Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2016 - 3 StR 196/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:140616B3STR196.16.0
bei uns veröffentlicht am14.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 196/16
vom
14. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
ECLI:DE:BGH:2016:140616B3STR196.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 14. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 22. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Dagegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten; das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensbeschwerde Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht, entgegen § 265 Abs. 1 StPO nicht auf die Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunkts hingewiesen worden zu sein. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
3
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legte dem Angeklagten zur Last, den ihm vorgeworfenen schweren Raub gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten A. begangen zu haben (§ 25 Abs. 2 StGB). Verurteilt hat das Landgericht indes nur den Angeklagten, während A. frei- gesprochen worden ist. Die Strafkammer hielt es für möglich, dass der Angeklagte die Tat allein begangen hatte. Einen Hinweis hierauf hat sie ihm nicht erteilt.
4
Diese Verfahrensweise verletzt § 265 Abs. 1 StPO. Will das Gericht im Urteil von einer anderen Teilnahmeform ausgehen als die unverändert zugelassene Anklage, so muss es den Angeklagten gemäß § 265 Abs. 1 StPO zuvor darauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben, seine Verteidigung darauf einzurichten; das gilt auch bei einer Verurteilung wegen Alleintäterschaft statt Mittäterschaft (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1957 - 1 StR 318/57, BGHSt 11, 18, 19; Beschlüsse vom 7. September 1977 - 3 StR 299/77, juris Rn. 1; vom 16. Februar 1989 - 1 StR 24/89, BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 5; vom 17. Mai 1990 - 1 StR 157/90, NStZ 1990, 449; Urteil vom 24. Oktober 1995 - 1 StR 474/95, StV 1997, 64; Beschlüsse vom 17. Januar 2001 - 2 StR 438/00, juris Rn. 3; vom 14. Oktober 2008 - 4 StR 260/08, juris Rn. 8; vom 22. März 2012 - 4 StR 651/11, juris Rn. 3; vom 30. Juli 2013 - 2 StR 150/13, juris Rn. 1).
5
Entgegen der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vertretenen Auffassung beruht das Urteil auf diesem Verstoß. Zwar ging schon der mit der zugelassenen Anklage erhobene Tatvorwurf dahin, dass der Angeklagte die Tathandlung als solche allein ausführte, während der dem Mitangeklagten A. zur Last gelegte Tatbeitrag im Wesentlichen darin bestand, den Tatplan entwickelt und den Angeklagten für die Ausführung der Tat angeworben zu haben. Abgesehen davon, dass der Anklagevorwurf - wie sich aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen ergibt - außerdem auf der Annahme gründete, dass A. dem Angeklagten während der Tatausführung telefonisch Anweisungen erteilte, kommt es für die Beruhensfrage nicht darauf an, ob die Mög- lichkeit einer anderen Verteidigung nahe liegt; es genügt vielmehr, dass sie nicht mit Sicherheit auszuschließen ist (BGH, Beschlüsse vom 7. September 1977 - 3 StR 299/77, juris Rn. 2; vom 16. Februar 1989 - 1 StR 24/89, BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 5); das ist hier der Fall.
6
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
7
Bei einer Verurteilung wegen eines gemäß § 250 Abs. 2 StGB qualifizierten Raubes ist die Tat im Urteilstenor als "besonders schwerer Raub" zu bezeichnen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2003 - 3 StR 373/02, BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4; vom 7. März 2006 - 3 StR 52/06, juris Rn. 2).
8
Die Verurteilung des Angeklagten wegen eines nach § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b StGB qualifizierten Raubes wird von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen. Den Urteilsgründen lässt sich schon nicht eindeutig entnehmen , dass der Angeklagte den Geschädigten durch die Tat in eine für die Verwirklichung der Vorschrift erforderliche konkrete Gefahr des Todes gebracht hat. Den Feststellungen zufolge "schlug" der Angeklagte den Geschädigten zwar "mit heftigen Schlägen gegen Oberkörper und Kopf, bis" der Geschädigte "bewusstlos zu Boden fiel" (UA S. 6), und der Geschädigte, der u.a. eine "intrazerebrale Blutung im Bereich der linksseitigen Basalganglien" erlitten hatte, "befand sich mehrere Tage aus medizinischen Gründen in einem künstlichen Koma" (UA S. 8). Daraus ergibt sich jedoch nicht unbedingt, dass er in konkrete Lebensgefahr geraten war. Den in den Urteilsgründen wiedergegebenen Angaben der Rechtsmedizinerin, die den Geschädigten untersucht hat, lässt sich insoweit nichts entnehmen.
9
Zudem belegen die Feststellungen den subjektiven Tatbestand nicht. § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b StGB setzt zumindest bedingten Vorsatz des Täters in Bezug auf den Eintritt der konkreten Gefahr des Todes voraus (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2004 - 2 StR 101/04, NStZ 2005, 156, 157). Dazu verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Es versteht sich indes weder von selbst, dass der Angeklagte die Möglichkeit erkannte, den Geschädigten durch die "heftigen Schläge gegen Oberkörper und Kopf" in konkrete Lebensgefahr gebracht zu haben, noch kann ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass er diese Folge seines Handelns billigend in Kauf nahm.
10
Die neue Hauptverhandlung wird der nunmehr zur Entscheidung berufenen Strafkammer Gelegenheit geben, die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat auch unter dem Gesichtspunkt des § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB zu prüfen.
Becker Mayer Gericke Spaniol Tiemann

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


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(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafprozeßordnung - StPO | § 260 Urteil


(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils. (2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, gena

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 438/00
vom
17. Januar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Januar
2001, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 20. Dezember 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger mit ihren zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revisionen, die sie auf die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts stützen.
Beide Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg.
1. Nach den Feststellungen waren der Angeklagte, der frühere Mitangeklagte R. und das spätere Tatopfer M. in
Rauschgiftgeschäfte verstrickt. Am 29. Juni 1998 trafen sich die Beteiligten, wobei der Angeklagte eine geladene Selbstladepistole Kaliber 7,65 mm nebst einem bestückten Ersatzmagazin mit sich führte, in der Nähe von Re. (Luxemburg ) zur Übergabe und Einfuhr von Kokain nach Deutschland. Später hielten die Beteiligten in einer Parkbucht an und im PKW des M. redeten dieser und R. miteinander. Anschließend stieg der Angeklagte dann statt R. in den PKW des M. , setzte sich auf den Fahrersitz und sprach diesen auf weitere gemeinsame Betäubungsmittelgeschäfte an. Dieser erklärte ihm, er werde für seine heutigen hilfreichen Bemühungen mit einem Geschenk entlohnt, an künftigen Geschäften werde er aber ihn nicht mehr teilhaben lassen. Durch diese Ä ußerung geriet der Angeklagte in Wut. Er fühlte sich, da er nach Meinung M. s der Teilnahme an künftigen Geschäften nicht würdig sei, ausgenutzt und lediglich mit einem Handgeld abgespeist. In seiner Wut zog er die Pistole und feuerte zunächst vom Fahrersitz aus und dann, während er aus dem Auto stieg, gezielt auf den Kopf und Halsbereich des neben ihm sitzenden M. . Nachdem er das Magazin der Waffe leer geschossen hatte, lud er diese sofort mit dem weiteren mitgeführten Magazin neu auf und schoß neben der geöffneten Fahrertür stehend von außen weiter in Richtung M. s, der an den Folgen der Schüsse verstarb.
Das Landgericht wertet das Verhalten des Angeklagten als Totschlag (§ 212 StGB) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Waffe (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).
Die Beschwerdeführer erstreben die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes.
2. Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil die Schwurgerichtskammer den Sachverhalt rechtlich nicht vollständig gewürdigt hat.
Nach den Feststellungen drängte sich nämlich die Erörterung auf, ob das Vorgehen des Angeklagten die Voraussetzungen heimtückischen Verhaltens im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB erfüllte. Denn dieser hat auf den ahnungslosen und wehrlosen M. ohne jegliche Vorwarnung und ohne ein – vorangegangenes - Zeichen feindlicher Gesinnung auf Grund einer plötzlich aufsteigenden Wut geschossen. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewußt zur Tötung ausnutzt. Arglos ist, wer sich keines Angriffs seitens des Täters auf seine körperliche Integrität versieht. Wesentlich ist, daß der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGHSt 32, 382, 384; 39, 353, 368; Senatsurteil NStZRR 1997, 168). Heimtückisches Handeln erfordert kein "heimliches" Vorgehen. Auch ein offener Angriff kann die Voraussetzungen erfüllen, wenn er so überraschend erfolgt, daß eine Gegenwehr unmöglich gemacht wird (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3 und 16). Eine nur feindselige Atmosphäre schließt Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15, 16; Senatsurteil NStZ-RR 1997, 168; BGH NStZ 1999, 506, 507).
Nach den Feststellungen war sich das Tatopfer, als es dem Angeklagten mitteilte, es werde ihn in Zukunft nicht mehr an Betäubungsmittelgeschäften beteiligen, keiner Gefahr für Leib oder Leben bewußt.
Daß dem Angeklagten die Tatsachen bekannt waren, die es rechtfertigen könnten, sein Tun als heimtückisches Vorgehen einzuordnen, und daß er diese Situation für sein Vorgehen ausnutzen wollte (vgl. BGHSt 6, 120 f; 11, 139, 144; BGH NStZ 1985, 216; 1987, 173; 554, 555; BGHR § 211 Abs. 2 Heimtücke 1, 2, 9 und 11), erscheint angesichts der Feststellungen der Strafkammer zum Tatgeschehen naheliegend.
Da der Tatrichter das Mordmerkmal der Heimtücke nicht erörtert hat, muß die Sache nochmals verhandelt werden.
3. Im Hinblick auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts weist der Senat auf folgendes hin:
Zwischen dem Tötungsdelikt und dem Verbrechen nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG liegt Tateinheit vor, da sich in der Tötungshandlung die Gefährlichkeit des Mitführens von Waffen bei Betäubungsmittelgeschäften, die der Grund der verschärften Strafdrohung des § 30 a Abs. 2 BtMG ist (vgl. Urteil des Senats vom heutigen Tage - 2 StR 437/00), realisiert hat.
Jähnke Detter Bode Rothfuß Fischer

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

2
1. Der Schuldspruch wegen schweren räuberischen Diebstahls hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Allerdings hat das Landgericht fehlerhaft die Qualifikation gemäß §§ 252, 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (zutreffende Bezeichnung: besonders schwerer räuberischer Diebstahl, vgl. BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4; BGH NStZ-RR 2003, 328; BGH, Beschl. vom 16. Juni 2004 - 5 StR 230/04) als verwirklicht angesehen. Die Verwendung einer ungeladenen Schreckschusspistole sowie einer Spielzeugwaffe (vom Tatrichter jeweils mit "Scheinwaffe" bezeichnet) als Drohmittel erfüllt nur die Qualifikation des schweren räuberischen Diebstahls gemäß §§ 252, 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB. Die Liste der angewendeten Vorschriften ist deshalb zu berichtigen.