Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2018 - 1 StR 512/18

bei uns veröffentlicht am18.12.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 512/18
vom
18. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:181218B1STR512.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am 18. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 25. Juni 2018
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren Raubes schuldig ist;
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer Vorverurteilung gemäß § 55 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Verfahrensrügen haben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.

II.


3
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils führt zu einer Abänderung des Schuldspruchs sowie zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen.
4
1. Keinen Rechtsfehler lässt der Schuldspruch gegen den Angeklagten wegen schweren Raubes erkennen. Die Beweiswürdigung zur grundsätzlichen Täterschaft des Angeklagten weist entgegen dem Revisionsvorbringen keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf. Vielmehr hat die Strafkammer ihre entsprechende Überzeugung tragfähig auf die an einer Maskierung gesicherten DNA-Spuren und die Angaben zweier Mittäter gestützt. Zudem sind auch die subjektiven Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB durch die Urteilsgründe belegt. Dass die Mittäter des Angeklagten Gegenstände mit sich führten, um den anwesenden Wohnungsinhaber hiermit zu fesseln, lag nach den von der Strafkammer festgestellten Gesamtumständen derart nahe, dass ein dahingehender gemeinsamer Tatplan keiner näheren Beweiswürdigung bedurfte. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Tatbeteiligten das gesamte Objekt zu durchsuchen und Stehlgut in mindestens vier mitgebrachten Plastiksäcken mitzunehmen gedachten, was einen größeren Aufwand und den ungestörten Einsatz vereinter Kräfte nahelegte.
5
2. Hingegen kann der Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung keinen Bestand haben. Nach den Feststellungen verübte der Angeklagte die dem Geschädigten anfänglich versetzten Faustschläge nicht selbst. Dies taten vielmehr drei andere Tatbeteiligte, ohne dass diese gemeinschaftlich begangene Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) dem Angeklagten als Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden könnte.
6
a) Zwar hat die Strafkammer einen gemeinsamen Tatplan festgestellt, der die Körperverletzung des Geschädigten durch Faustschläge umfasste. Diese Feststellung wird aber in der Beweiswürdigung nicht belegt. Das Landgericht hat seine entsprechende Überzeugung lediglich pauschal unter Verweis auf die objektiven Umstände bejaht. Dies genügt an dieser Stelle nicht. Denn körperlicher Widerstand durch den allein anwesenden 71-jährigen Geschädig- ten gegen die insgesamt fünf Tatbeteiligten, den es durch „gezielte Faustschläge“ (UA S. 4f.) zu verhindern galt, war im Vorfeld nicht zu erwarten. Deshalb versteht es sich nicht von selbst, dass der gemeinsame Tatplan das ausdrückliche oder stillschweigende Einverständnis des Angeklagten – und sei es in Form von Gleichgültigkeit gegenüber der Ausführungsweise (vgl. UA S. 6) – mit einer (gefährlichen) Körperverletzung berechtigt anwesender Personen umfasste. Die mitgeteilten Zeugenaussagen von zwei gesondert verfolgten Tatbeteiligten stützen das Beweisergebnis des Landgerichts nicht. Dagegen spricht vielmehr, dass die am Tatort eintreffende Tochter des Wohnungsinhabers körperlich unversehrt blieb, obgleich sie sich drei Tatbeteiligten gegenüber sah. Das Landgericht hätte auch diesen Umstand erörtern und mithin seine Überzeugung näher begründen müssen.
7
b) Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung kann sich auch nicht auf eine sukzessive Mittäterschaft stützen. Diese setzt voraus, dass ein weiterer Beteiligter in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen Handelns in das tatbestandsmäßige Geschehen als Mittäter eingreift und sich mit dem (oder den) anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – 3 StR 451/17, StV 2018, 717, 718 mwN). Hieran fehlt es nach den Urteilsgründen schon mangels zusätzlicher Körperverletzungshandlungen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2018 – 4 StR 621/17, juris).
8
3. Der Senat schließt mit Blick auf die besonderen Gesamtumstände einschließlich der in den Urteilsgründen mitgeteilten bisherigen Zeugenaussagen aus, dass ein neuer Tatrichter Feststellungen treffen könnte, die eine Beteiligung des Angeklagten an der Körperverletzung des Geschädigten trügen. Der Senat ändert folglich entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch dahin ab, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung entfällt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Juli 2016 – 3 StR 165/16, juris Rn. 7 [insoweit nicht abgedruckt in NStZ-RR 2016, 334 f.]).
9
4. Dies bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Das Landgericht hat die tateinheitlich begangene gefährliche Körperverletzung bei der Bemessung der Freiheitsstrafe von zehn Jahren strafschärfend berücksichtigt (UA S. 18).
10
Der Senat hebt auch die dem Strafausspruch zugehörigen Feststellungen auf. Denn dieser hätte – worauf für die neue Hauptverhandlung hinzuweisen ist – noch aus einem anderen Grund keinen Bestand haben können. Das angefochtene Urteil lässt keine Überprüfung zu, ob die Strafkammer die Voraussetzungen einer Aufklärungshilfe des Angeklagten nach § 46b StGB zu Recht verneint hat. Die vom Landgericht abgelehnte Wesentlichkeit der Aufklärungshilfe ist ein Rechtsbegriff, der revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2016 – 5 StR 26/16, BGHR StGB § 46b Voraussetzungen 5 Rn. 10). Für diese Prüfung werden weder die Angaben des An-geklagten bei seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung noch die Verdachtslage gegen die Mittäter hinreichend genau mitgeteilt. Denn eine wesentliche Aufklärungshilfe kann bereits vorliegen, wenn die Aussage des Täters zumindest eine sicherere Grundlage für die Aburteilung von Tatbeteiligten schafft, indem sie den Strafverfolgungsbehörden die erforderliche Überzeugung vermittelt, dass ihre bisherigen Erkenntnisse zutreffen (vgl. BGH aaO mwN; SSW-StGB/Eschelbach, 4. Aufl., § 46b Rn. 26). Dies hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht und mit seinen Ausführungen nicht ausgeschlossen.
11
Dass der Angeklagte seine Tatbeteiligung bestritten hat, steht der Anwendung des § 46b Abs. 1 StGB nicht entgegen, sondern ist gegebenenfalls bei der Prüfung eines minder schweren Falls (§ 250 Abs. 3 StGB) und bei dessen Verneinung im Rahmen der Ermessensausübung nach § 46b Abs. 2 StGB zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2012 – 3StR 83/12, NStZ-RR 2012, 201; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 46b Rn. 13).
Aufklärungsbemühungen des Angeklagten können darüber hinaus allgemein strafmildernd zu berücksichtigen sein.
Raum Bellay Fischer
Bär Pernice

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

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(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

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(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.

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(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 451/17
vom
23. Januar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:230118B3STR451.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 23. Januar 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 3. Mai 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beschlossen der Angeklagte , drei Mitangeklagte und drei unbekannte Männer, gemeinsam den Brüdern L. und F. T. wegen vorangegangener Streitigkeiten "eine Lektion zu erteilen". Zu diesem Zweck bewaffneten sich die Angeklagten und mindestens einer der Unbekannten mit Messern, die sie im Rahmen der erwarteten körperlichen Auseinandersetzung zur Verletzung ihrer Gegner einsetzen wollten. Dem gemeinsamen Tatplan folgend zogen sie vor einem Lokal ihre Messer und gingen damit auf F. T. los; dieser zog einen Teleskopschlagstock und schlug damit zur Verteidigung auf die Angreifer ein. Als L. T. dazutrat und sich seinem Bruder zuwandte, um ihm zur Hilfe zu kommen, stach der Angeklagte mit seinem Messer von hinten auf dessen Oberkörper ein, wobei er - abweichend von dem gemeinsamen Tatplan der Angreifer - nun auch tödliche Verletzungen des Geschädigten billigend in Kauf nahm. Als er zum zweiten Mal auf L. T. einstach, schlug ihm F. T. mit dem Schlagstock das Messer aus der Hand. Daraufhin floh der Angeklagte vom Tatort. Anschließend versetzte einer der unbekannten Angreifer L. T. einen Messerstich in den Oberkörper; auch diesem schlug F. T. das Messer aus der Hand. L. T. flüchtete in eine Spielhalle; er erlitt eine lebensgefährliche Stichwunde im Bereich der linken Flanke, durch die der Dickdarm eröffnet und eine Zwischenrippenschlagader verletzt wurde, sowie eine weitere - nicht lebensbedrohliche - Stichwunde im Rücken, konnte jedoch durch eine Notoperation gerettet werden.
3
Mindestens eine der beiden Stichwunden fügte ihm der Angeklagte zu; das Landgericht vermochte indes nicht festzustellen, ob dieser den lebensgefährlichen Stich setzte. Es ist der Ansicht, dass der Angeklagte sich diese Verletzung zurechnen lassen müsse, da sie "seinem Tatplan" entsprach. Einen Rücktritt vom Versuch des Totschlags hat das Landgericht mit der Erwägung abgelehnt, dass ein Fehlschlag vorliege.
4
2. Die Zurechnung des - im Zweifel von dem unbekannten Angreifer gesetzten - lebensgefährlichen Stiches und die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs begegnen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Im Einzelnen:
5
a) Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291 mwN; vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschlüsse vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; vom 4. April 2017 - 3 StR 451/16, juris Rn. 7).
6
b) Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen eines mittäterschaftlichen Totschlagsversuchs nicht erfüllt, weil es an hinreichenden Feststellungen zu einem gemeinsamen Tatentschluss fehlt.
7
Die mit Tötungsvorsatz geführten Stiche des Angeklagten gegen den Oberkörper des Opfers gingen über den zuvor gefassten gemeinsamen Tatplan , der keine lebensgefährlichen Stiche vorsah, hinaus; insoweit handelte der Angeklagte im Exzess. Unmittelbar nach seinen Stichen, von denen zumindest einer traf, flüchtete der Angeklagte; eine vor oder während des Geschehens ausdrücklich oder konkludent getroffene Übereinkunft mit dem unbekannten Angreifer dahin, dass in der Folge ein weiterer lebensgefährlicher Stich gegen das Opfer geführt werden solle, hat das Landgericht nicht festgestellt.
8
c) Auch die Voraussetzungen einer sukzessiven Mittäterschaft sind nach den getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. Sie setzt voraus, dass ein weiterer Beteiligter in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen Handelns in das tatbestandsmäßige Geschehen als Mittäter eingreift und sich mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet (BGH, Urteile vom 25. April 2017 - 5 StR 433/16, NStZ-RR 2017, 221 f.; vom 16. Juni 2016 - 3 StR 124/16, juris Rn. 23 f.; vom 28. April 2016 - 4 StR 563/15, NStZ 2016, 607, 609; vom 7. August 1984 - 1 StR 385/84, StV 1984, 507; Beschluss vom 31. Januar 1997 - 2 StR 620/96, NStZ 1997, 336). Daran fehlt es hier: Der unbekannte Angreifer setzte den lebensgefährlichen Stich erst nach der Flucht des Angeklagten; eine Übereinkunft mit dem Angeklagten hinsichtlich des weiteren Stiches gegen den Oberkörper ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die Erwägung des Landgerichts, dass auch diese Handlung dem Tatplan des Angeklagten entsprach, trägt die Annahme von Mittäterschaft ebenfalls nicht; insoweit fehlt es bereits an Feststellungen zu einem nach seiner Flucht fortbestehenden Tatplan, zumal denkbar ist, dass der Angeklagte im Moment seiner Flucht von seinem Tötungsvorsatz Abstand nahm. Eine bloß einseitige Kenntnisnahme und Billigung des bisherigen Geschehens durch den hinzutretenden unbekannten Angreifer genügt nicht, um dem Angeklagten die weitere Verletzungshandlung zuzurechnen; ein gegenseitiges Einverständnis über die Ausweitung des ursprünglichen Tatplans ist nicht belegt.
9
d) Die Begründung, mit der das Landgericht einen fehlgeschlagenen Versuch angenommen hat, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
10
Fehlgeschlagen ist der Versuch, wenn der Taterfolg aus der Sicht des Täters mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreicht werden kann, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt werden muss. Daher sind zur Annahme eines Fehlschlags regelmäßig Feststellungen zum entsprechenden Vorstellungsbild des Angeklagten im Moment seines Nichtweiterhandelns (Rücktrittshorizont) erforderlich; fehlen in den Urteilsfeststellungen entsprechende Ausführungen, die zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch im Allgemeinen unerlässlich sind, so hält das Urteil sachlichrechtlicher Nachprüfung in der Regel nicht stand (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12 , NStZ-RR 2013, 275; Beschlüsse vom 29. September 2011 - 3 StR 298/11, NStZ 2012, 263, 264; vom 11. Februar 2003 - 4 StR 8/03, juris Rn. 8; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 24 Rn. 7 mwN). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die festgestellte objektive Sachlage sichere Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Angeklagten gestattet (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 1988 - 4 StR 266/88, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 7).
11
So liegt es hier nicht. Das Urteil enthält keine Ausführungen zum maßgeblichen Vorstellungsbild des Angeklagten im Moment seines Nichtweiterhandelns. Ausführungen dazu waren nicht ausnahmsweise entbehrlich: In dem entscheidenden Zeitpunkt, als sich der Angeklagte zur Flucht wandte, standen dem Geschädigten immer noch mindestens fünf weitere mit Messern bewaffnete Angreifer gegenüber. In dieser Situation waren weitere Möglichkeiten zur Tötung des L. T. nicht von vornherein ausgeschlossen; vielmehr war es möglich, dass der mit dem Schlagstock bewaffnete F. T. überwältigt oder sonst gehindert werden würde, seinem verletzten Bruder beizustehen. Sollte der Angeklagte in dieser Situation von einem unbeendeten Versuch ausgegangen sein - was denkbar ist, da der Geschädigte schließlich noch in der Lage war wegzurennen - und die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang mit anderen, ihm zur Verfügung stehenden Mitteln noch für möglich gehalten haben, käme im Zeitpunkt seiner Flucht ein freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12, juris Rn. 4).
12
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker RiBGH Gericke befindet sich Spaniol im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Tiemann Hoch

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BESCHLUSS
4 StR 621/17
vom
3. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
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ECLI:DE:BGH:2018:030718B4STR621.17.1

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 3. Juli 2018 einstimmig
beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 8. Juni 2017 werden als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Soweit das Landgericht bei der konkreten Strafzumessung zulasten beider Angeklagten unter anderem berücksichtigt hat, sie hätten tateinheitlich mit dem besonders schweren Raub eine gefährliche Körperverletzung in drei Tatbestandsvarianten (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 5 StGB) verwirklicht, hält dies im Hinblick auf die Varianten Nr. 2 und Nr. 5 rechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn nach den hierzu getroffenen Feststellungen des Landgerichts ist zu ihren Gunsten davon auszugehen, dass der zu der Kopfverletzung des Tatopfers führende Hammerschlag durch den Mitangeklagten B. bereits erfolgt war, bevor sie den Einsatz des Hammers wahrnahmen und billigten, so dass ihnen – im Rahmen des § 224 StGB – diese bereits abgeschlossene Tatmodalität nicht nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. November 1993 – 2 StR 606/93, NStZ 1994, 123; vom 12. Februar 1997 – 2 StR 28/97, NStZ 1997, 272; vom 6. Juni 2018 – 5 StR 175/18, Rn. 5).
Jedoch kann der Senat in Anbetracht der bei beiden Angeklagten vorliegenden gewichtigen Strafschärfungsgründe sowie des Umstands, dass ihre Billigung des weiteren Einsatzes des Hammers durch den Mitangeklagten B. jedenfalls eine versuchte gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5, § 22 StGB umfasste, und mit Blick darauf, dass die festgesetzten Strafen nahe an der Untergrenze des rechtsfehlerfrei angewandten Strafrahmens des § 250 Abs. 2 StGB liegen, ausschließen, dass das Landgericht ohne diese unzutreffende Strafzumessungserwägung auf niedrigere Strafen erkannt hätte.
RiBGH Dr. Franke ist im Urlaub und deshalb gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible Roggenbuck Sost-Scheible Quentin Feilcke

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

7
2. Da auszuschließen ist, dass ein neues Tatgericht Feststellungen treffen könnte, die eine Beteiligung der Angeklagten Y. an der gefährlichen Körperverletzung belegen, ändert der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch dahin ab, dass bei ihr die tateinheitliche Begehung dieses Delikts wegfällt. Dies bedingt die Aufhebung des sie betreffenden Strafausspruchs, denn das Landgericht hat ausdrücklich die tateinheitliche Verwirklichung der gefährlichen Körperverletzung strafschärfend gewertet. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen werden durch den Aufhebungsgrund nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann insoweit ergänzende Strafzumessungstatsachen feststellen, die den bisherigen nicht widersprechen.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 26/16
vom
15. März 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:150316B5STR26.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. März 2016 beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 25. September 2015 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen im Maßregelausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, mit Ausnahme der Auslagen der Nebenkläger auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die den Nebenklägern durch seine Revision jeweils entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit (schwerem) Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf Sachbeanstandungen gestützten Revisionen der Angeklagten führen zur Aufhebung des Maßregelausspruchs. Im Übrigen sind sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält wegen jeweils unzureichend begründeter hinreichend konkreter Erfolgsaussicht revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts besteht bei dem Angeklagten G. schon seit Jahrzehnten eine schwere Abhängigkeitserkrankung infolge multiplen Substanzgebrauchs, insbesondere seit Ende der 1980er Jahre wegen des Konsums von Heroin. Zahlreiche Entgiftungsbehandlungen und Therapieversuche sowie eine regulär beendete Drogentherapie erwiesen sich als im Ergebnis erfolglos. Die bei ihm seit mehreren Jahren durchgeführte Substitutionsbehandlung ging mit regelmäßigem Beikonsum unterschiedlicher Betäubungsmittel einher. Zudem besteht bei dem Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung mit erheblichen dissozialen Anteilen.
4
Der Angeklagte K. ist seit mehr als zehn Jahren drogenabhängig und konsumierte zuletzt – seit mehreren Jahren neben einer Substitutionsbehandlung und neben der Einnahme eines neuroleptischen Medikaments zur Behandlung eines Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndroms – überwiegend Amphetamin, Kokain und Heroin. Eine vom Angeklagten abgebrochene stationäre Drogentherapie und zahlreiche Entgiftungs- und Interventionsbehandlungen blieben in der Vergangenheit letztlich ohne Erfolg.
5
Angesichts dieser ungünstigen Umstände hätten die für eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht sprechenden Gesichtspunkte einer eingehenderen Darlegung und Abwägung bedurft (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. November 2014 – 5 StR 454/14, und vom 1. März 2016 – 5 StR 7/16). Dem genügt das angefochtene Urteil nicht, wenn es hinsichtlich des Angeklagten G. lediglich auf dessen Therapiemotivation und die eigeninitiativ in der Untersuchungshaft – bei fortbestehendem Beikonsum – begonnene Substitutsreduktion und betreffend den Angeklagten K. allein auf die von diesem in der Vergangenheit gezeigten „Ressourcen“ für eine gewinnbringende Therapieteil- nahme verweist.
6
Hinzu kommt, dass auch deswegen nicht beurteilt werden kann, ob überhaupt eine tragfähige Basis für eine konkrete Erfolgsaussicht der Therapie im Maßregelvollzug besteht, weil bei beiden Angeklagten Feststellungen zur voraussichtlichen Therapiedauer fehlen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2015 – 5StR 79/15). Die Maßregelfrage bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
7
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten sind unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
8
a) Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat zur Revision des Angeklagten G. :
9
Das Landgericht hat betreffend diesen Angeklagten eine mögliche Strafrahmenmilderung nach § 46b StGB nicht ausdrücklich erwogen, obwohl nach den Urteilsfeststellungen hierzu Anlass bestand. Denn dieser Angeklagte hat im Rahmen seiner zweiten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung Angaben zur Beteiligung des Mittäters K. und zu dessen Tatbeiträgen gemacht. Der Senat kann jedoch dem den Gang der Ermittlungen und die übrigen Beweiserkenntnisse umfassend schildernden Urteil hinreichend sicher entnehmen, dass jedenfalls keine wesentliche Aufklärungshilfe (§ 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) vorliegt.
10
Bei der Wesentlichkeit der Aufklärungshilfe handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt (vgl. Schäfer/Sander/ van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1044). Sie ist zu bejahen , wenn die Tat ohne den Aufklärungsbeitrag nicht oder nicht im gegebenen Umfang aufgeklärt worden wäre, die Aussage des Täters jedenfalls aber eine sicherere Grundlage für die Aburteilung des Tatbeteiligten schafft, indem sie den Strafverfolgungsbehörden die erforderliche Überzeugung vermittelt, dass ihre bisherigen Erkenntnisse zutreffen (vgl. zu § 31 BtMG; BGH, Beschluss vom 22. August 1995 – 4 StR 422/95, BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 27 mwN; siehe auch MüKo-StGB/Maier, 2. Aufl., § 46b Rn. 61; BeckOKStGB /von Heintschel-Heinegg, 29. Edition, § 46b Rn. 14).
11
Gemessen an diesem rechtlichen Maßstab war die vom Angeklagten G. geleistete Aufklärungshilfe nicht wesentlich. Denn für die Täterschaft des Mitangeklagten K. lagen bereits tragfähige Beweiserkenntnisse vor, deren Überzeugungskraft nicht von einer Bestätigung durch den Angeklagten G. abhing. Nach den Feststellungen des Landgerichts geriet zunächst der mit dem Opfer seit Jahren bekannte Angeklagte K. in den Blick der Ermittlungsbehörden und wurde festgenommen, nachdem das auf Videoaufnahmen einer Überwachungskamera identifizierte Tatfahrzeug vor seiner Wohnung entdeckt worden war (UA S. 17). Er brüstete sich kurze Zeit später in der Untersuchungshaftanstalt gegenüber einem Mitgefangenen unter Offenbarung von Täterwissen, was dieser der Staatsanwaltschaft mitteilte (UA S. 18). Auch hatte der Angeklagte K. im Vorfeld der Tat versucht, zwei Zeugen für den Überfall als Mittäter anzuwerben (UA S. 8).
12
Dass durch die Angaben des Angeklagten G. einzelne Verletzungshandlungen dem Angeklagten K. zugeordnet werden konnten, bedeutet im Vergleich dazu keinen wesentlichen Aufklärungsbeitrag mehr. Denn diese standen aufgrund objektiver Umstände ohnehin fest und waren dem Angeklagten K. nach den übrigen Beweiserkenntnissen jedenfalls im Wege mittäterschaftlicher Zurechnung (§ 25 Abs. 2 StGB) anzulasten. Darüber hinaus hatte der Angeklagte K. einer Zeugin eigenhändige Misshandlungen des Opfers eingestanden (UA S. 28 Mitte). Zudem ist durch Profilabdrücke seiner Stiefel erwiesen, dass er mindestens drei kraftvolle Fußtritte gegen das Opfer vollführt hat, nämlich die Tritte, die diesem den Oberschenkelknochen und den Oberarmschaft brachen, sowie ein Tritt gegen den Kopf (UA S. 26 f.).
13
b) Es beschwert die Angeklagten nicht, dass das Landgericht das Mordmerkmal der Grausamkeit nicht in den Blick genommen und nicht erkennbar geprüft hat, ob sich aus der Tat eine besondere Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB) ergibt.
Sander Schneider Dölp
König Feilcke

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.