Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juli 2018 - 1 StR 244/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. Juli 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in sechs Fällen und versuchter gewerbsmäßiger Steuerhehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Darüber hinaus hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von insgesamt 51.775,20 € angeordnet.
- 2
- Die Revision des Angeklagten, die auf die Anordnung der erweiterten Einziehung von Taterträgen (§ 73a StGB) in Höhe von 50.155,20 € beschränkt wurde, hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
- 3
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bezog der Angeklagte in sechs Fällen unverzollte und unversteuerte Zigaretten aus Polen, die die polnischen Lieferanten zuvor in das Gebiet der Europäischen Union und sodann in das der Bundesrepublik Deutschland eingeschmuggelt hatten. Die Zigaretten wurden mit einem Gewinn von 1 € je Stange (insgesamt 1.620 €) weiter ver- kauft, ohne dass der Angeklagte als Empfänger der Zigaretten unmittelbar nach deren Entgegennahme seiner hierdurch entstehenden Verpflichtung zur unverzüglichen Abgabe einer Steuererklärung (§ 23 Abs. 1 TabStG) nachgekommen war. Vor der Übergabe der siebten Lieferung an den Angeklagten wurde dieser festgenommen. Die Zigaretten wurden sichergestellt.
- 4
- Die Strafkammer hat das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO wirksam auf die gewerbsmäßige Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 2 AO) beschränkt.
- 5
- 2. Mit der ausgeführten Sachrüge greift der Angeklagte lediglich die erweiterte Einziehung an. Diese Beschränkung der Revision ist wirksam. Das Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg.
- 6
- 3. Die erweiterte Einziehung von Taterträgen (§ 73a StGB) in Höhe von 50.155,20 € hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie entfällt.
- 7
- a) Zwar kann ein Täter auch dadurch „etwas“ i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB er- langen, dass er sich Aufwendungen erspart. Infolgedessen kann bei einer Steuerhinterziehung auch ein Betrag in Höhe nicht gezahlter Steuern in Gestalt ersparter Aufwendungen der Einziehung unterliegen (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 – 1 StR 37/11, wistra 2011, 394, 395 Rn. 11 mwN, zu § 73 StGB aF).
- 8
- Der Angeklagte als Steuerhehler nach § 374 AO hat jedoch weder „durch die Tat“ noch „für sie“ die von denLieferanten hinterzogenen Steuern und Abgaben erlangt. Er ersparte sich „durch die Tat“ auch keine Aufwendun- gen, nur weil er wegen der Tat für die zuvor von den Lieferanten verkürzten Steuern gemäß § 71 AO gesamtschuldnerisch haftet. Vielmehr erlangt der Steuerhehler, indem er die Zigaretten ankauft oder sich sonst verschafft, zunächst die Zigaretten und durch den anschließenden Weiterverkauf den hieraus erzielten Erlös.
- 9
- Ist der Steuerhehler auch Empfänger der Tabakwaren i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG und damit Steuerschuldner, hat er gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG über diese Tabakwaren, für die die Steuer entstanden ist, unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben. Er hat dann zwar infolge der Nichtabgabe der geforderten Erklärung die Aufwendungen für die beim Verbringen der Zigaretten in das deutsche Steuergebiet entstandene Tabaksteuer erspart; denn wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern nach § 71 AO. Die Hinterziehung von Tabaksteuer ist hier indes nicht Gegenstand der Verurteilung. Eine Einziehung von Taterträgen über § 73 StGB scheidet daher aus.
- 10
- b) Die erweiterte Einziehung von Taterträgen (§ 73a StGB) beziehtsich – anders als die Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB, die auch sonstige Vermö- genswerte wie ersparte Aufwendungen oder Nutzungsmöglichkeiten erfasst – nicht auf „etwas“, sondern nur auf „Gegenstände“. Gegenstände sind individua- lisierte Sachen und Rechte (vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Mai 2001 – 3 StR 541/00, NStZ 2001, 531), aber nicht ersparte Aufwendungen (Heuchemer in BeckOK, StGB, 38. Edition, § 73a Rn. 7; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 73a Rn. 13). Diese engere Fassung wurde vom Gesetzgeber aufgrund der höheren Eingriffsintensität der erweiterten Einziehung bewusst gewählt (Heuchemer in BeckOK, StGB, 38. Edition, § 73a Rn. 7; BT-Drucks. 11/6623, S. 5 zum erweiterten Verfall nach § 73d StGB aF). Raum Jäger Bellay Fischer Bär
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.
(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.
(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.
(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.
Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.
(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.
(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.