Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2015 - 1 StR 56/15

bei uns veröffentlicht am14.10.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 56/15
vom
14. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2015 gemäß
§ 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 14. August 2014 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Die Revision des Angeklagten richtet sich gegen das freisprechende Urteil des Landgerichts Regenburg vom 14. August 2014, durch dessen Entscheidungsgründe sich der Angeklagte beschwert sieht.
2
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unzulässig.

I.


3
Das Landgericht Regensburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 14. August 2014 freigesprochen und ihm für näher bezeichnete Zeiträume der Unterbringung eine Entschädigung zugesprochen.
4
1. Der Angeklagte war zunächst durch Urteil des Landgerichts NürnbergFürth vom 8. August 2006 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht und von den angeklagten Tatvorwürfen zum Teil aus rechtlichen und zum Teil aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden. Das Landgericht NürnbergFürth hatte die Vorwürfe der gefährlichen Körperverletzung am 12. August 2001, der Körperverletzung mit Freiheitsberaubung am 31. Mai 2002 und der Sachbeschädigung in acht Fällen im Zeitraum zwischen dem 31. Dezember 2004 und dem 1. Februar 2005 in tatsächlicher Hinsicht für erwiesen erachtet, die Schuldfähigkeit des Angeklagten dabei jedoch für nicht ausschließbar aufgehoben gehalten. Von dem weiteren Vorwurf des Diebstahls am 23. November 2002 hatte sich das Landgericht Nürnberg-Fürth in tatsächlicher Hinsicht nicht zu überzeugen vermocht. Sachverständig beraten war das Landgericht Nürnberg -Fürth ferner zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte werde auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen und sei daher für die Allgemeinheit gefährlich. Es hatte deshalb seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet.
5
Die Revision des Angeklagten gegen die Anordnung dieser Maßregel hat der Senat mit Beschluss vom 13. Februar 2007 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
6
Die Anträge des Angeklagten wie auch der Staatsanwaltschaft Regensburg , die Wiederaufnahme des Verfahrens zuzulassen und die Erneuerung der Hauptverhandlung anzuordnen, hat das Landgericht Regensburg mit Beschluss vom 24. Juli 2013 als unzulässig verworfen. Auf die sofortigen Beschwerden der beiden Antragsteller hat das Oberlandesgericht Nürnberg die Wiederaufnahme des Verfahrens mit Beschluss vom 6. August 2013 zugelassen, die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Regensburg zurückverwiesen. Die erneute Hauptverhandlung ist dabei auf die beiden Vorwürfe der Körperverletzung sowie die Vorwürfe der Sachbeschädigung beschränkt worden; der Freispruch vom Vorwurf des Diebstahls ist rechtskräftig verblieben.
7
2. Das Landgericht Regensburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 14. August 2014 freigesprochen, ohne eine Maßregel anzuordnen. Die Vorwürfe der Körperverletzung mit Freiheitsberaubung vom 31. Mai 2002 sowie der Sachbeschädigung in den Jahren 2004 und 2005 hat es nach der Beweiswürdigung als nicht erwiesen angesehen und den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Im Hinblick auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung vom 12. August 2001 ist das Landgericht Regensburg zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe den gesetzlichen Tatbestand vorsätzlich und rechtswidrig erfüllt, habe im Tatzeitpunkt aber nicht ausschließbar ohne Schuld im Sinne des § 20 StGB gehandelt. Der Freispruch des Angeklagten von diesem Vorwurf fußt auf diesen rechtlichen Erwägungen.
8
3. Der Angeklagte beanstandet nunmehr mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Revision seine Freisprechung, soweit diese (nur) aus Rechtsgründen erfolgt ist; die für die Zulässigkeit seines Rechtsmittels erforderliche Be- schwer leitet er aus den vom Landgericht Regensburg zum objektiven Tatgeschehen getroffenen Feststellungen ab.

II.


9
Die Revision des Angeklagten ist unzulässig und war daher gemäß § 349 Abs. 1 StPO zu verwerfen.
10
Die Freisprechung wegen nicht erwiesener Schuldfähigkeit im Sinne von § 20 StGB beschwert den Angeklagten nicht. Sie kann deshalb von ihm nicht mit der Revision angefochten werden.
11
1. Ein Angeklagter kann eine Entscheidung nur dann zulässig anfechten, wenn er durch sie beschwert ist. Dies bedeutet, dass die Urteilsformel einen unmittelbaren Nachteil für den „Beschwerten“ enthalten muss, der seine Rechte und geschützten Interessen unmittelbar beeinträchtigt. Es genügt nicht, wenn ihn nur der Inhalt der Urteilsgründe in irgendeiner Weise belastet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1955 – 5 StR 499/54, BGHSt 7, 153 ff. [Freisprechung aus sachlichen Gründen]; Urteil vom 26. März 1959 – 2 StR 566/58, BGHSt 13, 75, 76 f. [Einstellung wegen Verjährung]; Beschluss vom 24. November 1961 – 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374, 376 ff.; Urteil vom 4. Mai 1970 – AnwSt (R) 6/69, BGHSt 23, 257, 259 [Verurteilung vor dem Ehrengericht ]; Urteil vom 21. März 1979 – 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 330 f. [Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB]; Beschluss vom 18. August 2015 – 3 StR 304/15 [Nichtanordnung der Maßregel nach § 63 StGB]; KG, Beschluss vom 11. Juli 2014 – 2 Ws 252/14141 AR 316/14; OLG München NJW 1981, 2208; zuvor bereits RGSt 4, 355, 359).
12
a) Bei dem Erfordernis der Tenorbeschwer handelt es sich um ein richterrechtlich entwickeltes Rechtsmittelerfordernis, hinter dessen historischer Entstehung der Gedanke vom staatlichen Strafanspruch steht. Die Aufgabe eines Strafverfahrens liegt in der justizförmigen Prüfung, ob gegen den Angeklagten ein staatlicher Strafanspruch besteht (vgl. BVerfGE 80, 244, 255; 95, 96, 140; BGH, Beschluss vom 24. November 1961 – 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374, 378; und vom 18. März 2015 – 2 StR 656/13, Rn. 13, NJW-Spezial 2015, 569 f.). Kann keine strafbare Tat festgestellt werden und kommt keine Maßregel der Besserung und Sicherung in Betracht, so ist damit die Aufgabe der Strafrechtspflege im einzelnen Strafverfahren grundsätzlich erfüllt. Dem Angeklagten mag im Einzelfall zwar daran liegen, aus einem bestimmten Grund – etwa wegen erwiesener Unschuld – freigesprochen zu werden. Insoweit stehen seinem Verlangen aber die Interessen der staatlichen Rechtspflege entgegen, der die Feststellung genügt, dass gegen den Angeklagten kein Strafanspruch besteht und keine Maßregel in Betracht kommt. So wird etwa auch bei nicht hinreichendem Tatverdacht gegen den Angeschuldigten das Hauptverfahren nicht eröffnet (§ 203 StPO), selbst wenn dieser das Interesse haben sollte, sich öffentlich von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu reinigen. Die allgemeine Aufgabe der Strafrechtspflege zwingt aus prozesswirtschaftlichen Gründen zur Beschränkung im einzelnen Strafverfahren, insbesondere um eine uferlose Ausweitung der Beweisaufnahme zu vermeiden. Hat der Angeklagte daher keinen Anspruch darauf, aus einem bestimmten Grund freigesprochen zu werden, so kann ihm auch nicht das Recht zustehen, einen solchen Anspruch durch ein Rechtsmittel geltend zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 1961 – 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374, 380). Etwaige durch die Entscheidungsgründe des Tatgerichts verursachte Folgen tatsächlicher Art würden durch ein Rechtsmittel ohnehin nicht rückgängig gemacht werden können (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 18. August 2015 – 3 StR 304/15).
13
Eine Beschwer kann sich deshalb für den Angeklagten nur aus der Entscheidungsformel des Urteils ergeben. Ein ihm günstigeres Ergebnis als die Freisprechung kann der Angeklagte nicht erzielen. Sonstige Rechts- und Interessenverletzungen durch die Gründe der Entscheidung, die nur die „Unterla- gen des Urteils“ bilden (vgl. RGSt 4, 355, 359), sind der Überprüfung durch ein Rechtsmittelgericht demgegenüber entzogen. Auch mittelbare Folgen des Verfahrens , etwa der gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 BZRG zwingende Registereintrag oder Verwaltungsangelegenheiten, begründen keine Beschwer, die zur Zulässigkeit der Revision führt. Dem hat sich das Schrifttum überwiegend angeschlossen (vgl. Cirener in: Graf, StPO, 2. Aufl., § 296 Rn. 8; Hannich in: Karlsruher Kommentar, 7. Aufl., vor § 296 Rn. 5a; Jesse in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., vor § 296 Rn. 57; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., vor § 296 Rn. 11 und 13; Krack, Die Rehabilitierung des Beschuldigten im Strafverfahren, S. 186 ff. und S. 194 ff.; Radtke in: FS für Roxin, Bd. 2, S. 1419, 1427 ff.).
14
Auf den Fall der Freisprechung wegen Schuldunfähigkeit hat der Bundesgerichtshof diese Grundsätze in der Vergangenheit bereits angewendet und dem Angeklagten die Rechtsmittelbefugnis mangels Beschwer verwehrt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 1961 – 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374, 376 ff.). Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
15
b) Nach Maßgabe dessen ist der Angeklagte durch das freisprechende Urteil der Strafkammer nicht beschwert. Eine Beschwer ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Strafkammer in tatsächlicher Hinsicht für den Angeklagten nachteilige Feststellungen zu dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung am 12. August 2001 getroffen und die Freisprechung in Anwendung des Zweifelssatzes auf die Schuldunfähigkeit des Angeklagten im Sinne von § 20 StGB gestützt hat.
16
aa) Erfolgt ein Freispruch aus rechtlichen Gründen, sind Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen in den Urteilsgründen aus Rechtsgründen erforderlich und geboten. Dies gilt mit Blick auf die für den Angeklagten und die Staatsanwaltschaft gleichermaßen bestehende Rechtsmittelbefugnis in besonderem Maße in Konstellationen wie der vorliegenden, wenn der Freispruch wegen fehlender Schuldfähigkeit erfolgt. Denn Schuld im Sinne von § 20 StGB bedeutet Vorwerfbarkeit und ist ein Rechtsbegriff, keine empirisch-medizinische Diagnose. Für deren Vorliegen kommt es auf den Zustand des Angeklagten bei Begehung der Tat (§ 8 StGB) an; sein Zustand ist genau für diesen Zeitpunkt festzustellen und zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 77; und vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45,

53).


17
So setzt die rechtsfehlerfreie Anwendung des auch für die Frage der (vollen ) Schuldfähigkeit geltenden Zweifelssatzes die umfassende Prüfung des Vorliegens und der Schwere eines festgestellten Eingangsmerkmals des § 20 StGB voraus. Hat ein Sachverständiger eine schwere Abartigkeit weder bejaht noch ausgeschlossen, liegt ein Rechtsfehler vor, wenn der Tatrichter “deshalb” “zu- gunsten” des Angeklagten ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchti- gung dessen Hemmungsvermögens ausgeht. Die Urteilsgründe müssen sich vielmehr dazu verhalten, in welchem Ausmaß sich das Eingangsmerkmal beim Tatentschluss oder der Tatausführung ausgewirkt hat. Etwa das Gewicht der Tat und die dadurch beeinflusste Höhe der von ihr ausgehenden Hemmschwelle können dabei für die Beurteilung Bedeutung gewinnen. Sie müssen deshalb festgestellt und in den Urteilsgründen in für das Revisionsgericht nachprüfbarer Weise dargelegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1960 – 2 StR 640/59, BGHSt 14, 114, 116; vom 21. September 1982 – 1 StR 489/82, NJW 1983, 350; und vom 6. Mai 1997 – 1 StR 17/97, NStZ 1997, 485, 486; Beschluss vom 28. Oktober 2009 – 2 StR 383/09, NStZ-RR 2010, 73, 74).
18
Auch der allgemein anerkannte Grundsatz, dass die Schuldfähigkeit regelmäßig nur in Beziehung auf einen bestimmten Straftatbestand, nicht aber unabhängig von diesem beurteilt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1960 – 2 StR 640/59, BGHSt 14, 114, 116; und vom 21. September 1982 – 1 StR489/82, NJW 1983, 350), erfordert Feststellungen zum Tatgeschehen im Urteil. Vor allem die Frage der Hemmungsfähigkeit lässt sich bei den verschiedenartigen Straftaten nur selten einheitlich beantworten. So kann ein Betrunkener , der seinen Geschlechtstrieb nicht mehr zu beherrschen vermag und deshalb im Rausch den Versuch einer Sexualstraftat begeht, möglicherweise sehr wohl noch fähig sein, Hemmungen gegenüber einem Raubmotiv einzuschalten ; wer sich infolge seines Rausches schuldlos zu einer Beleidigung hinreißen lässt, kann für eine gefährliche Körperverletzung noch verantwortlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1960 – 2 StR 640/59, BGHSt 14, 114, 116).
19
Soweit entsprechende Feststellungen für den freigesprochenen Angeklagten ungünstig sind und ihn in tatsächlicher Hinsicht beschweren, hat der Gesetzgeber dies grundsätzlich als Folge des justizförmigen Strafverfahrens hingenommen.
20
bb) Diesen Erwägungen hat das Landgericht in dem angegriffenen Urteil Rechnung getragen. Es hat in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, von welchem Tatablauf es im Hinblick auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung am 12. August 2001 ausgegangen ist. Dabei hat das Landgericht die Feststellungen auf das aus Rechtsgründen Erforderliche beschränkt. Es hat seine Darstellung des Tatgeschehens und der Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin sachlich gehalten und sich weitgehend auf die Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen beschränkt. Diese Feststellun- gen bilden die von Gesetzes wegen notwendige „Unterlage“ (vgl.RGSt 4, 355, 359 f.) der Entscheidungsformel. Sie vermittelt dem Angeklagten keine Rechtsmittelbefugnis.
21
2. Aus verfassungsrechtlichen Vorgaben, die in extrem gelagerten Ausnahmefällen zu einer Durchbrechung dieser Grundsätze führen können, ergibt sich vorliegend nichts anderes. Das Bundesverfassungsgericht hält den einfachrechtlichen Grundsatz der Tenorbeschwer nicht nur in ständiger Rechtsprechung für verfassungsgemäß, sondern hat diesen auf die Prüfung der Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden sogar jedenfalls grundsätzlich übertragen (vgl. BVerfGE 28, 151, 160 f.; BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 2012 – 2 BvR 800/12, 2 BvR 12 BvR 1003/12 (3. Kammer des 2. Senats), Rn. 8 mwN, juris).
22
a) Die Gestaltung des strafprozessualen Rechtsmittelverfahrens und die Auslegung der dafür geltenden Rechtsnormen (§§ 296 ff. StPO) ist originäre Anwendung des einfachen Rechts. Einen verfassungsrechtlich verbürgten An- spruch auf Rechtsmittelkontrolle durch eine übergeordnete Instanz schlechthin gibt es nicht (vgl. BVerfGE 4, 74, 94 f.; 6, 7, 12).
23
b) Indes kann in seltenen Ausnahmefällen auch ein freisprechendes Urteil durch die Art seiner Begründung Grundrechte verletzen (vgl. BVerfGE 6, 7, 9; 28, 151, 160). So kann in einzelnen Ausführungen der Entscheidungsgründe eine Grundrechtsverletzung dann erblickt werden, wenn sie – für sich genommen – den Angeklagten so schwer belasten, dass eine erhebliche, ihm nicht zumutbare Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Bereichs festzustellen ist, die durch den Freispruch nicht aufgewogen wird. Das ist nicht schon dann anzunehmen, wenn die Entscheidungsgründe einzelne, den Beschwerde- führer belastende oder für ihn „unbequeme“ Ausführungen enthalten (vgl. BVerfGE 28, 151, 161).
24
c) Unter Anwendung dieser Maßstäbe liegt ein Ausnahmefall, der zum Zwecke der Wahrung der verfassungsmäßig verbürgten Rechte des Angeklagten einfachrechtlich die Zulässigkeit seiner Revision zur Folge hat, nicht vor. Wie bereits dargelegt, beschränken sich die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen auf das gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO für die Überprüfung der Urteilsgründe auf Rechtsfehler erforderliche Maß. Aus welchen Feststellungen genau sich eine schlechthin unerträgliche Beschwer für den Angeklagten ergeben soll, legt auch die Revision nicht dar. Ihr Vortrag, das Urteil enthalte „seitenweise negative Aussagen über den Revisionsführer“ (RB S. 5) und setze diesen dem Vorwurf des „gefährlichen Gewaltverbrechers“ (RB S. 15)aus, belegen dies nicht. Für den Angeklagten schlicht unangenehme Aussagen reichen nicht aus. Auch aus der Medienwirksamkeit des Strafverfahrens kann sich eine Beschwer im genannten Sinne nicht ergeben, denn diese ist nicht Folge des Urteils und der Entscheidungsgründe selbst. Beeinträchtigungen des Angeklag- ten aufgrund öffentlicher Berichterstattung können im Falle seiner Verurteilung im Rahmen der Strafzumessung mildernd zu berücksichtigen sein, wenn der Druck der medialen Berichterstattung erheblich über das hinaus geht, was jeder Straftäter über sich ergehen lassen muss (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2007 – 1 StR 164/07, NStZ-RR 2008, 343, 344). Die damit einhergehende seelische Belastung eines Angeklagten kann unter Umständen das Maß des staatlichen Strafanspruchs beeinflussen, seine Rechtsmittelbefugnis bleibt davon indessen unberührt.
25
3. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gibt gleichfalls keinen Anlass, das Erfordernis der Tenorbeschwer für die Zulässigkeit der strafprozessualen Revision aufzugeben.
26
a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann die durch Art. 6 Abs. 2 MRK garantierte Unschuldsvermutung auch durch ein freisprechendes Urteil verletzt werden. Es soll dafür nicht nur auf den Tenor der freisprechenden Entscheidung, sondern auch auf die Urteilsbegründung ankommen. Ein Konventionsverstoß kann etwa zu bejahen sein, wenn das nationale Gericht im Fall des Freispruchs aus sachlichen Gründen durch die Urteilsgründe zum Ausdruck bringt, es sei von der Schuld des Angeklagten tatsächlich überzeugt (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Januar 2015 – 48144/09 – Cleve/Deutschland).
27
Bereits zuvor hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in ständiger Rechtsprechung eine Verletzung des Art. 6 Abs. 2 MRK bejaht, wenn eine Gerichtsentscheidung oder die Äußerung eines Amtsträgers nach seiner Bewertung zu erkennen gab, eine einer Straftat angeklagte Person sei schuldig, obwohl der gesetzliche Beweis ihrer Schuld noch nicht erbracht war. Dabei hat der Gerichtshof der konkreten Wortwahl der jeweils angegriffenen Entscheidung maßgebliche Bedeutung beigemessen und diese im Kontext mit der gegebenen Verfahrenslage gewürdigt (vgl. EGMR, Slg. 2000-X Nr. 39, 41 – Daktaras/ Litauen; EGMR, NJW 2004, 43 Nr. 54, 56 – Böhmer/Deutschland; EGMR, Urteil vom 27. Februar 2007 – 65559/01 Nr. 88 f. – Nešťák/Slowakei; EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2008 – 13470/02 Nr. 94 – Khuzhin u.a./Russland; EGMR, Urteil vom 2. Juni 2009 – 24528/02 Nr. 45 ff. – Borovský/Slowakei).
28
Die Garantie des Art. 6 Abs. 2 MRK hat der Gerichtshof dabei vornehmlich in Fällen für verletzt erachtet, in denen der Beschwerdeführer einer Straftat nur verdächtig war, ohne ihretwegen rechtskräftig verurteilt zu sein. Der Gerichtshof hat dabei abermals betont, die Wortwahl der Entscheidung sei im Zusammenhang mit den besonderen Umständen, unter denen die angegriffene Äußerung gemacht wurde, zu bewerten. So hat der Gerichtshof eine Verletzung des Art. 6 Abs. 2 MRK abgelehnt, soweit eine faktische Belastung des Beschwerdeführers für die justizförmige Durchführung des Verfahrens erforderlich oder dessen zwangsläufige Folge war (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Januar 2015 – 48144/09 – Cleve/Deutschland; Urteil vom 27. Februar 2014 – 17103/10 – Karaman/Deutschland, Rn. 63 mwN; Slg. 2013 Nr. 126 – Allen/Vereinigtes Königreich

).


29
b) Der im nationalen Recht geltende Grundsatz der Tenorbeschwer steht zu dieser Rechtsprechung nicht in Widerspruch; er fügt sich in seiner richterrechtlichen Ausprägung sogar in diese ein.
30
aa) Ein Anspruch des Betroffenen auf einen Instanzenzug im Strafverfahren schlechthin lässt sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht ableiten. Art. 6 MRK garantiert bereits nicht das Recht auf ein bestimmtes Ergebnis eines Strafverfahrens, etwa nicht auf Verurteilung oder Freispruch wegen einer angeklagten Straftat (vgl. EGMR, Urteil vom 26. August 2003 – 59493/00 – Withey/Vereinigtes Königreich; Urteil vom 3. Dezember 2009 − 8917/05 − Kart/Türkei, NJOZ 2011, 619, 621). Die Bereitstellung und Ausgestaltung des Instanzenzugs ist vielmehr der Regelung durch den nationalen Gesetzgeber unter Wahrung der von der Konvention vorgesehenen Verfahrensgarantien vorbehalten.
31
bb) Aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 15. Januar 2015 (Nr. 48144/09 – Cleve/Deutschland) lässt sich für die hier vorliegende Konstellation nichts Gegenteiliges ableiten.
32
(1.) Dies gilt zum einen deshalb, weil der Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht andere Umstände zugrunde lagen. Der dem Gerichtshof vorgelegte Sachverhalt war dadurch gekennzeichnet, dass sich das erkennende nationale Gericht nach Abschluss der Beweisaufnahme keine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten verschafft und diesen aus sachlichen Gründen freigesprochen hatte. Die schriftlichen Urteilsgründe standen hierzu aber in Diskrepanz , denn sie enthielten Äußerungen, aus denen hervorging, der Angeklagte habe die ihm vorgeworfenen Handlungen tatsächlich begangen, lediglich fehle wegen einer unzureichenden Zeugenaussage die hinreichende Gewissheit hinsichtlich eines bestimmten, für die Verurteilung erforderlichen Tathergangs (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Januar 2015 – 48144/09 – Cleve/Deutschland, Nr. 57 f.).
33
So liegt es hier nicht. Das Landgericht hat den Angeklagten vorliegend nicht aus sachlichen, sondern aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Die Überzeugung von einem bestimmten äußeren Ablauf der angeklagten Tat hat sich das Landgericht verschafft; Zweifel verblieben (nur) an der Schuldfähigkeit des Angeklagten. Eine der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 15. Januar 2015 vergleichbare Divergenz zwischen dem Tenor und den Gründen des Urteils besteht deshalb nicht. Wie oben ausgeführt war das Landgericht zur rechtsfehlerfreien Anwendung des § 20 StGB sogar gehalten, den für erwiesen erachteten Tatablauf und den Zustand des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt im Urteil darzulegen.
34
(2.) Darüber hinaus ist die Entscheidung des Gerichtshofs vom 15. Januar 2015 im Kontext mit seiner seit langem gefestigten Rechtsprechung in den Blick zu nehmen, wonach es für die Verletzung der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK entscheidend auf Wortwahl und Formulierung der Urteilsgründe unter Betrachtung der konkreten Verfahrenssituation ankommt. Hieran hat der Gerichtshof unverändert angeknüpft und der Wortwahl der gerichtlichen Äußerungen das maßgebliche Gewicht beigemessen (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Januar 2015 – 48144/09 – Cleve/Deutschland, Nr. 54 f.).
35
Nach Maßgabe dessen ist die Revision des Angeklagten hier nicht ausnahmsweise zulässig, denn eine übermäßige Beschwer liegt bei Gesamtwürdigung der getroffenen Formulierungen nach Freispruch aus rechtlichen Gründen nicht vor. An dieser Stelle fügt sich der Grundsatz der Tenorbeschwer in die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte überdies zwanglos ein, denn eine Ausnahme von der Formalbeschwer für extrem gelagerte Fälle, in denen sich die Belastung des Angeklagten aus Begleitumständen, etwa der Wortwahl des Tatgerichts, ergibt, sieht bereits die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit jeher vor (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1955 – 5 StR499/54, BGHSt 7, 153 ff.; Beschluss vom 24. November 1961 – 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374; vgl. BGHSt 13, 75, 77; 16, 374; 23, 257, 259; 28, 327, 330; Beschluss vom 18. August 2015 – 3 StR 304/15).
36
c) Im Übrigen hat auch das Bundesverfassungsgericht nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 15. Januar 2015 am Erfordernis der Tenorbeschwer nach verfassungsrechtlichen Maßstäben festgehalten (vgl. BVerfG, NZA 2015, 1117, 1119 mwN).
37
4. All dies unbeschadet wäre die Revision des Angeklagten auch unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die Beweiswürdigung lässt angesichts des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs des Revisionsgerichts Rechtsfehler nicht erkennen. Graf Cirener Radtke RiBGH Prof. Dr. Mosbacher Fischer ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Graf

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2015 - 1 StR 56/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2015 - 1 StR 56/15

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2015 - 1 StR 56/15 zitiert 9 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 203 Eröffnungsbeschluss


Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

Strafgesetzbuch - StGB | § 8 Zeit der Tat


Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend.

Bundeszentralregistergesetz - BZRG | § 11 Schuldunfähigkeit


(1) In das Register sind einzutragen 1. gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen einer Strafverfolgungsbehörde, durch die ein Strafverfahren wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit oder auf psychischer Krankheit beruhender

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2015 - 1 StR 56/15 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2015 - 1 StR 56/15 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Nov. 2007 - 1 StR 164/07

bei uns veröffentlicht am 07.11.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 164/07 vom 7. November 2007 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzender

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Jan. 2004 - 1 StR 346/03

bei uns veröffentlicht am 21.01.2004

Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung ja StGB § 20, § 21 Zur Beurteilung des Schweregrads einer anderen seelischen Abartigkeit (hier „dissoziale und schizoide Persönlichkeitsstörung“) und der Erheblichkeit der Einschränkung der St

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. März 2015 - 2 StR 656/13

bei uns veröffentlicht am 18.03.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 S t R 6 5 6 / 1 3 vom 18. März 2015 in der Strafsache gegen wegen Mordes Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. März 2015 beschlossen: Dem Großen Senat für Strafsachen wird gemäß § 132 Abs. 2 GVG folgen

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Aug. 2015 - 3 StR 304/15

bei uns veröffentlicht am 18.08.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR304/15 vom 18. August 2015 in dem Sicherungsverfahren gegen Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. August 2015 gemäß § 349 Abs.
7 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2015 - 1 StR 56/15.

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2020 - 4 StR 608/19

bei uns veröffentlicht am 28.01.2020

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 608/19 vom 28. Januar 2020 in der Strafsache gegen wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung u.a. ECLI:DE:BGH:2020:280120B4STR608.19.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesa

Bundesgerichtshof Urteil, 27. März 2019 - 2 StR 382/18

bei uns veröffentlicht am 27.03.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 382/18 vom 27. März 2019 in der Strafsache gegen wegen Totschlags u.a. ECLI:DE:BGH:2019:270319U2STR382.18.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. März 2019, an der

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Aug. 2018 - 3 StR 149/18

bei uns veröffentlicht am 23.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 149/18 vom 23. August 2018 in der Strafsache gegen wegen Kriegsverbrechens gegen humanitäre Operationen u.a. ECLI:DE:BGH:2018:230818U3STR149.18.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juni 2017 - 2 StR 57/17

bei uns veröffentlicht am 01.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 57/17 vom 1. Juni 2017 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2017:010617B2STR57.17.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1. Juni

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR304/15
vom
18. August 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. August 2015 gemäß
§ 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 15. April 2015 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Zwar lägen sämtliche Voraussetzungen des § 63 StGB vor; dennoch sei die Unterbringung nicht erforderlich, da deren Anordnung für die Ausgestaltung des Vollzuges oder die Entscheidung über die Fortdauer des seit 2004 aufgrund eines Urteils desselben Gerichts andauernden Maßregelvollzuges nach § 63 StGB ohne Relevanz sei.
2
Die gegen diese Entscheidung erhobene, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Beschuldigten ist unzulässig. Dieser ist durch das Urteil nicht beschwert. Nach ständiger Rechtsprechung muss sich die unmittelbare Beeinträchtigung der Rechte des Rechtsmittelführers - etwas anderes gilt nur für die Staatsanwaltschaft - aus dem Tenor selbst und nicht nur aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. schon BGH, Urteil vom 18. Januar 1955 - 5 StR 499/54, BGHSt 7, 153). Dies ist schon deshalb zutreffend , da belastende Begründungen mangels Verbindlichkeit regelmäßig rein faktisch wirken und diese Wirkung durch das Rechtsmittel nicht rückgängig gemacht werden kann. Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn die Gründe ausnahmsweise doch Rechtswirkungen entfalten, muss der Senat nicht entscheiden (vgl. zu alledem SK-StPO/Frisch, 4. Aufl., Vor §§ 296 ff. Rn. 157 ff.). Denn eine solche, insbesondere registerrechtlich in Betracht kommende Wirkung hat das angefochtene Urteil nicht. Die Ablehnung des im Sicherungsverfahren gestellten Antrags der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BZRG nur dann einzutragen, wenn diese darauf gestützt wird, dass von dem Beschuldigten erhebliche rechtswidrige Taten nicht zu erwarten seien oder dass er für die Allgemeinheit nicht gefährlich sei. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Becker Pfister Schäfer
Mayer Spaniol

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

13
a) Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf (BVerfGE 80, 244, 255; 95, 96, 140), zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen. Zentrales Anliegen ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt (BVerfGE 122, 248, 270 mwN).

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR304/15
vom
18. August 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. August 2015 gemäß
§ 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 15. April 2015 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Zwar lägen sämtliche Voraussetzungen des § 63 StGB vor; dennoch sei die Unterbringung nicht erforderlich, da deren Anordnung für die Ausgestaltung des Vollzuges oder die Entscheidung über die Fortdauer des seit 2004 aufgrund eines Urteils desselben Gerichts andauernden Maßregelvollzuges nach § 63 StGB ohne Relevanz sei.
2
Die gegen diese Entscheidung erhobene, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Beschuldigten ist unzulässig. Dieser ist durch das Urteil nicht beschwert. Nach ständiger Rechtsprechung muss sich die unmittelbare Beeinträchtigung der Rechte des Rechtsmittelführers - etwas anderes gilt nur für die Staatsanwaltschaft - aus dem Tenor selbst und nicht nur aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. schon BGH, Urteil vom 18. Januar 1955 - 5 StR 499/54, BGHSt 7, 153). Dies ist schon deshalb zutreffend , da belastende Begründungen mangels Verbindlichkeit regelmäßig rein faktisch wirken und diese Wirkung durch das Rechtsmittel nicht rückgängig gemacht werden kann. Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn die Gründe ausnahmsweise doch Rechtswirkungen entfalten, muss der Senat nicht entscheiden (vgl. zu alledem SK-StPO/Frisch, 4. Aufl., Vor §§ 296 ff. Rn. 157 ff.). Denn eine solche, insbesondere registerrechtlich in Betracht kommende Wirkung hat das angefochtene Urteil nicht. Die Ablehnung des im Sicherungsverfahren gestellten Antrags der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BZRG nur dann einzutragen, wenn diese darauf gestützt wird, dass von dem Beschuldigten erhebliche rechtswidrige Taten nicht zu erwarten seien oder dass er für die Allgemeinheit nicht gefährlich sei. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Becker Pfister Schäfer
Mayer Spaniol

(1) In das Register sind einzutragen

1.
gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen einer Strafverfolgungsbehörde, durch die ein Strafverfahren wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit oder auf psychischer Krankheit beruhender Verhandlungsunfähigkeit ohne Verurteilung abgeschlossen wird,
2.
gerichtliche Entscheidungen, durch die der Antrag der Staatsanwaltschaft, eine Maßregel der Besserung und Sicherung selbständig anzuordnen (§ 413 der Strafprozessordnung), mit der Begründung abgelehnt wird, dass von dem Beschuldigten erhebliche rechtswidrige Taten nicht zu erwarten seien oder dass er für die Allgemeinheit trotzdem nicht gefährlich sei,
sofern die Entscheidung oder Verfügung auf Grund eines medizinischen Sachverständigengutachtens in einem Strafverfahren ergangen ist und das Gutachten bei der Entscheidung nicht älter als fünf Jahre ist. Das Datum des Gutachtens ist einzutragen. Verfügungen der Staatsanwaltschaft werden eingetragen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen davon auszugehen ist, dass weitere Ermittlungen zur Erhebung der öffentlichen Klage führen würden. § 5 findet entsprechende Anwendung. Ferner ist einzutragen, ob es sich bei der Tat um ein Vergehen oder ein Verbrechen handelt.

(2) Die Registerbehörde unterrichtet die betroffene Person von der Eintragung.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn lediglich die fehlende Verantwortlichkeit eines Jugendlichen (§ 3 des Jugendgerichtsgesetzes) festgestellt wird oder nicht ausgeschlossen werden kann.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung ja
Zur Beurteilung des Schweregrads einer anderen seelischen Abartigkeit (hier
„dissoziale und schizoide Persönlichkeitsstörung“) und der Erheblichkeit der
Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat (Fortführung von BGHSt
37, 397).
BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03 – LG Stuttgart

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 346/03
vom
21. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubs u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Januar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 8. April 2003 wird verworfen. 2. Die Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Ausla- gen der Nebenklägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen räuberischen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hat keinen die Angeklagte belastenden Rechtsfehler ergeben.

II.

Die Beschwerdeführerin deckt mit ihrem Revisionsvorbringen auch im Strafausspruch keinen Rechtsfehler auf. Näherer Erörterung bedarf allerdings die Rüge, die Angeklagte leide unter einer schweren Persönlichkeitsstörung
und habe sowohl bei dem verfahrensgegenständlichen räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 als auch beim erpresserischen Menschenraub im Juli 2002 unter einem so starken Motivationsdruck gestanden, daß sie für beide Taten - anders als vom Landgericht angenommen - strafrechtlich nicht voll verantwortlich gewesen sei. 1. Die sachverständig beratene Strafkammer hat zur Persönlichkeitsentwicklung der Angeklagten und zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen :
a) Die Angeklagte, deren Eltern aus Kroatien stammen, wuchs in Deutschland gemeinsam mit einer Schwester auf. Sie hatte trotz durchschnittlicher Begabung bereits früh Probleme in der Grundschule. Nachdem sie die zweite Klasse wiederholen mußte, kam sie in die Sonderschule. Diese verließ sie im Jahre 1988 nach der 9. Klasse ohne Abschluß und besuchte danach ein Jahr eine Hauswirtschaftsschule. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten als wahr unterstellt, sie sei von ihrem Vater seit ihrem siebten Lebensjahr bis kurz vor ihrer Verhaftung immer wieder sexuell mißbraucht und regelmäßig geschlagen worden. Ab dem zehnten Lebensjahr unternahm sie mehrere Suizidversuche. Im Jugendalter wurde sie dreimal in stationäre psychiatrische Behandlung nach Kroatien gebracht, wurde allerdings nach wenigen Tagen wieder entlassen, ohne daß eine klare Diagnose gestellt werden konnte. Es wurden ihr Antidepressiva und regelmäßig ein Schmerzmittel verschrieben. Sie konsumierte außerdem seit dem 14. Lebensjahr in erheblichem Umfang Alkohol , ohne daß sich jedoch eine Suchtproblematik herausgebildet hätte. Gelegentlich konsumierte die Angeklagte auch Haschisch. Im Jahre 1991 heiratete die Angeklagte. Aus der Ehe gingen zwei Kinder im Alter von nunmehr elf und sechs Jahren hervor. Nach der Heirat arbeitete
sie halbtags als Textilverkäuferin; später übte sie verschiedene Tätigkeiten aus, zuletzt war sie in einem Fitneß-Studio tätig, wo sie rund 500 Euro im Monat verdiente. Etwa Mitte der neunziger Jahre spitzten sich ihre persönlichen Probleme zu. Sie praktizierte einen gehobenen Lebensstil, der nicht ihren bescheidenen finanziellen Verhältnissen entsprach, unter anderem mit häufigen Urlauben, teurer Kleidung für sich und ihre Kinder und häufigem Ausgehen mit Einladungen von Freunden. Diesen Lebensstil konnte sie nur durch zahlreiche Vermögensstraftaten finanzieren. Deshalb wurde sie am 24. Mai 1995 u. a. wegen Diebstahls in vier Fällen sowie wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in 104 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Strafe wurde 1999 erlassen. Am 23. Mai 2000 wurde sie wegen Betrugs in zehn Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung in neun Fällen und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde nochmals zur Bewährung ausgesetzt. Im Jahr 1999 lernte sie während eines Urlaubs in Tunesien einen Tunesier kennen, der Mitglied einer sektenartigen Bewegung war, in der sich die Angeklagte aufgehoben fühlte. Seit 2000 leben die Eheleute getrennt.
b) Der räuberische Diebstahl Im Oktober 2001 betrat die Angeklagte gegen Mittag ein Schreibwarengeschäft mit Lottoannahmestelle und ließ sich einschließen. Sie entnahm der Lottokasse Bargeld in Höhe von mindestens 1.200 DM und packte drei Plastiktüten mit rund 320 Schachteln Zigaretten ein. Als die Ladenbesitzerin nach der Pause das Geschäftslokal betrat, gab die Angeklagte vor, versehentlich eingeschlossen worden zu sein. Die Ladenbesitzerin wollte die Angeklagte einschließen und die Polizei benachrichtigen. Dies verhinderte die Angeklagte
mit einem kräftigen Stoß, bei der die Frau zu Boden ging. Sie forderte nach einem Faustschlag von ihr das Mobilteil des Telefons, das sie in die Tasche steckte. Dann flüchtete sie. Die Angeklagte konnte aufgrund von Fingerabdrükken ermittelt und am 12. März 2002 festgenommen werden. Nach einem über ihren Verteidiger abgegebenen Geständnis wurde sie am 26. März 2002 wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Angeklagte rechnete wegen dieser Tat mit einer erheblichen Freiheitsstrafe ohne Bewährung und befürchtete den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung aus einer früheren Verurteilung. Außerdem hatte sie Probleme mit ihrem Vater, der sich im Jahre 2001 von ihrer Mutter getrennt hatte und seitdem bei ihr der Wohnung wohnte. Die Probleme trieben einem Höhepunkt zu, als der Vater den Wunsch äußerte, mit ihrer Tochter ein Wochenende allein im Schwarzwald zu verbringen. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten angenommen, sie habe befürchtet, der Vater könne sich auch an ihrer Tochter vergehen. Um den Problemen zu entgehen, faßte die Angeklagte den Plan, Deutschland zu verlassen und in Tunesien eine neue Existenz aufzubauen. Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft feierte sie dort aufwendig die Verlobung mit dem Tunesier, obwohl sie noch verheiratet war. Sie versprach dem Verlobten, dem gegenüber sie sich als wohlhabend ausgab, daß sie im Juli 2002 mit ihren Kindern endgültig zu ihm nach Tunesien ziehen werde. Dabei werde sie einen großen Geldbetrag mitbringen, mit dem man dort gemeinsam ein Mietwagenunternehmen aufbauen könne.
c) Die Kindesentführung
Anfang Juli 2002 faßte die Angeklagte den Entschluß, sich die Mittel zur Durchführung ihrer Tunesien-Pläne durch eine Kindesentführung mit Lösegeldforderung zu beschaffen. Als Erpressungsopfer erschien ihr hierfür die als wohlhabend geltende Familie R. geeignet, die nach ihren Informationen in der Lage sein würde, einen größeren Geldbetrag auch kurzfristig besorgen zu können. Der Plan der Angeklagten ging dahin, die 7jährige Tochter J. auf dem Schulweg in ihre Gewalt zu bringen und für ihre Freilassung ein "Löse- ! " # %$ &' ( &' *)+ , - ' . 0/1& geld" von 250.000 dem Geld sofort nach Tunesien absetzen. Zur Vorbereitung der Tat observierte die Angeklagte ab Anfang Juli 2002 die Verhaltensgewohnheiten der Familie R. . Insbesondere erforschte sie durch zahlreiche Anrufe, bei denen sie sich nicht meldete, zu welchem Zeitpunkt sich die Mitglieder der Familie zu Hause aufhielten. Zur Durchführung der Tat, die zunächst für den 12. Juli 2002 geplant war, kaufte sie einen gebrauchten Pkw BMW der 7er-Klasse. Da sie das Fahrzeug mit nach Tunesien mitnehmen wollte, ließ sie das Fahrzeug mit Ausfuhrkennzeichen zu. Am gleichen Tag buchte sie unter ihrem eigenen Namen zwei Flugreisen für den 12. Juli 2002 von Stuttgart nach Tunesien. Als Passagiere gab sie ihren Sohn und eine Person namens E. an. Sie war auf unbekannte Weise in Besitz eines Personalausweises mit diesem Namen gelangt und wollte unter diesem Namen nach Tunesien reisen. Am 10. Juli 2002 suchte sie ihre Cousine und deren Ehemann auf und teilte diesen mit, sie habe die Absicht nach Tunesien auszuwandern. Beide erklärten sich bereit, das Fahrzeug nach Tunesien zu überführen und die Tochter der Angeklagten mitzunehmen. Am 12. Juli 2002 gab sich die Angeklagte gegenüber der Sekretärin der Schule, in der J. in die erste Klasse ging, als deren Mutter aus und forderte sie auf, das Kind nach Hause zu schicken. Da J. jedoch krankheits-
bedingt nicht in der Schule war, brach die Angeklagte den Entführungsversuch an diesem Tag ab. Sie stornierte den geplanten Flug nach Tunesien und buchte den Flug auf den nächsten Tag um, in der Hoffnung die Tat an diesem Tag durchzuführen. Der Entführungsversuch fand aus nicht feststellbaren Gründen jedoch nicht statt.
Am 15. Juli 2002 überlegte die Angeklagte, wie sie auf anderer Weise Jasmin in ihre Gewalt bringen könnte. Sie wurde dabei gesehen, wie sie gegen 8.00 Uhr morgens aus ihrem Fahrzeug das Wohnhaus der Eheleute R. beobachtete. Die Angeklagte entschloß sich schließlich, die Entführung am 18. Juli 2002 durchzuführen. Sie buchte am 16. Juli 2002 für dieselben Personen einen Flug nach Tunesien für den 19. Juli 2002. Der Flug sollte jedoch von München stattfinden, wo sie die Nacht verbringen wollte. Sie buchte für sich und ihre Tochter eine Übernachtung im Hotel K. . Nachdem die Angeklagte am 18. Juli 2002 mehrere Kontrollanrufe bei der Familie R. getätigt hatte, fuhr sie mit ihrem Fahrzeug, in dem sie eine geladene Schreckschußpistole und ein Elektroschockgerät mit sich führte, gegen 8.00 Uhr zu der Schule. Gegen 9.00 Uhr sprach sie auf dem Schulgelände zwei 8jährige Schüler an und bat sie, J. aus dem Klassenzimmer zu holen ; sie solle zu der Sekretärin ins Rektorat kommen. Die Schüler, die die Angeklagte als Mutter von J. ansahen, holten J. mit Zustimmung der Klassenlehrerin heraus und begleiteten sie in Richtung Rektorat. Die Angeklagte paßte die beiden Schüler und J. zwischen dem Klassenraum und dem Rektorat ab. Die arglosen Jungen ließen J. mit der Angeklagten al-
lein. Sie vergewisserte sich, ob es sich bei dem Kind um J. handele und schüchterte es mit dem mitgebrachten Elektroschockgerät ein, indem sie dieses am Hals des Mädchens auslöste. Als J. zu schreien begann, drohte ihr die Angeklagte, sie werde sie töten, wenn sie nicht ruhig sei. Das Kind verhielt sich ruhig, weigerte sich aber, mit der Angeklagten zu gehen. Die Angeklagte nahm es unter den Arm und trug es zu ihrem Fahrzeug. J. wehrte sich dagegen mit Strampeln und verlor dabei ihre Sandalen und ihre Brille. Die Angeklagte setzte J. zunächst auf den Beifahrersitz und drückte das Kind nach unten, um zu verhindern, daß es bei der Abfahrt gesehen wurde. Um J. weiterhin gefügig zu machen, löste die Angeklagte das Elektroschockgerät nochmals an ihrer Wange aus, wodurch es zu einer leichten Verbrennung kam. Gegen 9.50 Uhr rief die Angeklagte J. s Vater an und forderte ihn auf nach Hause zu kommen, weil J. nach Hause gegangen sei. Er begab sich sofort nach Hause. Dort rief die Angeklagte den Vater erneut an und teilte ihm mit, daß sie J. in ihrer Gewalt habe. Er solle ruhig sein und keine Polizei rufen. Für den Fall, daß er sich nicht an ihre Anweisungen halte, drohte die Angeklagte, es würde für seine Tochter auf dem Markt einen guten Preis geben. Der Vater sollte die Befürchtung haben, sie wolle J. an einen Mädchenhändler verkaufen. Der Vater fuhr danach sofort in die Schule, wo inzwischen die Schuhe und die Brille des Kindes gefunden waren. Die Angeklagte fuhr mit dem Wagen ziellos im Raum L. herum. Da das Kind verängstigt und verzweifelt jammerte, verbrachte sie es spätestens gegen 11.00 Uhr in den Kofferraum des Fahrzeugs, wo es bis zu seiner Befreiung bis gegen 16.00 Uhr verblieb. Gegen 11.50 Uhr rief die Angeklagte den Vater J. s an und forderte ihn auf, binnen einer Stunde 250.000 243 die Freilassung seiner Tochter bereitzustellen. Nachdem der Vater einwandte, er benötige für die Beschaffung des Geldes Zeit bis 16.00 Uhr, erklärte sie sich
bereit, abzuwarten. In der Folgezeit rief sie mehrfach beim Vater an, um sich nach dem Stand der Vorbereitungen für die Geldübergabe zu erkundigen. Um 14.25 Uhr sprach die Angeklagte am Bahnhof in L. einen Taxifahrer an und forderte ihn auf, zum Haus der Familie R. zu fahren, dort ein Päckchen abzuholen und zu ihr zu bringen. Sie einigte sich mit dem Taxifahrer auf 50 Euro für die Fahrt. Um 14.40 Uhr teilte die Angeklagte dem Vater von J. mit, daß sie einen Boten schicken werde, der das Geld abholen werde. Um 14.50 Uhr rief sie den Vater erneut an und erklärte, er werde seine Tochter nicht wiedersehen, da er die Polizei eingeschaltet habe. In Absprache mit der inzwischen eingeschalteten Polizei gab der Vater gegenüber dem Taxifahrer an, daß das Paket noch nicht da sei, er möge noch etwas warten. Der Vater erfuhr dabei, daß der Taxifahrer das Paket zum Bahnhof nach L. bringen solle. Daraufhin begann die Polizei mit der Observation des Bahnhofsgebietes in L. . Dort entdeckte die Polizei die Angeklagte gegen 15.19 Uhr in ihrem Fahrzeug; bis zu ihrer Festnahme um 15.48 Uhr wurde sie lückenlos observiert. J. wurde im Kofferraum des Fahrzeugs in einem zwar erschöpften, jedoch insgesamt zufriedenstellenden Zustand aufgefunden.
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Angeklagten verneint und sie für beide Taten für strafrechtlich voll verantwortlich gehalten. Die Kammer ist dem psychiatrischen Sachverständigen darin gefolgt, die Angeklagte leide an einer schweren gemischten Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und schizoiden Anteilen, die weitgehend auf einem hochproblema-
tischen Verhältnis zum Vater beruhe. Dazu ist in den Urteilsgründen näher ausgeführt, die Störung äußere sich in einer unausgeglichenen Affektivität mit autoaggressiven Zügen, einer gestörten Beziehungsfähigkeit und einer Neigung , insbesondere problematische Dinge von sich abzuspalten. Die Persönlichkeitsstörung , die auch durch sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei deshalb so erheblich, daß Symptome vorlägen, die rechtlich als "schwere andere seelische Abartigkeit" im Sinne des § 20 StGB eingeordnet würden. Die Strafkammer ist den Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit gefolgt, als keine Anhaltspunkte dafür bestünden, daß sich die Persönlichkeitsstörung bei der konkreten Tat auf ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt habe. Die Angeklagte sei in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Angesichts der hohen Komplexität der Tatabläufe , insbesondere der umfänglichen Tatplanung und der Vorbereitungshandlungen , sowie der Tatsache, daß die Angeklagte längerfristige, zukunftsgerichtete Pläne verfolgt habe, lägen keine Hinweise dafür vor, daß sie ihr Verhalten nicht habe steuern können. Dagegen hat die die Revision eingewendet, die Beurteilung der Schuldfähigkeit sei in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer habe bezüglich des ersten Tatvorwurfs, dem räuberischen Diebstahl, die Frage der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit überhaupt nicht geprüft. Hinsichtlich der Kindesentführung habe sie sich zwar mit der Problematik auseinandergesetzt , jedoch schon verkannt, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes die Annahme einer schweren seelischen Abartigkeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit zumindest nahe lege. Ein überlegtes, geplantes, logisches und zielgerichtetes Handeln schließe eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit nicht aus, da auch "bei geplantem und geordnetem Vorgehen" die Fähigkeit erheblich eingeschränkt sein könne,
Anreize zu einem bestimmten Verhalten und Hemmungsvorstellungen gegen- einander abzuwägen und danach den Willensentschluß zu bilden. Deshalb habe die Kammer in erster Linie prüfen müssen, ob die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung in der fraglichen Zeit einem zur Tat führenden starken Motivationsdruck ausgesetzt gewesen sei, wie er sonst in vergleichbaren Situationen bei anderen Straftätern nicht vorhanden sei, und ob dadurch ihre Fähigkeit , sich normgerecht zu verhalten, deutlich vermindert gewesen sei. Die Kammer sei zwar davon ausgegangen, daß die schwere Persönlichkeitsstörung möglicherweise auf dem hochproblematischen Verhältnis zum Vater beruhe , habe jedoch außer acht gelassen, daß die Angeklagte mit ihrer Tochter und ihrem Sohn Deutschland verlassen und nach Tunesien auswandern wollte, „weil ihr Vater - der bereits sie über Jahre sexuell mißbraucht und geschlagen hatte - den Wunsch äußerte, mit der Tochter der Angeklagten ein Wochenende allein im Schwarzwald verbringen zu wollen und die Angeklagte befürchtete, daß ihr Vater sich auch an ihrer Tochter vergehen würde“ (UA S. 5, 20). 3. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer die Angeklagte trotz der angenommenen Persönlichkeitsstörung für beide Taten als strafrechtlich voll verantwortlich angesehen hat.
a) Persönlichkeitsstörung als andere seelische Abartigkeit
aa) Ersichtlich ist der Sachverständige bei der Beurteilung der persönlichen Entwicklung der Angeklagten und ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach den Kriterien der in der forensischen Psychiatrie gebräuchlichen diagnostischen und statistischen Klassifikationssysteme vorgegangen (ICD-10 Kapitel V (F), Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Dil-
ling/Mombour/Schmidt [Hrsg.], 4. Aufl.; DSM-IV, Diagnostisches und Statisti- sches Manual Psychischer Störungen 2. Aufl., Saß/Wittchen/Zaudig [Hrsg.].).
bb) Bei der in ICD-10 F 60.0 (DSM-IV 301.0) genannten Störungsgruppe „Persönlichkeitsstörung“ handelt es sich um einen Oberbegriff. Es werden völlig unterschiedliche typologisch definierte Varianten beschrieben, die je nach Ausprägung als normal oder abnorm zugeordnet werden. Sie reichen von einer Vielzahl normalpsychologisch wirksamer Ausprägungen und Beeinträchtigungen des Empfindens und Verhaltens bis zu einer abnormen Persönlichkeit, die von ihrem Gewicht her durchaus Krankheitswert erreichen kann (Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 261 f.). Der Begriff der Persönlichkeitsstörung beschreibt abnorme Persönlichkeiten, deren Eigenschaften von einer nicht näher bezeichneten gesellschaftlichen Norm abweichen. Von psychopathischen Persönlichkeiten wird dann gesprochen, wenn die Person an ihrer Abnormität leidet oder wenn die Gesellschaft unter ihrer Abnormität leidet (vgl. Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 4. Aufl. S. 248, 250; Rasch, StV 1991, 126, 127; Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 149, 152 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
cc) Für die forensische Unterscheidung zwischen strafrechtlich nicht relevanten Auffälligkeiten in Charakter und Verhalten einer Persönlichkeit und einer psychopathologischen Persönlichkeitsstörung, die Symptome aufweist, die in einer Beziehung zu psychischen Erkrankungen im engeren Sinne bestehen , enthalten die Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV eine Vielzahl diagnostischer Kriterien, anhand derer der psychiatrische Sachverständige einzelne Persönlichkeitsstörungen spezifizieren und deren Ausprägungsgrad bewerten kann. Diagnostische Hilfsmittel bei psychischen Störungen sind ne-
ben technischen Untersuchungen (EEG, Laboruntersuchungen etc.) sowie den Selbst- und Fremdbeurteilungen vor allem strukturierte Checklisten und diagnostische Interviews (vgl. DSM-IV aaO S. XVII). Bei der forensischen Begut- achtung hat sich der Sachverständige methodischer Mittel zu bedienen, die dem jeweils aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand gerecht werden. Existieren mehrere anerkannte und indizierte Verfahren, so steht deren Auswahl in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei ist der Sachverständige – unbeschadet der Sachleitungsbefugnis durch das Gericht - frei, von welchen inhaltlichen Überlegungen und wissenschaftlichen Methoden er bei Erhebung der maßgeblichen Informationen ausgeht und welche Gesichtspunkte er für seine Bewertung des Ausprägungsgrades für maßgeblich hält. In seinem Gutachten hat er nach den Geboten der Nachvollziehbarkeit und der Transparenz für alle Verfahrensbeteiligten nach Möglichkeit darzulegen, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen und auf welchem Weg er zu den von ihm gefundenen Ergebnissen gelangt ist (vgl. BGHSt 44, 26, 33; 45, 164, 169; st. Rspr.).
dd) Der Senat hat der forensisch-psychiatrischen Literatur entnommen, daß sich nach dem bestehenden wissenschaftlichen Kenntnisstand für die forensische Schuldfähigkeitsbeurteilung von Persönlichkeitsstörungen folgende Vorgehensweise anbietet, ohne daß die Nichteinhaltung einzelner Schritte nach rechtlichen Maßstäben fehlerhaft sein muß. Dazu gehört, daß der Sachverständige die sozialen und biographischen Merkmale unter besonderer Berücksichtigung der zeitlichen Konstanz der pathologischen Auffälligkeiten erhebt. Darüber hinaus bedarf es der Darstellung der pathologischen Reaktionsweisen unter konflikthaften Belastungen und deren Veränderungen infolge der natürlichen Reifungs- und Entwicklungsschritte sowie der therapeutischen Maßnahmen (Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen, 2003, S. 177,
178). Weist die untersuchte Person Persönlichkeitszüge auf, die nur auf ein unangepaßtes Verhalten oder auf eine akzentuierte Persönlichkeit hindeuten und die Schwelle einer Persönlichkeitsstörung nicht erreichen, wird schon aus psychiatrischer Sicht eine Zuordnung zum vierten Merkmal des § 20 StGB auszuschließen sein.

b) Schweregrad der Abartigkeit
Gelangt der Sachverständige – wie hier - zur Diagnose einer „dissozialen oder antisoziale Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.2 und DSM-IV 301.7: „Mißachtung sozialer Normen“) und einer „schizoiden Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.1. und DSM-IV 301.20: „Distanziertheit in sozialen Beziehungen, eingeschränkte emotionale Ausdrucksmöglichkeiten“), so ist diese psychiatrische Diagnose indes nicht mit der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ in § 20 StGB gleichzusetzen. Für die forensische Praxis ist mit der bloßen Feststellung, bei dem Angeklagten liege eine Persönlichkeitsstörung vor, nichts gewonnen. Vielmehr sind der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluß auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit (Rasch, Die psychiatrisch-psychologische Beurteilung der sogenannten schweren anderen seelischen Abartigkeit, StV 1991 S. 126, 127). Hierfür sind die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit (etwa hinsichtlich der Wahrnehmung der eigenen und dritter Personen, der emotionalen Reaktionen, der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und der Impulskontrolle) durch die festgestellten pathologischen Verhaltensmuster im Vergleich mit jenen krankhaft seelischer Störungen zu untersuchen (vgl. Kröber NStZ 1998, 80 f.). Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des
beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (DSM-IV aaO S. 715, 716; Nedopil aaO S. 152). Erst wenn das Muster des Denkens, Fühlens oder Verhaltens, das gewöhnlich im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt, sich im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich als viertes Merkmal des § 20 StGB, der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ angesehen werden.
Für das Vorliegen der Voraussetzungen einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ werden aus psychiatrischer Sicht genannt: Hervorgehen der Tat aus neurotischen Konflikten; konflikthafte Zuspitzung und emotionale Labilisierung in der Zeit vor der Tat; abrupter, impulshafter Tatablauf; aktuelle konstellative Faktoren wie z. B. Alkohol und andere Drogen, Ermüdung, affektive Erregung. Gegen das Vorliegen des vierten Merkmals des § 20 StGB können sprechen: Tatvorbereitung; planmäßiges Vorgehen bei der Tat; Fähigkeit zu warten; lang hingezogenes Tatgeschehen; komplexer Handlungsablauf in Etappen; Vorsorge gegen Entdeckung; Möglichkeit anderen Verhaltens unter vergleichbaren Umständen; Hervorgehen des Delikts aus dissozialen Charakterzügen (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179, 180; Versuche einer empirischwissenschaftlichen Auswertung der am häufigsten in forensischen Gutachten vorkommenden Indikatoren bei Scholz/Schmidt, Schuldfähigkeit bei schwerer anderer seelischer Abartigkeit, 2003).

c) Erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat
Ob die Steuerungsfähigkeit wegen des Vorliegens einer schweren anderen seelischen Abartigkeit bei Begehung der Tat "erheblich" im Sinne des § 21 StGB vermindert war, ist eine Rechtsfrage. Diese hat der Tatrichter ohne Bin-
dung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (vgl. für den „berauschten Täter“ BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ-RR 1999, 295, 296 jew. m.w.N.). Diese Anforderungen sind um so höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (BGH, Urt. v. 21. März 2001 - 1 StR 32/01).
Da Persönlichkeitsstörungen in der Regel die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit nicht vollständig aufheben, wird der Tatrichter Gesichtspunkte bewerten, die für oder gegen eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sprechen können, ohne daß es wegen der fließenden Übergänge zwischen Normalität sowie allen Schweregraden und Konstellationen abnormer Persönlichkeit feste skalierbare Regelungen gibt (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179).
aa) Zudem kommt es nach dem Gesetz nicht darauf an, ob die Steuerungsfähigkeit generell eingeschränkt ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob sie bei Begehung der Tat – und zwar erheblich – eingeschränkt war. Zur Beurteilung dieser Rechtsfrage wird der Tatrichter auf der Grundlage des Beweisergebnisses über den Ablauf der Tathandlung – auch unter Beachtung möglicher alternativer Tatvarianten - die vom Sachverständigen gestellte Diagnose, den Schweregrad der Störung und deren innere Beziehung zur Tat in eigener Verantwortung nachprüfen. Stellt er in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen fest, daß das Störungsbild die Merkmale eines oder mehrerer Muster oder einer Mischform die Klassifikationen in ICD-10 oder DSM-IV erfüllen, besagt dies rechtlich noch nichts über das Ausmaß psychischer Störungen (vgl. BGH NStZ 1997, 383). Eine solche Zuordnung hat eine Indizwirkung dafür, daß eine nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung vorliegt (vgl. zu bestimmten Fallgrup-
pen BGH StV 1998, 342; StV 2002, 17, 18; BGH, Urt. vom 27. August 2003 – 2 StR 267/03). Der Tatrichter wird in einer Gesamtbetrachtung die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Entwicklung bewerten, wobei auch Vorgeschichte , unmittelbarer Anlaß und Ausführung der Tat sowie das Verhalten danach von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGHSt 37, 397, 401 f.; BGH NStZ 1997, 485; BGH, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 10, 20, 23, 36; BGH NStZ 1996, 380; BGH StraFo 2001, 249; BGH StV 2002, 17, 18; vgl. in diesem Sinne auch Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung aaO S. 270 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
bb) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die mitgeteilte Diagnose des Sachverständigen zum Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsstörung zutreffend war. Dagegen könnte sprechen, daß die in den Urteilsgründen mitgeteilte Tatsachengrundlage wenig tragfähig erscheint. Der Sachverständige hat seine Diagnose im wesentlichen auf die persönlichen Angaben der Angeklagten bei der Exploration gestützt und ausgeführt, „die Persönlichkeitsstörung die durchaus auch auf sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei auch so erheblich, daß eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB anzunehmen sei“. Auch die Strafkammer ist „ entsprechend ihren Angaben zu ihren Gunsten davon ausgegangen“, die Angeklagte sei vom Vater seit ihrem siebten Lebensjahr immer wieder sexuell mißbraucht worden. Konkrete Feststellungen oder objektivierbare Indizien, die die Behauptungen der Angeklagten stützen, enthalten die Urteilsgründe nicht. Die als Zeugen vernommenen Mutter und Schwester haben sogar ausgesagt, sie hätten zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte für einen sexuellen Mißbrauch der Angeklagten gehabt (UA S. 15).
Die Strafkammer hat zum räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 keine näheren Ausführungen zu einer möglichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit gemacht. Eine solche lag auch eher fern, denn hinsichtlich dieser Tat behauptet die Revision selbst nicht, daß die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung schon zu diesem Zeitpunkt einem so starken Motivationsdruck ausgesetzt war, daß sie die Wegnahme des Geldes und dessen Sicherung durch Gewaltanwendung nicht habe steuern können.
Die Strafkammer hat auch hinsichtlich der im Juli 2002 begangenen Entführung der siebenjährigen J. nachvollziehbar einen erheblichen Einfluß der Persönlichkeitsstörung auf das komplexe Tatgeschehen ausgeschlossen. Die Angeklagte sei zwar aufgrund ihrer Lebensgeschichte, zu der auch die Mißbrauchsgeschichte gehören könne, in vieler Hinsicht kritikgemindert. Sie sei aber in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Ihre gelegentliche Impulsivität sei keine pathologisch überhöhte Erregbarkeit, insbesondere sei auch keine hirnorganisch begründete Affektlabilität festzustellen.
Als Beleg für eine vollständig erhaltene Steuerungsfähigkeit hat die Strafkammer herangezogen, daß es der Angeklagten bei ihrer Tat in erster Linie darum ging, sich mittels des erwarteten Lösegeldes die Basis für ihr zukünftiges Leben in Tunesien zu schaffen. Die Behauptung der Angeklagten, sie habe wegen eines möglichen Übergriffs des Vaters auf ihre Tochter unter einem schwer beherrschbaren Motivationsdruck gestanden, darf die Kammer als widerlegt ansehen. Sie hat ausgeführt, die Angeklagte habe diese Pläne schon seit ihrem Besuch und ihrer Verlobung in Tunesien im April 2002 verfolgt und
sich endgültig im Juli 2002 zu dieser Straftat entschlossen. Das Lösegeld sollte das ihrem neuen Lebensgefährten zugesagte Startkapital sein.
Gegen die erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat sprachen hier die bis ins einzelne gehende Planung der Entführung, die vorbereitende Beobachtung der Familie über mehrere Tage sowie das mehrmalige Umbuchen der Flüge nach Tunesien. Die Kammer hat mit Recht auch als überlegtes kriminelles Handeln angesehen, daß die Angeklagte dem Vater des Entführungsopfers jeweils nur kurze Fristen zur Geldbeschaffung setzte, um ihn aus Furcht um sein Kind unter Druck zu setzen. Die Strafkammer konnte schließlich als Belege für ein kontrolliertes und zielgerichtetes Handeln der Angeklagten auch die kaltblütige Durchführung der Entführung auf dem öffentlichen Schulgelände heranziehen. Sie hat ausgeführt, das Sichbemächtigen des Kindes auf dem Schulgelände zeige, in welchem Maße die Angeklagte in der Lage war, situationsadäquat zu handeln und ihre Impulse instrumental zu steuern. Obwohl sie auf dem Schulgelände mit Zeugen rechnen mußte, habe sie das Kind in der Nähe des Rektorats abgefangen und gezielt - und für das Kind J. äußerst schmerzhaft - das Elektroschockgerät einsetzte und das sich wehrende Kind in den bereitgestellten Pkw verbracht. Damit ist die Strafkammer zu Recht davon ausgegangen, daß bei der Angeklagten eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht vorlag.
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 164/07
vom
7. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 21. November 2006 wird verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision und die dem Angeklagten durch das Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Betruges in zwölf Fällen und Verstößen gegen das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz bzw. das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Straftaten lagen folgende Tatbestände zugrunde:
2
Der Angeklagte hatte u.a. statt Elchfleisch billigeres Hirschfleisch, statt Gamsfleisch billigeres Mufflonfleisch, statt Frischfleisch Fleisch mit Konservierungsmitteln bzw. Tiefkühlware geliefert. In einem Fall erfolgte eine unhygienische Schlachtung von Fasanen, die jedoch nicht zu einer Substanzbeeinträch- tigung des verarbeiteten Fleisches führte, wenngleich der Normalverbraucher in Kenntnis der Schlachtumstände den Verzehr abgelehnt hätte.
3
Von den weiteren Vorwürfen des Inverkehrbringens von Lebensmitteln unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung durch unbefugte Veränderung des Mindesthaltbarkeitsdatums hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen. Es hat von der Verhängung eines Berufsverbotes gegen ihn abgesehen. Die Kammer hat es als ausreichend erachtet, im Rahmen des Bewährungsbeschlusses dem Angeklagten die Weisung zu erteilen, für die Dauer von drei Jahren sich jeglicher Tätigkeit im Bereich der Herstellung und Verarbeitung sowie Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren zu enthalten. Der Angeklagte ist nunmehr als Handelsvertreter/Makler im Lebensmittelbereich tätig.
4
Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision die Verletzung sachlichen Rechts und erstrebt insbesondere eine Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte freigesprochen wurde. Weiterhin beanstandet sie den Strafausspruch sowohl im Hinblick auf die Höhe der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe als auch in Bezug auf die Bewilligung der Strafaussetzung zur Bewährung. Sie wendet sich ferner gegen die unterbliebene Anordnung eines Berufsverbots. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.

I.

5
Der Schuldspruch ist frei von Rechtsfehlern. Die Staatsanwaltschaft beanstandet ohne Erfolg, das Landgericht habe den Angeklagten in den Fällen III. der Urteilsgründe von den weiteren Vorwürfen des Inverkehrbringens von Lebensmitteln unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung durch unbefugte Veränderung des Mindesthaltbarkeitsdatums zu Unrecht freigespro- chen. Das Landgericht konnte schon nicht feststellen, dass der Angeklagte in den konkreten, der Anklage zu Grunde liegenden Fällen das Mindesthaltbarkeitsdatum tatsächlich verändert hat (UA S. 36, 37). Hierzu hat die Beweisaufnahme - so die Urteilsfeststellungen - keinen sicheren Nachweis erbracht, was auch die Beschwerdeführerin nicht beanstandet. Der Angeklagte war daher - wie geschehen - aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Auf die Rechtsfrage , ob der Angeklagte überhaupt zur Veränderung berechtigt gewesen wäre, kommt es somit nicht an.

II.

6
Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf:
7
1. Die Staatsanwaltschaft greift die Strafzumessung insgesamt an. Sie rügt, die ausgeworfenen Einzelstrafen beruhten auf rechtsfehlerhaften Strafzumessungserwägungen und verließen ebenso wie die gefundene Gesamtstrafe den Bereich tatrichterlichen Ermessens, weil sie nicht mehr als angemessener Schuldausgleich angesehen werden könnten. Die Strafkammer habe wesentliche strafzumessungsrelevante Gesichtspunkte unerörtert gelassen.
8
Die Strafzumessung unterliegt nur in eingeschränktem Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Es ist grundsätzlich Sache des Tatrichters , auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Person des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr., vgl. BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349; BGH NJW 1995, 340; BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03; BGH, Beschl. vom 29. Juni 2005 - 1 StR 149/05). Diese Grundsätze gelten auch für die Bildung der Gesamtstrafe und für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung (BGHR § 54 Abs. 1 StGB Bemessung 5 und 11; BGH, Urt. vom 24. März 1999 - 3 StR 556/98).
9
a) An diesen revisionsrechtlichen Maßstäben gemessen hält die Strafzumessung - wie vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt - rechtlicher Überprüfung "noch stand". Das Landgericht hat dem Angeklagten mehrere, als erheblich bewertete Milderungsgründe zugute gehalten. Das dagegen gerichtete Vorbringen der Staatsanwaltschaft läuft im Wesentlichen darauf hinaus, diese Umstände abweichend zu werten. Dies ist im Revisionsverfahren unzulässig. Rechtsfehler, die ein Eingreifen des Revisionsgerichts rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Kammer hat zwar in acht Fällen als Einzelstrafe jeweils die Mindeststrafe des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB verhängt und ist dementsprechend auch zu einer milden Gesamtstrafe gekommen. Dies überschreitet jedoch noch nicht die Grenzen dessen, was im Hinblick auf die Gesamtumstände bei dem nicht vorbestraften Angeklagten als gerechter Schuldausgleich anzusehen ist.
10
b) Rechtsfehlerhaft wäre es allerdings, wenn der Tatrichter die erkannten Strafen nur deshalb in der Höhe ausgesprochen hätte, damit die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe nach § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden konnte - wie die Staatsanwaltschaft vorträgt - (vgl. BGHSt 29, 319, 321; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29; BGH, Urt. vom 13. Dezember 2001 - 4 StR 363/01). Dies ist dem angefochtenen Urteil indes nicht zu entnehmen. Dass das Landgericht - wie nahe liegend anzunehmen ist - die Frage der Aussetzbarkeit der Strafvollstreckung bei der Findung schuldangemessener Sanktionen mitberücksichtigt hat, begründet für sich noch keinen durchgreifenden Rechtsfehler (BGH, Urt. vom 13. Dezember 2001 - 4 StR 363/01).
11
c) Die Strafzumessungserwägungen sind auch nicht lückenhaft. Der Tatrichter braucht im Urteil nur diejenigen Umstände anzuführen, die für die Bemessung der Strafe bestimmend sind, § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO; eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 2; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 18; BGH, Beschl. vom 23. Oktober 1992 - 2 StR 483/92; BGH, Beschl. vom 19. Juli 2002 - 2 StR 255/02). Wenn vom Tatrichter nicht jeder zu Gunsten oder zu Lasten eines Angeklagten sprechende Umstand ausdrücklich angesprochen wird, so lässt das noch nicht ohne weiteres annehmen, er habe ihn übersehen. Ein Rechtsfehler liegt erst vor, wenn ein wesentlicher, die Tat prägender Gesichtspunkt erkennbar nicht berücksichtigt wurde (BGH StV 1994, 17; BGH, Beschl. vom 19. Juli 2002 - 2 StR 255/02). Das ist hier nicht zu besorgen. Entgegen dem Vorbringen der Revision hat der Tatrichter in seine Überlegungen auch einbezogen, dass die Straftaten das Vertrauen der Verbraucher in den ordnungsgemäßen Ablauf des Fleischhandels und der Fleischgewinnung erschüttert und Verunsicherung ausgelöst haben (UA S. 91). Der Tatrichter hat die für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände umfassend gewürdigt.
12
d) Soweit die Revision rügt, den von der Kammer wesentlich strafmildernd berücksichtigten Umständen des Unternehmensverlustes und des öffentlichen Drucks komme vorliegend wegen des "lediglich losen Zusammenhangs" mit dem Ermittlungs- und Gerichtsverfahren keine wesentliche Bedeutung zu, bleibt ihr der Erfolg ebenfalls versagt. Die Kammer wertete den Verlust des Unternehmens infolge der Beschlagnahme des Warenbestandes, der Kontosperrung durch die Banken und der Insolvenzanmeldung sowie die persönliche Haftung des Angeklagten und den Druck durch die mediale Berichterstattung, dem der Angeklagte ausgesetzt war, als "vorweggenommene Bestrafung" erkennbar strafmildernd (UA S. 84, 85 f.).
13
Der zentrale Vorwurf in der öffentlichen Diskussion war geprägt durch die Begriffe "Gammelfleisch" und "Ekelfleisch". Dadurch wurde nach den Urteilsfeststellungen der Eindruck vermittelt, der Angeklagte habe gesundheitsgefährdendes Fleisch in den Verkehr gebracht und bedenkenlos die Gesundheit des Verbrauchers seinen finanziellen Zielen untergeordnet.
14
Diese Umstände durfte das Landgericht grundsätzlich auch als Strafmilderungsgründe heranziehen. Zwar sind nachteilige, typische und vorhersehbare Folgen für den Täter nicht schlechthin strafmildernd. Wer bei seiner Tat bestimmte Nachteile für sich selbst (zwar nicht gewollt, aber) bewusst auf sich genommen hat, verdient in der Regel keine strafmildernde Berücksichtigung solcher Folgen (BGH wistra 2005, 458; Stree in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 46 Rdn. 55). Gehen jedoch die Tatfolgen - wie vorliegend - für den Angeklagten durch Insolvenz und persönliche Inanspruchnahme für Kreditverbindlichkeiten in ihrer wirtschaftlichen Dimension über den bloßen Betrugsschaden hinaus, so dürfen sie zugunsten des Angeklagten in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BGH, Urt. vom 22. März 2006 - 5 StR 475/05). Dies gilt auch für den besonderen Druck der medialen Berichterstattung, der weit über das hinausging , was jeder Straftäter über sich ergehen lassen muss, dessen Fall in das Licht der Öffentlichkeit gerät - so das Landgericht -. Die Tendenz zur Emotionalisierung des Sachverhalts und Vorverurteilung war mit einer erheblichen seelischen Belastung für den Angeklagten verbunden.
15
e) Soweit die Beschwerdeführerin im Übrigen beanstandet, die Strafkammer sei "im Wesentlichen von einem zu geringen Schuldumfang" des Angeklagten ausgegangen, setzt sie nur die eigene Bewertung an die Stelle der des Tatrichters, ohne Rechtsfehler aufzuzeigen. Der Tatrichter hat das Gesamtgewicht der Taten berücksichtigt und dabei unter anderem zutreffend auf die Schadenshöhe, die Anzahl der Taten und die vom Angeklagten aufgebrachte kriminelle Energie abgehoben. Er hat sehr wohl unterschieden zwischen juristischem Schaden - der vollen Kaufpreiszahlung - und dem wirtschaftlichen Vermögensvorteil des Angeklagten - der Preisdifferenz zwischen den Fleischarten - (UA S. 69, 72, 76, 78).
16
2. Gegen die Bewilligung der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 2 StGB wendet die Beschwerdeführerin ein, besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB lägen nicht vor. Mit diesem Vorbringen setzt die Beschwerdeführerin wiederum in unzulässiger Weise ihre eigene Wertung an die Stelle der Auffassung des Landgerichts. Auch mit dieser Rüge kann die Beschwerdeführerin deshalb nicht durchdringen. Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 StGB, die es "als gerade noch gegeben" ansieht, wenngleich es sich "um einen Grenzfall handelt" (UA S. 95), eingehend und mit vertretbaren Erwägungen begründet. Es hat auf das Zusammentreffen - schon erwähnter - mehrerer durchschnittlicher Milderungsgründe abgestellt, welche die Bedeutung besonderer Umstände erlangen können. Auch diese Entschei- dung hält sich im Rahmen des dem Tatrichter insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums.
17
3. Die Darlegungen der Strafkammer, mit denen sie verneint, dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe gebietet, halten rechtlicher Prüfung ebenfalls stand. Eine Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (vgl. BGHSt 24, 40, 46; BGH StV 1998, 260; BGH NStZ 2001, 319; BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 13). Das Landgericht hat die Verneinung des § 56 Abs. 3 StGB eingehend und mit vertretbaren Erwägungen begründet. Es hat bei der Prüfung dieser Frage nochmals die gesamten Tatumstände und die Persönlichkeit des Angeklagten gewürdigt. Mit Rücksicht auf die vom Landgericht angeführten Milderungsgründe , insbesondere bei Beachtung der persönlichen Folgen der Taten für den Angeklagten u.a. durch den Verlust seines Unternehmens, ist die Annahme der Kammer hinzunehmen, die Rechtstreue der Bevölkerung werde nicht ernsthaft beeinträchtigt und es werde von der Allgemeinheit bei Kenntnis der festgestellten Sachlage, die sich wesentlich von der in der öffentlichen Berichterstattung unterscheidet, nicht als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen, dass die Vollstreckung der Strafe im vorliegenden Fall zur Bewährung ausgesetzt wird (vgl. BGH wistra 2000, 96). Das Landgericht hat sehr wohl unterschieden zwischen den im Rahmen der Ermittlungen aufgedeckten Missständen in anderen Betrieben und der individuellen Tatschuld des Angeklagten, die nicht dazu führen könne, an ihm ein Exempel zu statuieren.

III.

18
Schließlich weist auch die Entscheidung des Landgerichts, von der Anordnung eines Berufsverbots nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB abzusehen, keinen Rechtsfehler auf. Die in das Ermessen des Gerichts gestellte Maßregel der Besserung und Sicherung "Berufsverbot" soll die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die von der Ausübung eines Berufs durch hierfür nicht hinreichend zuverlässige Personen ausgehen. Sie kann unter anderem gegen denjenigen angeordnet werden, der wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt wurde, die er unter Missbrauch seines Berufs oder unter grober Verletzung der damit verbundenen Pflichten begangen hat, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung dieses Berufs erhebliche rechtswidrige Straftaten begehen wird (vgl. BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03).
19
Eine solche Gefahr hat die Strafkammer nicht festgestellt. Sie hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots verneint , weil sie bei der von ihr vorgenommenen Gesamtwürdigung des Angeklagten und der Taten zu dem Ergebnis gelangt, es lasse sich keine Gefahr erkennen , dass der Angeklagte bei weiterer Ausübung seines Berufes erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Sie sei davon überzeugt, dass es zur Einwirkung auf den Angeklagten ausreiche, im Rahmen "einer Auflage bzw. Weisung im Bewährungsbeschluss anzuordnen, dass der Angeklagte sich während der Dauer von drei Jahren jeglicher Tätigkeit im Bereich der Herstellung und Verarbeitung sowie Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren zu enthalten hat" (UA S. 38). Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Der Senat vermag keinen Ermessensfehler in der von der Strafkammer angestellten Ge- samtwürdigung zu erkennen. Der Gesetzgeber hat dem Tatrichter bewusst einen weiten Ermessensspielraum zur Verfügung gestellt, um unbillige Ergebnisse bei dieser schwerwiegenden Rechtsfolge zu vermeiden (vgl. BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03; Urt. vom 24. April 2007 - 1 StR 439/06). Die Kammer ist unter Würdigung der Person des Angeklagten und seiner Taten zu der - revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt überprüfbaren - Prognose gelangt, dass dieser in Verbindung mit seinem bisher ausgeübten Beruf im Bereich des (Wild-)Fleischhandels künftig keine erheblichen Rechtsverletzungen begehen werde. Die Strafkammer ist jedenfalls davon überzeugt, dass die im Bewährungsbeschluss angeordnete Weisung zur Einwirkung auf den Angeklagten ausreicht. Diese Erwägungen der Kammer sind nachvollziehbar und lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen.
20
Es kann dahinstehen, ob die Weisung, zeitweise im Bereich der Herstellung , Ver- und Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren nicht tätig zu sein, zulässig ist (so BGHSt 9, 258, 260; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 56c Rdn. 24; Groß in MK-StGB § 56c Rdn. 12, 23) oder ob dies nur unter den in § 70 StGB angegebenen Voraussetzungen angeordnet werden darf (so Ostendorf in NK 2. Aufl. § 56c Rdn. 4; Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 56c Rdn. 1; Horn in SK-StGB 41. Lfg. § 56c Rdn. 7; OLG Hamm NJW 1955, 34), weil es einem zeitigen Berufsverbot gleichkomme. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB verneint. Die Frage, ob die im Bewährungsbeschluss nach § 268a Abs. 1 StPO angeordnete Weisung zulässig ist, unterliegt nicht der revisionsrechtlichen Kontrolle (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 268a Rdn. 10).
Nack Boetticher Hebenstreit Elf Graf

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR304/15
vom
18. August 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. August 2015 gemäß
§ 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 15. April 2015 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Zwar lägen sämtliche Voraussetzungen des § 63 StGB vor; dennoch sei die Unterbringung nicht erforderlich, da deren Anordnung für die Ausgestaltung des Vollzuges oder die Entscheidung über die Fortdauer des seit 2004 aufgrund eines Urteils desselben Gerichts andauernden Maßregelvollzuges nach § 63 StGB ohne Relevanz sei.
2
Die gegen diese Entscheidung erhobene, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Beschuldigten ist unzulässig. Dieser ist durch das Urteil nicht beschwert. Nach ständiger Rechtsprechung muss sich die unmittelbare Beeinträchtigung der Rechte des Rechtsmittelführers - etwas anderes gilt nur für die Staatsanwaltschaft - aus dem Tenor selbst und nicht nur aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. schon BGH, Urteil vom 18. Januar 1955 - 5 StR 499/54, BGHSt 7, 153). Dies ist schon deshalb zutreffend , da belastende Begründungen mangels Verbindlichkeit regelmäßig rein faktisch wirken und diese Wirkung durch das Rechtsmittel nicht rückgängig gemacht werden kann. Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn die Gründe ausnahmsweise doch Rechtswirkungen entfalten, muss der Senat nicht entscheiden (vgl. zu alledem SK-StPO/Frisch, 4. Aufl., Vor §§ 296 ff. Rn. 157 ff.). Denn eine solche, insbesondere registerrechtlich in Betracht kommende Wirkung hat das angefochtene Urteil nicht. Die Ablehnung des im Sicherungsverfahren gestellten Antrags der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BZRG nur dann einzutragen, wenn diese darauf gestützt wird, dass von dem Beschuldigten erhebliche rechtswidrige Taten nicht zu erwarten seien oder dass er für die Allgemeinheit nicht gefährlich sei. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Becker Pfister Schäfer
Mayer Spaniol

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.