Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Apr. 2015 - 1 StR 555/14

bei uns veröffentlicht am21.04.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 5 5 5 / 1 4
vom
21. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
hier: Anhörungsrüge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. April 2015 beschlossen:
Die Anhörungsrüge des Verurteilten N. gegen den Beschluss des Senats vom 11. Februar 2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
Der Senat hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 25. Februar 2014 mit Beschluss vom 11. Februar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Dieser ist seinem Verteidiger am 18. Februar 2015 zugegangen. Mit dessen Schriftsatz vom 24. Februar 2015, der bei dem Senat am selben Tage eingegangen ist, hat der Verurteilte hiergegen die Anhörungsrüge erhoben. Er hat beantragt, den vorgenannten Be- schluss des Senats „für gegenstandslos zu erklären“ und das Verfahren wieder in den Stand nach Eingang der Stellungnahme des Verteidigers des Verurteilten vom 9. Dezember 2014 zurückzuversetzen.
2
Der zulässige Rechtsbehelf ist unbegründet, es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 356a StPO) vor.
3
1. Der Senat hat weder Verfahrensstoff noch Tatsachen oder Beweismittel verwertet, zu denen der Verurteilte zuvor noch nicht gehört worden wäre. Auch wurde zu berücksichtigendes Vorbringen nicht übergangen, noch in sonstiger Weise der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör verletzt.
4
a) Eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ergibt sich nicht aus der Entschei- dung durch ohne nähere Begründung erfolgenden Beschluss des Senats gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Von Verfassungs wegen bedarf eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung regelmäßig keiner Begründung (siehe nur BVerfGE 104, 1, 7 f.; BVerfGE 118, 212, 238; BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11, NJW 2014, 2563, 2564 mwN). Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch für Beschlüsse gemäß § 349 Abs. 2 StPO (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11, NJW 2014, 2563, 2564).
5
b) Der Umstand, dass der Senat die Rechtsansicht der Verteidigung des Verurteilten zwar zur Kenntnis genommen hat, ihr aber im Ergebnis nicht gefolgt ist, stellt ebenfalls keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Es ist schon grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG aaO m. zahlr. wN; siehe auch Senat, Beschluss vom 29. Januar 2015 – 1 StR 359/13 Rn. 4), zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht dazu verpflichtet ist, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (Senat aaO mwN). Es wurde hier der gesamte schriftliche Vortrag des Verurteilten einschließlich desjenigen in dem Schriftsatz des Verteidigers vom 9. Dezember 2014 bei der Entscheidungsfindung des Senats berücksichtigt.
6
c) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich auch nicht daraus, dass der Senat über die Revision des Verurteilten entschieden hat, ohne Ausführungen der Verteidigung zu zwei in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 20. November 2014 angesprochenen ergänzenden dienstlichen Stellungnahmen des Vorsitzenden der Strafkammer und einer beisitzenden Richterin (vgl. S. 4 oben der genannten Antragsschrift) abzuwarten. Die in rechtlicher Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt erkannte Unbegründetheit der in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen der Verletzung von § 275 Abs. 1 StPO – in allen drei von der Revision geltend gemachten Angriffsrichtungen – hat sich bereits aufgrund der von dem Rechtsmittelführer selbst vorgelegten Vermerke des Vorsitzenden vom 28. Mai 2014 und der als Berichterstatterin eingesetzten beisitzenden Richterin vom 12. Mai 2014 ergeben. Dem Verurteilten und seiner Verteidigung unbekannter Verfahrensstoff oder diesen nicht bekannte Beweismittel, denen für die freibeweisliche Aufklärung des den Verfahrensrügen zugrunde liegenden Sachverhalts Bedeutung zukam, hat der Senat nicht verwertet.
7
aa) Soweit die Revision die Nichteinhaltung der Urteilsabsetzung aus § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO wegen des Verlustes des von allen drei Berufsrichtern unterschriebenen Originals des Urteils gerügt hatte (RB S. 2-10), ist das Rechtsmittel erfolglos geblieben, weil dieses Urteilsoriginal aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen am letzten Tag der am 1. April 2014 abgelaufenen Frist und damit rechtzeitig zu den Akten gelangt ist. Ausweislich der Vermerke vom 12. und 28. Mai 2014 hatte die Berichterstatterin das von allen drei Berufsrichtern unterschriebene Urteil (§ 275 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 StPO) am Nachmittag des 1. April 2014 auf die Geschäftsstelle gebracht. Dieser Vorgang wird durch den Inhalt eines Vermerks einer Geschäftsstellenmitarbeiterin vom 30. April 2014, den die Revision ebenfalls selbst vorgetragen hat, bestätigt. Nach dem weiteren Inhalt dieses Vermerks konnte die Justizangestellte lediglich nicht mehr sicher erinnern, ob sie den in § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO vorgesehenen Vermerk auf dem Urteilsoriginal angebracht hat. Das steht der Einhaltung der Absetzungsfrist aber nicht entgegen. Wie vom Generalbundesanwalt ebenfalls zutreffend aufgezeigt, kann der Nachweis der Fristwahrung auch auf andere Weise als durch den Vermerk nach § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO erbracht werden. Dies war hier aufgrund des Inhalts der genannten Erklärungen von zwei der Berufsrichtern und der Justizangestellten der Fall.
8
Aus den von der Revision in der Rechtsmittelbegründung vorgetragenen Vermerken vom 12. bzw. 28. Mai 2014 folgt weiterhin, dass die nach dem Abhandenkommen des Urteilsoriginals durch erneuten Ausdruck der entsprechenden elektronisch gespeicherten Datei hergestellte Version des Urteils mit dem Original ohne jeden Zweifel vollkommen identisch ist. Der Vermerk des Vorsitzenden vom 28. Mai 2014 legt dies im Einzelnen dar. Die Berichterstatterin hat angesichts der Existenz lediglich einer gespeicherten Version der Datei diese Identität ebenfalls zweifelsfrei belegt. Aus diesen Vermerken allein folgt auf der Grundlage der vom Generalbundesanwalt referierten Rechtsprechung das Fehlen einer Verletzung von § 275 Abs. 1 StPO. Die von der Revision an- gesprochenen „ergänzenden Vermerke“ sind vom Senat nicht herangezogen worden.
9
Im Übrigen hat sich die Revision rechtsirrig - und im Hinblick auf eine Gehörsverletzung zudem ohne Bedeutung - auf zwei Entscheidungen des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs bezogen. Dem Urteil vom 18. Dezember 1979 (5 StR 697/79, NJW 1980, 1007) lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem gerade die Übereinstimmung von unterschriebenem, aber danach abhanden gekommenem Urteilsoriginal und Zweitversion anders als vorliegend nicht feststand. In dem dem Beschluss vom 22. Mai 2012 (5 StR 229/12, BGHR StPO § 275 Abs. 1 Satz 1 Akten 3) zugrunde liegenden Verfahren war – wiederum anders als vorliegend – offen geblieben, ob das unterschriebene, später verlo- ren gegangene Urteilsoriginal rechtzeitig im Sinne von § 275 Abs. 1 StPO zu den Akten gelangt war.
10
bb) Die Revision hatte mit der Rüge der Verletzung von § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO ebenfalls bereits aufgrund der von ihr selbst vorgetragenen Verfahrenstatsachen und dem Inhalt der vorgelegten Vermerke vom 12. und 28. Mai 2014 auch insoweit keinen Erfolg, als die „Nichteinhaltung der Abset- zungsfrist hinsichtlich der Originalurkunde“ (RB S. 10-18) geltend gemacht wor- den war. Wie sich aus den vorstehend [1.c)aa)] dargelegten Gründen ergibt, ist die Absetzungsfrist eingehalten worden. Entgegen der von der Revision vertretenen Rechtsauffassung kann der Nachweis der Fristeinhaltung nicht ausschließlich durch den Vermerk gemäß § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO geführt werden.
11
cc) Die Erfolglosigkeit der Rüge der Verletzung von § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO „wegen Nichteinhaltung der Absetzungsfrist bei der nunmehr vorliegenden Urteilsurkunde“ (RB S. 18-26)beruht ebenfalls nicht auf der Berücksichtigung der von ihr genannten ergänzenden Stellungnahmen des Vorsitzenden und der Berichterstatterin. Sie ergibt sich auf der Grundlage der aus den von der Revision dargelegten Vermerken der Justizangestellten vom 30. April 2014, der Berichterstatterin vom 12. und des Vorsitzenden vom 28. Mai 2014 aus rechtlichen Gründen.
12
Die Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO findet auf den durch die Revision selbst vorgetragenen Verfahrensablauf eines erneuten Ausdrucks einer nach dem Erstausdruck inhaltlich unveränderten Datei des rechtzeitig zu den Akten gelangten Urteils von vornherein keine Anwendung. Der Zweck der Urteilsabsetzungsfrist besteht darin, die Übereinstimmung des Beratungsergebnisses mit den schriftlichen Urteilsgründen zu gewährleisten (siehe nur SK- StPO/Frister, 4. Aufl., Band V, § 275 Rn. 3 mwN). Es geht darum, der „Erfah- rung nachlassender Erinnerung“ zu begegnen und eine möglichst frische Erin- nerung an die Ergebnisse der Hauptverhandlung und der Beratung zu sichern (OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2008, 117 mwN; vgl. auch KK-StPO/Greger, 7. Aufl., § 275 Rn. 38). War das Urteil wie hier fristgerecht zu den Akten gelangt , ist der Schutzzweck der Vorschrift ersichtlich dann nicht betroffen, wenn nach Verlust des rechtzeitig abgesetzten Urteils eine sicher inhaltsidentische weitere Version auf technischem Wege hergestellt werden kann.
13
Auch für die Beurteilung der sicheren Inhaltsidentität kommt es jedenfalls unter den hier durch die der Revision bekannten Vermerke belegten tatsächli- chen Bedingungen nicht auf die „frische Erinnerung“ an, sondern allein auf die davon völlig unabhängig feststellbare Inhaltsidentität. Diese gründet sich hier auf den Umstand, dass nach dem Ausdruck des nach Einhaltung der Absetzungsfrist verloren gegangenen Originals keine Veränderung der entsprechenden Datei mehr erfolgt war.
14
Soweit sich die Revision für ihre Rechtsauffassung auf den Beschluss des Senats vom 7. September 1982 (1 StR 249/82, NStZ 1982, 519) sowie den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober 2007 (NStZ-RR 2008, 117) beruft, geht dies fehl. Beide Entscheidungen betreffen Konstellationen , in denen die Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO gerade nicht eingehalten war.
15
2. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 465 Abs. 1 StPO (Senat, Beschlüsse vom 5. Mai 2014 – 1 StR 82/14 und vom 29. Januar 2015 – 1 StR 359/13).
Raum Rothfuß Graf
Cirener Radtke

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

4
Der Umstand, dass der Senat die Rechtsansicht der Verteidigung des Verurteilten zwar zur Kenntnis genommen hat, ihr aber im Ergebnis nicht gefolgt ist, stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Es ist schon grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11 Rn. 16 mwN, wistra 2014, 434), zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht dazu verpflichtet ist, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2007 – 2 BvR 746/07; BGH, Senatsbeschluss vom 31. Juli 2006 – 1 StR 240/06 mwN). Jedenfalls wurden hier der gesamte schriftliche Vortrag des Verurteilten sowie die Ausführungen der Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung bei der Entscheidungsfindung des Senats berücksichtigt.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

(4) (weggefallen)

5 StR 229/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 22. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Mai 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. September 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das nach elftägiger Hauptverhandlung am 20. September 2011 verkündete Urteil gelangte am 25. Januar 2012 mit Gründen zu den Akten. Das war verspätet; die Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO hatte am 22. November 2011 geendet.
2
Dass Hinderungsgründe im Sinne des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO vorgelegen hätten oder dass das Urteil rechtzeitig auf den Weg zur Geschäftsstelle gebracht worden wäre, ist nicht ersichtlich; dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus den dienstlichen Erklärungen der berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer. Danach haben zwar alle Richter das Urteil bereits bis zum 8. November 2011 unterzeichnet, konnten sich aber, als das Fehlen der Urteilsurkunde am 24. Januar 2012 bemerkt wurde, nicht mehr an deren weiteren Verbleib erinnern. Daraufhin haben sie das auf dem Computer abgespeicherte Urteil erneut ausgedruckt und unterzeichnet.
3
Ob an der Rechtsprechung, wonach das unterschriebene Urteil rechtzeitig zu den Akten gebracht worden ist, wenn es vor Fristablauf auf den Weg zur Geschäftsstelle gebracht worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1979 – 4 StR 272/79, BGHSt 29, 43, 45; Beschlüsse vom 4. Oktober 1989 – 3 StR 155/89 – und vom 24. August 1994 – 1 StR 74/94, BGHR StPO § 275 Abs. 1 Satz 1 Akten 1 und 2), auch dann festzuhalten ist, wenn die Urteilsurkunde verloren gegangen ist, kann der Senat bei dieser Sachlage dahinstehen lassen.
Basdorf Schaal Schneider König Bellay

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

(4) (weggefallen)

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 8 2 / 1 4
vom
5. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge u.a.
hier: Anhörungsrüge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Mai 2014 beschlossen:
Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Beschluss des Senats vom 25. März 2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
Der Senat hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. Juli 2013 mit Beschluss vom 25. März 2014 als unbegründet verworfen. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 7. April 2014 hat der Verurteilte sich gegen diese Entscheidung gewandt. Das Schreiben ist inhaltlich als Gehörsrüge nach § 356a StPO zu werten.
2
Es kann dahinstehen, ob der Rechtsbehelf im Hinblick darauf unzulässig ist, dass der Zeitpunkt der Kenntniserlangung im Sinne des § 356a Satz 2 StPO nicht mitgeteilt und glaubhaft gemacht (§ 356a Satz 3 StPO) wurde, so dass die Einhaltung der Wochenfrist nicht ohne Weiteres nachprüfbar ist.
3
Der Rechtsbehelf ist jedenfalls unbegründet; es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 356a StPO) vor. Der Senat hat weder zum Nachteil des Verurteilten Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen dieser nicht gehört worden wäre, noch hat er zu berücksichtigendes entscheidungserhebliches Vorbringen des Verurteilten übergangen oder in sonstiger Weise dessen Ausspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
4
Der Senat hat bei seiner Entscheidung das Revisionsvorbringen des Verurteilten in vollem Umfang bedacht und gewürdigt, es aber nicht für durchgreifend erachtet.
5
Aus dem Umstand, dass der Senat die Verwerfung der Revision nicht ausführlich begründet hat, kann nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs geschlossen werden. § 349 Abs. 2 StPO sieht keine Begründung des die Revision verwerfenden Beschlusses vor.
6
Bei diesem Verfahrensgang ergeben sich die für die Zurückweisung des Rechtsmittels maßgeblichen Gründe mit ausreichender Klarheit aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und dem Inhalt der Antragsschrift des Generalbundesanwalts (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2013 - 1 StR 521/13 mwN).
7
Eine weitere Begründungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidungen besteht nicht (vgl. BVerfG NJW 2006, 136; StraFo 2007, 463).
8
Das gilt auch dann, wenn in der Gegenerklärung die Sachrüge weiter ausgeführt worden ist (BGH NStZ-RR 05, 14; BGH NStZ 03, 103). Auch eine Mitteilung des Gerichts, warum es die nachgeschobene Beanstandung für unbegründet erachtet, ist nicht erforderlich (BGH NStZ 09, 52; NStZ-RR 08, 385; 09, 119).
9
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 5. Juni 2013 - 1 StR 81/13 mwN).
Raum Rothfuß Jäger
Cirener Mosbacher
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Der Umstand, dass der Senat die Rechtsansicht der Verteidigung des Verurteilten zwar zur Kenntnis genommen hat, ihr aber im Ergebnis nicht gefolgt ist, stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Es ist schon grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11 Rn. 16 mwN, wistra 2014, 434), zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht dazu verpflichtet ist, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2007 – 2 BvR 746/07; BGH, Senatsbeschluss vom 31. Juli 2006 – 1 StR 240/06 mwN). Jedenfalls wurden hier der gesamte schriftliche Vortrag des Verurteilten sowie die Ausführungen der Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung bei der Entscheidungsfindung des Senats berücksichtigt.