Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2015 - 3 ARs 20/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- 1. Der 2. Strafsenat hat über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden , der wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision u.a., das Landgericht habe seine Überzeugung vom Tathergang maßgeblich auch auf Angaben der Tochter des Angeklagten gestützt, die diese bei einer richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren gemacht hatte, ohne zuvor darüber belehrt worden zu sein, dass bei späterer Zeugnisverweigerung ihre zuvor beim Ermittlungsrichter gemachten Angaben verwertet werden können. Dies müsse zu einem Verwertungsverbot führen, nachdem die Zeugin in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe und mit der Verwertung der früheren Aussage nicht einverstanden gewesen sei.
- 2
- Der 2. Strafsenat hält die Rüge für erfolgversprechend und beabsichtigt unter Aufgabe eigener, entgegenstehender Rechtsprechung zu entscheiden:
- 3
- "Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist nur dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht , sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat."
- 4
- Er fragt bei den übrigen Strafsenaten an, ob diese an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.
- 5
- 2. Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht Rechtsprechung des 3. Strafsenats nicht entgegen; denn der 3. Strafsenat ist bisher nicht mit einer Rüge befasst gewesen, mit der ein Verstoß gegen § 252 StPO geltend gemacht und dabei beanstandet worden ist, die Vernehmung der richterlichen Verhörsperson und die Verwertung ihrer Aussage seien unzulässig gewesen , weil es an einer "qualifizierten" Belehrung mit dem vom 2. Strafsenat nunmehr für notwendig erachteten Inhalt gefehlt habe.
- 6
- Der Senat neigt allerdings in der Sache dazu, an der bisherigen Rechtsprechung , wie sie mittlerweile seit mehreren Jahrzehnten praktiziert wird, festzuhalten , wonach es - soweit hier von Bedeutung - genügt, wenn die richterliche Verhörsperson den Zeugen über dessen Zeugnisverweigerungsrecht ordnungsgemäß belehrt hat. Eine darüber hinausgehende Belehrung, wie sie vom 2. Strafsenat jetzt für geboten gehalten wird, ist weder mit Blick auf den Inhalt der Strafprozessordnung noch vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der Thematik erforderlich. Insbesondere wird die vom 2. Strafsenat betonte besondere Konfliktsituation des zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen durch die bisherige Rechtspraxis ausdrücklich berücksichtigt; ihr wird durch das Erfordernis der gesetzlich vorgesehenen Belehrung nach § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO aus- reichend Rechnung getragen. Einer weitergehenden, über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden Belehrung bedarf es deshalb nicht.
Mayer Spaniol
Annotations
Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt
- 1.
der Verlobte des Beschuldigten; - 2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.
(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.
(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.