Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 233/19
vom
11. Juli 2019
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2019:110719B1STR233.19.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts – zu 1. auf dessen Antrag – am 11. Juli 2019 beschlossen:
1. Der Antrag der Beschuldigten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 26. März 2019 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen (§ 46 Abs. 1 StPO). 2. Der Antrag der Beschuldigten auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird als unbegründet verworfen (§ 346 Abs. 2 StPO). 3. Die erneute Revision der Beschuldigten wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen (§ 349 Abs. 1 StPO).

Gründe:


I.

1
Das Landgericht hat gegen die Beschuldigte mit Urteil vom 26. März 2019 die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen hat die Beschuldigte mit Schreiben vom 9. April 2019 das Rechtsmittel der Revision eingelegt, welches an diesem Tag per Fax bei Gericht eingegangen ist. Diese Revision hat das Landgericht mit Beschluss vom 23. April 2019 wegen Verspätung verworfen. Mit Schreiben vom 29. April 2019 hat der Verteidiger der Beschuldigten für sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, nochmals das Rechtsmittel der Revision eingelegt und „vorsorglich“ einen Revisionsantrag gestellt. Er hat ausgeführt, der Instanzverteidi- ger sei beauftragt worden, Revision einzulegen, und habe hierzu erklärt, dies sei keine gute Idee. Erst im „Nachhinein“ sei der Beschuldigten „klar geworden, weil ihr das so gesagt worden sei, dass das Urteil Bestand habe, weil keine Re- vision eingelegt sei“. Dem Instanzverteidiger werde kein Vorwurf gemacht, denn „ggf. hat sich die Angeklagte auch nicht so deutlich und klar gegenüber dem Verteidiger zur Einlegung der Revision nach der Aussage, dass das keine gute Idee sei, geäußert“. Schließlich verweist der Verteidiger darauf, dass die Frist von einer Woche ab Kenntniserlangung offenkundig gewahrt sei.
2
1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig. Gemäß § 45 StPO muss ein fristwahrendes Wiedereinsetzungsgesuch spätestens innerhalb einer Woche nach dem Wegfall des Grundes, der den Antragsteller an der rechtzeitigen Wahrnehmung einer Prozesshandlung gehindert hat, angebracht werden. Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Wiedereinsetzungsgrund machen und darlegen, wann das Hindernis weggefallen ist, das ihn an der Fristwahrung gehindert hat. Die hierzu erforderlichen Angaben sind ebenso wie ihre Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzungen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Mai 1987 – 2 StR 177/87, BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 2; vom 14. August 1990 – 5 StR 304/90, BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 6; vom 26. Januar 1991 – 1 StR 737/90, BGHR StPO Tatsachenvortrag 7; vom 6. August 2013 – 1 StR 245/13 Rn. 4 f.; vom 29. November 2017 – 3 StR 499/17 Rn. 3 und vom 27. Juni 2017 – 2 StR 129/17 Rn. 6). Diesen Anforderungen wird der Antrag nicht gerecht.
3
Das Vorbringen der Beschuldigten belegt schon nicht, dass der Verteidiger die Einlegung der Revision zugesagt hat, was erforderlich wäre, um ein Verschulden auszuschließen (BGH, Beschluss vom 23. September 2015 – 4 StR 364/15 Rn. 4 ff. und vom 6. August 2009 – 3 StR 319/09 Rn. 2). Zudem hat die Beschuldigte nicht glaubhaft gemacht, dass sie den Instanzverteidiger mit der Einlegung der Revision beauftragt hat. Dies wäre ihr möglich gewesen, da das im Antrag dargestellte Gespräch mit dem Instanzverteidiger im Beisein der Mutter der Beschuldigten und ihrer Betreuerin stattgefunden hat. Auch eine Erklärung des Instanzverteidigers liegt hierzu nicht vor; dieser hat vielmehr erklärt, dass er wegen Nichtentbindung von der Schweigepflicht keine Stellungnahme abgeben könne.
4
Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass die Beschuldigte aufgrund ihrer psychischen Krankheit und der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus besonders schutzbedürftig ist (vgl. hierzu EGMR, Urteil vom 1. September 2016 – 24062/13 Rn. 39; BGH, Beschluss vom 31. August 2017 – 4 StR 294/17 Rn. 9). Er sieht aber dennoch keine außergewöhnlichen Umstände (vgl. EGMR aaO Rn. 43), die das Ausmaß des Verschuldens an der Fristversäumung vermindern.
5
Die Beschuldigte ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls ordnungsgemäß über ihre Rechtsmittel belehrt worden; dass sie diese Belehrung nicht verstanden hätte, ist weder ersichtlich noch wird es von ihr behauptet. Zudem war sie in der Lage, das Rechtsmittel an das zuständige Gericht zu adressieren und für den Zugang noch am Tag der Absetzung des Schreibens Sorge zu tragen. Schließlich war die Beschuldigte bei der Anbringung des Wiedereinsetzungsgesuchs neben ihrem Pflichtverteidiger noch durch ihren Wahlverteidiger , den sie nach Zugang des Verwerfungsbeschlusses beauftragen konnte, anwaltlich vertreten.

6
2. Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts, als der der Antrag vom Verteidiger wegen des Hinweises auf die Frist auszulegen ist (§ 300 StPO), war danach unbegründet. Das Landgericht hat die Revision zu Recht als unzulässig verworfen, da die Beschuldigte die Wochenfrist zur Einlegung der Revision versäumt hat. Diese Frist begann für das in ihrer Anwesenheit verkündete Urteil am Tag der Verkündung und lief daher am 2. April 2019 ab. Das Schreiben, mit dem sie erstmals einen Anfechtungswillen für das Urteil zum Ausdruck gebracht hat, ging erst am 9. April 2019 und daher verspätet beim Landgericht ein.
7
Entgegen der Ansicht der Verteidigung war auf diese Revisionseinlegung hin der Beschuldigten auch nicht Wiedereinsetzung zu gewähren. Aus dem Schreiben ergibt sich weder ein Hinweis auf die Fristversäumung noch auf die Gründe hierfür. Auch im Übrigen war nicht zu erkennen, dass das Ausmaß des Verschuldens an der Fristversäumnis aufgrund der Schutzbedürftigkeit der Beschuldigten vermindert war.
8
3. Die erneut eingelegte Revision war gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen.

II.

9
Der Senat weist darauf hin, dass das Urteil gegen die Beschuldigte keine sachlich-rechtlichen Fehler aufweist. Das Landgericht hat sich in nicht zu beanstandender Weise davon überzeugt, dass die Beschuldigte infolge eines wahnhaften Erlebens als Ausfluss ihrer paranoiden Schizophrenie ihre schlafende Mutter angriff und ihr zwei Stiche mit einem Küchenmesser in den Oberschenkel versetzte. Auch die Anordnungsvoraussetzungen für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus, insbesondere die Gefahr weiterer erheblicher Taten, sind rechtsfehlerfrei dargelegt.
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(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre.

(2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung.

(3) Gegen die den Antrag verwerfende Entscheidung ist sofortige Beschwerde zulässig.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

4
Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch unzulässig.
3
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb dieser Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen. Diese Angaben sind ebenso wie ihre Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzungen (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145 mwN). Bereits hieran fehlt es.
6
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Wiedereinsetzungsgrund machen. Die erforderlichen Angaben sind, ebenso wie ihre Glaubhaftmachung, Voraussetzung der Zulässigkeit des Antrags (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145 f.). Ein Wiedereinsetzungsantrag muss daher unter konkreter Behauptung von Tatsachen so vollständig begründet werden, dass ihm die unverschuldete Verhinderung des Antragstellers entnommen werden kann (vgl. LR/Graalmann-Scherer, StPO, 27. Aufl., § 45 Rn. 13). Daran fehlt es hier.
4
a) Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Angeklagte in einer „Eidesstattlichen Versicherung“ vorgetragen, sie habe ihren Pflichtver- teidiger in Anwesenheit der Dolmetscherin mündlich unmittelbar nach Urteils- verkündung „angewiesen“, ein Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil ein- zulegen; ihr Verteidiger habe diese eindeutige Weisung missachtet. Abgesehen davon, dass, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hervorhebt, die eigene eidesstattliche Versicherung eines Angeklagten kein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung ist (SSW-StPO/Tsambikakis, § 45 Rn. 17 mwN), ist die in dieser Erklärung enthaltene Behauptung, auf die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags Bezug genommen wird, schon nach dem Inhalt der weiteren Unterlagen, die zur Glaubhaftmachung vorgelegt werden, als widerlegt anzusehen. Ausweislich der Erklärung der bei dem Gespräch zwischen der Angeklagten und ihrem Verteidiger anwesenden Dolmetscherin hat die Angeklagte diesem lediglich mitgeteilt, sie wolle „Berufung“ einlegen und einen „neuen Versuch starten“. Daraufhin habe ihr Verteidiger darauf hingewie- sen, man habe für die Entscheidung über die Einlegung der Revision noch ein paar Tage Zeit, sie könne es sich – auch vor dem Hintergrund der am selben Tag eingegangenen Nachricht vom Tode ihres Bruders – daher in Ruhe überlegen und ihn dann anrufen, um ihm ihre endgültige Entscheidung mitzuteilen. Die Angeklagte habe dies bestätigt und ergänzend um einen Rückruf des Verteidigers gebeten, sollte sie sich selbst – möglicherweise wegen der Notwendigkeit , sich wegen des Todesfalles vorrangig um ihre familiären Angelegenheiten zu kümmern – nicht am letzten oder vorletzten Tag der Einlegungsfrist bei ihm gemeldet haben. Bestätigt wird die sachliche Richtigkeit dieser Erklärung, die auch von der Angeklagten nicht in Frage gestellt wird, durch den Inhalt des ebenfalls vorgelegten Schreibens des Verteidigers an die Postanschrift der Angeklagten am Tag vor Fristablauf, in dem er u.a. darlegt, er habe mehrfach, letztmalig am selben Tage, vergeblich versucht, diese telefonisch zu erreichen, um – absprachegemäß – ihre Entscheidung über die Rechtsmitteleinlegung zu erfahren.
2
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "1. Das Wiedereinsetzungsgesuch hat keinen Erfolg. Es ist bereits unzulässig, weil die Beschwerdeführerin keine Tatsachen behauptet hat, die sie - ohne ihr Verschulden - an der Wahrnehmung der Revisionseinlegungsfrist gehindert haben können. Die Angeklagte beruft sich lediglich darauf, dass Rechtsanwalt B. keine Revision ein-gelegt habe, obwohl sie ihn noch vor der Hauptverhandlung beauftragt habe, Rechtsmittel gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach einzulegen, falls sie zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werde. Die Angeklagte behauptet indes nicht, dass Rechtsanwalt B. ihr die Einlegung des Rechtsmittels auch zugesagt hat. Insofern konnte die Angeklagte schon nicht darauf vertrauen, dass ihr Verteidiger Revision einlegen würde, zumal er nach der Urteilsverkündung - wie die Beschwerdeführerin selbst vorträgt - keine Rücksprache mehr mit ihr gehalten hat (vgl. BGHR StPO § 44 Verschulden 8; § 44 Satz 1 Verhinderung 2, 6). Im Übrigen sind die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nicht glaubhaft gemacht worden (§ 45 Abs. 2 StPO). Eine eidesstattliche oder anwaltliche Versicherung ihres Verteidigers hat die Angeklagte zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags nicht vorgelegt, nicht einmal angeboten. Gegen die Richtigkeit der Angaben spricht zudem das Hauptverhandlungsprotokoll vom 26. Mai 2009, wonach der Verteidiger der Angeklagten die Verurteilung zu einer - dreimonatigen - Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung beantragte und die Angeklagte im letzten Wort äußerte, sie sei einverstanden (SA Bl. 39). 2. Da die Angeklagte ihre Revision erst am 10. Juni 2009 eingelegt hat, ist das Rechtsmittel durch das Revisionsgericht als unzulässig - weil verfristet - zu verwerfen (§ 341 Abs. 1, § 349 Abs. 1 StPO; vgl. Kuckein in KK StPO 6. Aufl. § 346 Rdn. 30; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 346 Rdn. 17)."
9
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift vom 7. Juli 2017 dazu das Folgende ausgeführt: „Dem Beschwerdeführer ist gemäß §§ 44, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in die versäumte Frist des § 346 Abs. 2 StPO zu gewähren.

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.