Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2018 - 1 StR 34/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:130718B1STR34.18.0
bei uns veröffentlicht am13.07.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 34/18
vom
13. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2018:130718B1STR34.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 13. Juli 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 4. September 2017 – soweit es ihn betrifft – mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten M. , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten E. gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 4. September 2017 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Angeklagte E. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten E. wegen Steuerhinterziehung in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten M. wegen Steuerhinterziehung in 20 tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensrügen gestützten Revisionen der Angeklagten. Während die Revision des Angeklagten M. mit einer Verfahrensrüge Erfolg hat (§ 349 Abs. 4 StPO), ist das Rechtsmittel des Angeklagten E. gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

I.


2
1. Die Revision des Angeklagten M. hat mit der Rüge der Verletzung des § 265 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StPO in der Fassung des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I, 3202) in vollem Umfang Erfolg. Eines Eingehens auf die weitere Verfahrensrüge und die Sachrüge bedarf es daher nicht.
3
a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage waren dem Angeklagten M. drei Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung hinsichtlich der C. Ltd. für die Jahre 2006 bis 2009 und 17 Fälle der mittäterschaftlichen Steuerhinterziehung hinsichtlich der L. GmbH zur Last gelegt worden. Die Anklageschrift war jeweils von Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) sowie davon ausgegangen, dass für eine mittäterschaftliche Begehung eine rein faktische Geschäftsführerstellung nicht ausreichend sei. Die erforderliche Rechtspflicht zur Aufklärung über steuerliche Tatsachen (§ 35 AO) habe für den Angeklagten M. erst ab dem 11. November 2011 bestanden, so dass diesem nur für die nach diesem Zeitpunkt eingereichten Steuererklärungen mittäterschaftliches Handeln zur Last gelegt wurde.
5
In einem noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgten Gespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten gemäß § 202a StPO wies der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer darauf hin, dass das Gericht entgegen der rechtlichen Wertung in der Anklageschrift Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) für gegeben erachte, so dass es auf eine Organ- oder Pflichtenstellung des Angeklagten M. für eine täterschaftliche Strafbarkeit nicht ankomme. Weitere Ausführungen zur Beteiligungsform des Angeklagten M. erfolgten in diesem Rahmen nicht. Diese Einschätzung wiederholte der Vorsitzende in einem weiteren Gespräch am dritten Hauptverhandlungstag.
6
Am 20. Hauptverhandlungstag erteilte der Vorsitzende sodann den rechtlichen Hinweis, dass bei dem Angeklagten M. „auch eine Verurteilung wegen mittäterschaftlicher Umsatzsteuerhinterziehung für die Jahre 2006 - 2009 in Betracht“ komme.
7
Nach weiteren sieben Hauptverhandlungstagen wurde die Beweisaufnahme geschlossen, ohne dass bis dahin weitere Hinweise erfolgt wären. Im unmittelbaren Anschluss hielt der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft seinen Schlussvortrag und beantragte darin, den Angeklagten M. wegen 20 (tatmehrheitlichen) Fällen der mittäterschaftlich begangenen Steuerhinterziehung zu verurteilten.
8
Die Plädoyers der Verteidiger waren für den nächsten Hauptverhandlungstag in der Folgewoche vorgesehen. In diesem Termin trat die Strafkammer jedoch wieder in die Beweisaufnahme ein. Sie erteilte den rechtlichen Hinweis , „dass beim Angeklagten M. in Abweichung von der Anklage auch ei- ne Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in 20 tateinheitlichen Fällen in Betracht kommt unter dem Gesichtspunkt eines uneigentlichen Organisationsdelikts. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Anknüpfungspunkt für die strafbare Handlung nicht eine individualisierte Tathandlung ist, die jeder einzelnen Tat zugeordnet werden kann, sondern der Täter die organisatorische Grundlage für eine Vielzahl von Taten des Vordermanns schafft“.
9
In der Folge wurde die Beweisaufnahme erneut geschlossen. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hielt seinen Schlussvortrag. Anschließend trat die Strafkammer, da die Verteidigung des Angeklagten E. verschiedene Anträge angekündigt hatte, wieder in die Beweisaufnahme ein. Nach Stellung der Anträge wurde die Hauptverhandlung für 24 Minuten unterbrochen und danach fortgesetzt. Die Verteidigung des Angeklagten M. beantragte im Hinblick auf den o.g. Hinweis, die Hauptverhandlung auszusetzen, hilfsweise zu unterbrechen und am selben Tag nicht mehr fortzusetzen. Die Verteidigung sei zur Frage der Zurechnung über die Konstruktion des uneigentlichen Organisationsdelikts nicht vorbereitet, so dass insofern eine angemessene Verteidigung nicht gewährleistet werden könne.
10
Die Strafkammer wies diesen Antrag nach einer weiteren 19-minütigen Unterbrechung der Hauptverhandlung unter Verweis auf den Beschleunigungs- grundsatz in Haftsachen zurück; der erteilte Hinweis betreffe „lediglich die Fra- ge der zutreffenden Beurteilung der Konkurrenzen und die rechtliche Einord- nung täterschaftlicher Begehungsweise“. Auch sei eine Beurteilung als tatein- heitliche Begehung nicht geeignet, zu einer Erhöhung der Strafe zu führen.
11
Nachdem die Beweisaufnahme wiederum geschlossen worden war, plädierten zunächst der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft durch Wiederholung seiner Anträge und die Verteidiger des Angeklagten E. . Nach einer 55- minütigen Mittagspause erhielten die Verteidiger des Angeklagten M. das Wort. Diese stellten im Rahmen ihrer Schlussvorträge sechs Hilfsbeweisanträge , die darauf ausgerichtet waren, dass dem Angeklagten M. keine für eine mittäterschaftliche Tatbegehung erforderlichen, individualisierbaren Tatbeiträge nachgewiesen werden könnten.
12
Der Angeklagte M. wurde schließlich in dem Folgetermin, der fünf Tage später stattfand, entsprechend des oben genannten Hinweises verurteilt, d.h. die Strafkammer ging von der Beteiligungsform der mittelbaren Täterschaft in Form eines uneigentlichen Organisationsdelikts aus. Die Hilfsbeweisanträge wurden im Wesentlichen als tatsächlich bedeutungslos abgelehnt; daraus, dass der Angeklagte nicht als Verantwortlicher nach außen aufgetreten sei, folge nicht zwingend, dass er nicht der Verantwortliche im Hintergrund gewesen sei.
13
b) Mit der Verfahrensrüge macht die Verteidigung geltend, wenn sie die Möglichkeit erhalten hätte, ihr Verteidigungsverhalten an den Hinweis anzupassen , hätte sie zum einen ihr Plädoyer entsprechend überarbeitet, insbesondere ihre Mitschriften und die Ergebnisse der Beweisaufnahme mit Fokus auf die Anforderungen des uneigentlichen Organisationsdelikts ausgewertet.
14
Zum anderen hätte sie weitere Beweisanträge gestellt und dargelegt, dass der Angeklagte M. keine auf Steuerhinterziehung ausgerichtete Organisationsstruktur geschaffen habe. Diese weiteren Beweisanträge, die die Revision mitgeteilt hat, betreffen im Wesentlichen die Themenkomplexe Anweisung des Angeklagten E. , steuerliche Probleme zu klären und sich fachkundig beraten zu lassen, Kündigung des Angeklagten E. infolge der Kassenmanipulationen sowie mangelnder Einfluss des Angeklagten M. auf die gegenüber den Prostituierten verwendeten Mietverträge.
15
Schließlich hätte sich der Angeklagte M. ergänzend mit Blick auf die Zurechnungserfordernisse des uneigentlichen Organisationsdelikts eingelassen.
16
2. Diese Verfahrensweise verletzt § 265 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 StPO.
17
a) Sinn und Zweck des § 265 Abs. 1 StPO ist es, den Angeklagten vor Überraschungen zu schützen und eine Beschränkung seiner Verteidigung zu verhindern. Deshalb verlangt das Gesetz, dass er und seine Verteidiger in die Lage versetzt werden, ihre Verteidigung auf den neuen rechtlichen Gesichtspunkt einzurichten (vgl. BGH, Urteile vom 27. Mai 1952 – 1 StR 160/52, BGHSt 2, 371, 373; vom 3. November 1959 – 1 StR 425/59, BGHSt 313, 320 f.; vom 16. Oktober 1962 – 5 StR 276/62, BGHSt 18, 56, 57; vom 19. Januar 1965 – 5StR 578/64 Rn. 7 und vom 30. Oktober 1979 – 1 StR 570/79, NJW 1980, 714; vgl. auch LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 1 ff.).
18
Auf einer ähnlichen Überlegung basiert § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO, der das Gericht zu einem Hinweis verpflichtet, wenn es von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will; dadurch sollen Überraschungsentscheidungen entgegen dem durch die vorherige Mitteilung bei den Verfahrensbeteiligten geschaffenen Vertrauenstatbestand vermieden werden (vgl. BT-Drucks. 18/11277, 37).
19
Nach beiden Vorschriften ist daher zweierlei erforderlich: Zum einen muss der erforderliche Hinweis so beschaffen sein, dass der Angeklagte und sein Verteidiger aus ihm allein oder in Verbindung mit dem Inhalt der Anklage und des Eröffnungsbeschlusses erkennen können, welche Tat der Hinweis betrifft , welches Strafgesetz nach Auffassung des Gerichts auf sie anzuwenden ist und durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale als erfüllt ansieht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 5. Mai 1998 – 1 StR 140/98, NStZ 1998, 529, 530). Zum anderen muss dem Angeklagten nach Erteilung des Hinweises ausreichend Gelegenheit zur Verteidigung gegeben werden. Dem zweiten Erfordernis wird die Verfahrensweise des Landgerichts nicht gerecht.
20
b) Zunächst war vorliegend sowohl nach § 265 Abs.1 StPO als auch nach Abs. 2 Nr. 2 StPO ein Hinweis erforderlich.
21
Eine Hinweispflicht gemäß § 265 Abs. 1 StPO besteht, wenn sich die rechtliche Beurteilung der Tat gegenüber der zugelassenen Anklage ändert, der Angeklagte also auf Grund eines anderen Strafgesetzes oder eines dort nicht angeführten straferhöhenden Umstandes verurteilt oder eine dort nicht angegebene Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn verhängt werden soll (LR/Stuckenberg, aaO Rn. 9). Entsprechendes gilt gemäß § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO nunmehr, wenn das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will.
22
Dies ist regelmäßig der Fall, wenn das Gericht im Urteil von einer anderen Teilnahmeform ausgehen will als die unverändert zugelassene Anklage (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 8. Oktober 1957 – 1 StR 318/57, BGHSt 11, 18, 19 und vom 21. November 1991 – 1 StR 552/90, NStZ 1992, 292, 293; Beschlüsse vom 12. April 1984 – 4 StR 160/84, StV 1984, 368; vom 17. Mai 1990 – 1 StR 157/90 Rn. 3, NStZ 1990, 449; vom 14. September 1994 – 5 StR 478/93, NStZ 1994, 46; vom 26. September 1995 – 1 StR 547/95, StV 1996, 82; vom 22. März 2012 – 4 StR 651/11 Rn. 3, StV 2012, 710 [nur redaktioneller Leitsatz]; vom 30. Juli 2013 – 2 StR 150/13 StraFo 2013, 480 und vom 14. Juni 2016 – 3 StR 196/16 Rn. 4, StV 2016, 778 [nur redaktioneller Leitsatz]) bzw. der erteilte Hinweis. Darauf, dass die Urteilsformel nicht mitteilt, welche Form der Alleintäterschaft vorliegt, kommt es nicht an; entscheidend ist, dass der Schuldvorwurf eine andere oder eine weitere Grundlage erhält (BGH, Beschluss vom 17. Mai 1990 – 1 StR 157/90, aaO). Dies gilt auch bei einem Wechsel von Mittäterschaft zu mittelbarer Täterschaft, da gegenüber diesem Vorwurf regelmäßig eine andere Verteidigung geboten ist. So kommt es bei Annahme eines uneigentlichen Organisationsdelikts, wenn also die Tathandlung in der Entwicklung eines einheitlichen Systems oder einer organisatorischen und planerischen Grundlage für eine Vielzahl von Taten besteht, auf Grund derer der Tatmittler mehrere selbständige gleichartige Taten begeht, gerade nicht mehr auf eine Beteiligung an Einzelakten an (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183 f. und Beschluss vom 29. November 2017 – 5 StR 335/17 Rn. 7, NStZ-RR 2018, 312 [nur redaktioneller Leitsatz]).
23
Dementsprechend scheint das Landgericht es nicht als erwiesen angesehen zu haben, dass der Angeklagte M. bei den verfahrensgegenständlichen Taten überhaupt irgendwie nach außen hin tätig geworden ist. Unter diesen Umständen konnte er sich vor einer Verurteilung solange sicher fühlen, als er nicht auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hingewiesen worden war (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 1952 – 5 StR 525/52, NJW 1952, 1385). Dies zeigen auch die von der Verteidigung im Rahmen der Schlussvorträge gestellten Hilfsbeweisanträge mit Blickrichtung auf das Fehlen individualisierbarer Tatbeiträge des Angeklagten M. , die vor dem Hinter- grund des neuen Hinweises „quasi ins Leere“ gingen.
24
c) Zwar hat das Landgericht dem Angeklagten einen entsprechenden Hinweis erteilt. Es hat ihm und seinen Verteidigern anschließend aber nicht ausreichend Gelegenheit zur Verteidigung gegeben. Der Vorsitzende muss durch sein Verhalten zum Ausdruck bringen, dass das Gericht bereit ist, mit Rücksicht auf die eingetretene Veränderung Erklärungen und Anträge entgegenzunehmen und zu prüfen, und es muss dem Angeklagten zu solchen Erklärungen und Anträgen Zeit gelassen werden (vgl. bereits RG, Urteile vom 20. Februar 1891 – 12/91, RGSt 21, 372, 374 und vom 25. April 1894 – 1370/94, RGSt 25, 340, 342; Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 265 Rn. 89). Wie viel Zeit dem Angeklagten und seinen Verteidigern hierzu einzuräumen ist, lässt sich zwar nicht allgemein bestimmen. Jedenfalls muss sie aber unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse als ausreichend angesehen werden können (BGH, Urteil vom 19. Januar 1965 – 5 StR 578/64 Rn. 7).
25
Das war hier nicht der Fall. Die anwesenden Verteidiger des Angeklagten M. hatten, nachdem der Vorsitzende den Hinweis erteilt hatte, einen Aussetzungs- bzw. hilfsweisen Unterbrechungsantrag gestellt und darin ausdrücklich erklärt, die Verteidigung sei auf die Frage der Zurechnung über die Konstruktion des uneigentlichen Organisationsdelikts nicht vorbereitet und benötige dafür jedenfalls Zeit bis zum nächsten Hauptverhandlungstermin. Damit brachten sie zum Ausdruck, dass sie sich nach der bis dahin 28 Tage andauernden Hauptverhandlung nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft und kurz vor den eigenen Schlussvorträgen außerstande fühlten, die Verteidigung gegenüber den veränderten rechtlichen Gesichtspunkten ordnungsgemäß zu führen.
26
Das war unter den dargelegten Umständen plausibel. Bei dem Gewicht der Veränderung und bei der Schwierigkeit des veränderten rechtlichen Gesichtspunktes , der nicht alltäglich ist und auf den sich die Verteidigung auch nach Kenntnis der Anklage und des Eröffnungsbeschlusses sowie des zwi- schenzeitlich erteilten rechtlichen Hinweises besonders hätte vorbereiten müssen , war zumindest eine längere Unterbrechung unerlässlich, die der Verteidigung eine hinreichend gründliche Vorbereitung auf die rechtliche Beurteilung des uneigentlichen Organisationsdelikts nebst allen dabei zu bedenkenden Verknüpfungen ermöglicht hätte. Die 55-minütige Mittagspause war hierfür jedenfalls nicht ausreichend. Auch konnte nicht erwartet werden, dass die Verteidigung während der laufenden Hauptverhandlung und unter Inkaufnahme, dieser nicht folgen zu können, unter Berücksichtigung der veränderten Rechtslage vorbereitet wird. Durch die Fortsetzung der Hauptverhandlung ohne nennenswerte Unterbrechung und Ablehnung des weitergehenden Unterbrechungsantrags , hat das Landgericht dem Angeklagten entgegen dem Willen des Gesetzgebers keine ausreichende Gelegenheit zur Vorbereitung einer Verteidigung gegenüber der veränderten Rechtslage gewährt und gegen § 265 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StPO verstoßen. Zugleich liegt darin eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung im Sinne von § 265 Abs. 4 i.V.m. § 338 Nr. 8 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1965 – 5 StR 578/64 Rn. 7 und Beschluss vom 1. März 1993 – 5 StR 698/92, NStZ 1993, 400).
27
§ 265 Abs. 4 StPO enthält einen über die voranstehenden Absätze hinausgehenden Grundsatz, der besagt, dass das Gericht im Rahmen seiner Justizgewährungspflicht für eine Verfahrensgestaltung zu sorgen hat, die die Wahrung der Verfahrensinteressen aller Verfahrensbeteiligten, vor allem aber die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht verkürzt. Der Begriff der „veränderten Sachlage“ darf daher nicht eng ausgelegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1958 – 4 StR 725/57, NJW 1958, 1736, 1737; Radtke in Radtke/Hohmann, aaO Rn. 106; LR/Stuckenberg, aaO Rn. 99; KK/Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 265 Rn. 29). Eine Veränderung der Sachlage ist daher auch anzunehmen, wenn das Gericht – wie vorliegend – aus den dem Angeklagten bereits aus der zugelassenen Anklage bekannten Tatsachen andere rechtliche Folgerungen zieht (BGH, Beschluss vom 1. März 1993 – 5 StR 698/92, aaO; so auch KK/Kuckein, aaO). Indem das Landgericht den hilfsweise gestellten Unterbrechungsantrag im Wesentlichen unter Hinweis auf das Beschleunigungsgebot und mit dem Argument ablehnte, der erteilte Hinweis betreffe lediglich Fragen der Konkurrenzen und der Art der Alleintäterschaft, übte es das ihm gemäß § 265 Abs. 4 StPO zustehende Ermessen nicht pflichtgemäß aus (zur Revisibilität der Ermessensausübung vgl. z.B. BGH, Urteil vom 19. Juni 1958 – 4 StR 725/57, NJW 1958, 1736, 1738 und Beschluss vom 27. Februar 2007 – 3 StR 44/07, StraFo 2007, 243); denn es nahm nicht ausreichend in den Blick, dass sich die Anforderungen an den Nachweis von Alleintäterschaft und mittelbarer Täterschaft in Form des uneigentlichen Organisationsdelikts deutlich unterscheiden, dass der Hinweis erst nach 28 Hauptverhandlungstagen erfolgte, nachdem die Beweisaufnahme bereits geschlossen worden war, und zeitnah bereits weitere Hauptverhandlungstermine anberaumt waren, so dass sich die Verzögerung durch eine weitergehende Unterbrechung in Grenzen gehalten hätte.
28
d) Auf diesem prozessualen Mangel beruht das Urteil. Die Möglichkeit einer anderen Verteidigung braucht nicht nahe zu liegen; es genügt, dass sie nicht mit Sicherheit auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 1989 – 1 StR 24/89, BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 5). Bei einem Verstoß gegen § 265 Abs. 4 StPO ist dies nur ausnahmsweise der Fall (vgl. Radtke in Radtke/Hohmann, aaO Rn. 139). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben; angesichts der unterschiedlichen Anforderungen an den Tatnachweis für Mittäterschaft einerseits und mittelbare Täterschaft in Form eines uneigentlichen Organisationsdelikts kann der Senat nicht ausschließen, dass sich der Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können.

II.


29
Das Rechtsmittel des Angeklagten E. ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet; die Nachprüfung des Urteils aufgrund seiner Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Raum Jäger Bellay Cirener Fischer

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2018 - 1 StR 34/18

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2018 - 1 StR 34/18

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2018 - 1 StR 34/18 zitiert 7 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Strafprozeßordnung - StPO | § 202a Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten


Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu mache

Abgabenordnung - AO 1977 | § 35 Pflichten des Verfügungsberechtigten


Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2018 - 1 StR 34/18 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2018 - 1 StR 34/18 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2007 - 3 StR 44/07

bei uns veröffentlicht am 27.02.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 44/07 vom 27. Februar 2007 in der Strafsache gegen wegen Betruges Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Februar 2007 einsti

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juli 2013 - 2 StR 150/13

bei uns veröffentlicht am 30.07.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 150/13 vom 30. Juli 2013 in der Strafsache gegen wegen Raubs u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 30. Juli 2013 gemäß § 3

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2017 - 5 StR 335/17

bei uns veröffentlicht am 29.11.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 335/17 vom 29. November 2017 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Betrugs ECLI:DE:BGH:2017:291117B5STR335.17.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörun

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2016 - 3 StR 196/16

bei uns veröffentlicht am 14.06.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 196/16 vom 14. Juni 2016 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes ECLI:DE:BGH:2016:140616B3STR196.16.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundes
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2018 - 1 StR 34/18.

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juni 2019 - 5 StR 20/19

bei uns veröffentlicht am 18.06.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 20/19 vom 18. Juni 2019 in der Strafsache gegen wegen Bestechlichkeit ECLI:DE:BGH:2019:180619B5STR20.19.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdefü

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.

Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 150/13
vom
30. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Raubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 30. Juli 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 6. Dezember 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Erpressung in sechs Fällen verurteilt worden ist (Fälle II. 2.-7. der Urteilsgründe);
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
1. Die Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen § 265 Abs. 1 StPO ist begründet. Dem Angeklagten war in der unverändert zugelassenen Anklage vom 2. November 2011 vorgeworfen worden, er habe sich der Erpressung in 10 Fällen jeweils in mittäterschaftlicher Begehung (§ 25 Abs. 2 StGB) schuldig gemacht. Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen Erpressung in sechs Fällen als Alleintäter, ohne dass er auf diese Änderung zuvor hingewiesen wurde. Das war rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 1990 – 1 StR 157/90, NStZ 1990, 449; Urteil vom 24. Oktober 1995 – 1 StR 474/95, StV 1997, 64; Beschluss vom 17. Januar 2001 – 2 StR 438/00, StV 2002, 236; Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 4 StR 260/08, NStZ 2009, 105; Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 651/11, StV 2012, 710); das Beruhen der Verurteilung in diesen sechs Fällen auf dem Rechtsfehler lässt sich nicht ausschließen. Dies führt zur Aufhebung in diesen Fällen und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2
2. Die Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklage ist entgegen dem Revisionsvorbringen gegeben. Die Verurteilung wegen Raubs inFall II. 1. der Urteilsgründe ist rechtsfehlerfrei und kann bestehen bleiben.
3
3. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass die bisherigen Feststellungen zu den Taten II. 2.-7. die Verurteilung wegen Erpressung nicht tragen. Es fehlt durchweg bereits an hinreichend genauen Feststellungen der Nötigungsmittel. Soweit das Landgericht Drohungen angenommen hat, bleibt deren genauer Inhalt unklar; auch die Kausalität der Drohung für die jeweilige Übergabe gewünschter Mengen von Marihuana ist nicht hinreichend dargetan.
4
Selbst wenn eine Nötigung festgestellt würde, wäre im Übrigen das Merkmal des Vermögensschadens genauer zu prüfen. Dass der Verlust des illegalen Besitzes an Betäubungsmitteln ein vom Recht anerkannter Vermögensschaden ist, ist jedenfalls nicht unbestritten (vgl. etwa Hillenkamp in Festschrift für Achenbach, 2011, S. 1989 ff.; Fischer, StGB 60. Aufl. § 253 Rn. 13a mwN).
5
Schließlich hat der Generalbundesanwalt zu Recht darauf hingewiesen, dass das Urteil die Anklageschrift vom 2. November 2011 nicht erschöpft. Von den zehn angeklagten Erpressungstaten sind drei Fälle eingestellt (Ziffer 1., 9. und 10.) und sechs abgeurteilt worden; ein Fall ist daher beim Landgericht anhängig geblieben.
Fischer Schmitt Eschelbach Ott Zeng
4
Diese Verfahrensweise verletzt § 265 Abs. 1 StPO. Will das Gericht im Urteil von einer anderen Teilnahmeform ausgehen als die unverändert zugelassene Anklage, so muss es den Angeklagten gemäß § 265 Abs. 1 StPO zuvor darauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben, seine Verteidigung darauf einzurichten; das gilt auch bei einer Verurteilung wegen Alleintäterschaft statt Mittäterschaft (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1957 - 1 StR 318/57, BGHSt 11, 18, 19; Beschlüsse vom 7. September 1977 - 3 StR 299/77, juris Rn. 1; vom 16. Februar 1989 - 1 StR 24/89, BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 5; vom 17. Mai 1990 - 1 StR 157/90, NStZ 1990, 449; Urteil vom 24. Oktober 1995 - 1 StR 474/95, StV 1997, 64; Beschlüsse vom 17. Januar 2001 - 2 StR 438/00, juris Rn. 3; vom 14. Oktober 2008 - 4 StR 260/08, juris Rn. 8; vom 22. März 2012 - 4 StR 651/11, juris Rn. 3; vom 30. Juli 2013 - 2 StR 150/13, juris Rn. 1).
7
Bei Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter im Rahmen einer Tatserie bestimmt sich die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB für jeden Täter grundsätzlich nach der Anzahl seiner eigenen Handlungen zur Verwirklichung der Einzeldelikte. Wirkt ein Täter an einzelnen Taten selbst nicht unmittelbar mit einem individuellen Tatbeitrag mit, sondern erschöpft sich seine Mitwirkung daran im Aufbau und in der Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten „Geschäftsbetriebs“, sind diese Tathandlungen als – uneigentliches – Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183 f.; Beschlüsse vom 29. Juli 2009 – 2 StR 160/09, NStZ 2010, 103, 104; vom 23. Mai 2013 – 2 StR 555/12, wistra 2013, 389; vom 14. Oktober 2014 – 3 StR 365/14, NStZ 2015, 334, und vom 3. März 2016 – 4 StR 134/15, wistra 2016, 309, 310 mwN). Danach sind hier in Bezug auf den Angeklagten M. alle festgestellten Einzelfälle des Betrugs, in denen allein seine Vermittler bzw. die Geschäftsführerin Ho. seitens der von ihm beherrschten niederländischen Gesellschaft die Geschädigten getäuscht und hierdurch zu Vermögensverfügungen veranlasst haben und die Urteilsgründe keine eigenen, die einzelnen Taten fördernden Tatbeiträge belegen, als unselbständige Teile eines derartigen Organisationsdelikts zu bewerten. Daraus folgt, dass sich der Angeklagte lediglich in ins- gesamt acht rechtlich selbständigen Fällen (zusätzlich zum Organisationsdelikt in den Fällen 1 bis 5, 9 und 25 der Urteilsgründe) des Betrugs schuldig gemacht hat.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 44/07
vom
27. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Februar 2007 einstimmig

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 10. August 2006 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Rüge, das Landgericht habe gegen "die anerkannten Grundsätze der Urteilsabsprache" verstoßen (gemeint wohl: Verletzung des § 265 Abs. 4 StPO), weil es die Hauptverhandlung nicht erneut unterbrochen habe, um es dem Angeklagten zu ermöglichen, die in der protokollierten Verfahrensabsprache vorgesehene Schadenswiedergutmachung durch Grundschuldbestellung doch noch zu erbringen, ist schon nach dem eigenen Vorbringen der Revision unbegründet. Aufgrund des Schreibens des Rechtsanwalts der Geschädigten war die Schadenswiedergutmachung tatsächlich - wie laut Protokoll mit den Verfahrensbeteiligten erörtert - gescheitert. Die Geschädigten hatten sich unmissverständlich geweigert, die Abtretung der aus ihrer Sicht wertlosen Eigentümergrundschuld anzunehmen; sie waren hierzu auch nicht verpflichtet. Wenn der Angeklagte und sein Verteidiger nach Erörterung dieser Sachlage in der Hauptverhandlung keine Einwände gegen die Feststellung erheben, die Schadenswiedergutmachung sei nicht zustande gekommen, und keinen Anlass sehen , die nochmalige Unterbrechung der Hauptverhandlung zu beantragen, um gegebenenfalls auf anderem Wege einen Schadensausgleich zu bewirken, stellt es offensichtlich keinen Ermessensfehlgebrauch dar, dass das Gericht nicht von Amts wegen die Hauptverhandlung zur Ermöglichung der Schadensregulierung erneut unterbrochen hat.
Danach kommt es auf den Inhalt der dienstlichen Erklärung des Sitzungsstaatsanwalts vom 22. November 2006 nicht an. Schon aus diesem Grund war es nicht erforderlich, der Verteidigung eine weitere Stellungnahme zu dieser dienstlichen Erklärung zu ermöglichen und - entsprechend der Anregung der Verteidigung - die Akten an den Generalbundesanwalt zurückzuleiten, damit dieser unter Beachtung einer derartigen Stellungnahme eine neue Antragsschrift einreicht.
Der Schriftsatz der Verteidigung vom 27. Februar 2007 hat bei der Beratung vorgelegen.
Winkler Miebach von Lienen Becker Hubert

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.