das Recht der Oppositionen, 2015, S. 434; vgl. auch Haberland, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Opposition nach dem Grundgesetz, 1995, S. 181). Ungeachtet politischer Präferenzen und Parteizugehörigkeit trägt er allein die Verantwortung für sein Abstimmungsverhalten und Auftreten im Parlament.

103

cc) Ebenso wenig vermag der Hinweis auf besondere Funktionen der parlamentarischen Opposition die von der Antragstellerin begehrte Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Wie dargelegt, erfüllen potenziell sämtliche Abgeordnete die Kritik- und Kontrollfunktion gegenüber der Regierung. Zwar ist es bedenkenswert, wenn die Antragstellerin anführt, die politische Kontrolle durch die parlamentarische Opposition sei qualitativ zu unterscheiden von der Kontrolle der Regierung durch die Parlamentsmehrheit, welche keine öffentliche Kontrolle darstelle und nicht auf einen Regierungswechsel angelegt sei, sondern bei der es sich lediglich um Formen einer internen Kontrolle der Regierung in Fraktions- und Arbeitskreissitzungen handele. Eine Schlechterstellung der die Regierung tragenden Abgeordneten durch Einführung exklusiver Oppositionsrechte würde diese Form der internen Kontrolle der Regierung aus der Mitte des Parlaments jedoch zusätzlich schwächen; den die Regierung tragenden Abgeordneten würde signalisiert, bei der Erfüllung der parlamentarischen Kontrollfunktion von untergeordneter Bedeutung zu sein.

104

Die Möglichkeiten gerade der oppositionellen Abgeordneten, vor allem die Funktionen der Kritik und der Formulierung von Alternativen im Rahmen von Rede und Gegenrede auszuüben, wurden zudem durch die - wenn auch durch den Ältestenrat und nicht durch die Geschäftsordnung - erfolgte Anhebung der Redezeiten der Oppositionsfraktionen erweitert (vgl. oben, Rn. 28). Die Redezeitverteilung unterscheidet sich von der Frage der Zuweisung von Minderheitenrechten dadurch, dass sie eine Entscheidung unter Knappheitsbedingungen darstellt und eine Besserstellung auf der einen Seite daher zwingend zu einer Schlechterstellung auf der anderen Seite führt.

105

Die strukturelle, insbesondere informatorische Schwäche der Opposition gegenüber der Regierungsmehrheit, die unter anderem auf der Nähe der die Regierung tragenden Fraktionen zur Ministerialbürokratie beruht, wird ferner durch eine relative Besserstellung auf der Ebene der Ausstattung kompensiert; insofern ist eine Anhebung des Oppositionszuschlags nach dem Abgeordnetengesetz von 10 % auf 15 % erfolgt (vgl. oben, Rn. 28).

106

dd) Die Antragstellerin kann schließlich auch nicht mit dem Vorbringen durchdringen, die in § 126a GO-BT eingeführten Minderheitenrechte zugunsten einer Anzahl von 120 Abgeordneten erfüllten nicht die Funktion, die ihnen im ursprünglichen Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (BTDrucks 18/481) zugedacht gewesen sei. Zum einen ist eine im Rahmen eines parlamentarischen Diskussionsprozesses zwischenzeitlich geäußerte Absicht kein Maßstab verfassungsrechtlicher Prüfung. Zum anderen ist wegen der Wahrnehmbarkeit der vorgesehenen Minderheitenrechte durch die parlamentarische Opposition die angestrebte Funktionalität durchaus gegeben. Von einer exklusiven Berechtigung der parlamentarischen Opposition war in der BTDrucks 18/481 ohnehin nicht die Rede; die Berechtigung "aller Mitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen", nach § 126a GO-BT sollte nur neben die bisherigen Minderheitenrechte und ihre verfassungs- und einfachrechtlich normierten Quoren treten.

107

4. Auch der dem Rechtsschutzziel der Antragstellerin nahe kommende Weg einer - in Bezug auf die Gleichheit aller Abgeordneten neutralen - Absenkung der grundgesetzlichen Quoren im Wege der Auslegung mit Blick auf die praktische Ausübbarkeit parlamentarischer Minderheitenrechte in Zeiten, in denen das Drittel-Quorum und die Viertel-Quoren von der parlamentarischen Opposition nicht erreicht werden, ist versperrt. Einer Absenkung der grundgesetzlich vorgegebenen Quoren eines Drittels (Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG) oder Viertels (Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) der Mitglieder des Bundestages für die Ausübung parlamentarischer Minderheitenrechte steht jedenfalls die bewusste Entscheidung des Verfassungsgebers für die bestehenden Quoren entgegen; diese Entscheidung ist auch vom Bundesverfassungsgericht zu respektieren.

108

Zwar mögen die grundgesetzlichen Quoren für die Ausübung von Minderheitenrechten in einem Spannungsverhältnis zum allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition stehen. Offen bleiben kann jedoch, ob die genannten, der parlamentarischen Opposition im 18. Deutschen Bundestag von Verfassungs wegen nicht zur Verfügung stehenden Rechte gemessen am Maßstab des allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes effektiver Opposition im Einzelnen überhaupt essentielle Rechte der parlamentarischen Opposition darstellen, was insbesondere für die Antragsberechtigung für die abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) - anders als etwa für das Antragsrecht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den Bundestag (Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG) - umstritten ist.

109

a) Aufgrund des expliziten Wortlauts der Grundgesetzbestimmungen ist der Weg für eine Auslegung (zum Gebot der Auslegung zugunsten der Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; vgl. oben, Rn. 90) im Sinne einer teleologischen Reduktion der Quoren verstellt; für Analogieschlüsse fehlt es bereits an einer analogiefähigen Norm. Namentlich für die abstrakte Normenkontrolle hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Katalog der Antragsberechtigten abschließend und eine Erweiterung - im Wege der Auslegung oder Analogie - unzulässig ist (vgl. BVerfGE 21, 52 <53 f.>; 68, 346 <349>). Das Gericht würde damit die der Verfassungsgerichtsbarkeit vom Grundgesetz gezogenen Grenzen durch Zulassung weiterer Verfassungsstreitigkeiten überschreiten und so von einer wichtigen Grundentscheidung des Verfassungsgebers abweichen. Dazu ist es nicht befugt (vgl. BVerfGE 21, 52 <53 f.>). Diese Bewertung lässt sich auf sämtliche grundgesetzliche Quoren übertragen.

110

b) Auch von einem "Verfassungswandel" ist vorliegend nicht auszugehen. Begreift man diesen vor allem als Interpretationsproblem (vgl. Häberle, Zeit und Verfassung, ZfP 21 [1974], S. 111 <129 f.>), so besteht angesichts des klaren Wortlauts der Quorenregelungen kein Auslegungsspielraum. Selbst wenn man den Wortlaut nicht als Grenze anerkennte, könnte ein Verfassungswandel allenfalls vorliegen, wenn die Quoren ursprünglich dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition entsprachen, sich die tatsächlichen Verhältnisse jedoch im Laufe der Zeit derart geändert hätten, dass die bestehenden Quoren ihren Sinn verloren hätten. Davon kann aber keine Rede sein. Seit der ersten Legislaturperiode bestand die Möglichkeit großer Koalitionen im Bundestag mit der Konsequenz, dass für Fraktionen, die nicht die Regierung tragen, bestimmte Quoren nicht erfüllbar sind. Diese Möglichkeit hat sich mehrfach realisiert (vgl. oben, Rn. 18). Die tatsächlichen Verhältnisse sind somit stabil.

111

c) Die umstrittene Rechtsfigur verfassungswidrigen Verfassungsrechts vermag zur Lösung des Spannungsverhältnisses zwischen den Quoren für die Ausübung der parlamentarischen Minderheitenrechte und dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition ebenfalls nichts beizutragen. Die Rechtsfigur ist bereits deshalb problematisch, weil auf derselben Normebene keine Hierarchie auszumachen ist, die ein Kriterium dafür liefern könnte, welcher verfassungsrechtlichen Norm Vorrang zukommt. Das Grundgesetz kann nur als Einheit begriffen werden (vgl. BVerfGE 1, 14 <32>, stRspr; vgl. ferner nur Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 20 m.w.N.). Daraus folgt, dass auf der Ebene der Verfassung selbst ranghöhere und rangniedere Normen in dem Sinne, dass sie aneinander gemessen werden könnten, grundsätzlich nicht denkbar sind (vgl. BVerfGE 3, 225 <231 f.>).

112

Die Sonderkonstellation der Ewigkeitsklausel in Art. 79 Abs. 3 GG ist hier nicht einschlägig. Ungeachtet der Frage, ob der allgemeine verfassungsrechtliche Grundsatz effektiver Opposition zu den in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätzen im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG zählt, liegen bereits keine Änderungen des Grundgesetzes vor, die sich in irgendeiner Weise negativ auf die parlamentarische Opposition auswirken könnten: Die Quorenbestimmungen in den Art. 39, 44 GG bestehen seit Inkrafttreten des Grundgesetzes. Die in den Jahren 1956 und 2008 erfolgten Änderungen hinsichtlich Art. 23, 45a und 93 GG führten gerade zur Stärkung der Minderheitenrechte, indem in Art. 23 und 45a GG an ein Viertel-Quorum geknüpfte Minderheitenrechte überhaupt erst eingeführt wurden und in Art. 93 GG das Drittel- auf ein Viertel-Quorum abgesenkt wurde.

113

Das für die Erhebung einer Subsidiaritätsklage durch den Bundestag als das jüngste grundgesetzliche Minderheitenrecht durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 23, 45 und 93) vom 8. Oktober 2008 (BGBl I S. 1926) mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 eingeführte Quorum sollte an das zugleich für die Normenkontrollanträge aus der Mitte des Bundestages gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG auf ein Viertel abgesenkte Quorum sowie an das bereits für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG maßgebende Quorum eines Viertels der Mitglieder des Bundestages angelehnt werden. Die Bemessung der Höhe der Quoren bezweckte die Verhinderung missbräuchlicher Ausübung des Minderheitenrechts (vgl. BTDrucks 16/8488, S. 4 re. Sp.). Der Vorschlag einiger Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, den Kreis der Antragsberechtigten für die Subsidiaritätsklage und die abstrakte Normenkontrolle um "eine Fraktion" zu erweitern, wurde wegen einer Überbetonung des Minderheitenschutzes und Missbrauchsbedenken abgelehnt (vgl. BTDrucks 16/8912, S. 5).

114

d) Die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Absenkung der grundgesetzlichen Quoren für die Ausübung der parlamentarischen Minderheitenrechte lässt sich schließlich auch nicht aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition ableiten. Die in den Text der Verfassung aufgenommenen Quoren stellen vielmehr die vom Verfassungsgeber und vom verfassungsändernden Gesetzgeber gewollte Konkretisierung des Grundsatzes dar.

115

aa) Insbesondere existiert keine unbeabsichtigte Regelungslücke, weil etwa der Verfassungsgeber die besondere Härte seiner Quorenbestimmungen für bestimmte Situationen nicht in Betracht gezogen oder übersehen hätte, dass eine besonders kleine parlamentarische Opposition, die nach seinem Willen nach dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition von den Minderheitenrechten sollte Gebrauch machen können, durch die Wahl der konkreten Quoren hieran gehindert wird.

116

Die Entstehungsgeschichte der Grundgesetzbestimmungen über an Quoren gebundene parlamentarische Minderheitenrechte lässt keine Anhaltspunkte für eine Regelungslücke für Zeiten einer zahlenmäßig die geregelten Quoren nicht erreichenden parlamentarischen Opposition erkennen. Der Verfassungsgeber hat den Belang des Minderheitenschutzes auf der einen Seite und der Gefahr des Missbrauchs von Minderheitenrechten, die ihm noch aus Zeiten der Weimarer Republik vor Augen stand, auf der anderen Seite (vgl. BVerfGE 105, 197 <224> m.w.N. zur Diskussion im Parlamentarischen Rat) erkannt und gegeneinander abgewogen. Er hat auch die Konsequenzen seiner Quorenbestimmungen gesehen und billigend in Kauf genommen.

117

Beispielhaft sah der Herrenchiemsee-Entwurf (Verfassungsausschuss der Ministerpräsidentenkonferenz der Westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, JöR N.F., Bd. I, S. 366) hinsichtlich des Antragsquorums für die Pflicht des Bundestages, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, in seinem Art. 57 Abs. 1 - ebenso wie noch Art. 34 Abs. 1 Satz 1 WRV hinsichtlich des Reichstags - ein Fünftel der gesetzlichen Mitgliederzahl des Bundestages vor. Im Rahmen der Verhandlungen des Parlamentarischen Rats (Organisationsausschuss) wurde sowohl die - sich schließlich durchsetzende - Anhebung des Quorums auf ein Viertel als auch auf ein Drittel (Antrag des Abgeordneten de Chapeaurouge, CDU) diskutiert. Während die Anhebung auf ein Drittel Ablehnung erfuhr (vgl. JöR N.F., Bd. I, S. 367, insb. Fn. 4), wurde die Änderung auf ein Viertel - also die Heraufsetzung des Fünftel-Quorums der Weimarer Zeit - von den Abgeordneten Dr. Katz (SPD) und Dr. Fecht (CDU) mit dem häufigen Missbrauch begründet, der mit Untersuchungsausschüssen in der Weimarer Zeit geübt worden sei (vgl. JöR N.F., Bd. I, S. 367, insb. Fn. 5). Gegenüber Bedenken des Abgeordneten Dr. Dehler(FDP), dass diese Änderung gegen die Minderheiten gerichtet sei, erwiderte der Abgeordnete Dr. Katz (SPD), es sei "nur die Frage, ob nicht eine größere Minderheit gefordert werden sollte" (JöR N.F., Bd. I, S. 367, insb. Fn. 6; vgl. BVerfGE 105, 197 <224>).

118

bb) Eine andere Bewertung ist schließlich auch nicht durch den Umstand geboten, dass der Verfassungsgeber eine Entwicklung zum Vielparteienparlament nicht in Betracht gezogen hätte. Vielmehr liegt das Gegenteil nahe: Zwar nimmt die Anzahl der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien seit dem numerischen Tiefpunkt in den sechziger Jahren mit lediglich vier Parteien wieder sukzessive zu - durch Hinzutreten der GRÜNEN ab 1983 (10. Wahlperiode) und der PDS ab 1990 (12. Wahlperiode) - und ist erst mit dem Nichteinzug der FDP in den 18. Deutschen Bundestag wieder rückläufig. Vor dem Erfahrungs- und Erwartungshorizont des Verfassungsgebers von 1949 waren Reichs- und Bundestag jedoch gerade durch eine - bis heute nie wieder erreichte - Vielzahl an im Parlament vertretenen Parteien gekennzeichnet. Zu Zeiten der Weimarer Republik hatte der Reichstag stets über zehn Parteien und barg damit die Gefahr einer übermäßigen Parteienzersplitterung (vgl. BVerfGE 1, 208 <248>; 14, 121 <135>; 34, 81 <99 f.>). Durch die erste Bundestagswahl am 14. August 1949 - deren Ergebnis der Grundgesetzgeber freilich nicht erahnen konnte - zogen in den Deutschen Bundestag noch elf Parteien ein. Auch hat der verfassungsändernde Gesetzgeber mit dem sukzessiven Anstieg der Parteienzahl im Parlament keine andere Grundentscheidung getroffen, weder nach 1983 mit dem Anstieg von vier auf fünf noch nach 1990 mit dem Anstieg auf sechs Parteien. Die im Zuge der Einführung des Minderheitenrechts zur Subsidiaritätsklage erfolgte punktuelle Absenkung des Drittel-Quorums auf ein Viertel-Quorum für die Antragsberechtigung der abstrakten Normenkontrolle im Jahr 2008 stellt keine abweichende Grundentscheidung dar (vgl. oben, Rn. 113).

II.

119

Der Antrag zu 2 ist unbegründet, da eine Pflicht des Antragsgegners zur Effektuierung seiner Kontrollfunktion durch Einräumung der von der Antragstellerin begehrten Oppositionsrechte auf Ebene des einfachen Rechts nicht besteht.

120

1. Soweit grundgesetzlich geregelte Minderheitenrechte auch vom Antrag zu 2 erfasst sind, stehen die grundgesetzlich konkret geregelten Quoren gleichfalls einer verfassungsrechtlichen Pflicht im Wege, weitergehende Oppositionsrechte lediglich einfachgesetzlich vorzusehen. Dies betrifft die von Art. 1, 2 und 6 (soweit sich Art. 6 auf das Klageerzwingungsrecht bezieht) des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380 modifizierten Minderheitenrechte des PUAG, des BVerfGG sowie des IntVG (soweit dessen § 12 Abs. 1 Satz 1 betroffen ist; vgl. Tabelle oben, Rn. 27).

121

2. Soweit grundgesetzlich nicht speziell geregelte Minderheitenrechte vom Antrag zu 2 erfasst sind und soweit dieser zulässig ist (Art. 4 Nr. 1 und 2 und Art. 6 des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380), ist das Ergebnis hingegen nicht durch explizite Verfassungsnormen vorgegeben. Dies betrifft die Änderung von § 5 Abs. 4 ESMFinG (a)) und des IntVG, soweit das Recht der die Erhebung der Subsidiaritätsklage nicht stützenden parlamentarischen Minderheit betroffen ist, nach § 12 Abs. 1 Satz 2 IntVG ihre Auffassung in der Klageschrift deutlich zu machen (b)).

122

a) Die begehrte Einfügung spezifischer Oppositionsrechte durch befristete Ergänzung des § 5 Abs. 4 ESMFinG für die Dauer der 18. Legislaturperiode um die Berechtigung "zweier Fraktionen im Ausschuss, die nicht die Bundesregierung tragen" (Art. 4 Nr. 1 und 2 [i.V.m. Art. 7 Abs. 1] des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380), stellt eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Beeinträchtigung der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dar.

123

aa) Nach den oben genannten Maßstäben (vgl. Rn. 95 ff.) stellt das begehrte erweiterte Minderheitenrecht zugunsten "zweier Fraktionen im Ausschuss, die nicht die Bundesregierung tragen", durch seinen auf oppositionelle Fraktionen beschränkten Adressatenkreis eine Ungleichbehandlung gegenüber den die Regierung tragenden Fraktionen im Ausschuss und deren Abgeordneten dar.

124

Zwar ist festzuhalten, dass dieses begehrte spezifische Oppositionsrecht nicht exklusiv wäre: Das hinzugefügte Antragsrecht "zweier Fraktionen im Ausschuss, die nicht die Bundesregierung tragen", sollte neben das Antragsrecht eines "Viertels seiner [des Haushaltsausschusses] Mitglieder" nach § 5 Abs. 4 ESMFinG treten. Mitglieder der Koalitionsfraktionen könnten sich mithin unverändert als das relevante Viertel-Quorum zusammenfinden und das Minderheitenrecht wahrnehmen. Die Ungleichbehandlung läge jedoch darin, dass den (Mitgliedern der) Koalitionsfraktionen ein situatives Opponieren erschwert würde, indem sie durch die Formulierung "zweier Fraktionen im Ausschuss, die nicht die Bundesregierung tragen", aus einer der beiden möglichen Minderheitsgruppierungen per definitionem ausgeschlossen würden.

125

Die praktische Relevanz dieser Ungleichbehandlung entfiele auch nicht durch das fortbestehende Viertel-Quorum: Während die (Mitglieder der) Oppositionsfraktionen die Möglichkeit hätten, das belassene Viertel-Quorum mit Hilfe von einzelnen Unterstützern aus den Reihen der Koalitionsfraktionen zu erreichen und ihnen zusätzlich - bei geschlossenem Auftreten - das neue Antragsrecht der Oppositionsfraktionen exklusiv zur Verfügung stünde, wäre es den (Mitgliedern der) Koalitionsfraktionen umgekehrt verwehrt, mit Hilfe von Unterstützern aus den Reihen der Oppositionsfraktionen vom neuen Antragsrecht Gebrauch zu machen. Ihnen bliebe allein das allgemeine qualifizierte Minderheitenrecht eines Viertels der Mitglieder des Haushaltsausschusses nach § 5 Abs. 4 ESMFinG, die jeglicher politischer Couleur sein können.

126

bb) Die in der Oppositionsspezifität des begehrten zusätzlichen Fraktionsrechts liegende Ungleichbehandlung der (Mitglieder der) Fraktionen, die die Bundesregierung tragen, ist nach den oben genannten Maßstäben (vgl. Rn. 98) verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Ein zwingender Grund für die Benachteiligung der die Regierung tragenden (Abgeordneten und) Fraktionen ist vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. oben, Rn. 99 ff.).

127

Dass die regierungstragenden (Abgeordneten und) Fraktionen nicht von der Beteiligung am Minderheitenrecht nach § 5 Abs. 4 ESMFinG ausgeschlossen, sondern lediglich partiell beschränkt wären, ist auch regelungstechnisch nicht zwingend: Wäre - in Ergänzung zu oder anstelle der Berechtigung eines Viertels der Mitglieder des Haushaltsausschusses - eine Gruppierung mit einer Anzahl vorgesehen, welche die Abgeordneten der Oppositionsfraktionen (im Ausschuss) erreichen können, läge keine Spezifität der Berechtigung vor. Beispielhaft sei auf den eingefügten § 126a Abs. 1 GO-BT verwiesen, der in der Mehrzahl der Fälle (Nr. 1, 3 bis 6 und 11) mit der Berechtigung einer bestimmten - auch von der gegenwärtigen Opposition erreichbaren - absoluten Zahl an Mitgliedern des Bundestages operiert ("120 Abgeordnete"; vgl. oben, Rn. 28).

128

b) Die begehrte Einfügung spezifischer Oppositionsrechte durch eine befristete Anfügung des vorgeschlagenen § 12 Abs. 1 Satz 3 IntVG für die Dauer der 18. Legislaturperiode und damit die Erweiterung um berechtigte zwei Oppositionsfraktionen (Art. 6 [i.V.m. Art. 7 Abs. 2] des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380) stellt ebenfalls eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Beeinträchtigung der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dar(vgl. Rn. 99 ff., 123 ff.).

III.

129

Der Antrag zu 3 ist unbegründet, da eine Pflicht des Antragsgegners zur Einräumung der von der Antragstellerin begehrten Oppositionsrechte auf Ebene der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages nicht besteht.

130

1. Soweit sich das im Antrag zu 3 zum Ausdruck kommende Begehren mit demjenigen der Anträge zu 1 und zu 2 überschneidet und nur hinsichtlich der Zuordnung der begehrten Rechte davon abhebt (betrifft § 126a Abs. 1 Nr. 1 bis 8 GO-BT), ist entsprechend auch der Antrag zu 3 unbegründet.

131

2. Im Übrigen begehrt die Antragstellerin mit ihrem Antrag zu 3 noch die Feststellung der Rechtsverletzung durch Unterlassen

132

· erstens - der Zuweisung des in § 126a Abs. 1 Nr. 9 GO-BT enthaltenen Antragsrechts auf öffentliche Anhörung durch den federführenden Ausschuss bei überwiesenen Vorlagen nach § 70 Abs. 1 Satz 2 GO-BT an sie als eigenes Oppositionsfraktionsrecht (anstelle des Rechts aller oppositionellen Ausschussmitglieder),

133

· zweitens - die Zuweisung des in § 126 Abs. 1 Nr. 10 GO-BT enthaltenen Antragsrechts auf Durchführung einer Plenarberatung statt einer erweiterten öffentlichen Ausschusssitzung nach § 69a Abs. 5 GO-BT an sie als eigenes Oppositionsfraktionsrecht (anstelle des Rechts aller oppositionellen Ausschussmitglieder) sowie

134

· drittens - der Zuweisung des in § 126a Abs. 1 Nr. 11 GO-BT enthaltenen Antragsrechts auf Einsetzung einer Enquete-Kommission nach § 56 Abs. 1 GO-BT an sie als eigenes Oppositionsfraktionsrecht (anstelle des Rechts von 120 Mitgliedern des Bundestages).

135

Um dem Begehr der Antragstellerin zu entsprechen, muss der Antrag zu 3 in dem Sinne ausgelegt werden, dass im Hauptantrag (Buchstabe a) "Rechte der Fraktionen (im Ausschuss), die nicht die Bundesregierung tragen" oder "Oppositionsfraktionsrechte" und nicht "Fraktionsrechte" begehrt werden. Wie aus der Antragsbegründung und der mündlichen Verhandlung deutlich wird, rückt die Antragstellerin auch im Rahmen des Antrags zu 3 nicht davon ab, spezifische Oppositionsrechte einzufordern.

136

Die Erweiterung des Kreises der Berechtigten um die Oppositionsfraktionen im Plenum oder im Ausschuss stellte jedoch jeweils ein spezifisches Oppositionsrecht und damit entsprechend dem oben Gesagten eine nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Gleichheit der Fraktionen aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. Rn. 99 ff., 123 ff.).

137

3. Der Hilfsantrag (Buchstabe b) des Antrags zu 3 muss nach dem Willen der Antragstellerin ebenfalls in dem Sinne ausgelegt werden, dass das Begehr dahin geht, die Antragsrechte "als Rechte aller Mitglieder der Fraktionen (im Ausschuss), die nicht die Bundesregierung tragen", zuzuweisen.

138

Die Erweiterung des Kreises der Berechtigten um die Oppositionsfraktionen im Plenum oder im Ausschuss stellte jedoch wiederum jeweils ein spezifisches Oppositionsrecht und damit eine nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Gleichheit der Fraktionen aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. Rn. 99 ff., 123 ff.).

D.

139

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

Tenor

1. Der Antrag der Antragstellerin zu 3. wird verworfen.

2. Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Berechtigung der Bundesregierung, der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2., ein Vorlageersuchen des 1. Untersuchungsausschusses des 18. Deutschen Bundestages (sogenannter NSA-Untersuchungsausschuss) mit dem Hinweis auf entgegenstehende völkerrechtliche Verpflichtungen und den Schutz der Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste abzulehnen.

2

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag. Die Antragstellerin zu 3. besteht aus den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses, die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehören.

I.

3

1. Anlass des Untersuchungsausschussverfahrens waren die im Sommer 2013 durch die britische Zeitung "The Guardian" und die amerikanische Zeitung "The Washington Post" veröffentlichten geheimen Dokumente der National Security Agency (NSA). Aus diesen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die NSA in großem Umfang Daten auch in Deutschland erhoben haben könnte, teilweise in Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst (BND).

4

2. Der BND betrieb gemeinsam mit der NSA unter dem Projektnamen Joint SIGINT Activity in B. eine Kooperation zur Aufklärung von internationalen Fernmeldeverkehren zu Krisenregionen. Dieser Zusammenarbeit lagen ein zunächst als VS-VERTRAULICH und ab August 2016 als offen eingestuftes, aus Verbalnoten bestehendes Geheimschutzabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland sowie ein als STRENG GEHEIM-Schutzwort eingestuftes Memorandum of Agreement (MoA) zugrunde. Das MoA legte die Modalitäten für die gemeinsame Arbeit fest. Eine Aufklärung europäischer Ziele war danach nur beschränkt auf näher bezeichnete Phänomenbereiche zulässig. Auch sollten ausschließlich solche Kommunikationen aufgeklärt werden, an denen kein G 10-geschützter Teilnehmer beteiligt war.

5

Im Rahmen dieser Kooperation durchsuchten BND-Mitarbeiter die aus einem Internetknotenpunkt in F. ausgeleiteten Daten nach von der NSA definierten Merkmalen, den sogenannten Selektoren. Diese Selektoren wurden von B. aus regelmäßig abgerufen und nach entsprechender Prüfung auf eine G 10-Relevanz oder einen Verstoß gegen deutsche Interessen durch den BND in die Erfassungssysteme eingestellt. Aufgrund der hohen Zahl der Selektoren wurde die Prüfung mit Hilfe des vom BND entwickelten Datenfilterungssystems DAFIS durchgeführt.

6

Bereits Ende des Jahres 2005 fiel BND-Mitarbeitern im Rahmen der Prüfung von NSA-Selektoren auf, dass die NSA auch Selektoren übergeben hatte, die nach Einschätzung des BND gegen deutsche Interessen verstießen. Nachdem im Sommer 2013 in der Presse berichtet worden war, dass EU-Vertretungen und auch deutsche Grundrechtsträger von der Fernmeldeaufklärung im Rahmen der Joint SIGINT Activity betroffen seien, führte der BND eine interne Untersuchung der Selektoren durch. Dabei stellte sich heraus, dass die überprüften Selektoren nur zu einem Teil bereits bei der ersten Filterung von der weiteren Verwendung ausgeschlossen und nicht in die Erfassungssysteme übernommen worden waren. Ein anderer Teil war für unterschiedlich lange Zeiträume gesteuert worden.

7

3. Am 20. März 2014 beschloss der Deutsche Bundestag auf Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Einsetzung des NSA-Untersuchungsausschusses. Das Gremium konstituierte sich am selben Tag.

8

Der Untersuchungsauftrag (vgl. BTDrucks 18/843, S. 1 ff.) lautet in den für den streitgegenständlichen Antrag wesentlichen Passagen wie folgt:

Der Untersuchungsausschuss soll - angestoßen insbesondere durch Presseberichterstattung infolge der Enthüllungen von Edward Snowden über Internet- und Telekommunikationsüberwachung - für den Zeitraum seit Jahresbeginn 2001 klären,

I. ob, in welcher Weise und in welchem Umfang durch Nachrichtendienste der Staaten der sogenannten "Five Eyes" (der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, Kanadas, Australiens und Neuseelands) eine Erfassung von Daten über Kommunikationsvorgänge (einschließlich Inhalts-, Bestands- und Verkehrsdaten), deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge (einschließlich Internetnutzung und angelegter Adressverzeichnisse) von, nach und in Deutschland auf Vorrat oder eine Nutzung solcher durch öffentliche Unternehmen der genannten Staaten oder private Dritte erfasster Daten erfolgte beziehungsweise erfolgt und inwieweit Stellen des Bundes, insbesondere die Bundesregierung, Nachrichtendienste oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik von derartigen Praktiken Kenntnis hatten, daran beteiligt waren, diesen entgegenwirkten oder gegebenenfalls Nutzen daraus zogen. (…)

II. ob und inwieweit Daten über Kommunikationsvorgänge und deren Inhalte (mittels Telekommunikation oder Gespräche einschließlich deren Inhalte wie etwa Gesetzentwürfe oder Verhandlungsstrategien) von Mitgliedern der Bundesregierung, Bediensteten des Bundes sowie Mitgliedern des Deutschen Bundestages oder anderer Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, durch Nachrichtendienste der unter Nummer I. genannten Staaten nachrichtendienstlich erfasst oder ausgewertet wurden. (…)

III. ob Empfehlungen zur Wahrung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutzes der informationellen Selbstbestimmung, der Privatsphäre, des Fernmeldegeheimnisses und der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme sowie der sicheren und vertraulichen Kommunikation in der staatlichen Sphäre geboten sind. (…)

9

4. Der Untersuchungsausschuss befasste sich in der Folge zunächst mit den Komplexen der Kooperationsmaßnahmen des BND und der NSA gemäß der Ziffern I. und II. des Untersuchungsauftrags und fasste hierzu mehrere Beweisbeschlüsse.

10

Auf diese Beschlüsse hin erklärte ein Vertreter des Bundesministeriums des Innern in der Ausschusssitzung vom 26. Juni 2014, über Unterlagen ausländischer Nachrichtendienste fehle die Verfügungsberechtigung deutscher Stellen. Eine Vorlage ohne Zustimmung des Herausgebers sei ein Verstoß gegen völkervertragliche Geheimschutzabkommen. Unabhängig von diesen Geheimschutzabkommen könne die Vorlage dieser Unterlagen auch die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Die betroffenen Staaten seien daher zunächst im Wege eines Konsultationsverfahrens um Freigabe der Unterlagen zu ersuchen.

11

Mit Schreiben vom 9. Juli 2014 erklärte das Bundeskanzleramt gegenüber den Regierungen der "Five Eyes"-Staaten die Einleitung des Konsultationsverfahrens. Es stellte die deutsche Rechtslage dar und bat um Unterstützung sowie um Ausführungen zur Rechtsansicht der betroffenen Staaten. Im Nachgang zu diesem Schreiben fanden Besprechungen auf unterschiedlichen Ebenen in Deutschland und in den jeweiligen Staaten statt. Der Untersuchungsausschuss wurde hierüber in der Sitzung am 11. September 2014 unterrichtet.

12

Die Antworten der Staaten fielen unterschiedlich aus. Das Vereinigte Königreich und Australien sahen generell keine Möglichkeit zur Freigabe von Unterlagen. Kanada stimmte dem Konsultationsverfahren im Grundsatz zu. Die Vereinigten Staaten von Amerika und Neuseeland kündigten eine Einzelfallprüfung an. Das Ergebnis der Konsultation mit den Vereinigten Staaten von Amerika wurde dem Untersuchungsausschuss in seiner Sitzung am 25. September 2014 erläutert. Das Antwortschreiben mit entsprechender Arbeitsübersetzung wurde ihm anschließend übermittelt und in der Sitzung vom 9. Oktober 2014 erörtert.

13

5. Nachdem eine Vielzahl geheimhaltungsbedürftiger Informationen in den Medien veröffentlicht worden war und die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ihre Sorge hierüber zum Ausdruck gebracht hatte, bat der Antragsgegner zu 2. mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses um Sensibilisierung der Mitglieder im Umgang mit als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen.

14

6. Aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt erzielten Ergebnisse der Beweiserhebung und weiterer Presseveröffentlichungen fasste der Untersuchungsausschuss am 26. Februar 2015 - auf die Beweisanträge der Antragstellerin zu 3. hin - die Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26, um sämtliche Beweismittel beizuziehen, die

1. Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim Bundesnachrichtendienst darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die National Security Agency im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen (d.h. gegen Menschen in Deutschland oder der EU; dortige deutsche oder europäische bi-, multi- bzw. supranationale Dienststellen oder entsprechend gegen Unternehmen, beispielhaft seien genannt EADS, Eurocopter, französische Behörden, vgl. Süddeutsche Zeitung v. 4.10.2014 "Codewort Eikonal") versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagierten

oder die

2. bei der Erstellung der Schriftstücke des Bundeskanzleramts bzw. des Bundesnachrichtendienstes hinsichtlich der vorgenannten Thematik unter den folgenden Fundstellen zugrunde lagen: MAT A BK-7, Tgb.- Nr. 05/14 streng geheim (auf geheim herabgestuft), Anl. 06, Ordner 135, Bl. 36, Bl. 41, Bl. 120, und die

15

im Organisationsbereich des Bundeskanzleramtes und des BND im Untersuchungszeitraum entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind. Der Untersuchungsausschuss setzte eine Frist bis zum 15. April 2015.

16

7. Das Bundeskanzleramt übermittelte dem Untersuchungsausschuss fristgerecht Beweismaterialien zu den Beweisbeschlüssen BK-14 und BND-26.

17

Am 24. April 2015 wurde das die NSA-Selektorenlisten betreffende Konsultationsverfahren mit den Vereinigten Staaten von Amerika eingeleitet.

18

Nach Fristablauf legte die Antragsgegnerin zu 1. mit Schreiben vom 27. April 2015 zwei weitere, als STRENG GEHEIM eingestufte Ordner zum Beweisbeschluss BND-26 vor. Allerdings ergab sich aus den Inhaltsübersichten der beiden Ordner, dass einzelne Dokumente entnommen worden waren. Anstelle des jeweiligen Dokumentes war ein Fehlblatt eingeheftet. Darüber hinaus waren einzelne Informationen geschwärzt. Zur Begründung der Entnahmen und Schwärzungen wurde angeführt, dass es sich um Originalmaterial ausländischer Nachrichtendienste handele, über welches der BND nicht uneingeschränkt verfügen könne und welches als Verschlusssache eingestuft oder erkennbar geheimhaltungsbedürftig sei. Eine Weitergabe an den Untersuchungsausschuss ohne Einverständnis des Herausgebers würde einen Verstoß gegen die bindenden Geheimschutzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Herausgeberstaat darstellen. Die Nichtbeachtung völkervertraglicher Vereinbarungen könne die internationale Kooperationsfähigkeit Deutschlands stark beeinträchtigen und andere Staaten dazu veranlassen, ihrerseits völkervertragliche Vereinbarungen mit Deutschland in Einzelfällen zu ignorieren und damit deutschen Interessen zu schaden. Eine Freigabe zur Vorlage an den Untersuchungsausschuss durch den ausländischen Nachrichtendienst liege gegenwärtig noch nicht vor.

19

Im Hinblick auf die NSA-Selektorenlisten gelangten die Antragsgegner zu der Einschätzung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika erst nach Prüfung und Abwägung über die Herausgabe an den Untersuchungsausschuss entscheiden würden. Daher übermittelte die Antragsgegnerin zu 1. dem Untersuchungsausschuss am 30. April 2015 zunächst ein schriftliches Testat des BND zu den Erkenntnissen über die NSA-Selektorenlisten.

20

8. Die Antragstellerin zu 3. beantragte am 21. Mai 2015 (Ausschussdrucksache 373), der Untersuchungsausschuss möge die Antragsgegnerin zu 1. durch Beschluss auffordern,

die aus den beigezogenen Beweismitteln zum Beweisbeschluss BND-26 entnommen[en] Listen mit Steuerungs- und Telekommunikationsmerkmalen (Selektoren) dem 1. Untersuchungsausschuss umgehend vorzulegen.

21

In seiner Sitzung am 11. Juni 2015 fasste der Untersuchungsausschuss über den Antrag der Antragstellerin zu 3. einen Beschluss und forderte die Antragsgegnerin zu 1. auf, bis zum 18. Juni 2015 die NSA-Selektorenlisten vorzulegen oder die Ablehnung zu begründen.

22

9. Mit einem überwiegend als GEHEIM eingestuften Schreiben vom 17. Juni 2015 lehnte der Antragsgegner zu 2. die Vorlage der NSA-Selektorenlisten ab.

23

In dem nicht eingestuften Abschnitt IV des Schreibens wird ausgeführt, es sei auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, dass die US-Regierung einer Weitergabe ausdrücklich zustimmen werde. Daher sei die Antragsgegnerin zu 1. über die bisherigen Aktivitäten hinaus bereit, zur verfassungskonformen Erfüllung des Beweisbeschlusses und vor dem Hintergrund der völkerrechtlichen Verpflichtungen eine in ihrer Bewertung unabhängige sachverständige Vertrauensperson einzusetzen, welche die Dokumente, die dem Beweisbeschluss BND-26 unterfielen und dem Untersuchungsausschuss bisher aufgrund der bezeichneten Gründe nicht zur Verfügung gestellt worden seien, untersuchen und dem Untersuchungsausschuss darüber Bericht erstatten solle.

24

10. Am 18. Juni 2015 fasste der Untersuchungsausschuss auf Antrag der Ausschussmitglieder der Fraktionen von CDU/CSU und SPD folgenden Beschluss zur Einsetzung einer sachverständigen Vertrauensperson (Ausschussdrucksache 385):

1. Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundeskanzleramts vom 17. Juni 2015 zur Erfüllung des Beweisbeschlusses BND-26 und unter Abwägung des vom Deutschen Bundestag beschlossenen Untersuchungsauftrags mit der auch dem Parlament obliegenden Beachtung von Belangen des Staatswohls (vgl. etwa: BVerfGE 124, S. 78, 123 f.) bewertet der 1. Untersuchungsausschuss die Entscheidung der Bundesregierung als sachgerecht, einer vom Parlament zu benennenden unabhängigen sachverständigen Vertrauensperson Einsicht in die notwendigen Unterlagen zu gewähren.

2. Der Untersuchungsausschuss erwartet, dass die von ihm benannte Vertrauensperson

- die von der Bundesregierung im Rahmen der Vorlage zu Beweisbeschluss BND-26 unter Berufung auf Staatswohlbelange und Konsultationsverpflichtungen vorläufig entnommenen so genannten "Selektorenlisten" im Bundeskanzleramt vollständig sichtet sowie unabhängig und weisungsfrei bewertet,

- dem Untersuchungsausschuss über ihre Tätigkeit und Erkenntnisse umfassend Bericht erstattet und

- für eine Erörterung mit den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses im Rahmen einer förmlichen Anhörung als Sachverständige gemäß § 28 PUAG eine entsprechende Aussagegenehmigung erhält.

(…)

5. Die Einsichtnahme und gutachterliche Stellungnahme soll als Beitrag zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages der Klärung der Frage dienen, ob bei der Kooperation des BND mit Diensten der "Five Eyes"-Staaten im Bereich der Fernmeldeaufklärung von Routineverkehren öffentliche Stellen des Bundes dazu beigetragen haben, dass deutsche Grundrechtsträger Gegenstand der Kommunikationserfassung durch Dienste der "Five Eyes"-Staaten, insbesondere im Bereich von Spionage zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen, werden konnten. Geprüft werden soll weiterhin, ob und in welchem Maße im Rahmen dieser Kooperation gegen "deutsche Interessen" verstoßen worden ist, insbesondere, in welchem Ausmaß politische Spionage gegen Personen bzw. Dienststellen europäischer Mitgliedstaaten, gegen EU-Institutionen oder andere entsprechende Stellen erfolgt sein könnte.

Die Vertrauensperson soll im Rahmen der genannten Fragestellung jeweils gutachterlich Stellung nehmen

- zur Zahl der von ihr festgestellten einschlägigen Selektoren oder Suchbegriffe;

- zur Art und Weise von deren Filterung und Ermittlung durch den BND und dazu, ob und welche Feststellungen möglich sind zur Dauer von deren tatsächlicher Nutzung;

- zur Systematik der unzulässig eingebrachten Selektoren und Suchbegriffe und dazu, ob und welche Daten aufgrund solcher Selektoren oder Suchbegriffe erfasst sowie gegebenenfalls übermittelt wurden;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen die einschlägigen bilateralen Vereinbarungen;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen deutsche Interessen;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen deutsches Recht.

(…)

9. Der Untersuchungsausschuss behält sich vor, nach Abschluss des hier beschriebenen Verfahrens weitere Schritte zur Wahrung seiner verfassungsrechtlichen Rechte aus Art. 44 GG einzuleiten, sollte er zu dem Schluss gelangen, dass den parlamentarischen Rechten im durchgeführten Verfahren nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen worden ist.

(…)

25

Am 2. Juli 2015 beschloss der Untersuchungsausschuss gegen die Stimmen der Antragstellerin zu 3., Herrn RiBVerwG a.D. G. als sachverständige Vertrauensperson zu benennen. Entsprechend bestimmte das Bundeskabinett in seiner Sitzung am 8. Juli 2015 Herrn RiBVerwG a.D. G. zur sachverständigen Vertrauensperson und teilte dies mit Schreiben des Antragsgegners zu 2. vom 8. Juli 2015 dem Untersuchungsausschuss mit.

26

Am 23. Oktober 2015 legte die sachverständige Vertrauensperson ihren Bericht "Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation "Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses BND-26" in einer offenen sowie in zwei VS-eingestuften Fassungen vor und erläuterte diesen Bericht in der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 5. November 2015.

II.

27

Mit Schriftsatz vom 16. September 2015 haben die Antragstellerinnen ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihrem Antrag begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. die Rechte des Bundestages aus Art. 44 GG verletzt haben, indem sie es abgelehnt hätten, sämtliche Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherte Daten und sonstige sächliche Beweismittel vorzulegen, die Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim BND darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die NSA der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagierten.

28

1. Die Antragstellerinnen sehen ihren Antrag als zulässig an.

29

a) Sie seien parteifähig.

30

aa) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. seien als Fraktionen des Deutschen Bundestages gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG parteifähig. Fraktionen seien Teile und ständige Gliederungen des Bundestages, die durch dessen Geschäftsordnung anerkannt und mit eigenen Rechten ausgestattet seien. Sie seien befugt, im eigenen Namen auch Rechte des Bundestages geltend zu machen.

31

Die Antragstellerinnen seien darüber hinaus gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 [BGBl I S. 1237], zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 23. April 2014 [BGBl I S. 534]) parteifähig. Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG sei eine Einsetzungsminderheit von einem Viertel der Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Organstreitverfahren als mit eigenen Rechten ausgestatteter Organteil parteifähig. Dieses Recht werde durch § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT, mithin durch das Geschäftsordnungsrecht eines obersten Bundesorgans, auf eine Zahl von 120 Mitgliedern des Deutschen Bundestages ausgedehnt. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. stellten zusammen 127 Abgeordnete und seien daher in ihrer Gesamtheit parteifähig.

32

bb) Aufgrund des § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT sei auch die Antragstellerin zu 3. parteifähig. Sie sei als Vertreterin einer Einsetzungsminderheit nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT anzusehen. Zudem sei die Antragstellerin zu 3. nach § 18 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG vom 19. Juni 2001 [BGBl I S. 1142], zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 [BGBl I S. 718]) parteifähig, denn sie bilde ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Dass das Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach § 18 Abs. 3 PUAG zugleich eine Einsetzungsminderheit von einem Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages im Ausschuss repräsentieren müsse, werde nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht vorausgesetzt.

33

b) Die Antragstellerinnen seien berechtigt, im Organstreit die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung von Rechten des gesamten Parlaments in Prozessstandschaft geltend zu machen. Für die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. folge dies aus § 64 Abs. 1 BVerfGG und für die Antragstellerin zu 3. aus § 18 Abs. 3 PUAG. Zudem seien die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. aufgrund ihrer Stellung als Einsetzungsminderheit gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT und die Antragstellerin zu 3. als Vertreterin einer solchen Einsetzungsminderheit im Ausschuss antragsbefugt.

34

2. Der Antrag sei begründet. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten die Rechte des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG verletzt, indem sie die vollständige Aktenvorlage nach Maßgabe der Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26 unter Hinweis auf angebliche Geheimschutzbelange ausländischer Staaten abgelehnt hätten.

35

a) Die Weigerung sei nicht von einer verfassungsrechtlichen Schranke des Aktenvorlagerechts gedeckt.

36

aa) Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten sich vorprozessual darauf berufen, die Bundesrepublik Deutschland sei völkerrechtlich verpflichtet, die aus den vorgelegten Akten entfernten Bestandteile, die von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika übergebene Verschlusssachen darstellten, nicht herauszugeben. Diese Pflicht solle sich aus dem als Verschlusssache eingestuften Geheimschutzabkommen vom 23. Dezember 1960 ergeben. Dieses sei normativ aber nicht geeignet, das verfassungskräftige Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages auszuschließen.

37

Das Geheimschutzabkommen sei ein bloßes Verwaltungsabkommen. Es sei nicht durch eine Rechtsverordnung oder Richtlinie vollzogen worden, so dass es keinen Eingang in die deutsche Rechtsordnung gefunden habe.

38

Das Geheimschutzabkommen könne aber auch dann nicht das Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG ausschließen, wenn es sich um einen Vertrag im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG handelte. Ungeachtet des Umstandes, dass es an der Zustimmung oder Mitwirkung des Deutschen Bundestages fehle, hätte das Abkommen innerstaatlich nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.

39

bb) Für die Berücksichtigungsfähigkeit im Sinne eines Ausschlussgrundes fehle es dem Geheimschutzabkommen auch deshalb an der erforderlichen Qualität als Außenrecht, weil es eine Verschlusssache darstelle. Völkerrecht könne nur dann berücksichtigt werden, wenn es Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung geworden sei. Innerstaatliches Recht aber müsse das Kriterium der Publizität erfüllen.

40

cc) Letztlich ergebe eine Auslegung des Abkommens gemäß Art. 31, 32 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, dass kein vertraglicher Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika vereinbart worden sei. Dies belege bereits der Wortlaut des Geheimschutzabkommens. Es werde zwar die Weitergabe von Verschlusssachen zwischen den Regierungen geregelt. Der Bundesregierung werde aber nicht untersagt, Verschlusssachen der Vereinigten Staaten von Amerika dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis zu geben. Gegenstand des Abkommens sei allein die Festlegung des Übermittlungsverfahrens. Des Weiteren wäre es mit dem Sinn und Zweck des Geheimschutzabkommens nicht zu vereinbaren, mit dem Wort "Regierung" nur die Exekutive erfasst zu sehen. Sowohl die Vereinigten Staaten von Amerika als auch die Bundesrepublik Deutschland seien demokratisch verfasste Staaten mit einer starken Tradition der parlamentarischen Kontrolle. Keine der beiden Regierungen sei verfassungsrechtlich ermächtigt, die parlamentarische Kontrolle ihrer Geheimdienste auszuschließen oder zu verkürzen.

41

dd) Auch die "Third Party Rule" stehe einer Vorlage von Informationen an ein eigenständiges staatliches Kontrollorgan mit eigener Geheimschutzfähigkeit - wie dem Untersuchungsausschuss - nicht entgegen. Die Antragsgegner beriefen sich zu Unrecht auf den Zweckbindungsgrundsatz, da eine Verarbeitung oder Nutzung von Daten für andere Zwecke nicht vorliege, wenn sie der Wahrnehmung von Aufsichts- und Kontrollrechten dienten. Die parlamentarische Kontrolle sei Annex zu dem ursprünglichen Verwendungszweck.

42

b) Ungeachtet dessen unterlägen die Staatswohlbelange, die sich nach der Auffassung der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. aus der vorgeblichen Völkerrechtsverletzung ergeben sollten, der Abwägung mit dem Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages. Die Einschränkung der Aktenvorlage erweise sich als unangemessen. Im Ergebnis überwiege das parlamentarische Informationsinteresse.

43

aa) Die Achtung der Souveränität sowie des Existenz- und Selbsterhaltungsrechts des ausländischen Staates sei ein gewichtiges Rechtsgut. Es sei jedoch zu bezweifeln, dass dieses Rechtsgut ernstlich beeinträchtigt würde, wenn die begehrte Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss erfolgte. Letztlich gehe es bei dem Beweisthema nicht um eine bestimmte Form der Auslandsaufklärung eines Nachrichtendienstes der Vereinigten Staaten von Amerika, mithin nicht um Informationen über die militärische Verteidigung oder den Zivilschutz. Zudem könnten die Antragsgegner die Aktenvorlage nur verweigern, wenn der Untersuchungsausschuss nicht den von ihnen für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleiste. Es sei nicht erkennbar, dass beim Untersuchungsausschuss das Risiko der Indiskretion in einem größeren Umfang bestehe als bei der deutschen Exekutive, die von Verschlusssachen durch die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika bewusst in Kenntnis gesetzt worden sei. Dass es Indiskretionen gegeben habe, könne dem Untersuchungsausschuss nicht zur Last gelegt werden.

44

bb) Von dem Belang der staatlichen Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika zu trennen sei die von den Antragsgegnern geltend gemachte Erwägung, eine Indiskretion könne dazu führen, dass die Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten von Amerika und gegebenenfalls weiterer Staaten ihre Zusammenarbeit mit dem BND einstellen könnten. Diese Erwägung sei bereits unzureichend begründet worden. Dass die amerikanischen Dienste den Informationsaustausch mit den deutschen Diensten einstellten, müsse als höchst unwahrscheinlich gelten. Weiterhin sei zu beachten, dass der nachrichtendienstliche Informationsfluss niemals einseitig sei und im Falle einer Reduzierung der Zusammenarbeit dies auch zu negativen Konsequenzen für die nachrichtendienstliche Arbeit der Vereinigten Staaten von Amerika führen könne.

45

cc) Das Interesse des Deutschen Bundestages an der vollständigen Aktenvorlage überwiege die dargelegten Belange des Staatswohls. Ihm komme dann besonders hohes Gewicht zu, wenn es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung gehe. Dies sei vorliegend in qualifizierter Weise der Fall. Mit der Kenntnis deutscher Stellen von einer Telekommunikationsüberwachung zulasten deutscher Ziele und deutscher Interessen und erst recht mit der Mitwirkung deutscher Stellen hieran seien massenhafte Eingriffe in die Fernmeldefreiheit gemäß Art. 10 Abs. 1 GG verbunden. Aus Art. 10 Abs. 1 GG ergebe sich nicht nur ein Verbot, in den Telekommunikationsverkehr einzugreifen; aus dieser Verfassungsnorm folgten auch staatliche Schutzpflichten. Ohne die Kenntnis der Selektorenlisten könnten die Angaben aus dem Bereich der Antragsgegnerin zu 1. nicht überprüft und hinterfragt werden. Zudem seien bei der Untersuchung politischer Vorgänge Akten ein besonders wichtiges Beweismittel.

46

dd) Dass die Antragsgegnerin zu 1. im Benehmen mit dem Untersuchungsausschuss eine Vertrauensperson beauftragt habe, Einsicht in die nicht vorgelegten Verschlusssachen zu nehmen und Bericht zu erstatten, mindere das parlamentarische Informationsinteresse nicht. Die Erkenntnismöglichkeit des Untersuchungsausschusses werde damit gegenüber dem Ersuchen aus den Beweisbeschlüssen deutlich eingeschränkt. Die rechtliche und politische Bewertung der nicht vorgelegten Aktenbestandteile obliege nunmehr allein der sachverständigen Vertrauensperson. Diese sei zudem von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzt worden, was ihre Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit und Unparteilichkeit gefährde.

47

3. Die Antragstellerinnen verweisen zur Begründung ihrer Ansicht, das Geheimschutzabkommen könne das parlamentarische Recht auf Aktenvorlage nicht einschränken, auf ein der Antragsschrift als Anlage beigefügtes Gutachten "Zur Vereinbarkeit des Abschlusses von Geheimschutzabkommen ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages mit dem Grundgesetz und zur Auslegung derartiger Abkommen am Beispiel des Abkommens mit dem Vereinigten Königreich", erstattet im Auftrag der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von Prof. Dr. W. und Ass. iur. L. vom 28. Juli 2015.

III.

48

Nach Auffassung der Antragsgegner ist der Antrag unbegründet. Das parlamentarische Informations- und Kontrollrecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG sei entsprechend der Vorgaben der Verfassung beachtet und Rechte der Antragstellerinnen seien nicht verletzt worden.

49

1. Würden die streitgegenständlichen, dem Untersuchungsausschuss nicht vorgelegten Informationen öffentlich bekannt, so würde dies die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährden. Es sei zu befürchten, dass alle unmittelbar betroffenen US-amerikanischen Nachrichtendienste ihre Informationsübermittlung an alle deutschen Nachrichtendienste einschränken würden. Darüber hinaus sei zu befürchten, dass auch Dienste anderer Staaten sich gezwungen sähen, ihrerseits das Weitergabeverhalten an die deutschen Dienste einzuschränken oder gar einzustellen. Deutsche Nachrichtendienste würden international als nicht mehr vertrauenswürdig angesehen.

50

a) Damit der Staat seine Schutzpflichten erfüllen könne, sei er unter anderem auf nachrichtendienstliche Informationen angewiesen. Die streitgegenständlichen Selektoren seien für die technische Fernmeldeaufklärung des BND vorgesehen. Bei der Fernmeldeaufklärung (Signal Intelligence - SIGINT) handele es sich um eine besonders wertvolle Form der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung, da sie kurzfristig auf relevante Ziele ausgerichtet werden könne, die Betroffenen diese nicht bemerkten und die Informationen in der Regel authentisch seien sowie keine Anwesenheit vor Ort mit persönlichem Risiko für die Quelle bestehe.

51

Grundvoraussetzung der SIGINT-Maßnahmen sei jedoch der Einsatz geeigneter Selektoren. Die Suche nach geeigneten Selektoren, insbesondere im Bereich des Terrorismus und im Bereich der sicherheitspolitischen Aufklärung krisenhafter außenpolitischer Entwicklungen, gestalte sich schwierig. Selektorenlisten beschrieben umfassend das Aufklärungsprofil eines Nachrichtendienstes. Selektoren seien daher als die sensibelsten Informationen aus dem Bereich der nachrichtendienstlichen technischen Aufklärung anzusehen.

52

Zudem handele es sich bei den streitgegenständlichen Selektoren nicht um Selektoren des BND. Dieser habe lediglich bestimmte Selektoren, die die NSA zur Verfügung gestellt habe, ausgesondert. Die besondere Sensibilität für den Kooperationspartner entfalle damit jedoch nicht.

53

b) Um am internationalen nachrichtendienstlichen Informationsaustausch teilnehmen zu können, seien deutsche Nachrichtendienste an die "Third Party Rule" gebunden. Diese sei eine "fundamentale Grundregel" nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit. Hiernach dürften Informationen nur mit dem Einverständnis des Urhebers an Dritte weitergegeben oder zu einem anderen Zweck verwendet werden. Der Begriff des "Dritten" sei besonders weit auszulegen und umfasse in der Regel alle Bereiche außerhalb des Nachrichtendienstes. Akzeptiert werde allenfalls die Weitergabe an die vorgesetzte Behörde im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht. In Einzelfällen wiesen die Dienste sogar darauf hin, dass nicht einmal andere Nachrichtendienste des eigenen Landes ohne Zustimmung des Herausgebers als berechtigte Empfänger angesehen werden dürften. Die Informationen unterlägen schließlich einer Zweckbindung. Im nachrichtendienstlichen Kontext erfolge die Übermittlung üblicherweise nur als Hintergrundinformation, das heißt, dass die Informationen des ausländischen Dienstes mit den eigenen Informationen abgeglichen werden, sie bestätigen oder ihnen entgegenstehen könnten. Soweit sie noch nicht bekannt seien, könnten Informationen Anlass für eigene Aufklärungen sein. Eine Nutzung für andere als nachrichtendienstliche Zwecke, insbesondere für die Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung, sei hingegen nicht erlaubt und zustimmungsbedürftig.

54

Die "Third Party Rule" diene vor allem der Sicherung des Quellenschutzes. Für den empfangenden Nachrichtendienst sei nicht erkennbar, auf welche Weise - durch menschliche Quellen oder technisches Aufkommen - die Information gewonnen worden sei und welche Risiken bei der Nutzung auftreten könnten. Dies könne nur der Herausgeber beurteilen.

55

Die "Third Party Rule" sei Grundlage der internationalen Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten. Sie beanspruche als Staatspraxis internationale Geltung und spiegele sich auch in den Regelungen internationaler Konventionen wider. Ihr Rechtsgedanke finde sich auch im deutschen Recht in § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz - PKGrG vom 29. Juli 2009 [BGBl I S. 2346]) und sei vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29. April 2015 - 20 F 8.14 - sowie in der Literatur anerkannt.

56

Die "Third Party Rule" sei schließlich völkervertragsrechtlich in dem Geheimschutzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika fixiert.

57

Soweit es um die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands gehe, sei zwar nicht von einem absoluten Verbot der Weitergabe von Informationen an parlamentarische Kontrollgremien auszugehen. Bei völkerrechtskonformer Auslegung des Abkommens und angesichts der "Third Party Rule" bestehe aber eine Konsultationspflicht der Bundesregierung.

58

c) Der im Geheimschutzabkommen enthaltene Zustimmungsvorbehalt löse nicht das Erfordernis eines Vertragsgesetzes gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG aus. Weder betreffe das Konsultationsverfahren einen Gegenstand der Bundesgesetzgebung, noch liege ersichtlich eine Regelung der politischen Beziehungen des Bundes vor. Das Geheimschutzabkommen sei ein Verwaltungsabkommen. Der Umstand, dass es sich bei ihm um eine Verschlusssache handele, schließe eine innerstaatliche Rechtswirkung nicht aus. Aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG resultiere eine Publikationspflicht nur für Vorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten. Aus dem Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika ergäben sich jedoch keine unmittelbaren Bindungswirkungen im Staat-Bürger-Verhältnis.

59

2. Die Antragsgegnerin zu 1. müsse von Verfassungs wegen eine praktische Konkordanz zwischen der besonderen Bedeutung des parlamentarischen Untersuchungsrechts und der Pflicht zur Vermeidung schwerer Staatswohlgefährdungen durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen herstellen. Beide durch die Verfassung geschützten Rechtsgüter seien so zuzuordnen, dass sie weitestmögliche Wirkung entfalten könnten.

60

Die Antragsgegnerin zu 1. habe das Konsultationsverfahren eingeleitet und den Untersuchungsausschuss fortlaufend informiert. Aufgrund der Reaktionen der Vereinigten Staaten von Amerika habe die Antragsgegnerin zu 1. die Gefahr einer rechtswidrigen Weitergabe an und Veröffentlichung von Selektoren durch die Presse einbeziehen müssen. Bei der Einschätzung der Gefahr sei zu berücksichtigen, dass bereits eine große Anzahl von Unterlagen nach einer Übersendung an den Untersuchungsausschuss veröffentlicht worden sei. Diese Veröffentlichungen seien unabhängig von der Art und Weise erfolgt, in der die Informationen zugänglich gemacht worden seien (mündliche Offenlegung gegenüber einem begrenzten Personenkreis, Einsichtnahme ohne Übersendung), und welchem Geheimhaltungsgrad sie unterfielen. Zwar solle nicht in Abrede gestellt werden, dass im Einzelfall eine rechtswidrige Weitergabe auch aus der Sphäre der Antragsgegnerin zu 1. erfolgt sein könne. Maßgeblich sei aber allein, dass das faktische Risiko einer rechtswidrigen Weitergabe und einer anschließenden Veröffentlichung durch die Medien nach Übermittlung an den Untersuchungsausschuss ungleich höher sei, als es dies bei einem Verbleib bei den zuständigen Stellen der Antragsgegnerin zu 1. wäre.

61

Die Einschätzung der Gefährdungslage stelle eine Prognoseentscheidung dar, bei der unter Anwendung des Gebots der bestmöglichen Sachaufklärung die Stellungnahme der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und die diesen zu entnehmenden Folgen sowie deren zu erwartende Auswirkungen auf die deutsche Sicherheitslage zu beachten seien. Es seien nicht bloße Unannehmlichkeiten zu erwarten, sondern massive Beeinträchtigungen.

62

Aus diesem Grund habe die Antragsgegnerin zu 1. zur Befriedigung des Informationsinteresses bei gleichzeitiger Wahrung der berechtigten Geheimhaltungsinteressen die Einsetzung einer sachverständigen Vertrauensperson vorgeschlagen. Die unabhängige sachverständige Vertrauensperson sei die Form der Informationsvermittlung, welche das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung der berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Regierung bestmöglich befriedige. Um die in der Staatspraxis anerkannte "Third Party Rule" sowie das Geheimschutzabkommen nicht zu verletzen, sollte der Ausschuss zwar über Person und Auftrag befinden, die Regierung aber die Vertrauensperson einsetzen. Denn bei einer von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzten Vertrauensperson erfolge keine Übermittlung an das Parlament und damit keine Verletzung der "Third Party Rule" sowie des Geheimschutzabkommens.

63

3. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten ihrer Begründungspflicht Genüge getan. Sie hätten den Untersuchungsausschuss, nötigenfalls in vertraulicher Sitzung, detailliert und umfassend über die Natur der zurückgehaltenen Informationen und die Notwendigkeit zur Geheimhaltung unterrichtet. Sie hätten ihm die Möglichkeit gegeben, eine unabhängige sachverständige Vertrauensperson zu benennen, um die vom Untersuchungsausschuss gewünschten Untersuchungen durchzuführen.

IV.

64

Der Senat hat gemäß § 66a Satz 1 BVerfGG aus Geheimschutzgründen (vgl. BTDrucks 14/9220 S. 5) von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

65

Soweit es sich bei den von den Beteiligten vorgelegten Akten um Verschlusssachen handelt, wird deren Inhalt nicht wiedergegeben.

B.

66

Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ist zulässig; der Antrag der Antragstellerin zu 3. ist unzulässig.

I.

67

Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht ist für die hier umstrittenen Fragen der Beweiserhebung durch den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5 BVerfGG eröffnet.

II.

68

Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG muss der Antragsgegenstand eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners sein, durch die der Antragsteller oder das Organ, dem er angehört, in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

69

Dem Wortlaut ihres Antrages zufolge begehren die Antragstellerinnen die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. die dem Deutschen Bundestag nach Art. 44 GG zustehenden verfassungsmäßigen Rechte verletzt haben, indem sie es abgelehnt hätten, dem Untersuchungsausschuss sämtliche Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherten Daten und sonstige sächliche Beweismittel vorzulegen, die Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim BND darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die NSA der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagiert haben. Auf welche dem Untersuchungsausschuss vorenthaltenen Beweismittel sich der Antrag bezieht, ist angesichts der Formulierung "sämtliche" konkretisierungsbedürftig.

70

Das Bundesverfassungsgericht ist dabei an die Wortfassung der gestellten Anträge nicht gebunden (vgl. BVerfGE 1, 14 <39>; 68, 1 <68>; 106, 51 <59 f.>). Entscheidend ist vielmehr der eigentliche Sinn des mit dem Antrag verfolgten prozessualen Begehrens. Damit ist auch die Begründung des Antrages zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 68, 1 <68>).

71

Aus der Antragsbegründung und dem Zusammenhang, in dem die Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses gestellt worden waren, ergibt sich, dass die Antragstellerinnen die Verletzung von Rechten des Bundestages in der Nichtvorlage der NSA-Selektorenlisten sehen. Sie führen in ihrer Antragsbegründung aus, die Antragsgegnerin zu 1. habe die Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26 nur teilweise erfüllt, so dass sie durch den weiteren Beschluss des Untersuchungsausschusses vom 11. Juni 2015 aufgefordert worden sei, die aus den beigezogenen Beweismitteln zum Beweisbeschluss BND-26 entnommenen Unterlagen, das heißt die Listen mit Steuerungs- und Telekommunikationsmerkmalen, vorzulegen. Daraus folgt, dass die Antragsgegnerin zu 1. zur Vorlage der NSA-Selektorenlisten aufgefordert worden ist, was sie mit Schreiben vom 17. Juni 2015 abgelehnt hat. Nach dem - unwidersprochen gebliebenen - schriftsätzlichen Vorbringen der Antragsgegner ist der Beweisbeschluss BND-26 bis auf die Vorlage der NSA-Selektorenlisten umfassend erfüllt worden.

III.

72

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind jeweils für sich als Fraktionen (a) und in der Gesamtheit ihrer Mitglieder parteifähig (b).

73

a) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig, da sie als Fraktionen des Deutschen Bundestages sowohl von der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages als auch von der Verfassung anerkannte Teile des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag sind (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 58, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen; stRspr).

74

b) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind zugleich in der Gesamtheit ihrer Mitglieder gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT parteifähig.

75

Art. 44 Abs.1 Satz 1 GG gibt dem Bundestag das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Damit erhält das Parlament die Möglichkeit, sich ohne Einflussnahme von Regierung und Verwaltung über Angelegenheiten zu informieren, deren Kenntnis es zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Das Schwergewicht der Untersuchungen liegt regelmäßig in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung. War das Untersuchungsrecht im System der konstitutionellen Monarchie noch in erster Linie ein Instrument des gewählten Parlaments gegen die monarchische Exekutive, so hat es sich unter den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems maßgeblich zu einem Recht der Opposition auf eine Sachverhaltsaufklärung unabhängig von der Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit entwickelt (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>; 105, 197 <222>; zum sogenannten neuen oder innerparlamentarischen Dualismus vgl. auch BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 87, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Dementsprechend ist das parlamentarische Untersuchungsrecht durch das Grundgesetz bewusst als Minderheitenrecht ausgestaltet (vgl. BVerfGE 49, 70 <86 f.>; 67, 100 <126>).

76

Vor diesem Hintergrund ist eine Einsetzungsminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, die sich in dem Rechtsakt der Stellung eines Antrags gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG als ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages konstituiert hat (sogenannte konkrete Einsetzungsminderheit; vgl. BVerfGE 67, 100 <124>; 105, 197 <220>; 124, 78 <106 f.>), vom Grundgesetz als Träger kompetenzieller Rechte ausgewiesen (vgl. BVerfGE 124, 78 <107>) und daher parteifähig.

77

Mit eigenen Rechten ausgestattetes Organteil im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ist aber auch die sogenannte potentielle Einsetzungsminderheit (vgl. BVerfGE 105, 197 <220, 224 f.>; auch BVerfGE 113, 113 <121>). Die einsetzungsberechtigte Minderheit muss sich nicht mit einem eigenen Untersuchungsantrag konstituieren. Wäre dies von Verfassungs wegen gefordert, so müsste die einsetzungsberechtigte Minderheit praktisch jeder Mehrheitsenquete eine eigene Minderheitsenquete entgegensetzen, entweder parallel zur Einsetzung der Mehrheitsenquete oder später im Fall eines Konflikts über Beweiserhebungen. Die potentielle Einsetzungsminderheit behält deshalb selbst dann ihre Verfahrensrechte aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn sie zunächst ausdrücklich gegen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gestimmt hat. Folglich genügt es, wenn sich die einsetzungsberechtigte Minderheit mit einem eigenen Untersuchungsantrag konstituieren könnte (vgl. BVerfGE 105, 197 <224 f.>).

78

Voraussetzung der Parteifähigkeit ist hiernach das Erreichen des in Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG genannten Quorums.

79

Die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehörenden Mitglieder erreichen freilich weder für sich noch zusammen ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Antragstellerin zu 1. hat 64 Sitze und die Antragstellerin zu 2. verfügt über 63 Sitze im Deutschen Bundestag, so dass die Antragstellerinnen zusammen lediglich 127, das heißt gut 20% der - im Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses vorhandenen - 631 Sitze des Deutschen Bundestages erreichen.

80

Die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehörenden Mitglieder werden jedoch durch das Geschäftsordnungsrecht mit eigenen Rechten im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ausgestattet. Nach § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT ist für die Dauer der 18. Wahlperiode auf Antrag von 120 der Mitglieder des Bundestages ein Untersuchungsausschuss gemäß Art. 44 GG einzusetzen. Im Hinblick auf die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen weicht die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages damit vom Viertelquorum des Art. 44 Abs. 1 GG ab und erfordert geschäftsordnungsrechtlich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bereits auf Verlangen von 120 Abgeordneten.

81

2. Die Antragstellerin zu 3. ist gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT parteifähig.

82

Der Regelungsgehalt von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG erschöpft sich nicht in der Pflicht des Bundestages, auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die bei der Einsetzung des Ausschusses von Verfassungs wegen vorhandene Spannung zwischen Mehrheit und qualifizierter Minderheit setzt sich daher im Untersuchungsverfahren fort (vgl. BVerfGE 105, 197 <223>). Art. 44 GG wirkt insoweit in den Untersuchungsausschuss hinein. Die in den Untersuchungsausschuss entsandten Abgeordneten einer Fraktion oder mehrerer Fraktionen, die allein oder zusammen mindestens ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages umfassen, repräsentieren den einsetzungsberechtigten Teil des Deutschen Bundestages im Ausschuss jedenfalls so lange, wie kein Dissens zwischen der jeweiligen Fraktion und ihren Vertretern im Ausschuss erkennbar ist (sogenannte Fraktion im Ausschuss; vgl. BVerfGE 105, 197 <220 f.>; 113, 113 <121>).

83

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. in der Gesamtheit ihrer Mitglieder werden im Untersuchungsausschuss durch die Antragstellerin zu 3. repräsentiert, so dass diese ebenfalls ihre Parteifähigkeit aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT ableiten kann.

IV.

84

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind antragsbefugt; die Antragstellerin zu 3. ist nicht antragsbefugt.

85

1. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

86

Der Organstreit zielt auf die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten von Verfassungsorganen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG). Die als verletzt geltend gemachte Rechtsposition muss in einem Verfassungsrechtsverhältnis gründen (vgl. BVerfGE 118, 277 <318>; 131, 152 <191>). Ein Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor, wenn auf beiden Seiten des Streits Verfassungsorgane oder Teile von Verfassungsorganen stehen und um verfassungsrechtliche Positionen streiten (vgl. BVerfGE 118, 277 <318>). Rechte, die sich lediglich auf Vorschriften einfachen Gesetzesrechts oder der Geschäftsordnung stützen, reichen für die Begründung der Antragsbefugnis nicht aus (vgl. BVerfGE 118, 277 <319>; 131, 152 <191>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 79, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

87

Die Antragstellerinnen beanstanden die Weigerung der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2., an sie gerichtete Beweisbeschlüsse zu erfüllen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des aus Art. 44 Abs. 1 GG abzuleitenden Beweiserhebungsrechts des Deutschen Bundestages und der Verpflichtung der Bundesregierung zur Aktenvorlage. Träger des Untersuchungsrechts und damit Herr des Untersuchungsverfahrens ist der Deutsche Bundestag als Ganzer (vgl. BVerfGE 124, 78 <114>). Da das Plenum selbst die mit dem Untersuchungsrecht verbundenen Befugnisse nicht wahrnehmen kann, bedient es sich nach der Bestimmung des Art. 44 Abs. 1 GG des Untersuchungsausschusses (vgl. BVerfGE 67, 100 <125>; 105, 197 <220>; 113, 113 <121 f.>). Aufgabe der Untersuchungsausschüsse ist es, das Parlament bei seiner Arbeit zu unterstützen und seine Entscheidungen vorzubereiten (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>). Das Untersuchungsrecht aus Art. 44 Abs. 1 GG bleibt auch nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses Sache des Parlaments in seiner Gesamtheit (vgl. BVerfGE 105, 197 <220>; 113, 113 <121>).

88

Innerhalb des durch die Verfassung und das Untersuchungsausschussgesetz sowie die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gesteckten Rahmens und innerhalb des durch den Einsetzungsbeschluss des Plenums vorgegebenen Untersuchungsauftrags ist ein Untersuchungsausschuss in der Gestaltung seines Verfahrens frei. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ermächtigt den Untersuchungsausschuss, die in Verfolgung des Untersuchungszweckes erforderlichen Beweise selbst zu erheben (vgl. BVerfGE 67, 100 <128>). Der Untersuchungsausschuss ist damit "Herr im Verfahren", obwohl er die Informations- und Untersuchungsrechte des Deutschen Bundestages nur als dessen Hilfsorgan ausübt (vgl. BVerfGE 67, 100 <124>; 105, 197 <220>; 113, 113 <120>; 124, 78 <114>).

89

2. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind nicht antragsbefugt, soweit sie die Verletzung eigener Rechte geltend machen (a). Sie sind jedoch befugt, als einzelne Fraktionen die Rechte des Deutschen Bundestages in Prozessstandschaft geltend zu machen (b).

90

a) Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ist nur eine Viertelminderheit als organisatorisch verfestigte selbstständige Teilgliederung des Deutschen Bundestages mit eigenen verfassungsrechtlichen Rechten ausgestattet. Aufgrund des expliziten Wortlauts der Grundgesetzbestimmung ist der Weg für eine Auslegung (zum Gebot der Auslegung zugunsten der Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 90, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen) im Sinne einer teleologischen Reduktion des angeordneten Quorums verstellt; für Analogieschlüsse fehlt es bereits an der notwendigen Lücke. Der Verfassungsgeber hat den Belang des Minderheitenschutzes auf der einen Seite und der Gefahr des Missbrauchs von Minderheitenrechten, die ihm noch aus Zeiten der Weimarer Republik vor Augen stand, auf der anderen Seite erkannt und gegeneinander abgewogen. Er hat auch die Konsequenzen seiner Quorenbestimmungen gesehen und billigend in Kauf genommen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 116, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

91

Hieran vermag die Einfügung des § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT nichts zu ändern. Eine geschäftsordnungsmäßig verbriefte Rechtsposition ist nicht zwangsläufig von einem (behaupteten) Verfassungsorganstatus, das heißt vom Verfassungsrecht, umfasst (vgl. BVerfGE 27, 44 <51>; 130, 367 <370>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 79, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Als bloßes Geschäftsordnungsrecht kann § 126a GO-BT das verfassungsrechtliche innerparlamentarische Spannungsfeld zwischen parlamentarischer Mehrheit und Minderheit nicht letztverbindlich auflösen, insbesondere keine über Art. 44 GG hinausgehenden, verfassungsrechtlich einklagbaren Minderheitenrechte schaffen. § 126a GO-BT ist jederzeit änderbar und begründet daher - auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 126a Abs. 2 GO-BT - keine gesicherte Rechtsposition (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 78, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

92

b) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. können sich aber als Fraktionen grundsätzlich auf Rechte des Deutschen Bundestages berufen, die sie als dessen Organteil im Wege der Prozessstandschaft geltend machen können (vgl. BVerfGE 67, 100 <125>; 105, 197 <220>; 124, 78 <106>; 139, 194 <220 Rn. 96>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 66, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

93

3. Die Antragstellerin zu 3. ist nicht antragsbefugt.

94

a) Da die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. in der Gesamtheit ihrer Mitglieder schon nicht antragsbefugt sind, kann die Antragstellerin zu 3. auch nicht aufgrund ihrer Stellung als Vertreterin einer Minderheit von nur 120 Mitgliedern des Deutschen Bundestages gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT antragsbefugt sein.

95

b) Die Antragstellerin zu 3. ist auch nicht befugt, als Viertelminderheit im Untersuchungsausschuss im Wege der Prozessstandschaft gemäß § 18 Abs. 3 PUAG Rechte des Bundestages geltend zu machen.

96

§ 18 Abs. 3 PUAG billigt nicht jeder Minderheit im Untersuchungsausschuss die Antragsbefugnis zu. Ein solches Verständnis würde eine Loslösung von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, der konzeptionell in das Regelungsregime der Untersuchungsausschüsse hineinwirkt, bedeuten. Antragsbefugt ist vielmehr nur die von der konkreten oder potentiellen Einsetzungsminderheit im Deutschen Bundestag im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG getragene Ausschussminderheit; nur diese kann als Prozessstandschafterin auftreten.

97

Zwar gebietet der Grundsatz effektiver Opposition (hierzu BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 85 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen), die im Grundgesetz vorgesehenen Minderheitenrechte auf Wirksamkeit hin auszulegen. Allerdings bildet der Wortlaut des Grundgesetzes - namentlich die dort angeordneten Quoren - die Grenze jeder Auslegung (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 109, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Insoweit stellen die in den Verfassungstext aufgenommenen Quoren die vom Verfassungsgeber und vom verfassungsändernden Gesetzgeber gewollte Konkretisierung des Grundsatzes effektiver Opposition dar (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 114, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

98

Eine Ableitung der Rechte der Minderheit aus Art. 44 GG und ein Hineinwirken des Art. 44 GG in das Regelungsregime der Untersuchungsausschüsse ist für die Begründung der Antragsbefugnis im Organstreitverfahren konstitutiv. Das Untersuchungsausschussgesetz kann als im Kern verfassungsinterpretatorisches und damit deklaratorisches Gesetz (vgl. Seidel, BayVBl. 2002, S. 97 <98>) keine über Art. 44 GG hinausgehenden verfassungsprozessual durchsetzbaren Minderheitenrechte schaffen. § 18 Abs. 3 PUAG regelt ein einfachrechtliches Antragsrecht, das sich aus einem einfachrechtlichen Rechtsverhältnis ergibt und nicht die für den Verfassungsorganstreit erforderliche Verfassungsqualität aufweist. Im Übrigen wollte der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 18 Abs. 3 PUAG keine Abkopplung der Abgeordneten im Ausschuss von der Viertelminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG erzielen. Ausweislich der Gesetzesbegründung sieht die Neuregelung in § 18 Abs. 3 Halbsatz 1 PUAG betreffend Streitigkeiten über die (Nicht-)Vorlage beziehungsweise (Nicht-)Freigabe von Beweismitteln keine neue Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts vor. Eine Modifizierung enthalte § 18 Abs. 3 Halbsatz 1 PUAG nur insofern, als die geänderte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Antragsbefugnis der Fraktion im Ausschuss gesetzlich umgesetzt werde (vgl. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, BTDrucks 14/9220, S. 4). Der Senat hatte noch in seiner Entscheidung zum Flick-Untersuchungsausschuss eine Prozessstandschaft der Fraktion im Ausschuss verneint (vgl. BVerfGE 67, 100 <126>) und ist hiervon in seiner Entscheidung zum Parteispenden-Untersuchungsausschuss abgerückt (vgl. BVerfGE 105, 197 <220 f.>).

V.

99

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. wenden sich gegen die richtigen Antragsgegner, da die Bundesregierung und der Chef des Bundeskanzleramtes die Vorlage der NSA-Selektorenlisten abgelehnt haben und damit für die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung die Verantwortung tragen (vgl. BVerfGE 140, 115 <140 Rn. 61> m.w.N.).

100

Die Bundesregierung trägt die rechtliche Verantwortung für die Verweigerung der vollständigen Aktenvorlage, da sie im Rahmen ihrer Koordinierungsbefugnis (vgl. Art. 65 Satz 3 GG) entschieden hat, das Aktenvorlagebegehren des Untersuchungsausschusses nicht zu erfüllen. Neben der Bundesregierung trägt der Chef des Bundeskanzleramtes (§ 7 Geschäftsordnung der Bundesregierung), der zugleich Bundesminister für besondere Aufgaben ist, die Verantwortung für die sächlichen Beweismittel des dem Bundeskanzleramt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz - BNDG vom 20. Dezember 1990 [BGBl I S. 2954, 2979], zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 [BGBl I S. 1818]) nachgeordneten Bundesnachrichtendienstes. Er hat im Rahmen seiner Ressortkompetenz nach Art. 65 Satz 2 GG über den Umfang der Aktenherausgabe und damit konkret darüber entschieden, inwieweit dem Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses entsprochen werden soll.

VI.

101

Nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. durch eine unterbliebene oder unvollständige Aktenvorlage an den Ausschuss das parlamentarische Untersuchungsrecht des Deutschen Bundestages gemäß Art. 44 GG in der im Antrag spezifizierten Weise verletzt haben.

102

Selbst wenn die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. das Ersuchen des Untersuchungsausschusses nicht endgültig, sondern lediglich vorläufig abgelehnt haben sollten, erscheint eine Verletzung im Hinblick auf die Verzögerungswirkung möglich (zum Erlass einer einstweiligen Anordnung vgl. BVerfGE 105, 197 <234>; 106, 51 <61 f.>; 113, 113 <125 f.>; zur Verzögerung durch Erweiterung des Untersuchungsauftrags vgl. Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil vom 1. Dezember 2006 - HVerfG 01/06 -, juris, Rn. 132 ff.; vgl. auch Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2002 - 11/02 -, juris, Rn. 88). Schon eine bloße Verzögerung kann die Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle entscheidend in Frage stellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ausschuss mit dem Ende der jeweiligen Wahlperiode zu bestehen aufhört (vgl. BVerfGE 49, 70 <86>).

VII.

103

Mit dem am 16. September 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG, denn sie rügen die Entscheidung der Antragsgegner vom 17. Juni 2015.

VIII.

104

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. haben ein Rechtsschutzinteresse. Zur Durchsetzung der von ihnen geltend gemachten Rechte steht kein anderer Weg als der des Organstreitverfahrens zur Verfügung. Die Einleitung dieses Verfahrens kann daher auch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Der von den Antragstellerinnen angegriffene Akt der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. - die Verweigerung der Aktenvorlage - entfaltet nach wie vor rechtserhebliche Wirkungen, die geeignet sind, das Untersuchungsergebnis zu beeinträchtigen. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. haben im Vorfeld des Organstreitverfahrens und auch schriftsätzlich die Verfassungsmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage behauptet. Die Verweigerung der Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss ist dem Einflussbereich der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. entzogen, so dass keine Alternative zu einer Entscheidung im Wege des Organstreitverfahrens besteht (vgl. BVerfGE 124, 78 <113>).

C.

105

Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ist unbegründet.

I.

106

1. Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG hat der Deutsche Bundestag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss mit der Befugnis zur Erhebung der erforderlichen Beweise einzusetzen.

107

a) Das in Art. 44 GG gewährleistete Untersuchungsrecht gehört zu den ältesten und wichtigsten Rechten des Parlaments (vgl. BVerfGE 124, 78 <114>). Über das Zitierrecht nach Art. 43 Abs. 1 GG und das Frage- und Informationsrecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG hinaus verschafft es die Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung, die das Parlament zur Vorbereitung seiner Entscheidungen und vor allem zur Wahrung seiner Kontrollfunktion gegenüber der ihm verantwortlichen Regierung benötigt (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>; 124, 78 <114>). Der Untersuchungsausschuss ist als Aufklärungsinstrument im Rahmen der politischen Kontroverse (vgl. BVerfGE 105, 197 <225 f.>) dabei ein spezifisches Instrument parlamentarischer Kontrolle.

108

Die Auslegung des Art. 44 GG und der das Untersuchungsausschussrecht konkretisierenden Vorschriften des Untersuchungsausschussgesetzes hat, insbesondere bei der Frage, welche Befugnisse einem Untersuchungsausschuss zustehen, zu berücksichtigen, dass diese Bestimmungen die Voraussetzungen für eine wirksame parlamentarische Kontrolle schaffen sollen (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 77, 1 <48>; 124, 78 <114>).

109

b) Der Untersuchungsausschuss ist gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG befugt, im Rahmen seines Untersuchungsauftrags diejenigen Beweise zu erheben, die er für erforderlich hält (vgl. BVerfGE 67, 100 <127 f.>; 124, 78 <114>). Nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG finden auf Beweiserhebungen die Vorschriften über den Strafprozess sinngemäß Anwendung. Diese Verweisung erstreckt sich auf alle Bestimmungen, die die strafprozessuale Sachverhaltsaufklärung regeln; sie erfasst sowohl befugnisbegründende als auch befugnisbegrenzende Regelungen (vgl. BVerfGE 67, 100 <133>; 77, 1 <48 f.>; 124, 78 <115>). Die Bestimmungen der Strafprozessordnung geben einem Untersuchungsausschuss Zwangsmittel zur Beschaffung von Beweismitteln an die Hand, stellen den Informationsverschaffungsanspruch aber auch unter rechtsstaatliche Vorgaben. In sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess stehen dem Untersuchungsausschuss Zeugen (§§ 48 ff. StPO), Urkunden und andere Schriftstücke (§§ 249 ff. StPO) sowie Sachverständige und Augenschein (§§ 72 ff. StPO) als Beweismittel zur Verfügung. Zur Beweiserhebung im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG zählt nicht nur die Beweisaufnahme im engeren Sinne (§ 244 Abs. 1 StPO), sondern der gesamte Vorgang der Beweisverschaffung, Beweissicherung und Beweisauswertung (vgl. BVerfGE 67, 100 <133>; 77, 1 <49>; 124, 78 <115>).

110

Das Recht auf Aktenvorlage gehört zum Kern des Untersuchungsrechts. Der Anspruch auf Vorlage von Akten im Verantwortungsbereich der Regierung folgt nicht lediglich aus dem Recht auf Amtshilfe gemäß Art. 44 Abs. 3 GG; er ist Bestandteil des Kontrollrechts aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und des Rechts der Beweiserhebung nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 67, 100 <128 f., 132>; 124, 78 <116>). Akten sind bei der Untersuchung politischer Vorgänge ein besonders wichtiges Beweismittel. Sie haben gegenüber Zeugenaussagen in der Regel einen höheren Beweiswert, weil das Gedächtnis von Zeugen aus mancherlei Gründen unergiebig werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <132>; 124, 78 <117>). Der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben oder sein Verlangen auf bestimmte Aktenteile beschränken. Vielmehr soll er sich anhand der vollständigen Akten selbst ein Bild vom Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit machen können (vgl. BVerfGE 124, 78 <117>). Der Vorlageanspruch bezieht sich grundsätzlich auf alle Akten, die mit dem Untersuchungsgegenstand in Zusammenhang stehen. Bei einem Ersuchen auf Aktenvorlage muss nicht bereits feststehen, dass die Unterlagen auch tatsächlich entscheidungserhebliches Material oder entsprechende Beweismittel enthalten. Es reicht aus, wenn sie Hinweise hierauf geben könnten (vgl. BVerfGE 124, 78 <117>).

111

2. Das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses unterliegt Grenzen, die, auch soweit sie einfachgesetzlich geregelt sind, ihren Grund im Verfassungsrecht haben müssen (vgl. BVerfGE 124, 78 <118>).

112

a) Völkerrechtliche Verpflichtungen können demgemäß keine unmittelbare Schranke des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts begründen, da sie als solche keinen Verfassungsrang besitzen. Das zeigt insbesondere der Blick auf die insoweit maßgeblichen verfassungsrechtlichen Regelungen in Art. 25 GG und Art. 59 Abs. 2 GG.

113

Art. 25 Satz 1 GG bestimmt, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind. Er verschafft diesen unmittelbar, das heißt, ohne dass ein sonstiger (einfachrechtlicher) Rechtsakt hinzukommen müsste, Wirksamkeit innerhalb der deutschen Rechtsordnung. Nach Art. 25 Satz 2 GG gehen sie den Gesetzen vor. Ein Gesetz, das mit einer allgemeinen Regel des Völkerrechts kollidiert, verstößt daher gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG. Gleichzeitig ist Art. 25 GG jedoch dahingehend zu verstehen, dass er - dem Wortlaut von Satz 2 entsprechend - den allgemeinen Regeln des Völkerrechts einen Rang oberhalb der (einfachen) Gesetze, aber unterhalb der Verfassung einräumt (Zwischenrang) (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 39 ff. m.w.N., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

114

Nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erlangen völkerrechtliche Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, erst durch das dort vorgesehene Zustimmungsgesetz innerstaatliche Wirksamkeit. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt nicht nur die Methodik, durch die völkervertragliche Regelungen in der nationalen Rechtsordnung wirksam werden, sondern auch den Rang, der dem für anwendbar erklärten Völkervertragsrecht innerhalb der nationalen Rechtsordnung zukommt. Aus Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, dass völkerrechtlichen Verträgen, soweit sie nicht in den Anwendungsbereich einer anderen, spezielleren Öffnungsklausel - insbesondere Art. 23 bis Art. 25 GG - fallen, innerstaatlich der Rang eines einfachen (Bundes-)Gesetzes zukommt und sie insofern keinen Übergesetzes- oder gar Verfassungsrang besitzen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 43 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

115

Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit kann die differenzierten Regelungen des Grundgesetzes über den Rang der unterschiedlichen Quellen des Völkerrechts nicht verdrängen und ihre Systematik nicht unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 65 ff., 73 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

116

b) Begrenzt wird das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse zunächst durch den im Einsetzungsbeschluss zu bestimmenden Untersuchungsauftrag. Dieser selbst muss sich im Rahmen der parlamentarischen Kontrollkompetenz halten und hinreichend deutlich bestimmt sein (vgl. BVerfGE 124, 78 <118 f.>).

117

c) Gründe, einem Untersuchungsausschuss Informationen vorzuenthalten, können sich zudem aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergeben (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; zur Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>).

118

Der Grundsatz der Gewaltenteilung zielt auf Machtverteilung und die sich daraus ergebende Mäßigung staatlicher Herrschaft. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient er zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 3 GG) (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>). In der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist die Teilung der Gewalten nicht als absolute Trennung realisiert und geboten. Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>; 137, 185 <233 Rn. 135>).

119

aa) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

120

Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen. Diese Möglichkeit besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (vgl. BVerfGE 110, 199 <214 f.>; 124, 78 <120 f.>; 131, 152 <206, 210>; 137, 185 <234 Rn. 136>).Die Kontrollkompetenz des Parlaments erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

121

Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung. Auch dem nachträglichen parlamentarischen Zugriff auf Informationen aus der Phase der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen setzt der Grundsatz der Gewaltenteilung Grenzen. Auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung nicht verpflichtet ist, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen. Ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Informationsanspruch würde vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die die grundgesetzliche Gewaltenteilung ihr zuweist (vgl. BVerfGE 110, 199 <215 f.>; 124, 78 <121>).

122

bb) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt angesichts des Gefüges der grundgesetzlichen Zuordnung staatlicher Aufgaben zu bestimmten Funktionen und ihren Trägern zudem die Gewährleistung einer funktionsgerechten und organadäquaten Aufgabenwahrnehmung voraus.

123

(1) Das Grundgesetz verpflichtet die Verfassungsorgane im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Ordnung unter Einhaltung der Regeln des Rechtsstaats. Das gilt namentlich für die Verfolgung der fundamentalen Staatszwecke der Sicherheit und des Schutzes der Bevölkerung (vgl. BVerfGE 115, 320 <358>).

124

Die verfassungsmäßige Ordnung, der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder sowie Leib, Leben und Freiheit der Person sind Schutzgüter von überragendem verfassungsrechtlichem Gewicht. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm - unter Achtung von Würde und Eigenwert des Einzelnen - zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung Verfassungswerte sind, die mit anderen hochwertigen Verfassungsgütern im gleichen Rang stehen. Der Staat ist deshalb von Verfassungs wegen verpflichtet, das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit des Einzelnen zu schützen (vgl. BVerfGE 49, 24 <56 f.>; 115, 320 <346 f.>; 120, 274 <319>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 11 BvR 1140/09 -, juris, Rn. 100, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

125

Dieser Verpflichtung kommt er nach, indem er Gefahren etwa durch terroristische Bestrebungen entgegen tritt. Straftaten mit dem Gepräge des Terrorismus zielen auf die Destabilisierung des Gemeinwesens und umfassen in rücksichtsloser Instrumentalisierung anderer Menschen Angriffe auf Leib und Leben beliebiger Dritter. Sie richten sich gegen die Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Ordnung und das Gemeinwesen als Ganzes. Die Bereitstellung von wirksamen Aufklärungsmitteln zu ihrer Abwehr ist ein legitimes Ziel und für die demokratische und freiheitliche Ordnung von großem Gewicht (vgl. BVerfGE 115, 320 <357 f.>; 133, 277 <333 f. Rn. 133>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 11 BvR 1140/09 -, juris, Rn. 96, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

126

Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Ebert, in: Borgs-Maciejewski/Ebert, Das Recht der Geheimdienste, Kommentar zum BVerfSchG sowie zum G 10, 1986, Teil A, Vor § 1 Rn. 4).

127

Die Festlegung der strategischen Gesamtausrichtung nachrichtendienstlicher Tätigkeit, mithin auch die Entscheidung zur internationalen Kooperation der Nachrichtendienste, erfolgt durch die Bundesregierung. Dies entspricht dem Grundsatz einer organadäquaten Funktionenzuweisung. So bestimmt die Bundesregierung mit dem sogenannten Auftragsprofil die regionalen und thematischen Arbeitsschwerpunkte des BND. Sie gibt die Detailtiefe der zu beschaffenden Erkenntnisse und damit auch den Ressourcenansatz vor. Das Auftragsprofil wird kontinuierlich dem aktuellen Informationsbedarf der einzelnen Ressorts angepasst (vgl. Wieck, in: Eberwein/Kaiser, Deutschlands neue Außenpolitik, Bd. 4, 1998, S. 47 <50 f.>). Es ist auch Aufgabe der Regierung, die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste zu gewährleisten.

128

(2) Zur Effektivierung der Beschaffung und Auswertung von Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung arbeiten die deutschen Nachrichtendienste mit ausländischen Nachrichtendiensten zusammen. Die Zusammenarbeit setzt die Einhaltung von Vertraulichkeit voraus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 -, juris, Rn. 11). Hierfür sind völkerrechtliche Verpflichtungen einzugehen, die als Teil der Außen- und Sicherheitspolitik der Initiativ- und Gestaltungsbefugnis der Regierung obliegen (vgl. BVerfGE 90, 286 <358>).

129

(a) Der Bund hat gemäß Art. 32 GG die Zuständigkeit für die Ausübung der auswärtigen Gewalt (vgl. BVerfGE 2, 347 <378 f.>). Außenpolitik ist eine Funktion der Regierung (so schon BVerfGE 1, 372 <394>; vgl. auch BVerfGE 68, 1 <85 f.>; 90, 286 <357>).

130

In Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung hat das Grundgesetz der Regierung im Bereich auswärtiger Politik einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen. Die Rolle des Parlaments ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (vgl. BVerfGE 104, 151 <207>; 131, 152 <195>).

131

Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG sieht zwar für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, die Notwendigkeit der Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in Form eines Bundesgesetzes vor. Der Verkehr mit anderen Staaten, die Vertretung in internationalen Organisationen, zwischenstaatlichen Einrichtungen und Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit (Art. 24 Abs. 2 GG) sowie die Sicherstellung der gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Außenvertretung Deutschlands fallen demgegenüber aber grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Exekutive, insbesondere der Bundesregierung. Diese grundsätzliche Zuordnung der Akte des auswärtigen Verkehrs zum Kompetenzbereich der Exekutive beruht auf der Annahme, dass institutionell und auf Dauer typischerweise allein die Regierung in hinreichendem Maße über die personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten verfügt, auf wechselnde äußere Lagen zügig und sachgerecht zu reagieren und so die staatliche Aufgabe, die auswärtigen Angelegenheiten verantwortlich wahrzunehmen, bestmöglich zu erfüllen (BVerfGE 68, 1 <87>; 131, 152 <195>).

132

Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages unter Überspielung der konkreten Ordnung der Verteilung und des Ausgleichs staatlicher Macht im Grundgesetz würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und liefe auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinaus (vgl. BVerfGE 90, 286 <363>; 104, 151 <207>; 131, 152 <195 f.>); sie verlagerte in weitem Umfang politische Macht zu Lasten der Exekutive auf den Bundestag in einem Handlungsbereich, der funktionell betrachtet nicht Gesetzgebung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG darstellt (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>).

133

(b) Vor diesem Hintergrund obliegt das Verhandeln und Abschließen von Geheimschutzabkommen als Grundlage einer internationalen Kooperation der Nachrichtendienste der Bundesregierung.

134

Ziel dieser Geheimschutzabkommen ist es in erster Linie, den Austausch geheimhaltungsbedürftiger Informationen mit anderen Staaten abzusichern, denn die Weitergabe von Verschlusssachen hat eine empfindliche Beeinträchtigung der nationalen Souveränität zur Folge. Der herausgebende Staat begibt sich seiner unmittelbaren Beherrschungs- und Geheimhaltungsmöglichkeiten. In Geheimschutzabkommen werden daher die Voraussetzungen, unter denen Personen Zugang zu den zwischen den Staaten ausgetauschten Verschlusssachen erhalten, und die zu ergreifenden materiellen Schutzmaßnahmen zur Geheimhaltung geregelt. Ein Verzicht auf Geheimschutzabkommen würde den deutschen Einfluss auf die Geheimhaltung deutscher Verschlusssachen im Partnerstaat ausschließen und könnte dazu führen, dass ein Geheimnis nach Weitergabe an den Partnerstaat dort einem unbegrenzten Personenkreis zugänglich werden und folglich seinen Charakter als Staatsgeheimnis verlieren könnte (vgl. Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsrecht, Ordner 1, § 1 SÜG Rn. 21 ff. [Juni 2015]; Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 1 SÜG Rn. 38). Im Gegenzug muss die Bundesrepublik Deutschland in der Lage sein, sich ihrerseits gegenüber Stellen anderer Staaten zur Geheimhaltung zu verpflichten (vgl. BTDrucks 12/4891, S. 18).

135

In der nachrichtendienstlichen Praxis werden aber auch Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in Form von sogenannten Memoranda of Understanding oder Memoranda of Agreement abgeschlossen, die den Rechtscharakter von unverbindlichen Übereinkünften haben (vgl. van Ginkel, ICCT - The Hague Research Paper August 2012, S. 3 f.; Sepper, Texas International Law Journal Vol. 46 [2010], S. 151 <158>).

136

Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG lässt die in der auswärtigen Gewalt angelegte Kompetenz unberührt, das jeweils im völkerrechtlichen Verkehr angemessen erscheinende Handlungsinstrumentarium zu wählen und dabei auch eine vertragliche Bindung zu vermeiden. Es obliegt der Bundesregierung, in Abstimmung mit den bisherigen und etwa neu zu gewinnenden Vertragsparteien zu entscheiden, ob, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Inhalt völkerrechtliche Bindungen eingegangen werden sollen. Der Verzicht auf einen Vertrag wird insbesondere sinnvoll sein, wenn die beteiligten Völkerrechtssubjekte sich in der Phase der Vertragsanbahnung, der Erprobung neuer Formen der Zusammenarbeit oder der Abstimmung mit und Rücksichtnahme auf weitere Völkerrechtssubjekte befinden. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG steht auch einem mit den Vertragspartnern abgestimmten außenpolitischen Handeln auf der bisherigen Vertragsgrundlage nicht entgegen, das - etwa mit Rücksicht auf noch nicht abgeschlossene und nicht genügend überschaubare politische Entwicklungen - die völkervertragliche Bindung bewusst vermeidet. Hierdurch sollen neue oder weitergehende Rechte und Pflichten gerade nicht begründet werden (vgl. BVerfGE 90, 286 <360>).

137

d) Eine weitere Grenze des Beweiserhebungsrechts bildet das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>).

138

Welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls. Für die Frage, ob Zeugenaussagen oder die Vorlage von Akten das Staatswohl gefährden würden, ist danach zunächst zu berücksichtigen, dass der Umgang mit Informationen in einem Untersuchungsausschuss eigenen Geheimschutzbestimmungen unterliegt und dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 124, 78 <123 f.>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind. Die Berufung auf das Staatswohl kann daher gegenüber dem Deutschen Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht völlig ausschließt, steht dem nicht entgegen. Diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>).

139

Der Bundestag hat in seiner Geheimschutzordnung, die Bestandteil der Geschäftsordnung ist, in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei seiner Aufgabenerfüllung festgelegt. Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Daneben regelt das Untersuchungsausschussgesetz den Schutz staatlicher Geheimnisse in § 14 Abs. 1 Nr. 4, § 15, § 16 und § 18 Abs. 2 PUAG (vgl. BVerfGE 124, 78 <124 f.>). Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>).

140

Gleichwohl bleibt die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>). Die Bundesregierung ist insbesondere nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

141

e) Parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben darüber hinaus gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Diese können zu einer Einschränkung des Beweiserhebungsrechts führen (BVerfGE 67, 100 <142>; 77, 1 <46>; 124, 78 <125>).

142

f) Das Beweiserhebungsrecht endet schließlich an der Grenze des Rechtsmissbrauchs. So können etwa Beweisanträge zurückgewiesen werden, wenn sie offensichtlich der Verzögerung dienen (BVerfGE 105, 197 <225>; 124, 78 <128>).

143

3. Nimmt die Bundesregierung das Recht für sich in Anspruch, einem Untersuchungsausschuss Beweismittel aus verfassungsrechtlichen Gründen vorzuenthalten, so unterliegt sie von Verfassungs wegen einer Begründungspflicht (vgl. BVerfGE 124, 78 <128>). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies kann er nur dann, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessenen, ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können. Eine Begründung der Antwortverweigerung ist nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>).

144

Im Hinblick auf die Form der Begründung wird die Bundesregierung zwar einfachrechtlich in § 18 Abs. 2 Satz 2 PUAG verpflichtet, den Untersuchungsausschuss über die Gründe der Ablehnung schriftlich zu unterrichten. Das Ablehnungsschreiben ist damit zentral. Es bleibt der Bundesregierung aber unbenommen, dem Untersuchungsausschuss durch ergänzende Maßnahmen die Verweigerungsgründe zu erläutern. Je nach den Umständen ist die Bundesregierung sogar zu solchen Maßnahmen verpflichtet und muss den Ausschuss, gegebenenfalls in vertraulicher Sitzung, detailliert und umfassend über die Natur der zurückgehaltenen Informationen, die Notwendigkeit der Geheimhaltung und den Grad der nach ihrer Auffassung bestehenden Geheimhaltungsbedürftigkeit unterrichten. Dazu ist die Regierung gehalten, dem Untersuchungsausschuss für die Erörterung ihres Standpunktes zur Verfügung zu stehen (vgl. BVerfGE 67, 100 <138>). Hat der Untersuchungsausschuss dennoch Grund zu der Annahme, dass zurückgehaltene Informationen mit dem ihm erteilten Kontrollauftrag zu tun haben, und besteht er deshalb auf Herausgabe der Akten, so hat die Regierung die vom Untersuchungsausschuss genannten Gründe zu erwägen und, sollten diese ihre Auffassung nicht erschüttern können, zu prüfen, welche Wege beschritten werden können, um den Untersuchungsausschuss davon zu überzeugen, dass seine Annahme nicht zutrifft (vgl. BVerfGE 67, 100 <138>). Das Ablehnungsschreiben ergeht regelmäßig in einem - in die verfassungsrechtliche Bewertung einzustellenden - Kontext, so dass eine Gesamtschau der - das Ablehnungsschreiben begleitenden - begründenden Darlegungen geboten ist.

II.

145

Nach diesen Maßstäben haben die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. durch die Verweigerung der Vorlage der sogenannten NSA-Selektorenlisten das Beweiserhebungsrecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG nicht verletzt.

146

Unter Beachtung der Bedeutung des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts (1.) ist dem Interesse der Antragsgegnerin zu 1. an funktionsgerechter und organadäquater Aufgabenwahrnehmung (2.) der Vorrang einzuräumen, weil die vom Beweisbeschluss erfassten NSA-Selektorenlisten aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen nicht der Verfügungsbefugnis der Antragsgegnerin zu 1. unterfallen, die Einschätzung, eine nicht konsentierte Herausgabe könne die Funktions- und Kooperationsfähigkeit deutscher Nachrichtendienste erheblich beeinträchtigen, nachvollziehbar ist und die Antragsgegner dem Vorlageersuchen in Abstimmung mit dem Untersuchungsausschuss durch andere Verfahrensweisen so präzise, wie es ohne eine Offenlegung von Geheimnissen möglich gewesen ist, Rechnung getragen haben (3.). Die Antragsgegner sind auch ihrer von Verfassungs wegen bestehenden Begründungspflicht nachgekommen (4.).

147

1. Das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses umfasst dem Grunde nach auch die NSA-Selektorenlisten.

148

a) Es besteht ein besonderes Informationsinteresse des Untersuchungsausschusses an der Vorlage der NSA-Selektorenlisten zur Gewährleistung der demokratischen Rückanbindung der Nachrichtendienste und der Bundesregierung. Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Eine besondere Kontrollrelevanz ergibt sich dabei aus der Tendenz zur Kooperation und Internationalisierung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit (vgl. Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 199, 201). Die zunehmende internationale Kooperation der Nachrichtendienste entkoppelt partiell die Informationsgewinnung von demokratischer Verantwortung, weil Teilelemente von Entscheidungsgrundlagen außerhalb der Einflusssphäre der demokratischen Organe des Empfängerstaates - hier der Bundesrepublik Deutschland - erzeugt werden (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>).

149

Der Deutsche Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen. Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

150

Auch die US-amerikanischen Nachrichtendienste unterliegen einer parlamentarischen Kontrolle. Der Kongress verfügt in beiden Häusern über ständige Spezialausschüsse - das Senate Select Committee on Intelligence und das House Permanent Select Committee on Intelligence. Die beiden parlamentarischen Kontrollgremien besitzen weitgehende Kontrollrechte unter anderem im Hinblick auf Budgetierung und Budgetvollzug, taktische Geheimdienstinformationen sowie Dienstquellen und -methoden (vgl. Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 248 ff.; Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 297 ff.; Rehli, in: Dörr/Zimmermann, Die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 2007, S. 45 <54 ff.>). Wie in Deutschland ist in den Vereinigten Staaten von Amerika auch die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen oder Sonderkommissionen - etwa der Review Group on Intelligence and Communications Technologies zur Reform der NSA-Überwachungspraxis - möglich.

151

b) Angesichts von Art und Umfang der den Nachrichtendiensten an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns der Nachrichtendienste und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste eine besondere Aufklärungsfunktion zu.

152

Ausweislich des im Einsetzungsantrag (vgl. BTDrucks 18/843) näher bezeichneten Untersuchungsauftrags hat der Untersuchungsausschuss unter anderem aufzuklären, ob ausländische Stellen mit Hilfe deutscher Stellen Daten deutscher Grundrechtsträger über Kommunikationsvorgänge, deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge einer Erfassung und Speicherung auf Vorrat sowie einer Kontrolle und Auswertung unterzogen haben.

153

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Sammlung der dem Grundrechtsschutz unterliegenden personenbezogenen Informationen auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 100, 313 <360>; 115, 320 <350>; 118, 168 <187>). Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss (vgl. BVerfGE 125, 260 <323 f.> mit Verweis auf BVerfGE 123, 267 <353 f.> zum grundgesetzlichen Identitätsvorbehalt).

154

c) Das aus dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses grundsätzlich folgende Recht auf Vorlage der NSA-Selektorenlisten ist nicht durch die Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson und deren gutachterliche Stellungnahme erfüllt. Die sachverständige Vertrauensperson handelte nicht als Hilfsorgan des Untersuchungsausschusses.

155

Das Untersuchungsausschussgesetz kennt die Konstruktion der sachverständigen Vertrauensperson nicht. Nach § 28 PUAG kann der Untersuchungsausschuss zur Beweiserhebung ein Sachverständigengutachten einholen. Der Sachverständige hat aufgrund seiner besonderen Sachkunde dem Untersuchungsausschuss Tatsachen-, aber auch Rechtskenntnis zu verschaffen. § 10 PUAG gibt dem Untersuchungsausschuss die Möglichkeit, einen Ermittlungsbeauftragten zu seiner Unterstützung einzusetzen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll der Ermittlungsbeauftragte es dem Untersuchungsausschuss ermöglichen, sich bei einem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfangreichen Untersuchungsauftrag auf die eigentlichen Kernfragen zu konzentrieren. Voraussetzung hierfür ist bei komplexen Sachverhalten eine intensive Vorarbeit durch einen Ermittlungsbeauftragten, der das Beweismaterial zunächst zu beschaffen und zu sichten sowie die zu beurteilenden Sachverhalte sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht aufzubereiten hat. Auf der Basis solcher Vorermittlungen kann der Untersuchungsausschuss seine Arbeit, insbesondere seine Beweisaufnahme, gezielter und zügiger durchführen (vgl. BTDrucks 14/5790, S. 15). Da Sachverständige und Ermittlungsbeauftragte letztlich als Hilfsorgane vor allem eine Voruntersuchungs- und damit Entlastungsfunktion haben sollen, bleibt der Ausschuss "Herr im Verfahren" und hat die Gesamtverantwortung inne. Der Untersuchungsausschuss muss letztlich selbst eine abschließende, umfassende Beweiserhebung und Beweiswürdigung vornehmen.

156

Dies war bei der Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson nicht gewährleistet. Die von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzte sachverständige Vertrauensperson hat nicht bloße Voruntersuchungen zur Arbeitserleichterung für den Untersuchungsausschuss durchgeführt. Vielmehr wurde sie von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzt, um die Einsichtnahme der NSA-Selektorenlisten durch den Untersuchungsausschuss zu ersetzen. Die sachverständige Vertrauensperson hat eine eigene inhaltliche Interpretation und rechtliche Bewertung der NSA-Selektorenlisten vorgenommen. Da aber eine Delegation der Erfüllung des Untersuchungsauftrags an die sachverständige Vertrauensperson ausscheidet, ist ihr Bericht den Antragsgegnern zuzurechnen und kommt einer Auskunft der Antragsgegner zu den vom Untersuchungsausschuss im Beschluss vom 18. Juni 2015 (Ausschussdrucksache 385) gestellten Fragen gleich.

157

Auskünfte der Antragsgegner sind aber für den Vorlageanspruch keine Maßnahme an Erfüllungs statt. Denn der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ermächtigt den Untersuchungsausschuss, die in Verfolgung des Untersuchungszwecks erforderlichen Beweise selbst zu erheben. Darin ist das Recht eingeschlossen, die Vorlage von Akten zu verlangen (vgl. BVerfGE 67, 100 <128 ff.>; 124, 78 <116 f.>).

158

2. Dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses steht das Interesse der Antragsgegnerin zu 1. an funktionsgerechter und organadäquater Aufgabenwahrnehmung gegenüber.

159

Die Herausgabe der NSA-Selektorenlisten entgegen einer völkerrechtlichen Vertraulichkeitszusage und ohne Einverständnis der Vereinigten Staaten von Amerika würde nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung der Antragsgegnerin zu 1. die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit auch die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung erheblich beeinträchtigen.

160

a) Sowohl nach Maßgabe des gemeinsamen Verständnisses der Kooperationspartner hinsichtlich des Geheimschutzabkommens und des MoA (aa) als auch nach Maßgabe der "Third Party Rule" (bb) ist der herausgebende Staat "Herr der Information" und behält auch nach deren Übermittlung die Verfügungsbefugnis. Der Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss steht die fehlende Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika entgegnen (cc).

161

aa) Der Zusammenarbeit zwischen dem BND und der NSA liegen das Geheimschutzabkommen und das MoA zugrunde. In dem Geheimschutzabkommen sind die allgemeinen Grundsätze des Austausches von Verschlusssachen, mithin die technisch-administrativen Vorgaben festgelegt. Mit dem MoA werden die organisatorischen und technischen Bedingungen, Personalausstattung und Kostentragung sowie das maßgebliche Rechtsregime des konkreten Projektes der Joint SIGINT Activity geregelt.Wie bei der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen ist auch bei der Auslegung des Geheimschutzabkommens und des MoA darüber hinaus die sich hierauf beziehende nachträgliche Übereinkunft der Parteien über die Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 90, 286 <362 ff.>). Gemäß den Absprachen und Verständigungen im Rahmen des Konsultationsverfahrens soll die herausgebende Stelle den zu gewährleistenden Geheimhaltungsgrad sowie den Nutzungszweck vorgeben und über die Möglichkeit zur Weitergabe entscheiden.

162

bb) Ungeachtet dieser bilateralen Vereinbarungen und Absprachen wird die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste von der "Third Party Rule" geprägt. Hiernach dürfen ausgetauschte Informationen ohne Zustimmung des Informationsgebers nicht an Dritte weitergegeben oder für andere Zwecke verwendet werden.

163

(1) Der "Third Party Rule" wird als Auskunftsverweigerungsgrund gegenüber Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Bedeutung beigemessen (vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, Rn. 712; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 26. November 2003 - 6 VR 4.03 -, juris). Ob dieser Grundsatz nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit auch gegenüber Kontrollorganen des Parlaments und selbst gegenüber Aufsichtsbehörden gilt (bejahend: Wills/Born, in: Born/Leigh/Wills, International Intelligence Cooperation and Accountability, 2011, S. 277 <283>; verneinend: Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>), bedarf keiner abschließenden Bewertung. Denn jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang ist der bekundete Wille der herausgebenden Stelle maßgeblich. Sie bestimmt, wen sie als "Dritten" ansieht.

164

Die "Third Party Rule" ist dabei nicht als ein absolutes Verbot der Weitergabe von Informationen zu verstehen, sondern als ein Verbot mit Zustimmungsvorbehalt. Die übermittelnde Stelle behält sich in der Sache ein Informationsbeherrschungsrecht vor (vgl. Singer, Praxiskommentar zum PKGrG, 2016, § 6 Rn. 11 f.). Das Einverständnis der übermittelnden Stelle kann daher die Weitergabe legitimieren. Korrespondierend zum Vertrauensschutz trifft im Konfliktfall den Empfängerstaat - hier die Bundesrepublik Deutschland - eine Verpflichtung, sich um ein Einverständnis zu bemühen (vgl. Federal Court of Canada, Charkaoui (Re), 2009 FC 476, [2010] 3 F.C.R. 102, Rn. 21; Gazeas, Übermittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse an Strafverfolgungsbehörden, 2014, S. 373 f.; Roach, in: Supreme Court Law Review 47 [2009], S. 147 <164>).

165

(2) Bei der "Third Party Rule" handelt es sich jedenfalls um eine allgemein anerkannte Verhaltensregel der internationalen Kooperation im Sicherheits- und Nachrichtendienstbereich (vgl. Federal Court of Canada, Charkaoui (Re), 2009 FC 476, [2010] 3 F.C.R. 102, Rn. 17 ff.; Ajluni v. FBI, 947 F. Supp. 599 [N.D.N.Y. 1996] mit Verweis auf Ajluni v. FBI, No. 94-CV-325, 1996 WL 776996 [N.D.N.Y. July 13, 1996]). Sie ist in Art. 4 Buchstabe d und Art. 5 Buchstabe b Geheimschutzabkommen zwischen EU und NATO (ABl EU L Nr. 80 vom 27. März 2003, S. 36 ff.) ausdrücklich erwähnt. Sie findet sich auch im nationalen Recht in § 6 Abs. 1 PKGrG wieder, wonach die Verfügungsberechtigung der Bundesregierung und der deutschen Nachrichtendienste in der Regel fehlt, wenn es sich um Informationen handelt, die den Nachrichtendiensten von ausländischen Behörden übermittelt worden sind (zur wortgleichen Regelung des § 2b a.F. PKGrG vgl. BTDrucks 14/539, S. 7). Auch entspricht es der Praxis deutscher Dienste, bei Übermittlungen an ausländische Dienste auf die "Third Party Rule" hinzuweisen (vgl. BTDrucks 17/11296, S. 9).

166

Die Einhaltung wird nicht durch Rechtszwang, sondern als selbstverständliche Geschäftsgrundlage im Bereich sicherheitssensibler beziehungsweise nachrichtendienstlicher Kooperation durch das gegenseitige Interesse an der Vertraulichkeit und institutionellen Verlässlichkeit rein faktisch gewahrt (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <904>; Wills/Born, in: Born/Leigh/Wills, International Intelligence Cooperation and Accountability, 2011, S. 277 <283>).

167

cc) Nach dem Willen der Vereinigten Staaten von Amerika, dem die Antragsgegnerin zu 1. ausweislich ihres vorprozessualen und prozessualen Vorbringens unwidersprochen folgt, ist der Untersuchungsausschuss als "Dritter" anzusehen, die Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an ihn nicht vom Übermittlungszweck umfasst und daher von der Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika abhängig. Einer Auslegung dahingehend, dass die Nachrichtendienste sowohl der Vereinigten Staaten von Amerika als auch der Bundesrepublik Deutschland der Kontrolle durch übergeordnete Stellen und durch von den Parlamenten eingesetzte spezielle Kontrollorgane unterlägen und folglich diese Kontrollinstanzen grundsätzlich nicht als "Dritte" anzusehen seien, steht der bekundete Wille der Vereinigten Staaten von Amerika entgegen. Die Antragsgegnerin zu 1. hat sich um die Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Weitergabe der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss bemüht, diese aber nicht erhalten.

168

b) Die der Antragsgegnerin zu 1. obliegende Einschätzung, durch eine nicht konsentierte Herausgabe würden die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit ihre außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, hält der verfassungsgerichtlichen Kontrolle stand.

169

aa) Die tatsächliche und rechtliche Wertung der Antragsgegnerin zu 1. bei der Annahme, die Weitergabe der NSA-Selektorenlisten könne institutions- und aufgabenbezogene Gefährdungen zur Folge haben, stellt eine politische Einschätzung des Verhältnisses zu ausländischen Nachrichtendiensten und Partnerstaaten dar, die angesichts des Einschätzungs- und Prognosespielraums der Bundesregierung nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.

170

Die Weite des Ermessens im auswärtigen Bereich hat ihren Grund darin, dass die Gestaltung auswärtiger Verhältnisse und Geschehensabläufe nicht allein vom Willen der Bundesrepublik Deutschland bestimmt werden kann, sondern vielfach von Umständen abhängig ist, die sich ihrer Bestimmung entziehen. Um es zu ermöglichen, die jeweiligen politischen Ziele der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des völkerrechtlich und verfassungsrechtlich Zulässigen durchzusetzen, gewährt das Grundgesetz den Organen der auswärtigen Gewalt einen weiten Spielraum bei der Einschätzung außenpolitisch erheblicher Sachverhalte wie der Zweckmäßigkeit möglichen Verhaltens (vgl. BVerfGE 55, 349 <365>; vgl. auch BVerfGE 40, 141 <178 f.>).

171

bb) Die Antragsgegnerin zu 1. hat plausibel dargelegt, dass Nachrichtendienste zur Gewährleistung eines wirksamen Staats- und Verfassungsschutzes zusammenarbeiten müssen. Zwischen den deutschen und US-amerikanischen Nachrichtendiensten besteht im Hinblick auf Intelligence-Fähigkeiten eine wechselseitige Abhängigkeit (vgl. Daun, Auge um Auge? - Intelligence-Kooperation in den deutsch-amerikanischen Beziehungen, 2011, S. 128 ff., 141 ff.; 172 f.). Auf deutscher Seite wird - vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus und der Gefährdung durch Cyberattacken - die internationale Kooperation im Allgemeinen als von "überragender Bedeutung" (vgl. Verfassungsschutzbericht 2015, S. 18; Verfassungsschutzbericht 2014, S. 16) und die Partnerschaft zu den Vereinigten Staaten von Amerika im Besonderen als "unverzichtbar" (vgl. Abschlussbericht des BND-Untersuchungsausschusses BTDrucks 16/13400, S. 58 f., 351 f.) bewertet.

172

Diese Zusammenarbeit wird beeinträchtigt, wenn unter Missachtung einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit Informationen an Dritte bekannt gegeben werden, etwa weil der Begriff des "Dritten" entgegen der Sichtweise der herausgebenden Stelle ausgelegt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 -, juris, Rn. 11).

173

Dagegen wird angeführt, das Argument der Geheimhaltungsbedürftigkeit werde in seiner Reichweite überbetont. Die parlamentarische Kontrolle gehöre zum Nachrichtendienst genauso wie die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>; B. Huber, NVwZ 2015, S. 1354 <1357>). Die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten überwiege keinesfalls stets gegenüber der parlamentarischen Kontrolle. Im Kollisionsfall könne der Konflikt vielmehr auch dazu führen, dass die Zusammenarbeit geändert oder eingestellt werden müsse (vgl. Wolff, JZ 2010, S. 173 <180>; siehe auch Möllers, Gutachterliche Stellungnahme in der Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 25. Mai 2009 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 45d), A-Drucks 16(4)614 D, S. 4).

174

Dies lässt außer Acht, dass damit der langfristige Verlust wesentlicher außen- und sicherheitspolitischer Erkenntnisse einhergehen kann, ohne die die Aufklärung verfassungsfeindlicher, sicherheitsgefährdender und terroristischer Aktivitäten nicht mehr in gleichem Umfang geleistet werden könnte (vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, Rn. 712). Selbst wenn man im Hinblick auf die Folgenschwere eines Vertrauensbruchs relativierend davon ausginge, dass sich Tätigkeiten eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nur vorübergehend auf den Umfang des internationalen Informationsaustauschs auswirkten (so B. Huber, NVwZ 2015, S. 1354 <1356>), wäre hiermit eine nicht hinzunehmende temporäre Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit eine Sicherheitslücke nahe liegend. Schließlich haben die Antragsgegner nachvollziehbar dargelegt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bereits Konsequenzen gezogen und für den Fall der Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an den NSA-Untersuchungsausschuss weitere Folgen angekündigt haben. Angesichts einer solchermaßen konkretisierten Gefährdungslage für die äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sind zugleich im Staatswohl gründende Geheimhaltungsinteressen berührt.

175

Da die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit die Gefährdung der Staatssicherheit bereits durch eine nicht konsentierte Vorlage der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss erfolgten, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf an, ob das Risiko des Bekanntwerdens der NSA-Selektorenlisten nach Übermittlung an den Untersuchungsausschuss über das bei allen drei Gewalten nicht auszuschließende Risiko (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <139>) tatsächlich hinausgeht. Die von den Antragsgegnern vorgelegte Zusammenstellung von Presseveröffentlichungen kann jedenfalls keinen Nachweis für einen mangelnden Geheimnisschutz im und durch den Untersuchungsausschuss erbringen. Angesichts dieser Veröffentlichungen erscheint der Geheimnisschutz vielmehr generell nicht hinreichend gewährleistet.

176

3. Das Interesse an der Erhaltung der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesregierung überwiegt das Recht des Untersuchungsausschusses auf Herausgabe der NSA-Selektorenlisten.

177

a) Im Rahmen der Abwägung der konfligierenden Interessen ist zu berücksichtigen, dass das Vorlageersuchen bezüglich der NSA-Selektorenlisten ein mehrpoliges Rechtsverhältnis betrifft. Denn das Verlangen des Untersuchungsausschusses berührt auch originäre Belange und Geheimhaltungsinteressen der Vereinigten Staaten von Amerika. Das Grundgesetz, das durch den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit (vgl. BVerfGE 111, 307 <317 f.>; 112, 1 <26>; 123, 267 <344, 347>) und internationalen Offenheit (vgl. BVerfGE 92, 26 <48>) geprägt ist, begnügt sich nicht damit, die innere Ordnung des deutschen Staates festzulegen, sondern bestimmt auch in Grundzügen sein Verhältnis zur Staatengemeinschaft. Insofern geht es von der Notwendigkeit einer Abgrenzung und Abstimmung mit anderen Staaten und Rechtsordnungen aus (vgl. BVerfGE 100, 313 <362>). Die Beurteilungs- und Handlungsfreiheit der Antragsgegnerin zu 1. ist angesichts der zwischenstaatlichen Beziehungen eingeschränkt; eine ausschließliche Verfügungsbefugnis über die NSA-Selektorenlisten fehlt ihr aufgrund der völkerrechtlichen Vereinbarungen und Absprachen. Insoweit unterscheidet sich das Handeln der auswärtigen Gewalt von rein innerstaatlichen Sachverhalten.

178

b) Zudem besteht die Gefahr des Entstehens eines kontrollfreien Raumes und damit eines völligen Ausschlusses des Parlaments von jeglicher Information hier nicht. Dem Untersuchungsausschuss wurde nicht der gesamte Sachverhaltskomplex der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit von NSA und BND im Rahmen des Projekts der Joint SIGINT Activity vorenthalten. Die Antragsgegner haben dem Vorlageersuchen in Abstimmung mit dem Untersuchungsausschuss vielmehr durch andere Verfahrensweisen so präzise, wie es ohne eine Offenlegung von Geheimnissen möglich war, Rechnung getragen.

179

Sie haben dem Untersuchungsausschuss Auskünfte zu den Schwerpunkten der Zusammenarbeit von BND und NSA, zum Inhalt und zur Zusammenstellung der Selektoren, zur Filterung der Selektoren durch den BND sowie zur Anzahl der abgelehnten Selektoren erteilt. Sie haben unter anderem ein schriftliches Testat des BND zu den Erkenntnissen über die NSA-Selektorenlisten vorgelegt.

180

Weiterhin hat die Antragsgegnerin zu 1. dem Untersuchungsausschuss vorgeschlagen, eine sachverständige Vertrauensperson einzusetzen, welche die NSA-Selektorenlisten zu untersuchen und dem Untersuchungsausschuss über die Prüfungsergebnisse Bericht zu erstatten hat. Der Untersuchungssauschuss hat die Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson als sachgerecht bewertet (Ausschussdrucksache 385, Ziffer 1) und die zu beauftragende sachverständige Vertrauensperson benannt. Er hat einen Fragenkatalog erstellt (Ausschussdrucksache 385, Ziffer 5) und in Gesprächen mit der sachverständigen Vertrauensperson Kriterien, Schwerpunkte und Fragestellungen des Berichts festgelegt. Der Bericht der sachverständigen Vertrauensperson bietet schon in seiner offenen Fassung eine Grundlage für die Bewertung von Art und Umfang der nachrichtendienstlichen Kooperation und der Verstöße gegen deutsche Interessen und gegen deutsches Recht. Er ist statistisch aufbereitet und soweit wie möglich konkret formuliert. Die Auswertung der Selektorenlisten erfolgt durch eine Beschreibung der Selektorentypen, der technischen Struktur der Selektoren und ihrer Permutationen sowie der Anzahl der abgelehnten Selektoren unter abstrakter Benennung der betroffenen Ziele - wie etwa Deutsche Vertretungen im Ausland, Regierungseinrichtungen und staatliche Stellen in EU-Staaten, Institutionen der EU, Mitglieder europäischer Regierungen sowie deren Mitarbeiter und Parlamentsabgeordnete. Soweit es um die konkrete Benennung, das heißt um die namentliche Erwähnung der als Erfassungsziele betroffenen natürlichen oder juristischen Personen sowie Institutionen und staatlichen Einrichtungen geht, ist deren Kenntnis durch den Untersuchungsausschuss eher von allgemeinem politischem Interesse, für die Erfüllung des Untersuchungsauftrags und damit für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns aber nicht in einem Maße zentral, um gegenüber den Belangen des Staatswohls und der Funktionsfähigkeit der Regierung Vorrang zu beanspruchen.

181

4. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. haben ihrer verfassungsrechtlichen Begründungspflicht hinreichend Rechnung getragen. Sie haben das Bestehen von Geheimhaltungsgründen bei der Vorlageverweigerung in der Gesamtschau schriftlich und mündlich substantiiert begründet.

182

a) Zwar vermag allein das Argument entgegenstehender völkerrechtlicher Verpflichtungen die Verweigerung einer Vorlage an den Untersuchungsausschuss nicht unmittelbar zu begründen (vgl. Rn. 112). Das Völkervertragsrecht ist wie auch das Völkergewohnheitsrecht innerstaatlich nicht mit dem Rang des Verfassungsrechts ausgestattet. Es kann folglich nicht unmittelbar dem Vorlageersuchen des Untersuchungsausschusses entgegengehalten werden. Allerdings ist zu beachten, dass die Antragsgegner die Nichtvorlage weitergehend mit den Folgen eines Verstoßes gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen für die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit für die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland begründet haben. Sie sehen durch eine Vorlage der NSA-Selektorenlisten die eigenverantwortliche und funktionsgerechte Wahrnehmung der ihnen von Verfassung wegen übertragenen Aufgaben gefährdet.

183

Die in dem Ablehnungsschreiben vom 17. Juni 2015 angeführte Begründung, eine Weitergabe ohne Zustimmung der US-Regierung stelle einen Verstoß gegen das geltende Geheimschutzabkommen dar, erweist sich zunächst als nicht hinreichend konkret, da sie ohne Wiedergabe der oder Bezugnahme auf die maßgeblichen Bestimmungen erfolgte. Auch wird das gemeinsame Verständnis der Vertragsparteien von den Bestimmungen, mithin deren Auslegung nicht nachvollziehbar dargelegt.

184

Nimmt man jedoch zusätzlich das dem Ablehnungsschreiben vorangegangene Informationsverhalten der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. in den Blick, so wurde der Untersuchungsausschuss detailliert über die Notwendigkeit zur Einholung der Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika im Wege eines Konsultationsverfahrens aufgeklärt. Dem Untersuchungsausschuss wurden das Geheimschutzabkommen und das MoA zur Kenntnis gegeben; die Fragen der Auslegung und Anwendung wurden mehrmals ausführlich in Ausschusssitzungen erörtert.

185

Die Antragsgegner haben gegenüber dem Untersuchungsausschuss auch dargelegt, dass und wie sie sich um die Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika bemüht haben, und ihn über die Durchführung und das Ergebnis des Konsultationsverfahrens laufend informiert. Sie haben damit ausreichende Transparenz gewährleistet und den Untersuchungsausschuss in das Verfahren eingebunden.

186

Sie haben gegenüber dem Untersuchungsausschuss auch glaubhaft gemacht, dass - wie sich in der jüngeren Vergangenheit gezeigt hat - Verstöße gegen den Zustimmungsvorbehalt erhebliche Auswirkungen auf die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit haben, indem der gegenseitige Austausch von Erkenntnissen eingeschränkt oder gänzlich eingestellt wird. Ferner haben sie anhand der Reaktionen und Stellungnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen des Konsultationsverfahrens und der von den Vereinigten Staaten von Amerika angekündigten Konsequenzen nachvollziehbar dargelegt, dass eine Herausgabe Beeinträchtigungen der nachrichtendienstlichen Beziehungen und ihrer außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit erwarten lässt sowie schließlich zu Gefahren für die äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland führen kann.

187

b) Die Antragsgegner haben zudem zur Plausibilisierung und Überzeugung im sogenannten Vorsitzendenverfahren und in Obleutebesprechungen Auskünfte erteilt.

188

Das sogenannte Vorsitzendenverfahren ist ein Mittel zur möglichen Plausibilisierung der verweigerten Erfüllung des Informationsanspruchs des Untersuchungsausschusses (zum Vorsitzendenverfahren vgl. BVerfGE 67, 100 <138 f.>; 77, 1 <56>; 124, 78 <139 f.>). Es dient dazu, dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter durch die entsprechende Information die Überzeugung zu vermitteln, dass die Zurückhaltung der Information durch die Regierung berechtigt ist. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter können ihrerseits den anderen Ausschussmitgliedern ihre Überzeugung von der Rechtmäßigkeit der Zurückhaltung der Information kommunizieren. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 18 PUAG erkennt der Gesetzgeber das Vorsitzendenverfahren als eine Möglichkeit zur Lösung eines Konfliktfalles an. Von der Normierung der Einzelschritte bei einem Ersuchen auf Vorlage von Beweismitteln und insbesondere der Festschreibung des Vorsitzendenverfahrens hat er abgesehen, um unter anderem den Beteiligten Freiraum für geeignete Schritte zu Lösungen im Konfliktfalle zu eröffnen (vgl. BTDrucks 14/5790, S. 17).

189

Allerdings ist im Hinblick auf das Enqueterecht der parlamentarischen Opposition die gebotene Neutralität des Verfahrens nicht gewährleistet, wenn der Vorsitzende wie auch sein Stellvertreter einer die Regierungskoalition bildenden Partei angehören (vgl. BVerfGE 124, 78 <139 f.>). Der Benachteiligung der oppositionellen Ausschussmitglieder durch das Vorsitzendenverfahren kann durch das - von den Antragsgegnern ebenfalls initiierte - Obleuteverfahren begegnet werden, an dem die Obleute jeder im Ausschuss vertretenen Fraktion beteiligt sind (vgl. Peters, Untersuchungsausschussrecht, 2012, S. 126 f. Rn. 211; Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz, 2003, S. 233). Das Obleuteverfahren ist dabei nicht nur bloße Parlamentspraxis, sondern hat seinen gesetzlichen Niederschlag in § 4 Abs. 1 Satz 3 und § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz vom 18. März 2005 [BGBl I S. 775]) gefunden.

D.

190

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Untersuchungsausschuss ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist. Er gilt solange als beschlussfähig, wie nicht auf Antrag die Beschlussunfähigkeit festgestellt wird.

(2) Ist die Beschlussunfähigkeit festgestellt, so unterbricht der oder die Vorsitzende sofort die Sitzung auf bestimmte Zeit. Ist der Untersuchungsausschuss auch nach Ablauf dieser Zeit noch nicht beschlussfähig, so ist unverzüglich eine neue Sitzung anzuberaumen. In dieser Sitzung ist der Untersuchungsausschuss beschlussfähig, auch wenn nicht die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist; hierauf ist in der Einladung hinzuweisen.

(3) Bei Beschlussunfähigkeit darf der Untersuchungsausschuss keine Untersuchungshandlungen durchführen.

(4) Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, beschließt der Untersuchungsausschuss mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 ARs 23/10
vom
17. August 2010
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
__________________
Ob im Rahmen der Beweiserhebung eines Untersuchungsausschusses die Gegenüberstellung
von Zeugen durchzuführen ist, entscheidet gemäß § 9 Abs. 4
Satz 1, § 24 Abs. 2 PUAG der Untersuchungsausschuss mit der Mehrheit der
abgegebenen Stimmen abschließend. Das Untersuchungsausschussgesetz
räumt der qualifizierten Minderheit von einem Viertel der Mitglieder nicht die
Befugnis ein, gegen den Willen der Ausschussmehrheit die Gegenüberstellung
durchzusetzen oder die Entscheidung der Mehrheit gerichtlich überprüfen zu
lassen.
BGH, Beschl. vom 17. August 2010 - 3 ARs 23/10
in dem Verfahren
der Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Verteidigungsausschusses
als 1. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages
, bestehend aus den Abgeordneten
- Antragstellerin -
gegen
den Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode
des Deutschen Bundestages,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
- Antragsgegner -
Verfahrensbevollmächtigter:
wegen: AntragaufDurchführung einer Gegenüberstellung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. August 2010 beschlossen
:
Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe:


1
Mit ihren Anträgen auf gerichtliche Entscheidung will die Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Verteidigungsausschusses als 1. Untersu- chungsausschuss der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages eine Gegenüberstellung des Bundesministers der Verteidigung Dr. Freiherr zu Guttenberg mit den Zeugen Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan erzwingen, die von der Ausschussmehrheit als unzulässig abgelehnt worden ist. Die Anträge bleiben ohne Erfolg.

I.

2
In der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 veranlasste der militärische Leiter des Provinz-Wiederaufbauteams (PRT) in Kunduz (Afghanistan) einen Luftangriff auf zwei Tanklastwagen, die entführt worden waren und auf einer Sandbank im Fluss Kunduz feststeckten. Dieser Luftschlag führte zu einer Vielzahl von Todesopfern.
3
Auf der Grundlage der Ausschussdrucksache 17(12)120 konstituierte sich zur Aufklärung des Luftangriffs selbst und zum jeweiligen Informationsstand über den Luftangriff innerhalb der Bundesregierung und der Bundeswehr in der 7. Sitzung des Verteidigungsausschusses vom 16. Dezember 2009 gemäß Art. 45a Abs. 2 GG der 1. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages. Dieser hat den Auftrag, den Luftangriff selbst, die diesbezügliche Aufklärungs- und Informationspraxis der Bundesregierung sowie die Vereinbarkeit der beim Luftangriff gewählten Vorgehensweise mit nationalen und internationalen politischen, rechtlichen und militärischen Vorgaben für den Einsatz in Afghanistan umfassend zu untersuchen und dabei u. a. zu klären, welche Informationen über den Luftangriff zu welchem Zeitpunkt an die politische Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung weitergegeben wurden (Frage 2 des Untersuchungsauftrags), auf welcher Informationsgrundlage der frühere Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung und sein Nachfolger Dr. Frei- herr zu Guttenberg ihre öffentlichen Bewertungen des Angriffs vornahmen (Frage 3 des Untersuchungsauftrags) und ob durch die Bundesregierung falsch oder unvollständig über die Militäraktion informiert wurde (Frage 5 des Untersuchungsauftrags ).
4
In der Folgezeit vernahm der Untersuchungsausschuss eine Vielzahl von Zeugen vorwiegend in öffentlicher Sitzung. Die öffentlichen Vernehmungen der zentralen Zeugen wurden in der Reihenfolge General a. D. Schneiderhan - Staatssekretär a. D. Dr. Wichert - Bundesminister Dr. Freiherr zu Guttenberg am 18. März 2010 und 22. April 1010 durchgeführt.
5
Die Vertreter der Minderheit im Untersuchungsausschuss beantragten - nach zwischenzeitlicher Zurücknahme eines gleichlautenden Antrags vom 17. Mai 2010 - am 14. Juni 2010 eine Vernehmungsgegenüberstellung der Zeugen General a. D. Schneiderhan und Staatssekretär a. D. Dr. Wichert mit Bundesverteidigungsminister Dr. Freiherr zu Guttenberg zur Klärung von Widersprüchen in den Aussagen dieser Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss, die in der Beratungsunterlage 17-220 vom 14. Juni 2010 unter III. im Einzelnen dargestellt wurden. Der Antrag wurde in der 23. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 17. Juni 2010 mit den Stimmen von 18 Abgeordneten der Fraktionen von CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen von 15 Abgeordneten der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE abgelehnt , weil die Gegenüberstellung unzulässig sei. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, eine Vernehmungsgegenüberstellung, die nur ausnahmsweise in Betracht komme, sei zur Sachaufklärung des Untersuchungsgegenstandes nicht geboten, sie solle vielmehr aus rein parteipolitischen Motiven durchgeführt werden, um ein "Spektakel Guttenberg" zu inszenieren.
6
Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Klärung der in den Vernehmungen der drei zentralen Zeugen aufgetretenen Widersprüche betreffe den Kern des Untersuchungsauftrages, verlässliche Informationen als Grundlage für die Benennung politischer Verantwortlichkeit zu erlangen. Die Gegenüberstellung stelle im Vergleich zum bloßen Vorhalt die einzig geeignete und wirksame Methode dar, um die sich widersprechenden Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen und damit dem Untersuchungszweck gerecht zu werden. Der Untersuchungsausschuss habe durch die Ablehnung der zulässigen und gebotenen Vernehmungsgegenüberstellung neben dem Verfassungsgebot der Effektivität parlamentarischer Untersuchungsverfahren das verfassungsrechtliche Recht der Ausschussminderheit auf angemessene Beteiligung an der Sachaufklärung in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise nachhaltig verletzt. Die Ausschussminderheit habe einen gesetzlichen Anspruch auf Durchführung der Vernehmungsgegenüberstellung. Über das positiv formulierte Recht der qualifizierten Minderheit auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses hinaus sei dieser auch hinsichtlich des Beweisverfahrens die "maßgebliche Geltungsmacht" zuzuerkennen.
7
Die Antragstellerin beantragt festzustellen, 1. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß § 45a Abs. 2 GG der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages mit seinem Beschluss vom 17. Juni 2010, den Antrag der Minderheit auf Durchführung einer Vernehmungsgegenüberstellung (Beratungsunterlage 17-220) als unzulässig abzulehnen, gegen § 24 Abs. 2 i. V. m. § 17 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG) verstoßen hat, 2. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß § 45a Abs. 2 GG der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG verpflichtet ist, die Reihenfolge der Vernehmung der Zeugen so festzulegen, dass am 30. September 2010 die von der Minderheit mit Beratungsunterlage 17-220 begehrte Vernehmungsgegenüberstellung durchgeführt wird, hilfsweise festzustellen, 1. dass die mit Beratungsunterlage 17-220 beantragte Vernehmungsgegenüberstellung zulässig ist im Sinne von § 24 Abs. 2 PUAG und 2. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß § 45a Abs. 2 GG der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages verpflichtet ist, die zulässige Vernehmungsgegenüberstellung in einer durch den Ausschuss festzulegenden Sitzung zur Beweisaufnahme durchzuführen.
Der Antragsgegner beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
8
Der Antragsgegner bezweifelt die Zulässigkeit der beim Bundesgerichtshof gestellten Anträge, weil es sich im Kern um eine verfassungsgerichtliche Streitigkeit handele, für die das Bundesverfassungsgericht zuständig sei. Er meint, die Vernehmungsgegenüberstellung sei zur Beseitigung der in den Zeugenaussagen aufgetretenen Ungereimtheiten nicht geeignet und deshalb für den Untersuchungszweck nicht geboten, sodass er diese zu Recht mit der Mehrheit der Stimmen zurückgewiesen habe. Die von der Antragstellerin behaupteten Widersprüche in den Zeugenaussagen seien nicht relevant; diese wolle vermeintliche Minderheitenrechte für parteipolitische Zwecke missbrauchen. Bei der Vernehmungsgegenüberstellung handele es sich um die Modalität der Zeugenvernehmung und damit eine Verfahrensfrage, für die das PUAG keinen Minderheitenschutz vorsehe. Auch ein unmittelbar aus Art. 44 GG hergeleiteter Minderheitenschutz komme nicht in Betracht, weil die Mehrheitsfraktionen den Antrag der Minderheit auf Gegenüberstellung mit einleuchtenden Sachargumenten zurückgewiesen hätten.
9
Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze verwiesen.

II.

10
Die Anträge der Minderheit des Untersuchungsausschusses sind zulässig , aber unbegründet.
11
1. Zulässigkeit der Anträge
12
a) Der Bundesgerichtshof ist gemäß § 36 Abs. 1 PUAG für die Entscheidung des Streits über die Vernehmungsgegenüberstellung zwischen der Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss und dem Untersuchungsausschuss selbst zuständig, weil eine Streitigkeit im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages vorliegt und eine vorrangige Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für das Begehren der Antragstellerin nicht besteht.
13
b) Die Antragstellerin ist im vorliegenden Organstreitverfahren als antragsberechtigt anzusehen (vgl. Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 2005, § 28 Rn. 32). Sie ist in mehreren Vorschriften des PUAG (vgl. § 8 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4, § 18 Abs. 3 und 4 Satz 2, § 27 Abs. 2, § 29 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 PUAG) mit eigenen Rechten ausgestattet und macht geltend, sie sei durch die Ablehnung der von ihr beantragten Vernehmungsgegenüberstellung durch die Ausschussmehrheit in ihren Rechten als qualifizierte Ausschussminderheit von einem Viertel des Untersuchungsausschusses verletzt. Ob sie durch die Ablehnung in ihren Rechten verletzt und deswegen tatsächlich befugt ist, den Bundesgerichtshof anzurufen, ist eine Frage der Begründetheit.
14
2. Begründetheit der Anträge
15
Die Anträge sind unbegründet. Die Vernehmungsgegenüberstellung eines Zeugen mit anderen Zeugen betrifft die Art und Weise der Beweisaufnahme. Über die Frage, ob sie gemäß § 24 Abs. 2 PUAG für den Untersuchungszweck geboten und zur Sachverhaltsaufklärung zweckmäßig ist, entscheidet der Untersuchungsausschuss mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 9 Abs. 4 PUAG). Seine qualifizierte Minderheit von einem Viertel der Mitglieder ist nicht befugt, die von der Ausschussmehrheit getroffene Entscheidung vom Bundesgerichtshof rechtlich überprüfen zu lassen. Eine Antragsberechtigung der Antragstellerin sieht das Untersuchungsausschussgesetz nach seinem Wortlaut insoweit nicht vor. Sie ist ihm auch im Wege der Auslegung nicht zu entnehmen. Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Einzelnen :
16
a) Durch das Recht zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses erhält das Parlament die Möglichkeit, unabhängig von Regierung, Behörden und Gerichten mit hoheitlichen Mitteln, wie sie sonst nur Gerichten und besonderen Behörden zur Verfügung stehen, selbständig solche Sachverhalte aufzuklären , die es in Erfüllung seines Verfassungsauftrags als Vertretung des Volkes für aufklärungsbedürftig hält. Aufgabe eines Untersuchungsausschusses ist es, das Parlament bei seiner Arbeit zu unterstützen und seine Entscheidungen vorzubereiten. Das Schwergewicht seiner Untersuchungen liegt dabei in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung, insbesondere in der Aufklärung von in den Verantwortungsbereich der Regierung und ihrer Mitglieder fallender Vorgänge, die Missstände vermuten lassen. Da in der parlamentarischen Demokratie die Regierung regelmäßig von der Parlamentsmehrheit getragen wird, sind Untersuchungsausschüsse in erster Linie ein politisches Instrument der Opposition, als Minderheit die Regierungsarbeit zu kontrollieren (BVerfG, Beschluss vom 2. August 1978 - 2 BvK 1/77, BVerfGE 49, 70, 85 f.; BayVerfGH, Entscheidung vom 10. Oktober 2006 - Vf. 19-IVa-06, BayVBl 2007, 171; vgl. auch Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz, 1. Aufl., S. 28 f.).
17
Im parlamentarischen Regierungssystem ist das Untersuchungsverfahren als Aufklärungsinstrument im Rahmen der politischen Kontroverse angelegt (BVerfG, Urteil vom 2. August 1978 - 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197, 225 f.). Es geht um die Feststellung eines objektiven Sachverhalts mit parlamentarischen Mitteln auf der Grundlage der jeweiligen politischen Interessenlagen zum Zwecke der politischen Bewertung und der Zuweisung politischer Verantwortlichkeit (vgl. BT-Drucks. 7/5924, S. 50 ff., 52 f.). In einem Untersuchungsverfahren besteht daher ein Spannungsverhältnis zwischen der Sachverhaltsaufklärung einerseits und der politischen Auseinandersetzung andererseits (vgl. Wiefelspütz, aaO, S. 29 f. mwN). Seine politische Bedeutung ergibt sich aus dem Vorgang der Sachaufklärung selbst, der Information der Öffentlichkeit über politische Missstände und vor allem der darüber öffentlich ausgetragenen politischen Auseinandersetzung. Da im Untersuchungsverfahren die politische Bewertung im Vordergrund steht und häufig Tatsachen mit Bewertungen eng verknüpft sind, kann es eine vollständige und in jeder Hinsicht objektive Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts nicht gewährleisten (vgl. Rixen, JZ 2002, 435, 438 mwN; Weisgerber, Das Beweiserhebungsverfahren parlamentarischer Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, 2003, S. 164 f.).
18
b) Ein Untersuchungsausschuss ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet , den ihm erteilten Untersuchungsauftrag möglichst effektiv zu erfüllen und alle mit ihm zusammenhängenden Umstände aufzuklären, die für die politische Bewertung von Bedeutung sind (BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11, 15/83, BVerfGE 67, 100, 124; BayVerfGH, Entscheidung vom 10. Oktober 2006 - Vf. 19-IVa-06, BayVBl 2007, 171; Scholz, AöR (1980) 105, 564, 603; Glauben/Brocker, aaO, § 15 Rn. 1). Bei seiner Tätigkeit entscheidet er im Allgemeinen mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen; bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt (§ 9 Abs. 4 PUAG). Damit gilt das in der parlamentarischen Demokratie konstitutive Mehrheitsprinzip grundsätzlich auch in dem vom Parlament eingesetzten Untersuchungsausschuss. Anders verhält es sich nur, wenn das Untersuchungsausschussgesetz aus Gründen des Minderheitenschutzes eine abweichende Regelung trifft. Dies ist hinsichtlich der hier in Rede stehenden Frage, ob Zeugen einander gegenüberzustellen sind, indessen nicht der Fall.
19
aa) Allerdings regelt das Untersuchungsausschussgesetz in mehrfacher Hinsicht die Rechte der Ausschussminderheit. Damit insbesondere die im Bundestag in Opposition zur Regierung stehenden Fraktionen ihre Aufgaben sachgerecht erfüllen und auch Vorgänge aufklären lassen können, deren Aufdeckung der Parlamentsmehrheit und der von dieser getragenen Regierung unangenehm sind, werden schon für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses der regelmäßig aus Abgeordneten der Oppositionsparteien bestehenden qualifizierten Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages durch Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 GG und § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 PUAG besondere Befugnisse übertragen. Entsprechend räumt das Untersuchungsausschussgesetz im Interesse einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle der von der Bundestags- und Ausschussmehrheit gestützten Regierung und ihrer Exekutivorgane der qualifizierten Minderheit von einem Viertel (teilweise auch von mehr als einem Drittel; vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2, § 25 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz PUAG) der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses im Rahmen der Arbeit dieses Gremiums vielfältige Rechte ein, die sie unabhängig von der Ausschussmehrheit wahrnehmen und - gegebenenfalls gerichtlich - durchsetzen kann (vgl. § 8 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4, § 18 Abs. 3 und 4 Satz 2, § 27 Abs. 2, § 29 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 PUAG).
20
Vor allem steht der qualifizierten Minderheit von einem Viertel ein Beweisantrags - und Beweiserzwingungsrecht zu. Vom Untersuchungsausschuss sind Beweise zu erheben, wenn sie von mindestens einem Viertel seiner Mitglieder beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der im Untersuchungsausschussgesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar (§ 17 Abs. 2 PUAG). Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gegen die von der Mehrheit beschlossene Reihenfolge der Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages (§ 28 GO-BT) zur Reihenfolge der Reden entsprechend (§ 17 Abs. 3 PUAG), sodass bei der Festlegung der Reihenfolge der Beweiserhebung auch die Vorstellungen der Opposition Berücksichtigung finden (vgl. Beschlussempfehlung Untersuchungsausschussgesetz , BT-Drucks. 14/5790, S. 17). Verweigert ein Zeuge das Zeugnis ohne gesetzlichen Grund oder verweigert eine Person die Herausgabe eines Gegenstandes, die für die Untersuchung von Bedeutung sein kann, kann der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses zur Erzwingung des Zeugnisses oder der Herausgabe die Haft anordnen (§ 27 Abs. 2, § 29 Abs. 2 Satz 2 PUAG). Werden als Beweismittel in Betracht kommende Gegenstände nicht freiwillig vorgelegt, so entscheidet nach § 29 Abs. 3 Satz 1 PUAG auf Antrag derselben qualifizierten Minderheit der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs über die Beschlagnahme und die Herausgabe an den Untersuchungsausschuss. Widerspricht eine Person, die über ein Beweismittel verfügungsberechtigt ist, der Aufhebung des Geheimhaltungsgrades GEHEIM durch den Untersuchungsausschuss , so hat die Aufhebung zu unterbleiben, wenn nicht der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf Antrag eines Viertels der Ausschussmitglieder sie für zulässig erklärt. Ergänzt wird dies durch die Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz PUAG, wonach die Zurückweisung der Frage an einen Zeugen einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Ausschusses bedarf. Durch diese Rechte wird die Minderheit im Unter- suchungsausschuss in die Lage versetzt, eine möglichst umfassende Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts durchzusetzen (vgl. BayVerfGH Entscheidung vom 10. Oktober 2006 - Vf. 19-IVa-06, BayVBl 2007, 171; Klein in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 44 Rn. 197 - Stand August 2005).
21
bb) Entsprechende Befugnisse einer qualifizierten Ausschussminderheit zur Erzwingung der Gegenüberstellung von Zeugen sieht das Untersuchungsausschussgesetz hingegen nicht vor.
22
Gemäß § 24 Abs. 2 PUAG ist die Gegenüberstellung zulässig, wenn es für den Untersuchungszweck geboten ist. Dies ist der Fall, wenn ihre Durchführung wegen widersprüchlicher Aussagen von Zeugen zur Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts beitragen kann. Zweck einer Vernehmungsgegenüberstellung im Untersuchungsverfahren ist es, Widersprüche zwischen den Aussagen von Zeugen durch Rede und Gegenrede, Fragen und Vorhalte zu klären. Der Untersuchungsausschuss ist aber nicht verpflichtet, eine für den Untersuchungszweck gebotene Gegenüberstellung anzuordnen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 PUAG, der eine solche Gegenüberstellung lediglich für zulässig erklärt, ohne ihre Durchführung zum Zwecke der Aufklärung allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen zur Pflicht zu machen. Entgegen der Meinung der Antragstellerin kann eine Pflicht des Untersuchungsausschusses zur Gegenüberstellung nicht daraus abgeleitet werden, dass diese für den Untersuchungszweck geboten und die einzig geeignete Methode zur Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts ist. Wenn der Gesetzgeber den Untersuchungsausschuss in diesem Fall zu einer solchen Gegenüberstellung hätte verpflichten wollen, hätte er § 24 Abs. 2 PUAG etwa wie folgt formuliert: "Eine Gegenüberstellung mit anderen Zeugen ist durchzuführen, wenn es für den Untersuchungszweck geboten ist."
23
Ob eine Gegenüberstellung durchzuführen ist, entscheidet gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG die Ausschussmehrheit. Deren Entscheidung ist abschließend. Das Untersuchungsausschussgesetz enthält keine Bestimmung, die der qualifizierten Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses die Befugnis einräumt, gegen den Willen der Ausschussmehrheit die Gegenüberstellung durchzusetzen oder die Entscheidung der Mehrheit gerichtlich überprüfen zu lassen.
24
Dem § 24 Abs. 2 PUAG lässt sich derartiges nicht entnehmen; es kann auch nicht aus sonstigen Vorschriften, insbesondere aus § 17 Abs. 2 und Abs. 4 PUAG, hergeleitet werden. Diese Vorschriften bestimmen, dass Beweise zu erheben sind, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, und diese qualifizierte Minderheit auf gerichtliche Entscheidung antragen kann, wenn die Mehrheit eine Beweiserhebung dennoch ablehnt. Der auf die Durchführung einer Gegenüberstellung gerichtete verfahrensgegenständliche Antrag ist kein Beweisantrag im Sinne dieser Vorschrift , weil er nicht die Vernehmung der Zeugen Bundesverteidigungsminister Dr. Freiherr zu Guttenberg, Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan, die bereits vernommen worden sind, zu einer bestimmten Beweisbehauptung zum Gegenstand hat. Vielmehr zielt er als Verfahrensantrag auf die nochmalige Durchführung der Vernehmung in der bestimmten Art und Weise der Vernehmungsgegenüberstellung als besonderer Form der Zeugenvernehmung ab (Brocker, BayVBl. 2007, 173, 174; vgl. für den Strafprozess auch KK-Senge, StPO, 6. Aufl. § 58 Rn. 7; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. § 58 Rn. 8, 10).
25
Die eindeutige gesetzliche Regelung im Untersuchungsausschussgesetz , die bei den weniger wichtigen Verfahrensfragen die demokratische Mehrheitsregel vorschreibt, kann auch nicht durch die undifferenzierte Annahme ei- ner "maßgeblichen Geltungsmacht" der Minderheit im Untersuchungsausschuss unterlaufen werden (vgl. Brocker, BayVBl. 2007, 173, 174). Zwar ist der Mitge-staltungsanspruch der qualifizierten Minderheit grundsätzlich dem der Ausschussmehrheit vom Gewicht her gleich zu erachten (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. April 2002 - 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197, 222; Glauben/Brocker, aaO, § 27 Rn. 5). Jedoch ist es grundsätzlich Sache des einfach-rechtlichen Gesetzgebers , wie er diesen - verfassungsrechtlich in Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten - Anspruch für das Verfahren vor den Untersuchungsausschüssen im Einzelnen ausformt und mit dem an sich auch für die Arbeit dieser Ausschüsse zu respektierenden demokratischen Grundprinzip der Mehrheitsentscheidung zum Ausgleich bringt. Die hierzu erforderliche Grenzziehung hat der Gesetzgeber mit den dargestellten differenzierten Regelungen des Untersuchungsausschussgesetzes zu den Gestaltungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten qualifizierter Minderheiten im Beweiserhebungsverfahren eines Untersuchungsausschusses vorgenommen. Wenn es der qualifizierten Minderheit der Mitglieder des Ausschusses danach verwehrt ist, die Gegenüberstellung von Zeugen durch einen entsprechenden Antrag zu erzwingen und gegebenenfalls auch gerichtlich durchzusetzen, so haben die an das Gesetz gebundenen Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) dies grundsätzlich zu respektieren.
26
Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Gesetzgeber dadurch, dass er in diesem Punkt der Ausschussmehrheit die gerichtlich nicht überprüfbare alleinige Entscheidungskompetenz zugesprochen hat, die Mitgestaltungsbefugnis der qualifizierten Minderheit in einer Weise beschränkt hätte, die mit den aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen nicht mehr in Einklang stünde. Nur in diesem Fall wäre der Senat als Fachgericht berufen zu prüfen, ob nicht unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Prinzipien doch eine Auslegung des Untersuchungsausschussgesetzes entgegen seinem Wortlaut in Betracht käme, die der qualifizier- ten Ausschussminderheit insoweit eigene Gestaltungsrechte und Rechtsschutzmöglichkeiten einräumt; wäre eine derartige verfassungskonforme Auslegung nicht möglich, so wäre die Sache dagegen dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, damit dieses über die Vereinbarkeit von § 24 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 4 PUAG entscheidet (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG). Der Senat hält indes § 24 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG für vereinbar. Hierzu gilt:
27
Die Bestimmungen des Untersuchungsausschussgesetzes zu den Rechten der Ausschussminderheit bleiben in ihrer Gesamtheit nicht hinter dem verfassungsrechtlich zu gewährleistenden Minderheitenschutz zurück (vgl. Glauben /Brocker, aaO, § 27 Rn. 22 f.). Sie enthalten einen angemessenen Ausgleich zwischen dem notwendigen Minderheitenschutz einerseits und dem in der Demokratie grundsätzlich geltenden Mehrheitsprinzip andererseits (vgl. dazu Achterberg/Schulte in: Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44 Rn. 157 ff.). Sie gewährleisten, dass sowohl die Mehrheit als auch die Minderheit des Untersuchungsausschusses ihre Vorstellungen von einer sachgemäßen Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts in angemessener Weise durchsetzen kann. Ein weitergehender Schutz der qualifizierten Ausschussminderheit dadurch, dass ihr über die ausdrücklich im Untersuchungsausschussgesetz geregelten Gestaltungsbefugnisse und Antragsrechte auf gerichtliche Entscheidung hinaus weitere zugestanden werden, ist daher verfassungsrechtlich nicht geboten. Ein allgemeiner Grundsatz, dass der Minderheit im Untersuchungsverfahren - wie die Antragstellerin meint - umfassend die "maßgebliche Geltungsmacht" zuzuerkennen wäre, existiert nicht. Vielmehr bestehen Minderheitenrechte als Ausnahmen von der in der parlamentarischen Demokratie geltenden Regel der Mehrheitsentscheidung auch im Untersuchungsverfahren nur insoweit, als sie sich zwingend aus der Verfassung - oder den diese konkretisierenden einfach- gesetzlichen Regelungen - ergeben (Glauben/Brocker, aaO, § 27 Rn. 2 mwN; Brocker, BayVBl. 2007, 173, 174).
28
Die fehlende Berechtigung der qualifizierten Minderheit, bei der Ablehnung einer Vernehmungsgegenüberstellung den Bundesgerichtshof anrufen zu können, steht vor diesem Hintergrund in Einklang mit dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens. In diesem geht es um die Aufklärung eines Sachverhalts unter politischen Gesichtspunkten, die möglichst zeitnah und zügig geschehen soll. Bei der Beurteilung, ob wegen Widersprüchen in den Aussagen von Zeugen eine Gegenüberstellung zulässig und zweckmäßig ist, sind die politischen Bewertungen der Zeugenaussagen von ausschlaggebender Bedeutung. Diese ist Aufgabe der Mitglieder des Untersuchungsausschusses und nicht der Gerichte, die nur über Rechtsfragen, nicht dagegen über politische Bewertungen zu entscheiden haben.
29
Durch die Ablehnung einer Vernehmungsgegenüberstellung wird das Recht der Ausschussminderheit auf angemessene Beteiligung an der Sachaufklärung nicht in so gravierender Weise eingeschränkt, dass die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend erforderlich wäre; denn der Ausschussminderheit bleiben ausreichende sonstige Möglichkeiten, auf sich widersprechende Zeugenaussagen zu reagieren. So kann sie einem Zeugen regelmäßig die gegenteilige Aussage eines anderen Zeugen vorhalten. Entsprechend wurde im vorliegenden Fall der Bundesverteidigungsminister Dr. Freiherr zu Guttenberg mit den Aussagen der Zeugen Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan konfrontiert. Außerdem stehen die sich widersprechenden Zeugenaussagen für die politische Bewertung zur Verfügung, sodass die Ablehnung einer Gegenüberstellung im Vergleich zu einer abgelehnten Zeugenvernehmung die Interessen der Ausschussminderheit nur in geringem Umfang beeinträchtigt. Weiterhin hat die qua- lifizierte Ausschussminderheit des Untersuchungsausschusses die Möglichkeit, durch Presseerklärungen auf Widersprüche in Zeugenaussagen hinzuweisen, um eine Berichterstattung in den Medien zu ereichen. Sie kann zudem die Begründung , mit der eine Gegenüberstellung abgelehnt worden ist, der interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen, die sich selbst ein Bild von der Überzeugungskraft der Ablehnungsgründe verschaffen kann. Weiterhin kann sie ein Sondervotum (§ 33 Abs. 1 und 2 PUAG) zum Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses erstellen und sich in diesem zu den Widersprüchen in den Zeugenaussagen äußern. Weitergehende Befugnisse sind aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zwingend geboten.
30
3. Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst. Hinsichtlich der Gerichtskosten ist ein Gebührentatbestand nicht ersichtlich, zudem wäre der Bund von der Bezahlung dieser Gebühren befreit. Auch für die Überbürdung der Kosten der an dem Verfahren Beteiligten fehlt es an einer Rechtsgrundlage (vgl. zudem § 35 Abs. 1 PUAG). Einer entsprechenden Anwendung der VwGO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18. Juli 2006 - 3 ARs 27/06 und Beschluss vom 17. Februar 2009 - 3 ARs 24/08) steht im vorliegenden Fall entgegen , dass sich der Untersuchungsausschuss und eine Minderheit seiner Mitglieder als Beteiligte gegenüberstehen. Die Übertragung der Regelungen der §§ 154 ff. VwGO erscheint in dieser einem Organstreit ähnlichen Konstellation grundsätzlich nicht sach- und interessengerecht (vgl. auch § 34a Abs. 3 BVerfGG). Becker Pfister von Lienen Hubert Mayer

Gründe

A.

1

Gegenstand des Organstreitverfahrens sind auf verschiedenen Normebenen angesiedelte Minderheiten- und Oppositionsrechte im Deutschen Bundestag, die von der Antragstellerin überwiegend beschränkt auf die 18. Wahlperiode eingefordert werden.

I.

2

1. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im 18. Deutschen Bundestag können die die Regierung tragenden Fraktionen CDU/CSU und SPD derzeit insgesamt 503 der 630 Sitze auf sich vereinen, während auf die nicht die Bundesregierung tragenden Fraktionen - die Antragstellerin sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - lediglich 127 der 630 Sitze entfallen.

3

2. Damit unterschreitet die Gesamtheit der Abgeordneten der Oppositionsfraktionen die Quoren, die das Grundgesetz für die Ausübung von parlamentarischen Minderheitenrechten vorsieht. Dies betrifft im Einzelnen

4

· das Antragsrecht eines Viertels der Mitglieder des Bundestages auf Erhebung einer Subsidiaritätsklage durch den Bundestag (Art. 23 Abs. 1a Satz 2 GG),

5

· das Antragsrecht eines Drittels der Mitglieder des Bundestages auf Einberufung des Bundestages durch den Präsidenten des Bundestages (Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG),

6

· das Antragsrecht eines Viertels der Mitglieder des Bundestages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den Bundestag (Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG),

7

· das Antragsrecht eines Viertels der Mitglieder des Verteidigungsausschusses auf dessen Tätigwerden als Untersuchungsausschuss (Art. 45a Abs. 2 Satz 2 GG) sowie

8

· die Antragsberechtigung eines Viertels der Mitglieder des Bundestages für die abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG).

9

Diese Minderheitenrechte sind - mit Ausnahme des Antragsrechts aus Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG - auch einfachgesetzlich geregelt, namentlich

10

· das Antragsrecht aus Art. 23 Abs. 1a Satz 2 GG in § 12 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union (Integrationsverantwortungsgesetz - IntVG vom 22. September 2009 [BGBl I S. 3022], geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 1. Dezember 2009 [BGBl I S. 3822]),

11

· das Antragsrecht aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und das Antragsrecht aus Art. 45a Abs. 2 Satz 2 GG in § 1 Abs. 1 sowie § 34 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG vom 19. Juni 2001 [BGBl I S. 1142], geändert durch Art. 4 Abs. 1 des Geset- zes vom 5. Mai 2004 [BGBl I S. 718]) und

12

· das Antragsrecht aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG in § 76 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 [BGBl I S. 1473], zuletzt geändert durch Art. 8 der Verordnung vom 31. August 2015 [BGBl I S. 1474]).

13

Darüber hinaus sind weitere an die Erreichung eines Viertel-Quorums gebundene Minderheitenrechte auf der Ebene einfacher Gesetze verankert, etwa

14

· in § 8 Abs. 5 Satz 3 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG vom 4. Juli 2013 [BGBl I S. 2170]),

15

· in § 5 Abs. 4 des Gesetzes zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz - ESMFinG vom 13. September 2012 [BGBl I S. 1918], geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 29. November 2014 [BGBl I S. 1821]) oder

16

· in § 12 Abs. 1 Satz 2 IntVG.

17

Schließlich enthält die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 [BGBl I S. 1237], zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 23. April 2014 [BGBl I S. 534]) weitere an die Erreichung eines Viertel-Quorums gebundene Minderheitenrechte, etwa in § 56 Abs. 1 Satz 2, in § 69a Abs. 5 Satz 1 oder in § 70 Abs. 1 Satz 2.

18

3. Vergleichbare parlamentarische Kräfteverhältnisse gab es in der Geschichte der Bundesrepublik in der fünften Wahlperiode des Deutschen Bundestages zu Zeiten der "Bonner großen Koalition" von 1966 bis 1969 während der Kanzlerschaft Kurt Georg Kiesingers und in der 16. Wahlperiode zu Zeiten der ersten Kanzlerschaft Angela Merkels von 2005 bis 2009.

19

4. In seiner Sitzung am 3. April 2014 stimmte der Antragsgegner über insgesamt vier Anträge betreffend die parlamentarischen Minderheiten- und Oppositionsrechte ab. Während der am 11. Februar 2014 eingebrachte Antrag der Koalitionsfraktionen zur Änderung der Geschäftsordnung (BTDrucks 18/481) mit Änderungen angenommen wurde - dies ist Gegenstand des Antrags zu 3 -, wurden drei von Oppositionsfraktionen eingebrachte Anträge abgelehnt. Hierbei handelt es sich zum einen um den durch die Antragstellerin sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Gesetzentwurf vom 29. Januar 2014 zur Änderung mehrerer Gesetze (BTDrucks 18/380) - auf dessen Ablehnung bezieht sich der Antrag zu 2 - und zum anderen um den allein von der Antragstellerin eingebrachten Gesetzentwurf vom 18. März 2014 (BTDrucks 18/838) zur Grundgesetzänderung - auf dessen Ablehnung bezieht sich der Antrag zu 1. Die Ablehnung des ebenfalls von beiden Oppositionsfraktionen am 29. Januar 2014 eingebrachten Antrags auf "Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zwecks Sicherung der Minderheitenrechte der Opposition im 18. Deutschen Bundestag" (BTDrucks 18/379) wird im vorliegenden Verfahren nicht angegriffen.

20

a) Der durch die Antragstellerin sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachte "Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Oppositionsrechte in der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages" vom 29. Januar 2014 (BTDrucks 18/380) zielte auf die Änderung von insgesamt sechs Gesetzen aus dem Bereich des Staatsorganisationsrechts, namentlich des PUAG, des BVerfGG hinsichtlich der abstrakten Normenkontrolle, des EUZBBG, des ESMFinG, des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz - StabMechG vom 22. Mai 2010 [BGBl I S. 627], zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. Mai 2012 [BGBl I S. 1166]) sowie des IntVG. Der Entwurf sah vor, die in den genannten Gesetzen vorgesehenen Minderheitenrechte, die an die Erreichung eines Viertel-Quorums gebunden sind, zusätzlich "mindestens zwei Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen", zu deren gemeinsamer Ausübung zuzuweisen und im Falle des StabMechG das Quorum vollständig zu streichen.

21

Zur Begründung wurde ausgeführt, das Ziel, die deutsche Demokratie funktionsfähig zu erhalten, erfordere Rechtsänderungen. Da die gegenwärtige große Koalition über eine "übergroße Mehrheit" - mehr als zwei Drittel der Bundestagssitze - verfüge, drohten zahlreiche Kontrollrechte, die im deutschen parlamentarischen System im Kern der Opposition überlassen seien, ihre Wirksamkeit zu verlieren. Eine Regelung zumindest auf Gesetzesebene sei erforderlich, da eine schlichte Beteuerung der Koalitionsfraktionen, ihre überaus starke Rechtsposition gegenüber der Opposition wohlwollend und zurückhaltend auszuüben, nicht ausreiche. Wer eine wirksame Opposition für notwendig halte, dürfe sie nicht vom Wohlwollen im Einzelfall abhängig machen. Die Oppositionsfraktionen müssten im konkreten Streitfall versuchen können, ihre Rechtsposition beim Bundesverfassungsgericht durchzusetzen. Bevor man solche Regelungen - etwa nach dem Vorbild mancher Landesverfassungen - auf Verfassungsebene verankern könnte, sei allerdings eine gründlichere Diskussion sinnvoll. Die Gültigkeit der angestrebten Regelung werde - bis auf wenige Ausnahmen, in denen die Widersinnigkeit der jetzigen Rechtslage auch für die weitere Zukunft klar auf der Hand liege - wegen der gegenwärtigen Ausnahmekonstellation grundsätzlich auf die 18. Legislaturperiode beschränkt.

22

b) Der allein durch die Antragstellerin eingebrachte "Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 23, 39, 44, 45a, 93)" vom 18. März 2014 (BTDrucks 18/838) zielte auf die Änderung der fünf im Titel genannten Grundgesetzbestimmungen, und zwar durch Ergänzung des jeweils berechtigten Drittels (vgl. Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG) oder Viertels (vgl. Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) der Mitglieder des Bundestages - und im Falle des Art. 45a GG des Ausschusses für Verteidigung - um die "Gesamtheit der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen".

23

Zur Begründung wurde die Bedeutung des Schutzes von Minderheiten als unabdingbares Korrelat zum Mehrheitsprinzip in der parlamentarischen Demokratie und im parlamentarischen Regierungssystem betont. Das aus dem Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzip fließende verfassungsrechtliche Gebot einer effektiven parlamentarischen Opposition erfordere im Grundsatz: je größer die Mehrheit, desto stärker ihre Kontrolle. Daher sei die gegenwärtige Situation verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. Der Verfassungsgeber dürfte eine vom guten Willen der Regierungsfraktionen abhängige Opposition auch nicht vorhergesehen haben. Eine missbräuchliche Ausübung der vorgesehenen Oppositionsrechte sei schon deshalb nicht besonders wahrscheinlich, da sowohl das Betreiben eines Untersuchungsausschusses als auch die Erhebung einer Subsidiaritäts- und Normenkontrollklage gerade für eine kleine Opposition überaus arbeitsintensiv und kostspielig sei. Hinzu komme, dass sich die Opposition für eine missbräuchliche Verwendung bei der nächsten Wahl politisch verantworten müsse. Es könne offen bleiben, ob eine Änderung des Grundgesetzes zwingend erforderlich sei. Eine Grundgesetzänderung sei jedenfalls im Interesse der Rechtssicherheit und -verbindlichkeit einer bloßen Änderung der GO-BT oder einfacher Gesetze vorzuziehen.

24

c) Die streitgegenständliche Änderung der GO-BTist im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vom 16. Dezember 2013 angelegt. Darin heißt es (S. 128):

Eine starke Demokratie braucht die Opposition im Parlament. CDU, CSU und SPD werden die Minderheitenrechte im Bundestag schützen. Auf Initiative der Koalitionspartner wird der Bundestag einen Beschluss fassen, der den Oppositionsfraktionen die Wahrnehmung von Minderheitenrechten ermöglicht sowie die Abgeordneten der Opposition bei der Redezeitverteilung angemessen berücksichtigt.

25

Die eingefügte Vorschrift des § 126a GO-BT enthält in ihrem Absatz 1 vorübergehende Änderungen von bestimmten - grundgesetzlich (§ 126a Abs. 1 Nr. 1 bis 4), einfachgesetzlich (§ 126a Abs. 1 Nr. 5 bis 8) oder in der Geschäftsordnung selbst geregelten (§ 126a Abs. 1 Nr. 9 bis 11) - Antragsberechtigungen sowie eine Regelung zur Abweichungsfestigkeit der Änderungen im Einzelfall in ihrem Absatz 2:

§ 126a - Besondere Anwendung von Minderheitsrechten in der 18. Wahlperiode

(1) Für die Dauer der 18. Wahlperiode gelten folgende Regelungen:

1. Auf Antrag von 120 seiner Mitglieder setzt der Bundestag einen Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes ein. Die Zahl der Mitglieder des Untersuchungsausschusses wird nach dem vom Bundestag beschlossenen Verteilverfahren (Bundestagsdrucksache 18/212) so bestimmt, dass die Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, gemeinsam ein Viertel der Mitglieder stellen.

2. Der Verteidigungsausschuss stellt sicher, dass auf Antrag aller Ausschussmitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, gemäß Artikel 45a Absatz 2 des Grundgesetzes eine Angelegenheit der Verteidigung zum Gegenstand seiner Untersuchung gemacht wird und die Rechte, die nach dem Untersuchungsausschussgesetz einem Viertel der Ausschussmitglieder zustehen, von diesen Mitgliedern entsprechend geltend gemacht werden können.

3. Auf Antrag von 120 Mitgliedern des Bundestages beruft der Präsident den Bundestag ein.

4. Auf Antrag von 120 seiner Mitglieder erhebt der Bundestag wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts der Europäischen Union gegen das Subsidiaritätsprinzip Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union entsprechend Artikel 23 Absatz 1a des Grundgesetzes.

5. Auf Antrag von 120 seiner Mitglieder macht der Bundestag deren Auffassung entsprechend § 12 Absatz 1 des Integrationsverantwortungsgesetzes in Verbindung mit § 93d in der Klageschrift deutlich, sofern sie die Erhebung einer Klage wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts der Europäischen Union gegen das Subsidiaritätsprinzip vor dem Gerichtshof der Europäischen Union nicht stützen.

6. Einem Verlangen, die Bundesregierung möge nach § 8 Absatz 5 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union die Gründe erläutern, aus denen nicht alle Belange einer Stellungnahme des Bundestages berücksichtigt wurden, tritt der Bundestag dann bei, wenn es von 120 seiner Mitglieder erhoben wird.

7. Einem Verlangen nach Unterrichtung des Haushaltsausschusses gemäß § 5 Absatz 4 des ESM-Finanzierungsgesetzes durch den von Deutschland nach Artikel 5 Absatz 1 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ernannten Gouverneur und dessen Stellvertreter wird der Haushaltsausschuss dann beitreten, wenn es von allen Ausschussmitgliedern der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, erhoben wird.

8. Bei Anträgen oder Vorlagen der Bundesregierung gemäß § 5 Absatz 6 des ESM-Finanzierungsgesetzes oder § 4 Absatz 5 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes führt der Haushaltsausschuss auf Verlangen aller Ausschussmitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, eine öffentliche Anhörung entsprechend § 70 Absatz 1 Satz 2 durch.

9. Bei überwiesenen Vorlagen führt der federführende Ausschuss auf Verlangen aller Ausschussmitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, eine öffentliche Anhörung entsprechend § 70 Absatz 1 Satz 2 durch.

10. Eine Plenarberatung statt einer erweiterten öffentlichen Ausschusssitzung (§ 69a Absatz 5) findet statt, wenn es von allen Mitgliedern des Ausschusses, die nicht die Bundesregierung tragen, verlangt wird.

11. Auf Antrag von 120 seiner Mitglieder setzt der Bundestag entsprechend § 56 Absatz 1 eine Enquete-Kommission ein.

(2) Auf die Regelungen nach Absatz 1 findet § 126 keine Anwendung.

26

Die letztlich weitgehend unverändert (vgl. aber Rn. 28) beschlossene BTDrucks 18/481 überschneidet sich inhaltlich mit den beiden abgelehnten Gesetzentwürfen BTDrucks 18/380 und BTDrucks 18/838 insoweit, als - auf Ebene der Geschäftsordnung - entsprechende Regelungskomplexe berührt und Quoren gesenkt werden; eine Absenkung von Quoren ist ferner in weiteren Regelungen der GO-BT erfolgt (durch § 126a Abs. 1 Nr. 9 bis 11). Keine Änderungen sieht der eingefügte § 126a Abs. 1 GO-BT hinsichtlich der Antragsberechtigung für die abstrakte Normenkontrolle vor. Einen zusammenfassenden Überblick liefert folgende Übersicht:

27

BTDrucks 18/380

(Antrag zu 2)

BTDrucks 18/838, Art. 1

(Antrag zu 1)

§ 126a Abs. 1 GO-BT

(Antrag zu 3)

Art. 1 - PUAG

Nr. 3 - Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG

Nr. 4 - Art. 45a Abs. 2 Satz 2 GG

Nr. 1

Nr. 2

Art. 2 - BVerfGG

Nr. 5 - Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG

- - -

Art. 3 - EUZBBG

- - -

Nr. 6

Art. 4 - ESMFinG

- - -

- - -

Nr. 7

Nr. 8

Art. 5 - StabMechG

- - -

Nr. 8

Art. 6 - IntVG

Nr. 1 - Art. 23 Abs. 1a Satz 2 GG

- - -

Nr. 4

Nr. 5

- - -

Nr. 2 - Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG

Nr. 3

- - -

- - -

Nr. 9 - § 70 Abs. 1 Satz 2 GO-BT

- - -

- - -

Nr. 10 - § 69a Abs. 5 GO-BT

- - -

- - -

Nr. 11 - § 56 Abs. 1 GO-BT

28

Im Verlauf der Ausschussberatungen über den Antrag kamen die Koalitionsfraktionen einem Einwand der Oppositionsfraktionen nach, die Geltendmachung von Minderheitenrechten nicht von der Antragstellung aller ihrer Mitglieder abhängig zu machen: Während der Antrag zur Einfügung eines § 126a Abs. 1 GO-BT in den - das Bundestagsplenum betreffenden - Nummern 1, 3 bis 6 und 11 noch die Berechtigung "aller Mitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen" vorsah, wurden schließlich 120 Mitglieder des Bundestages - gleich welcher Fraktion - als berechtigte parlamentarische Minderheit vorgesehen. Da die Anzahl von 120 Abgeordneten die Summe sämtlicher Abgeordneter der Oppositionsfraktionen unterschreitet, hat dies zur Folge, dass die Oppositionsfraktionen nicht geschlossen auftreten müssen, sondern bis zu sieben "Abweichler" aus den eigenen Reihen einer Ausübung des jeweiligen parlamentarischen Minderheitenrechts nicht im Wege stehen. Ohne inhaltliche Änderungen beschlossen wurden hingegen die Formulierungen der - von Ausschüssen handelnden - Nummern 2 und 7 bis 10 des § 126a Abs. 1 GO-BT, wonach ein Antragsrecht "aller Ausschussmitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen" neben das Antragsrecht eines "Viertels der Mitglieder des Ausschusses" tritt. Hierzu heißt es in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, eine Änderung des ursprünglichen Textes sei nicht erforderlich, weil in diesen Gremien Abwesenheiten von Mitgliedern durch die Vertretensregelungen aufgefangen werden könnten (vgl. BTDrucks 18/997, S. 7 f.). Im Übrigen hat der Deutsche Bundestag im Beschluss über den Haushalt 2014 entschieden, für die Dauer der 18. Wahlperiode den Oppositionszuschlag auf den Betrag für jedes Fraktionsmitglied (§ 50 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages [Abgeordnetengesetz - AbgG]) von 10 % auf 15 % zu erhöhen (vgl. BTDrucks 18/2500, S. 2). Aus dem Antrag der Koalitionsfraktionen hat hingegen die als Nr. 12 des § 126a GO-BT vorgesehene Regelung, mit der den Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, ein überproportionaler Anteil an der Debattendauer in der 18. Wahlperiode zugemessen werden sollte, nicht in den neuen § 126a GO-BT Eingang gefunden; vielmehr wurden entsprechende Vereinbarungen im Ältestenrat (§ 35 Abs. 1 GO-BT)getroffen (vgl. BTDrucks 18/997, S. 2).

29

Ausweislich der Antragsbegründung zur Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (BTDrucks 18/481) sei "Aufgabe des ganzen Parlaments und zuvorderst jedes einzelnen Abgeordneten, die Regierung zu kontrollieren" (a.a.O., S. 4). Dafür besitze jeder Abgeordnete eigene, aus seiner verfassungsrechtlichen Stellung ableitbare Informations-, Rede- und Mitwirkungsrechte. Ergänzend gebe es an den Status einer Fraktion anknüpfende zentrale Kontroll- und Mitwirkungsrechte im Bundestag, die von den Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, jederzeit unabhängig voneinander wahrgenommen werden könnten. Die Wahrnehmung bestimmter zusätzlicher Minderheitenrechte, die sich "in der parlamentarischen Praxis als klassische Oppositionsinstrumente herausgebildet" hätten (a.a.O., S. 5), sei an die Erfüllung von Mindestquoren gebunden. Es seien wesentliche Rechte, die daher auch unter den Mehrheitsverhältnissen der 18. Wahlperiode Anwendung finden können sollten. Dies werde mit der vorliegenden Ergänzung der Geschäftsordnung ermöglicht.

II.

30

Die Antragstellerin steht auf dem Standpunkt, der Antragsgegner hätte die auf die Änderung von Bestimmungen des Grundgesetzes und einfacher Gesetze gerichteten Gesetzentwürfe nicht ablehnen und die Änderung der GO-BT nicht beschließen dürfen.

31

1. a) Sie ist der Ansicht, der Zulässigkeit ihrer Anträge zu 1 und zu 2, mit denen sie sich in Prozessstandschaft auf eine Verletzung der Rechte des Deutschen Bundestages beruft, stehe nicht entgegen, dass der Deutsche Bundestag zugleich der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren sei. Es handle sich hierbei um einen zulässigen Insichprozess, der der Wirklichkeit des politischen Kräftespiels Rechnung trage.

32

b) Auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis sei bei allen drei Anträgen zu bejahen, da Bestand und Reichweite der aus dem Grundgesetz ableitbaren Minderheiten- und Oppositionsrechte zwischen den Beteiligten losgelöst von einem konkreten Streitfall klärungsbedürftig seien. Am Beispiel der Antragsberechtigung zur abstrakten Normenkontrolle führt die Antragstellerin aus, dass schon die bloße Existenz jenes objektiven Verfahrens disziplinierend auf die potenziellen Antragsgegner eines abstrakten Normenkontrollverfahrens einwirke ("fleet in being").

33

2. a) Zur Begründung ihres Antrags zu 1 macht sich die Antragstellerin die Begründung des abgelehnten, auf eine Verfassungsänderung gerichteten Gesetzentwurfs (BTDrucks 18/838) zu eigen und stützt sich im Wesentlichen auf ein Verfassungsgebot effektiver Oppositionsrechte (aa) bis bb)), auf die Gesetzes- und Verfassungswidrigkeit der stattdessen gewählten Regelungsebene der Geschäftsordnung (cc)) sowie auf die materielle Verfassungswidrigkeit der getroffenen Regelungen in § 126a GO-BT (dd)).

34

aa) Aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und aus den Verfassungsnormen über das parlamentarische Regierungssystem (Art. 45b, 63, 67, 68 und 69 GG), namentlich aus den Geboten effektiver Ausübung der Opposition und wirksamer parlamentarischer Kontrolle von Regierung und Parlamentsmehrheit, folge die verfassungsrechtliche Pflicht des Antragsgegners, den Gesetzentwurf der Antragstellerin zur Änderung des Grundgesetzes anzunehmen. Es gebe zwar im Grundgesetz - anders als in einigen Landesverfassungen - keine institutionelle Gewährleistung der parlamentarischen Opposition, wohl aber eine Funktionsgarantie. Im Demokratieprinzip wurzele das Gebot, parlamentarische Minderheiten zu schützen, sowie das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition. Es müsse der Minderheit ermöglicht werden, ihren Standpunkt in den Willensbildungsprozess des Parlaments einzubringen. Um dieser Artikulations- und Partizipationsfunktion der Minderheit den nötigen politischen Nachdruck zu verleihen, sehe die Verfassung bestimmte Rechte vor, die sich als klassische Oppositionsrechte herausgebildet hätten und auch in der Bevölkerung als solche wahrgenommen würden. Soweit die Ausübung dieser Rechte an ein bestimmtes Quorum geknüpft sei, das die beiden derzeitigen Oppositionsfraktionen auch zusammen nicht erfüllten, würden sie ihnen in verfassungswidriger Weise vorenthalten.

35

bb) Für dieses Ergebnis spreche auch die im Grundgesetz angelegte Funktionsweise des parlamentarischen Regierungssystems (vgl. Art. 45b, 63, 67, 68 und 69 GG), derzufolge die Opposition jederzeit die reale Chance haben müsse, zur Mehrheit zu werden und die Regierung abzulösen. Da im parlamentarischen Regierungssystem in erster Linie nicht die Parlamentsmehrheit die Regierung überwache, sondern diese Aufgabe vorwiegend von der Opposition - und damit in der Regel von einer Minderheit - wahrgenommen werde, seien Minderheitenrechte in der Verfassung so auszugestalten, dass parlamentarische Kontrolle wirksam sein könne (Prinzip der Kontrolleffektivität). Nach Auffassung der Antragstellerin unterscheide sich die Kontrolle der Regierung durch die Opposition faktisch und qualitativ von der konstruktiven - und daher missverständlich ebenfalls als "Kontrolle" bezeichneten - Mitwirkung der Mehrheit an den Regierungsaufgaben. Vor allem in offenen Debatten würde die Mehrheit typischerweise "ihre" Regierung und "ihren" Kanzler unterstützen, während sie gleichwohl bestehende Kritik am politischen Kurs der Regierung regelmäßig lediglich fraktions- oder parteiintern äußere. Gegenstand der Oppositionskontrolle sei überdies nicht nur das Handeln von Regierung und Verwaltung, sondern ebenso das Verhalten der parlamentarischen Mehrheit. Aus dem Verfassungsgebot, die Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments zu gewährleisten, folge die Pflicht, die parlamentarische Opposition mit den Rechten auszustatten, derer sie zur wirksamen Erfüllung ihrer Aufgabe bedürfe. Die mit der Einräumung spezifischer Oppositionsrechte verbundene Ungleichbehandlung von Fraktionen und Abgeordneten ("Oppositionsprivileg") sei durch die Erfordernisse der Schaffung eines arbeits- und funktionsfähigen Parlaments gerechtfertigt. Ohne Änderungen drohe ein Bedeutungsverlust oder sogar Ausfall namentlich des Instruments der abstrakten Normenkontrolle. Jedenfalls müssten zwecks wirksamer Aufgabenerfüllung durch die Opposition "zu hohe Quoren" angepasst oder entsprechende Rechte an den Fraktionsstatus geknüpft werden.

36

cc) Mit der stattdessen erfolgten Ergänzung der GO-BT sei der Antragsgegner hingegen unterhalb des verfassungsrechtlich gebotenen "Schutzniveaus" geblieben. Die getroffenen Regelungen in der GO-BT seien mit dem Makel objektiver Verfassungswidrigkeit beziehungsweise Gesetzwidrigkeit behaftet und daher durch ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit gekennzeichnet, die noch dadurch verschärft werde, dass die in § 126a GO-BT enthaltenen Rechte nicht einklagbar seien.

37

Der Antragsgegner habe durch die Einfügung des § 126a GO-BT seine gesamtparlamentarische Kontrollverantwortung nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Form wahrgenommen. In der GO-BT als autonomer Satzung dürften keine von grundgesetzlich geregelten Quoren (Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 39 Abs. 3 Satz 3, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 GG) für die Ausübung von Minderheitenrechten abweichenden Regelungen getroffen werden. Die GO-BT könne den Antragsgegner nicht von der Beachtung der Unterstützungsquoren dispensieren, da auf die Einhaltung verbindlicher Organisationsnormen der Verfassung auch eine parlamentarische Mehrheit nicht verzichten dürfe. Autonomes Satzungsrecht dürfe aus rechtsstaatlichen Gründen nicht von höherrangigen Vorschriften abweichen.

38

dd) Der Sache nach rügt die Antragstellerin schließlich die materielle Verfassungswidrigkeit der eingeführten Regelungen des § 126a GO-BT. Bei einem Großteil der im Wege der Einfügung des § 126a GO-BT eingeführten Minderheitenrechte handle es sich nicht um spezifische Oppositionsrechte, verstanden als Rechte der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, sondern schlicht um unspezifische Minderheitenrechte, verstanden als Rechte einer bestimmten Anzahl von Abgeordneten, die von jeder beliebigen Gruppe von Abgeordneten dieser Anzahl in Anspruch genommen werden könnten. Damit erfüllten sie nicht die Funktion, die ihnen im ursprünglichen Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (BTDrucks 18/481) zugedacht gewesen sei. Die in § 126a GO-BT getroffenen Regelungen seien auch als "Substitut für Oppositionsrechte" ungeeignet, da sie nicht einklagbar seien; die durch die Einfügung des § 126a GO-BT berechtigten 120 Abgeordneten seien im Organstreit weder parteifähig noch antragsbefugt. Auch die in § 126a Abs. 2 GO-BT vorgesehene "Änderungsfestigkeit" bewahre die Oppositionsfraktionen nicht davor, dass erstens im Einzelfall gleichwohl hiervon abgewichen werde und zweitens der gesamte § 126a GO-BT durch einen "actus contrarius" des Bundestages wieder aufgehoben werde.

39

Während die Regelung in dieser Hinsicht zu weit geraten sei, gehe sie in anderer Hinsicht nicht weit genug: Die in § 126a GO-BT verankerten Antragsrechte vermöchten vor allem die entsprechenden Minderheitenrechte in der Verfassung materiell nicht zu ersetzen. So erschöpfe sich § 126a GO-BT in der Feststellung, dass der Bundestag einen Untersuchungsausschuss gemäß Art. 44 GG einsetzt. Hiermit entstehe jedoch kein "Pflichtausschuss" der Minderheit im Sinne von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, vielmehr bleibe der nach § 126a GO-BT eingesetzte Ausschuss ein Mehrheitsausschuss, für den die einen Minderheitsausschuss auszeichnenden Beschränkungen der Mehrheit (Verbot für die Parlamentsmehrheit, den Untersuchungsgegenstand gegen den Willen der Antragsteller zu erweitern oder im Kern zu verändern) nicht gälten. Auch hier sei der Antragsgegner hinter seiner eigenen Absicht zurückgeblieben.

40

b) Zur Begründung ihres Antrags zu 2 macht sich die Antragstellerin die Begründung des abgelehnten Entwurfs zur Änderung einfacher Gesetze (BTDrucks 18/380) zu eigen und verweist im Übrigen weitgehend auf die Ausführungen zum Antrag zu 1, namentlich hinsichtlich der Rüge der materiellen Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 126a GO-BT wegen fehlender Spezifität ("falscher Adressat") und Unzulänglichkeit der vorgesehenen Minderheitenrechte. Bei Übertragung des Vorwurfs verfassungswidriger Regelungsebenenwahl der GO-BT ist die Antragstellerin nunmehr der Ansicht, eine Modifikation der grundgesetzlich geregelten Antragsrechte auf Ebene der einfachen Gesetze könne den aufgezeigten Maßstäben genügen. Die in Art. 1 und 2 des abgelehnten Gesetzentwurfs vorgesehenen Änderungen von den im Grundgesetz geregelten Antragsquoren im Wege der Anpassung der entsprechenden einfachen Gesetze (des PUAG sowie des BVerfGG) seien mit dem Grundgesetz vereinbar: So sei etwa Art. 2 des Gesetzentwurfs (Änderung des § 76 BVerfGG zur Antragsberechtigung für die abstrakte Normenkontrolle) trotz des Widerspruchs zum Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG verfassungskonform, da sich eine anderweitige gesetzliche Regelung auf Art. 93 Abs. 3 GG stützen könne.

41

c) Lediglich zur Begründung des Antrags zu 3 beruft sich die Antragstellerin auf die mögliche Verletzung ihrer eigenen Rechte als Oppositionsfraktion aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Ergänzend zu den Begründungen der Anträge zu 1 und zu 2 wird vorgebracht, die in § 126a GO-BT verankerten Minderheitenrechte für jede beliebige Gruppe von 120 Abgeordneten könnten schon ihrer Natur nach nur Fraktionsrechte sein. Es sei in der parlamentarischen Demokratie verfassungsrechtlich zwingend, dass die Kontrollbefugnisse von Minderheiten als Oppositionsrechte ausgestaltet und den einzelnen Oppositionsfraktionen aus eigenem Recht zugeordnet würden. Dafür spreche auch die Entstehungsgeschichte des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, wonach die Parteifähigkeit im Organstreit gerade auch dem parlamentarischen Gegenspieler der Regierungsmehrheit zustehen sollte. Der weite Gestaltungsspielraum des Antragsgegners bei der Ordnung seines inneren Geschäftsgangs nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG sei durch die aus dem Demokratieprinzip und den Grundsätzen des parlamentarischen Regierungssystems abzuleitenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausübung des parlamentarischen Selbstorganisationsrechts eingeschränkt.

III.

42

1. Der Antragsgegner hält die Anträge für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

43

a) Es fehle an einem feststellungsfähigen Verfassungsrechtsverhältnis, das der Antragsgegner verletzt haben könnte. Die Funktion des Organstreitverfahrens sei die objektive Bewahrung des Verfassungsrechts; der Antrag zu 1 ziele aber auf eine Änderung der Verfassung und damit nicht auf ein bestehendes, sondern vielmehr auf ein erst zu schaffendes Verfassungsrechtsverhältnis. Die Antragstellerin verkenne zudem die formellen Vorgaben in Art. 79 Abs. 2 GG, wonach es für eine Änderung der Verfassung zwingend der Mitwirkung des Bundesrates bedürfe. Im Übrigen wäre es der Antragstellerin zuzumuten, zunächst im parlamentarischen Prozess einen konkreten Antrag - etwa auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - zu stellen. Für den Fall einer Ablehnung des Antrags - entgegen der Regelung des § 126a GO-BT - bestehe die Möglichkeit, ein Organstreitverfahren wegen dieser konkreten Weigerung im Einzelfall vor dem Bundesverfassungsgericht einzuleiten.

44

b) Die Sonderlage der parlamentarischen Opposition sei primär dem Wahlergebnis der Bundestagswahl von 2013 geschuldet. Zwar möge durchaus die verfassungspolitische Notwendigkeit bestehen, die parlamentarische Opposition de lege ferenda auch auf Ebene der Verfassung oder durch Maßnahmen des einfachen Gesetzgebers zu stärken. Es gebe jedoch kein Verfassungsgebot, das Wahlergebnis durch die Einräumung weiterer Rechte zu korrigieren. Die Einräumung weitergehender Kontrollbefugnisse berge die Gefahr einer zunehmenden Fragmentierung und könnte die Funktionsfähigkeit des Parlamentarismus insgesamt in Frage stellen. Eine wirkungsvolle Opposition sei zwar unabdingbare Voraussetzung der effektiven Entfaltung des demokratischen Prinzips. Die Verfassung begnüge sich aber im Wesentlichen damit, die Existenz einer parlamentarischen Opposition als Merkmal einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zur Kenntnis zu nehmen. Daher erweise sich Opposition als eine optimierungsbedürftige Zielvorgabe. Der Verfassungsgeber habe - unter Berücksichtigung des Widerspruchs zwischen Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz - die Grundentscheidung für bestimmte notwendige, aber auch als ausreichend erachtete Kontrollmechanismen getroffen. Diese dürften nicht mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts überspielt werden. Anderes folge weder aus dem Demokratieprinzip noch aus einer Schutzpflicht des Bundestages für die parlamentarische Minderheit. Die abstrakte Normenkontrolle zähle nicht zu den Funktionsbedingungen der Opposition.

45

2. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag teilt zwar grundsätzlich die rechtspolitischen Ziele der Antragstellerin: Die Regeln des politischen Prozesses dürften nicht so gefasst sein, dass wesentliche parlamentarische Kontrollfunktionen ausfielen. Diesen Gesichtspunkt bilde das Grundgesetz selbst ab, indem es im parlamentarischen Bereich das Mehrheitsprinzip durchbreche und Minderheitspositionen anerkenne. Zum Beispiel zähle das Instrument des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den wesentlichen, den relevanten Kräften der parlamentarischen Opposition zustehenden Instrumenten. Die abstrakte Normenkontrolle sei in der bundesdeutschen Demokratie nach ihrer Konzeption und in der Praxis stets ein wichtiges Instrument der Opposition gewesen, und Art. 93 Abs. 3 GG eröffne auch die Möglichkeit einer einfachgesetzlichen Rechtszuweisung an die Opposition im 18. Deutschen Bundestag.

46

Das mit dem Antrag zu 1 verfolgte Begehren der Antragstellerin, ein Änderungserfordernis des Grundgesetzes aus dem Grundgesetz abzuleiten, sei allerdings kaum nachvollziehbar. Das höherrangige Recht hindere den Bundestag beziehungsweise die Parlamentsmehrheit jedoch nicht daran, sich im Rahmen der Selbstbindung zu verpflichten, der parlamentarischen Minderheit weitergehende Rechte zuzuweisen. Mit der Einfügung des § 126a GO-BT seien die Anforderungen an die Sicherung der Ausübung parlamentarischer Opposition im Wesentlichen erfüllt worden.

47

3. In ihrer Replik weist die Antragstellerin darauf hin, dass die derzeitigen Kräfteverhältnisse zwischen Koalitions- und Oppositionsfraktionen nicht das unmittelbare Ergebnis der Bundestagswahl, sondern vielmehr der Koalitionsverhandlungen seien.

48

Der "Snowden-Organstreit" vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 138, 45) verdeutliche, dass die Neuregelung des § 126a Abs. 1 Nr. 1 GO-BT in der parlamentarischen Praxis keineswegs so problemlos gehandhabt werde, wie der Antragsgegner behaupte.

49

Die Antragstellerin betont einerseits den Unterschied zwischen den geforderten spezifischen Oppositionsrechten (von Fraktionen) und den gewährten Minderheitenrechten (von Abgeordneten). Die im Rahmen des neuen § 126a GO-BT ergriffenen Maßnahmen verfehlten als bloße Minderheitenrechte ihr Ziel, die parlamentarische Opposition zu stärken. Andererseits vertritt die Antragstellerin an anderer Stelle die Auffassung, die den einzelnen Abgeordneten und den Fraktionen zustehenden Rechte, die auch der Opposition und den Oppositionsfraktionen zur Verfügung stünden, könnten einen "funktionellen Ersatz für spezifische Oppositionsrechte" darstellen.

50

Die Antragstellerin ist ferner der Ansicht, seit die Oppositionsfraktionen die Quoren nicht mehr erreichten, schlage die "verdeckte Unzulänglichkeit" jener Vorschriften in eine "offene Lückenhaftigkeit" um. Der Antragsgegner in Gestalt der Mehrheit im Bundestag habe seinen Schutzauftrag nicht erfüllt. Hilfsweise macht die Antragstellerin geltend, dass die ursprünglich rechtmäßige Regelung wegen zwischenzeitlich veränderter Verhältnisse verfassungsrechtlich untragbar geworden sei.

51

Beim "Gebot der Oppositionseffektivität", das auch zu einer Stärkung des Parlaments gegenüber der Regierung führe, gehe es entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht lediglich um eine "optimierungsbedürftige Zielvorgabe", sondern um ein Stück ungeschriebenen Verfassungsrechts (Gebot oppositionsfreundlichen Verhaltens), welches gegebenenfalls durch entsprechende Verfassungsfortbildung "praeter constitutionem" ans Licht zu heben sei. Dem Antragsgegner in Gestalt der parlamentarischen Mehrheit komme eine "Garantenstellung" zu. Die "Mitverantwortung" der parlamentarischen Mehrheit ergebe sich in dreierlei Hinsicht aus "vorangegangenem Tun": Erstens wegen der Koalitionsabsprache, zweitens wegen des "Vertrauenstatbestands", den sie durch den Vorschlag der Zuweisung von Rechten an "nicht die Regierung tragende Fraktionen" in ihrer Initiative zur Änderung der Bundestagsgeschäftsordnung für die 18. Wahlperiode (BTDrucks 18/481) geschaffen habe, und drittens wegen des Zurückbleibens der mit der Einfügung des § 126a GO-BT geschaffenen Rechte hinter ihren eigenen Forderungen.

52

Aus der Wesentlichkeitstheorie im Bereich der Staatsorganisation folge darüber hinaus, dass alle für den Aufbau des Staates, seiner Organe und deren Verfahren wichtigen Entscheidungen vom Parlament selbst getroffen und in die Form eines Gesetzes gekleidet werden müssten.

53

Das "Gebot der Oppositionseffektivität" erhalte eine zusätzliche verfassungsrechtliche Begründung durch den die Minderheitenrechte verkürzenden Effekt der Fünfprozentklausel. Ohne die Verfassungsmäßigkeit der Fünfprozentklausel prinzipiell infrage stellen zu wollen, sei die durch sie bewirkte Durchbrechung der Wahlgleichheit im Bereich der Kontrollfunktion geradezu kontraproduktiv. Sie könne dadurch beseitigt oder zumindest neutralisiert werden, dass den Anträgen stattgegeben werde.

54

In Bezug auf den "Hauptstreitpunkt" des Zugangs zur abstrakten Normenkontrolle betont die Antragstellerin die disziplinierende "Vorwirkung" dieses Instruments. Allein die Möglichkeit einer abstrakten Normenkontrolle führe zu größerer Sorgfalt bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen der Regierung und auch zu einem höheren Gewicht öffentlicher Anhörungen etwa im Rechtsausschuss, "die nach § 126a Abs. 1 Nr. 9 GO-BT von allen Ausschussmitgliedern der Opposition verlangt werden können und bei denen häufig verfassungsrechtliche Fragen im Mittelpunkt" stünden. Auch führe die Ablehnung der Verfassungsänderung nicht zwingend zu einer Entlastung des Bundesverfassungsgerichts, da die gegenwärtige Opposition im Falle einer künftigen Regierungsbeteiligung das von ihr angestrebte Normenkontrollverfahren zeitlich verschoben realisieren könne. Ohne die abstrakte Normenkontrolle sei die Opposition ein "zahnloser Tiger", denn jedenfalls das Haushaltsgesetz könne nicht auf andere Weise, sondern nur durch die parlamentarische Opposition angegriffen werden, was in der Vergangenheit schon zweimal vorgekommen sei. Ungeachtet dessen könne sich die Antragsberechtigung der Oppositionsfraktionen selbst für eine Mehrheitsfraktion als vorteilhaft erweisen, wenn diese, um einen Koalitionsstreit zu vermeiden, es der Opposition überließe, gegen ein Gesetz vorzugehen. Auch die Antragsberechtigung von Landesregierungen gleiche das Manko nicht aus, da "die Parteien gerade kleinerer Oppositionsfraktionen zusammen mit mindestens einer Mehrheitspartei an allen Landesregierungen beteiligt" seien, deren Zustimmung zur Einleitung eines abstrakten Normenkontrollverfahrens damit nahezu illusorisch werde.

IV.

55

Das Bundesverfassungsgericht hat am 13. Januar 2016 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Beteiligten ihre Rechtsstandpunkte erläutert und vertieft haben.

B.

56

Die Anträge sind überwiegend zulässig.

I.

57

Gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch das Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Eine verfassungsrechtliche Streitigkeit in diesem Sinne liegt vor. Die Antragstellerin sieht durch die Ablehnung der Zuerkennung der begehrten Oppositionsrechte prozessstandschaftlich geltend gemachte verfassungsrechtlich verbürgte Rechte des Bundestages (Antrag zu 1 und zu 2) und eigene Rechte (Antrag zu 3) durch den Antragsgegner verletzt. Streitgegenstand sind somit verfassungsrechtliche Organbeziehungen (vgl. BVerfGE 84, 290 <297>; 84, 304 <317 f.>; 90, 286 <337 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11 -, juris, Rn. 54, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

II.

58

Die Antragstellerin ist in Organstreitigkeiten nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG parteifähig, da sie als Fraktion des Deutschen Bundestages ein sowohl von der GO-BT als auch von der Verfassung anerkannter Teil des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag ist. Im Organstreit antragsberechtigt sind - angesichts der im parlamentarischen Regierungssystem bestehenden weitgehenden Übereinstimmung von Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit - gerade auch die Oppositionsfraktionen und damit die organisierte parlamentarische Minderheit als Gegenspieler der Regierungsmehrheit (vgl. BVerfGE 90, 286 <344>; 117, 359 <367 f.>). Der Antragsgegner ist als oberstes Bundesorgan nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG parteifähig.

III.

59

Die Antragstellerin greift statthafte Antragsgegenstände im Sinne von § 64 Abs. 1 BVerfGG an, indem sie sich gegen konkrete rechtserhebliche Maßnahmen oder Unterlassungen des Antragsgegners wendet.

60

1. Mit ihren Anträgen zu 1 und zu 2 wendet sich die Antragstellerin einerseits gegen die Ablehnung des jeweiligen Gesetzentwurfs durch den Antragsgegner, andererseits gegen die Nichtzuweisung der in dem abgelehnten Gesetzentwurf enthaltenen Rechte. Dabei kann die bislang vom Bundesverfassungsgericht noch nicht entschiedene Frage offen bleiben, unter welchen Voraussetzungen eine bloße Untätigkeit des Gesetzgebers im Wege des Organstreitverfahrens angreifbar ist (vgl. BVerfGE 120, 82 <97> m.w.N.) und ob Ablehnungen von Gesetzentwürfen der Antragstellerin generell rügefähige Maßnahmen darstellen. Der Antragsgegner hat sich mit den in den abgelehnten Gesetzentwürfen begehrten Rechten inhaltlich befasst und jeweils einen ausdrücklich auf bestimmte Änderungen des Grundgesetzes (Antrag zu 1) oder einzelner Gesetze (Antrag zu 2) gerichteten Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren abgelehnt. Da die nach inhaltlicher Befassung erfolgende Ablehnung des Gesetzentwurfs als qualifizierte Unterlassung dem als Maßnahme zu wertenden Erlass eines Gesetzes gleichsteht, stellt sie einen zulässigen Angriffsgegenstand im Organstreitverfahren dar (vgl. BVerfGE 120, 82 <98 f.>).

61

2. Mit ihrem Antrag zu 3 greift die Antragstellerin den Beschluss über die Einführung des § 126a GO-BT an, welcher eine rechtserhebliche Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG darstellt. Zudem begehrt sie in Parallelität zu den Anträgen zu 1 und zu 2 die Zuweisung weitergehender Rechte, macht also wiederum ein qualifiziertes Unterlassen geltend.

IV.

62

Hinsichtlich sämtlicher Antragsgegenstände wendet sich die Antragstellerin gegen den richtigen Antragsgegner, da der Deutsche Bundestag, der die jeweiligen Gesetzentwürfe abgelehnt und den Antrag auf Änderung der GO-BT angenommen hat, das Organ ist, welches für die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung die Verantwortung trägt. Alle drei Antragsgegenstände sind dem Deutschen Bundestag zuzurechnen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11 -, juris, Rn. 61 m.w.N., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

V.

63

Gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG hat der Antragsteller geltend zu machen, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch den Antragsgegenstand in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

64

1. Soweit sich die Antragstellerin hinsichtlich des Antrags zu 3 auf eigene Rechte als Fraktion aus Art. 38 Abs. 1 GG beruft, erscheint es jedenfalls nicht als von vornherein ausgeschlossen, dass sie durch die Einfügung des § 126a GO-BT durch den Antragsgegner in ihren grundgesetzlich verbürgten Rechten verletzt worden ist. Auch wenn in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bislang von jeder Institutionalisierung parlamentarischer Opposition abgesehen und diese in keinem Fall als eigenes Verfassungssubjekt oder als organisatorisch verselbstständigte parlamentsrechtliche Institution angesehen worden ist, erscheint es - wie etwa einige Landesverfassungen illustrieren, welche die nicht die Regierung tragenden Fraktionen als Oppositionsträger anerkennen und bestimmte Gewährleistungen an diesen Status knüpfen (vgl. Cancik, Parlamentarische Opposition in den Landesverfassungen, 2000, S. 80 ff.) - nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist, indem ihr durch Einfügung des § 126a GO-BT nicht Rechte in einem Umfang eingeräumt worden sind, wie sie von Verfassungs wegen geboten gewesen wären.

65

2. Auch hinsichtlich der Anträge zu 1 und zu 2 ist die Antragstellerin grundsätzlich antragsbefugt.

66

a) Fraktionen sind berechtigt, sowohl eigene Rechte als auch Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft, das heißt fremde Rechte im eigenen Namen, geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 45, 1 <28>; 67, 100 <125>; 131, 152 <190>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 2. Juni 2015 - 2 BvE 7/11 -, juris, Rn. 95; Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11 -, juris, Rn. 56, jeweils zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Zuerkennung der Prozessstandschaftsbefugnis ist sowohl Ausdruck der Kontrollfunktion des Parlaments als auch Instrument des Minderheitenschutzes (vgl. BVerfGE 45, 1 <29 f.>; 60, 319 <325 f.>; 68, 1 <77 f.>; 121, 135 <151>; 123, 267 <338 f.>; 131, 152 <190>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 2. Juni 2015 - 2 BvE 7/11 -, juris, Rn. 95, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Vor dem Hintergrund der weitgehenden Übereinstimmung von Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit im parlamentarischen Regierungssystem soll die Öffnung des Organstreits für andere Beteiligte als die obersten Bundesorgane nach der Vorstellung des Parlamentarischen Rates vor allem dazu dienen, Oppositionsfraktionen und damit der organisierten parlamentarischen Minderheit als dem Gegenspieler der Regierungsmehrheit den Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht zu eröffnen, um somit die tatsächliche Geltendmachung der dem Parlament im Verfassungsgefüge zukommenden Rechte zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 90, 286 <344> mit Nachweisen zur Debatte im Parlamentarischen Rat; 117, 359 <367 f.>).

67

Dem steht nicht entgegen, dass es sich im vorliegenden Organstreit beim Deutschen Bundestag zugleich um den Antragsgegner handelt. Die prozessstandschaftliche Geltendmachung der Rechte des Bundestages ist nicht allein dann möglich, wenn dieser die angegriffene Maßnahme oder Unterlassung gebilligt hat (vgl. BVerfGE 1, 351 <359>; 45, 1 <29 f.>), sondern auch dann, wenn es sich beim Bundestag um den Antragsgegner handelt (vgl. BVerfGE 123, 267 <338 f.>; 132, 195 <247>; 134, 366 <397>). Die in § 64 Abs. 1 BVerfGG vorgesehene Prozessstandschaft stellt den Organstreit in die Wirklichkeit des politischen Kräftespiels, in der sich Gewaltenteilung über die klassische Gegenüberstellung der geschlossenen Gewaltträger hinaus in erster Linie in der Einrichtung von Minderheitenrechten verwirklicht. Daher liegen Sinn und Zweck der Prozessstandschaft darin, der Parlamentsminderheit die Befugnis zur Geltendmachung der Rechte des Bundestages nicht nur dann zu erhalten, wenn dieser seine Rechte, vor allem im Verhältnis zu der von ihm getragenen Bundesregierung, nicht wahrnehmen will (vgl. BVerfGE 1, 351 <359>; 45, 1 <29 f.>; 121, 135 <151>), sondern auch dann, wenn die Parlamentsminderheit Rechte des Bundestages gegen die die Bundesregierung politisch stützende Parlamentsmehrheit geltend macht (vgl. BVerfGE 123, 267 <338 f.>).

68

b) Die Antragstellerin beruft sich auf einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und gegen Grundsätze des parlamentarischen Regierungssystems (Art. 45b, 63, 67, 68 und 69 GG), namentlich gegen die Gebote effektiver Ausübung der Opposition und wirksamer parlamentarischer Kontrolle von Regierung und Parlamentsmehrheit.

69

Bei dem vorliegend prozessstandschaftlich geltend gemachten Recht des Bundestages handelt es sich um parlamentarische Kontrollrechte, welche strukturell maßgeblich von Ausübungsmöglichkeiten durch die parlamentarische Opposition abhängig sind. Effektivität und Intensität der vom Bundestag ausgeübten Kontrolle hängen im parlamentarischen Regierungssystem von der Reichweite der parlamentarischen Minderheitenrechte und ihrer Ausgestaltung im Hinblick auf Instrumente der Kontrolle von Regierung und regierungstragender Mehrheit ab. Die parlamentarische Kontrolle ist umso effektiver, je stärker die der parlamentarischen Opposition zur Verfügung stehenden Minderheitenrechte sind. Es erscheint daher nicht als von vornherein ausgeschlossen, dass der Antragsgegner seine Kontrollrechte durch die Nichtannahme der Gesetzentwürfe, die Gegenstand der Anträge zu 1 und zu 2 sind, verletzt hat.

70

c) Hingegen geht die Auffassung des Antragsgegners fehl, der Antrag zu 1 sei mangels eines feststellungsfähigen Verfassungsrechtsverhältnisses unzulässig, da die Antragstellerin - indem sie eine Änderung der Verfassung begehre - nicht auf die objektive Bewahrung des Verfassungsrechts, sondern auf ein erst zu schaffendes Verfassungsrechtsverhältnis ziele. Er übersieht insoweit, dass sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag zu 1 durchaus auf ein - auch aus verfassungsrechtlichen Prinzipien und Grundsätzen abgeleitetes - bereits bestehendes Verfassungsrechtsverhältnis beruft, das Rechte und Pflichten des Bundestages begründet.

71

3. a) Allerdings ist die Begründung, mit der eine Erstreckung (gemäß Art. 3 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380) des Rechts nach § 8 Abs. 5 Satz 3 EUZBBG auf zwei Oppositionsfraktionen in dem Sinne geltend gemacht wird, dass keine Gründe erkennbar seien, dieses Recht der Opposition vorzuenthalten, bereits unsubstantiiert und der Antrag zu 2 daher unzulässig, soweit er sich auf die Änderung des EUZBBG bezieht.

72

b) Unzulässig ist der Antrag zu 2 ferner, soweit danach der die Bestimmung des § 70 GO-BT gesetzlich modifizierende, in § 5 Abs. 6 Satz 2 ESMFinG enthaltene qualifizierende Zusatz der Unterstützung durch mindestens zwei Fraktionen im Ausschuss vollständig entfallen soll (Art. 4 Nr. 3 des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380) und auch die als Ersetzung konzipierte, in Art. 4 Nr. 1 des Gesetzentwurfs vorgeschlagene Änderung zugleich das Entfallen einer parallelen qualifizierenden Voraussetzung enthält.

73

Das in Art. 4 Nr. 1 und 3 des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380 vorgeschlagene Entfallen eines qualifizierenden Zusatzes stellt keine Zuweisung von Befugnissen an zwei Oppositionsfraktionen dar. Damit hat die Konstellation lediglich gemein, dass auch das Entfallen einer erschwerenden Voraussetzung eine irgendwie geartete Begünstigung (auch) der Antragstellerin darstellt. Damit setzt diese sich in der Antragsbegründung nicht auseinander. Im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwiefern ein Entfallen des qualifizierenden Zusatzes der Unterstützung durch mindestens zwei Fraktionen im Ausschuss etwa aufgrund des allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes effektiver Opposition verfassungsrechtlich geboten sein könnte. In der Entwurfsbegründung, in der lediglich lapidar von einem - nicht näher begründeten - "Entfallen-Können" die Rede ist (vgl. BTDrucks 18/380, S. 7 Abs. 4), wird bereits nicht von einer verfassungsrechtlichen Gebotenheit der Gesetzesänderung ausgegangen.

74

c) Entsprechendes gilt hinsichtlich der - parallel gelagerten - in Art. 5 des Gesetzentwurfs vorgeschlagenen Streichung des § 4 Abs. 5 Satz 2 StabMechG. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwiefern ein Entfallen des qualifizierenden Zusatzes der Unterstützung durch mindestens zwei Fraktionen im Ausschuss etwa aufgrund des allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes effektiver Opposition verfassungsrechtlich geboten sein könnte (vgl. oben, Rn. 73).

VI.

75

Die Anträge sind formgerecht im Sinne des § 23 Abs. 1 BVerfGG erhoben worden. Die Frist von sechs Monaten (§ 64 Abs. 3 BVerfGG), die gleichermaßen auf Maßnahmen wie auf Unterlassungen Anwendung findet und im Hinblick auf die angegriffenen drei Beschlüsse des Antragsgegners vom 3. April 2014 am 3. Oktober 2014 geendet hat, ist gewahrt.

VII.

76

Auch im Organstreitverfahren ist das Rechtsschutzbedürfnis des Organs grundsätzlich Voraussetzung für die Sachentscheidung (vgl. BVerfGE 62, 1 <33>; 67, 100 <127>; 68, 1 <77>; 119, 302 <307 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11 -, juris, Rn. 80, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Da Bestand und Reichweite der aus dem Grundgesetz oder ungeschriebenem Verfassungsrecht ableitbaren Minderheiten- und Oppositionsrechte zwischen den Beteiligten umstritten und klärungsbedürftig sind, ist das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin zu bejahen (1.). Andere gleichwertige verfassungsrechtliche oder parlamentarisch-politische Handlungsmöglichkeiten bestehen nicht (2.). Schließlich steht die notwendige Beteiligung des Bundesrates an einer Verfassungsänderung nach Art. 79 Abs. 2 GG dem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin nicht entgegen (3.).

77

1. Soweit die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin mit Blick auf die Regelung des § 126a GO-BT in Frage stellt, solange die Mehrheit nicht gegen die getroffenen Regeln verstoße, verkennt sie, dass die Antragstellerin ein erhebliches Interesse an einer verbindlichen Feststellung der sich gerade aus dem Grundgesetz ergebenden Rechtslage hat.

78

Zum einen sind die in der Geschäftsordnung getroffenen Regelungen - ungeachtet der hier nicht zur Entscheidung anstehenden Frage, ob diese den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen - jederzeit änderbar und stellen daher - auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 126a Abs. 2 GO-BT - keine gesicherte Rechtsposition der parlamentarischen Opposition dar (vgl. Cancik, NVwZ 2014, S. 18 <21 f.>).

79

Zum anderen ist Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts im Organstreit allein das Grundgesetz, wohingegen nicht jede der in Ausübung der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG getroffene Regelung der GO-BT von Verfassungs wegen geboten sein muss. Vor dem Bundesverfassungsgericht sind vielmehr nur jene Rechte einklagbar, die sich auf ein entsprechendes Verfassungsgebot zurückführen lassen (vgl. § 64 Abs. 1 und 2 BVerfGG). Allein in der GO-BT gewährleistete Rechte sind verfassungsrechtlich nicht einklagbar (vgl. Winkelmann/Hadamek, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, 30. EL Stand: Dezember 2014, § 126a Erl. 1).

80

2. Auch der vom Antragsgegner ins Feld geführte Subsidiaritätsgedanke, wonach die Antragstellerin zunächst einen konkreten Antrag - etwa auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - stellen müsse und erst gegen dessen etwaige Ablehnung das Bundesverfassungsgericht anrufen könne, vermag am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses nichts zu ändern. Es ist der Antragstellerin nicht zumutbar, im parlamentarischen Prozess zunächst den Versuch zu unternehmen, ein Minderheitenrecht auszuüben. Sie hat bereits in dessen Vorfeld ein erhebliches Interesse an der Klärung der verfassungsrechtlichen Rechtslage, da bereits die abstrakte Möglichkeit der Ausübung von Minderheitenrechten Vorwirkungen auf die oppositionellen Wirkungsmöglichkeiten haben kann. So kann etwa allein die (Möglichkeit der) Androhung, ein der Opposition zur Verfügung stehendes Minderheitenrecht - etwa auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - auszuüben, zu einer entsprechenden Reaktion - etwa der Steigerung der Auskunftsbereitschaft - bei der Regierung und der parlamentarischen Regierungsmehrheit führen und auf diese Weise die eigentliche Ausübung des Minderheitenrechts überflüssig machen (vgl. bereits Kelsen, VVDStRL 5 [1929], S. 30 <81>).

81

3. Dem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin hinsichtlich des Antrags zu 1 steht schließlich nicht entgegen, dass - wie der Antragsgegner vorträgt - eine Änderung der Verfassung nach Art. 79 Abs. 2 GG zwingend der Mitwirkung des Bundesrates bedarf. Mit dem Begehren festzustellen, dass der Antragsgegner ihren verfassungsändernden Gesetzentwurf hätte beschließen müssen, verfolgt die Antragstellerin ein im Organstreitverfahren statthaftes Verfahrensziel. Insoweit handelt es sich um einen abgrenzbaren Teilakt im Verfahren der Verfassungsänderung. Bei Ausbleiben der nach Art. 79 Abs. 2 GG erforderlichen Zustimmung des Bundesrates könnte die Antragstellerin - einen entsprechenden verfassungskräftigen Anspruch unterstellt - im Übrigen ein eigenständiges Organstreitverfahren gegen diesen anstrengen.

C.

82

Soweit die Anträge zulässig sind, sind sie unbegründet.

I.

83

Der Antrag zu 1 ist unbegründet, da eine Pflicht des Antragsgegners zur Effektuierung seiner Kontrollfunktion durch Einräumung der von der Antragstellerin begehrten Oppositionsrechte auf Verfassungsebene nicht besteht.

84

Das Grundgesetz enthält zwar einen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisierten allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition (1.). Dieser Grundsatz umfasst jedoch kein Gebot spezifischer Oppositionsfraktionsrechte (2.). Unabhängig davon ist die Einführung spezifischer Oppositionsfraktionsrechte mit der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar (3.). Einer dem Rechtsschutzziel der Antragstellerin nahe kommenden - im Hinblick auf die Gleichheit aller Abgeordneten neutralen - Absenkung der grundgesetzlichen Quoren zur Erleichterung der praktischen Ausübbarkeit parlamentarischer Minderheitenrechte stehen der eindeutige Wortlaut der verfassungsrechtlichen Regelungen und der Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers im Wege (4.).

85

1. Das Grundgesetz enthält einen durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisierten allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition.

86

a) Der verfassungsrechtliche Schutz der Opposition wurzelt im Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 2, 1 <13>; 44, 308 <321>; 70, 324 <363>). Aus dem Mehrheitsprinzip nach Art. 42 Abs. 2 GG und den - eine punktuelle Durchbrechung des Mehrheitsprinzips darstellenden - parlamentarischen Minderheitenrechten nach Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 39 Abs. 3 Satz 3, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG folgen der Respekt vor der Sachentscheidung der parlamentarischen Mehrheit und die Gewährleistung einer realistischen Chance der parlamentarischen Minderheit, zur Mehrheit zu werden (vgl. BVerfGE 5, 85 <198 f.>; 44, 308 <321>; 70, 324 <363>; 123, 267 <367>). Dahinter steht die Idee eines - inner- wie außerparlamentarischen - offenen Wettbewerbs der unterschiedlichen politischen Kräfte, welcher namentlich voraussetzt, dass die Opposition nicht behindert wird (vgl. BVerfGE 123, 267 <341 f.>). Demgemäß ist die Bildung und Ausübung einer organisierten politischen Opposition konstitutiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung (vgl. BVerfGE 2, 1 <13>; 5, 85 <199>; 123, 267 <367>).

87

b) Zusätzlich verfassungsrechtlich abgesichert ist das Recht "auf organisierte politische Opposition" (BVerfGE 123, 267 <367>) im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG). Der dort verankerte Grundsatz der Gewaltenteilung, der die Gliederung und wechselseitige Kontrolle der gesetzgebenden, der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt anleitet und namentlich die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung erfasst (vgl. Art. 45b GG), hat den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems Rechnung zu tragen, wie sie durch das Grundgesetz und die politische Praxis ausgestaltet werden. Weil danach die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung unerlässlich ist (vgl. Art. 63 und 67 bis 69 GG), obliegt die parlamentarische Kontrolle der Regierung nicht nur dem Parlament als Ganzem, sondern insbesondere und gerade auch den Abgeordneten und Fraktionen, die nicht die Regierung tragen. Als parlamentarische Opposition stellen sie die natürlichen Gegenspieler von Regierung und regierungstragender Mehrheit dar (sogenannter neuer oder innerparlamentarischer Dualismus; vgl. auch BVerfGE 49, 70 <85 f.>; 129, 300 <331>; 135, 259 <293 f.>).

88

c) Die zentrale Rolle der parlamentarischen Opposition bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrollfunktion spiegelt sich auch im verfassungsrechtlichen Rechtsschutzsystem wider: Zum einen besteht ein parlamentarisches Minderheitenrecht hinsichtlich der abstrakten Normenkontrolle aus der Mitte des Bundestages neben der parallel verlaufenden Möglichkeit der Antragstellung über (auch) "oppositionelle" Landesregierungen (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG; vgl. auch Mundil, Die Opposition, 2014, S. 191; zur "föderativen Kontrolle" vgl. Stüwe, Die Opposition im Bundestag und das Bundesverfassungsgericht, 1997, S. 40 ff.). Zum anderen sind subjektive Rechtsstellungen im innerparlamentarischen Bereich über die Antragsberechtigung "anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind", im Wege des Organstreitverfahrens (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG) verfassungsprozessual durchsetzbar. Darüber hinaus eröffnet die Möglichkeit einer prozessstandschaftlichen Geltendmachung der Rechte des Bundestages gerade den Oppositionsfraktionen und damit der organisierten parlamentarischen Minderheit als dem Gegenspieler der Regierungsmehrheit ein effektives Eintreten für die parlamentarische Kontrollfunktion (vgl. oben, Rn. 66).

89

d) Das individuelle Recht zum - sowohl strukturellen als auch situativen - parlamentarischen Opponieren gegen die politische Linie von Regierung und regierungstragender Mehrheit gründet in der in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Freiheit und Gleichheit der Abgeordneten, die als Vertreter des ganzen Volkes an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Diese Freiheit wird durch die nach Art. 46 GG gewährleistete Indemnität und Immunität und das Zeugnisverweigerungsrecht eines jeden Abgeordneten nach Art. 47 GG abgesichert und ist gerade für die Opposition von besonderer Bedeutung.

90

e) Damit die Opposition ihre parlamentarische Kontrollfunktion erfüllen kann, müssen die im Grundgesetz vorgesehenen Minderheitenrechte auf Wirksamkeit hin ausgelegt werden (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>). Dies ist namentlich für das Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in seiner Ausprägung als Minderheitsenquete anerkannt (vgl. BVerfGE 49, 70 <86 f.>; zur Hoheit der Minderheit über den Untersuchungsauftrag eines auf ihren Antrag eingesetzten Untersuchungsausschusses vgl. nunmehr § 2 Abs. 2 und § 3 PUAG; zum Schutz auch der potenziell einsetzungsberechtigten Minderheit vgl. BVerfGE 105, 197 <224 f.>). Es gilt der Grundsatz effektiver Opposition. Sie darf bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnisse nicht auf das Wohlwollen der Parlamentsmehrheit angewiesen sein. Denn die Kontrollbefugnisse sind der parlamentarischen Opposition nicht nur in ihrem eigenen Interesse, sondern in erster Linie im Interesse des demokratischen, gewaltengegliederten Staates - nämlich zur öffentlichen Kontrolle der von der Mehrheit gestützten Regierung und ihrer Exekutivorgane - in die Hand gegeben (vgl. BVerfGE 49, 70 <87>). Der Grundsatz der Gewaltenteilung im parlamentarischen Regierungssystem gewährleistet daher die praktische Ausübbarkeit der parlamentarischen Kontrolle gerade auch durch die parlamentarische Opposition.

91

2. Das Grundgesetz begründet jedoch weder explizit spezifische Oppositions(fraktions)rechte, noch lässt sich ein Gebot der Schaffung solcher Rechte aus dem Grundgesetz ableiten.

92

a) Das Grundgesetz schweigt bereits über den Begriff der Opposition. Schon gar nicht erkennt es Oppositionsfraktionen als spezifische Rechtsträger an. Ihre Aufnahme in das Grundgesetz wurde von der Gemeinsamen Verfassungskommission nach der Wiedervereinigung zwar erwogen, der Antrag fand aber nicht die erforderliche Mehrheit (vgl. BTDrucks 12/6000, S. 89). Die Ausgestaltung von Rechten der parlamentarischen Opposition vollzieht sich innerhalb der Ordnung des Grundgesetzes vielmehr über die Rechte der parlamentarischen Minderheiten. Den ihnen etwa in Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 39 Abs. 3 Satz 3, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 oder Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG zugewiesenen Rechten kommt für das der parlamentarischen Opposition zur Verfügung stehende Instrumentarium zentrale Bedeutung zu. Außer der Grundentscheidung für eine punktuelle Durchbrechung des Mehrheitsprinzips in den Fällen, in denen die parlamentarische Minderheit bestimmte Maßnahmen gegen den Willen der Mehrheit durchzusetzen im Stande sein soll, ist ihnen jedoch zu entnehmen, dass Minderheitenrechte stets nur einer nach bestimmten Merkmalen qualifizierten Minderheit zur Verfügung stehen. Die Qualifizierung der mit diesen besonderen Rechten ausgestatteten Minderheiten besteht in der Erreichung eines bestimmten Quorums an Mitgliedern des Bundestages; bei Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG liegt dieses Quorum bei einem Drittel, bei Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG jeweils bei einem Viertel. In keiner grundgesetzlichen Bestimmung wird eine bestimmte Anzahl an Fraktionen (vgl. Art. 53a Abs. 1 Satz 2 GG) mit besonderen Rechten ausgestattet.

93

Dieses Regelungskonzept orientiert sich an den politischen Kräfteverhältnissen im parlamentarischen Regierungssystem, da die parlamentarische Opposition in der Regel die parlamentarische Minderheit verkörpert (vgl. BVerfGE 49, 70 <85 f.>), in sich aber - ebenso wie die parlamentarische Mehrheit - nicht notwendig eine homogene Einheit darstellt, sondern in eine Mehrzahl oder sogar in eine Vielzahl von Gruppierungen - Fraktionen oder auch Fraktionsstärke nicht erreichende Gruppen und einzelne Abgeordnete - aufgespalten sein kann (vgl. BVerfGE 70, 324 <363 f.>). Das Grundgesetz hat sich dafür entschieden, die parlamentarischen Minderheitenrechte Abgeordneten, die bestimmte Quoren erfüllen, ohne Ansehung ihrer Zusammensetzung zur Verfügung zu stellen (vgl. BVerfGE 124, 78 <107>), mithin die Ausübbarkeit parlamentarischer Minderheitenrechte nicht auf oppositionelle Akteure - wie etwa die Oppositionsfraktionen - zu beschränken.

94

b) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergibt sich nichts anderes aus der Existenz der Fünf-Prozent-Sperrklausel. Zutreffend ist, dass sich aufgrund der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag ein Wähleranteil von insgesamt 15,7 % der abgegebenen Zweitstimmen in der Sitzverteilung nicht niederschlagen konnte (vgl. Bundeswahlleiter, Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013, Heft 5, Teil 1, Textliche Auswertung, Wahlergebnisse, S. 51). Das Bundesverfassungsgericht hat sich mehrfach mit der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel des Bundeswahlgesetzes (BWahlG; vgl. heute § 6 Abs. 3 Satz 1, 1. Var.) befasst, sie als Durchbrechung des Grundsatzes der (Erfolgswert-)Gleichheit der Wahl identifiziert, jedoch - aufgrund des hinreichend zwingenden Differenzierungsgrundes der Sicherung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Parlaments - als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen (vgl. BVerfGE 82, 322 <338>; 95, 335 <366>; 131, 316 <344>; stRspr; vgl. schon BVerfGE 1, 208 <247 ff.>). Bereits die Prämisse der Antragstellerin, die Fünf-Prozent-Sperrklausel führe zu einer Schwächung der parlamentarischen Opposition, geht insoweit fehl, als das Verhältnis der Stimmanteile der im Parlament vertretenen Parteien zueinander durch die Vergabe aller Sitze nach § 6 Abs. 1 bis 3 BWahlG grundsätzlich nicht verändert wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 2011 - 2 BvC 7/11 -, juris, Rn. 7), sich die Sperrklausel folglich innerparlamentarisch neutral verhält. Überdies ist die Prämisse der Antragstellerin insoweit spekulativ, als sich bei Einzug weiterer Parteien ins Parlament die etwaig erforderliche Bildung einer Regierungskoalition unter anderen Bedingungen vollziehen würde. Inwieweit Parteien, die die Sperrklausel verfehlt haben, an einer Regierungskoalition beteiligt würden, ist offen. Daher kann es sogar im Interesse einer Stärkung der parlamentarischen Opposition liegen, dass Parteien, die potenziell die Regierung mittragen, nicht in den Bundestag einziehen.

95

3. Einer Einführung spezifischer Oppositionsfraktionsrechte steht zudem Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG entgegen. Exklusiv den Oppositionsfraktionen zur Verfügung stehende Rechte - wie beispielhaft die Schaffung spezifischer Oppositionsrechte im Ausschuss in § 126a Abs. 1 Nr. 2 und 7 bis 10 GO-BT - stellen eine nicht zu rechtfertigende Durchbrechung des Grundsatzes der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dar.

96

a) Alle Mitglieder des Bundestages verfügen grundsätzlich über die gleichen Rechte und Pflichten. Dies folgt vor allem daraus, dass der Deutsche Bundestag seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit wahrnimmt, durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder, nicht durch einzelne Abgeordnete, eine Gruppe von Abgeordneten oder die parlamentarische Mehrheit (vgl. BVerfGE 40, 296 <318>; 44, 308 <316>; 56, 396 <405>; 80, 188 <218>; 93, 195 <204>; 96, 264 <278>; 123, 267 <342>; 130, 318 <342>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11 -, juris, Rn. 91, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Jeder Abgeordnete ist berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen. Dies gilt namentlich für die Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 80, 188 <217 f.>; 92, 130 <134>; stRspr). Demzufolge ist auch den Abgeordneten, die strukturell die Regierung stützen, die Möglichkeit eines Opponierens im Einzelfall eröffnet.

97

Diese Maßstäbe gelten auch für Fraktionen, deren Rechtsstellung als notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens, politisches Gliederungsprinzip für die Arbeit des Bundestages und maßgebliche Faktoren der politischen Willensbildung ebenfalls in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG begründet ist, da Fraktionen Zusammenschlüsse von Abgeordneten sind (vgl. Art. 53a Abs. 1 Satz 2 GG; BVerfGE 70, 324 <362 f.>; 80, 188 <219 f.>; 84, 304 <322>; 93, 195 <204>; zum Grundsatz der Fraktionsgleichheit vgl. BVerfGE 93, 195 <204>; 112, 118 <133>; 130, 318 <354>; 135, 317 <396 Rn. 153>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11 -, juris, Rn. 92, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

98

Eine Durchbrechung des Grundsatzes der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse ist nur bei Vorliegen besonderer Gründe verfassungsrechtlich gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 93, 195 <204>; 96, 264 <278>; stRspr), die ihrerseits durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sein müssen, das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann. Die Anforderungen an einen solchen Grund entsprechen denen, die an Differenzierungen innerhalb der Wahlrechtsgleichheit zu stellen sind, weil diese auf der zweiten Stufe der Entfaltung demokratischer Willensbildung, das heißt im Status und der Tätigkeit der Abgeordneten, fortwirkt (vgl. BVerfGE 102, 224 <237 f.>; 112, 118 <134>; 130, 318 <352>; stRspr). Das Recht des einzelnen Abgeordneten, an der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Bundestages mitzuwirken, darf nicht in Frage gestellt werden (vgl. BVerfGE 80, 188 <218 f.>; 84, 304 <321 f.>).

99

b) Die Zuweisung spezifischer Oppositionsrechte stellt eine Bevorzugung, mithin eine Ungleichbehandlung zugunsten der oppositionellen Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse gegenüber den die Regierung tragenden Abgeordneten und deren Zusammenschlüssen dar. Ein durchgreifender Rechtfertigungsgrund nach den genannten Maßstäben ist vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich.

100

aa) Von der Möglichkeit eines Opponierens im konkreten Einzelfall parlamentarischer Arbeit wird durch die Abgeordneten, die strukturell die Regierung stützen, wegen der Bindungen innerhalb der Koalitionsfraktionen in der politischen Praxis zwar vergleichsweise selten Gebrauch gemacht (vgl. BVerfGE 49, 70 <86>, vgl. oben, Rn. 87). Allein das Bestehen dieser Möglichkeit zwingt die Regierung aber immer wieder, für die eigene politische Position auch "in den eigenen Reihen" zu werben, was der Offenheit des politischen Prozesses nur förderlich sein kann. Die faktische Kontrollzurückhaltung der strukturell die Regierung stützenden Abgeordneten vermag ihren Ausschluss von der Wahrnehmung bestimmter Minderheitenrechte daher nicht zu rechtfertigen.

101

bb) Auch die besondere Situation einer "entrechteten" Opposition angesichts einer geradezu "erdrückenden" Regierungsmehrheit führt zu keinem anderen Ergebnis. Das insofern von der Antragstellerin vorgebrachte Kompensationsargument greift zu kurz. Durch die Einführung der Opposition vorbehaltener Minderheitenrechte wäre diese lediglich relativ, im Vergleich zu den die Regierung tragenden Abgeordneten, im Vorteil. Geht es der Antragstellerin indes um eine Verbesserung der Kontrollfunktion des Parlaments, wäre es sogar kontraproduktiv, den übrigen Abgeordneten die - zumindest theoretische - Möglichkeit eines situativen Gebrauchs der Rechte vorzuenthalten. Dies gilt selbst dann, wenn die spezifischen Oppositionsrechte neben und nicht anstelle der bereits vorhandenen Minderheitenrechte eingeführt würden.

102

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach betont, dass sich die quorengebundenen parlamentarischen Minderheitenrechte durch jede sich situativ bildende Minderheit ausüben lassen - ohne Ansehung ihrer Zusammensetzung und ihres Zustandekommens und ohne Rücksicht auf Partei- oder Fraktionszugehörigkeit der mitwirkenden Abgeordneten (vgl. BVerfGE 21, 52 <53>; 124, 78 <107>). Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet vielmehr jedem einzelnen Abgeordneten eine verhaltensbezogen-prozedurale Oppositionsmöglichkeit (vgl. Ingold, Das Recht der Oppositionen, 2015, S. 434; vgl. auch Haberland, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Opposition nach dem Grundgesetz, 1995, S. 181). Ungeachtet politischer Präferenzen und Parteizugehörigkeit trägt er allein die Verantwortung für sein Abstimmungsverhalten und Auftreten im Parlament.

103

cc) Ebenso wenig vermag der Hinweis auf besondere Funktionen der parlamentarischen Opposition die von der Antragstellerin begehrte Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Wie dargelegt, erfüllen potenziell sämtliche Abgeordnete die Kritik- und Kontrollfunktion gegenüber der Regierung. Zwar ist es bedenkenswert, wenn die Antragstellerin anführt, die politische Kontrolle durch die parlamentarische Opposition sei qualitativ zu unterscheiden von der Kontrolle der Regierung durch die Parlamentsmehrheit, welche keine öffentliche Kontrolle darstelle und nicht auf einen Regierungswechsel angelegt sei, sondern bei der es sich lediglich um Formen einer internen Kontrolle der Regierung in Fraktions- und Arbeitskreissitzungen handele. Eine Schlechterstellung der die Regierung tragenden Abgeordneten durch Einführung exklusiver Oppositionsrechte würde diese Form der internen Kontrolle der Regierung aus der Mitte des Parlaments jedoch zusätzlich schwächen; den die Regierung tragenden Abgeordneten würde signalisiert, bei der Erfüllung der parlamentarischen Kontrollfunktion von untergeordneter Bedeutung zu sein.

104

Die Möglichkeiten gerade der oppositionellen Abgeordneten, vor allem die Funktionen der Kritik und der Formulierung von Alternativen im Rahmen von Rede und Gegenrede auszuüben, wurden zudem durch die - wenn auch durch den Ältestenrat und nicht durch die Geschäftsordnung - erfolgte Anhebung der Redezeiten der Oppositionsfraktionen erweitert (vgl. oben, Rn. 28). Die Redezeitverteilung unterscheidet sich von der Frage der Zuweisung von Minderheitenrechten dadurch, dass sie eine Entscheidung unter Knappheitsbedingungen darstellt und eine Besserstellung auf der einen Seite daher zwingend zu einer Schlechterstellung auf der anderen Seite führt.

105

Die strukturelle, insbesondere informatorische Schwäche der Opposition gegenüber der Regierungsmehrheit, die unter anderem auf der Nähe der die Regierung tragenden Fraktionen zur Ministerialbürokratie beruht, wird ferner durch eine relative Besserstellung auf der Ebene der Ausstattung kompensiert; insofern ist eine Anhebung des Oppositionszuschlags nach dem Abgeordnetengesetz von 10 % auf 15 % erfolgt (vgl. oben, Rn. 28).

106

dd) Die Antragstellerin kann schließlich auch nicht mit dem Vorbringen durchdringen, die in § 126a GO-BT eingeführten Minderheitenrechte zugunsten einer Anzahl von 120 Abgeordneten erfüllten nicht die Funktion, die ihnen im ursprünglichen Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (BTDrucks 18/481) zugedacht gewesen sei. Zum einen ist eine im Rahmen eines parlamentarischen Diskussionsprozesses zwischenzeitlich geäußerte Absicht kein Maßstab verfassungsrechtlicher Prüfung. Zum anderen ist wegen der Wahrnehmbarkeit der vorgesehenen Minderheitenrechte durch die parlamentarische Opposition die angestrebte Funktionalität durchaus gegeben. Von einer exklusiven Berechtigung der parlamentarischen Opposition war in der BTDrucks 18/481 ohnehin nicht die Rede; die Berechtigung "aller Mitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen", nach § 126a GO-BT sollte nur neben die bisherigen Minderheitenrechte und ihre verfassungs- und einfachrechtlich normierten Quoren treten.

107

4. Auch der dem Rechtsschutzziel der Antragstellerin nahe kommende Weg einer - in Bezug auf die Gleichheit aller Abgeordneten neutralen - Absenkung der grundgesetzlichen Quoren im Wege der Auslegung mit Blick auf die praktische Ausübbarkeit parlamentarischer Minderheitenrechte in Zeiten, in denen das Drittel-Quorum und die Viertel-Quoren von der parlamentarischen Opposition nicht erreicht werden, ist versperrt. Einer Absenkung der grundgesetzlich vorgegebenen Quoren eines Drittels (Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG) oder Viertels (Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) der Mitglieder des Bundestages für die Ausübung parlamentarischer Minderheitenrechte steht jedenfalls die bewusste Entscheidung des Verfassungsgebers für die bestehenden Quoren entgegen; diese Entscheidung ist auch vom Bundesverfassungsgericht zu respektieren.

108

Zwar mögen die grundgesetzlichen Quoren für die Ausübung von Minderheitenrechten in einem Spannungsverhältnis zum allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition stehen. Offen bleiben kann jedoch, ob die genannten, der parlamentarischen Opposition im 18. Deutschen Bundestag von Verfassungs wegen nicht zur Verfügung stehenden Rechte gemessen am Maßstab des allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes effektiver Opposition im Einzelnen überhaupt essentielle Rechte der parlamentarischen Opposition darstellen, was insbesondere für die Antragsberechtigung für die abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) - anders als etwa für das Antragsrecht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den Bundestag (Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG) - umstritten ist.

109

a) Aufgrund des expliziten Wortlauts der Grundgesetzbestimmungen ist der Weg für eine Auslegung (zum Gebot der Auslegung zugunsten der Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; vgl. oben, Rn. 90) im Sinne einer teleologischen Reduktion der Quoren verstellt; für Analogieschlüsse fehlt es bereits an einer analogiefähigen Norm. Namentlich für die abstrakte Normenkontrolle hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Katalog der Antragsberechtigten abschließend und eine Erweiterung - im Wege der Auslegung oder Analogie - unzulässig ist (vgl. BVerfGE 21, 52 <53 f.>; 68, 346 <349>). Das Gericht würde damit die der Verfassungsgerichtsbarkeit vom Grundgesetz gezogenen Grenzen durch Zulassung weiterer Verfassungsstreitigkeiten überschreiten und so von einer wichtigen Grundentscheidung des Verfassungsgebers abweichen. Dazu ist es nicht befugt (vgl. BVerfGE 21, 52 <53 f.>). Diese Bewertung lässt sich auf sämtliche grundgesetzliche Quoren übertragen.

110

b) Auch von einem "Verfassungswandel" ist vorliegend nicht auszugehen. Begreift man diesen vor allem als Interpretationsproblem (vgl. Häberle, Zeit und Verfassung, ZfP 21 [1974], S. 111 <129 f.>), so besteht angesichts des klaren Wortlauts der Quorenregelungen kein Auslegungsspielraum. Selbst wenn man den Wortlaut nicht als Grenze anerkennte, könnte ein Verfassungswandel allenfalls vorliegen, wenn die Quoren ursprünglich dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition entsprachen, sich die tatsächlichen Verhältnisse jedoch im Laufe der Zeit derart geändert hätten, dass die bestehenden Quoren ihren Sinn verloren hätten. Davon kann aber keine Rede sein. Seit der ersten Legislaturperiode bestand die Möglichkeit großer Koalitionen im Bundestag mit der Konsequenz, dass für Fraktionen, die nicht die Regierung tragen, bestimmte Quoren nicht erfüllbar sind. Diese Möglichkeit hat sich mehrfach realisiert (vgl. oben, Rn. 18). Die tatsächlichen Verhältnisse sind somit stabil.

111

c) Die umstrittene Rechtsfigur verfassungswidrigen Verfassungsrechts vermag zur Lösung des Spannungsverhältnisses zwischen den Quoren für die Ausübung der parlamentarischen Minderheitenrechte und dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition ebenfalls nichts beizutragen. Die Rechtsfigur ist bereits deshalb problematisch, weil auf derselben Normebene keine Hierarchie auszumachen ist, die ein Kriterium dafür liefern könnte, welcher verfassungsrechtlichen Norm Vorrang zukommt. Das Grundgesetz kann nur als Einheit begriffen werden (vgl. BVerfGE 1, 14 <32>, stRspr; vgl. ferner nur Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 20 m.w.N.). Daraus folgt, dass auf der Ebene der Verfassung selbst ranghöhere und rangniedere Normen in dem Sinne, dass sie aneinander gemessen werden könnten, grundsätzlich nicht denkbar sind (vgl. BVerfGE 3, 225 <231 f.>).

112

Die Sonderkonstellation der Ewigkeitsklausel in Art. 79 Abs. 3 GG ist hier nicht einschlägig. Ungeachtet der Frage, ob der allgemeine verfassungsrechtliche Grundsatz effektiver Opposition zu den in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätzen im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG zählt, liegen bereits keine Änderungen des Grundgesetzes vor, die sich in irgendeiner Weise negativ auf die parlamentarische Opposition auswirken könnten: Die Quorenbestimmungen in den Art. 39, 44 GG bestehen seit Inkrafttreten des Grundgesetzes. Die in den Jahren 1956 und 2008 erfolgten Änderungen hinsichtlich Art. 23, 45a und 93 GG führten gerade zur Stärkung der Minderheitenrechte, indem in Art. 23 und 45a GG an ein Viertel-Quorum geknüpfte Minderheitenrechte überhaupt erst eingeführt wurden und in Art. 93 GG das Drittel- auf ein Viertel-Quorum abgesenkt wurde.

113

Das für die Erhebung einer Subsidiaritätsklage durch den Bundestag als das jüngste grundgesetzliche Minderheitenrecht durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 23, 45 und 93) vom 8. Oktober 2008 (BGBl I S. 1926) mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 eingeführte Quorum sollte an das zugleich für die Normenkontrollanträge aus der Mitte des Bundestages gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG auf ein Viertel abgesenkte Quorum sowie an das bereits für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG maßgebende Quorum eines Viertels der Mitglieder des Bundestages angelehnt werden. Die Bemessung der Höhe der Quoren bezweckte die Verhinderung missbräuchlicher Ausübung des Minderheitenrechts (vgl. BTDrucks 16/8488, S. 4 re. Sp.). Der Vorschlag einiger Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, den Kreis der Antragsberechtigten für die Subsidiaritätsklage und die abstrakte Normenkontrolle um "eine Fraktion" zu erweitern, wurde wegen einer Überbetonung des Minderheitenschutzes und Missbrauchsbedenken abgelehnt (vgl. BTDrucks 16/8912, S. 5).

114

d) Die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Absenkung der grundgesetzlichen Quoren für die Ausübung der parlamentarischen Minderheitenrechte lässt sich schließlich auch nicht aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition ableiten. Die in den Text der Verfassung aufgenommenen Quoren stellen vielmehr die vom Verfassungsgeber und vom verfassungsändernden Gesetzgeber gewollte Konkretisierung des Grundsatzes dar.

115

aa) Insbesondere existiert keine unbeabsichtigte Regelungslücke, weil etwa der Verfassungsgeber die besondere Härte seiner Quorenbestimmungen für bestimmte Situationen nicht in Betracht gezogen oder übersehen hätte, dass eine besonders kleine parlamentarische Opposition, die nach seinem Willen nach dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition von den Minderheitenrechten sollte Gebrauch machen können, durch die Wahl der konkreten Quoren hieran gehindert wird.

116

Die Entstehungsgeschichte der Grundgesetzbestimmungen über an Quoren gebundene parlamentarische Minderheitenrechte lässt keine Anhaltspunkte für eine Regelungslücke für Zeiten einer zahlenmäßig die geregelten Quoren nicht erreichenden parlamentarischen Opposition erkennen. Der Verfassungsgeber hat den Belang des Minderheitenschutzes auf der einen Seite und der Gefahr des Missbrauchs von Minderheitenrechten, die ihm noch aus Zeiten der Weimarer Republik vor Augen stand, auf der anderen Seite (vgl. BVerfGE 105, 197 <224> m.w.N. zur Diskussion im Parlamentarischen Rat) erkannt und gegeneinander abgewogen. Er hat auch die Konsequenzen seiner Quorenbestimmungen gesehen und billigend in Kauf genommen.

117

Beispielhaft sah der Herrenchiemsee-Entwurf (Verfassungsausschuss der Ministerpräsidentenkonferenz der Westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, JöR N.F., Bd. I, S. 366) hinsichtlich des Antragsquorums für die Pflicht des Bundestages, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, in seinem Art. 57 Abs. 1 - ebenso wie noch Art. 34 Abs. 1 Satz 1 WRV hinsichtlich des Reichstags - ein Fünftel der gesetzlichen Mitgliederzahl des Bundestages vor. Im Rahmen der Verhandlungen des Parlamentarischen Rats (Organisationsausschuss) wurde sowohl die - sich schließlich durchsetzende - Anhebung des Quorums auf ein Viertel als auch auf ein Drittel (Antrag des Abgeordneten de Chapeaurouge, CDU) diskutiert. Während die Anhebung auf ein Drittel Ablehnung erfuhr (vgl. JöR N.F., Bd. I, S. 367, insb. Fn. 4), wurde die Änderung auf ein Viertel - also die Heraufsetzung des Fünftel-Quorums der Weimarer Zeit - von den Abgeordneten Dr. Katz (SPD) und Dr. Fecht (CDU) mit dem häufigen Missbrauch begründet, der mit Untersuchungsausschüssen in der Weimarer Zeit geübt worden sei (vgl. JöR N.F., Bd. I, S. 367, insb. Fn. 5). Gegenüber Bedenken des Abgeordneten Dr. Dehler(FDP), dass diese Änderung gegen die Minderheiten gerichtet sei, erwiderte der Abgeordnete Dr. Katz (SPD), es sei "nur die Frage, ob nicht eine größere Minderheit gefordert werden sollte" (JöR N.F., Bd. I, S. 367, insb. Fn. 6; vgl. BVerfGE 105, 197 <224>).

118

bb) Eine andere Bewertung ist schließlich auch nicht durch den Umstand geboten, dass der Verfassungsgeber eine Entwicklung zum Vielparteienparlament nicht in Betracht gezogen hätte. Vielmehr liegt das Gegenteil nahe: Zwar nimmt die Anzahl der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien seit dem numerischen Tiefpunkt in den sechziger Jahren mit lediglich vier Parteien wieder sukzessive zu - durch Hinzutreten der GRÜNEN ab 1983 (10. Wahlperiode) und der PDS ab 1990 (12. Wahlperiode) - und ist erst mit dem Nichteinzug der FDP in den 18. Deutschen Bundestag wieder rückläufig. Vor dem Erfahrungs- und Erwartungshorizont des Verfassungsgebers von 1949 waren Reichs- und Bundestag jedoch gerade durch eine - bis heute nie wieder erreichte - Vielzahl an im Parlament vertretenen Parteien gekennzeichnet. Zu Zeiten der Weimarer Republik hatte der Reichstag stets über zehn Parteien und barg damit die Gefahr einer übermäßigen Parteienzersplitterung (vgl. BVerfGE 1, 208 <248>; 14, 121 <135>; 34, 81 <99 f.>). Durch die erste Bundestagswahl am 14. August 1949 - deren Ergebnis der Grundgesetzgeber freilich nicht erahnen konnte - zogen in den Deutschen Bundestag noch elf Parteien ein. Auch hat der verfassungsändernde Gesetzgeber mit dem sukzessiven Anstieg der Parteienzahl im Parlament keine andere Grundentscheidung getroffen, weder nach 1983 mit dem Anstieg von vier auf fünf noch nach 1990 mit dem Anstieg auf sechs Parteien. Die im Zuge der Einführung des Minderheitenrechts zur Subsidiaritätsklage erfolgte punktuelle Absenkung des Drittel-Quorums auf ein Viertel-Quorum für die Antragsberechtigung der abstrakten Normenkontrolle im Jahr 2008 stellt keine abweichende Grundentscheidung dar (vgl. oben, Rn. 113).

II.

119

Der Antrag zu 2 ist unbegründet, da eine Pflicht des Antragsgegners zur Effektuierung seiner Kontrollfunktion durch Einräumung der von der Antragstellerin begehrten Oppositionsrechte auf Ebene des einfachen Rechts nicht besteht.

120

1. Soweit grundgesetzlich geregelte Minderheitenrechte auch vom Antrag zu 2 erfasst sind, stehen die grundgesetzlich konkret geregelten Quoren gleichfalls einer verfassungsrechtlichen Pflicht im Wege, weitergehende Oppositionsrechte lediglich einfachgesetzlich vorzusehen. Dies betrifft die von Art. 1, 2 und 6 (soweit sich Art. 6 auf das Klageerzwingungsrecht bezieht) des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380 modifizierten Minderheitenrechte des PUAG, des BVerfGG sowie des IntVG (soweit dessen § 12 Abs. 1 Satz 1 betroffen ist; vgl. Tabelle oben, Rn. 27).

121

2. Soweit grundgesetzlich nicht speziell geregelte Minderheitenrechte vom Antrag zu 2 erfasst sind und soweit dieser zulässig ist (Art. 4 Nr. 1 und 2 und Art. 6 des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380), ist das Ergebnis hingegen nicht durch explizite Verfassungsnormen vorgegeben. Dies betrifft die Änderung von § 5 Abs. 4 ESMFinG (a)) und des IntVG, soweit das Recht der die Erhebung der Subsidiaritätsklage nicht stützenden parlamentarischen Minderheit betroffen ist, nach § 12 Abs. 1 Satz 2 IntVG ihre Auffassung in der Klageschrift deutlich zu machen (b)).

122

a) Die begehrte Einfügung spezifischer Oppositionsrechte durch befristete Ergänzung des § 5 Abs. 4 ESMFinG für die Dauer der 18. Legislaturperiode um die Berechtigung "zweier Fraktionen im Ausschuss, die nicht die Bundesregierung tragen" (Art. 4 Nr. 1 und 2 [i.V.m. Art. 7 Abs. 1] des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380), stellt eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Beeinträchtigung der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dar.

123

aa) Nach den oben genannten Maßstäben (vgl. Rn. 95 ff.) stellt das begehrte erweiterte Minderheitenrecht zugunsten "zweier Fraktionen im Ausschuss, die nicht die Bundesregierung tragen", durch seinen auf oppositionelle Fraktionen beschränkten Adressatenkreis eine Ungleichbehandlung gegenüber den die Regierung tragenden Fraktionen im Ausschuss und deren Abgeordneten dar.

124

Zwar ist festzuhalten, dass dieses begehrte spezifische Oppositionsrecht nicht exklusiv wäre: Das hinzugefügte Antragsrecht "zweier Fraktionen im Ausschuss, die nicht die Bundesregierung tragen", sollte neben das Antragsrecht eines "Viertels seiner [des Haushaltsausschusses] Mitglieder" nach § 5 Abs. 4 ESMFinG treten. Mitglieder der Koalitionsfraktionen könnten sich mithin unverändert als das relevante Viertel-Quorum zusammenfinden und das Minderheitenrecht wahrnehmen. Die Ungleichbehandlung läge jedoch darin, dass den (Mitgliedern der) Koalitionsfraktionen ein situatives Opponieren erschwert würde, indem sie durch die Formulierung "zweier Fraktionen im Ausschuss, die nicht die Bundesregierung tragen", aus einer der beiden möglichen Minderheitsgruppierungen per definitionem ausgeschlossen würden.

125

Die praktische Relevanz dieser Ungleichbehandlung entfiele auch nicht durch das fortbestehende Viertel-Quorum: Während die (Mitglieder der) Oppositionsfraktionen die Möglichkeit hätten, das belassene Viertel-Quorum mit Hilfe von einzelnen Unterstützern aus den Reihen der Koalitionsfraktionen zu erreichen und ihnen zusätzlich - bei geschlossenem Auftreten - das neue Antragsrecht der Oppositionsfraktionen exklusiv zur Verfügung stünde, wäre es den (Mitgliedern der) Koalitionsfraktionen umgekehrt verwehrt, mit Hilfe von Unterstützern aus den Reihen der Oppositionsfraktionen vom neuen Antragsrecht Gebrauch zu machen. Ihnen bliebe allein das allgemeine qualifizierte Minderheitenrecht eines Viertels der Mitglieder des Haushaltsausschusses nach § 5 Abs. 4 ESMFinG, die jeglicher politischer Couleur sein können.

126

bb) Die in der Oppositionsspezifität des begehrten zusätzlichen Fraktionsrechts liegende Ungleichbehandlung der (Mitglieder der) Fraktionen, die die Bundesregierung tragen, ist nach den oben genannten Maßstäben (vgl. Rn. 98) verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Ein zwingender Grund für die Benachteiligung der die Regierung tragenden (Abgeordneten und) Fraktionen ist vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. oben, Rn. 99 ff.).

127

Dass die regierungstragenden (Abgeordneten und) Fraktionen nicht von der Beteiligung am Minderheitenrecht nach § 5 Abs. 4 ESMFinG ausgeschlossen, sondern lediglich partiell beschränkt wären, ist auch regelungstechnisch nicht zwingend: Wäre - in Ergänzung zu oder anstelle der Berechtigung eines Viertels der Mitglieder des Haushaltsausschusses - eine Gruppierung mit einer Anzahl vorgesehen, welche die Abgeordneten der Oppositionsfraktionen (im Ausschuss) erreichen können, läge keine Spezifität der Berechtigung vor. Beispielhaft sei auf den eingefügten § 126a Abs. 1 GO-BT verwiesen, der in der Mehrzahl der Fälle (Nr. 1, 3 bis 6 und 11) mit der Berechtigung einer bestimmten - auch von der gegenwärtigen Opposition erreichbaren - absoluten Zahl an Mitgliedern des Bundestages operiert ("120 Abgeordnete"; vgl. oben, Rn. 28).

128

b) Die begehrte Einfügung spezifischer Oppositionsrechte durch eine befristete Anfügung des vorgeschlagenen § 12 Abs. 1 Satz 3 IntVG für die Dauer der 18. Legislaturperiode und damit die Erweiterung um berechtigte zwei Oppositionsfraktionen (Art. 6 [i.V.m. Art. 7 Abs. 2] des Gesetzentwurfs BTDrucks 18/380) stellt ebenfalls eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Beeinträchtigung der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dar(vgl. Rn. 99 ff., 123 ff.).

III.

129

Der Antrag zu 3 ist unbegründet, da eine Pflicht des Antragsgegners zur Einräumung der von der Antragstellerin begehrten Oppositionsrechte auf Ebene der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages nicht besteht.

130

1. Soweit sich das im Antrag zu 3 zum Ausdruck kommende Begehren mit demjenigen der Anträge zu 1 und zu 2 überschneidet und nur hinsichtlich der Zuordnung der begehrten Rechte davon abhebt (betrifft § 126a Abs. 1 Nr. 1 bis 8 GO-BT), ist entsprechend auch der Antrag zu 3 unbegründet.

131

2. Im Übrigen begehrt die Antragstellerin mit ihrem Antrag zu 3 noch die Feststellung der Rechtsverletzung durch Unterlassen

132

· erstens - der Zuweisung des in § 126a Abs. 1 Nr. 9 GO-BT enthaltenen Antragsrechts auf öffentliche Anhörung durch den federführenden Ausschuss bei überwiesenen Vorlagen nach § 70 Abs. 1 Satz 2 GO-BT an sie als eigenes Oppositionsfraktionsrecht (anstelle des Rechts aller oppositionellen Ausschussmitglieder),

133

· zweitens - die Zuweisung des in § 126 Abs. 1 Nr. 10 GO-BT enthaltenen Antragsrechts auf Durchführung einer Plenarberatung statt einer erweiterten öffentlichen Ausschusssitzung nach § 69a Abs. 5 GO-BT an sie als eigenes Oppositionsfraktionsrecht (anstelle des Rechts aller oppositionellen Ausschussmitglieder) sowie

134

· drittens - der Zuweisung des in § 126a Abs. 1 Nr. 11 GO-BT enthaltenen Antragsrechts auf Einsetzung einer Enquete-Kommission nach § 56 Abs. 1 GO-BT an sie als eigenes Oppositionsfraktionsrecht (anstelle des Rechts von 120 Mitgliedern des Bundestages).

135

Um dem Begehr der Antragstellerin zu entsprechen, muss der Antrag zu 3 in dem Sinne ausgelegt werden, dass im Hauptantrag (Buchstabe a) "Rechte der Fraktionen (im Ausschuss), die nicht die Bundesregierung tragen" oder "Oppositionsfraktionsrechte" und nicht "Fraktionsrechte" begehrt werden. Wie aus der Antragsbegründung und der mündlichen Verhandlung deutlich wird, rückt die Antragstellerin auch im Rahmen des Antrags zu 3 nicht davon ab, spezifische Oppositionsrechte einzufordern.

136

Die Erweiterung des Kreises der Berechtigten um die Oppositionsfraktionen im Plenum oder im Ausschuss stellte jedoch jeweils ein spezifisches Oppositionsrecht und damit entsprechend dem oben Gesagten eine nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Gleichheit der Fraktionen aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. Rn. 99 ff., 123 ff.).

137

3. Der Hilfsantrag (Buchstabe b) des Antrags zu 3 muss nach dem Willen der Antragstellerin ebenfalls in dem Sinne ausgelegt werden, dass das Begehr dahin geht, die Antragsrechte "als Rechte aller Mitglieder der Fraktionen (im Ausschuss), die nicht die Bundesregierung tragen", zuzuweisen.

138

Die Erweiterung des Kreises der Berechtigten um die Oppositionsfraktionen im Plenum oder im Ausschuss stellte jedoch wiederum jeweils ein spezifisches Oppositionsrecht und damit eine nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Gleichheit der Fraktionen aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. Rn. 99 ff., 123 ff.).

D.

139

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

Der Bundestag bestimmt bei der Einsetzung die Zahl der ordentlichen und die gleich große Zahl der stellvertretenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Die Bemessung der Zahl hat einerseits die Mehrheitsverhältnisse widerzuspiegeln und andererseits die Aufgabenstellung und die Arbeitsfähigkeit des Untersuchungsausschusses zu berücksichtigen. Jede Fraktion muss vertreten sein. Die Berücksichtigung von Gruppen richtet sich nach den allgemeinen Beschlüssen des Bundestages. Die Zahl der auf die Fraktionen entfallenden Sitze wird nach dem Verfahren der mathematischen Proportion (St. Lague/Schepers) berechnet.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

Der Bundestag bestimmt bei der Einsetzung die Zahl der ordentlichen und die gleich große Zahl der stellvertretenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Die Bemessung der Zahl hat einerseits die Mehrheitsverhältnisse widerzuspiegeln und andererseits die Aufgabenstellung und die Arbeitsfähigkeit des Untersuchungsausschusses zu berücksichtigen. Jede Fraktion muss vertreten sein. Die Berücksichtigung von Gruppen richtet sich nach den allgemeinen Beschlüssen des Bundestages. Die Zahl der auf die Fraktionen entfallenden Sitze wird nach dem Verfahren der mathematischen Proportion (St. Lague/Schepers) berechnet.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

Tenor

1. Der Antrag der Antragstellerin zu 3. wird verworfen.

2. Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Berechtigung der Bundesregierung, der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2., ein Vorlageersuchen des 1. Untersuchungsausschusses des 18. Deutschen Bundestages (sogenannter NSA-Untersuchungsausschuss) mit dem Hinweis auf entgegenstehende völkerrechtliche Verpflichtungen und den Schutz der Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste abzulehnen.

2

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag. Die Antragstellerin zu 3. besteht aus den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses, die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehören.

I.

3

1. Anlass des Untersuchungsausschussverfahrens waren die im Sommer 2013 durch die britische Zeitung "The Guardian" und die amerikanische Zeitung "The Washington Post" veröffentlichten geheimen Dokumente der National Security Agency (NSA). Aus diesen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die NSA in großem Umfang Daten auch in Deutschland erhoben haben könnte, teilweise in Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst (BND).

4

2. Der BND betrieb gemeinsam mit der NSA unter dem Projektnamen Joint SIGINT Activity in B. eine Kooperation zur Aufklärung von internationalen Fernmeldeverkehren zu Krisenregionen. Dieser Zusammenarbeit lagen ein zunächst als VS-VERTRAULICH und ab August 2016 als offen eingestuftes, aus Verbalnoten bestehendes Geheimschutzabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland sowie ein als STRENG GEHEIM-Schutzwort eingestuftes Memorandum of Agreement (MoA) zugrunde. Das MoA legte die Modalitäten für die gemeinsame Arbeit fest. Eine Aufklärung europäischer Ziele war danach nur beschränkt auf näher bezeichnete Phänomenbereiche zulässig. Auch sollten ausschließlich solche Kommunikationen aufgeklärt werden, an denen kein G 10-geschützter Teilnehmer beteiligt war.

5

Im Rahmen dieser Kooperation durchsuchten BND-Mitarbeiter die aus einem Internetknotenpunkt in F. ausgeleiteten Daten nach von der NSA definierten Merkmalen, den sogenannten Selektoren. Diese Selektoren wurden von B. aus regelmäßig abgerufen und nach entsprechender Prüfung auf eine G 10-Relevanz oder einen Verstoß gegen deutsche Interessen durch den BND in die Erfassungssysteme eingestellt. Aufgrund der hohen Zahl der Selektoren wurde die Prüfung mit Hilfe des vom BND entwickelten Datenfilterungssystems DAFIS durchgeführt.

6

Bereits Ende des Jahres 2005 fiel BND-Mitarbeitern im Rahmen der Prüfung von NSA-Selektoren auf, dass die NSA auch Selektoren übergeben hatte, die nach Einschätzung des BND gegen deutsche Interessen verstießen. Nachdem im Sommer 2013 in der Presse berichtet worden war, dass EU-Vertretungen und auch deutsche Grundrechtsträger von der Fernmeldeaufklärung im Rahmen der Joint SIGINT Activity betroffen seien, führte der BND eine interne Untersuchung der Selektoren durch. Dabei stellte sich heraus, dass die überprüften Selektoren nur zu einem Teil bereits bei der ersten Filterung von der weiteren Verwendung ausgeschlossen und nicht in die Erfassungssysteme übernommen worden waren. Ein anderer Teil war für unterschiedlich lange Zeiträume gesteuert worden.

7

3. Am 20. März 2014 beschloss der Deutsche Bundestag auf Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Einsetzung des NSA-Untersuchungsausschusses. Das Gremium konstituierte sich am selben Tag.

8

Der Untersuchungsauftrag (vgl. BTDrucks 18/843, S. 1 ff.) lautet in den für den streitgegenständlichen Antrag wesentlichen Passagen wie folgt:

Der Untersuchungsausschuss soll - angestoßen insbesondere durch Presseberichterstattung infolge der Enthüllungen von Edward Snowden über Internet- und Telekommunikationsüberwachung - für den Zeitraum seit Jahresbeginn 2001 klären,

I. ob, in welcher Weise und in welchem Umfang durch Nachrichtendienste der Staaten der sogenannten "Five Eyes" (der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, Kanadas, Australiens und Neuseelands) eine Erfassung von Daten über Kommunikationsvorgänge (einschließlich Inhalts-, Bestands- und Verkehrsdaten), deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge (einschließlich Internetnutzung und angelegter Adressverzeichnisse) von, nach und in Deutschland auf Vorrat oder eine Nutzung solcher durch öffentliche Unternehmen der genannten Staaten oder private Dritte erfasster Daten erfolgte beziehungsweise erfolgt und inwieweit Stellen des Bundes, insbesondere die Bundesregierung, Nachrichtendienste oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik von derartigen Praktiken Kenntnis hatten, daran beteiligt waren, diesen entgegenwirkten oder gegebenenfalls Nutzen daraus zogen. (…)

II. ob und inwieweit Daten über Kommunikationsvorgänge und deren Inhalte (mittels Telekommunikation oder Gespräche einschließlich deren Inhalte wie etwa Gesetzentwürfe oder Verhandlungsstrategien) von Mitgliedern der Bundesregierung, Bediensteten des Bundes sowie Mitgliedern des Deutschen Bundestages oder anderer Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, durch Nachrichtendienste der unter Nummer I. genannten Staaten nachrichtendienstlich erfasst oder ausgewertet wurden. (…)

III. ob Empfehlungen zur Wahrung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutzes der informationellen Selbstbestimmung, der Privatsphäre, des Fernmeldegeheimnisses und der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme sowie der sicheren und vertraulichen Kommunikation in der staatlichen Sphäre geboten sind. (…)

9

4. Der Untersuchungsausschuss befasste sich in der Folge zunächst mit den Komplexen der Kooperationsmaßnahmen des BND und der NSA gemäß der Ziffern I. und II. des Untersuchungsauftrags und fasste hierzu mehrere Beweisbeschlüsse.

10

Auf diese Beschlüsse hin erklärte ein Vertreter des Bundesministeriums des Innern in der Ausschusssitzung vom 26. Juni 2014, über Unterlagen ausländischer Nachrichtendienste fehle die Verfügungsberechtigung deutscher Stellen. Eine Vorlage ohne Zustimmung des Herausgebers sei ein Verstoß gegen völkervertragliche Geheimschutzabkommen. Unabhängig von diesen Geheimschutzabkommen könne die Vorlage dieser Unterlagen auch die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Die betroffenen Staaten seien daher zunächst im Wege eines Konsultationsverfahrens um Freigabe der Unterlagen zu ersuchen.

11

Mit Schreiben vom 9. Juli 2014 erklärte das Bundeskanzleramt gegenüber den Regierungen der "Five Eyes"-Staaten die Einleitung des Konsultationsverfahrens. Es stellte die deutsche Rechtslage dar und bat um Unterstützung sowie um Ausführungen zur Rechtsansicht der betroffenen Staaten. Im Nachgang zu diesem Schreiben fanden Besprechungen auf unterschiedlichen Ebenen in Deutschland und in den jeweiligen Staaten statt. Der Untersuchungsausschuss wurde hierüber in der Sitzung am 11. September 2014 unterrichtet.

12

Die Antworten der Staaten fielen unterschiedlich aus. Das Vereinigte Königreich und Australien sahen generell keine Möglichkeit zur Freigabe von Unterlagen. Kanada stimmte dem Konsultationsverfahren im Grundsatz zu. Die Vereinigten Staaten von Amerika und Neuseeland kündigten eine Einzelfallprüfung an. Das Ergebnis der Konsultation mit den Vereinigten Staaten von Amerika wurde dem Untersuchungsausschuss in seiner Sitzung am 25. September 2014 erläutert. Das Antwortschreiben mit entsprechender Arbeitsübersetzung wurde ihm anschließend übermittelt und in der Sitzung vom 9. Oktober 2014 erörtert.

13

5. Nachdem eine Vielzahl geheimhaltungsbedürftiger Informationen in den Medien veröffentlicht worden war und die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ihre Sorge hierüber zum Ausdruck gebracht hatte, bat der Antragsgegner zu 2. mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses um Sensibilisierung der Mitglieder im Umgang mit als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen.

14

6. Aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt erzielten Ergebnisse der Beweiserhebung und weiterer Presseveröffentlichungen fasste der Untersuchungsausschuss am 26. Februar 2015 - auf die Beweisanträge der Antragstellerin zu 3. hin - die Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26, um sämtliche Beweismittel beizuziehen, die

1. Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim Bundesnachrichtendienst darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die National Security Agency im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen (d.h. gegen Menschen in Deutschland oder der EU; dortige deutsche oder europäische bi-, multi- bzw. supranationale Dienststellen oder entsprechend gegen Unternehmen, beispielhaft seien genannt EADS, Eurocopter, französische Behörden, vgl. Süddeutsche Zeitung v. 4.10.2014 "Codewort Eikonal") versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagierten

oder die

2. bei der Erstellung der Schriftstücke des Bundeskanzleramts bzw. des Bundesnachrichtendienstes hinsichtlich der vorgenannten Thematik unter den folgenden Fundstellen zugrunde lagen: MAT A BK-7, Tgb.- Nr. 05/14 streng geheim (auf geheim herabgestuft), Anl. 06, Ordner 135, Bl. 36, Bl. 41, Bl. 120, und die

15

im Organisationsbereich des Bundeskanzleramtes und des BND im Untersuchungszeitraum entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind. Der Untersuchungsausschuss setzte eine Frist bis zum 15. April 2015.

16

7. Das Bundeskanzleramt übermittelte dem Untersuchungsausschuss fristgerecht Beweismaterialien zu den Beweisbeschlüssen BK-14 und BND-26.

17

Am 24. April 2015 wurde das die NSA-Selektorenlisten betreffende Konsultationsverfahren mit den Vereinigten Staaten von Amerika eingeleitet.

18

Nach Fristablauf legte die Antragsgegnerin zu 1. mit Schreiben vom 27. April 2015 zwei weitere, als STRENG GEHEIM eingestufte Ordner zum Beweisbeschluss BND-26 vor. Allerdings ergab sich aus den Inhaltsübersichten der beiden Ordner, dass einzelne Dokumente entnommen worden waren. Anstelle des jeweiligen Dokumentes war ein Fehlblatt eingeheftet. Darüber hinaus waren einzelne Informationen geschwärzt. Zur Begründung der Entnahmen und Schwärzungen wurde angeführt, dass es sich um Originalmaterial ausländischer Nachrichtendienste handele, über welches der BND nicht uneingeschränkt verfügen könne und welches als Verschlusssache eingestuft oder erkennbar geheimhaltungsbedürftig sei. Eine Weitergabe an den Untersuchungsausschuss ohne Einverständnis des Herausgebers würde einen Verstoß gegen die bindenden Geheimschutzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Herausgeberstaat darstellen. Die Nichtbeachtung völkervertraglicher Vereinbarungen könne die internationale Kooperationsfähigkeit Deutschlands stark beeinträchtigen und andere Staaten dazu veranlassen, ihrerseits völkervertragliche Vereinbarungen mit Deutschland in Einzelfällen zu ignorieren und damit deutschen Interessen zu schaden. Eine Freigabe zur Vorlage an den Untersuchungsausschuss durch den ausländischen Nachrichtendienst liege gegenwärtig noch nicht vor.

19

Im Hinblick auf die NSA-Selektorenlisten gelangten die Antragsgegner zu der Einschätzung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika erst nach Prüfung und Abwägung über die Herausgabe an den Untersuchungsausschuss entscheiden würden. Daher übermittelte die Antragsgegnerin zu 1. dem Untersuchungsausschuss am 30. April 2015 zunächst ein schriftliches Testat des BND zu den Erkenntnissen über die NSA-Selektorenlisten.

20

8. Die Antragstellerin zu 3. beantragte am 21. Mai 2015 (Ausschussdrucksache 373), der Untersuchungsausschuss möge die Antragsgegnerin zu 1. durch Beschluss auffordern,

die aus den beigezogenen Beweismitteln zum Beweisbeschluss BND-26 entnommen[en] Listen mit Steuerungs- und Telekommunikationsmerkmalen (Selektoren) dem 1. Untersuchungsausschuss umgehend vorzulegen.

21

In seiner Sitzung am 11. Juni 2015 fasste der Untersuchungsausschuss über den Antrag der Antragstellerin zu 3. einen Beschluss und forderte die Antragsgegnerin zu 1. auf, bis zum 18. Juni 2015 die NSA-Selektorenlisten vorzulegen oder die Ablehnung zu begründen.

22

9. Mit einem überwiegend als GEHEIM eingestuften Schreiben vom 17. Juni 2015 lehnte der Antragsgegner zu 2. die Vorlage der NSA-Selektorenlisten ab.

23

In dem nicht eingestuften Abschnitt IV des Schreibens wird ausgeführt, es sei auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, dass die US-Regierung einer Weitergabe ausdrücklich zustimmen werde. Daher sei die Antragsgegnerin zu 1. über die bisherigen Aktivitäten hinaus bereit, zur verfassungskonformen Erfüllung des Beweisbeschlusses und vor dem Hintergrund der völkerrechtlichen Verpflichtungen eine in ihrer Bewertung unabhängige sachverständige Vertrauensperson einzusetzen, welche die Dokumente, die dem Beweisbeschluss BND-26 unterfielen und dem Untersuchungsausschuss bisher aufgrund der bezeichneten Gründe nicht zur Verfügung gestellt worden seien, untersuchen und dem Untersuchungsausschuss darüber Bericht erstatten solle.

24

10. Am 18. Juni 2015 fasste der Untersuchungsausschuss auf Antrag der Ausschussmitglieder der Fraktionen von CDU/CSU und SPD folgenden Beschluss zur Einsetzung einer sachverständigen Vertrauensperson (Ausschussdrucksache 385):

1. Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundeskanzleramts vom 17. Juni 2015 zur Erfüllung des Beweisbeschlusses BND-26 und unter Abwägung des vom Deutschen Bundestag beschlossenen Untersuchungsauftrags mit der auch dem Parlament obliegenden Beachtung von Belangen des Staatswohls (vgl. etwa: BVerfGE 124, S. 78, 123 f.) bewertet der 1. Untersuchungsausschuss die Entscheidung der Bundesregierung als sachgerecht, einer vom Parlament zu benennenden unabhängigen sachverständigen Vertrauensperson Einsicht in die notwendigen Unterlagen zu gewähren.

2. Der Untersuchungsausschuss erwartet, dass die von ihm benannte Vertrauensperson

- die von der Bundesregierung im Rahmen der Vorlage zu Beweisbeschluss BND-26 unter Berufung auf Staatswohlbelange und Konsultationsverpflichtungen vorläufig entnommenen so genannten "Selektorenlisten" im Bundeskanzleramt vollständig sichtet sowie unabhängig und weisungsfrei bewertet,

- dem Untersuchungsausschuss über ihre Tätigkeit und Erkenntnisse umfassend Bericht erstattet und

- für eine Erörterung mit den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses im Rahmen einer förmlichen Anhörung als Sachverständige gemäß § 28 PUAG eine entsprechende Aussagegenehmigung erhält.

(…)

5. Die Einsichtnahme und gutachterliche Stellungnahme soll als Beitrag zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages der Klärung der Frage dienen, ob bei der Kooperation des BND mit Diensten der "Five Eyes"-Staaten im Bereich der Fernmeldeaufklärung von Routineverkehren öffentliche Stellen des Bundes dazu beigetragen haben, dass deutsche Grundrechtsträger Gegenstand der Kommunikationserfassung durch Dienste der "Five Eyes"-Staaten, insbesondere im Bereich von Spionage zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen, werden konnten. Geprüft werden soll weiterhin, ob und in welchem Maße im Rahmen dieser Kooperation gegen "deutsche Interessen" verstoßen worden ist, insbesondere, in welchem Ausmaß politische Spionage gegen Personen bzw. Dienststellen europäischer Mitgliedstaaten, gegen EU-Institutionen oder andere entsprechende Stellen erfolgt sein könnte.

Die Vertrauensperson soll im Rahmen der genannten Fragestellung jeweils gutachterlich Stellung nehmen

- zur Zahl der von ihr festgestellten einschlägigen Selektoren oder Suchbegriffe;

- zur Art und Weise von deren Filterung und Ermittlung durch den BND und dazu, ob und welche Feststellungen möglich sind zur Dauer von deren tatsächlicher Nutzung;

- zur Systematik der unzulässig eingebrachten Selektoren und Suchbegriffe und dazu, ob und welche Daten aufgrund solcher Selektoren oder Suchbegriffe erfasst sowie gegebenenfalls übermittelt wurden;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen die einschlägigen bilateralen Vereinbarungen;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen deutsche Interessen;

- zum Vorliegen von Verstößen gegen deutsches Recht.

(…)

9. Der Untersuchungsausschuss behält sich vor, nach Abschluss des hier beschriebenen Verfahrens weitere Schritte zur Wahrung seiner verfassungsrechtlichen Rechte aus Art. 44 GG einzuleiten, sollte er zu dem Schluss gelangen, dass den parlamentarischen Rechten im durchgeführten Verfahren nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen worden ist.

(…)

25

Am 2. Juli 2015 beschloss der Untersuchungsausschuss gegen die Stimmen der Antragstellerin zu 3., Herrn RiBVerwG a.D. G. als sachverständige Vertrauensperson zu benennen. Entsprechend bestimmte das Bundeskabinett in seiner Sitzung am 8. Juli 2015 Herrn RiBVerwG a.D. G. zur sachverständigen Vertrauensperson und teilte dies mit Schreiben des Antragsgegners zu 2. vom 8. Juli 2015 dem Untersuchungsausschuss mit.

26

Am 23. Oktober 2015 legte die sachverständige Vertrauensperson ihren Bericht "Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation "Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses BND-26" in einer offenen sowie in zwei VS-eingestuften Fassungen vor und erläuterte diesen Bericht in der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 5. November 2015.

II.

27

Mit Schriftsatz vom 16. September 2015 haben die Antragstellerinnen ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihrem Antrag begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. die Rechte des Bundestages aus Art. 44 GG verletzt haben, indem sie es abgelehnt hätten, sämtliche Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherte Daten und sonstige sächliche Beweismittel vorzulegen, die Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim BND darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die NSA der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagierten.

28

1. Die Antragstellerinnen sehen ihren Antrag als zulässig an.

29

a) Sie seien parteifähig.

30

aa) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. seien als Fraktionen des Deutschen Bundestages gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG parteifähig. Fraktionen seien Teile und ständige Gliederungen des Bundestages, die durch dessen Geschäftsordnung anerkannt und mit eigenen Rechten ausgestattet seien. Sie seien befugt, im eigenen Namen auch Rechte des Bundestages geltend zu machen.

31

Die Antragstellerinnen seien darüber hinaus gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 [BGBl I S. 1237], zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 23. April 2014 [BGBl I S. 534]) parteifähig. Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG sei eine Einsetzungsminderheit von einem Viertel der Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Organstreitverfahren als mit eigenen Rechten ausgestatteter Organteil parteifähig. Dieses Recht werde durch § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT, mithin durch das Geschäftsordnungsrecht eines obersten Bundesorgans, auf eine Zahl von 120 Mitgliedern des Deutschen Bundestages ausgedehnt. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. stellten zusammen 127 Abgeordnete und seien daher in ihrer Gesamtheit parteifähig.

32

bb) Aufgrund des § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT sei auch die Antragstellerin zu 3. parteifähig. Sie sei als Vertreterin einer Einsetzungsminderheit nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT anzusehen. Zudem sei die Antragstellerin zu 3. nach § 18 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG vom 19. Juni 2001 [BGBl I S. 1142], zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 [BGBl I S. 718]) parteifähig, denn sie bilde ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Dass das Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach § 18 Abs. 3 PUAG zugleich eine Einsetzungsminderheit von einem Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages im Ausschuss repräsentieren müsse, werde nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht vorausgesetzt.

33

b) Die Antragstellerinnen seien berechtigt, im Organstreit die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung von Rechten des gesamten Parlaments in Prozessstandschaft geltend zu machen. Für die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. folge dies aus § 64 Abs. 1 BVerfGG und für die Antragstellerin zu 3. aus § 18 Abs. 3 PUAG. Zudem seien die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. aufgrund ihrer Stellung als Einsetzungsminderheit gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT und die Antragstellerin zu 3. als Vertreterin einer solchen Einsetzungsminderheit im Ausschuss antragsbefugt.

34

2. Der Antrag sei begründet. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten die Rechte des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG verletzt, indem sie die vollständige Aktenvorlage nach Maßgabe der Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26 unter Hinweis auf angebliche Geheimschutzbelange ausländischer Staaten abgelehnt hätten.

35

a) Die Weigerung sei nicht von einer verfassungsrechtlichen Schranke des Aktenvorlagerechts gedeckt.

36

aa) Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten sich vorprozessual darauf berufen, die Bundesrepublik Deutschland sei völkerrechtlich verpflichtet, die aus den vorgelegten Akten entfernten Bestandteile, die von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika übergebene Verschlusssachen darstellten, nicht herauszugeben. Diese Pflicht solle sich aus dem als Verschlusssache eingestuften Geheimschutzabkommen vom 23. Dezember 1960 ergeben. Dieses sei normativ aber nicht geeignet, das verfassungskräftige Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages auszuschließen.

37

Das Geheimschutzabkommen sei ein bloßes Verwaltungsabkommen. Es sei nicht durch eine Rechtsverordnung oder Richtlinie vollzogen worden, so dass es keinen Eingang in die deutsche Rechtsordnung gefunden habe.

38

Das Geheimschutzabkommen könne aber auch dann nicht das Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG ausschließen, wenn es sich um einen Vertrag im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG handelte. Ungeachtet des Umstandes, dass es an der Zustimmung oder Mitwirkung des Deutschen Bundestages fehle, hätte das Abkommen innerstaatlich nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.

39

bb) Für die Berücksichtigungsfähigkeit im Sinne eines Ausschlussgrundes fehle es dem Geheimschutzabkommen auch deshalb an der erforderlichen Qualität als Außenrecht, weil es eine Verschlusssache darstelle. Völkerrecht könne nur dann berücksichtigt werden, wenn es Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung geworden sei. Innerstaatliches Recht aber müsse das Kriterium der Publizität erfüllen.

40

cc) Letztlich ergebe eine Auslegung des Abkommens gemäß Art. 31, 32 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, dass kein vertraglicher Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika vereinbart worden sei. Dies belege bereits der Wortlaut des Geheimschutzabkommens. Es werde zwar die Weitergabe von Verschlusssachen zwischen den Regierungen geregelt. Der Bundesregierung werde aber nicht untersagt, Verschlusssachen der Vereinigten Staaten von Amerika dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis zu geben. Gegenstand des Abkommens sei allein die Festlegung des Übermittlungsverfahrens. Des Weiteren wäre es mit dem Sinn und Zweck des Geheimschutzabkommens nicht zu vereinbaren, mit dem Wort "Regierung" nur die Exekutive erfasst zu sehen. Sowohl die Vereinigten Staaten von Amerika als auch die Bundesrepublik Deutschland seien demokratisch verfasste Staaten mit einer starken Tradition der parlamentarischen Kontrolle. Keine der beiden Regierungen sei verfassungsrechtlich ermächtigt, die parlamentarische Kontrolle ihrer Geheimdienste auszuschließen oder zu verkürzen.

41

dd) Auch die "Third Party Rule" stehe einer Vorlage von Informationen an ein eigenständiges staatliches Kontrollorgan mit eigener Geheimschutzfähigkeit - wie dem Untersuchungsausschuss - nicht entgegen. Die Antragsgegner beriefen sich zu Unrecht auf den Zweckbindungsgrundsatz, da eine Verarbeitung oder Nutzung von Daten für andere Zwecke nicht vorliege, wenn sie der Wahrnehmung von Aufsichts- und Kontrollrechten dienten. Die parlamentarische Kontrolle sei Annex zu dem ursprünglichen Verwendungszweck.

42

b) Ungeachtet dessen unterlägen die Staatswohlbelange, die sich nach der Auffassung der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. aus der vorgeblichen Völkerrechtsverletzung ergeben sollten, der Abwägung mit dem Aktenvorlagerecht des Deutschen Bundestages. Die Einschränkung der Aktenvorlage erweise sich als unangemessen. Im Ergebnis überwiege das parlamentarische Informationsinteresse.

43

aa) Die Achtung der Souveränität sowie des Existenz- und Selbsterhaltungsrechts des ausländischen Staates sei ein gewichtiges Rechtsgut. Es sei jedoch zu bezweifeln, dass dieses Rechtsgut ernstlich beeinträchtigt würde, wenn die begehrte Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss erfolgte. Letztlich gehe es bei dem Beweisthema nicht um eine bestimmte Form der Auslandsaufklärung eines Nachrichtendienstes der Vereinigten Staaten von Amerika, mithin nicht um Informationen über die militärische Verteidigung oder den Zivilschutz. Zudem könnten die Antragsgegner die Aktenvorlage nur verweigern, wenn der Untersuchungsausschuss nicht den von ihnen für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleiste. Es sei nicht erkennbar, dass beim Untersuchungsausschuss das Risiko der Indiskretion in einem größeren Umfang bestehe als bei der deutschen Exekutive, die von Verschlusssachen durch die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika bewusst in Kenntnis gesetzt worden sei. Dass es Indiskretionen gegeben habe, könne dem Untersuchungsausschuss nicht zur Last gelegt werden.

44

bb) Von dem Belang der staatlichen Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika zu trennen sei die von den Antragsgegnern geltend gemachte Erwägung, eine Indiskretion könne dazu führen, dass die Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten von Amerika und gegebenenfalls weiterer Staaten ihre Zusammenarbeit mit dem BND einstellen könnten. Diese Erwägung sei bereits unzureichend begründet worden. Dass die amerikanischen Dienste den Informationsaustausch mit den deutschen Diensten einstellten, müsse als höchst unwahrscheinlich gelten. Weiterhin sei zu beachten, dass der nachrichtendienstliche Informationsfluss niemals einseitig sei und im Falle einer Reduzierung der Zusammenarbeit dies auch zu negativen Konsequenzen für die nachrichtendienstliche Arbeit der Vereinigten Staaten von Amerika führen könne.

45

cc) Das Interesse des Deutschen Bundestages an der vollständigen Aktenvorlage überwiege die dargelegten Belange des Staatswohls. Ihm komme dann besonders hohes Gewicht zu, wenn es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung gehe. Dies sei vorliegend in qualifizierter Weise der Fall. Mit der Kenntnis deutscher Stellen von einer Telekommunikationsüberwachung zulasten deutscher Ziele und deutscher Interessen und erst recht mit der Mitwirkung deutscher Stellen hieran seien massenhafte Eingriffe in die Fernmeldefreiheit gemäß Art. 10 Abs. 1 GG verbunden. Aus Art. 10 Abs. 1 GG ergebe sich nicht nur ein Verbot, in den Telekommunikationsverkehr einzugreifen; aus dieser Verfassungsnorm folgten auch staatliche Schutzpflichten. Ohne die Kenntnis der Selektorenlisten könnten die Angaben aus dem Bereich der Antragsgegnerin zu 1. nicht überprüft und hinterfragt werden. Zudem seien bei der Untersuchung politischer Vorgänge Akten ein besonders wichtiges Beweismittel.

46

dd) Dass die Antragsgegnerin zu 1. im Benehmen mit dem Untersuchungsausschuss eine Vertrauensperson beauftragt habe, Einsicht in die nicht vorgelegten Verschlusssachen zu nehmen und Bericht zu erstatten, mindere das parlamentarische Informationsinteresse nicht. Die Erkenntnismöglichkeit des Untersuchungsausschusses werde damit gegenüber dem Ersuchen aus den Beweisbeschlüssen deutlich eingeschränkt. Die rechtliche und politische Bewertung der nicht vorgelegten Aktenbestandteile obliege nunmehr allein der sachverständigen Vertrauensperson. Diese sei zudem von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzt worden, was ihre Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit und Unparteilichkeit gefährde.

47

3. Die Antragstellerinnen verweisen zur Begründung ihrer Ansicht, das Geheimschutzabkommen könne das parlamentarische Recht auf Aktenvorlage nicht einschränken, auf ein der Antragsschrift als Anlage beigefügtes Gutachten "Zur Vereinbarkeit des Abschlusses von Geheimschutzabkommen ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages mit dem Grundgesetz und zur Auslegung derartiger Abkommen am Beispiel des Abkommens mit dem Vereinigten Königreich", erstattet im Auftrag der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von Prof. Dr. W. und Ass. iur. L. vom 28. Juli 2015.

III.

48

Nach Auffassung der Antragsgegner ist der Antrag unbegründet. Das parlamentarische Informations- und Kontrollrecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG sei entsprechend der Vorgaben der Verfassung beachtet und Rechte der Antragstellerinnen seien nicht verletzt worden.

49

1. Würden die streitgegenständlichen, dem Untersuchungsausschuss nicht vorgelegten Informationen öffentlich bekannt, so würde dies die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährden. Es sei zu befürchten, dass alle unmittelbar betroffenen US-amerikanischen Nachrichtendienste ihre Informationsübermittlung an alle deutschen Nachrichtendienste einschränken würden. Darüber hinaus sei zu befürchten, dass auch Dienste anderer Staaten sich gezwungen sähen, ihrerseits das Weitergabeverhalten an die deutschen Dienste einzuschränken oder gar einzustellen. Deutsche Nachrichtendienste würden international als nicht mehr vertrauenswürdig angesehen.

50

a) Damit der Staat seine Schutzpflichten erfüllen könne, sei er unter anderem auf nachrichtendienstliche Informationen angewiesen. Die streitgegenständlichen Selektoren seien für die technische Fernmeldeaufklärung des BND vorgesehen. Bei der Fernmeldeaufklärung (Signal Intelligence - SIGINT) handele es sich um eine besonders wertvolle Form der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung, da sie kurzfristig auf relevante Ziele ausgerichtet werden könne, die Betroffenen diese nicht bemerkten und die Informationen in der Regel authentisch seien sowie keine Anwesenheit vor Ort mit persönlichem Risiko für die Quelle bestehe.

51

Grundvoraussetzung der SIGINT-Maßnahmen sei jedoch der Einsatz geeigneter Selektoren. Die Suche nach geeigneten Selektoren, insbesondere im Bereich des Terrorismus und im Bereich der sicherheitspolitischen Aufklärung krisenhafter außenpolitischer Entwicklungen, gestalte sich schwierig. Selektorenlisten beschrieben umfassend das Aufklärungsprofil eines Nachrichtendienstes. Selektoren seien daher als die sensibelsten Informationen aus dem Bereich der nachrichtendienstlichen technischen Aufklärung anzusehen.

52

Zudem handele es sich bei den streitgegenständlichen Selektoren nicht um Selektoren des BND. Dieser habe lediglich bestimmte Selektoren, die die NSA zur Verfügung gestellt habe, ausgesondert. Die besondere Sensibilität für den Kooperationspartner entfalle damit jedoch nicht.

53

b) Um am internationalen nachrichtendienstlichen Informationsaustausch teilnehmen zu können, seien deutsche Nachrichtendienste an die "Third Party Rule" gebunden. Diese sei eine "fundamentale Grundregel" nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit. Hiernach dürften Informationen nur mit dem Einverständnis des Urhebers an Dritte weitergegeben oder zu einem anderen Zweck verwendet werden. Der Begriff des "Dritten" sei besonders weit auszulegen und umfasse in der Regel alle Bereiche außerhalb des Nachrichtendienstes. Akzeptiert werde allenfalls die Weitergabe an die vorgesetzte Behörde im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht. In Einzelfällen wiesen die Dienste sogar darauf hin, dass nicht einmal andere Nachrichtendienste des eigenen Landes ohne Zustimmung des Herausgebers als berechtigte Empfänger angesehen werden dürften. Die Informationen unterlägen schließlich einer Zweckbindung. Im nachrichtendienstlichen Kontext erfolge die Übermittlung üblicherweise nur als Hintergrundinformation, das heißt, dass die Informationen des ausländischen Dienstes mit den eigenen Informationen abgeglichen werden, sie bestätigen oder ihnen entgegenstehen könnten. Soweit sie noch nicht bekannt seien, könnten Informationen Anlass für eigene Aufklärungen sein. Eine Nutzung für andere als nachrichtendienstliche Zwecke, insbesondere für die Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung, sei hingegen nicht erlaubt und zustimmungsbedürftig.

54

Die "Third Party Rule" diene vor allem der Sicherung des Quellenschutzes. Für den empfangenden Nachrichtendienst sei nicht erkennbar, auf welche Weise - durch menschliche Quellen oder technisches Aufkommen - die Information gewonnen worden sei und welche Risiken bei der Nutzung auftreten könnten. Dies könne nur der Herausgeber beurteilen.

55

Die "Third Party Rule" sei Grundlage der internationalen Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten. Sie beanspruche als Staatspraxis internationale Geltung und spiegele sich auch in den Regelungen internationaler Konventionen wider. Ihr Rechtsgedanke finde sich auch im deutschen Recht in § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz - PKGrG vom 29. Juli 2009 [BGBl I S. 2346]) und sei vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29. April 2015 - 20 F 8.14 - sowie in der Literatur anerkannt.

56

Die "Third Party Rule" sei schließlich völkervertragsrechtlich in dem Geheimschutzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika fixiert.

57

Soweit es um die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands gehe, sei zwar nicht von einem absoluten Verbot der Weitergabe von Informationen an parlamentarische Kontrollgremien auszugehen. Bei völkerrechtskonformer Auslegung des Abkommens und angesichts der "Third Party Rule" bestehe aber eine Konsultationspflicht der Bundesregierung.

58

c) Der im Geheimschutzabkommen enthaltene Zustimmungsvorbehalt löse nicht das Erfordernis eines Vertragsgesetzes gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG aus. Weder betreffe das Konsultationsverfahren einen Gegenstand der Bundesgesetzgebung, noch liege ersichtlich eine Regelung der politischen Beziehungen des Bundes vor. Das Geheimschutzabkommen sei ein Verwaltungsabkommen. Der Umstand, dass es sich bei ihm um eine Verschlusssache handele, schließe eine innerstaatliche Rechtswirkung nicht aus. Aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG resultiere eine Publikationspflicht nur für Vorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten. Aus dem Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika ergäben sich jedoch keine unmittelbaren Bindungswirkungen im Staat-Bürger-Verhältnis.

59

2. Die Antragsgegnerin zu 1. müsse von Verfassungs wegen eine praktische Konkordanz zwischen der besonderen Bedeutung des parlamentarischen Untersuchungsrechts und der Pflicht zur Vermeidung schwerer Staatswohlgefährdungen durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen herstellen. Beide durch die Verfassung geschützten Rechtsgüter seien so zuzuordnen, dass sie weitestmögliche Wirkung entfalten könnten.

60

Die Antragsgegnerin zu 1. habe das Konsultationsverfahren eingeleitet und den Untersuchungsausschuss fortlaufend informiert. Aufgrund der Reaktionen der Vereinigten Staaten von Amerika habe die Antragsgegnerin zu 1. die Gefahr einer rechtswidrigen Weitergabe an und Veröffentlichung von Selektoren durch die Presse einbeziehen müssen. Bei der Einschätzung der Gefahr sei zu berücksichtigen, dass bereits eine große Anzahl von Unterlagen nach einer Übersendung an den Untersuchungsausschuss veröffentlicht worden sei. Diese Veröffentlichungen seien unabhängig von der Art und Weise erfolgt, in der die Informationen zugänglich gemacht worden seien (mündliche Offenlegung gegenüber einem begrenzten Personenkreis, Einsichtnahme ohne Übersendung), und welchem Geheimhaltungsgrad sie unterfielen. Zwar solle nicht in Abrede gestellt werden, dass im Einzelfall eine rechtswidrige Weitergabe auch aus der Sphäre der Antragsgegnerin zu 1. erfolgt sein könne. Maßgeblich sei aber allein, dass das faktische Risiko einer rechtswidrigen Weitergabe und einer anschließenden Veröffentlichung durch die Medien nach Übermittlung an den Untersuchungsausschuss ungleich höher sei, als es dies bei einem Verbleib bei den zuständigen Stellen der Antragsgegnerin zu 1. wäre.

61

Die Einschätzung der Gefährdungslage stelle eine Prognoseentscheidung dar, bei der unter Anwendung des Gebots der bestmöglichen Sachaufklärung die Stellungnahme der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und die diesen zu entnehmenden Folgen sowie deren zu erwartende Auswirkungen auf die deutsche Sicherheitslage zu beachten seien. Es seien nicht bloße Unannehmlichkeiten zu erwarten, sondern massive Beeinträchtigungen.

62

Aus diesem Grund habe die Antragsgegnerin zu 1. zur Befriedigung des Informationsinteresses bei gleichzeitiger Wahrung der berechtigten Geheimhaltungsinteressen die Einsetzung einer sachverständigen Vertrauensperson vorgeschlagen. Die unabhängige sachverständige Vertrauensperson sei die Form der Informationsvermittlung, welche das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung der berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Regierung bestmöglich befriedige. Um die in der Staatspraxis anerkannte "Third Party Rule" sowie das Geheimschutzabkommen nicht zu verletzen, sollte der Ausschuss zwar über Person und Auftrag befinden, die Regierung aber die Vertrauensperson einsetzen. Denn bei einer von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzten Vertrauensperson erfolge keine Übermittlung an das Parlament und damit keine Verletzung der "Third Party Rule" sowie des Geheimschutzabkommens.

63

3. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. hätten ihrer Begründungspflicht Genüge getan. Sie hätten den Untersuchungsausschuss, nötigenfalls in vertraulicher Sitzung, detailliert und umfassend über die Natur der zurückgehaltenen Informationen und die Notwendigkeit zur Geheimhaltung unterrichtet. Sie hätten ihm die Möglichkeit gegeben, eine unabhängige sachverständige Vertrauensperson zu benennen, um die vom Untersuchungsausschuss gewünschten Untersuchungen durchzuführen.

IV.

64

Der Senat hat gemäß § 66a Satz 1 BVerfGG aus Geheimschutzgründen (vgl. BTDrucks 14/9220 S. 5) von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

65

Soweit es sich bei den von den Beteiligten vorgelegten Akten um Verschlusssachen handelt, wird deren Inhalt nicht wiedergegeben.

B.

66

Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ist zulässig; der Antrag der Antragstellerin zu 3. ist unzulässig.

I.

67

Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht ist für die hier umstrittenen Fragen der Beweiserhebung durch den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5 BVerfGG eröffnet.

II.

68

Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG muss der Antragsgegenstand eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners sein, durch die der Antragsteller oder das Organ, dem er angehört, in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

69

Dem Wortlaut ihres Antrages zufolge begehren die Antragstellerinnen die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. die dem Deutschen Bundestag nach Art. 44 GG zustehenden verfassungsmäßigen Rechte verletzt haben, indem sie es abgelehnt hätten, dem Untersuchungsausschuss sämtliche Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherten Daten und sonstige sächliche Beweismittel vorzulegen, die Auskunft darüber geben, welche Erkenntnisse beim BND darüber vorlagen oder vorliegen, inwiefern die NSA der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen der Zusammenarbeit in der Joint SIGINT Activity Aufklärung gegen deutsche Ziele oder deutsche Interessen versucht oder tatsächlich betrieben hat und wie deutsche Behörden darauf reagiert haben. Auf welche dem Untersuchungsausschuss vorenthaltenen Beweismittel sich der Antrag bezieht, ist angesichts der Formulierung "sämtliche" konkretisierungsbedürftig.

70

Das Bundesverfassungsgericht ist dabei an die Wortfassung der gestellten Anträge nicht gebunden (vgl. BVerfGE 1, 14 <39>; 68, 1 <68>; 106, 51 <59 f.>). Entscheidend ist vielmehr der eigentliche Sinn des mit dem Antrag verfolgten prozessualen Begehrens. Damit ist auch die Begründung des Antrages zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 68, 1 <68>).

71

Aus der Antragsbegründung und dem Zusammenhang, in dem die Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses gestellt worden waren, ergibt sich, dass die Antragstellerinnen die Verletzung von Rechten des Bundestages in der Nichtvorlage der NSA-Selektorenlisten sehen. Sie führen in ihrer Antragsbegründung aus, die Antragsgegnerin zu 1. habe die Beweisbeschlüsse BK-14 und BND-26 nur teilweise erfüllt, so dass sie durch den weiteren Beschluss des Untersuchungsausschusses vom 11. Juni 2015 aufgefordert worden sei, die aus den beigezogenen Beweismitteln zum Beweisbeschluss BND-26 entnommenen Unterlagen, das heißt die Listen mit Steuerungs- und Telekommunikationsmerkmalen, vorzulegen. Daraus folgt, dass die Antragsgegnerin zu 1. zur Vorlage der NSA-Selektorenlisten aufgefordert worden ist, was sie mit Schreiben vom 17. Juni 2015 abgelehnt hat. Nach dem - unwidersprochen gebliebenen - schriftsätzlichen Vorbringen der Antragsgegner ist der Beweisbeschluss BND-26 bis auf die Vorlage der NSA-Selektorenlisten umfassend erfüllt worden.

III.

72

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind jeweils für sich als Fraktionen (a) und in der Gesamtheit ihrer Mitglieder parteifähig (b).

73

a) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig, da sie als Fraktionen des Deutschen Bundestages sowohl von der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages als auch von der Verfassung anerkannte Teile des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag sind (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 58, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen; stRspr).

74

b) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind zugleich in der Gesamtheit ihrer Mitglieder gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT parteifähig.

75

Art. 44 Abs.1 Satz 1 GG gibt dem Bundestag das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Damit erhält das Parlament die Möglichkeit, sich ohne Einflussnahme von Regierung und Verwaltung über Angelegenheiten zu informieren, deren Kenntnis es zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Das Schwergewicht der Untersuchungen liegt regelmäßig in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung. War das Untersuchungsrecht im System der konstitutionellen Monarchie noch in erster Linie ein Instrument des gewählten Parlaments gegen die monarchische Exekutive, so hat es sich unter den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems maßgeblich zu einem Recht der Opposition auf eine Sachverhaltsaufklärung unabhängig von der Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit entwickelt (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>; 105, 197 <222>; zum sogenannten neuen oder innerparlamentarischen Dualismus vgl. auch BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 87, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Dementsprechend ist das parlamentarische Untersuchungsrecht durch das Grundgesetz bewusst als Minderheitenrecht ausgestaltet (vgl. BVerfGE 49, 70 <86 f.>; 67, 100 <126>).

76

Vor diesem Hintergrund ist eine Einsetzungsminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, die sich in dem Rechtsakt der Stellung eines Antrags gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG als ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages konstituiert hat (sogenannte konkrete Einsetzungsminderheit; vgl. BVerfGE 67, 100 <124>; 105, 197 <220>; 124, 78 <106 f.>), vom Grundgesetz als Träger kompetenzieller Rechte ausgewiesen (vgl. BVerfGE 124, 78 <107>) und daher parteifähig.

77

Mit eigenen Rechten ausgestattetes Organteil im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ist aber auch die sogenannte potentielle Einsetzungsminderheit (vgl. BVerfGE 105, 197 <220, 224 f.>; auch BVerfGE 113, 113 <121>). Die einsetzungsberechtigte Minderheit muss sich nicht mit einem eigenen Untersuchungsantrag konstituieren. Wäre dies von Verfassungs wegen gefordert, so müsste die einsetzungsberechtigte Minderheit praktisch jeder Mehrheitsenquete eine eigene Minderheitsenquete entgegensetzen, entweder parallel zur Einsetzung der Mehrheitsenquete oder später im Fall eines Konflikts über Beweiserhebungen. Die potentielle Einsetzungsminderheit behält deshalb selbst dann ihre Verfahrensrechte aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn sie zunächst ausdrücklich gegen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gestimmt hat. Folglich genügt es, wenn sich die einsetzungsberechtigte Minderheit mit einem eigenen Untersuchungsantrag konstituieren könnte (vgl. BVerfGE 105, 197 <224 f.>).

78

Voraussetzung der Parteifähigkeit ist hiernach das Erreichen des in Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG genannten Quorums.

79

Die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehörenden Mitglieder erreichen freilich weder für sich noch zusammen ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Antragstellerin zu 1. hat 64 Sitze und die Antragstellerin zu 2. verfügt über 63 Sitze im Deutschen Bundestag, so dass die Antragstellerinnen zusammen lediglich 127, das heißt gut 20% der - im Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses vorhandenen - 631 Sitze des Deutschen Bundestages erreichen.

80

Die den Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. angehörenden Mitglieder werden jedoch durch das Geschäftsordnungsrecht mit eigenen Rechten im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ausgestattet. Nach § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT ist für die Dauer der 18. Wahlperiode auf Antrag von 120 der Mitglieder des Bundestages ein Untersuchungsausschuss gemäß Art. 44 GG einzusetzen. Im Hinblick auf die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen weicht die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages damit vom Viertelquorum des Art. 44 Abs. 1 GG ab und erfordert geschäftsordnungsrechtlich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bereits auf Verlangen von 120 Abgeordneten.

81

2. Die Antragstellerin zu 3. ist gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT parteifähig.

82

Der Regelungsgehalt von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG erschöpft sich nicht in der Pflicht des Bundestages, auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die bei der Einsetzung des Ausschusses von Verfassungs wegen vorhandene Spannung zwischen Mehrheit und qualifizierter Minderheit setzt sich daher im Untersuchungsverfahren fort (vgl. BVerfGE 105, 197 <223>). Art. 44 GG wirkt insoweit in den Untersuchungsausschuss hinein. Die in den Untersuchungsausschuss entsandten Abgeordneten einer Fraktion oder mehrerer Fraktionen, die allein oder zusammen mindestens ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages umfassen, repräsentieren den einsetzungsberechtigten Teil des Deutschen Bundestages im Ausschuss jedenfalls so lange, wie kein Dissens zwischen der jeweiligen Fraktion und ihren Vertretern im Ausschuss erkennbar ist (sogenannte Fraktion im Ausschuss; vgl. BVerfGE 105, 197 <220 f.>; 113, 113 <121>).

83

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. in der Gesamtheit ihrer Mitglieder werden im Untersuchungsausschuss durch die Antragstellerin zu 3. repräsentiert, so dass diese ebenfalls ihre Parteifähigkeit aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT ableiten kann.

IV.

84

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind antragsbefugt; die Antragstellerin zu 3. ist nicht antragsbefugt.

85

1. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

86

Der Organstreit zielt auf die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten von Verfassungsorganen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG). Die als verletzt geltend gemachte Rechtsposition muss in einem Verfassungsrechtsverhältnis gründen (vgl. BVerfGE 118, 277 <318>; 131, 152 <191>). Ein Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor, wenn auf beiden Seiten des Streits Verfassungsorgane oder Teile von Verfassungsorganen stehen und um verfassungsrechtliche Positionen streiten (vgl. BVerfGE 118, 277 <318>). Rechte, die sich lediglich auf Vorschriften einfachen Gesetzesrechts oder der Geschäftsordnung stützen, reichen für die Begründung der Antragsbefugnis nicht aus (vgl. BVerfGE 118, 277 <319>; 131, 152 <191>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 79, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

87

Die Antragstellerinnen beanstanden die Weigerung der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2., an sie gerichtete Beweisbeschlüsse zu erfüllen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des aus Art. 44 Abs. 1 GG abzuleitenden Beweiserhebungsrechts des Deutschen Bundestages und der Verpflichtung der Bundesregierung zur Aktenvorlage. Träger des Untersuchungsrechts und damit Herr des Untersuchungsverfahrens ist der Deutsche Bundestag als Ganzer (vgl. BVerfGE 124, 78 <114>). Da das Plenum selbst die mit dem Untersuchungsrecht verbundenen Befugnisse nicht wahrnehmen kann, bedient es sich nach der Bestimmung des Art. 44 Abs. 1 GG des Untersuchungsausschusses (vgl. BVerfGE 67, 100 <125>; 105, 197 <220>; 113, 113 <121 f.>). Aufgabe der Untersuchungsausschüsse ist es, das Parlament bei seiner Arbeit zu unterstützen und seine Entscheidungen vorzubereiten (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>). Das Untersuchungsrecht aus Art. 44 Abs. 1 GG bleibt auch nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses Sache des Parlaments in seiner Gesamtheit (vgl. BVerfGE 105, 197 <220>; 113, 113 <121>).

88

Innerhalb des durch die Verfassung und das Untersuchungsausschussgesetz sowie die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gesteckten Rahmens und innerhalb des durch den Einsetzungsbeschluss des Plenums vorgegebenen Untersuchungsauftrags ist ein Untersuchungsausschuss in der Gestaltung seines Verfahrens frei. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ermächtigt den Untersuchungsausschuss, die in Verfolgung des Untersuchungszweckes erforderlichen Beweise selbst zu erheben (vgl. BVerfGE 67, 100 <128>). Der Untersuchungsausschuss ist damit "Herr im Verfahren", obwohl er die Informations- und Untersuchungsrechte des Deutschen Bundestages nur als dessen Hilfsorgan ausübt (vgl. BVerfGE 67, 100 <124>; 105, 197 <220>; 113, 113 <120>; 124, 78 <114>).

89

2. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind nicht antragsbefugt, soweit sie die Verletzung eigener Rechte geltend machen (a). Sie sind jedoch befugt, als einzelne Fraktionen die Rechte des Deutschen Bundestages in Prozessstandschaft geltend zu machen (b).

90

a) Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ist nur eine Viertelminderheit als organisatorisch verfestigte selbstständige Teilgliederung des Deutschen Bundestages mit eigenen verfassungsrechtlichen Rechten ausgestattet. Aufgrund des expliziten Wortlauts der Grundgesetzbestimmung ist der Weg für eine Auslegung (zum Gebot der Auslegung zugunsten der Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 90, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen) im Sinne einer teleologischen Reduktion des angeordneten Quorums verstellt; für Analogieschlüsse fehlt es bereits an der notwendigen Lücke. Der Verfassungsgeber hat den Belang des Minderheitenschutzes auf der einen Seite und der Gefahr des Missbrauchs von Minderheitenrechten, die ihm noch aus Zeiten der Weimarer Republik vor Augen stand, auf der anderen Seite erkannt und gegeneinander abgewogen. Er hat auch die Konsequenzen seiner Quorenbestimmungen gesehen und billigend in Kauf genommen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 116, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

91

Hieran vermag die Einfügung des § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT nichts zu ändern. Eine geschäftsordnungsmäßig verbriefte Rechtsposition ist nicht zwangsläufig von einem (behaupteten) Verfassungsorganstatus, das heißt vom Verfassungsrecht, umfasst (vgl. BVerfGE 27, 44 <51>; 130, 367 <370>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 79, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Als bloßes Geschäftsordnungsrecht kann § 126a GO-BT das verfassungsrechtliche innerparlamentarische Spannungsfeld zwischen parlamentarischer Mehrheit und Minderheit nicht letztverbindlich auflösen, insbesondere keine über Art. 44 GG hinausgehenden, verfassungsrechtlich einklagbaren Minderheitenrechte schaffen. § 126a GO-BT ist jederzeit änderbar und begründet daher - auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 126a Abs. 2 GO-BT - keine gesicherte Rechtsposition (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 78, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

92

b) Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. können sich aber als Fraktionen grundsätzlich auf Rechte des Deutschen Bundestages berufen, die sie als dessen Organteil im Wege der Prozessstandschaft geltend machen können (vgl. BVerfGE 67, 100 <125>; 105, 197 <220>; 124, 78 <106>; 139, 194 <220 Rn. 96>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 66, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

93

3. Die Antragstellerin zu 3. ist nicht antragsbefugt.

94

a) Da die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. in der Gesamtheit ihrer Mitglieder schon nicht antragsbefugt sind, kann die Antragstellerin zu 3. auch nicht aufgrund ihrer Stellung als Vertreterin einer Minderheit von nur 120 Mitgliedern des Deutschen Bundestages gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 126a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GO-BT antragsbefugt sein.

95

b) Die Antragstellerin zu 3. ist auch nicht befugt, als Viertelminderheit im Untersuchungsausschuss im Wege der Prozessstandschaft gemäß § 18 Abs. 3 PUAG Rechte des Bundestages geltend zu machen.

96

§ 18 Abs. 3 PUAG billigt nicht jeder Minderheit im Untersuchungsausschuss die Antragsbefugnis zu. Ein solches Verständnis würde eine Loslösung von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, der konzeptionell in das Regelungsregime der Untersuchungsausschüsse hineinwirkt, bedeuten. Antragsbefugt ist vielmehr nur die von der konkreten oder potentiellen Einsetzungsminderheit im Deutschen Bundestag im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG getragene Ausschussminderheit; nur diese kann als Prozessstandschafterin auftreten.

97

Zwar gebietet der Grundsatz effektiver Opposition (hierzu BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 85 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen), die im Grundgesetz vorgesehenen Minderheitenrechte auf Wirksamkeit hin auszulegen. Allerdings bildet der Wortlaut des Grundgesetzes - namentlich die dort angeordneten Quoren - die Grenze jeder Auslegung (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 109, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Insoweit stellen die in den Verfassungstext aufgenommenen Quoren die vom Verfassungsgeber und vom verfassungsändernden Gesetzgeber gewollte Konkretisierung des Grundsatzes effektiver Opposition dar (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 114, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

98

Eine Ableitung der Rechte der Minderheit aus Art. 44 GG und ein Hineinwirken des Art. 44 GG in das Regelungsregime der Untersuchungsausschüsse ist für die Begründung der Antragsbefugnis im Organstreitverfahren konstitutiv. Das Untersuchungsausschussgesetz kann als im Kern verfassungsinterpretatorisches und damit deklaratorisches Gesetz (vgl. Seidel, BayVBl. 2002, S. 97 <98>) keine über Art. 44 GG hinausgehenden verfassungsprozessual durchsetzbaren Minderheitenrechte schaffen. § 18 Abs. 3 PUAG regelt ein einfachrechtliches Antragsrecht, das sich aus einem einfachrechtlichen Rechtsverhältnis ergibt und nicht die für den Verfassungsorganstreit erforderliche Verfassungsqualität aufweist. Im Übrigen wollte der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 18 Abs. 3 PUAG keine Abkopplung der Abgeordneten im Ausschuss von der Viertelminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG erzielen. Ausweislich der Gesetzesbegründung sieht die Neuregelung in § 18 Abs. 3 Halbsatz 1 PUAG betreffend Streitigkeiten über die (Nicht-)Vorlage beziehungsweise (Nicht-)Freigabe von Beweismitteln keine neue Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts vor. Eine Modifizierung enthalte § 18 Abs. 3 Halbsatz 1 PUAG nur insofern, als die geänderte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Antragsbefugnis der Fraktion im Ausschuss gesetzlich umgesetzt werde (vgl. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, BTDrucks 14/9220, S. 4). Der Senat hatte noch in seiner Entscheidung zum Flick-Untersuchungsausschuss eine Prozessstandschaft der Fraktion im Ausschuss verneint (vgl. BVerfGE 67, 100 <126>) und ist hiervon in seiner Entscheidung zum Parteispenden-Untersuchungsausschuss abgerückt (vgl. BVerfGE 105, 197 <220 f.>).

V.

99

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. wenden sich gegen die richtigen Antragsgegner, da die Bundesregierung und der Chef des Bundeskanzleramtes die Vorlage der NSA-Selektorenlisten abgelehnt haben und damit für die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung die Verantwortung tragen (vgl. BVerfGE 140, 115 <140 Rn. 61> m.w.N.).

100

Die Bundesregierung trägt die rechtliche Verantwortung für die Verweigerung der vollständigen Aktenvorlage, da sie im Rahmen ihrer Koordinierungsbefugnis (vgl. Art. 65 Satz 3 GG) entschieden hat, das Aktenvorlagebegehren des Untersuchungsausschusses nicht zu erfüllen. Neben der Bundesregierung trägt der Chef des Bundeskanzleramtes (§ 7 Geschäftsordnung der Bundesregierung), der zugleich Bundesminister für besondere Aufgaben ist, die Verantwortung für die sächlichen Beweismittel des dem Bundeskanzleramt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz - BNDG vom 20. Dezember 1990 [BGBl I S. 2954, 2979], zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 [BGBl I S. 1818]) nachgeordneten Bundesnachrichtendienstes. Er hat im Rahmen seiner Ressortkompetenz nach Art. 65 Satz 2 GG über den Umfang der Aktenherausgabe und damit konkret darüber entschieden, inwieweit dem Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses entsprochen werden soll.

VI.

101

Nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. durch eine unterbliebene oder unvollständige Aktenvorlage an den Ausschuss das parlamentarische Untersuchungsrecht des Deutschen Bundestages gemäß Art. 44 GG in der im Antrag spezifizierten Weise verletzt haben.

102

Selbst wenn die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. das Ersuchen des Untersuchungsausschusses nicht endgültig, sondern lediglich vorläufig abgelehnt haben sollten, erscheint eine Verletzung im Hinblick auf die Verzögerungswirkung möglich (zum Erlass einer einstweiligen Anordnung vgl. BVerfGE 105, 197 <234>; 106, 51 <61 f.>; 113, 113 <125 f.>; zur Verzögerung durch Erweiterung des Untersuchungsauftrags vgl. Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil vom 1. Dezember 2006 - HVerfG 01/06 -, juris, Rn. 132 ff.; vgl. auch Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2002 - 11/02 -, juris, Rn. 88). Schon eine bloße Verzögerung kann die Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle entscheidend in Frage stellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ausschuss mit dem Ende der jeweiligen Wahlperiode zu bestehen aufhört (vgl. BVerfGE 49, 70 <86>).

VII.

103

Mit dem am 16. September 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG, denn sie rügen die Entscheidung der Antragsgegner vom 17. Juni 2015.

VIII.

104

Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. haben ein Rechtsschutzinteresse. Zur Durchsetzung der von ihnen geltend gemachten Rechte steht kein anderer Weg als der des Organstreitverfahrens zur Verfügung. Die Einleitung dieses Verfahrens kann daher auch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Der von den Antragstellerinnen angegriffene Akt der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. - die Verweigerung der Aktenvorlage - entfaltet nach wie vor rechtserhebliche Wirkungen, die geeignet sind, das Untersuchungsergebnis zu beeinträchtigen. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. haben im Vorfeld des Organstreitverfahrens und auch schriftsätzlich die Verfassungsmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage behauptet. Die Verweigerung der Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss ist dem Einflussbereich der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. entzogen, so dass keine Alternative zu einer Entscheidung im Wege des Organstreitverfahrens besteht (vgl. BVerfGE 124, 78 <113>).

C.

105

Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ist unbegründet.

I.

106

1. Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG hat der Deutsche Bundestag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss mit der Befugnis zur Erhebung der erforderlichen Beweise einzusetzen.

107

a) Das in Art. 44 GG gewährleistete Untersuchungsrecht gehört zu den ältesten und wichtigsten Rechten des Parlaments (vgl. BVerfGE 124, 78 <114>). Über das Zitierrecht nach Art. 43 Abs. 1 GG und das Frage- und Informationsrecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG hinaus verschafft es die Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung, die das Parlament zur Vorbereitung seiner Entscheidungen und vor allem zur Wahrung seiner Kontrollfunktion gegenüber der ihm verantwortlichen Regierung benötigt (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>; 124, 78 <114>). Der Untersuchungsausschuss ist als Aufklärungsinstrument im Rahmen der politischen Kontroverse (vgl. BVerfGE 105, 197 <225 f.>) dabei ein spezifisches Instrument parlamentarischer Kontrolle.

108

Die Auslegung des Art. 44 GG und der das Untersuchungsausschussrecht konkretisierenden Vorschriften des Untersuchungsausschussgesetzes hat, insbesondere bei der Frage, welche Befugnisse einem Untersuchungsausschuss zustehen, zu berücksichtigen, dass diese Bestimmungen die Voraussetzungen für eine wirksame parlamentarische Kontrolle schaffen sollen (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 77, 1 <48>; 124, 78 <114>).

109

b) Der Untersuchungsausschuss ist gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG befugt, im Rahmen seines Untersuchungsauftrags diejenigen Beweise zu erheben, die er für erforderlich hält (vgl. BVerfGE 67, 100 <127 f.>; 124, 78 <114>). Nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG finden auf Beweiserhebungen die Vorschriften über den Strafprozess sinngemäß Anwendung. Diese Verweisung erstreckt sich auf alle Bestimmungen, die die strafprozessuale Sachverhaltsaufklärung regeln; sie erfasst sowohl befugnisbegründende als auch befugnisbegrenzende Regelungen (vgl. BVerfGE 67, 100 <133>; 77, 1 <48 f.>; 124, 78 <115>). Die Bestimmungen der Strafprozessordnung geben einem Untersuchungsausschuss Zwangsmittel zur Beschaffung von Beweismitteln an die Hand, stellen den Informationsverschaffungsanspruch aber auch unter rechtsstaatliche Vorgaben. In sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess stehen dem Untersuchungsausschuss Zeugen (§§ 48 ff. StPO), Urkunden und andere Schriftstücke (§§ 249 ff. StPO) sowie Sachverständige und Augenschein (§§ 72 ff. StPO) als Beweismittel zur Verfügung. Zur Beweiserhebung im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG zählt nicht nur die Beweisaufnahme im engeren Sinne (§ 244 Abs. 1 StPO), sondern der gesamte Vorgang der Beweisverschaffung, Beweissicherung und Beweisauswertung (vgl. BVerfGE 67, 100 <133>; 77, 1 <49>; 124, 78 <115>).

110

Das Recht auf Aktenvorlage gehört zum Kern des Untersuchungsrechts. Der Anspruch auf Vorlage von Akten im Verantwortungsbereich der Regierung folgt nicht lediglich aus dem Recht auf Amtshilfe gemäß Art. 44 Abs. 3 GG; er ist Bestandteil des Kontrollrechts aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und des Rechts der Beweiserhebung nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 67, 100 <128 f., 132>; 124, 78 <116>). Akten sind bei der Untersuchung politischer Vorgänge ein besonders wichtiges Beweismittel. Sie haben gegenüber Zeugenaussagen in der Regel einen höheren Beweiswert, weil das Gedächtnis von Zeugen aus mancherlei Gründen unergiebig werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <132>; 124, 78 <117>). Der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben oder sein Verlangen auf bestimmte Aktenteile beschränken. Vielmehr soll er sich anhand der vollständigen Akten selbst ein Bild vom Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit machen können (vgl. BVerfGE 124, 78 <117>). Der Vorlageanspruch bezieht sich grundsätzlich auf alle Akten, die mit dem Untersuchungsgegenstand in Zusammenhang stehen. Bei einem Ersuchen auf Aktenvorlage muss nicht bereits feststehen, dass die Unterlagen auch tatsächlich entscheidungserhebliches Material oder entsprechende Beweismittel enthalten. Es reicht aus, wenn sie Hinweise hierauf geben könnten (vgl. BVerfGE 124, 78 <117>).

111

2. Das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses unterliegt Grenzen, die, auch soweit sie einfachgesetzlich geregelt sind, ihren Grund im Verfassungsrecht haben müssen (vgl. BVerfGE 124, 78 <118>).

112

a) Völkerrechtliche Verpflichtungen können demgemäß keine unmittelbare Schranke des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts begründen, da sie als solche keinen Verfassungsrang besitzen. Das zeigt insbesondere der Blick auf die insoweit maßgeblichen verfassungsrechtlichen Regelungen in Art. 25 GG und Art. 59 Abs. 2 GG.

113

Art. 25 Satz 1 GG bestimmt, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind. Er verschafft diesen unmittelbar, das heißt, ohne dass ein sonstiger (einfachrechtlicher) Rechtsakt hinzukommen müsste, Wirksamkeit innerhalb der deutschen Rechtsordnung. Nach Art. 25 Satz 2 GG gehen sie den Gesetzen vor. Ein Gesetz, das mit einer allgemeinen Regel des Völkerrechts kollidiert, verstößt daher gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG. Gleichzeitig ist Art. 25 GG jedoch dahingehend zu verstehen, dass er - dem Wortlaut von Satz 2 entsprechend - den allgemeinen Regeln des Völkerrechts einen Rang oberhalb der (einfachen) Gesetze, aber unterhalb der Verfassung einräumt (Zwischenrang) (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 39 ff. m.w.N., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

114

Nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erlangen völkerrechtliche Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, erst durch das dort vorgesehene Zustimmungsgesetz innerstaatliche Wirksamkeit. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt nicht nur die Methodik, durch die völkervertragliche Regelungen in der nationalen Rechtsordnung wirksam werden, sondern auch den Rang, der dem für anwendbar erklärten Völkervertragsrecht innerhalb der nationalen Rechtsordnung zukommt. Aus Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, dass völkerrechtlichen Verträgen, soweit sie nicht in den Anwendungsbereich einer anderen, spezielleren Öffnungsklausel - insbesondere Art. 23 bis Art. 25 GG - fallen, innerstaatlich der Rang eines einfachen (Bundes-)Gesetzes zukommt und sie insofern keinen Übergesetzes- oder gar Verfassungsrang besitzen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 43 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

115

Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit kann die differenzierten Regelungen des Grundgesetzes über den Rang der unterschiedlichen Quellen des Völkerrechts nicht verdrängen und ihre Systematik nicht unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 65 ff., 73 ff., zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

116

b) Begrenzt wird das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse zunächst durch den im Einsetzungsbeschluss zu bestimmenden Untersuchungsauftrag. Dieser selbst muss sich im Rahmen der parlamentarischen Kontrollkompetenz halten und hinreichend deutlich bestimmt sein (vgl. BVerfGE 124, 78 <118 f.>).

117

c) Gründe, einem Untersuchungsausschuss Informationen vorzuenthalten, können sich zudem aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergeben (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; zur Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>).

118

Der Grundsatz der Gewaltenteilung zielt auf Machtverteilung und die sich daraus ergebende Mäßigung staatlicher Herrschaft. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient er zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 3 GG) (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>). In der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist die Teilung der Gewalten nicht als absolute Trennung realisiert und geboten. Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>; 137, 185 <233 Rn. 135>).

119

aa) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

120

Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen. Diese Möglichkeit besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (vgl. BVerfGE 110, 199 <214 f.>; 124, 78 <120 f.>; 131, 152 <206, 210>; 137, 185 <234 Rn. 136>).Die Kontrollkompetenz des Parlaments erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

121

Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung. Auch dem nachträglichen parlamentarischen Zugriff auf Informationen aus der Phase der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen setzt der Grundsatz der Gewaltenteilung Grenzen. Auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung nicht verpflichtet ist, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen. Ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Informationsanspruch würde vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die die grundgesetzliche Gewaltenteilung ihr zuweist (vgl. BVerfGE 110, 199 <215 f.>; 124, 78 <121>).

122

bb) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt angesichts des Gefüges der grundgesetzlichen Zuordnung staatlicher Aufgaben zu bestimmten Funktionen und ihren Trägern zudem die Gewährleistung einer funktionsgerechten und organadäquaten Aufgabenwahrnehmung voraus.

123

(1) Das Grundgesetz verpflichtet die Verfassungsorgane im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Ordnung unter Einhaltung der Regeln des Rechtsstaats. Das gilt namentlich für die Verfolgung der fundamentalen Staatszwecke der Sicherheit und des Schutzes der Bevölkerung (vgl. BVerfGE 115, 320 <358>).

124

Die verfassungsmäßige Ordnung, der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder sowie Leib, Leben und Freiheit der Person sind Schutzgüter von überragendem verfassungsrechtlichem Gewicht. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm - unter Achtung von Würde und Eigenwert des Einzelnen - zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung Verfassungswerte sind, die mit anderen hochwertigen Verfassungsgütern im gleichen Rang stehen. Der Staat ist deshalb von Verfassungs wegen verpflichtet, das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit des Einzelnen zu schützen (vgl. BVerfGE 49, 24 <56 f.>; 115, 320 <346 f.>; 120, 274 <319>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 11 BvR 1140/09 -, juris, Rn. 100, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

125

Dieser Verpflichtung kommt er nach, indem er Gefahren etwa durch terroristische Bestrebungen entgegen tritt. Straftaten mit dem Gepräge des Terrorismus zielen auf die Destabilisierung des Gemeinwesens und umfassen in rücksichtsloser Instrumentalisierung anderer Menschen Angriffe auf Leib und Leben beliebiger Dritter. Sie richten sich gegen die Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Ordnung und das Gemeinwesen als Ganzes. Die Bereitstellung von wirksamen Aufklärungsmitteln zu ihrer Abwehr ist ein legitimes Ziel und für die demokratische und freiheitliche Ordnung von großem Gewicht (vgl. BVerfGE 115, 320 <357 f.>; 133, 277 <333 f. Rn. 133>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 11 BvR 1140/09 -, juris, Rn. 96, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

126

Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Ebert, in: Borgs-Maciejewski/Ebert, Das Recht der Geheimdienste, Kommentar zum BVerfSchG sowie zum G 10, 1986, Teil A, Vor § 1 Rn. 4).

127

Die Festlegung der strategischen Gesamtausrichtung nachrichtendienstlicher Tätigkeit, mithin auch die Entscheidung zur internationalen Kooperation der Nachrichtendienste, erfolgt durch die Bundesregierung. Dies entspricht dem Grundsatz einer organadäquaten Funktionenzuweisung. So bestimmt die Bundesregierung mit dem sogenannten Auftragsprofil die regionalen und thematischen Arbeitsschwerpunkte des BND. Sie gibt die Detailtiefe der zu beschaffenden Erkenntnisse und damit auch den Ressourcenansatz vor. Das Auftragsprofil wird kontinuierlich dem aktuellen Informationsbedarf der einzelnen Ressorts angepasst (vgl. Wieck, in: Eberwein/Kaiser, Deutschlands neue Außenpolitik, Bd. 4, 1998, S. 47 <50 f.>). Es ist auch Aufgabe der Regierung, die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste zu gewährleisten.

128

(2) Zur Effektivierung der Beschaffung und Auswertung von Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung arbeiten die deutschen Nachrichtendienste mit ausländischen Nachrichtendiensten zusammen. Die Zusammenarbeit setzt die Einhaltung von Vertraulichkeit voraus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 -, juris, Rn. 11). Hierfür sind völkerrechtliche Verpflichtungen einzugehen, die als Teil der Außen- und Sicherheitspolitik der Initiativ- und Gestaltungsbefugnis der Regierung obliegen (vgl. BVerfGE 90, 286 <358>).

129

(a) Der Bund hat gemäß Art. 32 GG die Zuständigkeit für die Ausübung der auswärtigen Gewalt (vgl. BVerfGE 2, 347 <378 f.>). Außenpolitik ist eine Funktion der Regierung (so schon BVerfGE 1, 372 <394>; vgl. auch BVerfGE 68, 1 <85 f.>; 90, 286 <357>).

130

In Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung hat das Grundgesetz der Regierung im Bereich auswärtiger Politik einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen. Die Rolle des Parlaments ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (vgl. BVerfGE 104, 151 <207>; 131, 152 <195>).

131

Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG sieht zwar für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, die Notwendigkeit der Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in Form eines Bundesgesetzes vor. Der Verkehr mit anderen Staaten, die Vertretung in internationalen Organisationen, zwischenstaatlichen Einrichtungen und Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit (Art. 24 Abs. 2 GG) sowie die Sicherstellung der gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Außenvertretung Deutschlands fallen demgegenüber aber grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Exekutive, insbesondere der Bundesregierung. Diese grundsätzliche Zuordnung der Akte des auswärtigen Verkehrs zum Kompetenzbereich der Exekutive beruht auf der Annahme, dass institutionell und auf Dauer typischerweise allein die Regierung in hinreichendem Maße über die personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten verfügt, auf wechselnde äußere Lagen zügig und sachgerecht zu reagieren und so die staatliche Aufgabe, die auswärtigen Angelegenheiten verantwortlich wahrzunehmen, bestmöglich zu erfüllen (BVerfGE 68, 1 <87>; 131, 152 <195>).

132

Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages unter Überspielung der konkreten Ordnung der Verteilung und des Ausgleichs staatlicher Macht im Grundgesetz würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und liefe auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinaus (vgl. BVerfGE 90, 286 <363>; 104, 151 <207>; 131, 152 <195 f.>); sie verlagerte in weitem Umfang politische Macht zu Lasten der Exekutive auf den Bundestag in einem Handlungsbereich, der funktionell betrachtet nicht Gesetzgebung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG darstellt (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>).

133

(b) Vor diesem Hintergrund obliegt das Verhandeln und Abschließen von Geheimschutzabkommen als Grundlage einer internationalen Kooperation der Nachrichtendienste der Bundesregierung.

134

Ziel dieser Geheimschutzabkommen ist es in erster Linie, den Austausch geheimhaltungsbedürftiger Informationen mit anderen Staaten abzusichern, denn die Weitergabe von Verschlusssachen hat eine empfindliche Beeinträchtigung der nationalen Souveränität zur Folge. Der herausgebende Staat begibt sich seiner unmittelbaren Beherrschungs- und Geheimhaltungsmöglichkeiten. In Geheimschutzabkommen werden daher die Voraussetzungen, unter denen Personen Zugang zu den zwischen den Staaten ausgetauschten Verschlusssachen erhalten, und die zu ergreifenden materiellen Schutzmaßnahmen zur Geheimhaltung geregelt. Ein Verzicht auf Geheimschutzabkommen würde den deutschen Einfluss auf die Geheimhaltung deutscher Verschlusssachen im Partnerstaat ausschließen und könnte dazu führen, dass ein Geheimnis nach Weitergabe an den Partnerstaat dort einem unbegrenzten Personenkreis zugänglich werden und folglich seinen Charakter als Staatsgeheimnis verlieren könnte (vgl. Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsrecht, Ordner 1, § 1 SÜG Rn. 21 ff. [Juni 2015]; Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 1 SÜG Rn. 38). Im Gegenzug muss die Bundesrepublik Deutschland in der Lage sein, sich ihrerseits gegenüber Stellen anderer Staaten zur Geheimhaltung zu verpflichten (vgl. BTDrucks 12/4891, S. 18).

135

In der nachrichtendienstlichen Praxis werden aber auch Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in Form von sogenannten Memoranda of Understanding oder Memoranda of Agreement abgeschlossen, die den Rechtscharakter von unverbindlichen Übereinkünften haben (vgl. van Ginkel, ICCT - The Hague Research Paper August 2012, S. 3 f.; Sepper, Texas International Law Journal Vol. 46 [2010], S. 151 <158>).

136

Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG lässt die in der auswärtigen Gewalt angelegte Kompetenz unberührt, das jeweils im völkerrechtlichen Verkehr angemessen erscheinende Handlungsinstrumentarium zu wählen und dabei auch eine vertragliche Bindung zu vermeiden. Es obliegt der Bundesregierung, in Abstimmung mit den bisherigen und etwa neu zu gewinnenden Vertragsparteien zu entscheiden, ob, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Inhalt völkerrechtliche Bindungen eingegangen werden sollen. Der Verzicht auf einen Vertrag wird insbesondere sinnvoll sein, wenn die beteiligten Völkerrechtssubjekte sich in der Phase der Vertragsanbahnung, der Erprobung neuer Formen der Zusammenarbeit oder der Abstimmung mit und Rücksichtnahme auf weitere Völkerrechtssubjekte befinden. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG steht auch einem mit den Vertragspartnern abgestimmten außenpolitischen Handeln auf der bisherigen Vertragsgrundlage nicht entgegen, das - etwa mit Rücksicht auf noch nicht abgeschlossene und nicht genügend überschaubare politische Entwicklungen - die völkervertragliche Bindung bewusst vermeidet. Hierdurch sollen neue oder weitergehende Rechte und Pflichten gerade nicht begründet werden (vgl. BVerfGE 90, 286 <360>).

137

d) Eine weitere Grenze des Beweiserhebungsrechts bildet das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>).

138

Welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls. Für die Frage, ob Zeugenaussagen oder die Vorlage von Akten das Staatswohl gefährden würden, ist danach zunächst zu berücksichtigen, dass der Umgang mit Informationen in einem Untersuchungsausschuss eigenen Geheimschutzbestimmungen unterliegt und dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 124, 78 <123 f.>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind. Die Berufung auf das Staatswohl kann daher gegenüber dem Deutschen Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht völlig ausschließt, steht dem nicht entgegen. Diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>).

139

Der Bundestag hat in seiner Geheimschutzordnung, die Bestandteil der Geschäftsordnung ist, in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei seiner Aufgabenerfüllung festgelegt. Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Daneben regelt das Untersuchungsausschussgesetz den Schutz staatlicher Geheimnisse in § 14 Abs. 1 Nr. 4, § 15, § 16 und § 18 Abs. 2 PUAG (vgl. BVerfGE 124, 78 <124 f.>). Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>).

140

Gleichwohl bleibt die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>). Die Bundesregierung ist insbesondere nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

141

e) Parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben darüber hinaus gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Diese können zu einer Einschränkung des Beweiserhebungsrechts führen (BVerfGE 67, 100 <142>; 77, 1 <46>; 124, 78 <125>).

142

f) Das Beweiserhebungsrecht endet schließlich an der Grenze des Rechtsmissbrauchs. So können etwa Beweisanträge zurückgewiesen werden, wenn sie offensichtlich der Verzögerung dienen (BVerfGE 105, 197 <225>; 124, 78 <128>).

143

3. Nimmt die Bundesregierung das Recht für sich in Anspruch, einem Untersuchungsausschuss Beweismittel aus verfassungsrechtlichen Gründen vorzuenthalten, so unterliegt sie von Verfassungs wegen einer Begründungspflicht (vgl. BVerfGE 124, 78 <128>). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies kann er nur dann, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessenen, ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können. Eine Begründung der Antwortverweigerung ist nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>).

144

Im Hinblick auf die Form der Begründung wird die Bundesregierung zwar einfachrechtlich in § 18 Abs. 2 Satz 2 PUAG verpflichtet, den Untersuchungsausschuss über die Gründe der Ablehnung schriftlich zu unterrichten. Das Ablehnungsschreiben ist damit zentral. Es bleibt der Bundesregierung aber unbenommen, dem Untersuchungsausschuss durch ergänzende Maßnahmen die Verweigerungsgründe zu erläutern. Je nach den Umständen ist die Bundesregierung sogar zu solchen Maßnahmen verpflichtet und muss den Ausschuss, gegebenenfalls in vertraulicher Sitzung, detailliert und umfassend über die Natur der zurückgehaltenen Informationen, die Notwendigkeit der Geheimhaltung und den Grad der nach ihrer Auffassung bestehenden Geheimhaltungsbedürftigkeit unterrichten. Dazu ist die Regierung gehalten, dem Untersuchungsausschuss für die Erörterung ihres Standpunktes zur Verfügung zu stehen (vgl. BVerfGE 67, 100 <138>). Hat der Untersuchungsausschuss dennoch Grund zu der Annahme, dass zurückgehaltene Informationen mit dem ihm erteilten Kontrollauftrag zu tun haben, und besteht er deshalb auf Herausgabe der Akten, so hat die Regierung die vom Untersuchungsausschuss genannten Gründe zu erwägen und, sollten diese ihre Auffassung nicht erschüttern können, zu prüfen, welche Wege beschritten werden können, um den Untersuchungsausschuss davon zu überzeugen, dass seine Annahme nicht zutrifft (vgl. BVerfGE 67, 100 <138>). Das Ablehnungsschreiben ergeht regelmäßig in einem - in die verfassungsrechtliche Bewertung einzustellenden - Kontext, so dass eine Gesamtschau der - das Ablehnungsschreiben begleitenden - begründenden Darlegungen geboten ist.

II.

145

Nach diesen Maßstäben haben die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. durch die Verweigerung der Vorlage der sogenannten NSA-Selektorenlisten das Beweiserhebungsrecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG nicht verletzt.

146

Unter Beachtung der Bedeutung des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts (1.) ist dem Interesse der Antragsgegnerin zu 1. an funktionsgerechter und organadäquater Aufgabenwahrnehmung (2.) der Vorrang einzuräumen, weil die vom Beweisbeschluss erfassten NSA-Selektorenlisten aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen nicht der Verfügungsbefugnis der Antragsgegnerin zu 1. unterfallen, die Einschätzung, eine nicht konsentierte Herausgabe könne die Funktions- und Kooperationsfähigkeit deutscher Nachrichtendienste erheblich beeinträchtigen, nachvollziehbar ist und die Antragsgegner dem Vorlageersuchen in Abstimmung mit dem Untersuchungsausschuss durch andere Verfahrensweisen so präzise, wie es ohne eine Offenlegung von Geheimnissen möglich gewesen ist, Rechnung getragen haben (3.). Die Antragsgegner sind auch ihrer von Verfassungs wegen bestehenden Begründungspflicht nachgekommen (4.).

147

1. Das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses umfasst dem Grunde nach auch die NSA-Selektorenlisten.

148

a) Es besteht ein besonderes Informationsinteresse des Untersuchungsausschusses an der Vorlage der NSA-Selektorenlisten zur Gewährleistung der demokratischen Rückanbindung der Nachrichtendienste und der Bundesregierung. Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Eine besondere Kontrollrelevanz ergibt sich dabei aus der Tendenz zur Kooperation und Internationalisierung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit (vgl. Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 199, 201). Die zunehmende internationale Kooperation der Nachrichtendienste entkoppelt partiell die Informationsgewinnung von demokratischer Verantwortung, weil Teilelemente von Entscheidungsgrundlagen außerhalb der Einflusssphäre der demokratischen Organe des Empfängerstaates - hier der Bundesrepublik Deutschland - erzeugt werden (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>).

149

Der Deutsche Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen. Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

150

Auch die US-amerikanischen Nachrichtendienste unterliegen einer parlamentarischen Kontrolle. Der Kongress verfügt in beiden Häusern über ständige Spezialausschüsse - das Senate Select Committee on Intelligence und das House Permanent Select Committee on Intelligence. Die beiden parlamentarischen Kontrollgremien besitzen weitgehende Kontrollrechte unter anderem im Hinblick auf Budgetierung und Budgetvollzug, taktische Geheimdienstinformationen sowie Dienstquellen und -methoden (vgl. Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 248 ff.; Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 297 ff.; Rehli, in: Dörr/Zimmermann, Die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 2007, S. 45 <54 ff.>). Wie in Deutschland ist in den Vereinigten Staaten von Amerika auch die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen oder Sonderkommissionen - etwa der Review Group on Intelligence and Communications Technologies zur Reform der NSA-Überwachungspraxis - möglich.

151

b) Angesichts von Art und Umfang der den Nachrichtendiensten an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns der Nachrichtendienste und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste eine besondere Aufklärungsfunktion zu.

152

Ausweislich des im Einsetzungsantrag (vgl. BTDrucks 18/843) näher bezeichneten Untersuchungsauftrags hat der Untersuchungsausschuss unter anderem aufzuklären, ob ausländische Stellen mit Hilfe deutscher Stellen Daten deutscher Grundrechtsträger über Kommunikationsvorgänge, deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge einer Erfassung und Speicherung auf Vorrat sowie einer Kontrolle und Auswertung unterzogen haben.

153

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Sammlung der dem Grundrechtsschutz unterliegenden personenbezogenen Informationen auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 100, 313 <360>; 115, 320 <350>; 118, 168 <187>). Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss (vgl. BVerfGE 125, 260 <323 f.> mit Verweis auf BVerfGE 123, 267 <353 f.> zum grundgesetzlichen Identitätsvorbehalt).

154

c) Das aus dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses grundsätzlich folgende Recht auf Vorlage der NSA-Selektorenlisten ist nicht durch die Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson und deren gutachterliche Stellungnahme erfüllt. Die sachverständige Vertrauensperson handelte nicht als Hilfsorgan des Untersuchungsausschusses.

155

Das Untersuchungsausschussgesetz kennt die Konstruktion der sachverständigen Vertrauensperson nicht. Nach § 28 PUAG kann der Untersuchungsausschuss zur Beweiserhebung ein Sachverständigengutachten einholen. Der Sachverständige hat aufgrund seiner besonderen Sachkunde dem Untersuchungsausschuss Tatsachen-, aber auch Rechtskenntnis zu verschaffen. § 10 PUAG gibt dem Untersuchungsausschuss die Möglichkeit, einen Ermittlungsbeauftragten zu seiner Unterstützung einzusetzen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll der Ermittlungsbeauftragte es dem Untersuchungsausschuss ermöglichen, sich bei einem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfangreichen Untersuchungsauftrag auf die eigentlichen Kernfragen zu konzentrieren. Voraussetzung hierfür ist bei komplexen Sachverhalten eine intensive Vorarbeit durch einen Ermittlungsbeauftragten, der das Beweismaterial zunächst zu beschaffen und zu sichten sowie die zu beurteilenden Sachverhalte sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht aufzubereiten hat. Auf der Basis solcher Vorermittlungen kann der Untersuchungsausschuss seine Arbeit, insbesondere seine Beweisaufnahme, gezielter und zügiger durchführen (vgl. BTDrucks 14/5790, S. 15). Da Sachverständige und Ermittlungsbeauftragte letztlich als Hilfsorgane vor allem eine Voruntersuchungs- und damit Entlastungsfunktion haben sollen, bleibt der Ausschuss "Herr im Verfahren" und hat die Gesamtverantwortung inne. Der Untersuchungsausschuss muss letztlich selbst eine abschließende, umfassende Beweiserhebung und Beweiswürdigung vornehmen.

156

Dies war bei der Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson nicht gewährleistet. Die von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzte sachverständige Vertrauensperson hat nicht bloße Voruntersuchungen zur Arbeitserleichterung für den Untersuchungsausschuss durchgeführt. Vielmehr wurde sie von der Antragsgegnerin zu 1. eingesetzt, um die Einsichtnahme der NSA-Selektorenlisten durch den Untersuchungsausschuss zu ersetzen. Die sachverständige Vertrauensperson hat eine eigene inhaltliche Interpretation und rechtliche Bewertung der NSA-Selektorenlisten vorgenommen. Da aber eine Delegation der Erfüllung des Untersuchungsauftrags an die sachverständige Vertrauensperson ausscheidet, ist ihr Bericht den Antragsgegnern zuzurechnen und kommt einer Auskunft der Antragsgegner zu den vom Untersuchungsausschuss im Beschluss vom 18. Juni 2015 (Ausschussdrucksache 385) gestellten Fragen gleich.

157

Auskünfte der Antragsgegner sind aber für den Vorlageanspruch keine Maßnahme an Erfüllungs statt. Denn der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ermächtigt den Untersuchungsausschuss, die in Verfolgung des Untersuchungszwecks erforderlichen Beweise selbst zu erheben. Darin ist das Recht eingeschlossen, die Vorlage von Akten zu verlangen (vgl. BVerfGE 67, 100 <128 ff.>; 124, 78 <116 f.>).

158

2. Dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses steht das Interesse der Antragsgegnerin zu 1. an funktionsgerechter und organadäquater Aufgabenwahrnehmung gegenüber.

159

Die Herausgabe der NSA-Selektorenlisten entgegen einer völkerrechtlichen Vertraulichkeitszusage und ohne Einverständnis der Vereinigten Staaten von Amerika würde nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung der Antragsgegnerin zu 1. die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit auch die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung erheblich beeinträchtigen.

160

a) Sowohl nach Maßgabe des gemeinsamen Verständnisses der Kooperationspartner hinsichtlich des Geheimschutzabkommens und des MoA (aa) als auch nach Maßgabe der "Third Party Rule" (bb) ist der herausgebende Staat "Herr der Information" und behält auch nach deren Übermittlung die Verfügungsbefugnis. Der Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss steht die fehlende Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika entgegnen (cc).

161

aa) Der Zusammenarbeit zwischen dem BND und der NSA liegen das Geheimschutzabkommen und das MoA zugrunde. In dem Geheimschutzabkommen sind die allgemeinen Grundsätze des Austausches von Verschlusssachen, mithin die technisch-administrativen Vorgaben festgelegt. Mit dem MoA werden die organisatorischen und technischen Bedingungen, Personalausstattung und Kostentragung sowie das maßgebliche Rechtsregime des konkreten Projektes der Joint SIGINT Activity geregelt.Wie bei der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen ist auch bei der Auslegung des Geheimschutzabkommens und des MoA darüber hinaus die sich hierauf beziehende nachträgliche Übereinkunft der Parteien über die Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 90, 286 <362 ff.>). Gemäß den Absprachen und Verständigungen im Rahmen des Konsultationsverfahrens soll die herausgebende Stelle den zu gewährleistenden Geheimhaltungsgrad sowie den Nutzungszweck vorgeben und über die Möglichkeit zur Weitergabe entscheiden.

162

bb) Ungeachtet dieser bilateralen Vereinbarungen und Absprachen wird die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste von der "Third Party Rule" geprägt. Hiernach dürfen ausgetauschte Informationen ohne Zustimmung des Informationsgebers nicht an Dritte weitergegeben oder für andere Zwecke verwendet werden.

163

(1) Der "Third Party Rule" wird als Auskunftsverweigerungsgrund gegenüber Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Bedeutung beigemessen (vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, Rn. 712; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 26. November 2003 - 6 VR 4.03 -, juris). Ob dieser Grundsatz nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit auch gegenüber Kontrollorganen des Parlaments und selbst gegenüber Aufsichtsbehörden gilt (bejahend: Wills/Born, in: Born/Leigh/Wills, International Intelligence Cooperation and Accountability, 2011, S. 277 <283>; verneinend: Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>), bedarf keiner abschließenden Bewertung. Denn jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang ist der bekundete Wille der herausgebenden Stelle maßgeblich. Sie bestimmt, wen sie als "Dritten" ansieht.

164

Die "Third Party Rule" ist dabei nicht als ein absolutes Verbot der Weitergabe von Informationen zu verstehen, sondern als ein Verbot mit Zustimmungsvorbehalt. Die übermittelnde Stelle behält sich in der Sache ein Informationsbeherrschungsrecht vor (vgl. Singer, Praxiskommentar zum PKGrG, 2016, § 6 Rn. 11 f.). Das Einverständnis der übermittelnden Stelle kann daher die Weitergabe legitimieren. Korrespondierend zum Vertrauensschutz trifft im Konfliktfall den Empfängerstaat - hier die Bundesrepublik Deutschland - eine Verpflichtung, sich um ein Einverständnis zu bemühen (vgl. Federal Court of Canada, Charkaoui (Re), 2009 FC 476, [2010] 3 F.C.R. 102, Rn. 21; Gazeas, Übermittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse an Strafverfolgungsbehörden, 2014, S. 373 f.; Roach, in: Supreme Court Law Review 47 [2009], S. 147 <164>).

165

(2) Bei der "Third Party Rule" handelt es sich jedenfalls um eine allgemein anerkannte Verhaltensregel der internationalen Kooperation im Sicherheits- und Nachrichtendienstbereich (vgl. Federal Court of Canada, Charkaoui (Re), 2009 FC 476, [2010] 3 F.C.R. 102, Rn. 17 ff.; Ajluni v. FBI, 947 F. Supp. 599 [N.D.N.Y. 1996] mit Verweis auf Ajluni v. FBI, No. 94-CV-325, 1996 WL 776996 [N.D.N.Y. July 13, 1996]). Sie ist in Art. 4 Buchstabe d und Art. 5 Buchstabe b Geheimschutzabkommen zwischen EU und NATO (ABl EU L Nr. 80 vom 27. März 2003, S. 36 ff.) ausdrücklich erwähnt. Sie findet sich auch im nationalen Recht in § 6 Abs. 1 PKGrG wieder, wonach die Verfügungsberechtigung der Bundesregierung und der deutschen Nachrichtendienste in der Regel fehlt, wenn es sich um Informationen handelt, die den Nachrichtendiensten von ausländischen Behörden übermittelt worden sind (zur wortgleichen Regelung des § 2b a.F. PKGrG vgl. BTDrucks 14/539, S. 7). Auch entspricht es der Praxis deutscher Dienste, bei Übermittlungen an ausländische Dienste auf die "Third Party Rule" hinzuweisen (vgl. BTDrucks 17/11296, S. 9).

166

Die Einhaltung wird nicht durch Rechtszwang, sondern als selbstverständliche Geschäftsgrundlage im Bereich sicherheitssensibler beziehungsweise nachrichtendienstlicher Kooperation durch das gegenseitige Interesse an der Vertraulichkeit und institutionellen Verlässlichkeit rein faktisch gewahrt (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <904>; Wills/Born, in: Born/Leigh/Wills, International Intelligence Cooperation and Accountability, 2011, S. 277 <283>).

167

cc) Nach dem Willen der Vereinigten Staaten von Amerika, dem die Antragsgegnerin zu 1. ausweislich ihres vorprozessualen und prozessualen Vorbringens unwidersprochen folgt, ist der Untersuchungsausschuss als "Dritter" anzusehen, die Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an ihn nicht vom Übermittlungszweck umfasst und daher von der Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika abhängig. Einer Auslegung dahingehend, dass die Nachrichtendienste sowohl der Vereinigten Staaten von Amerika als auch der Bundesrepublik Deutschland der Kontrolle durch übergeordnete Stellen und durch von den Parlamenten eingesetzte spezielle Kontrollorgane unterlägen und folglich diese Kontrollinstanzen grundsätzlich nicht als "Dritte" anzusehen seien, steht der bekundete Wille der Vereinigten Staaten von Amerika entgegen. Die Antragsgegnerin zu 1. hat sich um die Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Weitergabe der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss bemüht, diese aber nicht erhalten.

168

b) Die der Antragsgegnerin zu 1. obliegende Einschätzung, durch eine nicht konsentierte Herausgabe würden die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit ihre außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, hält der verfassungsgerichtlichen Kontrolle stand.

169

aa) Die tatsächliche und rechtliche Wertung der Antragsgegnerin zu 1. bei der Annahme, die Weitergabe der NSA-Selektorenlisten könne institutions- und aufgabenbezogene Gefährdungen zur Folge haben, stellt eine politische Einschätzung des Verhältnisses zu ausländischen Nachrichtendiensten und Partnerstaaten dar, die angesichts des Einschätzungs- und Prognosespielraums der Bundesregierung nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.

170

Die Weite des Ermessens im auswärtigen Bereich hat ihren Grund darin, dass die Gestaltung auswärtiger Verhältnisse und Geschehensabläufe nicht allein vom Willen der Bundesrepublik Deutschland bestimmt werden kann, sondern vielfach von Umständen abhängig ist, die sich ihrer Bestimmung entziehen. Um es zu ermöglichen, die jeweiligen politischen Ziele der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des völkerrechtlich und verfassungsrechtlich Zulässigen durchzusetzen, gewährt das Grundgesetz den Organen der auswärtigen Gewalt einen weiten Spielraum bei der Einschätzung außenpolitisch erheblicher Sachverhalte wie der Zweckmäßigkeit möglichen Verhaltens (vgl. BVerfGE 55, 349 <365>; vgl. auch BVerfGE 40, 141 <178 f.>).

171

bb) Die Antragsgegnerin zu 1. hat plausibel dargelegt, dass Nachrichtendienste zur Gewährleistung eines wirksamen Staats- und Verfassungsschutzes zusammenarbeiten müssen. Zwischen den deutschen und US-amerikanischen Nachrichtendiensten besteht im Hinblick auf Intelligence-Fähigkeiten eine wechselseitige Abhängigkeit (vgl. Daun, Auge um Auge? - Intelligence-Kooperation in den deutsch-amerikanischen Beziehungen, 2011, S. 128 ff., 141 ff.; 172 f.). Auf deutscher Seite wird - vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus und der Gefährdung durch Cyberattacken - die internationale Kooperation im Allgemeinen als von "überragender Bedeutung" (vgl. Verfassungsschutzbericht 2015, S. 18; Verfassungsschutzbericht 2014, S. 16) und die Partnerschaft zu den Vereinigten Staaten von Amerika im Besonderen als "unverzichtbar" (vgl. Abschlussbericht des BND-Untersuchungsausschusses BTDrucks 16/13400, S. 58 f., 351 f.) bewertet.

172

Diese Zusammenarbeit wird beeinträchtigt, wenn unter Missachtung einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit Informationen an Dritte bekannt gegeben werden, etwa weil der Begriff des "Dritten" entgegen der Sichtweise der herausgebenden Stelle ausgelegt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 -, juris, Rn. 11).

173

Dagegen wird angeführt, das Argument der Geheimhaltungsbedürftigkeit werde in seiner Reichweite überbetont. Die parlamentarische Kontrolle gehöre zum Nachrichtendienst genauso wie die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten (vgl. Gärditz, DVBl 2015, S. 903 <907>; B. Huber, NVwZ 2015, S. 1354 <1357>). Die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten überwiege keinesfalls stets gegenüber der parlamentarischen Kontrolle. Im Kollisionsfall könne der Konflikt vielmehr auch dazu führen, dass die Zusammenarbeit geändert oder eingestellt werden müsse (vgl. Wolff, JZ 2010, S. 173 <180>; siehe auch Möllers, Gutachterliche Stellungnahme in der Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 25. Mai 2009 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 45d), A-Drucks 16(4)614 D, S. 4).

174

Dies lässt außer Acht, dass damit der langfristige Verlust wesentlicher außen- und sicherheitspolitischer Erkenntnisse einhergehen kann, ohne die die Aufklärung verfassungsfeindlicher, sicherheitsgefährdender und terroristischer Aktivitäten nicht mehr in gleichem Umfang geleistet werden könnte (vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, Rn. 712). Selbst wenn man im Hinblick auf die Folgenschwere eines Vertrauensbruchs relativierend davon ausginge, dass sich Tätigkeiten eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nur vorübergehend auf den Umfang des internationalen Informationsaustauschs auswirkten (so B. Huber, NVwZ 2015, S. 1354 <1356>), wäre hiermit eine nicht hinzunehmende temporäre Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit eine Sicherheitslücke nahe liegend. Schließlich haben die Antragsgegner nachvollziehbar dargelegt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bereits Konsequenzen gezogen und für den Fall der Herausgabe der NSA-Selektorenlisten an den NSA-Untersuchungsausschuss weitere Folgen angekündigt haben. Angesichts einer solchermaßen konkretisierten Gefährdungslage für die äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sind zugleich im Staatswohl gründende Geheimhaltungsinteressen berührt.

175

Da die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit die Gefährdung der Staatssicherheit bereits durch eine nicht konsentierte Vorlage der NSA-Selektorenlisten an den Untersuchungsausschuss erfolgten, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf an, ob das Risiko des Bekanntwerdens der NSA-Selektorenlisten nach Übermittlung an den Untersuchungsausschuss über das bei allen drei Gewalten nicht auszuschließende Risiko (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <139>) tatsächlich hinausgeht. Die von den Antragsgegnern vorgelegte Zusammenstellung von Presseveröffentlichungen kann jedenfalls keinen Nachweis für einen mangelnden Geheimnisschutz im und durch den Untersuchungsausschuss erbringen. Angesichts dieser Veröffentlichungen erscheint der Geheimnisschutz vielmehr generell nicht hinreichend gewährleistet.

176

3. Das Interesse an der Erhaltung der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesregierung überwiegt das Recht des Untersuchungsausschusses auf Herausgabe der NSA-Selektorenlisten.

177

a) Im Rahmen der Abwägung der konfligierenden Interessen ist zu berücksichtigen, dass das Vorlageersuchen bezüglich der NSA-Selektorenlisten ein mehrpoliges Rechtsverhältnis betrifft. Denn das Verlangen des Untersuchungsausschusses berührt auch originäre Belange und Geheimhaltungsinteressen der Vereinigten Staaten von Amerika. Das Grundgesetz, das durch den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit (vgl. BVerfGE 111, 307 <317 f.>; 112, 1 <26>; 123, 267 <344, 347>) und internationalen Offenheit (vgl. BVerfGE 92, 26 <48>) geprägt ist, begnügt sich nicht damit, die innere Ordnung des deutschen Staates festzulegen, sondern bestimmt auch in Grundzügen sein Verhältnis zur Staatengemeinschaft. Insofern geht es von der Notwendigkeit einer Abgrenzung und Abstimmung mit anderen Staaten und Rechtsordnungen aus (vgl. BVerfGE 100, 313 <362>). Die Beurteilungs- und Handlungsfreiheit der Antragsgegnerin zu 1. ist angesichts der zwischenstaatlichen Beziehungen eingeschränkt; eine ausschließliche Verfügungsbefugnis über die NSA-Selektorenlisten fehlt ihr aufgrund der völkerrechtlichen Vereinbarungen und Absprachen. Insoweit unterscheidet sich das Handeln der auswärtigen Gewalt von rein innerstaatlichen Sachverhalten.

178

b) Zudem besteht die Gefahr des Entstehens eines kontrollfreien Raumes und damit eines völligen Ausschlusses des Parlaments von jeglicher Information hier nicht. Dem Untersuchungsausschuss wurde nicht der gesamte Sachverhaltskomplex der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit von NSA und BND im Rahmen des Projekts der Joint SIGINT Activity vorenthalten. Die Antragsgegner haben dem Vorlageersuchen in Abstimmung mit dem Untersuchungsausschuss vielmehr durch andere Verfahrensweisen so präzise, wie es ohne eine Offenlegung von Geheimnissen möglich war, Rechnung getragen.

179

Sie haben dem Untersuchungsausschuss Auskünfte zu den Schwerpunkten der Zusammenarbeit von BND und NSA, zum Inhalt und zur Zusammenstellung der Selektoren, zur Filterung der Selektoren durch den BND sowie zur Anzahl der abgelehnten Selektoren erteilt. Sie haben unter anderem ein schriftliches Testat des BND zu den Erkenntnissen über die NSA-Selektorenlisten vorgelegt.

180

Weiterhin hat die Antragsgegnerin zu 1. dem Untersuchungsausschuss vorgeschlagen, eine sachverständige Vertrauensperson einzusetzen, welche die NSA-Selektorenlisten zu untersuchen und dem Untersuchungsausschuss über die Prüfungsergebnisse Bericht zu erstatten hat. Der Untersuchungssauschuss hat die Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson als sachgerecht bewertet (Ausschussdrucksache 385, Ziffer 1) und die zu beauftragende sachverständige Vertrauensperson benannt. Er hat einen Fragenkatalog erstellt (Ausschussdrucksache 385, Ziffer 5) und in Gesprächen mit der sachverständigen Vertrauensperson Kriterien, Schwerpunkte und Fragestellungen des Berichts festgelegt. Der Bericht der sachverständigen Vertrauensperson bietet schon in seiner offenen Fassung eine Grundlage für die Bewertung von Art und Umfang der nachrichtendienstlichen Kooperation und der Verstöße gegen deutsche Interessen und gegen deutsches Recht. Er ist statistisch aufbereitet und soweit wie möglich konkret formuliert. Die Auswertung der Selektorenlisten erfolgt durch eine Beschreibung der Selektorentypen, der technischen Struktur der Selektoren und ihrer Permutationen sowie der Anzahl der abgelehnten Selektoren unter abstrakter Benennung der betroffenen Ziele - wie etwa Deutsche Vertretungen im Ausland, Regierungseinrichtungen und staatliche Stellen in EU-Staaten, Institutionen der EU, Mitglieder europäischer Regierungen sowie deren Mitarbeiter und Parlamentsabgeordnete. Soweit es um die konkrete Benennung, das heißt um die namentliche Erwähnung der als Erfassungsziele betroffenen natürlichen oder juristischen Personen sowie Institutionen und staatlichen Einrichtungen geht, ist deren Kenntnis durch den Untersuchungsausschuss eher von allgemeinem politischem Interesse, für die Erfüllung des Untersuchungsauftrags und damit für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns aber nicht in einem Maße zentral, um gegenüber den Belangen des Staatswohls und der Funktionsfähigkeit der Regierung Vorrang zu beanspruchen.

181

4. Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. haben ihrer verfassungsrechtlichen Begründungspflicht hinreichend Rechnung getragen. Sie haben das Bestehen von Geheimhaltungsgründen bei der Vorlageverweigerung in der Gesamtschau schriftlich und mündlich substantiiert begründet.

182

a) Zwar vermag allein das Argument entgegenstehender völkerrechtlicher Verpflichtungen die Verweigerung einer Vorlage an den Untersuchungsausschuss nicht unmittelbar zu begründen (vgl. Rn. 112). Das Völkervertragsrecht ist wie auch das Völkergewohnheitsrecht innerstaatlich nicht mit dem Rang des Verfassungsrechts ausgestattet. Es kann folglich nicht unmittelbar dem Vorlageersuchen des Untersuchungsausschusses entgegengehalten werden. Allerdings ist zu beachten, dass die Antragsgegner die Nichtvorlage weitergehend mit den Folgen eines Verstoßes gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen für die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit für die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland begründet haben. Sie sehen durch eine Vorlage der NSA-Selektorenlisten die eigenverantwortliche und funktionsgerechte Wahrnehmung der ihnen von Verfassung wegen übertragenen Aufgaben gefährdet.

183

Die in dem Ablehnungsschreiben vom 17. Juni 2015 angeführte Begründung, eine Weitergabe ohne Zustimmung der US-Regierung stelle einen Verstoß gegen das geltende Geheimschutzabkommen dar, erweist sich zunächst als nicht hinreichend konkret, da sie ohne Wiedergabe der oder Bezugnahme auf die maßgeblichen Bestimmungen erfolgte. Auch wird das gemeinsame Verständnis der Vertragsparteien von den Bestimmungen, mithin deren Auslegung nicht nachvollziehbar dargelegt.

184

Nimmt man jedoch zusätzlich das dem Ablehnungsschreiben vorangegangene Informationsverhalten der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. in den Blick, so wurde der Untersuchungsausschuss detailliert über die Notwendigkeit zur Einholung der Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika im Wege eines Konsultationsverfahrens aufgeklärt. Dem Untersuchungsausschuss wurden das Geheimschutzabkommen und das MoA zur Kenntnis gegeben; die Fragen der Auslegung und Anwendung wurden mehrmals ausführlich in Ausschusssitzungen erörtert.

185

Die Antragsgegner haben gegenüber dem Untersuchungsausschuss auch dargelegt, dass und wie sie sich um die Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika bemüht haben, und ihn über die Durchführung und das Ergebnis des Konsultationsverfahrens laufend informiert. Sie haben damit ausreichende Transparenz gewährleistet und den Untersuchungsausschuss in das Verfahren eingebunden.

186

Sie haben gegenüber dem Untersuchungsausschuss auch glaubhaft gemacht, dass - wie sich in der jüngeren Vergangenheit gezeigt hat - Verstöße gegen den Zustimmungsvorbehalt erhebliche Auswirkungen auf die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit haben, indem der gegenseitige Austausch von Erkenntnissen eingeschränkt oder gänzlich eingestellt wird. Ferner haben sie anhand der Reaktionen und Stellungnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen des Konsultationsverfahrens und der von den Vereinigten Staaten von Amerika angekündigten Konsequenzen nachvollziehbar dargelegt, dass eine Herausgabe Beeinträchtigungen der nachrichtendienstlichen Beziehungen und ihrer außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit erwarten lässt sowie schließlich zu Gefahren für die äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland führen kann.

187

b) Die Antragsgegner haben zudem zur Plausibilisierung und Überzeugung im sogenannten Vorsitzendenverfahren und in Obleutebesprechungen Auskünfte erteilt.

188

Das sogenannte Vorsitzendenverfahren ist ein Mittel zur möglichen Plausibilisierung der verweigerten Erfüllung des Informationsanspruchs des Untersuchungsausschusses (zum Vorsitzendenverfahren vgl. BVerfGE 67, 100 <138 f.>; 77, 1 <56>; 124, 78 <139 f.>). Es dient dazu, dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter durch die entsprechende Information die Überzeugung zu vermitteln, dass die Zurückhaltung der Information durch die Regierung berechtigt ist. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter können ihrerseits den anderen Ausschussmitgliedern ihre Überzeugung von der Rechtmäßigkeit der Zurückhaltung der Information kommunizieren. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 18 PUAG erkennt der Gesetzgeber das Vorsitzendenverfahren als eine Möglichkeit zur Lösung eines Konfliktfalles an. Von der Normierung der Einzelschritte bei einem Ersuchen auf Vorlage von Beweismitteln und insbesondere der Festschreibung des Vorsitzendenverfahrens hat er abgesehen, um unter anderem den Beteiligten Freiraum für geeignete Schritte zu Lösungen im Konfliktfalle zu eröffnen (vgl. BTDrucks 14/5790, S. 17).

189

Allerdings ist im Hinblick auf das Enqueterecht der parlamentarischen Opposition die gebotene Neutralität des Verfahrens nicht gewährleistet, wenn der Vorsitzende wie auch sein Stellvertreter einer die Regierungskoalition bildenden Partei angehören (vgl. BVerfGE 124, 78 <139 f.>). Der Benachteiligung der oppositionellen Ausschussmitglieder durch das Vorsitzendenverfahren kann durch das - von den Antragsgegnern ebenfalls initiierte - Obleuteverfahren begegnet werden, an dem die Obleute jeder im Ausschuss vertretenen Fraktion beteiligt sind (vgl. Peters, Untersuchungsausschussrecht, 2012, S. 126 f. Rn. 211; Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz, 2003, S. 233). Das Obleuteverfahren ist dabei nicht nur bloße Parlamentspraxis, sondern hat seinen gesetzlichen Niederschlag in § 4 Abs. 1 Satz 3 und § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz vom 18. März 2005 [BGBl I S. 775]) gefunden.

D.

190

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.

(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar.

(3) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll im Untersuchungsausschuss möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Reden entsprechend.

(4) Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 ab, so entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des Zwangsmittels.

(1) Zuständiges Gericht für Streitigkeiten nach diesem Gesetz ist der Bundesgerichtshof, soweit Artikel 93 des Grundgesetzes sowie § 13 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und die Vorschriften dieses Gesetzes nichts Abweichendes bestimmen.

(2) Hält der Bundesgerichtshof den Einsetzungsbeschluss für verfassungswidrig und kommt es für die Entscheidung auf dessen Gültigkeit an, so ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Satz 1 gilt für den Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes entsprechend.

(3) Gegen Entscheidungen des Ermittlungsrichters oder der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes ist die Beschwerde statthaft, über die der Bundesgerichtshof entscheidet.

24
3. Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist aus den vom Ermittlungsrichter in seinem Beschluss zutreffend ausgeführten Gründen auch im Beschwerdeverfahren nicht veranlasst. Einer entsprechenden Anwendung der VwGO (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 18. Juli 2006 - 3 ARs 27/06 und Beschl. vom 17. Februar 2009 - 3 ARs 24/08) steht im vorliegenden Fall entgegen, dass sich der Untersuchungsausschuss und eine Minderheit seiner Mitglieder als Beteiligte gegenüberstehen. Die Übertragung der Regelungen der §§ 154 ff. VwGO erscheint in dieser einem Organstreit ähnlichen Konstellation grundsätzlich nicht sach- und interessengerecht (vgl. auch § 34 a Abs. 3 BVerfGG). Becker von Lienen Schäfer