Bundesgerichtshof Beschluss, 18. März 2015 - 2 StR 656/13

bei uns veröffentlicht am18.03.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 6 5 6 / 1 3
vom
18. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. März 2015 beschlossen:
Dem Großen Senat für Strafsachen wird gemäß § 132 Abs. 2 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt: Ist die Einführung und Verwertung einer früheren Aussage eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson nur dann zulässig, wenn diese den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht , sondern auch über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hatte?

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete er am 22. September 2012 seine Ehefrau durch insgesamt 60 Stiche und Schnitte mit einem Messer. Motiv der Tat war die Eifersucht des Angeklagten auf einen Nebenbuhler und seine mangelnde Bereitschaft, eine vom Tatopfer angekündigte Trennung hinzunehmen. Das Schwurgericht hat insoweit angenommen, der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt.

I.

2
Die Revision des Angeklagten macht - neben Erhebung der allgemeinen Sachrüge - mit der Verfahrensrüge eine Verletzung der §§ 252, 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO geltend. Das Landgericht habe seine Überzeugung vom Tathergang maßgeblich auch auf Angaben der Tochter des Angeklagten gestützt, die diese im Ermittlungsverfahren gegenüber einem in der Hauptverhandlung vernommenen Richter gemacht hatte. Dieser habe die Zeugin zwar über ihr Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO belehrt, nicht aber darüber, dass bei etwaiger späterer Zeugnisverweigerung ihre in der richterlichen Vernehmung gemachten Angaben verwertet werden könnten. Dies müsse, so die Revision, zu einem Verwertungsverbot führen, nachdem die Zeugin in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch gemacht und sich mit einer Verwertung ihrer Angaben im Ermittlungsverfahren nicht einverstanden erklärt habe. Die in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme vom umfassenden Verwertungsverbot des § 252 StPO stehe mit dem Schutzzweck der Vorschrift nicht in Einklang. Jedenfalls sei es notwendig, den Zeugen vor einer ermittlungsrichterlichen Befragung auch auf die mögliche spätere Verwertbarkeit von Angaben hinzuweisen.
3
Der Senat hält die Verfahrensrüge für erfolgversprechend (unten II.), hat aber auch Bedenken hinsichtlich der Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe (unten I II.). Er sieht sich durch die Rechtsprechung des 1., 4. und 5. Senats gehindert, der Revision auf die Formalrüge hin stattzugeben, und hat daher mit Beschluss vom 4. Juni 2014 (StV 2014, 717 ff.) bei den übrigen Senaten angefragt, ob diese der beabsichtigten Änderung der bisherigen Rechtsprechung zustimmen oder an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.
4
Die anderen Strafsenate sind der Auffassung des Senats entgegen getreten (Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 ARs 21/14; Beschluss vom 8. Januar 2015 - 3 ARs 20/14; Beschluss vom 16. Dezember 2014 - 4 ARs 21/14; Beschluss vom 27. Januar 2015 - 5 ARs 64/14).

II.

5
1. § 252 StPO schließt es aus, die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen zu verlesen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht Gebrauch macht, das Zeugnis zu verweigern. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs enthält die Vorschrift über den Wortlaut hinaus aber nicht nur ein Verlesungs-, sondern ein umfassendes Verwertungsverbot. Dieses schließt auch jede Verwertung der bei einer früheren Vernehmung gemachten Aussage eines Zeugen aus, wenn dieser in der Hauptverhandlung nach § 52 StPO berechtigt das Zeugnis verweigert und nicht ausdrücklich die Verwertung seiner früheren Bekundungen gestattet. Auch die Einführung durch Aussage einer früheren Vernehmungsperson ist danach grundsätzlich unzulässig.
6
Von diesem Verbot sind nach der bisherigen Rechtsprechung aber solche Bekundungen ausgenommen, die ein Zeuge - nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht - vor einem Richter gemacht hat. Sie dürfen durch Vernehmung des Richters in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der Urteilsfindung verwertet werden (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGH, Urteil vom 8. Dezember 1999 - 5 StR 32/99, BGHSt 45, 342, 345; Senatsurteil vom 3. November 2000 - 2 StR 354/00, BGHSt 46, 189, 195; Urteil vom 12. Februar 2004 - 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 76 f.; Senatsbeschluss vom 13. Juni 2012 - 2 StR 112/12, BGHSt 57, 254, 256 jew. mwN).
7
a) Eine materielle Rechtfertigung findet diese Ausnahme vom Verwertungsverbot des § 252 StPO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einer Güterabwägung. Nach einem nach Belehrung bewusst erklärten Verzicht auf die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts in einer richterlichen Vernehmung soll das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafrechtspflege von höherem Gewicht sein als das Interesse des Zeugen, sich die Entscheidungsfreiheit über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts bis zur späteren Hauptverhandlung erhalten zu können (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1999 - 5 StR 32/99, BGHSt 45, 342, 346; Senatsurteil vom 3. November2000 - 2 StR 354/00, BGHSt 46, 189, 195; BGH, Urteil vom 25. März 1998 - 3 StR 686/97, BGHR StPO § 252 Verwertungsverbot 14).
8
b) Die unterschiedliche Behandlung von richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen hat der Bundesgerichtshof in älteren Entscheidungen damit begründet, dass der Richter - anders als nach damaliger Rechtslage ein Polizeibeamter oder Staatsanwalt - verpflichtet sei, Zeugen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hinzuweisen (BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 - 1 StR 341/51, BGHSt 2, 99, 106).
9
Seit Inkrafttreten des § 163a Abs. 5 StPO aF (§ 163 Abs. 3 StPO nF), der auch für Vernehmungen durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft eine Belehrung der Zeugen über ihr Zeugnisverweigerungsrecht vorschreibt, sieht die Rechtsprechung demgegenüber das tragende Argument für die unterschiedliche Behandlung darin, dass das Gesetz - wie § 251 Abs. 1 und Abs. 2 StPO zu entnehmen sei - richterlichen Vernehmungen allgemein höheres Vertrauen entgegenbringe (BGH, Urteil vom 14. März 1967 - 5 StR 540/66, BGHSt 21, 218, 219; BGH, Urteil vom 20. März 1990 - 1 StR 693/89, BGHSt 36, 384, 386). Zusätzlich wird die Zulässigkeit der Vernehmung einer richterlichen Vernehmungsperson mit der für den Zeugen erkennbaren erhöhten Bedeutung der richterlichen Vernehmung für das Strafverfahren gerechtfertigt (BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 77). Schließlich soll die unterschiedliche Behandlung einen sachlichen Grund darin finden, dass der Ermittlungsrichter in besonderer Weise geeignet - und vom Gesetzgeber dafür vorgesehen - sei, präventiven Rechtsschutz zu gewährleisten (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2491/07, juris Rn. 4).
10
2. Voraussetzung für eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verwertungsverbot des § 252 StPO ist eine ordnungsgemäße Belehrung über das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts und die sich daraus ergebende Möglichkeit für den Zeugen, aus diesem Grund keine Angaben zur Sache zu machen. Nicht erforderlich ist es hingegen nach der bisherigen, vom 2. Strafsenat begründeten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, den aussageverweigerungsberechtigten Zeugen über die Folgen eines Verzichts auf das Auskunftsverweigerungsrecht , insbesondere über die weitere Verwertbarkeit auch im Falle einer späteren Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung, "qualifiziert" zu belehren (Senatsurteil vom 26. Juni 1983 - 2 StR 150/83, BGHSt 32, 25, 31 f.; BGH, Beschluss vom 12. April 1984 - 4 StR 229/84, StV 1984, 326; Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36).
11
Der 2. Strafsenat hat dies mit der Erwägung begründet, dass ein Zeuge nicht einmal auf die Möglichkeit des Widerrufs eines erklärten Verzichts auf sein Zeugnisverweigerungsrecht noch während der laufenden Vernehmung hingewiesen werden müsse; umso weniger sei es deshalb geboten, ihn schon vorsorglich für den Fall, dass er in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigern sollte, über die Auswirkungen auf die Verwertbarkeit seiner Aussage hinzuweisen (Senatsurteil vom 26. Juni 1983 - 2 StR 150/83, BGHSt 32, 25, 31 f.). Ergänzend hat der 4. Strafsenat angeführt, für die Annahme einer solchen Belehrungs - oder Hinweispflicht fehle es an einer gesetzlichen Grundlage (BGH, Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36).
12
3. Diese Begründungen erscheinen dem Senat nicht mehr tragfähig.
13
a) Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf (BVerfGE 80, 244, 255; 95, 96, 140), zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen. Zentrales Anliegen ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt (BVerfGE 122, 248, 270 mwN).
14
Die Wahrheitserforschung im Strafprozess hat jedoch Grenzen. Diese dienen dem Schutz von Beschuldigten und anderer Verfahrensbeteiligten. Sie dürfen nicht zu bloßen Objekten des Verfahrens gemacht werden und sind deshalb in der Strafprozessordnung und in der Verfassung mit Rechten ausgestattet , welche die Wahrheitserforschung behindern oder sogar ganz ausschließen können. Das Recht eines als Zeugen vernommenen Angehörigen des Beschuldigten im Sinne von § 52 Abs. 1 StPO, das Zeugnis - ohne Angabe von Gründen - zu verweigern, ist ein solches Recht (BVerfG, NStZ-RR 2004, 18, 19). Es stützt sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, das die Aufgabe hat, die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen (BVerfGE 54, 148, 153; 72, 155, 170). Es umfasst sowohl die in § 52 StPO geregelte Freiheit, das Zeugnis im Verfahren gegen einen nahen Angehörigen zu verweigern, als auch die Option, frühere Aussagen einer Verwertung im Strafverfahren wieder zu entziehen.
15
aa) § 52 StPO trägt der besonderen Lage eines Zeugen Rechnung, der als Angehöriger des Beschuldigten der Zwangslage ausgesetzt sein kann, seinen Angehörigen zu belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen. Niemand soll gezwungen sein, aktiv zur Überführung eines Angehörigen beizutragen, weil der Zwang zur Belastung von Angehörigen mit dem Persönlichkeitsrecht des Zeugen unvereinbar wäre wie ein gegen den Zeugen geübter Zwang zur Selbstbelastung (BVerfG, NStZ-RR 2004, 18, 19). Die Regelung lässt das öffentliche Interesse an möglichst unbehinderter Strafverfolgung hinter das persönliche Interesse des Zeugen zurücktreten, nicht gegen einen Angehörigen aussagen zu müssen (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 1958 - GSSt 3/58, BGHSt 12, 235, 239).
16
bb) Die Konfliktsituation zwischen Wahrheitspflicht und Näheverhältnis wirkt regelmäßig über die erste Aussage vor der Polizei hinaus fort. Aus diesem Grund erweitert § 252 StPO den Schutz des Zeugen. Dieser kann eine einmal gemachte Aussage bis zur Hauptverhandlung folgenlos wieder rückgängig machen , ohne sie durch eine neue Aussage ersetzen zu müssen, bei deren Abgabe er wiederum dem genannten Spannungsverhältnis ausgesetzt wäre. Allein die Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts in der Hauptverhandlung würde die Zwangslage nicht beseitigen, wenn bereits eine Aussage vorliegt, die im Wege der Verlesung oder durch Vernehmung der Vernehmungsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden könnte. § 252 StPO löst damit - auch im Verständnis des Bundesgerichtshofs, der, wie dargelegt, § 252 StPO nicht nur als Verlesungs-, sondern als Verwertungsverbot versteht - den Konflikt zwischen Aufklärungsinteresse und Zeugenschutz in einer dem Freiheitsgrundrecht entsprechenden Weise.
17
b) In der Rechtsprechung ist seit jeher eine Ausnahme von der vorstehenden Regel anerkannt worden, wonach die frühere Aussage eines in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigernden Zeugen durch Vernehmung einer richterlichen Vernehmungsperson - unter der Voraussetzung damaliger Belehrung des Zeugen über sein Zeugnisverweigerungsrecht - in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann. Dies soll zu einer Ausbalancierung des öffentlichen Interesses an einer wirksamen Strafverfolgung und den die Regelung der §§ 52, 252 StPO tragenden Schutzzwecküberlegungen führen. Diese von der Rechtsprechung ersonnene Ausnahme ist seit jeher in der Literatur (vgl. aus älterer Zeit etwa: Eb. Schmidt, JR 1959, 369, 373; Grünwald, JZ 1966, 489, 497 f.; Peters, JR 1967, 467 f.; Eisenberg, NStZ 1988, 488, 489; Fezer, JZ 1990, 875, 876; Geerds, JuS 1991, 199, 200) Einwendungen ausgesetzt gewesen (Sander/Cirener in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 252 Rn. 10: kriminalpolitische Zweckmäßigkeitsentscheidung, die weder im Wortlaut noch im Regelungszweck des § 252 StPO eine Stütze finde; so auch Pauly in Radtke/ Hohmann, StPO, § 252 Rn. 25; s. ferner Velten in SK-StPO, 4. Aufl., § 252 Rn. 4; Kudlich/Schuhr in SSW-StPO, § 252 Rn. 20; Güntge in Alsberg, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., Rn. 881; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 78 f.).
18
Der 1. Strafsenat hat in seinem Beschluss zur Beantwortung der Anfrage des Senats vom 4. Juni 2014 darauf hingewiesen, dass es gewichtige Argumente schon gegen diese Zulässigkeit der Vernehmung einer richterlichen Vernehmungsperson gibt (siehe dazu auch aus jüngerer Zeit El Ghazi JR 2015, 342, 344 f.; Meyer StV 2015, 319, 324), die überhaupt erst die vom Vorlagebeschluss aufgeworfene Frage einer qualifizierten Belehrung aufwirft.
19
Auch das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Verständnis der §§ 52, 252 StPO davon aus, dass diese Vorschriften als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts den zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen nicht nur vor der Verpflichtung schützen, Angehörige wahrheitsgemäß belasten zu müssen, sondern zudem sichern sollen, dass eine einmal gemachte Aussage bis zur Hauptverhandlung wieder folgenlos rückgängig gemacht werden kann. Diese im Zusammenhang mit der Verwertung einer nichtrichterlichen Vernehmung angestellte Erwägung des Bundesverfassungsgerichts erfasst nach ihrem Sinn auch richterliche Vernehmungen. Dass einem Zeugen nach einer Belehrung durch einen Richter deutlicher als bei einer Belehrung durch einen Polizeibeamten bewusst vor Augen stünde, dass er eine trotz Zeugnisverweigerungsrecht gemachte Aussage nicht wieder beseitigen kann, ist eine bloße Behauptung, die keinen normativen Gehalt hat und überdies schon tatsächlich fraglich erscheint.
20
Der Senat meint, dass die Bedenken schon gegen die grundsätzliche Zulassung einer Verwertung der bei einem Richter getätigten Aussage von aussageverweigerungsberechtigten Zeugen trotz Widerspruchs in der Hauptverhandlung erhebliches Gewicht haben. Weil diese Frage aber nicht ausdrücklich Gegenstand des Anfrageverfahrens gewesen ist (worauf der 4. Strafsenat zutreffend hinweist), sieht er von einer Vorlage insoweit ab. Er geht allerdings davon aus, dass sich der Große Senat mit dieser der Vorlagefrage vorgelagerten Grundsatzfrage ohnehin wird befassen müssen.
21
4. Abweichend von der bisherigen Rechtsprechung sieht der Senat die Ausgangsüberlegung jedenfalls nur dann noch als gerechtfertigt an, wenn der Zeuge in der im Ermittlungsverfahren durchgeführten richterlichen Vernehmung ausdrücklich auch darüber belehrt worden ist, dass eine jetzt gemachte Aussage auch dann verwertbar bleibt, wenn er in einer späteren Hauptverhandlung vom Recht der Aussageverweigerung Gebrauch macht (so auch Julius, HKStPO , 5. Aufl., § 252 Rn. 2; aA ohne nähere Begründung etwa Diemer, KKStPO , 7. Aufl., § 252 Rn. 28). Nach Ansicht des Senats ist also eine "qualifizierte" Belehrung erforderlich, welche allein den Zeugen umfassend in die Lage versetzt, über seine Aussagebereitschaft und deren mögliche Folgen für das spätere Verfahren zu entscheiden. Nur wenn diese Informationslage gegeben ist, ist eine Ausnahme von dem umfassenden Verwertungsverbot des § 252 StPO legitimiert. Diese Legitimation ergibt sich - entgegen der bisherigen Rechtsprechung - nicht schon aus dem Umstand, dass die Vernehmungsperson ein Richter (und kein Staatsanwalt oder Polizeibeamter) ist. Eine solche Differenzierung ist der Strafprozessordnung vielmehr fremd; sie ist § 252 StPO auch nicht ansatzweise zu entnehmen und nur deshalb vorgenommen worden, weil vor Einfügung des § 163a Abs. 5 StPO bei polizeilichen Vernehmungen überhaupt keine Belehrung stattfand.
22
a) Zu Recht hat der BGH vielfach auf die besondere Bedeutung der Belehrung des Zeugen für dessen Entscheidung hingewiesen, Angaben zu machen (BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 - 1 StR 341/51, BGHSt 2, 99, 106; zur Bedeutung der Belehrung s. auch Senatsurteil vom 1. Juni 1956 - 2 StR 27/56, BGHSt 9, 195, 197; Senatsurteil vom 29. Juni 1983 - 2 StR 150/83, BGHSt 32, 25, 30 f.; so auch Diemer, aaO § 252 Rn. 28). Zu der erforderlichen umfassenden Information gehört aber nicht allein der Hinweis auf ein zum Zeitpunkt der Vernehmung bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht, sondern auch die Kenntnis über die verfahrensrechtlichen Konsequenzen einer gleichwohl bestehenden Aussagebereitschaft. Für nicht rechtskundige Zeugen liegt regelmäßig fern, sich zum Zeitpunkt einer Vernehmung im Ermittlungsverfahren von sich aus Gedanken darüber zu machen, ob sie ihre Aussagebereitschaft auch später aufrechterhalten oder gegebenenfalls ändern wollen, wofür es eine Vielzahl anerkennenswerter und nicht zu überprüfender Gründe geben kann. Erst recht werden sie in der Regel nicht darüber nachdenken, ob die Konsequenzen ihrer aktuell bestehenden Aussagebereitschaft sich je nach der Person des Vernehmenden unterscheiden könnten.
23
Das Gewicht der von §§ 52, 252 StPO geschützten Interessen gebietet es vor diesem Hintergrund, einen aussagebereiten Zeugen auch darüber zu belehren, dass die Aussage nicht durch spätere Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts zurückgenommen werden kann. Geschieht dies - wie bisher - nicht, leidet der Entschluss des Zeugen an einem durchgreifenden Mangel (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - 1 StR 296/07, NStZ 2007, 712, 713, zur notwendigen Belehrung eines Zeugen, der Angaben in der Hauptverhandlung verweigern, aber der Verwertung zuvor gemachter polizeilicher Angaben zulassen möchte). Erst diese Belehrung bietet die sichere Grundlage für die Entscheidung des Zeugen und schärft seinen Blick auf die mögliche bestehende Konfliktsituation, die sonst oft erst unmittelbar vor und während der Hauptverhandlung erkenn- und spürbar wird (vgl. Eisenberg, NStZ 1988, 488, 489; so auch Sander/Cirener, aaO, § 252 Rn. 10).
24
b) Der Annahme einer qualifizierten Belehrungspflicht stehen die bisher dagegen vorgebrachten Erwägungen nicht entgegen.
25
aa) Dass es - worauf der 1. Strafsenat und der Sache nach auch der 4. Strafsenat in Ihren Antworten auf die Senatsanfrage hingewiesen haben - an einer gesetzlichen Grundlage hierfür fehle (BGH, Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36), ist zutreffend, schließt aber die Anerkennung einer Belehrungspflicht ersichtlich nicht aus. Denn es handelt sich um Erwä- gungen und Anforderungen im Bereich der ihrerseits nur richterrechtlich begründeten Ausnahme von dem gesetzlichen Beweisverwertungsverbot des § 252 StPO. Es wäre offenkundig widersprüchlich, ungeschriebene Ausnahmen von einem Verwertungsverbot zuzulassen, für deren rechtsstaatliche Begrenzung aber eine gesetzliche Grundlage zu verlangen.
26
bb) Der Annahme einer qualifizierten Belehrungspflicht kann auch nicht entgegengehalten werden, der Zeuge sei angesichts des Verfahrensgangs ohnehin meist der Ansicht, dass mit der richterlichen Vernehmung seine Angaben für eine spätere Hauptverhandlung gesichert werden sollen. Dieser Hinweis des 1., 4. und 5. Strafsenats ist unverständlich, denn er bestätigt einerseits gerade das Informationsgefälle zwischen verschiedenen Zeugen; andererseits könnte eine qualifizierte Belehrung über einen rechtlichen Umstand, den "die meisten" Zeugen sowieso schon kennen, auch keine Erschwerung der Wahrheitsfindung bewirken.
27
Fern liegend erschiene das Argument, eine qualifizierte Belehrung könne eine höhere Anzahl von Zeugen zur Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts veranlassen, als dies bei einer nur "einfachen" Belehrung der Fall ist, und daher der "Effektivität der Strafverfolgung" entgegenstehen. Denn die vom Senat für erforderlich gehaltene qualifizierte Belehrung gibt dem Zeugen kein Recht, welches er nicht schon hat. Sie erweitert nicht das Zeugnisverweigerungsrecht , sondern nur die Kenntnis der Zeugen vom Umfang ihrer prozessualen Rechte. Hierin kann per definitionem keine Gefahr für das rechtsstaatliche Strafverfahren und die Verwirklichung seiner Ziele liegen. Dass Verfahrensbeteiligte von den Rechten, die Ihnen das Gesetz gewährt, bei vollständiger Aufklärung über die Rechtslage häufiger Gebrauch machen als bei lückenhafter Information, ist kein schützenswertes Anliegen des Strafprozesses.
28
cc) Die Ansicht des Senats steht auch nicht in Widerspruch zu der - vom 4. Strafsenat zitierten Entscheidung des EGMR (NJW 2013, 3225), der sich dort - vor allem im Hinblick auf das Konfrontationsrecht des Angeklagten aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK - mit der Verwertbarkeit der früheren richterlichen Vernehmung eines in der Hauptverhandlung die Aussage verweigernden Zeugen in Abwesenheit des Beschuldigten und seines Verteidigers befasst. Es mag der Entscheidung - die sich dazu nicht ausdrücklich äußert - zu entnehmen sein, dass der Gerichtshof die Belehrung nicht als für ein faires Verfahren zwingend geboten erachtet. Die Gebotenheit der "qualifizierten" Belehrung ergibt sich aber nach Ansicht des Senats auch nicht aus dem fairen Verfahren, sondern, wie oben dargelegt, aus Grundrechten zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen.
29
dd) Soweit der Senat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1983 (Urteil vom 29. Juni 1983 - 2 StR 150/83, BGHSt 32, 25, 31 f.) die Ansicht vertreten hat, die Annahme einer Belehrungspflicht bei einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung sei deshalb nicht geboten, weil auch bei einer Vernehmung in der Hauptverhandlung kein Hinweis vonnöten sei, dass der in der Aussage liegende Verzicht auf ein Aussageverweigerungsrecht jederzeit, auch noch während laufender Vernehmung, widerrufen werden könne, hält er hieran nicht fest. Die Situation eines Zeugen, der sich in der Hauptverhandlung dazu entschlossen hat, trotz Bestehen eines Aussageverweigerungsrechts Angaben zu machen, ist nicht mit der Lage vergleichbar, in der sich der Zeuge bei einer Vernehmung im Ermittlungsverfahren befindet.
30
ee) Soweit der 5. Strafsenat einer Änderung der Rechtsprechung namentlich im Hinblick auf "Altfälle" nicht zustimmen will, erscheint eine solche Einschränkung nicht überzeugend. Zum einen dürfte die Anzahl laufender Verfahren , in denen nicht belehrt worden ist und in denen es auf die Angaben zeugnisverweigerungsberechtigter verwandter Zeugen zum Tatnachweis ankommt , gering sein. Dies gilt umso mehr, als in manchen Gerichtsbezirken nach Bekanntwerden des Anfragebeschlusses vom 4. Juni 2014 bereits jetzt qualifizierte Belehrungen erteilt werden. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die fehlende "qualifizierte" Belehrung nur dann zu einem Beweisverwertungsverbot führen dürfte, wenn dem Zeugen die Folgen seiner Aussagebereitschaft tatsächlich nicht bekannt waren. Geht man mit dem 5. Strafsenat davon aus, dass die meisten Zeugen den Grund für die Durchführung einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung kennen, wäre jedenfalls in diesen Fällen ein Beweisverwertungsverbot ausgeschlossen.

III.

31
Auch die Sachrüge erscheint dem Senat erfolgversprechend.
32
Der Senat hat Bedenken hinsichtlich der Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe. Das Landgericht ist davon ausgegangen, das prägende Hauptmotiv der Tat sei die Eifersucht des Angeklagten und seine Weigerung gewesen, die Trennung von seiner Ehefrau zu akzeptieren; diese Motivation stehe sittlich auf niedrigster Stufe. Bei dieser Bewertung hat der Tatrichter das ambivalente Verhalten des Tatopfers zwar in den Blick genommen; die Begründung , mit welcher er es als unbeachtlich angesehen hat, erscheint aber bedenklich. Dass der Angeklagte, wie das Landgericht ausgeführt hat, "Handlungsalternativen" hatte und die Situation anders als durch Tötung seiner Ehefrau hätte lösen können, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
33
Dass der Senat insoweit die landgerichtliche Entscheidung aufheben könnte, ohne dass eine Klärung der vorgelegten Rechtsfrage notwendig wäre, ändert nichts an der Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfrage als Voraussetzung der Divergenzvorlage. Eine allein auf die Sachrüge gestützte Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung würde unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres dazu führen, dass die Schwurgerichtskammer ihrer Entscheidung erneut die über die Vernehmung des Ermittlungsrichters in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben der Tochter des Angeklagten zugrunde legen und sich damit aus der Sicht des Senats erneut rechtsfehlerhaft über die geschützten Interessen der Zeugin hinwegsetzen müsste. Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 ARs64/14 vom 27. Januar 2015 in der Strafsache gegen wegen Mordes hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 4. Juni 2014 – 2 StR 656/13 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2015 beschlossen

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2015 - 3 ARs 20/14

bei uns veröffentlicht am 08.01.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3AR s 2 0 / 1 4 vom 8. Januar 2015 in der Strafsache gegen wegen Mordes hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 4. Juni 2014 (2 StR 656/13) Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Januar 2015 gemäß § 13

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Dez. 2014 - 4 ARs 21/14

bei uns veröffentlicht am 16.12.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4ARs 21/14 vom 16. Dezember 2014 in der Strafsache gegen wegen Mordes hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 4. Juni 2014 – 2 StR 656/13 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Dezember 2014 gemäß §
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 18. März 2015 - 2 StR 656/13.

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2015 - 1 StR 56/15

bei uns veröffentlicht am 14.10.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 56/15 vom 14. Oktober 2015 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2015 gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen: Die Revision des

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(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3AR s 2 0 / 1 4
vom
8. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 4. Juni 2014 (2 StR 656/13)
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Januar 2015 gemäß § 132
Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht Rechtsprechung des 3. Strafsenats nicht entgegen.

Gründe:

1
1. Der 2. Strafsenat hat über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden , der wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision u.a., das Landgericht habe seine Überzeugung vom Tathergang maßgeblich auch auf Angaben der Tochter des Angeklagten gestützt, die diese bei einer richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren gemacht hatte, ohne zuvor darüber belehrt worden zu sein, dass bei späterer Zeugnisverweigerung ihre zuvor beim Ermittlungsrichter gemachten Angaben verwertet werden können. Dies müsse zu einem Verwertungsverbot führen, nachdem die Zeugin in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe und mit der Verwertung der früheren Aussage nicht einverstanden gewesen sei.
2
Der 2. Strafsenat hält die Rüge für erfolgversprechend und beabsichtigt unter Aufgabe eigener, entgegenstehender Rechtsprechung zu entscheiden:
3
"Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist nur dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht , sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat."
4
Er fragt bei den übrigen Strafsenaten an, ob diese an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.
5
2. Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht Rechtsprechung des 3. Strafsenats nicht entgegen; denn der 3. Strafsenat ist bisher nicht mit einer Rüge befasst gewesen, mit der ein Verstoß gegen § 252 StPO geltend gemacht und dabei beanstandet worden ist, die Vernehmung der richterlichen Verhörsperson und die Verwertung ihrer Aussage seien unzulässig gewesen , weil es an einer "qualifizierten" Belehrung mit dem vom 2. Strafsenat nunmehr für notwendig erachteten Inhalt gefehlt habe.
6
Der Senat neigt allerdings in der Sache dazu, an der bisherigen Rechtsprechung , wie sie mittlerweile seit mehreren Jahrzehnten praktiziert wird, festzuhalten , wonach es - soweit hier von Bedeutung - genügt, wenn die richterliche Verhörsperson den Zeugen über dessen Zeugnisverweigerungsrecht ordnungsgemäß belehrt hat. Eine darüber hinausgehende Belehrung, wie sie vom 2. Strafsenat jetzt für geboten gehalten wird, ist weder mit Blick auf den Inhalt der Strafprozessordnung noch vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der Thematik erforderlich. Insbesondere wird die vom 2. Strafsenat betonte besondere Konfliktsituation des zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen durch die bisherige Rechtspraxis ausdrücklich berücksichtigt; ihr wird durch das Erfordernis der gesetzlich vorgesehenen Belehrung nach § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO aus- reichend Rechnung getragen. Einer weitergehenden, über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden Belehrung bedarf es deshalb nicht.
Becker Hubert Schäfer
Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4ARs 21/14
vom
16. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 4. Juni 2014 – 2 StR 656/13
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Dezember 2014 gemäß
§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach die Einführung und Verwertung von Angaben eines früher richterlich vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO Gebrauch gemacht hat, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson auch ohne vorherige Belehrung des Zeugen über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage zulässig ist.

Gründe:


I.


1
Der 2. Strafsenat beabsichtigt zu entscheiden: „Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist nur dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht , sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat."
2
Er hat gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei den übrigen Strafsenaten angefragt, ob sie an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.

II.


3
Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegen (Urteile vom 27. April 1978 – 4 StR 180/78, und vom 30. August 1984 – 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36, sowie – hinsichtlich der Vorlagefrage nicht tragend – Urteile vom 10. Februar 2000 – 4 StR 616/99, BGHSt 46, 1, 3; vom 20. Februar 1997 – 4 StR 598/96, BGHSt 42, 391, 397; vom 8. März 1979 – 4 StR 634/78, NJW 1979, 1722; Beschlüsse vom 12. April 1984 – 4 StR 229/84, StV 1984, 326; vom 9. Februar 2010 – 4 StR 660/09, NStZ 2010, 406).
4
Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.
5
1. Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Ausnahme von dem aus § 252 StPO hergeleiteten Verwertungsverbot für den Fall der Vernehmung einer richterlichen Verhörperson über Angaben eines in der Hauptverhandlung unter Berufung auf § 52 StPO schweigenden Zeugen (BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 – 1 StR 341/51, BGHSt 2, 99; seither st. Rspr.) wird vom vorlegenden Strafsenat nicht grundsätzlich in Frage gestellt (Anfragebeschluss S. 9 f.) und ist als solche nicht Gegenstand des Anfrageverfahrens.
6
2. Der Senat teilt nicht die Ansicht, dass die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson nur dann zulässig ist, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht, sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat (vgl. dazu auch den "Alternativ-Entwurf Beweisaufnahme" , GA 2014, 1, 26).
7
a) Eine solche qualifizierte Belehrung ist in den Vorschriften über die Vernehmung des Zeugen nicht vorgesehen. Für eine entsprechende Belehrungspflicht fehlt es mithin an einer gesetzlichen Grundlage (BGH, Urteil vom 30. August 1984 – 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36).
8
Auch eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes liegt insofern nicht vor. Der Gesetzgeber hat vielmehr Inhalt und Umfang der erforderlichen Belehrungen von Zeugen im Rahmen ihrer Vernehmung ausdrücklich geregelt (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 1, § 55 Abs. 2, § 163 Abs. 3 Satz 1 StPO). Eine Belehrung über die Verwertbarkeit der Aussage für den Fall, dass der Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht, hat er indes nicht vorgesehen. Da der Gesetzgeber aber schon im Jahr 1964 die Belehrungspflichten von Polizeibeamten gegenüber Zeugen im Ermittlungsverfahren in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verwertung von früheren Aussagen durch Vernehmung richterlicher Vernehmungspersonen neu geregelt hat, kann vor dem Hintergrund, dass in diesem Zusammenhang eine weiter gehende Belehrungspflicht durch den Richter nicht in das Gesetz aufgenommen wurde, von einer planwidrigen Regelungslücke nicht ausgegangen werden (vgl. BT-Drucks. IV/178, S. 18, 33; BT-Drucks. 16/12098, S. 26). Dies belegen auch die Neuregelungen in § 255a StPO (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 – 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 78, 82 ff.; dazu auch ElGhazi /Merold, StV 2012, 250, 253 f. mwN).
9
b) Es ist auch nicht geboten, die Einführung oder die Verwertbarkeit der Aussage einer richterlichen Verhörperson über frühere Angaben eines Zeugen, der sich in der Hauptverhandlung berechtigt auf sein gemäß § 52 StPO bestehendes Aussageverweigerungsrecht beruft, von einer schon damals erteilten qualifizierten Belehrung abhängig zu machen.
10
Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist – worauf auch der anfragende Senat verweist (Anfragebeschluss S. 6) – die Ermittlung des wahren Sachverhalts , ohne den das materielle Schuldprinzip nicht verwirklicht werden kann. Als eine der Wahrheitsfindung entgegenstehende Gestaltung kommt § 252 StPO in Betracht (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2004, 18). Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift oder eine auf sie gestützte weitere Einschränkung der Möglichkeit zur Ermittlung des wahren Sachverhalts bedarf daher einer hinreichenden Rechtfertigung. An dieser fehlt es jedoch bezüglich des vom anfragenden Senat befürworteten Verwertungsverbots in Fällen fehlender qualifizierter Belehrung.
11
aa) § 252 StPO und das weiter gehend aus ihm hergeleitete Verwertungsverbot bezwecken nicht den Schutz des Angeklagten. Vielmehr schützen §§ 52, 252 StPO lediglich Zeugen vor der Verpflichtung, als Angehörige den Beschuldigten bzw. Angeklagten wahrheitsgemäß zu belasten, und sichern zu- dem, dass der Zeuge seine einmal gemachte Aussage – ob wahrheitsgemäß oder wahrheitswidrig, ob belastend oder entlastend – auch noch in der Hauptverhandlung für ihn folgenlos wieder rückgängig machen kann, ohne sie durch eine neue Aussage ersetzen zu müssen, bei deren Abgabe er wiederum dem Spannungsfeld zwischen Wahrheitspflicht und Näheverhältnis ausgesetzt wäre (vgl. BVerfG aaO; ferner El-Ghazi/Merold aaO, S. 251 mwN).
12
bb) Schon dies legt nahe, dass es auch der Grundsatz des fairen Verfahrens nicht gebietet, zur Wahrung berechtigter Interessen des Angeklagten die Verwertbarkeit einer früheren – nach ordnungsgemäßer Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht erfolgten – richterlichen Vernehmung des Zeugen von dessen qualifizierten Belehrung über die weitere Verwertbarkeit seiner Aussage abhängig zu machen. Vielmehr hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont, dass die Verwertung von im Ermittlungsstadium erlangten Aussagen auch in einem Fall, in dem ermittlungsrichterliche Angaben von in der Hauptverhandlung berechtigt schweigenden Angehörigen verwertet wurden, nicht in Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. d EMRK steht, sofern der Angeklagte ausreichend Gelegenheit hatte, die Aussage in dem Zeitpunkt, in dem sie gemacht wurde, oder später in Zweifel zu ziehen (Urteil vom 19. Juli 2012 – 26171/07, NJW 2013, 3225 Ziffer 42). Die vom anfragenden Senat als notwendig erachtete Belehrung hat er dagegen ersichtlich nicht als für ein faires Verfahren geboten erachtet (aaO Ziffern 39, 41, 45).
13
cc) Der Senat sieht es aber auch bei Einbeziehung der vom anfragenden Senat zum "Schutz eines … Verfahrensbeteiligten", der "nicht zum Objekt des Verfahrens gemacht werden" darf (Anfragebeschluss S. 7), angeführten, allein auf den Zeugen bezogenen Umstände in die bei der Prüfung eines Verwertungsverbots erforderliche Gesamtwürdigung nicht als geboten an, ohne des- sen qualifizierte Belehrung über die weitere Verwertbarkeit seiner Aussage ein Verwertungsverbot anzunehmen.
14
Vielmehr ist der Senat mit der bisherigen Rechtsprechung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 – 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 77) der Ansicht , dass – jedenfalls bei einer Vernehmung in dem Ermittlungs- oder Strafverfahren gegen den Angehörigen – einem Zeugen bei seiner richterlichen Vernehmung (hinreichend) bewusst ist, dass eine – nach Belehrung gemäß § 52 Abs. 3 StPO und freier Entscheidung des Zeugen – getätigte Aussage für das weitere Verfahren und die Frage, ob der Angeklagte auch aufgrund dieser Aussage verurteilt werden kann, Bedeutung haben kann (vgl. auch El-Ghazi/ Merold, aaO S. 252; dort auch zu der nur für richterliche Vernehmungen geltenden Regelung des § 168c StPO).
15
c) Soweit der Bundesgerichtshof anerkannt hat, dass Belehrungspflichten auch ohne ausdrückliches gesetzliches Gebot bestehen können, betrifft dies besondere, mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbare Konstellationen , insbesondere Fälle gesetzlich nicht (näher) geregelter Befragungen etwa vor der Exploration einer Aussageperson durch einen Sachverständigen (BGH, Urteile vom 29. Juni 1989 – 4 StR 201/89, BGHSt 36, 217, 220; vom 23. September 1999 – 4 StR 189/99, BGHSt 45, 203, 208 f.), nicht aber – wie in dem der Anfrage zugrunde liegenden Fall – eine Erweiterung der Belehrungspflicht im Zusammenhang mit gesetzlich – auch hinsichtlich der notwendigen Belehrungen – ausdrücklich normierten Maßnahmen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 ARs64/14
vom
27. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 4. Juni 2014
– 2 StR 656/13
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2015 beschlossen
:
Auf den Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 4. Juni 2014
– 2 StR 656/13 – erklärt der Senat, dass er anseiner entgegen-
stehenden Rechtsprechung festhält.

Gründe:

1
Der Senat sieht keinen Grund, von seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. etwa BGH, Urteile vom 14. März 1967 – 5 StR 540/66, BGHSt 21, 218 f., vom 8. Dezember 1999 – 5 StR 32/99, BGHSt 45, 342, 345, und Beschluss vom 4. April 2001 – 5 StR 604/00, StV 2001, 386) abzuweichen und eine Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson, die als Ausnahme von dem aus § 252 StPO abgeleiteten Verwertungsverbot durch den anfragenden Senat nicht grundsätzlich in Frage gestellt worden ist (vgl. kritisch zu dieser Ausnahme Sander/Cirener in LR-StPO, 26. Aufl., § 252 Rn. 10; Pauly in Radtke /Hohmann, 2011, StPO § 252 Rn. 52; Velten in SK-StPO, 4. Aufl. Rn. 4), nur noch dann zuzulassen, wenn der Zeuge vor seiner richterlichen Vernehmung auch „qualifiziert“ über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt worden ist.
2
1. Die Ausnahme vom Verwertungsverbot wird von der Rechtsprechung damit begründet, dass die Belehrung durch den Richter die Gewähr dafür bietet , dem Zeugen Kenntnis von seinem Weigerungsrecht zu verschaffen, ihm die Bedeutung dieses Rechts bewusst zu machen und ihm die Tragweite seines Handelns vor Augen zu führen; der Zeuge, der sich auf solcher Grundlage frei- willig zu einer Aussage entschlossen hat, erleidet keinerlei Einbuße in seinen Rechten, wenn diese Aussage zu Beweiszwecken verwertet wird, mag er auch bei einer späteren Vernehmung von einem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1983 – 2 StR 150/83, BGHSt 32, 25; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 – 1 StR 341/51 aaO, S. 106 f.).
3
Zur ordnungsgemäßen Belehrung nach § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO gehört es nicht, den Zeugen auch darüber zu unterrichten, welche Rechtsfolgen eintreten , wenn er zunächst aussagt, später jedoch von seinem Weigerungsrecht Gebrauch macht; das Gesetz erfordert lediglich, dass die Belehrung dem Zeugen eine genügende Vorstellung von der Bedeutung seines Weigerungsrechts vermittelt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1983 – 2 StR 150/83 aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 4 ARs 21/14 Rn. 7 f.). Schon die Belehrung nach § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO weist den Zeugen auf die bei ihm bestehende Konfliktsituation hin, über die er freiwillig nach eigenem Ermessen zu entscheiden hat. Um dem Zeugen die Tragweite und Endgültigkeit seiner Angaben vor einem Richter zu verdeutlichen, bedarf es angesichts der zwischen richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen bestehenden Unterschiede keines weitergehenden Hinweises zur Verwertbarkeit seiner Aussage. Diese Unterschiede sind auch dem Zeugen gewahr. So sind gerade im Hinblick auf die Möglichkeit der Verlesung einer richterlichen Vernehmungsniederschrift nach § 251 Abs. 2 StPO (vgl. Regierungsentwurf zu § 168c StPO, BT-Drucks. 7/551, S. 76) der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger bei einer richterlichen Vernehmung gemäß § 168c Abs. 2 StPO Anwesenheits - und daraus resultierende Fragerechte eingeräumt. Zudem kann nur ein Richter nach § 161a Abs. 1 Satz 2 StPO eine eidliche Vernehmung vornehmen , weshalb eine unrichtige oder unvollständige Aussage vor einem Richter nach §§ 153, 154 StGB strafbar sein kann, worauf der Zeuge hinzuweisen ist. Für einen Zeugen ist deshalb auch wegen der einem Ermittlungsrichter eingeräumten Stellung (vgl. BVerfG – Kammer – , Beschluss vom 23. Januar 2008 – 2 BvR 2491/07) erkennbar, dass einer richterlichen Vernehmung eine erhöhte Bedeutung zukommt; nach der Belehrung durch einen Richter steht ihm deutlicher vor Augen, dass er im Falle seiner Aussage seine Angaben nicht ohne weiteres wieder beseitigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 – 3 StR 185/03,BGHSt 49, 72, 77), deren Folgen er aber durch freiwillige Entschließung im Bewusstsein ihrer Bedeutung auf sich nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 1952 – 1 StR 561/51, aaO, S. 106). Dieses Bewusstsein genügt für die Wahrung seiner grundrechtlich abgesicherten Rechtsposition.
4
Der Senat kann nach alledem dahinstehen lassen, ob die durch den anfragenden Senat aufgestellte These, die Mehrheit der Zeugen sei sich der Konsequenz weiterhin bestehender Verwertbarkeit ihrer vor dem Richter erfolgten Bekundungen nicht bewusst (Anfragebeschluss S. 11), rechtstatsächlich hinreichend abgesichert ist. Er hält es jedoch entgegen der These für eher naheliegend , dass zahlreiche Zeugen im Blick auf den Gang zum Richter nach erfolgter Aussage vor der Polizei in Verbindung mit den prozessualen Regularien der richterlichen Vernehmung den Grund für deren Durchführung kennen oder, etwa nach Fragen zur Notwendigkeit einer weiteren Aussage, im Zuge des Verfahrens in Erfahrung bringen.
5
2. Der Senat könnte schließlich der Einschätzung des anfragenden Senats nicht uneingeschränkt folgen, dass die von diesem befürwortete Belehrungspflicht die Effektivität der Strafverfolgung nicht in nennenswertem Umfang in Frage stellen würde (Anfragebeschluss S. 13 f.). Diese Einschätzung mag unter Umständen für „Neufälle“ zutreffen. Hingegen wäre zu besorgen, dass in einer nicht bezifferbaren Menge von „Altfällen“ gerade auch wegen schwerwie- gender Straftaten, zu denen womöglich der vom anfragenden Senat zu entscheidende Ausgangsfall zu rechnen ist (Anfragebeschluss S. 3), ein Tatnachweis nicht mehr geführt werden könnte, weil der vernehmende Richter die nach herkömmlicher Rechtsprechung entbehrliche Belehrung nicht erteilt hat und deswegen ein Verwertungsverbot angenommen werden müsste. Vor diesem Hintergrund könnte ein Rechtsprechungswandel nur dann verantwortet werden, wenn der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein gravierendes rechtsstaatliches Defizit anhaften würde. Davon kann aus den oben genannten Gründen indessen keine Rede sein.
Sander Dölp König
Berger Bellay

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
________________
Verweigert eine Tatzeugin in der Hauptverhandlung das Zeugnis, dürfen ihre Angaben
, die sie bei der Exploration für die Glaubhaftigkeitsprüfung zum Tatgeschehen
gemacht hat (Zusatztatsachen), nicht für Feststellungen zum Tathergang verwertet
werden, indem die Sachverständige als Zeugin gehört wird; das gilt auch für die erneute
Hauptverhandlung nach der Wiederaufnahme des Verfahrens.
BGH, Urt. vom 3. November 2000 - 2 StR 354/00 - Landgericht Bonn

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 354/00
vom
3. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. November
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Elf
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizhauptsekretärin bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 21. März 2000 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht Köln hatte den Angeklagten mit Urteil vom 20. April 1994, rechtskräftig seit dem 24. November 1994, wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte die Taten in den Jahren 1988 bis 1990 in E. und in W. an seiner am 15. Juli 1977 geborenen Enkelin N. P. begangen. Die Verurteilung beruhte im wesentlichen auf den belastenden Angaben der Zeugin N. P. .
Am 13. Februar 1995 beantragte der Angeklagte die Wiederaufnahme des Verfahrens, weil N. P. ihre den Angeklagten belastende Aussage in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Köln vom 17. Dezember 1994 als falsch widerrufen hatte. Im Probationsverfahren wurde N. P. z u ihrem Widerruf am 16. Mai 1995 richterlich vernommen. Am 8. Februar 1996 verwarf das Landgericht Bonn den Wiederaufnahmeantrag als unbegründet. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten ordnete das Oberlandesgericht Köln am 7. Mai 1996 die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an. Mit Urteil vom 21. März 2000 hat das Landgericht Bonn das Urteil des Landgerichts Köln aufgehoben und den Angeklagten - nach Fortfall der fortgesetzten Handlung - im wesentlichen wegen desselben Tatgeschehens wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in elf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, das Landgericht habe die Angaben der Enkelin des Angeklagten nicht verwerten dürfen, die diese gegenüber der früheren Sachverständigen und jetzigen Zeugin J. bei der Glaubwürdigkeitsprüfung gemacht hat, weil N. P. in der neuen Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. 1. Die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil auf Grund der zulässig erhobenen Sachrüge der Urteilsinhalt ergänzend zum Vorbringen der Revisionsbegründung herangezogen werden kann.
2. Der Rüge liegen folgende Verfahrensvorgänge zu Grunde: Im Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft Köln die Sachverständige J. mit einem Gutachten zur Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben von N. P. beauftragt. Bei der Exploration äußerte sich die Zeugin am 14. September 1993 ausführlich zum Tatgeschehen. Auch in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Köln machte N. P. ausführliche belastende Angaben zum Tatgeschehen, die das Landgericht in Übereinstimmung mit der damaligen Sachverständigen J. für glaubhaft erachtete und seinen Feststellungen zu Grunde legte. Zur Vorbereitung der Entscheidung im Probationsverfahren beauftragte das Landgericht die Sachverständige J. mit einem ergänzenden Gutachten zur Glaubhaftigkeit des Aussagewiderrufs. Auch bei der hierzu erfolgten Exploration äußerte sich N. P. am 8. Dezember 1995. Wegen Bedenken der Verteidigung gegen die Unbefangenheit der Sachverständigen J. beauftragte das Landgericht Bonn zur Vorbereitung der erneuten Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren die Sachverständige M. mit der Erstattung eines weiteren Glaubhaftigkeitsgutachtens. Diese Sachverständige wurde in der Hauptverhandlung gehört. Ihr stand die Zeugin P. jedoch nicht mehr zu einer Exploration zur Verfügung. In der abgebrochenen Hauptverhandlung vom 7. Oktober 1997 machte N. P. nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht zunächst Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen und zur Vernehmungsfähigkeit und verweigerte schließlich weitere Angaben. Auch in der neu anberaumten Hauptverhandlung am 14. März 2000 machte sie nach Belehrung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Strafkammer hat in der dem ange-
fochtenen Urteil zugrunde liegenden Hauptverhandlung u.a. den Vorsitzenden und den Berichterstatter der Strafkammer des Landgerichts Köln, vor der N. P. nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht ausgesagt hatte, und die frühere Sachverständige J. als Zeugen dazu vernommen, was N. P. ihnen gegenüber zum Tatgeschehen ausgesagt hat, und die Sachverständige M. gehört. In seiner Beweiswürdigung (UA S. 29 ff.) stützt sich das Landgericht Bonn in weiten Teilen auf die Angaben der Zeugin J. über das, was N. P. ihr gegenüber bei der Exploration und in der Hauptverhandlung als Zeugin vor dem Landgericht Köln zum Tatgeschehen ausgesagt hat. Ihre Angaben stimmten mit dem überein, was die beiden als Zeugen gehörten Richter der damals erkennenden Strafkammer über den Inhalt der Aussage in der Hauptverhandlung berichtet haben. Das Landgericht Bonn hat sich für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung aber maßgeblich auf die hohe Konstanz in der Aussage N. P. gestützt und diese als wesentliches Glaubhaftigkeitskriterium gewertet. Zum Beleg nennt das Urteil 45 Details zum Tatgeschehen, die die Zeugin sowohl bei der Exploration als auch in der Hauptverhandlung in Köln übereinstimmend geschildert habe. Diese Konstanz konnte nur unter Heranziehung der Angaben der Zeugin J. über das Ergebnis ihrer Exploration festgestellt werden. 3. Das angefochtene Urteil stützt sich somit bei seiner Beweiswürdigung auf die Ausführungen der Zeugin und früheren Sachverständigen J. z u den Angaben, die N. P. ihr gegenüber bei der Exploration am 14. September 1993 insbesondere zum Tatgeschehen gemacht hat. Darin liegt ein Verstoß gegen § 252 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO.

a) Seit der Entscheidung BGHSt 2, 99 ist es ständige Rechtsprechung und einhellige Meinung im Schrifttum, daß § 252 StPO nicht nur ein Verlesungs -, sondern ein Verwertungsverbot enthält, das nach der berechtigten Zeugnisverweigerung auch jede andere Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage, insbesondere die Vernehmung von Verhörspersonen, ausschließt (vgl. BGHSt 45, 203, 205 m.w.N.). Mitteilungen eines gemäß § 52 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen gegenüber einem Sachverständigen über Zusatztatsachen (vgl. hierzu BGHSt 18, 107, 108), zu denen regelmäßig auch die Tatschilderung eines auf seine Glaubwürdigkeit zu begutachtenden Zeugen gehört (BGH NStZ 1997, 95 = StV 1996, 522), stehen einer Aussage im Sinn des § 252 StPO gleich. Soweit die Rechtsprechung ausnahmsweise die Vernehmung der Richter zuläßt, die an der früheren Vernehmung mitgewirkt haben (BGHSt 2, 99; 27, 231), kann diese Ausnahme auf die Befragung durch den Sachverständigen, die einer richterlichen Vernehmung nicht gleich gesetzt werden kann, keine Anwendung finden (BGHSt 13, 1, 4). Macht der Zeuge später sein Zeugnisverweigerungsrecht geltend, dürfen seine Mitteilungen über Zusatztatsachen daher weder durch das Sachverständigengutachten noch durch die Vernehmung des Sachverständigen als Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der richterlichen Überzeugungsbildung verwertet werden (BGHSt 13, 1, 3; 250; 18, 107, 109; 36, 217, 219; 36, 384, 385 f.; 45, 203, 206; StV 1984, 453; 1996, 522 = NStZ 1997, 95; BGHR StPO § 252 Verwertungsverbot 1 [= StV 1987, 328] und 2 [= MDR 1987, 625 = NStZ 1988, 19]; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 252 Rdn. 10; Diemer in KK § 252 Rdn. 18; Gollwitzer in Löwe /Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 252 Rdn. 32 jeweils m.w.N.). Da sich die Enkelin des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung berechtigt auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) berief,
waren ihre Angaben zum Tatgeschehen, die sie gegenüber der früheren Sachverständigen J. gemacht hat, nicht verwertbar.
b) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 1957 (BGHSt 11, 97) rechtfertigt keine andere Beurteilung. In dieser Entscheidung hatte der 4. Strafsenat in einem unverbindlichen Hinweis an den neuen Tatrichter Ä ußerungen eines richterlich über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrten Zeugen gegenüber dem Sachverständigen trotz inzwischen erklärter Zeugnisverweigerung bei der Erstattung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens auch in Bezug auf die "Anklagetatsachen" für verwertbar erachtet. Der 4. Strafsenat hat jedoch in seinem bereits genannten späteren Urteil BGHSt 13, 1, in dem er erstmals die Vernehmung des Gutachters über Zusatztatsachen nach der Zeugnisverweigerung des Untersuchten weder als Sachverständiger noch als Zeuge für zulässig erachtete, selbst darauf hingewiesen, daß sich die zugrundeliegenden Fragestellungen unterschieden: In BGHSt 11, 97 sei es um die Frage gegangen, ob die von einem über sein Aussageverweigerungsrecht belehrten Zeugen gegenüber dem Sachverständigen gemachten Angaben auch dann der Begutachtung über seine Glaubwürdigkeit zugrundegelegt werden dürften, wenn der Zeuge nachträglich seine Aussage verweigert. Davon sei die in BGHSt 13, 1 entschiedene Frage zu unterscheiden, ob der Sachverständige als solcher oder als Zeuge vom Untersuchten erfahrene Belastungstatsachen unter den gleichen Voraussetzungen in die Hauptverhandlung einführen dürfe. Es kann dahinstehen, ob dieser Abgrenzung zu folgen ist oder ob darin nicht vielmehr eine Aufgabe des Hinweises in BGHSt 11, 97 zu sehen ist, denn es ist kaum vorstellbar, daß einem Sachverständigengutachten Tatsachen oder Ä ußerungen zugrundegelegt werden dürfen, die nicht auch sonst als Verfahrensstoff in die Hauptverhandlung eingeführt werden dürfen. Selbst wenn man aber unterstellt, daß die früheren Angaben für die Erstattung des Glaubwürdigkeits-
gutachtens (begrenzt) verwertbar seien, könnte dies auch nach der vom 4. Strafsenat vertretenen Ansicht allenfalls dazu führen, daß die fraglichen Angaben für das Glaubwürdigkeitsgutachten verwertet werden dürfen. Im vorliegenden Fall wurden die Angaben jedoch für die Feststellungen des Landgerichts zum Tatgeschehen verwendet. Zudem wurde das Gutachten in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bonn nicht von der Zeugin J. , sondern von der Sachverständigen M. erstattet. Deshalb läßt sich auch mit dem Beschluß des 1. Strafsenats vom 20. Juli 1995 (StV 1995, 564 = NJW 1998, 838 mit krit. Anm. von Wohlers StV 1996, 192; Eisenberg/Kopatsch NStZ 1997, 297; Schmidt-Ricla NJW 1998, 800), der sich auf BGHSt 11, 97 beruft und mit dem das angefochtene Urteil die Verwertbarkeit der Ä ußerungen N. P. gegenüber der Zeugin J. zu rechtfertigen versucht, die Verwertbarkeit der Angaben zum Tatgeschehen nicht begründen. Zudem ging es in der Entscheidung des 1. Strafsenats nicht um die Verwertung von Zusatztatsachen zum Tatgeschehen, sondern um Angaben des Vaters zur Persönlichkeit und zum Lebenslauf des Beschuldigten , die bei einem Gutachten über seine Schuldfähigkeit verwendet wurden.
c) Der Senat hat ferner erwogen, ob wegen der besonderen Verfahrenskonstellation im Wiederaufnahmeverfahren eine Einschränkung des Verwertungsverbots für die von der Zeugin J. berichteten Zusatztatsachen zum Tatgeschehen gerechtfertigt ist. Hierfür könnte sprechen, daß auf Grund der belastenden Angaben der Enkelin des Angeklagten zum Tatgeschehen bereits ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Köln bestand, das erst im Wiederaufnahmeverfahren beseitigt wurde, weil die Tatzeugin ihre belastenden Angaben inzwischen widerrufen hatte. Erst in der neuen Hauptverhandlung hat die Zeugin sodann von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Trotz dieses Verfahrensgangs kommt aber eine Einschränkung des in ständiger Rechtsprechung anerkannten Verwertungsverbots nicht in Betracht. aa) Der Bundesgerichtshof hat seit BGHSt 2, 99 daran festgehalten, daß eine Ausnahme von dem Verwertungsverbot des § 252 StPO nur für solche Angaben gerechtfertigt ist, die nach Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht vor einem R i c h t e r gemacht wurden. Nur der Richter selbst kann dann im Falle einer Zeugnisverweigerung als Zeuge über den Aussageinhalt vernommen werden. Zu Recht hat das Landgericht Bonn daher in der erneuten Hauptverhandlung den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Waldbröl und zwei Richter der erkennnenden Strafkammer des Landgerichts Köln als Zeugen vernommen. Eine Vernehmung des Sachverständigen als Zeugen zu Zusatztatsachen ist hingegen seit BGHSt 13, 1 in ständiger Rechtsprechung für ausgeschlossen erachtet worden (vgl. oben II, 3 a). Der wesentliche Grund für die unterschiedliche Behandlung von richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen wird nach der neueren Rechtsprechung darin gesehen, daß schon das Gesetz - wie aus § 251 Abs. 1 und 2 StPO zu entnehmen - richterlichen Vernehmungen ganz allgemein höheres Vertrauen entgegenbringt. Dieser Grund ist auch nach Einführung der Belehrungspflicht für Polizeibeamte und Staatsanwälte durch § 161 a Abs. 1 und § 163 a Abs. 5 StPO nicht entfallen (BGHSt 45, 342, 345 f.; 36, 384, 386; 21, 218, 219). Für diese Unterscheidung ist es aber ohne Bedeutung, ob sich das Verfahren in der ersten Instanz oder im Wiederaufnahmeverfahren befindet. bb) Im übrigen wird der Umfang des Verwertungsverbots des § 252 StPO aus Sinn und Zweck der Norm und durch eine Abwägung zwischen den gegenläufigen Belangen, einerseits den durch das Zeugnisverweigerungsrecht geschützten Interessen an einer Nichtverwertung, andererseits der für weitest-
gehende Verwertung sprechenden Pflicht zur Wahrheitsermittlung im Strafverfahren bestimmt (BGHSt 2, 99, 105; 45, 342, 345). Es sind aber keine durchgreifenden Gründe dafür erkennbar, diese Belange deshalb anders zu gewichten und den Interessen der Wahrheitsfindung im Strafverfahren deshalb größere Bedeutung beizumessen, weil es sich um ein wiederaufgenommenes Verfahren handelt und zuvor ein rechtskräftiges Urteil bestand. Durch die Wiederaufnahme wurde das Verfahren in die Lage z urückversetzt, die es durch den Eröffnungsbeschluß erreicht hatte (BGHSt 14, 64, 66). In der neuen Hauptverhandlung war ohne Bindung an das frühere Urteil in jeder Hinsicht neu und selbständig zu verhandeln und zu entscheiden (Kleinknecht/MeyerGoßner a.a.O. § 373 Rdn. 2 m.w.N.). Es spricht nichts dafür, dem Interesse der Strafverfolgung und der Wahrheitsfindung in der neuen Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren ein größeres Gewicht zu geben als in einer früheren Hauptverhandlung. Die Situation unterscheidet sich nicht grundlegend von einer neuen Hauptverhandlung in einer zurückverwiesenen Sache oder in der Berufungshauptverhandlung, in der ein Zeuge erstmals sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nimmt. cc) Schließlich lassen sich den Urteilsgründen auch keine hinreichenden Anzeichen dafür entnehmen, daß dem Aussageverhalten der Zeugin eine Manipulationsabsicht zugrundeliegen könnte (vgl. hierzu BGHSt 45, 342, 347 ff.). 3. Da das angefochtene Urteil schon wegen des dargelegten Verfahrensfehlers keinen Bestand hat, kommt es auf die übrigen Verfahrensrügen und die Sachrüge nicht mehr an. Der Senat verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Auch ohne die Angaben der Zeugin J. über die Explorationsergebnisse zum Tatgeschehen ist eine erneute Verurteilung des Angeklagten
nicht unwahrscheinlich. Als Zeugen für Feststellungen zum Tatgeschehen stehen insbesondere die Richter zur Verfügung, die N. P. wiederholt zum Tatvorwurf und zum späteren Widerruf ihrer Beschuldigung vernommen haben. Jähnke Detter Bode Otten Elf

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
________________
Verweigert eine Tatzeugin in der Hauptverhandlung das Zeugnis, dürfen ihre Angaben
, die sie bei der Exploration für die Glaubhaftigkeitsprüfung zum Tatgeschehen
gemacht hat (Zusatztatsachen), nicht für Feststellungen zum Tathergang verwertet
werden, indem die Sachverständige als Zeugin gehört wird; das gilt auch für die erneute
Hauptverhandlung nach der Wiederaufnahme des Verfahrens.
BGH, Urt. vom 3. November 2000 - 2 StR 354/00 - Landgericht Bonn

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 354/00
vom
3. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. November
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Elf
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizhauptsekretärin bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 21. März 2000 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht Köln hatte den Angeklagten mit Urteil vom 20. April 1994, rechtskräftig seit dem 24. November 1994, wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte die Taten in den Jahren 1988 bis 1990 in E. und in W. an seiner am 15. Juli 1977 geborenen Enkelin N. P. begangen. Die Verurteilung beruhte im wesentlichen auf den belastenden Angaben der Zeugin N. P. .
Am 13. Februar 1995 beantragte der Angeklagte die Wiederaufnahme des Verfahrens, weil N. P. ihre den Angeklagten belastende Aussage in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Köln vom 17. Dezember 1994 als falsch widerrufen hatte. Im Probationsverfahren wurde N. P. z u ihrem Widerruf am 16. Mai 1995 richterlich vernommen. Am 8. Februar 1996 verwarf das Landgericht Bonn den Wiederaufnahmeantrag als unbegründet. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten ordnete das Oberlandesgericht Köln am 7. Mai 1996 die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an. Mit Urteil vom 21. März 2000 hat das Landgericht Bonn das Urteil des Landgerichts Köln aufgehoben und den Angeklagten - nach Fortfall der fortgesetzten Handlung - im wesentlichen wegen desselben Tatgeschehens wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in elf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, das Landgericht habe die Angaben der Enkelin des Angeklagten nicht verwerten dürfen, die diese gegenüber der früheren Sachverständigen und jetzigen Zeugin J. bei der Glaubwürdigkeitsprüfung gemacht hat, weil N. P. in der neuen Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. 1. Die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil auf Grund der zulässig erhobenen Sachrüge der Urteilsinhalt ergänzend zum Vorbringen der Revisionsbegründung herangezogen werden kann.
2. Der Rüge liegen folgende Verfahrensvorgänge zu Grunde: Im Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft Köln die Sachverständige J. mit einem Gutachten zur Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben von N. P. beauftragt. Bei der Exploration äußerte sich die Zeugin am 14. September 1993 ausführlich zum Tatgeschehen. Auch in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Köln machte N. P. ausführliche belastende Angaben zum Tatgeschehen, die das Landgericht in Übereinstimmung mit der damaligen Sachverständigen J. für glaubhaft erachtete und seinen Feststellungen zu Grunde legte. Zur Vorbereitung der Entscheidung im Probationsverfahren beauftragte das Landgericht die Sachverständige J. mit einem ergänzenden Gutachten zur Glaubhaftigkeit des Aussagewiderrufs. Auch bei der hierzu erfolgten Exploration äußerte sich N. P. am 8. Dezember 1995. Wegen Bedenken der Verteidigung gegen die Unbefangenheit der Sachverständigen J. beauftragte das Landgericht Bonn zur Vorbereitung der erneuten Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren die Sachverständige M. mit der Erstattung eines weiteren Glaubhaftigkeitsgutachtens. Diese Sachverständige wurde in der Hauptverhandlung gehört. Ihr stand die Zeugin P. jedoch nicht mehr zu einer Exploration zur Verfügung. In der abgebrochenen Hauptverhandlung vom 7. Oktober 1997 machte N. P. nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht zunächst Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen und zur Vernehmungsfähigkeit und verweigerte schließlich weitere Angaben. Auch in der neu anberaumten Hauptverhandlung am 14. März 2000 machte sie nach Belehrung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Strafkammer hat in der dem ange-
fochtenen Urteil zugrunde liegenden Hauptverhandlung u.a. den Vorsitzenden und den Berichterstatter der Strafkammer des Landgerichts Köln, vor der N. P. nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht ausgesagt hatte, und die frühere Sachverständige J. als Zeugen dazu vernommen, was N. P. ihnen gegenüber zum Tatgeschehen ausgesagt hat, und die Sachverständige M. gehört. In seiner Beweiswürdigung (UA S. 29 ff.) stützt sich das Landgericht Bonn in weiten Teilen auf die Angaben der Zeugin J. über das, was N. P. ihr gegenüber bei der Exploration und in der Hauptverhandlung als Zeugin vor dem Landgericht Köln zum Tatgeschehen ausgesagt hat. Ihre Angaben stimmten mit dem überein, was die beiden als Zeugen gehörten Richter der damals erkennenden Strafkammer über den Inhalt der Aussage in der Hauptverhandlung berichtet haben. Das Landgericht Bonn hat sich für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung aber maßgeblich auf die hohe Konstanz in der Aussage N. P. gestützt und diese als wesentliches Glaubhaftigkeitskriterium gewertet. Zum Beleg nennt das Urteil 45 Details zum Tatgeschehen, die die Zeugin sowohl bei der Exploration als auch in der Hauptverhandlung in Köln übereinstimmend geschildert habe. Diese Konstanz konnte nur unter Heranziehung der Angaben der Zeugin J. über das Ergebnis ihrer Exploration festgestellt werden. 3. Das angefochtene Urteil stützt sich somit bei seiner Beweiswürdigung auf die Ausführungen der Zeugin und früheren Sachverständigen J. z u den Angaben, die N. P. ihr gegenüber bei der Exploration am 14. September 1993 insbesondere zum Tatgeschehen gemacht hat. Darin liegt ein Verstoß gegen § 252 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO.

a) Seit der Entscheidung BGHSt 2, 99 ist es ständige Rechtsprechung und einhellige Meinung im Schrifttum, daß § 252 StPO nicht nur ein Verlesungs -, sondern ein Verwertungsverbot enthält, das nach der berechtigten Zeugnisverweigerung auch jede andere Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage, insbesondere die Vernehmung von Verhörspersonen, ausschließt (vgl. BGHSt 45, 203, 205 m.w.N.). Mitteilungen eines gemäß § 52 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen gegenüber einem Sachverständigen über Zusatztatsachen (vgl. hierzu BGHSt 18, 107, 108), zu denen regelmäßig auch die Tatschilderung eines auf seine Glaubwürdigkeit zu begutachtenden Zeugen gehört (BGH NStZ 1997, 95 = StV 1996, 522), stehen einer Aussage im Sinn des § 252 StPO gleich. Soweit die Rechtsprechung ausnahmsweise die Vernehmung der Richter zuläßt, die an der früheren Vernehmung mitgewirkt haben (BGHSt 2, 99; 27, 231), kann diese Ausnahme auf die Befragung durch den Sachverständigen, die einer richterlichen Vernehmung nicht gleich gesetzt werden kann, keine Anwendung finden (BGHSt 13, 1, 4). Macht der Zeuge später sein Zeugnisverweigerungsrecht geltend, dürfen seine Mitteilungen über Zusatztatsachen daher weder durch das Sachverständigengutachten noch durch die Vernehmung des Sachverständigen als Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der richterlichen Überzeugungsbildung verwertet werden (BGHSt 13, 1, 3; 250; 18, 107, 109; 36, 217, 219; 36, 384, 385 f.; 45, 203, 206; StV 1984, 453; 1996, 522 = NStZ 1997, 95; BGHR StPO § 252 Verwertungsverbot 1 [= StV 1987, 328] und 2 [= MDR 1987, 625 = NStZ 1988, 19]; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 252 Rdn. 10; Diemer in KK § 252 Rdn. 18; Gollwitzer in Löwe /Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 252 Rdn. 32 jeweils m.w.N.). Da sich die Enkelin des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung berechtigt auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) berief,
waren ihre Angaben zum Tatgeschehen, die sie gegenüber der früheren Sachverständigen J. gemacht hat, nicht verwertbar.
b) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 1957 (BGHSt 11, 97) rechtfertigt keine andere Beurteilung. In dieser Entscheidung hatte der 4. Strafsenat in einem unverbindlichen Hinweis an den neuen Tatrichter Ä ußerungen eines richterlich über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrten Zeugen gegenüber dem Sachverständigen trotz inzwischen erklärter Zeugnisverweigerung bei der Erstattung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens auch in Bezug auf die "Anklagetatsachen" für verwertbar erachtet. Der 4. Strafsenat hat jedoch in seinem bereits genannten späteren Urteil BGHSt 13, 1, in dem er erstmals die Vernehmung des Gutachters über Zusatztatsachen nach der Zeugnisverweigerung des Untersuchten weder als Sachverständiger noch als Zeuge für zulässig erachtete, selbst darauf hingewiesen, daß sich die zugrundeliegenden Fragestellungen unterschieden: In BGHSt 11, 97 sei es um die Frage gegangen, ob die von einem über sein Aussageverweigerungsrecht belehrten Zeugen gegenüber dem Sachverständigen gemachten Angaben auch dann der Begutachtung über seine Glaubwürdigkeit zugrundegelegt werden dürften, wenn der Zeuge nachträglich seine Aussage verweigert. Davon sei die in BGHSt 13, 1 entschiedene Frage zu unterscheiden, ob der Sachverständige als solcher oder als Zeuge vom Untersuchten erfahrene Belastungstatsachen unter den gleichen Voraussetzungen in die Hauptverhandlung einführen dürfe. Es kann dahinstehen, ob dieser Abgrenzung zu folgen ist oder ob darin nicht vielmehr eine Aufgabe des Hinweises in BGHSt 11, 97 zu sehen ist, denn es ist kaum vorstellbar, daß einem Sachverständigengutachten Tatsachen oder Ä ußerungen zugrundegelegt werden dürfen, die nicht auch sonst als Verfahrensstoff in die Hauptverhandlung eingeführt werden dürfen. Selbst wenn man aber unterstellt, daß die früheren Angaben für die Erstattung des Glaubwürdigkeits-
gutachtens (begrenzt) verwertbar seien, könnte dies auch nach der vom 4. Strafsenat vertretenen Ansicht allenfalls dazu führen, daß die fraglichen Angaben für das Glaubwürdigkeitsgutachten verwertet werden dürfen. Im vorliegenden Fall wurden die Angaben jedoch für die Feststellungen des Landgerichts zum Tatgeschehen verwendet. Zudem wurde das Gutachten in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bonn nicht von der Zeugin J. , sondern von der Sachverständigen M. erstattet. Deshalb läßt sich auch mit dem Beschluß des 1. Strafsenats vom 20. Juli 1995 (StV 1995, 564 = NJW 1998, 838 mit krit. Anm. von Wohlers StV 1996, 192; Eisenberg/Kopatsch NStZ 1997, 297; Schmidt-Ricla NJW 1998, 800), der sich auf BGHSt 11, 97 beruft und mit dem das angefochtene Urteil die Verwertbarkeit der Ä ußerungen N. P. gegenüber der Zeugin J. zu rechtfertigen versucht, die Verwertbarkeit der Angaben zum Tatgeschehen nicht begründen. Zudem ging es in der Entscheidung des 1. Strafsenats nicht um die Verwertung von Zusatztatsachen zum Tatgeschehen, sondern um Angaben des Vaters zur Persönlichkeit und zum Lebenslauf des Beschuldigten , die bei einem Gutachten über seine Schuldfähigkeit verwendet wurden.
c) Der Senat hat ferner erwogen, ob wegen der besonderen Verfahrenskonstellation im Wiederaufnahmeverfahren eine Einschränkung des Verwertungsverbots für die von der Zeugin J. berichteten Zusatztatsachen zum Tatgeschehen gerechtfertigt ist. Hierfür könnte sprechen, daß auf Grund der belastenden Angaben der Enkelin des Angeklagten zum Tatgeschehen bereits ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Köln bestand, das erst im Wiederaufnahmeverfahren beseitigt wurde, weil die Tatzeugin ihre belastenden Angaben inzwischen widerrufen hatte. Erst in der neuen Hauptverhandlung hat die Zeugin sodann von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Trotz dieses Verfahrensgangs kommt aber eine Einschränkung des in ständiger Rechtsprechung anerkannten Verwertungsverbots nicht in Betracht. aa) Der Bundesgerichtshof hat seit BGHSt 2, 99 daran festgehalten, daß eine Ausnahme von dem Verwertungsverbot des § 252 StPO nur für solche Angaben gerechtfertigt ist, die nach Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht vor einem R i c h t e r gemacht wurden. Nur der Richter selbst kann dann im Falle einer Zeugnisverweigerung als Zeuge über den Aussageinhalt vernommen werden. Zu Recht hat das Landgericht Bonn daher in der erneuten Hauptverhandlung den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Waldbröl und zwei Richter der erkennnenden Strafkammer des Landgerichts Köln als Zeugen vernommen. Eine Vernehmung des Sachverständigen als Zeugen zu Zusatztatsachen ist hingegen seit BGHSt 13, 1 in ständiger Rechtsprechung für ausgeschlossen erachtet worden (vgl. oben II, 3 a). Der wesentliche Grund für die unterschiedliche Behandlung von richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen wird nach der neueren Rechtsprechung darin gesehen, daß schon das Gesetz - wie aus § 251 Abs. 1 und 2 StPO zu entnehmen - richterlichen Vernehmungen ganz allgemein höheres Vertrauen entgegenbringt. Dieser Grund ist auch nach Einführung der Belehrungspflicht für Polizeibeamte und Staatsanwälte durch § 161 a Abs. 1 und § 163 a Abs. 5 StPO nicht entfallen (BGHSt 45, 342, 345 f.; 36, 384, 386; 21, 218, 219). Für diese Unterscheidung ist es aber ohne Bedeutung, ob sich das Verfahren in der ersten Instanz oder im Wiederaufnahmeverfahren befindet. bb) Im übrigen wird der Umfang des Verwertungsverbots des § 252 StPO aus Sinn und Zweck der Norm und durch eine Abwägung zwischen den gegenläufigen Belangen, einerseits den durch das Zeugnisverweigerungsrecht geschützten Interessen an einer Nichtverwertung, andererseits der für weitest-
gehende Verwertung sprechenden Pflicht zur Wahrheitsermittlung im Strafverfahren bestimmt (BGHSt 2, 99, 105; 45, 342, 345). Es sind aber keine durchgreifenden Gründe dafür erkennbar, diese Belange deshalb anders zu gewichten und den Interessen der Wahrheitsfindung im Strafverfahren deshalb größere Bedeutung beizumessen, weil es sich um ein wiederaufgenommenes Verfahren handelt und zuvor ein rechtskräftiges Urteil bestand. Durch die Wiederaufnahme wurde das Verfahren in die Lage z urückversetzt, die es durch den Eröffnungsbeschluß erreicht hatte (BGHSt 14, 64, 66). In der neuen Hauptverhandlung war ohne Bindung an das frühere Urteil in jeder Hinsicht neu und selbständig zu verhandeln und zu entscheiden (Kleinknecht/MeyerGoßner a.a.O. § 373 Rdn. 2 m.w.N.). Es spricht nichts dafür, dem Interesse der Strafverfolgung und der Wahrheitsfindung in der neuen Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren ein größeres Gewicht zu geben als in einer früheren Hauptverhandlung. Die Situation unterscheidet sich nicht grundlegend von einer neuen Hauptverhandlung in einer zurückverwiesenen Sache oder in der Berufungshauptverhandlung, in der ein Zeuge erstmals sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nimmt. cc) Schließlich lassen sich den Urteilsgründen auch keine hinreichenden Anzeichen dafür entnehmen, daß dem Aussageverhalten der Zeugin eine Manipulationsabsicht zugrundeliegen könnte (vgl. hierzu BGHSt 45, 342, 347 ff.). 3. Da das angefochtene Urteil schon wegen des dargelegten Verfahrensfehlers keinen Bestand hat, kommt es auf die übrigen Verfahrensrügen und die Sachrüge nicht mehr an. Der Senat verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Auch ohne die Angaben der Zeugin J. über die Explorationsergebnisse zum Tatgeschehen ist eine erneute Verurteilung des Angeklagten
nicht unwahrscheinlich. Als Zeugen für Feststellungen zum Tatgeschehen stehen insbesondere die Richter zur Verfügung, die N. P. wiederholt zum Tatvorwurf und zum späteren Widerruf ihrer Beschuldigung vernommen haben. Jähnke Detter Bode Otten Elf

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur Einstellung führt. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern.

(2) Beantragt der Beschuldigte zu seiner Entlastung die Aufnahme von Beweisen, so sind sie zu erheben, wenn sie von Bedeutung sind.

(3) Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. Die §§ 133 bis 136a und 168c Abs. 1 und 5 gelten entsprechend. Über die Rechtmäßigkeit der Vorführung entscheidet auf Antrag des Beschuldigten das nach § 162 zuständige Gericht. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.

(4) Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Im übrigen sind bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes § 136 Absatz 1 Satz 2 bis 6, Absatz 2 bis 5 und § 136a anzuwenden. § 168c Absatz 1 und 5 gilt für den Verteidiger entsprechend.

(5) Die §§ 186 und 187 Absatz 1 bis 3 sowie § 189 Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend.

(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.

(2) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes übersenden ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft. Erscheint die schleunige Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen erforderlich, so kann die Übersendung unmittelbar an das Amtsgericht erfolgen.

(3) Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Ersten Buches entsprechend. Die eidliche Vernehmung bleibt dem Gericht vorbehalten.

(4) Die Staatsanwaltschaft entscheidet

1.
über die Zeugeneigenschaft oder das Vorliegen von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten, sofern insoweit Zweifel bestehen oder im Laufe der Vernehmung aufkommen,
2.
über eine Gestattung nach § 68 Absatz 3 Satz 1, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen,
3.
über die Beiordnung eines Zeugenbeistands nach § 68b Absatz 2 und
4.
bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung des Zeugen über die Verhängung der in den §§ 51 und 70 vorgesehenen Maßregeln; dabei bleibt die Festsetzung der Haft dem nach § 162 zuständigen Gericht vorbehalten.
Im Übrigen trifft die erforderlichen Entscheidungen die die Vernehmung leitende Person.

(5) Gegen Entscheidungen von Beamten des Polizeidienstes nach § 68b Absatz 1 Satz 3 sowie gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 und 4 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten jeweils entsprechend. Gerichtliche Entscheidungen nach Satz 1 sind unanfechtbar.

(6) Für die Belehrung des Sachverständigen durch Beamte des Polizeidienstes gelten § 52 Absatz 3 und § 55 Absatz 2 entsprechend. In den Fällen des § 81c Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt § 52 Absatz 3 auch bei Untersuchungen durch Beamte des Polizeidienstes sinngemäß.

(7) § 185 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur Einstellung führt. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern.

(2) Beantragt der Beschuldigte zu seiner Entlastung die Aufnahme von Beweisen, so sind sie zu erheben, wenn sie von Bedeutung sind.

(3) Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. Die §§ 133 bis 136a und 168c Abs. 1 und 5 gelten entsprechend. Über die Rechtmäßigkeit der Vorführung entscheidet auf Antrag des Beschuldigten das nach § 162 zuständige Gericht. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.

(4) Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Im übrigen sind bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes § 136 Absatz 1 Satz 2 bis 6, Absatz 2 bis 5 und § 136a anzuwenden. § 168c Absatz 1 und 5 gilt für den Verteidiger entsprechend.

(5) Die §§ 186 und 187 Absatz 1 bis 3 sowie § 189 Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 296/07
vom
18. Juli 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juli 2007 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15. Februar 2007 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat ergänzt die Ausführungen des Generalbundesanwalts wie folgt:
2
Die Rüge der Verletzung des § 252 StPO ist zulässig, aber unbegründet.
3
Die Vernehmung des Polizeibeamten J. zu den Angaben des Zeugen F. A. bei ihm und deren Verwertung war rechtsfehlerfrei.
4
Der Rüge liegt Folgendes zugrunde:
5
Dem Angeklagten wird die Tötung seiner Ehefrau zur Last gelegt. Der Zeuge - und Nebenkläger - ist deren Bruder. Während des Ermittlungsverfahrens machte er bei der Polizei Angaben zur Sache. In der Hauptverhandlung erklärte der ihm gemäß § 397a Abs. 1 Satz 1 StPO als Beistand bestellte Rechtsanwalt, dass der - geladene, aber nicht erschienene - Zeuge von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch mache. Der Nebenklägervertreter erklärte weiter, dass der Zeuge mit der Verwertung seiner vor der Polizei gemachten Angaben einverstanden ist. Daraufhin wurde der Vernehmungsbeamte zu den Angaben des Zeugen bei der Polizei gehört.
6
1. Das Revisionsvorbringen genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zwar werden die der Rüge zugrunde liegenden Verfahrensvorgänge nicht vollständig mitgeteilt. So fehlt - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - die Mitteilung des Inhalts der Vernehmung. Insoweit kann jedoch nach zulässig erhobener Sachrüge ergänzend auf die Urteilsgründe zurückgegriffen werden (vgl. BGHSt 36, 384, 385; 45, 203, 204 f.; 46, 189, 190 f.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 344 Rdn. 20; Kuckein in KK-StPO 5. Aufl. § 344 Rdn. 39), die den Kern der Aussage wiedergeben, soweit sie - am Rande - für die Beweiswürdigung mit herangezogen wurde. Danach kann auch ausgeschlossen werden, dass es sich bei der "Vernehmung" um eine unaufgeforderte , spontane und damit von den Beschränkungen des § 252 StPO ausgenommene (vgl. BGHSt 36, 384, 389; BGH NStZ 1992, 247; 1998, 629; StV 2007, 401 f.) Äußerung des Angeklagten gehandelt hat. Ausdrücklicher Revisionsvortrag zu diesem Gesichtspunkt war daher nicht erforderlich.
7
2. Die Vernehmung des Polizeibeamten zu den Angaben des Zeugen während des Ermittlungsverfahrens war hier zulässig:
8
a) Dem Zeugen steht als Schwager des Angeklagten gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Über dieses Recht ist er zu belehren , jedoch kann sich ein Zeuge, dem schon anderweit - z.B. infolge anwaltlicher Beratung - bekannt ist, dass ihm dieses Recht zusteht, auch ohne ausdrückliche Belehrung wirksam auf dieses Recht berufen. Dies kann schriftlich erfolgen (BGHSt 21, 12 f.), aber auch, wie hier, durch Erklärung des anwaltlichen Beistands in der Hauptverhandlung (ebenso BGH, Beschl. vom 13. August 2003 - 1 StR 280/03 zum vergleichbaren Fall einer anwaltlichen Mitteilung außerhalb der Hauptverhandlung). Die Auffassung der Revision, eine solche "Mitteilung eines Dritten" reiche in diesem Zusammenhang nicht aus, teilt der Senat nicht. Die von der Revision in Bezug genommene Entscheidung BGH bei Holtz MDR 1979, 989 betrifft keine anwaltliche Erklärung. Beruft sich der Zeuge aber außerhalb der Hauptverhandlung auf sein Aussageverweigerungsrecht , hat das Gericht regelmäßig keine Veranlassung, gleichwohl auf seinem Erscheinen in der Hauptverhandlung zu bestehen (BGHSt 21, 12 f.; BGH, Beschl. vom 1. Juni 2001 - 1 StR 208/01; in vergleichbarem Sinne BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Unerreichbarkeit 17 zum Fall der Berufung auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 StPO). Allerdings kann sich im Einzelfall anderes aus der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) - deren Verletzung hier nicht ausdrücklich gerügt ist - ergeben, etwa bei konkreten Anhaltspunkten dafür, dass der Zeuge über die Tragweite seiner Erklärung irrt (vgl. BGHSt 21, 12), oder z.B. dafür, dass der Zeuge bei Abwesenheit des Angeklagten (§§ 247, 247a StPO) oder Ausschluss der Öffentlichkeit (§§ 171b, 172 Nr. 4 GVG) doch aussagen werde (BGH NStZ 1999, 94 f.).
9
b) Anhaltspunkte für derartige Besonderheiten sind jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Zeuge mit der Berufung auf sein Aussageverweigerungsrecht zugleich über seinen Rechtsanwalt erklären ließ, er sei mit der Verwertbarkeit seiner früheren nichtrichterlichen Vernehmung einverstanden. Eine derartige Erklärung ist grundsätzlich möglich (BGHSt 45, 203, 205 ff.; StV 2007, 401, 402 m.w.N.). Der Sache nach handelt es sich dabei um den Verzicht auf das sonst mit der Aussageverweigerung verbundene Verwertungsverbot gemäß § 252 StPO. Für die Abgabe einer solchen Erklärung gelten daher, soweit hier von Interesse, vergleichbare verfahrensrechtliche Regeln wie für die Berufung auf das Aussageverweigerungsrecht. Das bedeutet, dass sie nicht notwendig in der Hauptverhandlung abgegeben werden muss. Entscheidendist vielmehr, dass sie eindeutig ist und sich der Zeuge zur Überzeugung des Gerichts darüber klar ist, dass ohne seine Zustimmung die in Rede stehende nichtrichterliche Vernehmung nicht verwertet werden könnte. Erklärt ein, zumal anwaltlich vertretener, Zeuge etwa schriftlich oder durch seinen Rechtsanwalt im Zusammenhang mit der Berufung auf sein Aussageverweigerungsrecht, er sei mit der Verwertung seiner früheren, z.B. vor der Polizei gemachten Aussagen einverstanden, folgt hieraus in der Regel die Kenntnis des Zeugen, dass ohne seine Einverständniserklärung auf die früheren Aussagen nicht zurückgegriffen werden könnte (BGH StV 2007, 401, 402). Bleibt dagegen zweifelhaft, dass der Zeuge all dies erfasst hat, muss das Gericht sein Erscheinen in der Hauptverhandlung veranlassen. Der Zeuge ist dann gerichtlich, ebenso wie über sein Aussageverweigerungsrecht auch über die Rechtslage im Übrigen, insbesondere über das mit seiner Aussageverweigerung sonst notwendig verbundene Verwertungsverbot hinsichtlich der nichtrichterlichen Vernehmung zu belehren. All dies ist dann ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung und als solcher auch im Protokoll festzuhalten. Insoweit gilt nichts anderes, als dann, wenn das Einverständnis des Zeugen mit der Verwertbarkeit seiner früheren nichtrichterlichen Vernehmung Ergebnis von Erörterungen in der Hauptverhandlung ist (vgl. BGHSt 45, 203, 208; BGH NStZ 2007, 352, 353).
10
c) Hier sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der anwaltlich beratene Zeuge keine Kenntnis über die Auswirkung seines Zeugnisverweigerungsrechts gehabt hätte oder darüber, dass die Verwertung der sonst unverwertbaren polizeilichen Vernehmung erst durch seine Einverständniserklärung ermöglicht wurde. Mit seiner über seinen Beistand mitgeteilten Zustimmung konnte das Gericht daher durch Vernehmung des Vernehmungsbeamten über die Angaben des Zeugen bei der Polizei Beweis erheben. Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit Graf

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.