vorgehend
Verwaltungsgericht Ansbach, 4 K 13.01638, 21.01.2015
nachgehend
Bundesverwaltungsgericht, 10 C 1.15, 07.12.2016

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist gewerblich tätig als Vorstand der H. & Kollegen Assekuranzmakler AG und als Geschäftsführer der H. C. Managementgesellschaft und Beratungszentrum für das Gesundheitswesen GmbH. Er ist außerdem Prokurist einer Steuerberatungsgesellschaft (HS M. GmbH), ohne selbst steuerberatend tätig zu sein. Der Kläger begehrt von der Beklagten als örtlich zuständiger Steuerberaterkammer im Hinblick auf die von ihm angestrebte Tätigkeit als (weiterer) Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft die Zulassung einer Ausnahme vom gesetzlichen Verbot gewerblicher Tätigkeit (§ 57 Abs. 4 Nr. 1 Steuerberatungsgesetz - StBerG).

Das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach wies das Begehren des Klägers mit Urteil vom 2. März 2011 ab. Für den Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft komme eine Ausnahme vom gesetzlichen Verbot der gewerblichen Tätigkeit nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG nur dann in Betracht, wenn eine Interessenkollision ausgeschlossen werden könne. Dies sei beim Kläger nicht der Fall. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 26. Oktober 2011 ab. Es bestehe kein Zulassungsgrund. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass nach Maßgabe des § 72 Abs. 1 StBerG für den Kläger als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft sinngemäß dieselben allgemeinen Berufspflichten wie für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte gelten, auch wenn dieser in der Steuerberatungsgesellschaft selbst nicht steuerberatend tätig sei. Damit gelte auch § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG, wonach als Tätigkeit, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sei, insbesondere eine gewerbliche Tätigkeit gelte. Die zuständige Steuerberaterkammer könne von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten sei. Mit dem Verbot solle der abstrakten Gefahr einer Verletzung der Berufspflichten begegnet werden. Bei der Zulassung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG sei darauf abzustellen, ob im konkreten Fall die Verletzung von Berufspflichten ausnahmsweise ausgeschlossen werden könne. Hierfür trage der Berufsangehörige die Darlegungs- und Feststellungslast. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts habe diesen Grundsätzen entsprochen. Das Verwaltungsgericht habe eine Interessenkollision deshalb für nicht ausgeschlossen erachtet, weil der Kläger in gewerblichen Firmen tätig sei, deren Klientel (teilweise) auch zu den Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft gehöre. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass wirtschaftliche Kenntnisse und Informationen aus dem Mandantenkreis der Steuerberatungsgesellschaft in unzulässiger Weise auch gewerblich genutzt werden könnten.

Auf Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 23. August 2013 das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. März 2011 und den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Oktober 2011 aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt sei nicht hinreichend aufgeklärt worden. Es fehlten Feststellungen zur gemeinsamen Klientel bei gewerblicher und steuerberatender Berufstätigkeit sowie dazu, welche Interessenkollisionen auftreten könnten und ob den damit verbundenen Gefahren im konkreten Fall mit hinreichenden Mitteln, etwa mittels Berufsausübungsregelungen, begegnet werden könne.

Das Verwaltungsgericht hat mit streitgegenständlichem Urteil vom 8. Juli 2014 die Klage des Klägers erneut abgewiesen. Der Kläger habe nicht darlegen und beweisen können, dass durch die streitgegenständlichen gewerblichen Tätigkeiten eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten sei. Der Einfluss des Klägers auf die Steuerberatungsgesellschaft unterscheide sich bei einer Funktion als Geschäftsführer deutlich von der bisherigen Tätigkeit als Prokurist. Damit bestehe die besondere Gefahr von Interessenkollisionen im Hinblick auf eine unabhängige Beratung der Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zugrunde: Die Steuerberatungsgesellschaft (HS M. GmbH) ist auf die Beratung von Ärzten spezialisiert. Die Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft sind nach eigenen Angaben der Klagepartei „mehrheitlich“ zugleich auch Kunden der H. & Kollegen Assekuranzmakler AG sowie der H. C. Managementgesellschaft und Beratungszentrum für das Gesundheitswesen GmbH, die im Sinne einer „Rundumbetreuung“ mit verschiedenen „Kooperationspartnern“ für ihre Kunden vielfältige gewerbliche Dienstleistungen (als Versicherungsmakler und Beratungsunternehmen) insbesondere auf dem Gebiet des Gesundheitswesens (im Wesentlichen für Ärzte und Krankenhäuser) erbringen. Die Steuerberatungsgesellschaft ist von den Unternehmen der „H-Gruppe“ personell (mit Ausnahme der Person des Klägers), räumlich (innerhalb desselben Bürogebäudes) und EDV-technisch getrennt und mit diesen weder vertraglich noch finanziell verbunden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Der Kläger beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger im Hinblick auf eine beabsichtigte zukünftige Tätigkeit als Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft von dem Verbot gemäß § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG im Hinblick auf die folgenden gewerblichen Tätigkeiten zu befreien und hierzu eine Ausnahmegenehmigung nach dieser Vorschrift zu erteilen:

1. Vorstand der H. & Kollegen Assekuranzmakler AG und

2. Geschäftsführer der H. C. Managementgesellschaft und Beratungszentrum für das Gesundheitswesen GmbH.

Das Verwaltungsgericht habe die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 23. August 2013 dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsätze erneut nicht hinreichend berücksichtigt. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts lasse - obwohl das Bundesverfassungsgericht dies ausdrücklich bemängelt habe - konkrete Feststellungen zur gemeinsamen Klientel bei gewerblicher und steuerberatender Berufstätigkeit und Erwägungen zu möglicherweise drohenden Interessenkollisionen vermissen. Unstreitig sei, dass sich die Steuerberatungsgesellschaft ebenso wie die beiden gewerblichen Unternehmen auf die Beratung von Ärzten spezialisiert hätten und gegenwärtig noch etwa die Hälfte der Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft - mit weiter rückläufiger Tendenz - auch Kunden der gewerblichen Unternehmen seien. Das Verwaltungsgericht habe weder die tatsächliche (konkrete) Gefahr einer Interessenkollision festgestellt noch hinreichend geprüft, ob nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregeln die Gefahr einer etwaigen Interessenkollision zu bannen sei. Das Verwaltungsgericht habe dem Kläger vielmehr lediglich Interessenkonflikte, situationsgebundene Pflichtverletzungen und rechtsuntreues Verhalten unterstellt, obwohl - wie das Bundesverfassungsgericht entschieden habe - die Konzeption des Berufsrechts der Steuerberater nicht auf der Annahme beruhe, dass eine situationsgebundene Gelegenheit zur Pflichtverletzung im Regelfall zu einem pflichtwidrigen Handeln des Berufsrechtsunterworfenen führe, sondern vielmehr darauf, dass dieser sich grundsätzlich rechtstreu verhalte. Die Gefahr einer Interessenkollision bestehe im Übrigen tatsächlich nicht, da der Kläger als weiterer Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft im Wesentlichen dieselbe (nicht steuerberatende) Tätigkeit wie bisher als Prokurist ausüben werde. Der Kläger sei zudem bereit, etwaigen Gefahren von Pflichtverletzungen durch vertragliche Regelungen zu begegnen. Er werde als Geschäftsführer gegenüber den steuerberatenden Berufsträgern nicht weisungsbefugt sein und keinen Einfluss auf deren Tätigkeit nehmen und auch keine Möglichkeit zur Einsichtnahme in Mandantendateien haben. Er werde außerdem als Geschäftsführer nicht allein vertretungsbefugt sein und lediglich Minderheitsgesellschafter sein.

Die Beklagte beantragt unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses unterstützt (ohne eigene Antragstellung) das Vorbringen der Beklagten.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat im Hinblick auf die von ihm angestrebte Tätigkeit als (weiterer) Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft keinen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme vom gesetzlichen Verbot gewerblicher Tätigkeit.

a) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger kraft Gesetzes denselben allgemeinen Berufspflichten wie ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter unterliegt, wenn er Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft ist, ohne selbst Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter zu sein (§ 72 Abs. 1 StBerG). Der Kläger bedarf als Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft daher einer Ausnahme vom gesetzlichen Verbot gewerblicher Tätigkeit.

aa) Die allgemeinen Berufspflichten der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten regelt § 57 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November 1975 (BGBl I S. 2735), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Juli 2014 (BGBl I S. 1266). Danach haben Steuerberater und Steuerbevollmächtigte ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben und sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist. Sie haben sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die ihr Beruf erfordert (§ 57 Abs. 1 und 2 StBerG). Die Absätze 3 und 4 des § 57 StBerG bestimmen insbesondere, welche Tätigkeiten mit dem Beruf eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten vereinbar oder nicht vereinbar sind. § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG normiert, dass als Tätigkeit, die mit dem Beruf des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar ist, insbesondere eine gewerbliche Tätigkeit gilt. Die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist (§ 57 Abs. 4 Nr. 1 HalbsStBerGBerG).

bb) Das grundsätzliche Verbot gewerblicher Tätigkeit ist Folge des gesetzlich normierten Berufsbildes, wonach Steuerberater und Steuerbevollmächtigte einen freien Beruf und kein Gewerbe ausüben (§ 32 Abs. 2 StBerG). Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sind unabhängige Organe der Steuerrechtspflege. Ihr Berufsbild ist ausgerichtet auf den Vorrang der persönlichen berufsspezifischen Leistung vor den wirtschaftlichen Aspekten ihrer Tätigkeit und geprägt durch die unabhängige und unparteiliche Erfüllung der den steuerberatenden Berufen übertragenen Aufgabe, eine umfassende Hilfeleistung in Steuersachen zu gewährleisten (vgl. BGH, U.v. 4.3.1996 - StbSt (R) 4/95 - juris Rn. 40). Dass der Gesetzgeber befugt ist, Berufe, die sich zunächst frei entwickelt haben, rechtlich zu ordnen und ihre Berufsbilder festzuschreiben, ist vom Bundesverfassungsgericht frühzeitig anerkannt und auch für die steuerberatenden Berufe wiederholt bestätigt worden. Die gesetzlich geregelten Unvereinbarkeiten zwischen dem Beruf und anderen - insbesondere gewerblichen - Tätigkeiten sind von Verfassungswegen im Hinblick auf Artikel 12 Abs. 1 GG nicht beanstandet worden. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht derartige Regelungen für besonders geeignet erachtet, den Beruf eindeutig zu prägen, das Berufsbild klar zu umgrenzen, die Aufsicht über die gewissenhafte Erfüllung der Berufspflichten zu erleichtern und so das Ansehen des Berufes zu fördern (vgl. BGH, U.v. 4.3.1996 - StbSt (R) 4/95 - juris Rn. 41 m. w. N.). Die steuerberatende Tätigkeit bringt es mit sich, dass dem Berater die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines Mandanten umfassend im Rahmen einer oftmals jahrelangen dauerhaften Zusammenarbeit offenbart werden müssen, wenn eine sachgerechte Hilfe in steuerlichen Angelegenheiten gewährleistet werden soll. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 15. Februar 1967 - 1 BvR 569/62 - (BVerfGE 21, 173/182) für die steuerberatenden Berufe eine Kombination mit einer gewerblichen Tätigkeit für noch weniger erträglich erachtet als bei anderen freien Berufen. Schon die Möglichkeit, Kenntnisse und Informationen aus der steuerberatenden Tätigkeit im Rahmen des eigenen Gewerbes zum eigenen Nutzen und zum Nachteil des Mandanten umzusetzen, könnte die vom Gesetzgeber gewollte Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Beraters gegenüber seinem Auftraggeber sowie das Vertrauensverhältnis zwischen diesen beeinträchtigen (vgl. BGH, U.v. 4.3.1996 - StbSt (R) 4/95 - juris Rn. 43 m. w. N.).

cc) Steuerberatungsgesellschaften leisten ebenso wie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen (§ 32 Abs. 1 StBerG). Sie haben damit - ebenso wie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte - die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten (§ 33 Satz 1 StBerG). Sie sind - wie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte - Mitglieder der für sie örtlich zuständigen Steuerberaterkammer (§ 74 Abs. 1 Satz 1 StBerG). Steuerberatungsgesellschaften bedürfen der Anerkennung. Die Anerkennung setzt den Nachweis voraus, dass die Gesellschaft von Steuerberatern verantwortlich geführt wird (§ 32 Abs. 3 StBerG). Die zuständige Steuerberaterkammer kann allerdings genehmigen, dass besonders befähigte Personen nach näherer Maßgabe des Gesetzes neben Steuerberatern Vorstandsmitglieder oder persönlich haftende Gesellschafter oder - wie vom Kläger angestrebt - Geschäftsführer von Steuerberatungsgesellschaften werden (§ 50 Abs. 3 StBerG). In diesem Fall sind wegen ihrer besonderen verantwortlichen Stellung in der Steuerberatungsgesellschaft auch diese Personen (Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter), obwohl sie selbst nicht Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind, denselben Berufspflichten unterworfen wie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte (§ 72 Abs. 1 StBerG) und kraft Gesetzes Mitglieder der für sie örtlich zuständigen Steuerberaterkammer (§ 74 Abs. 2 StBerG). Nur in einer solchen von der Steuerberaterkammer genehmigten Funktion dürfen diese Personen auch Gesellschafter der Steuerberatungsgesellschaft sein (§ 50a Abs. 1 Nr. 1 StBerG).

dd) Das grundsätzliche Verbot gewerblicher Tätigkeit gilt nach dem Willen des Gesetzgebers trotz fortschreitender Liberalisierung des Berufsrechts der Steuerberater auch weiterhin. Die mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 8. April 2008 erfolgte Neufassung der Nr. 1 des § 57 Abs. 4 StBerG soll es den Steuerberaterkammern lediglich ermöglichen, eine Ausnahme von diesem Verbot dann zuzulassen, wenn eine Gefährdung der Berufspflichten nicht besteht (vgl. BT-Drs. 16/7077 S. 1 und 32).

(1) Die Fachgerichte sind sich darin einig, dass der Regelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG unverändert die Annahme des Gesetzgebers zugrunde liegt, dass eine gewerbliche Zweit- oder Nebentätigkeit im typischen Regelfall die verlässliche Einhaltung der allgemeinen Berufspflichten des Steuerberaters im Sinne einer abstrakten Gefahr zu beeinträchtigen droht. Die Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG hat an diesem Grundsatz nichts geändert. Mit der grundsätzlichen Unvereinbarkeit einer gewerblichen Tätigkeit soll demnach der abstrakten Gefahr einer Verletzung der dem Steuerberater obliegenden Berufspflichten begegnet werden. Bei der Zulassung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG ist deshalb darauf abzustellen, ob im konkreten Fall die Verletzung von Berufspflichten ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann. Ein Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme besteht nur dann, wenn die vom Gesetzgeber unterstellte abstrakte Gefahr der Beeinträchtigung von Berufspflichten im konkreten Fall widerlegt ist. Hierfür trägt der Berufsangehörige die Darlegungs- und Feststellungslast (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 26.9.2012 - 8 C 26/11 - juris Rn. 28 m. w. N.; BFH, U.v. 17.5.2011 - VII R 47/10 - juris Rn. 18).

(2) Das Bundesverfassungsgericht hat die fachgerichtliche Auslegung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG für grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 36; B.v. 13.1.2014 - 1 BvR 2884/13 - juris Rn. 26), jedoch auf die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung hingewiesen.

Zweck der Regelung ist auch aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts die Sicherung der Unabhängigkeit der Steuerberatung und der Schutz des Mandanten vor für ihn nachteiliger Verwertung eigener Geschäftsdaten (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 34). Mit dem grundsätzlichen Verbot gewerblicher Tätigkeit sollen die fachliche Kompetenz und Integrität sowie ausreichender Handlungsspielraum der steuerberatenden Berufsträger gesichert und die notwendige Vertrauensgrundlage zwischen Berufsträger und Mandanten geschützt werden. Damit dient die Regelung der Funktionsfähigkeit der Steuerrechtspflege, die als Teil der gesamten Rechtspflege einen Gemeinwohlbelang von großer Bedeutung darstellt (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 30 m. w. N.). Mit der Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG und der Öffnung für Ausnahmefälle hat der Gesetzgeber allerdings deutlich gemacht, dass eine gewerbliche Tätigkeit nicht schlechthin zu einer Gefährdung der Steuerrechtspflege führt, die Eingriffe in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) rechtfertigen kann (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 30). Denn die Einführung einer Berufswahlschranke hinsichtlich gewerblicher Tätigkeiten ist nur dort erforderlich und zumutbar, wo die Gefahr einer Interessenkollision sich deutlich abzeichnet und nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregeln zu bannen ist (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 25 f. m. w. N.). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet Zurückhaltung bei der Entwicklung typisierender Unvereinbarkeiten, weil die Beschränkung der Berufswahlfreiheit dem Betroffenen nur zumutbar ist, wenn der Unvereinbarkeitsgrundsatz nicht starr gehandhabt wird. Aufgrund der Vielfalt möglicher erwerbswirtschaftlicher Betätigungen ist eine Einzelfallprüfung erforderlich, die der Vielgestaltigkeit der Tätigkeiten Rechnung trägt (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 25 f. m. w. N.).

(3) Die fachgerichtliche Rechtsprechung lässt einen erheblichen Anwendungsbereich der Vorschrift über die Zulassung von Ausnahmen vom Verbot gewerblicher Tätigkeit erkennen, der über die in § 16 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer genannten Beispielsfälle hinausgeht (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 26.9.2012 - 8 C 6/12 - NJW 2013, 330). Die Zulassung einer Ausnahme setzt jedoch stets voraus, dass sich die Tätigkeitsfelder der steuerberatenden und der gewerblichen Berufe deutlich voneinander trennen lassen, um für die steuerberatende Tätigkeit die Gefahr der Kollision mit gewerblichen Interessen auszuschließen (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 26.9.2012 - 8 C 6/12 - NJW 2013, 330; vgl. auch BGH, U.v. 4.3.1996 - StbSt (R) 4/95 - juris Rn. 55 f.; BVerfG, B.v. 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 u. a. - juris Rn. 119, 128, 132). Weil eine solche Trennung der beruflichen Tätigkeitsbereiche bezogen auf andere gewerbliche Unternehmungen des Klägers möglich ist, hat die Beklagte zugunsten des Klägers während des gerichtlichen Verfahrens bereits auch eine Ausnahme vom Verbot gewerblicher Tätigkeit (als Geschäftsführer der H. Business Travel GmbH & Co. KG) zugelassen.

b) Eine Ausnahme vom Verbot gewerblicher Tätigkeit ist jedoch bezogen auf die beiden noch streitgegenständlichen gewerblichen Tätigkeiten nicht möglich, weil sich hier die Tätigkeitsfelder der Steuerberatungsgesellschaft und der gewerblichen Unternehmen nicht deutlich voneinander trennen lassen und sich wegen der in Gestalt des Klägers bestehenden personellen Verflechtung der steuerberatenden und der gewerblichen Tätigkeit die Gefahr der Interessenkollision nicht ausschließen lässt.

aa) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sich die Steuerberatungsgesellschaft und die streitgegenständlichen gewerblichen Unternehmen im Wesentlichen auf die Beratung von Ärzten (und ggf. die Erbringung weiterer Dienstleistungen) spezialisiert haben. Die gewerblichen Unternehmen befassen sich insbesondere - unter Einbeziehung der persönlichen Lebensumstände und der beruflichen wie privaten Ziele ihrer Kunden - mit den Themen Versicherung, Abrechnung, Absicherung und Finanzierung, etwa in Bezug auf Existenzgründung, Niederlassungsberatung, Praxisfinanzierung, organisatorische und strategische Planung, Praxisübergabe und Umfang des Versicherungsschutzes. Die Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft sind zu einem erheblichen Teil (gegenwärtig etwa noch zur Hälfte) auch Kunden der gewerblichen Unternehmen. Zwar beabsichtigt der Kläger weder mit den Ärzten in berufliche Konkurrenz zu treten noch stehen die Steuerberatungsgesellschaft und die gewerblichen Unternehmen in einer Konkurrenzsituation. Die Gefahr einer Interessenkollision besteht für die Steuerberatungsgesellschaft jedoch deshalb, weil sie im Rahmen der steuerberatenden Tätigkeit Einblick in alle privaten und betriebswirtschaftlichen Aspekte der von ihr beratenen Mandanten erhält und sich ihre steuerberatende Tätigkeit wegen der Identität der Beratungsgegenstände auch auf Empfehlungen zur Fortsetzung, Kündigung oder Änderung bestehender oder zum Abschluss neuer Verträge über Dienstleistungen erstreckt, die zu den Tätigkeitsbereichen der streitgegenständlichen gewerblichen Unternehmungen gehören.

bb) Tritt der Kläger als Geschäftsführer in die Steuerberatungsgesellschaft ein, so entsteht in seiner - nunmehr kraft Gesetzes dem Berufsrecht der Steuerberater unterworfenen - Person ein weder durch Berufsausübungsregeln noch durch vertragliche Regelungen zu beseitigender Konflikt zwischen seiner Pflicht zur Wahrung der Unabhängigkeit der steuerlichen Beratung und seinem (gewinnorientierten) Interesse am wirtschaftlichen Erfolg seiner beiden gewerblichen Unternehmen, denen er als Vorstand bzw. Geschäftsführer vorsteht. Es entspricht dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers, das Entstehen einer solchen Konfliktsituation, welche die Unabhängigkeit der steuerberatenden Tätigkeit beeinträchtigen könnte, von vornherein zu vermeiden und es nicht darauf ankommen zu lassen, ob sich bei Bestehen einer Interessenkollision diese im Einzelfall tatsächlich zum Nachteil eines Mandanten auswirkt.

(1) Der Gesetzgeber hat durch die Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG zwar die Möglichkeit einer gewerblichen Tätigkeit neben der steuerberatenden Tätigkeit anerkannt, soweit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist. Er hat gleichzeitig jedoch unverändert an seiner gesetzgeberischen Entscheidung festgehalten, dass die steuerberatende Tätigkeit selbst gemäß dem gesetzlich normierten Berufsbild unabhängig und damit insbesondere auch frei von gewerblichen Interessen zu sein hat. Dem geltenden Recht lassen sich auch sonst keine Berufsausübungsregeln entnehmen, die eine Einflussnahme gewerblicher Interessen auf die steuerberatende Tätigkeit unterbinden könnten. Die Möglichkeit derartiger gesetzlicher Regeln de lege ferenda hat der Kläger weder vorgetragen noch sind sie auf der Grundlage des geltenden Rechts für das Gericht vorstellbar. Aus diesem Grund erachtet der Gesetzgeber auch die Ausübung des steuerberatenden Berufs in Kooperation mit Gewerbetreibenden als unzulässig (vgl. BT-Drs. 16/7077 S. 32 zu § 56 Abs. 5 StBerG).

(2) Die Unabhängigkeit der Steuerberatung ist nach dem Willen des Gesetzgebers ein wesentlicher und unabdingbarer Bestandteil des gesetzlich normierten Berufsbilds. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die steuerberatende Tätigkeit es mit sich bringt, über einen regelmäßig längeren Zeitraum hinweg umfassende Einblicke in finanzielle und wirtschaftliche Verhältnisse eines Mandanten zu erhalten. Derartige Einblicke besitzen nicht nur für gewerbliche Unternehmen erheblichen geldwerten Vorteil, weil sie in vielfältiger Weise wirtschaftlich nutzbar gemacht werden können. Sie erfordern auch das besondere Vertrauen des Mandanten in den vom Gesetzgeber gewährleisteten Umstand, dass ihn der Steuerberater tatsächlich unabhängig und frei von eigenen oder fremden gewerblichen Interessen berät. Mit der gesetzgeberischen Wertung, die Freiheit der steuerberatenden Tätigkeit von gewerblichen Interessen strikt zu wahren und schon die Möglichkeit einer Interessenkollision auszuschließen, ist es unvereinbar, eine tatsächlich bestehende Interessenkollision - wie im vorliegenden Fall - deshalb für „widerlegt“ zu erachten, weil durch vertragliche (gesellschaftsinterne) Regelungen die Risiken der Interessenkollision minimiert werden sollen. Die Rechtsprechung hat es schon bisher als unerheblich angesehen, dass ein Berufsangehöriger die innere Bereitschaft besitzt, im Fall einer von ihm erkannten Kollision sich berufstreu zu verhalten und gewerbliche Interessen zurückzustellen (vgl. BGH, U.v. 4.3.1996 - StbSt (R) 4/95 - juris Rn. 45). Der Senat hält hieran fest, weil nur auf diese Weise der Gefahr einer möglichen Interessenkollision zwischen den verschiedenen Tätigkeitsfeldern des Berufsangehörigen von vornherein begegnet werden kann. Die Unabhängigkeit der Steuerberatung soll nach dem Willen des Gesetzgebers durch die zur Überwachung der Einhaltung der Berufspflichten als Selbstverwaltungskörperschaft des Berufsstands berufene Steuerberaterkammer bereits im Vorfeld der Berufsausübung (präventiv) sichergestellt werden (vgl. auch § 40 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2; § 42 Satz 2 StBerG) und nicht lediglich auf einer repressiven Kontrolle beruhen, die erst im Fall tatsächlich verletzter Berufspflichten wirksam wird. Die Folgen dieser gesetzgeberischen Entscheidung sind dem Kläger auch zumutbar. Er darf - wie bisher - als Prokurist der Steuerberatungsgesellschaft tätig sein.

cc) Der Umstand, dass der Gesetzgeber nur den Personenkreis der Vorstandsmitglieder, der Geschäftsführer und der persönlich haftenden Gesellschafter und nicht auch sonstige Mitarbeiter (etwa Prokuristen) von Steuerberatungsgesellschaften den für Steuerberater und Steuerbevollmächtigten geltenden Berufspflichten unterworfen hat, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber darf darauf vertrauen, dass die verantwortlichen Führungskräfte einer Steuerberatungsgesellschaft die Einhaltung der Berufspflichten innerhalb der Steuerberatungsgesellschaft gewährleisten können und sonstige Mitarbeiter regelmäßig nicht denselben Einfluss wie diese Führungskräfte auf die Tätigkeit der Steuerberatungsgesellschaft haben. Mit dieser Einschätzung bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb seines Beurteilungsspielraums, der von den Gerichten grundsätzlich hinzunehmen und zu beachten ist (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 30).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

3. Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf ihren verfassungsrechtlichen Bezug grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

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Tenor I. Der Bescheid der Beklagten vom 12. August 2015 wird aufgehoben II. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die beantragte Ausnahmebewilligung für eine Tätigkeit als Geschäftsführer der ... Treuhandgesells

Verwaltungsgericht München Urteil, 19. Mai 2015 - M 16 K 14.477

bei uns veröffentlicht am 19.05.2015

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München Aktenzeichen: M 16 K 14.477 Im Namen des Volkes Urteil vom 19. Mai 2015 16. Kammer M 16 K 14.477 Sachgebiets-Nr. 412 Hauptpunkte: Beitragserhebung durch S

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(1) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben. Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich auf alles, was in Ausübung des Berufs bekannt geworden ist. Sie gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.

(1a) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte dürfen nicht tätig werden, wenn eine Kollision mit eigenen Interessen gegeben ist.

(1b) Berät oder vertritt ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter mehrere Auftraggeber in derselben Sache, ist er bei Interessenkollisionen verpflichtet, auf die widerstreitenden Interessen der Auftraggeber ausdrücklich hinzuweisen und darf nur vermittelnd tätig werden.

(1c) Die Absätze 1a und 1b gelten auch für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten ausüben, der einem Tätigkeitsverbot nach Absatz 1a unterliegt oder der nach Absatz 1b nur vermittelnd tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1 bleibt bestehen, wenn der dem Tätigkeitsverbot unterliegende Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Auftraggeber der Tätigkeit nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 1a oder Absatz 1b, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots oder einer Beschränkung auf vermittelnde Tätigkeit erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten auch ohne Einwilligung des Auftraggebers offenbart werden.

(2) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist. Sie haben sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die ihr Beruf erfordert.

(2a) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sind verpflichtet, sich fortzubilden.

(3) Mit dem Beruf eines Steuerberaters oder eines Steuerbevollmächtigten sind insbesondere vereinbar

1.
die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, niedergelassener europäischer Rechtsanwalt oder vereidigter Buchprüfer;
2.
eine freiberufliche Tätigkeit, die die Wahrnehmung fremder Interessen einschließlich der Beratung zum Gegenstand hat;
3.
eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen;
4.
die Tätigkeit eines Lehrers oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten, sofern der wissenschaftliche Mitarbeiter ihm übertragene Aufgaben in Forschung und Lehre überwiegend selbständig erfüllt; nicht vereinbar hingegen ist die Tätigkeit eines Lehrers oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschulen mit Ausbildungsgängen für den öffentlichen Dienst;
5.
eine freie schriftstellerische Tätigkeit sowie eine freie Vortrags- und Lehrtätigkeit;
6.
die Durchführung von Lehr- und Vortragsveranstaltungen zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung sowie die Prüfung als Wirtschaftsprüfer und vereidigter Buchprüfer und zur Fortbildung der Mitglieder der Steuerberaterkammern und deren Mitarbeiter.

(4) Als Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere

1.
eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist;
2.
eine Tätigkeit als Arbeitnehmer mit Ausnahme der Fälle des Absatzes 3 Nr. 4 sowie der §§ 58 und 59. Eine Tätigkeit als Angestellter der Finanzverwaltung ist stets mit dem Beruf des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten unvereinbar.

Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Berufsausübungsgesellschaften haben die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten. Dazu gehören auch die Hilfeleistung in Steuerstrafsachen und in Bußgeldsachen wegen einer Steuerordnungswidrigkeit sowie die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die auf Grund von Steuergesetzen bestehen, insbesondere die Aufstellung von Abschlüssen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, und deren steuerrechtliche Beurteilung.

(1) Mitglieder der Steuerberaterkammer sind außer Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten die anerkannten Berufsausübungsgesellschaften, die ihren Sitz im Kammerbezirk haben. Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes keine berufliche Niederlassung begründet haben, sind Mitglieder der Steuerberaterkammer, in deren Bezirk sie bestellt worden sind. § 46 Abs. 2 Nr. 6 bleibt unberührt.

(2) Mitglieder der Steuerberaterkammer sind außerdem, soweit sie nicht Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind, die Mitglieder des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans einer anerkannten Berufsausübungsgesellschaft, die ihren Sitz im Kammerbezirk hat.

(3) Anerkannte Berufsausübungsgesellschaften, die keinen Sitz im Inland haben, sind Mitglieder der Steuerberaterkammer, die sie anerkannt hat.

(1) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben. Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich auf alles, was in Ausübung des Berufs bekannt geworden ist. Sie gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.

(1a) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte dürfen nicht tätig werden, wenn eine Kollision mit eigenen Interessen gegeben ist.

(1b) Berät oder vertritt ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter mehrere Auftraggeber in derselben Sache, ist er bei Interessenkollisionen verpflichtet, auf die widerstreitenden Interessen der Auftraggeber ausdrücklich hinzuweisen und darf nur vermittelnd tätig werden.

(1c) Die Absätze 1a und 1b gelten auch für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten ausüben, der einem Tätigkeitsverbot nach Absatz 1a unterliegt oder der nach Absatz 1b nur vermittelnd tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1 bleibt bestehen, wenn der dem Tätigkeitsverbot unterliegende Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Auftraggeber der Tätigkeit nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 1a oder Absatz 1b, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots oder einer Beschränkung auf vermittelnde Tätigkeit erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten auch ohne Einwilligung des Auftraggebers offenbart werden.

(2) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist. Sie haben sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die ihr Beruf erfordert.

(2a) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sind verpflichtet, sich fortzubilden.

(3) Mit dem Beruf eines Steuerberaters oder eines Steuerbevollmächtigten sind insbesondere vereinbar

1.
die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, niedergelassener europäischer Rechtsanwalt oder vereidigter Buchprüfer;
2.
eine freiberufliche Tätigkeit, die die Wahrnehmung fremder Interessen einschließlich der Beratung zum Gegenstand hat;
3.
eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen;
4.
die Tätigkeit eines Lehrers oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten, sofern der wissenschaftliche Mitarbeiter ihm übertragene Aufgaben in Forschung und Lehre überwiegend selbständig erfüllt; nicht vereinbar hingegen ist die Tätigkeit eines Lehrers oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschulen mit Ausbildungsgängen für den öffentlichen Dienst;
5.
eine freie schriftstellerische Tätigkeit sowie eine freie Vortrags- und Lehrtätigkeit;
6.
die Durchführung von Lehr- und Vortragsveranstaltungen zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung sowie die Prüfung als Wirtschaftsprüfer und vereidigter Buchprüfer und zur Fortbildung der Mitglieder der Steuerberaterkammern und deren Mitarbeiter.

(4) Als Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere

1.
eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist;
2.
eine Tätigkeit als Arbeitnehmer mit Ausnahme der Fälle des Absatzes 3 Nr. 4 sowie der §§ 58 und 59. Eine Tätigkeit als Angestellter der Finanzverwaltung ist stets mit dem Beruf des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten unvereinbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Steuerberatungsgesellschaft, möchte Honorarforderungen anderer Steuerberater im Wege des Inkasso eintreiben. Sie begehrt die Feststellung, dass sie hierfür keiner Erlaubnis bedürfe, und hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung.

2

Die Klägerin wurde im Frühjahr 2008 von ihrer Geschäftsführerin und deren Sohn gegründet. Beide gehören dem Vorstand der D. an, die unter anderem den Ankauf und den Einzug von Steuerberaterhonorarforderungen als Factoring-Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Klägerin betrieb.

3

Der Unternehmensgegenstand der Klägerin umfasste gemäß § 2 Abs. 1 der Gesellschaftssatzung zunächst die "geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen sowie die damit zu vereinbarenden Tätigkeiten im Sinne des Steuerberatergesetzes". Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 15. Mai 2009 wurde der Unternehmensgegenstand dahin erweitert, dass auch mit der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen zu vereinbarende Tätigkeiten im Sinne des Steuerberatungsgesetzes, insbesondere nach § 64 Abs. 2 StBerG, verfolgt würden.

4

Daraufhin widerrief die Beklagte die Zulassung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft mit Bescheid vom 7. August 2009, weil die Aufnahme einer gewerblichen Inkassotätigkeit mit dem Steuerberatergesetz unvereinbar sei. Die hiergegen erhobene Klage wurde vom Finanzgericht mit Urteil vom 24. Februar 2010 abgewiesen. Das anhängige Revisionsverfahren setzte der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 4. März 2010 bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht aus.

5

Am 16. Oktober 2009 beantragte die Klägerin eine Ausnahmegenehmigung für die Inkassotätigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Juni 2010 ab. Da einem Steuerberater bei Wahrnehmung von Mandanteninteressen ein umfassender Einblick in die wirtschaftliche und in der Regel auch höchstpersönliche Situation des Mandanten gewährt werde, stehe das geschäftsmäßige (gewerbliche) Inkasso gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 StBerG unter dem Einwilligungsvorbehalt der Mandanten. Hiervon könne der Klägerin keine Ausnahme erteilt werden. Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG sei nicht erkennbar. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2010 zurück.

6

Im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht machte die Klägerin geltend, die grundsätzliche Vereinbarkeit von Inkassotätigkeiten mit dem Beruf des Steuerberaters folge bereits aus § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG. Ihre Inkassotätigkeit sei deshalb ohne Erlaubnis zulässig. Unabhängig davon bestehe ein Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung, weil eine Verletzung von Berufspflichten durch die gewerbliche Übernahme von Steuerberaterhonorarforderungen nicht zu erwarten sei. Für die Zweitberufsfreiheit der Steuerberater könne nichts anderes gelten als bei Rechtsanwälten, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich uneingeschränkt zu gewerblichen Zweitberufstätigkeiten berechtigt seien. Es komme mithin allein darauf an, ob durch die gewerbliche Tätigkeit eine konkrete Gefahr für die unabhängige Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit bestehe. Dies sei hier zu verneinen. Schließlich sei ein Forderungsmanagement durch die D. nicht mehr geplant, die Forderungseintreibung erfolge nur noch durch die Klägerin selbst, die D. sei nur noch für die Anwerbung der Kunden zuständig.

7

Mit Urteil vom 24. Februar 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die beabsichtigte Factoring- bzw. Inkassotätigkeit stelle eine gewerbliche Tätigkeit dar, die nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG verboten sei. Aus § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG folge keine allgemeine Aufhebung dieses Verbots. Diese Norm lasse allein die Abtretung von Honorarforderungen eines Steuerberaters unter Wahrung seiner Schweigepflicht zu. Die Voraussetzungen für die begehrte Ausnahmegenehmigung lägen nicht vor, weil eine Verletzung von Berufspflichten nicht ausgeschlossen werden könne.

8

Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22. Juni 2011 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Das Feststellungsbegehren sei unzulässig, weil die Klägerin ihre Rechte mit dem gestellten Verpflichtungsantrag verfolgen könne. Dieser aber sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung. Die von ihr angestrebte Inkassotätigkeit sei unstreitig gewerblich und gehöre nicht zu den sogenannten Vorbehaltsaufgaben nach § 33 StBerG. Die Erforderlichkeit der beantragten Genehmigung werde auch nicht durch die Neufassung des § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG in Frage gestellt. Der Regelung sei nicht zu entnehmen, dass eine gewerbliche Inkassotätigkeit durch Steuerberater von den Beschränkungen des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG hätte befreit werden sollen. Das von der Klägerin beabsichtigte gewerbliche Inkasso lasse eine Verletzung von Berufspflichten bereits deshalb erwarten, weil ihre Gesellschafter zugleich der D. angehörten. Sie könnten unter deren Einfluss versucht sein, deren Interesse an einer möglichst umfangreichen, effektiven und kostengünstigen Inkassotätigkeit Vorrang gegenüber ihren allgemeinen Berufspflichten als Steuerberater einzuräumen. Dies gelte selbst dann, wenn die D. nur werbend für die Klägerin tätig werde und von ihr auch keine Vergütung für ihre Leistungen erhalte; selbst dann habe die D. ein erhebliches Interesse daran, ihren Mitgliedern das von der Klägerin beabsichtigte Inkasso anbieten zu können, um so neue Mitglieder zu akquirieren. Schließlich rechtfertigten die unterschiedlichen Berufsbilder der Rechtsanwälte und der Steuerberater deren unterschiedliche Behandlung bei der Frage, wann und in welchem Umfang gewerbliche Tätigkeiten zulässig seien.

9

Im Revisionsverfahren beantragt die Klägerin,

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2011 ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz und das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 24. Februar 2011 zu ändern

und festzustellen, dass sie für die von ihr beabsichtigte gewerbliche Inkassotätigkeit für Angehörige steuerberatender Berufe keiner Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG bedarf,

hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 2. Juni 2010 und ihres Widerspruchsbescheides vom 15. September 2010 zu verpflichten, ihr die beantragte Ausnahmegenehmigung für eine zusätzliche gewerbliche Inkassotätigkeit für Angehörige steuerberatender Berufe zu erteilen.

10

Sie führt zur Begründung aus, dass sie für die beabsichtigte Inkassotätigkeit keiner Genehmigung bedürfe, weil ihre Tätigkeit durch § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG ausdrücklich erlaubt sei. Jedenfalls habe sie einen Anspruch auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung. Die Gewerblichkeit der Tätigkeit als solche könne nicht die Erteilung hindern, weil dann in keinem Fall ein Anspruch auf Genehmigung bestehe. Nach Sinn und Zweck des § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG könne nur die Verletzung anderer Berufspflichten als des Verbotes, gewerblich tätig zu werden, zur Versagung der Ausnahmegenehmigung führen. Gemeinwohlgründe, die zu einer Versagung der Ausnahmegenehmigung führen könnten, seien nicht ersichtlich. Ihr Geschäftsmodell sei in jeder Hinsicht gesetzeskonform.

11

Die Beklage beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts und weist darauf hin, dass die Unabhängigkeit der Berufsausübung als Steuerberater gefährdet sei, wenn die gewerbliche Inkassotätigkeit demgegenüber nicht in den Hintergrund trete. Wer wie die Klägerin in erheblichem Umfang der gewerblichen Inkassotätigkeit nachgehen wolle, sei auf die Abtretung von Honorarforderungen in einem entsprechenden Umfang angewiesen.

12

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er verteidigt ebenfalls das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

14

1. Gemäß § 17a Abs. 5 GVG steht für das Revisionsgericht bindend fest, dass der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Nach dieser Vorschrift prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der zu ihm beschrittene Rechtsweg zulässig ist (vgl. Beschluss vom 22. November 1997 - BVerwG 2 B 104.97 - BayVBl 1998, 603). Das gilt auch für den nunmehr als Hauptantrag gestellten Feststellungsantrag; auch insoweit hat das Oberverwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten - wenngleich stillschweigend - bejaht.

15

Unabhängig davon ist durch den Gesetzgeber der Verwaltungsrechtsweg für Streitigkeiten vorgegeben, die die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG zum Gegenstand haben. Zwar ist für Streitigkeiten über den berufsrechtlichen Status des Steuerberaters grundsätzlich das Finanzgericht zuständig. § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO verweist insoweit auf den Ersten Teil, den Zweiten und Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils des Steuerberatergesetzes. Davon ist § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG jedoch nicht erfasst. Er befindet sich im Dritten Abschnitt des Zweiten Teils des Steuerberatergesetzes. Damit verbleibt es insoweit bei der allgemeinen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das müsste auch dann gelten, wenn der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG durch das 8. Steuerberatungsänderungsgesetz 2008 vom 11. April 2008 (BGBl I S. 666) übersehen haben sollte, § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO insoweit anzupassen. Zwar führt dies zu einer wenig zuträglichen Rechtswegspaltung, deren Beseitigung dringend wünschenswert wäre. Ob dies aber zugunsten der Finanzgerichte oder zugunsten der allgemeinen Verwaltungsgerichte geschieht, die auch sonst für das Recht der Freien Berufe ganz überwiegend zuständig sind, kann nur der Gesetzgeber entscheiden.

16

Dem lässt sich nicht dadurch entgehen, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme im Rahmen des Bestellungs- oder eines Widerrufsverfahren nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 2, § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG inzident geprüft werden (so aber offenbar BFH, Urteil vom 17. Mai 2011 - VII R 47/10 - BFHE 234, 379 ; Beschluss vom 29. November 2011 - VII B 110/09 - BFH/NV 2012, 797 = juris ). § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG setzt ein Handeln der zuständigen Steuerberaterkammer mittels Verwaltungsakt voraus. Sinn und Zweck der Neuregelung in § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG bestehen gerade darin, dem Steuerberater unabhängig von der schwerwiegenden Entscheidung des Widerrufs der Bestellung die Möglichkeit einer zweitberuflichen Betätigung zu eröffnen und deren berufsrechtliche Unbedenklichkeit in einem hierauf gerichteten besonderen Verfahren vorab zu klären.

17

2. Das Oberverwaltungsgericht hält die Feststellungsklage der Klägerin für unzulässig, weil sie ihr Klageziel auch mit einer Verpflichtungsklage hätte erreichen können, die gemäß § 43 Abs. 2 VwGO vorrangig sei. Das verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Seine Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Feststellungsklage ist unbegründet.

18

a) Die Frage, ob die Klägerin für die von ihr beabsichtigte Inkassotätigkeit einer Genehmigung bedarf oder diese Tätigkeit genehmigungsfrei ist, stellt ein hinreichend konkretes Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO dar. An der begehrten Feststellung hat die Klägerin auch ein berechtigtes Interesse, weil die Beklagte die Zulässigkeit dieser Tätigkeit bestreitet und deshalb bereits sogar ihre Zulassung als Steuerberatungsgesellschaft widerrufen hat.

19

Die Feststellungsklage ist auch nicht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegenüber der Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Genehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG subsidiär. Die Klägerin kann ihr Ziel mit einer Verpflichtungsklage nicht erreichen. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist das Feststellungsbegehren kein Bestandteil des auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gerichteten Verpflichtungsbegehrens. Die Klägerin will in erster Linie keine Ausnahmegenehmigung, sondern eine Klarstellung, dass ihre Tätigkeit ohne eine solche zulässig ist. Mit dieser Feststellung würde sich die Verpflichtungsklage erübrigen.

20

b) Die Feststellungsklage ist aber unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die beabsichtigte gewerbliche Tätigkeit nicht aufgrund § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG generell zulässig und damit genehmigungsfrei ist.

21

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts möchte die Klägerin anderen Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten sowie Wirtschaftsprüfern, vereidigten Buchprüfern und Rechtsanwälten in Kooperation mit der D. ein vollständiges Factoring und Forderungsmanagement für Honorare aus Steuerberatung anbieten. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich dabei um eine gewerbliche Tätigkeit handelt. Nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG sind dem Steuerberater aber gewerbliche Tätigkeiten untersagt und nur bei Zulassung einer Ausnahme erlaubt. Das gilt auch für das gewerbliche Inkasso von Honorarforderungen, die dem Steuerberater von anderen Steuerberatern abgetreten oder sonst zur Einziehung überlassen werden ("von Steuerberatern für Steuerberater").

22

Aus § 64 Abs. 2 StBerG ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift erlaubt die Abtretung von Gebührenforderungen der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten oder die Übertragung ihrer Einziehung an Personen und Vereinigungen im Sinne von § 3 Nr. 1 bis 3 StBerG und an von diesen gebildete Berufsausübungsgemeinschaften (§ 56 StBerG) auch ohne Zustimmung des Mandanten (Satz 1). Im Übrigen ist die Abtretung oder Übertragung nur zulässig, wenn eine ausdrückliche schriftliche Einwilligung des Mandanten vorliegt oder die Forderung rechtskräftig festgestellt ist (Satz 2). Vor der Einwilligung ist der Mandant über die Informationspflicht des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten gegenüber dem neuen Gläubiger oder Einziehungsermächtigten aufzuklären (Satz 3). Der neue Gläubiger oder Einziehungsermächtigte ist in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet wie der beauftragte Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte (Satz 4).

23

Entgegen der Auffassung der Revision beinhaltet § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG keinen spezialgesetzlichen Erlaubnistatbestand, der § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG einschränkt und zur Zulässigkeit des gewerblichen Inkasso ohne Erteilung einer Ausnahmegenehmigung führen würde. § 64 Abs. 2 StBerG regelt den Pflichtenkreis des Zedenten, nicht des Zessionars; für seine Anwendung ist unerheblich, ob die Inkassotätigkeit für den Zessionar eine gewerbliche oder nicht gewerbliche Tätigkeit darstellt. Das folgt schon aus dem Wortlaut von § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG, der nur auf die "Abtretung von Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung" abstellt, und dem Regelungsgegenstand des gesamten Absatzes, der allein die Verschwiegenheitspflicht des Zedenten betrifft. Daran sollte die Neufassung von § 64 Abs. 2 StBerG durch das 8. Steuerberatungsänderungsgesetz nichts ändern. Damit sollte die Abtretung von Honorarforderungen erleichtert, der Schutzzweck der Vorschrift aber gewahrt werden (BTDrucks 16/7250 S. 26 f.; 16/7077 S. 33 f.). Demzufolge schützt auch § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG das Interesse des Mandanten an der Verschwiegenheit des Steuerberaters. Da die neuen Gläubiger oder Einziehungsermächtigten selbst Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind und daher selbst den strengen Regelungen zur Verschwiegenheit unterliegen, ist die Abtretung von Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an diesen Personenkreis auch ohne Einwilligung des Mandanten möglich (BTDrucks 16/7077 S. 33). Gelockert wurden die Voraussetzungen für die Abtretung von Honorarforderungen an andere Personen. Hierfür genügt nunmehr die ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten, (BTDrucks 16/7077 S. 34), während nach der alten Rechtslage zusätzlich die rechtskräftige Feststellung der Forderung und ein erster fruchtloser Vollstreckungsversuch vorausgesetzt wurden.

24

Da nicht jede Einziehung von Honorarforderungen zwangsläufig gewerblicher Natur ist, ist auch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nur das gewerbliche Inkasso im Blick hatte. Das folgt insbesondere nicht aus dem Teil der Gesetzesbegründung zu § 64 Abs. 2 Satz 2 StBerG, wonach es die neue Regelung Steuerberatern ermöglichen soll, das Inkasso ihrer Honorare auf Verrechnungsstellen zu übertragen. Zur generellen Zulässigkeit des gewerblichen Inkassos verhält sich die Begründung nicht.

25

3. Die Revision ist auch mit ihrem Hilfsantrag unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung hat, weil durch die von ihr angestrebte gewerbliche Inkassotätigkeit die Verletzung von Berufspflichten zu erwarten ist (§ 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG).

26

a) Gemäß § 57 Abs. 1 StBerG haben Steuerberater und Steuerbevollmächtigte ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben. Gleiches gilt für Steuerberatungsgesellschaften (§ 72 StBerG). Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist. Sie haben sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die ihr Beruf erfordert (§ 57 Abs. 2 StBerG). Als Tätigkeit, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar ist, gilt insbesondere eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist (§ 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG).

27

Nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG ist der Freie Beruf des Steuerberaters mit einer gewerblichen Tätigkeit demnach grundsätzlich unvereinbar. Dem liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass eine gewerbliche Zweit- oder Nebentätigkeit im typischen Regelfall die verlässliche Einhaltung der allgemeinen Berufspflichten des Steuerberaters (§ 57 Abs. 1 und 2 StBerG) im Sinne einer abstrakten Gefahr zu beeinträchtigen droht. Die Neuregelung durch das 8. Steuerberatungsänderungsgesetz hat an diesem Grundsatz nichts geändert. Zwar wurde das zuvor ausnahmslose Verbot einer gewerblichen Tätigkeit durch die Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG zu einem nur grundsätzlichen Verbot abgeschwächt, das Ausnahmen zugänglich ist. Jedoch wurde der Katalog der mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbaren Tätigkeiten (§ 57 Abs. 3 StBerG) nicht erweitert (BTDrucks 16/7077 S. 1). Namentlich sind diese Tätigkeiten unverändert nur dann zulässig, wenn sie nicht gewerblich ausgeübt werden; der Absicht des Gesetzgebers widerspräche es, den Katalog des § 57 Abs. 3 StBerG durch Auslegung dahin zu erweitern, dass auch die gewerbliche Betätigung der gesetzlich vereinbaren Tätigkeiten darunter fällt (vereinbare Tätigkeit "im gewerblichen Kleid", vgl. Mutschler, DStR 2008, 1500 f.). Auch insofern verbleibt es vielmehr bei § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG.

28

Die Zulassung einer Ausnahme kommt nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG in Betracht, wenn die vom Gesetzgeber unterstellte abstrakte Gefahr der Beeinträchtigung von Berufspflichten im konkreten Fall widerlegt ist (ebenso BFH, Urteil vom 17. Mai 2011 a.a.O.; vgl. Gehre/Koslowski, StBerG, 6. Aufl. 2009, § 57 Rn. 92). Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Ergibt die vorzunehmende Einzelfallprüfung, dass eine konkrete Gefährdung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist, besteht ein Anspruch auf die Zulassung der Ausnahme. Insofern ist der zuständigen Steuerberaterkammer kein Ermessensspielraum eröffnet. Die Formulierung in § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG ("kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen") beinhaltet eine Handlungsermächtigung, jedoch kein Entscheidungsermessen. Die Ausnahmegenehmigung ist hingegen zu versagen, wenn der Antragsteller die grundsätzlich bestehenden Zweifel, dass durch eine gewerbliche Zweitbetätigung die Berufspflichten als Steuerberater gefährdet werden, in seinem Einzelfall nicht ausgeräumt hat. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast (BFH, Urteil vom 17. Mai 2011 a.a.O.; Beschluss vom 8. Februar 2000 - VII B 245.99 - DStR 2000, 670).

29

Allerdings hat die Bundessteuerberaterkammer in Wahrnehmung ihrer Regelungsautonomie (vgl. § 86 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 6 StBerG) in § 16 der Berufsordnung für Steuerberater (BOStB) Fallgruppen bestimmt, in denen eine Gefahr für die Verletzung von Berufspflichten im Regelfalle ausgeschlossen ist. Deshalb genügt es, wenn der Steuerberater darlegt, dass seine gewerbliche Zweitbetätigung unter eine der Fallgruppen des § 16 BOStB einzuordnen ist. Es ist dann an der Steuerberaterkammer, eine etwa gleichwohl bestehende konkrete Gefahr für die Einhaltung der Berufspflichten ihrerseits darzutun und gegebenenfalls zu beweisen. Umgekehrt ist der Anwendungsbereich des § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG nicht auf diese Fallgruppen beschränkt. Dem Steuerberater ist unbenommen, für eine nicht in § 16 BOStB angesprochene gewerbliche Tätigkeit gleichwohl eine Ausnahmegenehmigung zu verlangen; nur obliegt ihm dann der volle Nachweis, dass eine konkrete Gefahr für die Einhaltung seiner Berufspflichten als Steuerberater nicht besteht.

30

b) Der Klägerin ist nicht gelungen darzulegen, dass in ihrem konkreten Einzelfall keine Gefahr der Verletzung von Berufspflichten als Steuerberatungsgesellschaft durch das gewerbliche Inkasso besteht.

31

Das Oberverwaltungsgericht hat hierfür maßgeblich auf eine personelle Verflechtung zwischen der D. und der Klägerin abgestellt. Tatsächlich besteht die nicht entfernte Gefahr, dass die Gesellschafterin der Klägerin, die zugleich Gesellschafterin der D. und deshalb auch an deren Geschäftserfolg maßgeblich interessiert ist, den gewerblichen Interessen der D. im Konfliktfalle gegenüber den Berufspflichten des Steuerberaters den Vorzug einräumt. Dies gilt ungeachtet der Bemühungen um eine Entflechtung der beiden Gesellschaften, die die Klägerin - teilweise erst während des Revisionsverfahrens - vorgetragen hat.

32

Doch stehe dies dahin. Auf den positiven Nachweis einer konkreten Gefahr von Interessenkollisionen kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass der Klägerin nicht gelungen ist, die bestehende gesetzliche Vermutung einer allgemeinen Gefahr für ihren konkreten Fall auszuräumen. Dagegen spricht bereits, dass das von ihr angestrebte vollständige Factoring und Forderungsmanagement für Honorare steuerberatender Berufe von dem Berufsfeld des Steuerberaters nicht hinreichend abgegrenzt werden kann. Die Klägerin hat keine Umstände benannt, die eine Gefährdungssituation trotz dieser Nähe der beabsichtigten gewerblichen Tätigkeit zu ihrem Beruf als Steuerberater als unwahrscheinlich erscheinen lassen.

33

c) Den verfassungsrechtlichen Einwänden der Klägerin vermag der Senat nicht zu folgen.

34

Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Zwar stellt das Verbot, neben dem Beruf des Steuerberaters ein Gewerbe auszuüben, eine Einschränkung des Grundrechts der Berufsfreiheit dar. Dieses beruht jedoch auf gesetzlicher Grundlage und ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Wahrung allgemeiner Belange des gemeinen Wohls erforderlich und verhältnismäßig (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Februar 1967 - 1 BvR 569, 589/62 - BVerfGE 21, 173 <179, 181 f.> und vom 4. November 1992 - 1 BvR 79/85 u.a. - BVerfGE 87, 287 <329>). Anhaltspunkte, dass sich das Berufsbild des Steuerberaters zwischenzeitlich so gravierend gewandelt hat, dass die Versagung einer Ausnahmegenehmigung unter dem Blickwinkel des Art. 12 Abs. 1 GG als nicht mehr verhältnismäßig anzusehen ist, bestehen nicht.

35

Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht gegeben. Ein Vergleich mit den Berufsgruppen der Wirtschaftsprüfer, Notare und Rechtsanwälte zeigt, dass Wirtschaftsprüfer eine gewerbliche Tätigkeit grundsätzlich nicht ausüben dürfen. Eine Ausnahmegenehmigung ist nicht vorgesehen (vgl. § 43a Abs. 3 WiPO). Das notarielle Berufsrecht sieht, wie das Berufsrecht der Steuerberater, lediglich die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung für eine gewerbliche Betätigung vor (§ 8 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 BNotO). Demgegenüber ist der Anwaltsberuf mit kaufmännisch-erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Tätigkeiten nicht von vornherein unvereinbar (§ 7 Nr. 8, § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO). Dass der Gesetzgeber das Regel-Ausnahme-Verhältnis in § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG im Unterschied zu den Regelungen in der Bundesrechtsanwaltsordnung beibehalten hat, begegnet aus Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bedenken. Zum einen sind beide Berufsbilder verschieden (vgl. BTDrucks 16/7077 S. 33). Zum anderen ist eine Differenzierung bezüglich der schützenswerten Interessen der jeweiligen Mandanten, denen die Berufspflichten vornehmlich dienen, sachlich gerechtfertigt. Im Gegensatz zur typischen Berufstätigkeit des Rechtsanwalts betreut der Steuerberater seine Mandanten in der Regel konstant über längere Zeiträume hinweg und erhält umfassend Einblick in dessen finanzielle und persönliche Verhältnisse.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit März 1992 als Steuerberater bestellt. Aufgrund Verzichts erlosch die Bestellung zum 31. März 2007.

2

Den Antrag des mittlerweile als Vorstandsmitglied einer Genossenschaftsbank (X) tätigen Klägers auf Wiederbestellung lehnte die Beklagte und Revisionsbeklagte (Steuerberaterkammer) mit Bescheid vom 19. August 2009 ab. Nach Ansicht der Steuerberaterkammer ist die Wiederbestellung als Steuerberater nach § 48 Abs. 2, § 40 Abs. 3 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zu versagen, weil der Kläger als Vorstandsmitglied der X eine mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbare gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 57 Abs. 4 Nr. 1 1. Halbsatz StBerG ausübe, für die keine Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG zugelassen werden könne. Auch komme eine Zulassung nach § 57 Abs. 4 Nr. 2 Satz 1, § 58 Satz 2 Nr. 5a StBerG nicht in Betracht, da der Kläger kein Angestellter sei.

3

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1649 veröffentlichten Gründen abgewiesen.

4

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, dass die Voraussetzungen für die Tätigkeit als Syndikus-Steuerberater gegeben seien, da er bei der X betriebswirtschaftliche Beratung und damit eine Tätigkeit i.S. des § 33 StBerG ausübe. Ferner sei die Vorstandstätigkeit nicht gewerblich i.S. des § 57 Abs. 4 Nr. 1 1. Halbsatz StBerG. Zweifelhaft sei, ob die Auslegung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG durch das FG mit Art. 12 des Grundgesetzes (GG) und Art. 3 GG vereinbar ist. Jedenfalls liege ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor, da das FG in seiner Entscheidung die Möglichkeit einer Wiederbestellung unter Auflagen nicht in Betracht gezogen habe.

5

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und den Bescheid der Steuerberaterkammer vom 19. August 2009 aufzuheben und die Steuerberaterkammer zu verpflichten, ihn als Steuerberater wieder zu bestellen. Hilfsweise beantragt er, die Vorentscheidung und den Bescheid der Steuerberaterkammer vom 19. August 2009 aufzuheben und die Steuerberaterkammer zu verpflichten, ihn als Steuerberater mit der Auflage wieder zu bestellen, dass er ausschließlich für die X bzw. den mit ihr verbundenen Unternehmen tätig sein darf und dies auf erstes Anfordern von der Steuerberaterkammer durch Vorlage einer vollständigen Mandantenliste und ggf. Akteneinsicht nachweisen muss.

6

Die Steuerberaterkammer hält das FG-Urteil für im Ergebnis richtig. Da der Kläger als Vorstandsmitglied der X eine nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 1. Halbsatz StBerG unvereinbare gewerbliche Tätigkeit ausübe, komme es nicht darauf an, ob eine zulässige Syndikustätigkeit vorliege. Bei § 57 Abs. 4 Nr. 1 1. Halbsatz StBerG handele es sich um einen abstrakten Gefährdungstatbestand. Da ein durch Auflagen eingeschränkter Tätigkeitsbereich eines Steuerberaters nicht zu überwachen sei, sei auch der Hilfsantrag unbegründet.

Entscheidungsgründe

7

II. Die zulässige Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

8

1. Die Revision ist zulässig. Insbesondere ist die Frist zur Revisionseinlegung (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) eingehalten. Zwar war die am letzten Tag der Revisionsfrist beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangene Revisionsschrift nicht vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unterzeichnet. Gleichwohl ist die von § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO geforderte Schriftform eingehalten, da der nicht unterzeichneten Urschrift der Revisionsschrift eine vom Prozessbevollmächtigten eigenhändig und handschriftlich beglaubigte Abschrift beigefügt war (vgl. zur Schriftform des § 64 Abs. 1 FGO: BFH-Urteil vom 27. Juli 1977 I R 207/75, BFHE 123, 286, BStBl II 1978, 11; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 64 FGO Rz 45; Stöcker in Beermann/Gosch, FGO § 64 Rz 33). Im Gegensatz zu einer bloßen Fotokopie steht bei einer handschriftlich beglaubigten Abschrift der Revisionsschrift zweifelsfrei fest, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für deren Inhalt übernommen hat (vgl. hierzu auch Rüsken in Beermann/Gosch, FGO § 120 Rz 43.9).

9

2. Die Revision ist unbegründet. Denn das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger wegen seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied der X keinen Anspruch auf Wiederbestellung als Steuerberater hat.

10

Nach § 48 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 3 Nr. 2 StBerG ist die Wiederbestellung zu versagen, solange der Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf unvereinbar ist (§ 57 Abs. 4 StBerG). Als Tätigkeit, die mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar ist, gilt nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 1. Halbsatz StBerG insbesondere eine gewerbliche Tätigkeit.

11

a) Die Tätigkeit des Klägers als Vorstandsmitglied der X ist --im Gegensatz zur Auffassung der Revision-- gewerblich und damit nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 1. Halbsatz StBerG mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar.

12

Gewerbliche Tätigkeit ist gekennzeichnet durch ein selbständiges, gleichmäßig fortgesetztes und maßgebend von erwerbswirtschaftlichem Streben nach Gewinn bestimmtes Handeln, wobei unerheblich ist, ob die Tätigkeit in eigenem Namen oder als Organ einer juristischen Person ausgeübt wird (Gehre/ Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Aufl., § 57 Rz 90, m.w.N.).

13

Wie das FG zutreffend erkannt hat, übt die X, die gemäß § 17 Abs. 2 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) Formkaufmann ist (vgl. GroßkommHGB/Oetker, 5. Aufl., § 6 Rz 24), mit der Vornahme von Finanzgeschäften eine gewerbliche Tätigkeit aus (vgl. Gehre/Koslowski, a.a.O., § 57 Rz 90).

14

Im Streitfall ist das organschaftliche Handeln des Klägers als Vorstand notwendig vom gewerblichen Charakter der Unternehmenstätigkeit der X geprägt (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 29. Februar 1988 StbSt (R) 1/87, BGHSt 35, 232; vom 4. März 1996 StbSt (R) 4/95, BGHSt 42, 55; Gehre/Koslowski, a.a.O., § 57 Rz 90).

15

Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass der Kläger von Gesetzes wegen nicht alleinvertretungsberechtigt ist (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 1 GenG), sondern nur gemeinschaftlich mit seinen Vorstandskollegen die X vertreten kann (vgl. BGH-Urteil in BGHSt 35, 232). Auch änderte eine --vom FG nicht festgestellte-- Beschränkung des Vorstandsamtes des Klägers auf Aufgaben, die sich im Rahmen einer steuerberatenden Tätigkeit halten, nichts an der Einordnung als gewerbliche Tätigkeit (vgl. BGH-Urteil in BGHSt 42, 55).

16

Ferner ist es unerheblich, dass ein Vorstand einer Genossenschaft --im Gegensatz zum Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (vgl. § 37 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung)-- keinen Weisungen unterliegt. Denn ausschlaggebend für die Gewerblichkeit der Tätigkeit eines Organs ist nicht, ob es weisungsgebunden ist, sondern vielmehr, ob die juristische Person --wie im Streitfall die X-- ihrerseits gewerblich ist (vgl. BGH-Urteil in BGHSt 35, 232).

17

b) Die Steuerberaterkammer hat die Zulassung einer auf § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG gestützten Ausnahme zu Recht verweigert. Denn die Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme liegen nicht vor.

18

Zwar soll mit der grundsätzlichen Unvereinbarkeit einer gewerblichen Tätigkeit der abstrakten Gefahr einer Verletzung der dem Steuerberater obliegenden Berufspflichten begegnet werden (vgl. Gehre/Koslowski, a.a.O., § 57 Rz 89). Aufgrund des in § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnisses, das mit dem in § 46 Abs. 2 Nr. 4 1. Halbsatz StBerG enthaltenen (vgl. Gehre/Koslowski, a.a.O., § 46 Rz 9, m.w.N.) vergleichbar ist, ist aber bei der Zulassung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG darauf abzustellen, ob im konkreten Fall die Verletzung von Berufspflichten ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann. Stellte man hingegen auf die abstrakte Gefahr einer solchen Verletzung ab (so Gehre/Koslowski, a.a.O., § 57 Rz 92, m.w.N.), käme die Zulassung einer Ausnahme regelmäßig von vornherein nicht in Betracht, was mit der durch Art. 12 GG garantierten Freiheit der Berufswahl unvereinbar wäre (vgl. Senatsurteil vom 22. September 1992 VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203). Wenn aber die konkrete Gefährdung der Berufspflichten im Einzelfall ausgeschlossen werden kann --wofür den Antragsteller die Darlegungs- und Feststellungslast trifft--, besteht ein Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme. In einem solchen Fall besteht --unbeschadet des Wortlauts des § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG ("kann")-- kein Ermessensspielraum der Steuerberaterkammer (a.A. Gehre/Koslowski, a.a.O., § 57 Rz 92; Mutschler, Gewerbliche Betätigung von Steuerberatern, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 1500, 1504).

19

Im Streitfall sind die Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG schon deshalb nicht gegeben, da der Kläger nicht dargelegt hat, dass eine konkrete Gefährdung bzw. Verletzung der Berufspflichten als Steuerberater durch seine Vorstandstätigkeit für die X nicht zu erwarten ist. Somit ist die von der Steuerberaterkammer und dem FG vorgenommene Beurteilung der sich aus der Vorstandstätigkeit des Klägers ergebenden Interessenkollision mit der --angestrebten-- Berufstätigkeit als Steuerberater nicht zu beanstanden. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass die Steuerberaterkammer und das FG als Maßstab für die Zulassung einer Ausnahme auf die abstrakte Gefährdung der Berufspflichten abgestellt haben. Denn ein Steuerberater befindet sich jedenfalls dann in einem Interessenkonflikt, wenn seine Mandanten Kunden einer Bank sind, als dessen Vorstandsmitglied er zusätzlich tätig ist. Insbesondere besteht die konkrete Gefahr, dass ein Steuerberater in einer derartigen "Doppelfunktion" seine Pflichten zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung (§ 57 Abs. 1 StBerG) verletzt. Auch wenn der Kläger keinen Weisungen unterworfen ist (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1 GenG), ergibt sich ein Interessenkonflikt daraus, dass er aufgrund seines Dienstvertrags verpflichtet ist, die wirtschaftlichen Interessen der X zu verfolgen. Die von § 57 Abs. 1 StBerG geforderte unabhängige und eigenverantwortliche Berufsausübung erscheint unter diesen Bedingungen nicht möglich oder jedenfalls ernstlich gefährdet.

20

c) § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG ist auch mit der durch Art. 12 GG garantierten Freiheit der Berufswahl vereinbar.

21

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Inkompatibilitätsregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG, die bis zum Inkrafttreten des Achten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (8. StBerÄndG) am 12. April 2008 keine Ausnahmegenehmigung beinhaltete, als mit Art. 12 GG vereinbar angesehen (Beschluss vom 15. Februar 1967  1 BvR 569, 589/62, BVerfGE 21, 173; so auch Senatsurteile vom 5. September 1978 VII R 50/77, BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202; vom 4. August 1987 VII R 169/85, BFHE 150, 272, BStBl II 1987, 790; vom 9. Februar 1993 VII R 89/92, BFH/NV 1993, 693) und im Beschluss vom 4. November 1992  1 BvR 79/85, 643/87, 442/89, 238/90, 1258/90, 772/91, 909/91 (BVerfGE 87, 287) die Interessenkollision bei gewerblicher Tätigkeit eines Steuerberaters hervorgehoben und auf die andersartige Interessenlage des Rechtsanwalts hingewiesen. Dass sich an dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung durch die mit dem 8. StBerÄndG bezweckte Liberalisierung des Berufsrechts der Steuerberater etwas geändert haben soll, vermag der Senat in Anbetracht der Rechtsprechung des BVerfG nicht zu erkennen. Insbesondere genügt die Regelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da sie die Möglichkeit einer Ausnahme vorsieht.

22

d) Da die Vorstandstätigkeit des Klägers aufgrund ihrer Gewerblichkeit bereits nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 1. Halbsatz StBerG mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar ist, ist es --entgegen der Rechtsansicht der Revision-- unerheblich, ob die weitere Inkompatibilitätsregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG keine Anwendung findet, weil die Vorstandstätigkeit des Klägers als eine Tätigkeit eines Syndikus-Steuerberaters i.S. des § 58 Satz 2 Nr. 5a StBerG anzusehen wäre. Im Übrigen ist der Kläger auch nicht als Syndikus-Steuerberater tätig. Denn § 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 1 StBerG ist dahin zu verstehen, dass im Rahmen des Angestelltenverhältnisses ausschließlich Tätigkeiten i.S. des § 33 StBerG wahrgenommen werden (a.A. Gehre/ Koslowski, a.a.O., § 58 Rz 20; Römermann, Der Syndikus-Steuerberater, Die Steuerberatung 2008, 310, 312; Ruppert, Der Syndikus-Steuerberater - Neue Möglichkeiten für Steuerberater, DStR 2008, 2184, 2186). Dies ergibt sich insbesondere aus der Gesetzesbegründung, die auf die Tätigkeit in der Steuerabteilung eines Unternehmens abstellt (vgl. BTDrucks 16/7077, S. 33), was für die Vorstandstätigkeit des Klägers nicht zutrifft.

23

e) Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf eine unter Auflagen versehene Wiederbestellung als Steuerberater. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Bestellung als Steuerberater nur vorbehaltslos erfolgen und nicht mit Einschränkungen oder modifizierenden Auflagen versehen werden kann (Beschluss vom 4. März 2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016). Zwar hat die Steuerberaterkammer nach § 76 Abs. 1 StBerG die Aufgabe, die Erfüllung der beruflichen Pflichten zu überwachen, ein Anspruch auf eine mit Auflagen versehene Bestellung zum Steuerberater kann aus dieser Vorschrift jedoch nicht abgeleitet werden.

(1) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben. Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich auf alles, was in Ausübung des Berufs bekannt geworden ist. Sie gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.

(1a) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte dürfen nicht tätig werden, wenn eine Kollision mit eigenen Interessen gegeben ist.

(1b) Berät oder vertritt ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter mehrere Auftraggeber in derselben Sache, ist er bei Interessenkollisionen verpflichtet, auf die widerstreitenden Interessen der Auftraggeber ausdrücklich hinzuweisen und darf nur vermittelnd tätig werden.

(1c) Die Absätze 1a und 1b gelten auch für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten ausüben, der einem Tätigkeitsverbot nach Absatz 1a unterliegt oder der nach Absatz 1b nur vermittelnd tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1 bleibt bestehen, wenn der dem Tätigkeitsverbot unterliegende Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Auftraggeber der Tätigkeit nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 1a oder Absatz 1b, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots oder einer Beschränkung auf vermittelnde Tätigkeit erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten auch ohne Einwilligung des Auftraggebers offenbart werden.

(2) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist. Sie haben sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die ihr Beruf erfordert.

(2a) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sind verpflichtet, sich fortzubilden.

(3) Mit dem Beruf eines Steuerberaters oder eines Steuerbevollmächtigten sind insbesondere vereinbar

1.
die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, niedergelassener europäischer Rechtsanwalt oder vereidigter Buchprüfer;
2.
eine freiberufliche Tätigkeit, die die Wahrnehmung fremder Interessen einschließlich der Beratung zum Gegenstand hat;
3.
eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen;
4.
die Tätigkeit eines Lehrers oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten, sofern der wissenschaftliche Mitarbeiter ihm übertragene Aufgaben in Forschung und Lehre überwiegend selbständig erfüllt; nicht vereinbar hingegen ist die Tätigkeit eines Lehrers oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschulen mit Ausbildungsgängen für den öffentlichen Dienst;
5.
eine freie schriftstellerische Tätigkeit sowie eine freie Vortrags- und Lehrtätigkeit;
6.
die Durchführung von Lehr- und Vortragsveranstaltungen zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung sowie die Prüfung als Wirtschaftsprüfer und vereidigter Buchprüfer und zur Fortbildung der Mitglieder der Steuerberaterkammern und deren Mitarbeiter.

(4) Als Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere

1.
eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist;
2.
eine Tätigkeit als Arbeitnehmer mit Ausnahme der Fälle des Absatzes 3 Nr. 4 sowie der §§ 58 und 59. Eine Tätigkeit als Angestellter der Finanzverwaltung ist stets mit dem Beruf des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten unvereinbar.

Tenor

1. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Oktober 2011 - 7 ZB 11.1173 - und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. März 2011 - AN 4 K 10.02119 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach zurückverwiesen.

2. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 20.000 € (in Worten: zwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, durch die ihm eine Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz des Steuerberatungsgesetzes (im Folgenden: StBerG) versagt wurde.

2

1. a) § 57 Abs. 4 StBerG vom 16. August 1961 in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November 1975 (BGBl I S. 2735), zuletzt geändert durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (8. StBerÄndG) vom 8. April 2008 (BGBl I S. 666), verbietet es Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten neben ihrem Beruf Tätigkeiten auszuüben, die mit dem Beruf nicht vereinbar sind, unter anderem gewerbliche Tätigkeiten. Hiervon können seit der Änderung der Vorschrift durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes im Einzelfall Ausnahmen zugelassen werden, wenn durch die gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist. Die Vorschrift lautet auszugsweise:

3

§ 57

Allgemeine Berufspflichten

(1) bis (3) ...

(4) Als Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere

1. eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist;

2. ...

4

Die in § 57 Abs. 4 StBerG geregelten Einschränkungen hinsichtlich gewerblicher Tätigkeiten sind nach § 72 Abs. 1 StBerG auf Steuerberatungsgesellschaften sowie Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und persönlich haftende Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft, die nicht Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind, anzuwenden. Zusätzlich benötigen Personen, die weder Steuerberater sind noch sozietätsfähigen Berufen nach § 50 Abs. 2 StBerG angehören, eine Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG, um Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter von Steuerberatungsgesellschaften zu werden. Die Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG darf nur versagt werden, wenn die besondere Fachkunde fehlt oder die persönliche Zuverlässigkeit nicht vorhanden ist (§ 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG). Nach § 50 Abs. 4 StBerG muss dabei in jeder Steuerberatungsgesellschaft sichergestellt sein, dass die Vorstände, Geschäftsführer oder persönlich haftenden Gesellschafter, die keine Steuerberater sind, aber die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2, 3 StBerG erfüllen, nicht die Mehrheit bilden.

5

b) Aufgrund der Ermächtigung in § 86 Abs. 4 Nr. 15 StBerG wurde von der Satzungsversammlung der Bundessteuerberaterkammer § 25 der Satzung über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Berufsordnung der Steuerberaterkammer - BOStB) in der Fassung vom 8. September 2010 (DStR 2010, S. 2659) beschlossen. Dieser regelt Einschränkungen bei der Geschäftsführung und Vertretung in Steuerberatungsgesellschaften und sieht unter anderem vor, dass durch Regelungen im Innenverhältnis gewährleistet sein muss, dass bei der Willensbildung innerhalb der Geschäftsführung die Stimmen der Steuerberater ausschlaggebend sind. Entsprechende gesellschaftsrechtliche Regelungen sind der Steuerberaterkammer, im Fall einer Änderung vorab, unverzüglich nachzuweisen (§ 25 Abs. 2 Satz 2 BOStB). In Absatz 4 der Vorschrift ist die Erteilung von Prokura näher geregelt. Sie lautet:

6

§ 25

Verantwortliche Führung, Geschäftsführung und Vertretung der Steuerberatungsgesellschaft

(1) bis (3) ...

(4) Neben Steuerberatern darf Prokura grundsätzlich nur Personen im Sinne des § 50 Abs. 2 StBerG erteilt werden. Wird in Ausnahmefällen anderen Personen Prokura erteilt, so muss im Innenverhältnis eine Vertretung in Steuersachen ausgeschlossen sein; im Übrigen ist nur eine Gesamtvertretung in Gemeinschaft mit einem Steuerberater zulässig. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(5) bis (6) …

7

2. a) Der Beschwerdeführer ist gelernter Versicherungskaufmann und seit längerer Zeit Geschäftsführer beziehungsweise Vorstand verschiedener juristischer Personen, die insbesondere auf dem Gebiet der Beratung von Ärzten und Zahnärzten in Versicherungs- und Finanzfragen, in der Kooperations- und Niederlassungsberatung sowie der Vermittlung von Versicherungen tätig sind. Er war bereits vor dem Jahr 2004 Außendienstmitarbeiter, Geschäftsführer, Leiter Vertrieb und Buchhaltung sowie Vorstand verschiedener Gesellschaften einer Unternehmensgruppe (im Folgenden: H-Gruppe). Diese Tätigkeiten übt er auch derzeit noch aus. Der Beschwerdeführer ist darüber hinaus Prokurist der "HS M … GmbH Steuerberatungsgesellschaft" (im Folgenden: GmbH), in der er jedoch keiner steuerberatenden Tätigkeit nachgeht. Sein Tätigkeitsfeld beschränkt sich auf kaufmännische und verwaltende Aufgaben.

8

Bereits mit Bescheid vom 17. August 2004 hatte die Steuerberaterkammer dem Beschwerdeführer eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 50 Abs. 3 StBerG erteilt. Mit dieser Genehmigung war ihm erlaubt worden, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter der GmbH zu werden. Die Erteilung erfolgte damals unter dem Vorbehalt, dass sich die GmbH auf die Beratung von Ärzten spezialisiere und die weiteren Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft vorlägen. Ausdrücklich wurde im Bescheid hinsichtlich der besonderen Befähigung des Beschwerdeführers im Sinne des § 50 Abs. 3 StBerG auf die Erfahrungen aus den Tätigkeiten in den gewerblichen Unternehmen der "H-Gruppe" abgestellt. Mit Urkunde vom 7. März 2005 wurde die GmbH als Steuerberatungsgesellschaft von der Steuerberaterkammer zugelassen.

9

Im November 2005 beantragte der Beschwerdeführer unter Berufung auf die bereits erteilte Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG bei der Steuerberaterkammer die Zulassung seines Eintritts als Geschäftsführer in die GmbH und die Zulassung des Erwerbs von Geschäftsanteilen mit der Maßgabe, dass eine Vertretung der GmbH in Steuersachen durch den Beschwerdeführer aufgrund von Bestimmungen in der Satzung, der Geschäftsordnung der Geschäftsführung und/oder des Geschäftsführeranstellungsvertrags ausgeschlossen werde. Dies lehnte die Steuerberaterkammer im März 2006 ab. Eine daraufhin erhobene Klage zum Finanzgericht wurde am 7. Februar 2008 mit der Begründung abgewiesen, dass dem Vorhaben das Verbot der gewerblichen Betätigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG a.F. entgegenstehe, weil der Beschwerdeführer als Organ verschiedener gewerblich tätiger Kapitalgesellschaften agiere.

10

Mit Bescheid vom 25. Juni 2008 widerrief die Steuerberaterkammer die im Jahr 2004 an den Beschwerdeführer erteilte Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG wegen der von ihm ausgeübten gewerblichen Tätigkeiten. Hierüber ist beim Finanzgericht ein Rechtsstreit anhängig, dessen Ruhen im Hinblick auf das vorliegende Verfahren angeordnet ist.

11

b) Am 22. April 2008 beantragte der Beschwerdeführer bei der Steuerberaterkammer, ihm aufgrund der Gesetzesänderung eine Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG zu erteilen, weil durch seine gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung der Berufspflichten nicht zu erwarten sei. Er beabsichtige nicht, steuerberatend tätig zu werden. Seine Tätigkeitsgebiete entsprächen nach wie vor denjenigen, die er bereits als Prokurist in der Steuerberatungsgesellschaft ausgeübt habe. Diese stünden mit der Steuerberatung durch die GmbH gegenüber Dritten in keiner Verbindung, sondern beschränkten sich ausschließlich auf kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten. Es sei beabsichtigt, die Vertretung der GmbH in Steuersachen durch den Beschwerdeführer aufgrund von Bestimmungen in der Satzung, der Geschäftsordnung der Geschäftsführung und/oder des Geschäftsführeranstellungsvertrags auszuschließen. Der Beschwerdeführer wolle auch nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer Geschäftsanteile der GmbH erwerben und halten. Daneben wünsche der Beschwerdeführer, weiterhin Organ und Gesellschafter der aufgeführten gewerblich tätigen Gesellschaften der "H-Gruppe" zu bleiben. In allen Fällen sei die allgemeine Verantwortlichkeit eines Steuerberaters gegenüber dem jeweiligen Mandanten gewährleistet und damit deren Interessen und Belange ausreichend geschützt.

12

Den Antrag auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung wies die Steuerberaterkammer mit Bescheid vom 25. Juni 2008 zurück. Die hiergegen gerichtete Klage des Beschwerdeführers wurde durch das Verwaltungsgericht abgewiesen. Es bestehe keine Verpflichtung, die beantragte Ausnahmegenehmigung für die beabsichtigte Tätigkeit als Geschäftsführer nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG zu erteilen. Bei der gebotenen abstrakten Betrachtungsweise könne trotz der beabsichtigten gesellschaftsrechtlichen Vorkehrungen und der unterstellten Bereitschaft des Beschwerdeführers, im Falle einer Interessenkollision gewerbliche Interessen zurückzustellen, eine Gefährdung der Unabhängigkeit als Geschäftsführer der GmbH nicht ausgeschlossen werden. Eine Ausnahmegenehmigung dürfe nur erteilt werden, wenn die vom Beschwerdeführer bereits ausgeübte und auch zukünftig beabsichtigte gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten des Steuerberaters nicht erwarten lasse. Gerade weil er in gewerblichen Firmen tätig sei, deren Kunden vorrangig auch Gegenstand der Beratungen der Steuerberatungsgesellschaft seien, könne trotz eines Verzichts des Beschwerdeführers auf steuerberatende Tätigkeit nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass wirtschaftliche Kenntnisse und Informationen aus dem Mandantenkreis der GmbH in unzulässiger Weise auch gewerblich genutzt würden.

13

Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 26. Oktober 2011 abgelehnt. Das Verwaltungsgericht habe die verfassungsrechtlich unbedenkliche Bestimmung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG im vorliegenden Einzelfall zutreffend angewandt. Es habe insbesondere die in der Rechtsprechung geklärten Maßstäbe korrekt herangezogen, die Bedeutung einer "abstrakten" oder "konkreten" Gefährdung der Berufspflichten nicht verkannt und die Umstände des Einzelfalls ausreichend berücksichtigt. Schon die Möglichkeit, Kenntnisse und Informationen aus der steuerberatenden Tätigkeit im Rahmen des eigenen Gewerbes zum eigenen Nutzen und zum Nachteil des Mandanten umzusetzen, könne die vom Gesetzgeber gewollte Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Beraters gegenüber seinem Auftraggeber sowie das Vertrauensverhältnis zwischen diesen beeinträchtigen. Das grundsätzliche Verbot der gewerblichen Tätigkeit habe nach dem Willen des Gesetzgebers auch nach der Änderung des § 57 StBerG erhalten bleiben sollen.

14

3. Mit seiner gegen diese Entscheidungen gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

15

4. Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, die Bundessteuerberaterkammer, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Steuerberaterverband e.V., der Deutsche Anwaltverein e.V. sowie die Beklagte des Ausgangsverfahrens haben zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

16

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 21, 173; 22, 275; 87, 287 <316>; 102, 197 <213>). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.

17

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit.

18

a) Die Entscheidungen der Fachgerichte, die dem Beschwerdeführer die erstrebte Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG vorenthalten, greifen in seine Berufsfreiheit ein. Ohne die Ausnahmegenehmigung ist es dem Beschwerdeführer nicht möglich, Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft zu werden, solange er seine bisherige Tätigkeit als Geschäftsführer in weiteren, gewerblich tätigen Gesellschaften nicht aufgibt.

19

Wer nicht über die für Steuerberater nach § 36 StBerG erforderliche Ausbildung verfügt, kann gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 StBerG die Position des Geschäftsführers einer Steuerberatungsgesellschaft nur dann erlangen, wenn ihm dies von der Steuerberaterkammer genehmigt wird. Der Erteilung dieser Genehmigung steht insbesondere das Fehlen persönlicher Zuverlässigkeit entgegen (§ 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG). Da zur Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit § 40 Abs. 2 Nr. 4 StBerG entsprechend anwendbar ist, darf - ebenso wie die Bestellung zum Steuerberater - auch die Erteilung einer Genehmigung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG dann verweigert werden, wenn eine mit dem Beruf des Steuerberaters nach Maßgabe des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG unvereinbare Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Aufl. 2009, § 50 Rn. 19). Für die Genehmigung seiner Geschäftsführertätigkeit in der Steuerberatungsgesellschaft benötigt der Beschwerdeführer daher als Voraussetzung seiner persönlichen Zuverlässigkeit zunächst eine Ausnahmegenehmigung seiner gleichzeitigen gewerblichen Tätigkeit nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG. Dass der Beschwerdeführer die weiteren Voraussetzungen für eine Erteilung der Genehmigung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG insbesondere mit Blick auf seine besondere Fachkunde erfüllt, ergibt sich schon daraus, dass ihm eine solche Genehmigung bereits erteilt worden war und diese inzwischen nur wegen der von ihm ausgeübten gewerblichen Tätigkeit - noch nicht bestandskräftig - widerrufen wurde.

20

b) Die Gründe, auf die das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof ihre Entscheidungen stützen, sind nicht geeignet, den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.

21

aa) Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit umfasst grundsätzlich auch das Recht, mehrere Berufe zu wählen und nebeneinander auszuüben (vgl. BVerfGE 87, 287 <316>). Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die Freiheit der Berufswahl des Beschwerdeführers betroffen oder lediglich ein Eingriff in seine Freiheit der Berufsausübung gegeben ist, weil seine Tätigkeit als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft nicht als eigenständiger Beruf anzusehen wäre.

22

bb) Selbst dann, wenn hier die strengeren Maßstäbe, die an eine Zulassungsbeschränkung bei der Wahl eines Zweitberufs zu stellen sind (vgl. BVerfGE 21, 173 <181>; 22, 275 <276>), Anwendung finden, begegnet die Annahme der Fachgerichte, die maßgebliche Vorschrift des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG sei in der derzeit gültigen Fassung des Achten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes verfassungsgemäß, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit sind Einwände gegen das in der vorangehenden Fassung der Bestimmung enthaltene ausnahmslose Verbot durch die Neuregelung und teilweise Öffnung der Vorschrift für Ausnahmen vom Verbot der gewerblichen Tätigkeit ausgeräumt.

23

cc) Jedoch genügt die Auslegung und Anwendung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG durch die Fachgerichte im konkreten Fall nicht den Anforderungen, die sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben. Auch dies gilt ungeachtet der Frage, ob die Verweigerung der Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG als Eingriff in die Freiheit der Berufswahl oder als Eingriff in die freie Berufsausübung zu bewerten ist.

24

(1) Auslegung und Anwendung des Gesetzes sind Aufgabe der Fachgerichte und werden vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung einer Norm die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 85, 248 <257 f.>).

25

(a) Für den Anwaltsberuf hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass bei der Konkretisierung der (generalklauselartigen) Inkompatibilitätsvorschriften durch die Rechtsprechung besonderes Augenmerk auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu legen ist (vgl. BVerfGE 87, 287 <322>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet im Hinblick auf die grundrechtlich gewährleistete Freiheit der Berufswahl Zurückhaltung bei der Entwicklung typisierender Unvereinbarkeitsregeln (vgl. BVerfGE 87, 287 <322>), weil die Beschränkung der Berufswahlfreiheit dem Betroffenen nur zumutbar ist, wenn der Unvereinbarkeitsgrundsatz nicht starr gehandhabt wird (vgl. BVerfGE 87, 287 <324>).

26

Aufgrund der Vielfalt möglicher erwerbswirtschaftlicher Betätigungen ist eine Einzelfallprüfung erforderlich, die der Vielgestaltigkeit der Tätigkeiten Rechnung trägt. Die Einführung einer Berufswahlschranke hinsichtlich gewerblicher Tätigkeiten ist nur dort erforderlich und zumutbar, wo die Gefahr einer Interessenkollision sich deutlich abzeichnet und nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregeln zu bannen ist. Eine generelle Berufszugangssperre, die keinerlei erwerbswirtschaftliche Tätigkeit neben dem Anwaltsberuf ermöglicht, ist hingegen nicht erforderlich (vgl. BVerfGE 87, 287 <330>).

27

(b) Diese für den Anwaltsberuf entwickelten, jedoch nicht auf ihn beschränkten Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber mit der Änderung des Steuerberatungsgesetzes im Jahr 2008 die gebotene Liberalisierung des Berufsrechts auch für Steuerberater vollzogen und ausdrücklich Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der gewerblichen Tätigkeit vorgesehen hat (vgl. Begründung zum Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes BTDrucks 16/7077, S. 1, 32).

28

(2) Die Fachgerichte haben bei ihren Entscheidungen die mithin auch hier maßgeblichen - sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden - verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht hinreichend berücksichtigt.

29

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil, das anschließend vom Verwaltungsgerichtshof auf unveränderter Tatsachengrundlage bestätigt wurde, ohne nähere Feststellungen auf generelle Gesichtspunkte abgestellt, was bei Übertragung auf andere Fälle regelmäßig zu einer Versagung der Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG wegen einer dann zumindest vorliegenden abstrakten Gefährdung beruflicher Pflichten führen muss. Durch diese Verengung des Anwendungsbereichs wird unverhältnismäßig in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit des Beschwerdeführers eingegriffen.

30

Die von den Fachgerichten gewählte Auslegung ist bereits nicht erforderlich, um den legitimen Zweck der Regelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG zu verfolgen. Mit dem grundsätzlichen Verbot gewerblicher Tätigkeit sollen die fachliche Kompetenz und Integrität sowie ausreichender Handlungsspielraum der steuerberatenden Berufsträger gesichert sowie die notwendige Vertrauensgrundlage geschützt werden (vgl. BVerfGE 87, 287 <321> für die Rechtsanwaltschaft; vgl. auch BVerfGE 21, 173; 22, 275 <276>). Damit dient die Regelung der Funktionsfähigkeit der Steuerrechtspflege, die als Teil der gesamten Rechtspflege (vgl. dazu BVerfGE 87, 287 <321>) einen Gemeinwohlbelang von großer Bedeutung darstellt. Durch die Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG und der Öffnung für Ausnahmefälle hat der Gesetzgeber allerdings deutlich gemacht, dass eine gewerbliche Tätigkeit nicht schlechthin zu einer Gefährdung der Steuerrechtspflege führt, die Eingriffe in die Berufsfreiheit rechtfertigen kann. Mit dieser Einschätzung der drohenden Gefahren bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb seines Beurteilungsspielraums, der von den Gerichten grundsätzlich hinzunehmen und zu beachten ist (vgl. BVerfGE 90, 145 <173> m.w.N.).

31

(a) Das Verwaltungsgericht erörtert diesen für die Auslegung anzuwendenden Maßstab nur unzureichend und verkennt darüber hinaus die Zielrichtung der Vorschrift.

32

Unberücksichtigt lässt das Verwaltungsgericht bei seiner Auslegung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG bereits die im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG erörterungsbedürftige grundsätzliche Frage, ob bei der Annahme, eine lediglich abstrakte Gefährdung der Verletzung von Berufspflichten sei für die Versagung der Genehmigung ausreichend, überhaupt noch ein nennenswerter Anwendungsbereich für die gesetzlich geregelte Ausnahme vom Verbot gewerblicher Tätigkeit verbleiben kann. Davon abgesehen lässt das Urteil des Verwaltungsgerichts nachvollziehbare Feststellungen zu den Anknüpfungstatsachen vermissen, mit denen es das Vorliegen einer abstrakten Gefährdung begründen will. Weder wurden Feststellungen zur gemeinsamen "Klientel" bei gewerblicher und steuerberatender Berufstätigkeit getroffen noch wurden Erwägungen zu den möglicherweise drohenden Interessenkollisionen mit den steuerberaterlichen Berufspflichten angestellt. Dies wäre jedoch gerade im Hinblick auf die mannigfaltigen Möglichkeiten einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit notwendig gewesen, um nicht bereits aufgrund nicht belegter Vermutungen den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift unter Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG zumindest erheblich zu verengen.

33

Das Verwaltungsgericht hat lediglich eine tragende Überlegung angeführt und sich hierbei auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Beschwerdeführers von "nützlichen" Unterlagen bezogen. Dies hält jedoch einer Überprüfung am Maßstab von Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit nicht stand. Das Verwaltungsgericht lässt dabei bereits außer Acht, dass der Beschwerdeführer durch die angestrebte Stellung als Geschäftsführer keinen Zugang zu Unterlagen erlangt, auf die er nicht schon durch seine Stellung als Prokurist zugreifen konnte. Die dem Beschwerdeführer bereits 2005 unter Beachtung berufsrechtlicher Bestimmungen erteilte Prokura (vgl. § 25 Abs. 4 Satz 2 BOStB) wurde von der Steuerberaterkammer bisher ebenso wenig beanstandet wie seine Tätigkeit als Prokurist selbst. Wenn jedoch auch einem Angestellten der Steuerberatungsgesellschaft mit im Außenverhältnis nahezu unbeschränkter Vertretungsmacht die vom Verwaltungsgericht genannten Unterlagen schon aufgrund dieser Position zugänglich sein können, handelt es sich bei der Gefahr der Kenntnisnahme von solchen Dokumenten lediglich um eine allgemeine, dem Geschäftsführeramt nicht spezifisch anhaftende Gefahr, der mit der gesetzlichen Regelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG nicht begegnet werden kann und soll.

34

Dass der Beschwerdeführer sich als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft nützliche Informationen für seine gewerblichen Tätigkeiten beschafft, stellt zudem ein Risiko dar, dem mit anderen Vorschriften des Berufsrechts, wie insbesondere der berufs- und strafrechtlich sanktionierten Verpflichtung zur Verschwiegenheit, ausreichend begegnet werden kann. Dieses Risiko wird auch von dem vom Bundesverfassungsgericht in den Vordergrund gestellten Zweck der Regelung (vgl. BVerfGE 21, 173; 22, 275 <276>) nicht umfasst, der lediglich die Unabhängigkeit der Steuerberatung und den Schutz des Mandanten vor für ihn nachteiliger Verwertung seiner eigenen Geschäftsdaten sichern will. Eine solche Gefährdung ist vorliegend aber mehr als fernliegend, insbesondere ist schon angesichts seiner beruflichen Ausbildung nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer den von ihm betreuten Ärzten Konkurrenz machen will.

35

(b) Das auf dieser unzureichenden Grundlage ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Verwaltungsgerichtshof mit seiner Entscheidung nicht, wie verfassungsrechtlich geboten, korrigiert.

36

(aa) Im Grundsatz nicht verfassungsrechtlich bedenklich ist allerdings die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der in seiner Entscheidung - unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 17. Mai 2011 - VII R 47/10 -, juris) - davon ausgeht, dass mit der gesetzlichen Neuregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG der abstrakten Gefahr einer Interessenkollision begegnet werden solle, bei der Genehmigung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG aber darauf abzustellen sei, ob im konkreten Fall die Verletzung von Berufspflichten ausgeschlossen werden könne (so jetzt auch BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - 8 C 26/11 -, juris, Rn. 28 ff. und Urteil vom 26. September 2012 - 8 C 6/12 -, juris, Rn. 20 ff. unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs).

37

(bb) Die nach diesem zutreffenden Ansatz gebotene verfassungsrechtliche Korrektur eröffnet der Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht, sondern geht davon aus, dass ein Zulassungsgrund für die Berufung nicht vorliege, weil das Urteil des Verwaltungsgerichts zutreffend sei. Er lässt damit außer Acht, dass dem Urteil des Verwaltungsgerichts keine ausreichenden Feststellungen zur Tätigkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer und damit verbundenen Gefährdungen beruflicher Pflichten zugrunde lagen, seine Argumentation vielmehr alleine auf einer verfassungsrechtlich nicht tragfähigen Überlegung fußte. In welchem Umfang tatsächlich Kunden der gewerblichen Unternehmen auch Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft sind, bleibt - ebenso wie im verwaltungsgerichtlichen Urteil - offen. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, in der ersten Instanz seien die in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entwickelten Grundsätze angewandt worden, erweist sich daher als unhaltbar und hat zur Folge, dass die Korrektur einer die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers verletzenden Entscheidung verstellt wird.

38

2. Angesichts der festgestellten Verletzung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit bedürfen die weiteren vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen keiner Entscheidung.

39

3. Die Entscheidungen beruhen auf dem Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte anders entschieden hätten, wenn sie bei ihren Entscheidungen die verfassungsrechtlichen Maßstäbe beachtet hätten.

40

a) Selbst wenn der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 29. November 2011 (VII B 110/09, juris, Rn. 13) möglicherweise davon ausgeht, dass über die Genehmigung einer Ausnahme vom Verbot des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG eine gesonderte Entscheidung der Steuerberaterkammer durch Verwaltungsakt nicht möglich sei (vgl. auch BFH, Beschluss vom 11. April 2013 - VII B 172/12 -, juris, Rn. 7; zur entgegengesetzten Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts vgl. BVerwG, Urteile vom 26. September 2012 - 8 C 26/11 - und - 8 C 8 C 6/12 -, juris, jeweils Rn. 16), wäre derzeit mit Blick auf den bestehenden Streit in der Rechtsprechung jedenfalls nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht - dem Bundesverwaltungsgericht folgend - von der Zulässigkeit einer isolierten Entscheidung über die Erteilung der Ausnahmegenehmigung ausgehen und in der Sache entscheiden wird.

41

b) Die Entscheidungen der Fachgerichte können auch nicht deshalb Bestand haben, weil - unabhängig von der Begründung - das von ihnen gefundene Ergebnis sich aus anderen Erwägungen als zutreffend erweisen würde.

42

Selbst bei Anwendung der vom Bundesgerichtshof im Bereich des anwaltlichen Berufsrechts für die Feststellung von Inkompatibilitäten entwickelten Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2007 - AnwZ 92/06 -, juris, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung), wären die von den Fachgerichten getroffenen Feststellungen nicht ausreichend, um eine abschließende Entscheidung anhand der dort aufgestellten Eingruppierungen zu treffen.

43

Sonstige konkrete Anhaltspunkte für berufswidriges Verhalten oder die beabsichtigte Vermischung der Interessen sind, auch nach den vorliegenden Ausführungen der Fachgerichte, nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in der Vergangenheit offensichtlich bemüht, sich gesetzeskonform zu verhalten. Die Konzeption des Berufsrechts der Steuerberater - ebenso wie das der Rechtsanwälte (vgl. hierzu BVerfGE 108, 150 <163>; 117, 163 <190>) - beruht nicht auf der Annahme, dass eine situationsgebundene Gelegenheit zur Pflichtverletzung im Regelfall zu einem pflichtwidrigen Handeln des Berufsrechtsunterworfenen führt, sondern darauf, dass dieser sich grundsätzlich rechtstreu verhält. Dies gilt umso mehr, als § 25 Abs. 2, 3 BOStB Anzeigepflichten für Änderungen der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse vorsieht und überdies Vollzugsdefizite nicht zu Lasten des jeweiligen Berufsträgers als Argument für eine einschränkende Auslegung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG dienen können.

44

c) Die Sache ist an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, weil eine weitere Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 24, 278 <289>; 105, 239 <251 f.>). Die Fachgerichte haben den Sachverhalt aufgrund der von ihnen vertretenen Rechtsauffassung bisher nicht hinreichend aufgeklärt.

45

Dabei wird eine Gegenüberstellung der in der Steuerberatungsgesellschaft ausgeübten Aufgaben des Beschwerdeführers einerseits und seiner gewerblichen Tätigkeiten andererseits vorzunehmen und zu bewerten sein. Auf diese Weise ist zu ermitteln, welche Interessenkollisionen auftreten können, und ob den damit verbundenen Gefahren im konkreten Fall mit hinreichenden Mitteln begegnet werden kann.

46

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

47

5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.

Gründe

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind Entscheidungen über die Zulässigkeit gewerblicher Inkassotätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft.

I.

2

1. § 57 Abs. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) vom 16. August 1961 in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November 1975 (BGBl I S. 2735), zuletzt geändert durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 8. April 2008 (BGBl I S. 666), verbietet es Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten neben ihrem Beruf Tätigkeiten auszuüben, die mit dem Beruf nicht vereinbar sind, unter anderem gewerbliche Tätigkeiten. Hiervon können seit der Änderung der Vorschrift durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes im Einzelfall Ausnahmen zugelassen werden, wenn durch die gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist. Die Vorschrift lautet auszugsweise:

3

§ 57

Allgemeine Berufspflichten

(1) bis (3) ...

(4) Als Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere

1. eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist;

2. ...

4

Diese Einschränkungen für gewerbliche Tätigkeiten gelten nach § 72 Abs. 1 StBerG insbesondere auch für Steuerberatungsgesellschaften.

5

Ebenfalls durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes wurde § 64 Abs. 2 StBerG geändert, der die Abtretung von Gebührenforderungen durch Steuerberater regelt. Die Vorschrift lautet seither:

6

§ 64

Gebührenordnung

(1) …

(2) Die Abtretung von Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an Personen und Vereinigungen im Sinne des § 3 Nr. 1 bis 3 und von diesen gebildeten Berufsausübungsgemeinschaften (§ 56) ist auch ohne Zustimmung des Mandanten zulässig. Im Übrigen sind Abtretung oder Übertragung nur zulässig, wenn eine ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten vorliegt oder die Forderung rechtskräftig festgestellt ist. Vor der Einwilligung ist der Mandant über die Informationspflicht des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten gegenüber dem neuen Gläubiger oder Einziehungsermächtigten aufzuklären. Der neue Gläubiger oder Einziehungsermächtigte ist in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet wie der beauftragte Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte.

7

§ 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG erlaubt hiernach die zustimmungsfreie Abtretung von Gebührenforderungen insbesondere an Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer (§ 3 Nr. 1 StBerG) sowie an Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften (§ 3 Nr. 3 StBerG).

8

2. Die Beschwerdeführerin ist eine als Steuerberatungsgesellschaft anerkannte Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Kurze Zeit nach ihrer Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft Ende 2008 erweiterte die Beschwerdeführerin ihren Gesellschaftszweck auf solche Tätigkeiten, die mit der Hilfeleistung in Steuersachen insbesondere nach § 64 StBerG zu vereinbaren seien.

9

Nachdem sie im Mai 2009 von dieser Erweiterung des Gesellschaftszwecks auf gewerbliche Inkassotätigkeit erfahren hatte, widerrief die Steuerberaterkammer die Anerkennung der Beschwerdeführerin als Steuerberatungsgesellschaft. Der hinsichtlich des Widerrufs geführte Rechtsstreit ist derzeit beim Bundesfinanzhof anhängig, der das Verfahren mit Blick auf die hier angegriffenen Entscheidungen ausgesetzt hat.

10

Diese Entscheidungen betreffen die von der Beschwerdeführerin im Oktober 2009 beantragte Ausnahmegenehmigung für die im Gesellschaftsvertrag genannten Tätigkeiten, die wie "das Inkasso mit dem Steuerberaterberuf vereinbar" seien. Die Erteilung der Ausnahmegenehmigung lehnte die Steuerberaterkammer ab, weil § 64 Abs. 2 StBerG einem Steuerberater nicht das Angebot gewerblicher Inkassodienstleistungen erlaube. Es verbleibe vielmehr beim allgemeinen Verbot der gewerblichen Tätigkeit nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 1. Halbsatz StBerG.

11

Die hiergegen gerichtete Klage der Beschwerdeführerin wurde vom Verwaltungsgericht unter anderem mit der Begründung abgewiesen, dass eine Gefährdung der Berufspflichten der Beschwerdeführerin gegeben sei. Die Beschwerdeführerin sei mit einer weiteren Gesellschaft eng verflochten, die nicht als Steuerberatungsgesellschaft zugelassen sei. In dieser Konstellation sei nicht sichergestellt, dass die Verpflichtung zur Verschwiegenheit gewahrt werden könne.

12

Das Oberverwaltungsgericht wies die Berufung der Beschwerdeführerin zurück. § 64 Abs. 2 StBerG erlaube nicht ohne weiteres eine gewerbliche Inkassotätigkeit durch Steuerberater. Vielmehr seien die Voraussetzungen der Genehmigung einer gewerblichen Tätigkeit an § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG zu messen. Auch das Oberverwaltungsgericht verwies auf die personellen Verflechtungen der Beschwerdeführerin mit einer weiteren gewerblich tätigen Gesellschaft. Deshalb sei im konkreten Fall eine Gefährdung der beruflichen Pflichten eines Steuerberaters zu besorgen und eine Ausnahmegenehmigung nicht zu erteilen.

13

Mit ihrer hiergegen eingelegten Revision begehrte die Beschwerdeführerin im Hauptantrag die Feststellung, dass ihre gewerbliche Inkassotätigkeit keiner Ausnahmegenehmigung bedürfe, hilfsweise beantragte sie, die Steuerberaterkammer zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zu verurteilen. Die Revision blieb im Haupt- und Hilfsantrag ohne Erfolg. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts folgt aus § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG kein spezialgesetzlicher Erlaubnistatbestand, der § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG einschränken könnte. § 64 Abs. 2 StBerG regele vielmehr nur die Pflichten des Zedenten, richte sich aber nicht an den Zessionar. Die Beschwerdeführerin könne auch keine Ausnahmegenehmigung verlangen. Sie habe nicht darlegen können, dass in ihrem konkreten Fall keine Gefahr der Verletzung ihrer Berufspflichten als Steuerberatungsgesellschaft durch das gewerbliche Inkasso bestehe. Angesichts der personellen Verflechtung bestehe die nicht entfernte Gefahr, dass die Gesellschafterin der Beschwerdeführerin, die zugleich Gesellschafterin der weiteren gewerblich tätigen Gesellschaft sei, an dem Geschäftserfolg dieses Unternehmens maßgeblich interessiert sei und deshalb dem gewerblichen Interesse im Konfliktfall gegenüber den Berufspflichten des Steuerberaters den Vorzug einräume.

14

3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

15

Der Gesetzgeber habe bei der Reform im Jahr 2008 für Rechtsanwälte und Steuerberater das Berufsrecht dahingehend gelockert, dass diesen eine Übertragung des Inkassos ihrer Honorarforderungen auf Verrechnungsstellen ermöglicht werden sollte. Die Auslegung der Fachgerichte, wonach das gemäß § 64 Abs. 2 StBerG zustimmungsfreie Inkasso wegen des Verbots gewerblicher Tätigkeit nicht von Berufsangehörigen vorgenommen werden dürfe, sei mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Eine solche Auslegung unterlaufe den klaren Willen des Gesetzgebers, das Inkasso von Honorarforderungen zu erleichtern. Steuerberater würden heute auch in anderen Bereichen in erheblichem Umfang gewerblich tätig, zum Beispiel könnten gewerbliche Tätigkeiten als Vermögensverwalter, Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter oder Hausverwalter nach der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer erlaubt sein.

16

Die Berufsbilder der Steuerberater und Rechtsanwälte seien zudem weitgehend deckungsgleich. Allein der Umstand, dass Steuerberater mehr Dauermandate betreuten und im Regelfall einen genaueren Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Mandanten hätten, rechtfertige es nicht, ihnen die Möglichkeit eines Inkassos durch Berufsangehörige zu versagen. Eine Inkassotätigkeit könne nur in gewerblichem Umfang wirtschaftlich effizient betrieben werden. Weshalb davon eine Gefahr ausgehen solle, sei ebenso wenig nachvollziehbar wie bei Ärzten oder Rechtsanwälten. Auch bei interprofessionellen Sozietäten und Doppelqualifikation als Steuerberater und Rechtsanwalt sei die unterschiedliche Handhabung in den einzelnen Berufsrechten nicht verständlich.

II.

17

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

18

Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

19

1. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels hinreichender Begründung unzulässig, soweit mit ihr Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG gerügt werden. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin reicht nicht aus, um die Möglichkeit einer Verletzung dieser Grundrechte darzulegen.

20

2. Für eine Verletzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. 1 GG ist ebenfalls nichts ersichtlich.

21

Abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot unterliegen fachgerichtliche Entscheidungen, wie sie hier angegriffen werden, nur hinsichtlich solcher Auslegungs- und Rechtsanwendungsfehler einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht als sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung einer Norm die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 85, 248 <257 f.>). Auf dieser Grundlage hat die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 23. August 2013 (1 BvR 2912/11, juris) eine einzelfallbezogene Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG gefordert, weil ansonsten den Vorgaben des Art. 12 Abs. 1 GG nicht Genüge getan ist.

22

Gemessen daran begegnen die angegriffenen Entscheidungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

23

a) Die fachgerichtliche Auslegung, wonach nicht bereits aus § 64 Abs. 2 StBerG die Genehmigungsfreiheit gewerblicher Inkassotätigkeit zugunsten der dort genannten Personen und Vereinigungen folgt, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit ist weder das Willkürverbot verletzt noch die Bedeutung der Berufsfreiheit verkannt. Vielmehr ist es mit Blick auf Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm zumindest gut vertretbar, in § 64 Abs. 2 StBerG lediglich eine Regelung im Pflichtenkreis des Zedenten, nicht aber auch einen spezialgesetzlichen Erlaubnistatbestand zugunsten des gewerblich tätigen Zessionars zu sehen. Mit der Vorschrift sollte einerseits die Abtretung von Honorarforderungen erleichtert, andererseits aber durch Begrenzung des Kreises der zustimmungsfreien Abtretungs- und Übertragungsempfänger dem Interesse der Mandanten an der Wahrung der beruflichen Verschwiegenheitspflichten Rechnung getragen werden. Angesichts dessen ist es naheliegend, dass die Frage nach einer Gewerblichkeit der Inkassotätigkeit des Zessionars für die Vorschrift keine Bedeutung erlangt, insbesondere von ihr nicht als generell erlaubt vorausgesetzt wird. Der Regelung kann allenfalls umgekehrt eine Entscheidung des Gesetzgebers entnommen werden, eine Effektivierung der erleichterten Beauftragung zum Inkasso nicht dadurch zu verhindern, dass Zessionare in unwirtschaftlicher Weise auf nicht gewerbliche Dienste beschränkt bleiben. Diesem Anliegen lässt sich aber aufgrund der - vom Gesetzgeber gleichzeitig zugelassenen - ausnahmsweisen Genehmigung gewerblicher Tätigkeit nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG und der hierbei zur Wahrung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) gebotenen einzelfallbezogenen Prüfung hinreichend Rechnung tragen.

24

b) Den hiernach eröffneten Weg hat die Beschwerdeführerin mit ihrem Hilfsantrag auch beschritten, wobei es allerdings im konkreten Fall keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, dass ihr die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung versagt geblieben ist. Die Fachgerichte haben Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit nicht verkannt und insbesondere die mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG geforderte Einzelfallprüfung in nicht zu beanstandender Weise durchgeführt.

25

Entscheidend ist insoweit, dass die Beschwerdeführerin - unabhängig von ihrem Verhalten im Zusammenhang mit ihrer Gründung und der wenig später erfolgten nachträglichen Erweiterung des Gesellschaftszwecks - eine personelle Verflechtung eingegangen ist, die sich mit dem Berufsrecht der Steuerberater zumindest nicht ohne weiteres vereinbaren lässt. Ungeachtet gegenläufiger Bemühungen der Beschwerdeführerin hat das Bundesverwaltungsgericht auf der Grundlage der ersichtlich fortbestehenden personellen Verflechtung die "nicht entfernte Gefahr" der Verletzung beruflicher Pflichten angenommen. Hinsichtlich dieser fachgerichtlichen Feststellung folgt aus den Darlegungen der Beschwerdeführerin keine Grundlage für verfassungsrechtliche Beanstandungen.

26

Die hierbei von den Fachgerichten bei Auslegung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG vertretene Auffassung, nach der im Grundsatz die Beschwerdeführerin als Antragstellerin für die Beachtung des Berufsrechts darlegungs- und beweispflichtig ist (so auch BFH, Urteil vom 17. Mai 2011 - VII R 47/10 -, juris; BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - BVerwG 8 C 6/12 -, juris, Rn. 20 ff., unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs), hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 23. August 2013 (1 BvR 2912/11, juris) in verfassungsrechtlicher Hinsicht gebilligt.

27

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

28

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

1. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Oktober 2011 - 7 ZB 11.1173 - und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. März 2011 - AN 4 K 10.02119 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach zurückverwiesen.

2. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 20.000 € (in Worten: zwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, durch die ihm eine Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz des Steuerberatungsgesetzes (im Folgenden: StBerG) versagt wurde.

2

1. a) § 57 Abs. 4 StBerG vom 16. August 1961 in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November 1975 (BGBl I S. 2735), zuletzt geändert durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (8. StBerÄndG) vom 8. April 2008 (BGBl I S. 666), verbietet es Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten neben ihrem Beruf Tätigkeiten auszuüben, die mit dem Beruf nicht vereinbar sind, unter anderem gewerbliche Tätigkeiten. Hiervon können seit der Änderung der Vorschrift durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes im Einzelfall Ausnahmen zugelassen werden, wenn durch die gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist. Die Vorschrift lautet auszugsweise:

3

§ 57

Allgemeine Berufspflichten

(1) bis (3) ...

(4) Als Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere

1. eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist;

2. ...

4

Die in § 57 Abs. 4 StBerG geregelten Einschränkungen hinsichtlich gewerblicher Tätigkeiten sind nach § 72 Abs. 1 StBerG auf Steuerberatungsgesellschaften sowie Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und persönlich haftende Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft, die nicht Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind, anzuwenden. Zusätzlich benötigen Personen, die weder Steuerberater sind noch sozietätsfähigen Berufen nach § 50 Abs. 2 StBerG angehören, eine Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG, um Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter von Steuerberatungsgesellschaften zu werden. Die Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG darf nur versagt werden, wenn die besondere Fachkunde fehlt oder die persönliche Zuverlässigkeit nicht vorhanden ist (§ 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG). Nach § 50 Abs. 4 StBerG muss dabei in jeder Steuerberatungsgesellschaft sichergestellt sein, dass die Vorstände, Geschäftsführer oder persönlich haftenden Gesellschafter, die keine Steuerberater sind, aber die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2, 3 StBerG erfüllen, nicht die Mehrheit bilden.

5

b) Aufgrund der Ermächtigung in § 86 Abs. 4 Nr. 15 StBerG wurde von der Satzungsversammlung der Bundessteuerberaterkammer § 25 der Satzung über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Berufsordnung der Steuerberaterkammer - BOStB) in der Fassung vom 8. September 2010 (DStR 2010, S. 2659) beschlossen. Dieser regelt Einschränkungen bei der Geschäftsführung und Vertretung in Steuerberatungsgesellschaften und sieht unter anderem vor, dass durch Regelungen im Innenverhältnis gewährleistet sein muss, dass bei der Willensbildung innerhalb der Geschäftsführung die Stimmen der Steuerberater ausschlaggebend sind. Entsprechende gesellschaftsrechtliche Regelungen sind der Steuerberaterkammer, im Fall einer Änderung vorab, unverzüglich nachzuweisen (§ 25 Abs. 2 Satz 2 BOStB). In Absatz 4 der Vorschrift ist die Erteilung von Prokura näher geregelt. Sie lautet:

6

§ 25

Verantwortliche Führung, Geschäftsführung und Vertretung der Steuerberatungsgesellschaft

(1) bis (3) ...

(4) Neben Steuerberatern darf Prokura grundsätzlich nur Personen im Sinne des § 50 Abs. 2 StBerG erteilt werden. Wird in Ausnahmefällen anderen Personen Prokura erteilt, so muss im Innenverhältnis eine Vertretung in Steuersachen ausgeschlossen sein; im Übrigen ist nur eine Gesamtvertretung in Gemeinschaft mit einem Steuerberater zulässig. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(5) bis (6) …

7

2. a) Der Beschwerdeführer ist gelernter Versicherungskaufmann und seit längerer Zeit Geschäftsführer beziehungsweise Vorstand verschiedener juristischer Personen, die insbesondere auf dem Gebiet der Beratung von Ärzten und Zahnärzten in Versicherungs- und Finanzfragen, in der Kooperations- und Niederlassungsberatung sowie der Vermittlung von Versicherungen tätig sind. Er war bereits vor dem Jahr 2004 Außendienstmitarbeiter, Geschäftsführer, Leiter Vertrieb und Buchhaltung sowie Vorstand verschiedener Gesellschaften einer Unternehmensgruppe (im Folgenden: H-Gruppe). Diese Tätigkeiten übt er auch derzeit noch aus. Der Beschwerdeführer ist darüber hinaus Prokurist der "HS M … GmbH Steuerberatungsgesellschaft" (im Folgenden: GmbH), in der er jedoch keiner steuerberatenden Tätigkeit nachgeht. Sein Tätigkeitsfeld beschränkt sich auf kaufmännische und verwaltende Aufgaben.

8

Bereits mit Bescheid vom 17. August 2004 hatte die Steuerberaterkammer dem Beschwerdeführer eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 50 Abs. 3 StBerG erteilt. Mit dieser Genehmigung war ihm erlaubt worden, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter der GmbH zu werden. Die Erteilung erfolgte damals unter dem Vorbehalt, dass sich die GmbH auf die Beratung von Ärzten spezialisiere und die weiteren Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft vorlägen. Ausdrücklich wurde im Bescheid hinsichtlich der besonderen Befähigung des Beschwerdeführers im Sinne des § 50 Abs. 3 StBerG auf die Erfahrungen aus den Tätigkeiten in den gewerblichen Unternehmen der "H-Gruppe" abgestellt. Mit Urkunde vom 7. März 2005 wurde die GmbH als Steuerberatungsgesellschaft von der Steuerberaterkammer zugelassen.

9

Im November 2005 beantragte der Beschwerdeführer unter Berufung auf die bereits erteilte Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG bei der Steuerberaterkammer die Zulassung seines Eintritts als Geschäftsführer in die GmbH und die Zulassung des Erwerbs von Geschäftsanteilen mit der Maßgabe, dass eine Vertretung der GmbH in Steuersachen durch den Beschwerdeführer aufgrund von Bestimmungen in der Satzung, der Geschäftsordnung der Geschäftsführung und/oder des Geschäftsführeranstellungsvertrags ausgeschlossen werde. Dies lehnte die Steuerberaterkammer im März 2006 ab. Eine daraufhin erhobene Klage zum Finanzgericht wurde am 7. Februar 2008 mit der Begründung abgewiesen, dass dem Vorhaben das Verbot der gewerblichen Betätigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG a.F. entgegenstehe, weil der Beschwerdeführer als Organ verschiedener gewerblich tätiger Kapitalgesellschaften agiere.

10

Mit Bescheid vom 25. Juni 2008 widerrief die Steuerberaterkammer die im Jahr 2004 an den Beschwerdeführer erteilte Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG wegen der von ihm ausgeübten gewerblichen Tätigkeiten. Hierüber ist beim Finanzgericht ein Rechtsstreit anhängig, dessen Ruhen im Hinblick auf das vorliegende Verfahren angeordnet ist.

11

b) Am 22. April 2008 beantragte der Beschwerdeführer bei der Steuerberaterkammer, ihm aufgrund der Gesetzesänderung eine Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG zu erteilen, weil durch seine gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung der Berufspflichten nicht zu erwarten sei. Er beabsichtige nicht, steuerberatend tätig zu werden. Seine Tätigkeitsgebiete entsprächen nach wie vor denjenigen, die er bereits als Prokurist in der Steuerberatungsgesellschaft ausgeübt habe. Diese stünden mit der Steuerberatung durch die GmbH gegenüber Dritten in keiner Verbindung, sondern beschränkten sich ausschließlich auf kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten. Es sei beabsichtigt, die Vertretung der GmbH in Steuersachen durch den Beschwerdeführer aufgrund von Bestimmungen in der Satzung, der Geschäftsordnung der Geschäftsführung und/oder des Geschäftsführeranstellungsvertrags auszuschließen. Der Beschwerdeführer wolle auch nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer Geschäftsanteile der GmbH erwerben und halten. Daneben wünsche der Beschwerdeführer, weiterhin Organ und Gesellschafter der aufgeführten gewerblich tätigen Gesellschaften der "H-Gruppe" zu bleiben. In allen Fällen sei die allgemeine Verantwortlichkeit eines Steuerberaters gegenüber dem jeweiligen Mandanten gewährleistet und damit deren Interessen und Belange ausreichend geschützt.

12

Den Antrag auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung wies die Steuerberaterkammer mit Bescheid vom 25. Juni 2008 zurück. Die hiergegen gerichtete Klage des Beschwerdeführers wurde durch das Verwaltungsgericht abgewiesen. Es bestehe keine Verpflichtung, die beantragte Ausnahmegenehmigung für die beabsichtigte Tätigkeit als Geschäftsführer nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG zu erteilen. Bei der gebotenen abstrakten Betrachtungsweise könne trotz der beabsichtigten gesellschaftsrechtlichen Vorkehrungen und der unterstellten Bereitschaft des Beschwerdeführers, im Falle einer Interessenkollision gewerbliche Interessen zurückzustellen, eine Gefährdung der Unabhängigkeit als Geschäftsführer der GmbH nicht ausgeschlossen werden. Eine Ausnahmegenehmigung dürfe nur erteilt werden, wenn die vom Beschwerdeführer bereits ausgeübte und auch zukünftig beabsichtigte gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten des Steuerberaters nicht erwarten lasse. Gerade weil er in gewerblichen Firmen tätig sei, deren Kunden vorrangig auch Gegenstand der Beratungen der Steuerberatungsgesellschaft seien, könne trotz eines Verzichts des Beschwerdeführers auf steuerberatende Tätigkeit nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass wirtschaftliche Kenntnisse und Informationen aus dem Mandantenkreis der GmbH in unzulässiger Weise auch gewerblich genutzt würden.

13

Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 26. Oktober 2011 abgelehnt. Das Verwaltungsgericht habe die verfassungsrechtlich unbedenkliche Bestimmung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG im vorliegenden Einzelfall zutreffend angewandt. Es habe insbesondere die in der Rechtsprechung geklärten Maßstäbe korrekt herangezogen, die Bedeutung einer "abstrakten" oder "konkreten" Gefährdung der Berufspflichten nicht verkannt und die Umstände des Einzelfalls ausreichend berücksichtigt. Schon die Möglichkeit, Kenntnisse und Informationen aus der steuerberatenden Tätigkeit im Rahmen des eigenen Gewerbes zum eigenen Nutzen und zum Nachteil des Mandanten umzusetzen, könne die vom Gesetzgeber gewollte Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Beraters gegenüber seinem Auftraggeber sowie das Vertrauensverhältnis zwischen diesen beeinträchtigen. Das grundsätzliche Verbot der gewerblichen Tätigkeit habe nach dem Willen des Gesetzgebers auch nach der Änderung des § 57 StBerG erhalten bleiben sollen.

14

3. Mit seiner gegen diese Entscheidungen gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

15

4. Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, die Bundessteuerberaterkammer, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Steuerberaterverband e.V., der Deutsche Anwaltverein e.V. sowie die Beklagte des Ausgangsverfahrens haben zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

16

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 21, 173; 22, 275; 87, 287 <316>; 102, 197 <213>). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.

17

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit.

18

a) Die Entscheidungen der Fachgerichte, die dem Beschwerdeführer die erstrebte Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG vorenthalten, greifen in seine Berufsfreiheit ein. Ohne die Ausnahmegenehmigung ist es dem Beschwerdeführer nicht möglich, Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft zu werden, solange er seine bisherige Tätigkeit als Geschäftsführer in weiteren, gewerblich tätigen Gesellschaften nicht aufgibt.

19

Wer nicht über die für Steuerberater nach § 36 StBerG erforderliche Ausbildung verfügt, kann gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 StBerG die Position des Geschäftsführers einer Steuerberatungsgesellschaft nur dann erlangen, wenn ihm dies von der Steuerberaterkammer genehmigt wird. Der Erteilung dieser Genehmigung steht insbesondere das Fehlen persönlicher Zuverlässigkeit entgegen (§ 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG). Da zur Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit § 40 Abs. 2 Nr. 4 StBerG entsprechend anwendbar ist, darf - ebenso wie die Bestellung zum Steuerberater - auch die Erteilung einer Genehmigung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG dann verweigert werden, wenn eine mit dem Beruf des Steuerberaters nach Maßgabe des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG unvereinbare Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Aufl. 2009, § 50 Rn. 19). Für die Genehmigung seiner Geschäftsführertätigkeit in der Steuerberatungsgesellschaft benötigt der Beschwerdeführer daher als Voraussetzung seiner persönlichen Zuverlässigkeit zunächst eine Ausnahmegenehmigung seiner gleichzeitigen gewerblichen Tätigkeit nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG. Dass der Beschwerdeführer die weiteren Voraussetzungen für eine Erteilung der Genehmigung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG insbesondere mit Blick auf seine besondere Fachkunde erfüllt, ergibt sich schon daraus, dass ihm eine solche Genehmigung bereits erteilt worden war und diese inzwischen nur wegen der von ihm ausgeübten gewerblichen Tätigkeit - noch nicht bestandskräftig - widerrufen wurde.

20

b) Die Gründe, auf die das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof ihre Entscheidungen stützen, sind nicht geeignet, den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.

21

aa) Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit umfasst grundsätzlich auch das Recht, mehrere Berufe zu wählen und nebeneinander auszuüben (vgl. BVerfGE 87, 287 <316>). Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die Freiheit der Berufswahl des Beschwerdeführers betroffen oder lediglich ein Eingriff in seine Freiheit der Berufsausübung gegeben ist, weil seine Tätigkeit als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft nicht als eigenständiger Beruf anzusehen wäre.

22

bb) Selbst dann, wenn hier die strengeren Maßstäbe, die an eine Zulassungsbeschränkung bei der Wahl eines Zweitberufs zu stellen sind (vgl. BVerfGE 21, 173 <181>; 22, 275 <276>), Anwendung finden, begegnet die Annahme der Fachgerichte, die maßgebliche Vorschrift des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG sei in der derzeit gültigen Fassung des Achten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes verfassungsgemäß, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit sind Einwände gegen das in der vorangehenden Fassung der Bestimmung enthaltene ausnahmslose Verbot durch die Neuregelung und teilweise Öffnung der Vorschrift für Ausnahmen vom Verbot der gewerblichen Tätigkeit ausgeräumt.

23

cc) Jedoch genügt die Auslegung und Anwendung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG durch die Fachgerichte im konkreten Fall nicht den Anforderungen, die sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben. Auch dies gilt ungeachtet der Frage, ob die Verweigerung der Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG als Eingriff in die Freiheit der Berufswahl oder als Eingriff in die freie Berufsausübung zu bewerten ist.

24

(1) Auslegung und Anwendung des Gesetzes sind Aufgabe der Fachgerichte und werden vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung einer Norm die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 85, 248 <257 f.>).

25

(a) Für den Anwaltsberuf hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass bei der Konkretisierung der (generalklauselartigen) Inkompatibilitätsvorschriften durch die Rechtsprechung besonderes Augenmerk auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu legen ist (vgl. BVerfGE 87, 287 <322>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet im Hinblick auf die grundrechtlich gewährleistete Freiheit der Berufswahl Zurückhaltung bei der Entwicklung typisierender Unvereinbarkeitsregeln (vgl. BVerfGE 87, 287 <322>), weil die Beschränkung der Berufswahlfreiheit dem Betroffenen nur zumutbar ist, wenn der Unvereinbarkeitsgrundsatz nicht starr gehandhabt wird (vgl. BVerfGE 87, 287 <324>).

26

Aufgrund der Vielfalt möglicher erwerbswirtschaftlicher Betätigungen ist eine Einzelfallprüfung erforderlich, die der Vielgestaltigkeit der Tätigkeiten Rechnung trägt. Die Einführung einer Berufswahlschranke hinsichtlich gewerblicher Tätigkeiten ist nur dort erforderlich und zumutbar, wo die Gefahr einer Interessenkollision sich deutlich abzeichnet und nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregeln zu bannen ist. Eine generelle Berufszugangssperre, die keinerlei erwerbswirtschaftliche Tätigkeit neben dem Anwaltsberuf ermöglicht, ist hingegen nicht erforderlich (vgl. BVerfGE 87, 287 <330>).

27

(b) Diese für den Anwaltsberuf entwickelten, jedoch nicht auf ihn beschränkten Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber mit der Änderung des Steuerberatungsgesetzes im Jahr 2008 die gebotene Liberalisierung des Berufsrechts auch für Steuerberater vollzogen und ausdrücklich Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der gewerblichen Tätigkeit vorgesehen hat (vgl. Begründung zum Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes BTDrucks 16/7077, S. 1, 32).

28

(2) Die Fachgerichte haben bei ihren Entscheidungen die mithin auch hier maßgeblichen - sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden - verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht hinreichend berücksichtigt.

29

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil, das anschließend vom Verwaltungsgerichtshof auf unveränderter Tatsachengrundlage bestätigt wurde, ohne nähere Feststellungen auf generelle Gesichtspunkte abgestellt, was bei Übertragung auf andere Fälle regelmäßig zu einer Versagung der Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG wegen einer dann zumindest vorliegenden abstrakten Gefährdung beruflicher Pflichten führen muss. Durch diese Verengung des Anwendungsbereichs wird unverhältnismäßig in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit des Beschwerdeführers eingegriffen.

30

Die von den Fachgerichten gewählte Auslegung ist bereits nicht erforderlich, um den legitimen Zweck der Regelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG zu verfolgen. Mit dem grundsätzlichen Verbot gewerblicher Tätigkeit sollen die fachliche Kompetenz und Integrität sowie ausreichender Handlungsspielraum der steuerberatenden Berufsträger gesichert sowie die notwendige Vertrauensgrundlage geschützt werden (vgl. BVerfGE 87, 287 <321> für die Rechtsanwaltschaft; vgl. auch BVerfGE 21, 173; 22, 275 <276>). Damit dient die Regelung der Funktionsfähigkeit der Steuerrechtspflege, die als Teil der gesamten Rechtspflege (vgl. dazu BVerfGE 87, 287 <321>) einen Gemeinwohlbelang von großer Bedeutung darstellt. Durch die Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG und der Öffnung für Ausnahmefälle hat der Gesetzgeber allerdings deutlich gemacht, dass eine gewerbliche Tätigkeit nicht schlechthin zu einer Gefährdung der Steuerrechtspflege führt, die Eingriffe in die Berufsfreiheit rechtfertigen kann. Mit dieser Einschätzung der drohenden Gefahren bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb seines Beurteilungsspielraums, der von den Gerichten grundsätzlich hinzunehmen und zu beachten ist (vgl. BVerfGE 90, 145 <173> m.w.N.).

31

(a) Das Verwaltungsgericht erörtert diesen für die Auslegung anzuwendenden Maßstab nur unzureichend und verkennt darüber hinaus die Zielrichtung der Vorschrift.

32

Unberücksichtigt lässt das Verwaltungsgericht bei seiner Auslegung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG bereits die im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG erörterungsbedürftige grundsätzliche Frage, ob bei der Annahme, eine lediglich abstrakte Gefährdung der Verletzung von Berufspflichten sei für die Versagung der Genehmigung ausreichend, überhaupt noch ein nennenswerter Anwendungsbereich für die gesetzlich geregelte Ausnahme vom Verbot gewerblicher Tätigkeit verbleiben kann. Davon abgesehen lässt das Urteil des Verwaltungsgerichts nachvollziehbare Feststellungen zu den Anknüpfungstatsachen vermissen, mit denen es das Vorliegen einer abstrakten Gefährdung begründen will. Weder wurden Feststellungen zur gemeinsamen "Klientel" bei gewerblicher und steuerberatender Berufstätigkeit getroffen noch wurden Erwägungen zu den möglicherweise drohenden Interessenkollisionen mit den steuerberaterlichen Berufspflichten angestellt. Dies wäre jedoch gerade im Hinblick auf die mannigfaltigen Möglichkeiten einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit notwendig gewesen, um nicht bereits aufgrund nicht belegter Vermutungen den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift unter Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG zumindest erheblich zu verengen.

33

Das Verwaltungsgericht hat lediglich eine tragende Überlegung angeführt und sich hierbei auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Beschwerdeführers von "nützlichen" Unterlagen bezogen. Dies hält jedoch einer Überprüfung am Maßstab von Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit nicht stand. Das Verwaltungsgericht lässt dabei bereits außer Acht, dass der Beschwerdeführer durch die angestrebte Stellung als Geschäftsführer keinen Zugang zu Unterlagen erlangt, auf die er nicht schon durch seine Stellung als Prokurist zugreifen konnte. Die dem Beschwerdeführer bereits 2005 unter Beachtung berufsrechtlicher Bestimmungen erteilte Prokura (vgl. § 25 Abs. 4 Satz 2 BOStB) wurde von der Steuerberaterkammer bisher ebenso wenig beanstandet wie seine Tätigkeit als Prokurist selbst. Wenn jedoch auch einem Angestellten der Steuerberatungsgesellschaft mit im Außenverhältnis nahezu unbeschränkter Vertretungsmacht die vom Verwaltungsgericht genannten Unterlagen schon aufgrund dieser Position zugänglich sein können, handelt es sich bei der Gefahr der Kenntnisnahme von solchen Dokumenten lediglich um eine allgemeine, dem Geschäftsführeramt nicht spezifisch anhaftende Gefahr, der mit der gesetzlichen Regelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG nicht begegnet werden kann und soll.

34

Dass der Beschwerdeführer sich als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft nützliche Informationen für seine gewerblichen Tätigkeiten beschafft, stellt zudem ein Risiko dar, dem mit anderen Vorschriften des Berufsrechts, wie insbesondere der berufs- und strafrechtlich sanktionierten Verpflichtung zur Verschwiegenheit, ausreichend begegnet werden kann. Dieses Risiko wird auch von dem vom Bundesverfassungsgericht in den Vordergrund gestellten Zweck der Regelung (vgl. BVerfGE 21, 173; 22, 275 <276>) nicht umfasst, der lediglich die Unabhängigkeit der Steuerberatung und den Schutz des Mandanten vor für ihn nachteiliger Verwertung seiner eigenen Geschäftsdaten sichern will. Eine solche Gefährdung ist vorliegend aber mehr als fernliegend, insbesondere ist schon angesichts seiner beruflichen Ausbildung nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer den von ihm betreuten Ärzten Konkurrenz machen will.

35

(b) Das auf dieser unzureichenden Grundlage ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Verwaltungsgerichtshof mit seiner Entscheidung nicht, wie verfassungsrechtlich geboten, korrigiert.

36

(aa) Im Grundsatz nicht verfassungsrechtlich bedenklich ist allerdings die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der in seiner Entscheidung - unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 17. Mai 2011 - VII R 47/10 -, juris) - davon ausgeht, dass mit der gesetzlichen Neuregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG der abstrakten Gefahr einer Interessenkollision begegnet werden solle, bei der Genehmigung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG aber darauf abzustellen sei, ob im konkreten Fall die Verletzung von Berufspflichten ausgeschlossen werden könne (so jetzt auch BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - 8 C 26/11 -, juris, Rn. 28 ff. und Urteil vom 26. September 2012 - 8 C 6/12 -, juris, Rn. 20 ff. unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs).

37

(bb) Die nach diesem zutreffenden Ansatz gebotene verfassungsrechtliche Korrektur eröffnet der Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht, sondern geht davon aus, dass ein Zulassungsgrund für die Berufung nicht vorliege, weil das Urteil des Verwaltungsgerichts zutreffend sei. Er lässt damit außer Acht, dass dem Urteil des Verwaltungsgerichts keine ausreichenden Feststellungen zur Tätigkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer und damit verbundenen Gefährdungen beruflicher Pflichten zugrunde lagen, seine Argumentation vielmehr alleine auf einer verfassungsrechtlich nicht tragfähigen Überlegung fußte. In welchem Umfang tatsächlich Kunden der gewerblichen Unternehmen auch Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft sind, bleibt - ebenso wie im verwaltungsgerichtlichen Urteil - offen. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, in der ersten Instanz seien die in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entwickelten Grundsätze angewandt worden, erweist sich daher als unhaltbar und hat zur Folge, dass die Korrektur einer die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers verletzenden Entscheidung verstellt wird.

38

2. Angesichts der festgestellten Verletzung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit bedürfen die weiteren vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen keiner Entscheidung.

39

3. Die Entscheidungen beruhen auf dem Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte anders entschieden hätten, wenn sie bei ihren Entscheidungen die verfassungsrechtlichen Maßstäbe beachtet hätten.

40

a) Selbst wenn der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 29. November 2011 (VII B 110/09, juris, Rn. 13) möglicherweise davon ausgeht, dass über die Genehmigung einer Ausnahme vom Verbot des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG eine gesonderte Entscheidung der Steuerberaterkammer durch Verwaltungsakt nicht möglich sei (vgl. auch BFH, Beschluss vom 11. April 2013 - VII B 172/12 -, juris, Rn. 7; zur entgegengesetzten Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts vgl. BVerwG, Urteile vom 26. September 2012 - 8 C 26/11 - und - 8 C 8 C 6/12 -, juris, jeweils Rn. 16), wäre derzeit mit Blick auf den bestehenden Streit in der Rechtsprechung jedenfalls nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht - dem Bundesverwaltungsgericht folgend - von der Zulässigkeit einer isolierten Entscheidung über die Erteilung der Ausnahmegenehmigung ausgehen und in der Sache entscheiden wird.

41

b) Die Entscheidungen der Fachgerichte können auch nicht deshalb Bestand haben, weil - unabhängig von der Begründung - das von ihnen gefundene Ergebnis sich aus anderen Erwägungen als zutreffend erweisen würde.

42

Selbst bei Anwendung der vom Bundesgerichtshof im Bereich des anwaltlichen Berufsrechts für die Feststellung von Inkompatibilitäten entwickelten Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2007 - AnwZ 92/06 -, juris, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung), wären die von den Fachgerichten getroffenen Feststellungen nicht ausreichend, um eine abschließende Entscheidung anhand der dort aufgestellten Eingruppierungen zu treffen.

43

Sonstige konkrete Anhaltspunkte für berufswidriges Verhalten oder die beabsichtigte Vermischung der Interessen sind, auch nach den vorliegenden Ausführungen der Fachgerichte, nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in der Vergangenheit offensichtlich bemüht, sich gesetzeskonform zu verhalten. Die Konzeption des Berufsrechts der Steuerberater - ebenso wie das der Rechtsanwälte (vgl. hierzu BVerfGE 108, 150 <163>; 117, 163 <190>) - beruht nicht auf der Annahme, dass eine situationsgebundene Gelegenheit zur Pflichtverletzung im Regelfall zu einem pflichtwidrigen Handeln des Berufsrechtsunterworfenen führt, sondern darauf, dass dieser sich grundsätzlich rechtstreu verhält. Dies gilt umso mehr, als § 25 Abs. 2, 3 BOStB Anzeigepflichten für Änderungen der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse vorsieht und überdies Vollzugsdefizite nicht zu Lasten des jeweiligen Berufsträgers als Argument für eine einschränkende Auslegung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG dienen können.

44

c) Die Sache ist an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, weil eine weitere Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 24, 278 <289>; 105, 239 <251 f.>). Die Fachgerichte haben den Sachverhalt aufgrund der von ihnen vertretenen Rechtsauffassung bisher nicht hinreichend aufgeklärt.

45

Dabei wird eine Gegenüberstellung der in der Steuerberatungsgesellschaft ausgeübten Aufgaben des Beschwerdeführers einerseits und seiner gewerblichen Tätigkeiten andererseits vorzunehmen und zu bewerten sein. Auf diese Weise ist zu ermitteln, welche Interessenkollisionen auftreten können, und ob den damit verbundenen Gefahren im konkreten Fall mit hinreichenden Mitteln begegnet werden kann.

46

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

47

5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.

(1) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben. Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich auf alles, was in Ausübung des Berufs bekannt geworden ist. Sie gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.

(1a) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte dürfen nicht tätig werden, wenn eine Kollision mit eigenen Interessen gegeben ist.

(1b) Berät oder vertritt ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter mehrere Auftraggeber in derselben Sache, ist er bei Interessenkollisionen verpflichtet, auf die widerstreitenden Interessen der Auftraggeber ausdrücklich hinzuweisen und darf nur vermittelnd tätig werden.

(1c) Die Absätze 1a und 1b gelten auch für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten ausüben, der einem Tätigkeitsverbot nach Absatz 1a unterliegt oder der nach Absatz 1b nur vermittelnd tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1 bleibt bestehen, wenn der dem Tätigkeitsverbot unterliegende Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Auftraggeber der Tätigkeit nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 1a oder Absatz 1b, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots oder einer Beschränkung auf vermittelnde Tätigkeit erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten auch ohne Einwilligung des Auftraggebers offenbart werden.

(2) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist. Sie haben sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die ihr Beruf erfordert.

(2a) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sind verpflichtet, sich fortzubilden.

(3) Mit dem Beruf eines Steuerberaters oder eines Steuerbevollmächtigten sind insbesondere vereinbar

1.
die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, niedergelassener europäischer Rechtsanwalt oder vereidigter Buchprüfer;
2.
eine freiberufliche Tätigkeit, die die Wahrnehmung fremder Interessen einschließlich der Beratung zum Gegenstand hat;
3.
eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen;
4.
die Tätigkeit eines Lehrers oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten, sofern der wissenschaftliche Mitarbeiter ihm übertragene Aufgaben in Forschung und Lehre überwiegend selbständig erfüllt; nicht vereinbar hingegen ist die Tätigkeit eines Lehrers oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschulen mit Ausbildungsgängen für den öffentlichen Dienst;
5.
eine freie schriftstellerische Tätigkeit sowie eine freie Vortrags- und Lehrtätigkeit;
6.
die Durchführung von Lehr- und Vortragsveranstaltungen zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung sowie die Prüfung als Wirtschaftsprüfer und vereidigter Buchprüfer und zur Fortbildung der Mitglieder der Steuerberaterkammern und deren Mitarbeiter.

(4) Als Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere

1.
eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist;
2.
eine Tätigkeit als Arbeitnehmer mit Ausnahme der Fälle des Absatzes 3 Nr. 4 sowie der §§ 58 und 59. Eine Tätigkeit als Angestellter der Finanzverwaltung ist stets mit dem Beruf des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten unvereinbar.

Tenor

1. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Oktober 2011 - 7 ZB 11.1173 - und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. März 2011 - AN 4 K 10.02119 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach zurückverwiesen.

2. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 20.000 € (in Worten: zwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, durch die ihm eine Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz des Steuerberatungsgesetzes (im Folgenden: StBerG) versagt wurde.

2

1. a) § 57 Abs. 4 StBerG vom 16. August 1961 in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November 1975 (BGBl I S. 2735), zuletzt geändert durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (8. StBerÄndG) vom 8. April 2008 (BGBl I S. 666), verbietet es Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten neben ihrem Beruf Tätigkeiten auszuüben, die mit dem Beruf nicht vereinbar sind, unter anderem gewerbliche Tätigkeiten. Hiervon können seit der Änderung der Vorschrift durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes im Einzelfall Ausnahmen zugelassen werden, wenn durch die gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist. Die Vorschrift lautet auszugsweise:

3

§ 57

Allgemeine Berufspflichten

(1) bis (3) ...

(4) Als Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere

1. eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist;

2. ...

4

Die in § 57 Abs. 4 StBerG geregelten Einschränkungen hinsichtlich gewerblicher Tätigkeiten sind nach § 72 Abs. 1 StBerG auf Steuerberatungsgesellschaften sowie Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und persönlich haftende Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft, die nicht Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind, anzuwenden. Zusätzlich benötigen Personen, die weder Steuerberater sind noch sozietätsfähigen Berufen nach § 50 Abs. 2 StBerG angehören, eine Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG, um Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter von Steuerberatungsgesellschaften zu werden. Die Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG darf nur versagt werden, wenn die besondere Fachkunde fehlt oder die persönliche Zuverlässigkeit nicht vorhanden ist (§ 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG). Nach § 50 Abs. 4 StBerG muss dabei in jeder Steuerberatungsgesellschaft sichergestellt sein, dass die Vorstände, Geschäftsführer oder persönlich haftenden Gesellschafter, die keine Steuerberater sind, aber die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2, 3 StBerG erfüllen, nicht die Mehrheit bilden.

5

b) Aufgrund der Ermächtigung in § 86 Abs. 4 Nr. 15 StBerG wurde von der Satzungsversammlung der Bundessteuerberaterkammer § 25 der Satzung über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Berufsordnung der Steuerberaterkammer - BOStB) in der Fassung vom 8. September 2010 (DStR 2010, S. 2659) beschlossen. Dieser regelt Einschränkungen bei der Geschäftsführung und Vertretung in Steuerberatungsgesellschaften und sieht unter anderem vor, dass durch Regelungen im Innenverhältnis gewährleistet sein muss, dass bei der Willensbildung innerhalb der Geschäftsführung die Stimmen der Steuerberater ausschlaggebend sind. Entsprechende gesellschaftsrechtliche Regelungen sind der Steuerberaterkammer, im Fall einer Änderung vorab, unverzüglich nachzuweisen (§ 25 Abs. 2 Satz 2 BOStB). In Absatz 4 der Vorschrift ist die Erteilung von Prokura näher geregelt. Sie lautet:

6

§ 25

Verantwortliche Führung, Geschäftsführung und Vertretung der Steuerberatungsgesellschaft

(1) bis (3) ...

(4) Neben Steuerberatern darf Prokura grundsätzlich nur Personen im Sinne des § 50 Abs. 2 StBerG erteilt werden. Wird in Ausnahmefällen anderen Personen Prokura erteilt, so muss im Innenverhältnis eine Vertretung in Steuersachen ausgeschlossen sein; im Übrigen ist nur eine Gesamtvertretung in Gemeinschaft mit einem Steuerberater zulässig. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(5) bis (6) …

7

2. a) Der Beschwerdeführer ist gelernter Versicherungskaufmann und seit längerer Zeit Geschäftsführer beziehungsweise Vorstand verschiedener juristischer Personen, die insbesondere auf dem Gebiet der Beratung von Ärzten und Zahnärzten in Versicherungs- und Finanzfragen, in der Kooperations- und Niederlassungsberatung sowie der Vermittlung von Versicherungen tätig sind. Er war bereits vor dem Jahr 2004 Außendienstmitarbeiter, Geschäftsführer, Leiter Vertrieb und Buchhaltung sowie Vorstand verschiedener Gesellschaften einer Unternehmensgruppe (im Folgenden: H-Gruppe). Diese Tätigkeiten übt er auch derzeit noch aus. Der Beschwerdeführer ist darüber hinaus Prokurist der "HS M … GmbH Steuerberatungsgesellschaft" (im Folgenden: GmbH), in der er jedoch keiner steuerberatenden Tätigkeit nachgeht. Sein Tätigkeitsfeld beschränkt sich auf kaufmännische und verwaltende Aufgaben.

8

Bereits mit Bescheid vom 17. August 2004 hatte die Steuerberaterkammer dem Beschwerdeführer eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 50 Abs. 3 StBerG erteilt. Mit dieser Genehmigung war ihm erlaubt worden, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter der GmbH zu werden. Die Erteilung erfolgte damals unter dem Vorbehalt, dass sich die GmbH auf die Beratung von Ärzten spezialisiere und die weiteren Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft vorlägen. Ausdrücklich wurde im Bescheid hinsichtlich der besonderen Befähigung des Beschwerdeführers im Sinne des § 50 Abs. 3 StBerG auf die Erfahrungen aus den Tätigkeiten in den gewerblichen Unternehmen der "H-Gruppe" abgestellt. Mit Urkunde vom 7. März 2005 wurde die GmbH als Steuerberatungsgesellschaft von der Steuerberaterkammer zugelassen.

9

Im November 2005 beantragte der Beschwerdeführer unter Berufung auf die bereits erteilte Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG bei der Steuerberaterkammer die Zulassung seines Eintritts als Geschäftsführer in die GmbH und die Zulassung des Erwerbs von Geschäftsanteilen mit der Maßgabe, dass eine Vertretung der GmbH in Steuersachen durch den Beschwerdeführer aufgrund von Bestimmungen in der Satzung, der Geschäftsordnung der Geschäftsführung und/oder des Geschäftsführeranstellungsvertrags ausgeschlossen werde. Dies lehnte die Steuerberaterkammer im März 2006 ab. Eine daraufhin erhobene Klage zum Finanzgericht wurde am 7. Februar 2008 mit der Begründung abgewiesen, dass dem Vorhaben das Verbot der gewerblichen Betätigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG a.F. entgegenstehe, weil der Beschwerdeführer als Organ verschiedener gewerblich tätiger Kapitalgesellschaften agiere.

10

Mit Bescheid vom 25. Juni 2008 widerrief die Steuerberaterkammer die im Jahr 2004 an den Beschwerdeführer erteilte Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG wegen der von ihm ausgeübten gewerblichen Tätigkeiten. Hierüber ist beim Finanzgericht ein Rechtsstreit anhängig, dessen Ruhen im Hinblick auf das vorliegende Verfahren angeordnet ist.

11

b) Am 22. April 2008 beantragte der Beschwerdeführer bei der Steuerberaterkammer, ihm aufgrund der Gesetzesänderung eine Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG zu erteilen, weil durch seine gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung der Berufspflichten nicht zu erwarten sei. Er beabsichtige nicht, steuerberatend tätig zu werden. Seine Tätigkeitsgebiete entsprächen nach wie vor denjenigen, die er bereits als Prokurist in der Steuerberatungsgesellschaft ausgeübt habe. Diese stünden mit der Steuerberatung durch die GmbH gegenüber Dritten in keiner Verbindung, sondern beschränkten sich ausschließlich auf kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten. Es sei beabsichtigt, die Vertretung der GmbH in Steuersachen durch den Beschwerdeführer aufgrund von Bestimmungen in der Satzung, der Geschäftsordnung der Geschäftsführung und/oder des Geschäftsführeranstellungsvertrags auszuschließen. Der Beschwerdeführer wolle auch nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer Geschäftsanteile der GmbH erwerben und halten. Daneben wünsche der Beschwerdeführer, weiterhin Organ und Gesellschafter der aufgeführten gewerblich tätigen Gesellschaften der "H-Gruppe" zu bleiben. In allen Fällen sei die allgemeine Verantwortlichkeit eines Steuerberaters gegenüber dem jeweiligen Mandanten gewährleistet und damit deren Interessen und Belange ausreichend geschützt.

12

Den Antrag auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung wies die Steuerberaterkammer mit Bescheid vom 25. Juni 2008 zurück. Die hiergegen gerichtete Klage des Beschwerdeführers wurde durch das Verwaltungsgericht abgewiesen. Es bestehe keine Verpflichtung, die beantragte Ausnahmegenehmigung für die beabsichtigte Tätigkeit als Geschäftsführer nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG zu erteilen. Bei der gebotenen abstrakten Betrachtungsweise könne trotz der beabsichtigten gesellschaftsrechtlichen Vorkehrungen und der unterstellten Bereitschaft des Beschwerdeführers, im Falle einer Interessenkollision gewerbliche Interessen zurückzustellen, eine Gefährdung der Unabhängigkeit als Geschäftsführer der GmbH nicht ausgeschlossen werden. Eine Ausnahmegenehmigung dürfe nur erteilt werden, wenn die vom Beschwerdeführer bereits ausgeübte und auch zukünftig beabsichtigte gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten des Steuerberaters nicht erwarten lasse. Gerade weil er in gewerblichen Firmen tätig sei, deren Kunden vorrangig auch Gegenstand der Beratungen der Steuerberatungsgesellschaft seien, könne trotz eines Verzichts des Beschwerdeführers auf steuerberatende Tätigkeit nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass wirtschaftliche Kenntnisse und Informationen aus dem Mandantenkreis der GmbH in unzulässiger Weise auch gewerblich genutzt würden.

13

Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 26. Oktober 2011 abgelehnt. Das Verwaltungsgericht habe die verfassungsrechtlich unbedenkliche Bestimmung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG im vorliegenden Einzelfall zutreffend angewandt. Es habe insbesondere die in der Rechtsprechung geklärten Maßstäbe korrekt herangezogen, die Bedeutung einer "abstrakten" oder "konkreten" Gefährdung der Berufspflichten nicht verkannt und die Umstände des Einzelfalls ausreichend berücksichtigt. Schon die Möglichkeit, Kenntnisse und Informationen aus der steuerberatenden Tätigkeit im Rahmen des eigenen Gewerbes zum eigenen Nutzen und zum Nachteil des Mandanten umzusetzen, könne die vom Gesetzgeber gewollte Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Beraters gegenüber seinem Auftraggeber sowie das Vertrauensverhältnis zwischen diesen beeinträchtigen. Das grundsätzliche Verbot der gewerblichen Tätigkeit habe nach dem Willen des Gesetzgebers auch nach der Änderung des § 57 StBerG erhalten bleiben sollen.

14

3. Mit seiner gegen diese Entscheidungen gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

15

4. Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, die Bundessteuerberaterkammer, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Steuerberaterverband e.V., der Deutsche Anwaltverein e.V. sowie die Beklagte des Ausgangsverfahrens haben zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

16

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 21, 173; 22, 275; 87, 287 <316>; 102, 197 <213>). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.

17

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit.

18

a) Die Entscheidungen der Fachgerichte, die dem Beschwerdeführer die erstrebte Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG vorenthalten, greifen in seine Berufsfreiheit ein. Ohne die Ausnahmegenehmigung ist es dem Beschwerdeführer nicht möglich, Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft zu werden, solange er seine bisherige Tätigkeit als Geschäftsführer in weiteren, gewerblich tätigen Gesellschaften nicht aufgibt.

19

Wer nicht über die für Steuerberater nach § 36 StBerG erforderliche Ausbildung verfügt, kann gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 StBerG die Position des Geschäftsführers einer Steuerberatungsgesellschaft nur dann erlangen, wenn ihm dies von der Steuerberaterkammer genehmigt wird. Der Erteilung dieser Genehmigung steht insbesondere das Fehlen persönlicher Zuverlässigkeit entgegen (§ 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG). Da zur Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit § 40 Abs. 2 Nr. 4 StBerG entsprechend anwendbar ist, darf - ebenso wie die Bestellung zum Steuerberater - auch die Erteilung einer Genehmigung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG dann verweigert werden, wenn eine mit dem Beruf des Steuerberaters nach Maßgabe des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG unvereinbare Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Aufl. 2009, § 50 Rn. 19). Für die Genehmigung seiner Geschäftsführertätigkeit in der Steuerberatungsgesellschaft benötigt der Beschwerdeführer daher als Voraussetzung seiner persönlichen Zuverlässigkeit zunächst eine Ausnahmegenehmigung seiner gleichzeitigen gewerblichen Tätigkeit nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG. Dass der Beschwerdeführer die weiteren Voraussetzungen für eine Erteilung der Genehmigung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG insbesondere mit Blick auf seine besondere Fachkunde erfüllt, ergibt sich schon daraus, dass ihm eine solche Genehmigung bereits erteilt worden war und diese inzwischen nur wegen der von ihm ausgeübten gewerblichen Tätigkeit - noch nicht bestandskräftig - widerrufen wurde.

20

b) Die Gründe, auf die das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof ihre Entscheidungen stützen, sind nicht geeignet, den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.

21

aa) Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit umfasst grundsätzlich auch das Recht, mehrere Berufe zu wählen und nebeneinander auszuüben (vgl. BVerfGE 87, 287 <316>). Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die Freiheit der Berufswahl des Beschwerdeführers betroffen oder lediglich ein Eingriff in seine Freiheit der Berufsausübung gegeben ist, weil seine Tätigkeit als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft nicht als eigenständiger Beruf anzusehen wäre.

22

bb) Selbst dann, wenn hier die strengeren Maßstäbe, die an eine Zulassungsbeschränkung bei der Wahl eines Zweitberufs zu stellen sind (vgl. BVerfGE 21, 173 <181>; 22, 275 <276>), Anwendung finden, begegnet die Annahme der Fachgerichte, die maßgebliche Vorschrift des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG sei in der derzeit gültigen Fassung des Achten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes verfassungsgemäß, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit sind Einwände gegen das in der vorangehenden Fassung der Bestimmung enthaltene ausnahmslose Verbot durch die Neuregelung und teilweise Öffnung der Vorschrift für Ausnahmen vom Verbot der gewerblichen Tätigkeit ausgeräumt.

23

cc) Jedoch genügt die Auslegung und Anwendung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG durch die Fachgerichte im konkreten Fall nicht den Anforderungen, die sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben. Auch dies gilt ungeachtet der Frage, ob die Verweigerung der Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG als Eingriff in die Freiheit der Berufswahl oder als Eingriff in die freie Berufsausübung zu bewerten ist.

24

(1) Auslegung und Anwendung des Gesetzes sind Aufgabe der Fachgerichte und werden vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung einer Norm die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 85, 248 <257 f.>).

25

(a) Für den Anwaltsberuf hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass bei der Konkretisierung der (generalklauselartigen) Inkompatibilitätsvorschriften durch die Rechtsprechung besonderes Augenmerk auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu legen ist (vgl. BVerfGE 87, 287 <322>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet im Hinblick auf die grundrechtlich gewährleistete Freiheit der Berufswahl Zurückhaltung bei der Entwicklung typisierender Unvereinbarkeitsregeln (vgl. BVerfGE 87, 287 <322>), weil die Beschränkung der Berufswahlfreiheit dem Betroffenen nur zumutbar ist, wenn der Unvereinbarkeitsgrundsatz nicht starr gehandhabt wird (vgl. BVerfGE 87, 287 <324>).

26

Aufgrund der Vielfalt möglicher erwerbswirtschaftlicher Betätigungen ist eine Einzelfallprüfung erforderlich, die der Vielgestaltigkeit der Tätigkeiten Rechnung trägt. Die Einführung einer Berufswahlschranke hinsichtlich gewerblicher Tätigkeiten ist nur dort erforderlich und zumutbar, wo die Gefahr einer Interessenkollision sich deutlich abzeichnet und nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregeln zu bannen ist. Eine generelle Berufszugangssperre, die keinerlei erwerbswirtschaftliche Tätigkeit neben dem Anwaltsberuf ermöglicht, ist hingegen nicht erforderlich (vgl. BVerfGE 87, 287 <330>).

27

(b) Diese für den Anwaltsberuf entwickelten, jedoch nicht auf ihn beschränkten Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber mit der Änderung des Steuerberatungsgesetzes im Jahr 2008 die gebotene Liberalisierung des Berufsrechts auch für Steuerberater vollzogen und ausdrücklich Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der gewerblichen Tätigkeit vorgesehen hat (vgl. Begründung zum Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes BTDrucks 16/7077, S. 1, 32).

28

(2) Die Fachgerichte haben bei ihren Entscheidungen die mithin auch hier maßgeblichen - sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden - verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht hinreichend berücksichtigt.

29

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil, das anschließend vom Verwaltungsgerichtshof auf unveränderter Tatsachengrundlage bestätigt wurde, ohne nähere Feststellungen auf generelle Gesichtspunkte abgestellt, was bei Übertragung auf andere Fälle regelmäßig zu einer Versagung der Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG wegen einer dann zumindest vorliegenden abstrakten Gefährdung beruflicher Pflichten führen muss. Durch diese Verengung des Anwendungsbereichs wird unverhältnismäßig in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit des Beschwerdeführers eingegriffen.

30

Die von den Fachgerichten gewählte Auslegung ist bereits nicht erforderlich, um den legitimen Zweck der Regelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG zu verfolgen. Mit dem grundsätzlichen Verbot gewerblicher Tätigkeit sollen die fachliche Kompetenz und Integrität sowie ausreichender Handlungsspielraum der steuerberatenden Berufsträger gesichert sowie die notwendige Vertrauensgrundlage geschützt werden (vgl. BVerfGE 87, 287 <321> für die Rechtsanwaltschaft; vgl. auch BVerfGE 21, 173; 22, 275 <276>). Damit dient die Regelung der Funktionsfähigkeit der Steuerrechtspflege, die als Teil der gesamten Rechtspflege (vgl. dazu BVerfGE 87, 287 <321>) einen Gemeinwohlbelang von großer Bedeutung darstellt. Durch die Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG und der Öffnung für Ausnahmefälle hat der Gesetzgeber allerdings deutlich gemacht, dass eine gewerbliche Tätigkeit nicht schlechthin zu einer Gefährdung der Steuerrechtspflege führt, die Eingriffe in die Berufsfreiheit rechtfertigen kann. Mit dieser Einschätzung der drohenden Gefahren bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb seines Beurteilungsspielraums, der von den Gerichten grundsätzlich hinzunehmen und zu beachten ist (vgl. BVerfGE 90, 145 <173> m.w.N.).

31

(a) Das Verwaltungsgericht erörtert diesen für die Auslegung anzuwendenden Maßstab nur unzureichend und verkennt darüber hinaus die Zielrichtung der Vorschrift.

32

Unberücksichtigt lässt das Verwaltungsgericht bei seiner Auslegung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG bereits die im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG erörterungsbedürftige grundsätzliche Frage, ob bei der Annahme, eine lediglich abstrakte Gefährdung der Verletzung von Berufspflichten sei für die Versagung der Genehmigung ausreichend, überhaupt noch ein nennenswerter Anwendungsbereich für die gesetzlich geregelte Ausnahme vom Verbot gewerblicher Tätigkeit verbleiben kann. Davon abgesehen lässt das Urteil des Verwaltungsgerichts nachvollziehbare Feststellungen zu den Anknüpfungstatsachen vermissen, mit denen es das Vorliegen einer abstrakten Gefährdung begründen will. Weder wurden Feststellungen zur gemeinsamen "Klientel" bei gewerblicher und steuerberatender Berufstätigkeit getroffen noch wurden Erwägungen zu den möglicherweise drohenden Interessenkollisionen mit den steuerberaterlichen Berufspflichten angestellt. Dies wäre jedoch gerade im Hinblick auf die mannigfaltigen Möglichkeiten einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit notwendig gewesen, um nicht bereits aufgrund nicht belegter Vermutungen den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift unter Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG zumindest erheblich zu verengen.

33

Das Verwaltungsgericht hat lediglich eine tragende Überlegung angeführt und sich hierbei auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Beschwerdeführers von "nützlichen" Unterlagen bezogen. Dies hält jedoch einer Überprüfung am Maßstab von Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit nicht stand. Das Verwaltungsgericht lässt dabei bereits außer Acht, dass der Beschwerdeführer durch die angestrebte Stellung als Geschäftsführer keinen Zugang zu Unterlagen erlangt, auf die er nicht schon durch seine Stellung als Prokurist zugreifen konnte. Die dem Beschwerdeführer bereits 2005 unter Beachtung berufsrechtlicher Bestimmungen erteilte Prokura (vgl. § 25 Abs. 4 Satz 2 BOStB) wurde von der Steuerberaterkammer bisher ebenso wenig beanstandet wie seine Tätigkeit als Prokurist selbst. Wenn jedoch auch einem Angestellten der Steuerberatungsgesellschaft mit im Außenverhältnis nahezu unbeschränkter Vertretungsmacht die vom Verwaltungsgericht genannten Unterlagen schon aufgrund dieser Position zugänglich sein können, handelt es sich bei der Gefahr der Kenntnisnahme von solchen Dokumenten lediglich um eine allgemeine, dem Geschäftsführeramt nicht spezifisch anhaftende Gefahr, der mit der gesetzlichen Regelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG nicht begegnet werden kann und soll.

34

Dass der Beschwerdeführer sich als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft nützliche Informationen für seine gewerblichen Tätigkeiten beschafft, stellt zudem ein Risiko dar, dem mit anderen Vorschriften des Berufsrechts, wie insbesondere der berufs- und strafrechtlich sanktionierten Verpflichtung zur Verschwiegenheit, ausreichend begegnet werden kann. Dieses Risiko wird auch von dem vom Bundesverfassungsgericht in den Vordergrund gestellten Zweck der Regelung (vgl. BVerfGE 21, 173; 22, 275 <276>) nicht umfasst, der lediglich die Unabhängigkeit der Steuerberatung und den Schutz des Mandanten vor für ihn nachteiliger Verwertung seiner eigenen Geschäftsdaten sichern will. Eine solche Gefährdung ist vorliegend aber mehr als fernliegend, insbesondere ist schon angesichts seiner beruflichen Ausbildung nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer den von ihm betreuten Ärzten Konkurrenz machen will.

35

(b) Das auf dieser unzureichenden Grundlage ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Verwaltungsgerichtshof mit seiner Entscheidung nicht, wie verfassungsrechtlich geboten, korrigiert.

36

(aa) Im Grundsatz nicht verfassungsrechtlich bedenklich ist allerdings die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der in seiner Entscheidung - unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 17. Mai 2011 - VII R 47/10 -, juris) - davon ausgeht, dass mit der gesetzlichen Neuregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG der abstrakten Gefahr einer Interessenkollision begegnet werden solle, bei der Genehmigung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG aber darauf abzustellen sei, ob im konkreten Fall die Verletzung von Berufspflichten ausgeschlossen werden könne (so jetzt auch BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - 8 C 26/11 -, juris, Rn. 28 ff. und Urteil vom 26. September 2012 - 8 C 6/12 -, juris, Rn. 20 ff. unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs).

37

(bb) Die nach diesem zutreffenden Ansatz gebotene verfassungsrechtliche Korrektur eröffnet der Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht, sondern geht davon aus, dass ein Zulassungsgrund für die Berufung nicht vorliege, weil das Urteil des Verwaltungsgerichts zutreffend sei. Er lässt damit außer Acht, dass dem Urteil des Verwaltungsgerichts keine ausreichenden Feststellungen zur Tätigkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer und damit verbundenen Gefährdungen beruflicher Pflichten zugrunde lagen, seine Argumentation vielmehr alleine auf einer verfassungsrechtlich nicht tragfähigen Überlegung fußte. In welchem Umfang tatsächlich Kunden der gewerblichen Unternehmen auch Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft sind, bleibt - ebenso wie im verwaltungsgerichtlichen Urteil - offen. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, in der ersten Instanz seien die in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entwickelten Grundsätze angewandt worden, erweist sich daher als unhaltbar und hat zur Folge, dass die Korrektur einer die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers verletzenden Entscheidung verstellt wird.

38

2. Angesichts der festgestellten Verletzung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit bedürfen die weiteren vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen keiner Entscheidung.

39

3. Die Entscheidungen beruhen auf dem Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte anders entschieden hätten, wenn sie bei ihren Entscheidungen die verfassungsrechtlichen Maßstäbe beachtet hätten.

40

a) Selbst wenn der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 29. November 2011 (VII B 110/09, juris, Rn. 13) möglicherweise davon ausgeht, dass über die Genehmigung einer Ausnahme vom Verbot des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG eine gesonderte Entscheidung der Steuerberaterkammer durch Verwaltungsakt nicht möglich sei (vgl. auch BFH, Beschluss vom 11. April 2013 - VII B 172/12 -, juris, Rn. 7; zur entgegengesetzten Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts vgl. BVerwG, Urteile vom 26. September 2012 - 8 C 26/11 - und - 8 C 8 C 6/12 -, juris, jeweils Rn. 16), wäre derzeit mit Blick auf den bestehenden Streit in der Rechtsprechung jedenfalls nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht - dem Bundesverwaltungsgericht folgend - von der Zulässigkeit einer isolierten Entscheidung über die Erteilung der Ausnahmegenehmigung ausgehen und in der Sache entscheiden wird.

41

b) Die Entscheidungen der Fachgerichte können auch nicht deshalb Bestand haben, weil - unabhängig von der Begründung - das von ihnen gefundene Ergebnis sich aus anderen Erwägungen als zutreffend erweisen würde.

42

Selbst bei Anwendung der vom Bundesgerichtshof im Bereich des anwaltlichen Berufsrechts für die Feststellung von Inkompatibilitäten entwickelten Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2007 - AnwZ 92/06 -, juris, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung), wären die von den Fachgerichten getroffenen Feststellungen nicht ausreichend, um eine abschließende Entscheidung anhand der dort aufgestellten Eingruppierungen zu treffen.

43

Sonstige konkrete Anhaltspunkte für berufswidriges Verhalten oder die beabsichtigte Vermischung der Interessen sind, auch nach den vorliegenden Ausführungen der Fachgerichte, nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in der Vergangenheit offensichtlich bemüht, sich gesetzeskonform zu verhalten. Die Konzeption des Berufsrechts der Steuerberater - ebenso wie das der Rechtsanwälte (vgl. hierzu BVerfGE 108, 150 <163>; 117, 163 <190>) - beruht nicht auf der Annahme, dass eine situationsgebundene Gelegenheit zur Pflichtverletzung im Regelfall zu einem pflichtwidrigen Handeln des Berufsrechtsunterworfenen führt, sondern darauf, dass dieser sich grundsätzlich rechtstreu verhält. Dies gilt umso mehr, als § 25 Abs. 2, 3 BOStB Anzeigepflichten für Änderungen der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse vorsieht und überdies Vollzugsdefizite nicht zu Lasten des jeweiligen Berufsträgers als Argument für eine einschränkende Auslegung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG dienen können.

44

c) Die Sache ist an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, weil eine weitere Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 24, 278 <289>; 105, 239 <251 f.>). Die Fachgerichte haben den Sachverhalt aufgrund der von ihnen vertretenen Rechtsauffassung bisher nicht hinreichend aufgeklärt.

45

Dabei wird eine Gegenüberstellung der in der Steuerberatungsgesellschaft ausgeübten Aufgaben des Beschwerdeführers einerseits und seiner gewerblichen Tätigkeiten andererseits vorzunehmen und zu bewerten sein. Auf diese Weise ist zu ermitteln, welche Interessenkollisionen auftreten können, und ob den damit verbundenen Gefahren im konkreten Fall mit hinreichenden Mitteln begegnet werden kann.

46

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

47

5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 1978 Steuerberater, zuletzt in einer Steuerberatungsgesellschaft, und Mitglied der Beklagten. Er begehrt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für seine Tätigkeit als ehrenamtlicher Geschäftsführer der B. GmbH.

2

Seit 1999 ist der Kläger ehrenamtlich als Vizepräsident Mitglied im Vorstand (Präsidium) des gemeinnützigen Vereins B. Für diese Tätigkeit erhält er eine monatliche Aufwandsentschädigung von 1 500 €.

3

Am 1. Juli 2003 wurde die B. GmbH gegründet, deren Unternehmensgegenstand "der professionell und amateurmäßig betriebene Fussballsport" ist. Das Stammkapital beträgt 2,5 Mio. €. Alleiniger Gesellschafter der Gesellschaft ist der Verein. Im Jahre 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm die Mitwirkung in der zu gründenden Gesellschaft zu genehmigen. Mit Schreiben vom 14. April 2004 teilte die Beklagte mit, eine derartige Tätigkeit sei derzeit wegen Verstoßes gegen das Verbot der gewerblichen Tätigkeit unzulässig. Sollte das 8. Steuerberatungsänderungsgesetz planmäßig in Kraft treten, würde sich ein möglicher Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen einer Geschäftsführungstätigkeit in der Gesellschaft allerdings erledigen.

4

Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 18. Mai 2004 wurde der Kläger zum weiteren Geschäftsführer der B. GmbH bestellt. In dieser Funktion ist er ehrenamtlich tätig. Neben ihm gibt es zwei für das operative Tagesgeschäft zuständige hauptamtliche und einen weiteren ehrenamtlich tätigen Geschäftsführer. Die Vertretung der Gesellschaft erfolgt durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder durch einen Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen. Die Aufgabe der ehrenamtlichen Geschäftsführer besteht darin, die hauptamtlichen Geschäftsführer zu überwachen und im Sinne des Trägervereins zu beeinflussen.

5

Nach vorheriger Anhörung widerrief die Beklagte im August 2007 die Bestellung des Klägers zum Steuerberater. Zur Begründung führte sie aus, dass die Geschäftsführung der B. GmbH eine unzulässige gewerbliche Tätigkeit darstelle. Dass der Kläger unentgeltlich, ehrenamtlich und in gemeinnütziger Absicht tätig sei, ändere daran nichts. Die dagegen erhobene Klage ist beim Finanzgericht Düsseldorf anhängig. Das Verfahren ist im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit ausgesetzt.

6

Auf Anregung der Beklagten beantragte der Kläger am 6. Juni 2008 die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer. Seine seit 1999 inhaltlich gleichbleibende Tätigkeit für B. habe zu keinerlei Beanstandungen und Konflikten mit seinen Berufspflichten geführt. Eine Verletzung seiner Berufspflichten sei daher auch in Zukunft nicht zu erwarten.

7

Mit Bescheid vom 26. Juni 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, die Übernahme der Geschäftsführung einer gewerblichen Gesellschaft sei gemäß § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahmesituation, die es rechtfertigen könnte, hiervon abzuweichen, liege nicht vor. Daraufhin hat der Kläger beim Finanzgericht Düsseldorf die vorliegende Klage erhoben, die das Finanzgericht durch Beschluss vom 30. Juli 2009 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf verwiesen hat.

8

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 4. August 2010 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers, mit der dieser zuletzt noch eine zeitlich bis Ende 2013 befristete Ausnahmegenehmigung begehrt, hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil mit Urteil vom 20. Dezember 2011 geändert und den Beklagten zur Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung verpflichtet. Zwar handele es sich bei der Geschäftsführertätigkeit um eine gewerbliche Tätigkeit, weil die GmbH Formkaufmann und organschaftliches Handeln für sie notwendig vom gewerblichen Charakter ihrer Unternehmenstätigkeit geprägt sei. Der Kläger habe aber hinreichend dargelegt, dass eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten sei. Hierfür komme es auf eine konkrete Betrachtungsweise an. Der Kläger habe kein eigenes wirtschaftliches Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der GmbH. Seine - zeitlich auf etwa zwei Stunden wöchentlich beschränkte - Tätigkeit, für die er nicht einmal eine Aufwandsentschädigung erhalte, sei nicht erwerbswirtschaftlich geprägt, sondern rein ehrenamtlich. Der Anreiz, Berufspflichten zu verletzen, sei gering. Der Kläger übe die umstrittene Tätigkeit bereits seit Jahren aus, ohne dass es Anhaltspunkte für Interessenkollisionen oder Berufspflichtverletzungen gegeben habe. Eine gleichzeitige Steuerberatung der GmbH oder des Vereins durch den Kläger sei durch § 57 Abs. 1 StBerG ausgeschlossen. Es könne auch mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Kenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Mandanten Bedeutung für unternehmerische Entscheidungen des Klägers als GmbH-Geschäftsführer gewinnen könnten. Ebenso wenig stehe zu befürchten, dass seine Geschäftsführertätigkeit die pflichtgemäße Steuerberatung seiner Mandanten gefährde. Seine alteingesessene Kanzlei vertrete seit langem mittelständische Unternehmen und führe Systemprüfungen von Banken durch, habe aber keine Mandanten aus der Fußballbranche. Außerdem sei der Kläger in der Gesellschaft nicht im operativen Geschäft tätig und kümmere sich nicht um die Vergabe von Aufträgen an Dienstleister. Ungeachtet des Wortlautes des § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG bestehe kein Ermessensspielraum für die Beklagte. Die Ausnahmegenehmigung sei zu erteilen.

9

Mit ihrer Revision beantragt die Beklagte,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Dezember 2011 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 4. August 2010 zurückzuweisen.

10

Bei der Frage, ob die gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten erwarten lasse, sei keine konkrete, sondern eine abstrakte oder typisierende Betrachtungsweise zu fordern. Mit der Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG habe der Gesetzgeber an der grundsätzlich geltenden Unvereinbarkeit von steuerberatender und gewerblicher Tätigkeit nichts ändern wollen. Dies könne nur durch eine abstrakte, typisierende Betrachtung sichergestellt werden. Dann aber könnten Gefährdungen für die Einhaltung der Berufspflichten durch den Kläger nicht ausgeschlossen werden.

11

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er verteidigt das Berufungsurteil.

12

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er hält die Auffassung des Berufungsgerichts zur Auslegung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG ebenfalls für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer befristeten Ausnahmegenehmigung gemäß § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG für seine Tätigkeit als Geschäftsführer der B. GmbH hat.

14

1. Infolge der Verweisung des Rechtsstreits durch das Finanzgericht an das Verwaltungsgericht prüft das Rechtsmittelgericht die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs nicht, § 17a Abs. 2 und 5 GVG.

15

Unabhängig davon ist durch den Gesetzgeber der Verwaltungsrechtsweg für Streitigkeiten vorgegeben, die die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG zum Gegenstand haben. Zwar ist für Streitigkeiten über den berufsrechtlichen Status des Steuerberaters grundsätzlich das Finanzgericht zuständig. § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO verweist insoweit auf den Ersten Teil, den Zweiten und Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils des Steuerberatergesetzes. Davon ist § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG jedoch nicht erfasst. Er befindet sich im Dritten Abschnitt des Zweiten Teils des Steuerberatergesetzes. Damit verbleibt es insoweit bei der allgemeinen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das müsste auch dann gelten, wenn der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG durch das 8. Steuerberatungsänderungsgesetz 2008 übersehen haben sollte, § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO insoweit anzupassen. Zwar führt dies zu einer wenig zuträglichen Rechtswegspaltung, deren Beseitigung dringend wünschenswert wäre. Ob dies aber zugunsten der Finanzgerichte oder zugunsten der allgemeinen Verwaltungsgerichte geschieht, die auch sonst für das Recht der Freien Berufe ganz überwiegend zuständig sind, kann nur der Gesetzgeber entscheiden.

16

Dem lässt sich nicht dadurch entgehen, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme im Rahmen des Bestellungs- oder eines Widerrufsverfahren nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 2, § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG inzident geprüft werden (so aber offenbar BFH, Urteil vom 17. Mai 2011 - VII R 47/10 - BFHE 234, 379 ; Beschluss vom 29. November 2011 - VII B 110/09 - BFH/NV 2012, 797 = juris ). § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG setzt ein Handeln der zuständigen Steuerberaterkammer mittels Verwaltungsakt voraus. Sinn und Zweck der Neuregelung in § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG bestehen gerade darin, dem Steuerberater unabhängig von der schwerwiegenden Entscheidung des Widerrufs der Bestellung die Möglichkeit einer zweitberuflichen Betätigung zu eröffnen und deren berufsrechtliche Unbedenklichkeit in einem hierauf gerichteten besonderen Verfahren vorab zu klären.

17

2. Der Kläger hat einen Anspruch auf die beantragte Ausnahmegenehmigung.

18

a) Gemäß § 57 Abs. 1 StBerG haben Steuerberater und Steuerbevollmächtigte ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben. Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist. Sie haben sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die ihr Beruf erfordert (§ 57 Abs. 2 StBerG). Als Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht erwarten lässt (§ 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG).

19

Nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG ist der Freie Beruf des Steuerberaters mit einer gewerblichen Tätigkeit demnach grundsätzlich unvereinbar. Dem liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass eine gewerbliche Zweit- oder Nebentätigkeit im typischen Regelfall die verlässliche Einhaltung der allgemeinen Berufspflichten des Steuerberaters (§ 57 Abs. 1 und 2 StBerG) im Sinne einer abstrakten Gefahr zu beeinträchtigen droht. Die Neuregelung durch das 8. Steuerberatungsänderungsgesetz hat an diesem Grundsatz nichts geändert. Zwar wurde das zuvor ausnahmslose Verbot einer gewerblichen Tätigkeit durch die Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG zu einem nur grundsätzlichen Verbot abgeschwächt, das Ausnahmen zugänglich ist. Jedoch wurde der Katalog der mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbaren Tätigkeiten (§ 57 Abs. 3 StBerG) nicht erweitert (BTDrucks 16/7077 S. 1). Namentlich sind diese Tätigkeiten unverändert nur dann zulässig, wenn sie nicht gewerblich ausgeübt werden; der Absicht des Gesetzgebers widerspräche es, den Katalog des § 57 Abs. 3 StBerG durch Auslegung dahin zu erweitern, dass auch die gewerbliche Betätigung der gesetzlich vereinbaren Tätigkeiten darunter fällt (vereinbare Tätigkeit "im gewerblichen Kleid", vgl. Mutschler, DStR 2008, 1500 f.). Auch insofern verbleibt es vielmehr bei § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG.

20

Die Zulassung einer Ausnahme kommt nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG in Betracht, wenn die vom Gesetzgeber unterstellte abstrakte Gefahr der Beeinträchtigung von Berufspflichten im konkreten Fall widerlegt ist (ebenso BFH, Urteil vom 17. Mai 2011 a.a.O.; vgl. Gehre/Koslowski, StBerG, 6. Aufl. 2009, § 57 Rn. 92). Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Ergibt die vorzunehmende Einzelfallprüfung, dass eine konkrete Gefährdung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist, besteht ein Anspruch auf die Zulassung der Ausnahme. Insofern ist der zuständigen Steuerberaterkammer kein Ermessensspielraum eröffnet. Die Formulierung in § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG ("kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen") beinhaltet eine Handlungsermächtigung, jedoch kein Entscheidungsermessen. Die Ausnahmegenehmigung ist hingegen zu versagen, wenn der Antragsteller die grundsätzlich bestehenden Zweifel, dass durch eine gewerbliche Zweitbetätigung die Berufspflichten als Steuerberater gefährdet werden, in seinem Einzelfall nicht ausgeräumt hat. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast (BFH, Urteil vom 17. Mai 2011 a.a.O.; Beschluss vom 8. Februar 2000 - VII B 245/99 - DStR 2000, 670).

21

Allerdings hat die Bundessteuerberaterkammer in Wahrnehmung ihrer Regelungsautonomie (vgl. § 86 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 6 StBerG) in § 16 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (BOStB) Fallgruppen bestimmt, in denen eine Gefahr für die Verletzung von Berufspflichten im Regelfalle ausgeschlossen ist. Deshalb genügt es, wenn der Steuerberater darlegt, dass seine gewerbliche Zweitbetätigung unter eine der Fallgruppen des § 16 BOStB einzuordnen ist. Es ist dann an der Steuerberaterkammer, eine etwa gleichwohl bestehende konkrete Gefahr für die Einhaltung der Berufspflichten ihrerseits darzutun und ggf. zu beweisen. Umgekehrt ist der Anwendungsbereich des § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG nicht auf diese Fallgruppen beschränkt. Dem Steuerberater ist unbenommen, für eine nicht in § 16 BOStB angesprochene gewerbliche Tätigkeit gleichwohl eine Ausnahmegenehmigung zu verlangen; nur obliegt ihm dann der volle Nachweis, dass eine konkrete Gefahr für die Einhaltung seiner Berufspflichten als Steuerberater nicht besteht.

22

b) Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist dem Kläger die begehrte Ausnahmegenehmigung zu erteilen.

23

Allerdings betätigt er sich als einer von vier Geschäftsführern der B. GmbH gewerblich im Sinne des Gesetzes. Sein organschaftliches Handeln für die Gesellschaft teilt notwendig den gewerblichen Charakter der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft selbst, die nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts die Profifußballabteilung des Vereins B. betreibt und als solche wirtschaftliche Interessen verfolgt. Dies genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 4. März 1996 - StbSt (R) 4/95 - NJW 1996, 1883 und vom 25. Februar 2003 - StbSt (R) 2/02 - NJW 2003, 1540) und des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 17. Mai 2011 - VII R 47/10 - DB 2011, 1853 und Beschluss vom 29. November 2011 - VII B 110/09 - BFH/NV 2012, 797), der sich der Senat anschließt, um von einem gewerblichen Charakter der Tätigkeit auszugehen.

24

Der Kläger hat jedoch hinreichend dargetan, dass in seinem konkreten Fall keine Gefahr für die Einhaltung seiner Berufspflichten als Steuerberater besteht. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, gegen die die Beklagte keine Verfahrensrügen erhoben hat und die den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO daher binden, weisen die Tätigkeiten des Klägers als Steuerberater und als ehrenamtlich tätiger Geschäftsführer der B. GmbH keine sachliche Nähe zueinander auf. Ein finanzielles Interesse des Klägers ist nicht erkennbar. Namentlich will er seinen Mandantenkreis als Steuerberater nicht um zusätzliche Mandanten aus dem Bereich des Fußballsports erweitern. Der Kläger erhält für seine Tätigkeit weder eine Aufwandsentschädigung noch ist sein Streben erwerbswirtschaftlich geprägt. Der zeitliche Aufwand von etwa zwei Stunden wöchentlich und die Tatsache, dass der Kläger in das operative Geschäft der GmbH nicht eingebunden ist, sprechen ebenfalls gegen eine Interessenkollision. Der Kläger hat auch in der Vergangenheit gezeigt, dass er streng zwischen der Steuerberatung und seinem Engagement für B. zu unterscheiden weiß. Eine Interessenverquickung ist auch zukünftig nicht zu erwarten, weil der Kläger die Tätigkeit als Geschäftsführer nur bis zum 31. Dezember 2013 ausüben will und sich aus der steuerberatenden Tätigkeit altersbedingt weitgehend zurückgezogen hat.

25

Fehlt es schon an einer Gefährdung von Mandanteninteressen, so musste das Oberverwaltungsgericht entgegen der Annahme der Beklagten nicht bedenken, ob einer solchen Gefährdung durch eine besondere Kontrolle des Klägers durch Kollegen oder Arbeitgeber begegnet werden müsste. Die von der Revision in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen des Finanzgerichts Düsseldorf (Urteil vom 17. Juni 2009 - 2 K 4794/08 StB - juris) und des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 12. November 2008 - 12 K 12055/08 - juris) betreffen den Sonderfall des Widerrufs der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls. Darum geht es hier nicht. Auch aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover (Urteil vom 27. Juni 2012 - 5 A 2906/11 - n.V.), die den Fall einer landwirtschaftlichen Betätigung neben dem Beruf des Steuerberaters zum Inhalt hat, lässt sich für den vorliegenden Rechtsstreit nichts gewinnen. Die Fälle sind schon wegen des Unterschieds hinsichtlich der finanziellen und der zeitlichen Dimension der zweitberuflichen Tätigkeit nicht vergleichbar.

(1) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben. Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich auf alles, was in Ausübung des Berufs bekannt geworden ist. Sie gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.

(1a) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte dürfen nicht tätig werden, wenn eine Kollision mit eigenen Interessen gegeben ist.

(1b) Berät oder vertritt ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter mehrere Auftraggeber in derselben Sache, ist er bei Interessenkollisionen verpflichtet, auf die widerstreitenden Interessen der Auftraggeber ausdrücklich hinzuweisen und darf nur vermittelnd tätig werden.

(1c) Die Absätze 1a und 1b gelten auch für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten ausüben, der einem Tätigkeitsverbot nach Absatz 1a unterliegt oder der nach Absatz 1b nur vermittelnd tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1 bleibt bestehen, wenn der dem Tätigkeitsverbot unterliegende Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Auftraggeber der Tätigkeit nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 1a oder Absatz 1b, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots oder einer Beschränkung auf vermittelnde Tätigkeit erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten auch ohne Einwilligung des Auftraggebers offenbart werden.

(2) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist. Sie haben sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die ihr Beruf erfordert.

(2a) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sind verpflichtet, sich fortzubilden.

(3) Mit dem Beruf eines Steuerberaters oder eines Steuerbevollmächtigten sind insbesondere vereinbar

1.
die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, niedergelassener europäischer Rechtsanwalt oder vereidigter Buchprüfer;
2.
eine freiberufliche Tätigkeit, die die Wahrnehmung fremder Interessen einschließlich der Beratung zum Gegenstand hat;
3.
eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen;
4.
die Tätigkeit eines Lehrers oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten, sofern der wissenschaftliche Mitarbeiter ihm übertragene Aufgaben in Forschung und Lehre überwiegend selbständig erfüllt; nicht vereinbar hingegen ist die Tätigkeit eines Lehrers oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschulen mit Ausbildungsgängen für den öffentlichen Dienst;
5.
eine freie schriftstellerische Tätigkeit sowie eine freie Vortrags- und Lehrtätigkeit;
6.
die Durchführung von Lehr- und Vortragsveranstaltungen zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung sowie die Prüfung als Wirtschaftsprüfer und vereidigter Buchprüfer und zur Fortbildung der Mitglieder der Steuerberaterkammern und deren Mitarbeiter.

(4) Als Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere

1.
eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist;
2.
eine Tätigkeit als Arbeitnehmer mit Ausnahme der Fälle des Absatzes 3 Nr. 4 sowie der §§ 58 und 59. Eine Tätigkeit als Angestellter der Finanzverwaltung ist stets mit dem Beruf des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten unvereinbar.

Steuerbevollmächtigter ist, wer nach den Vorschriften dieses Gesetzes als solcher bestellt ist. Die Vorschriften für die Bestellung als Steuerberater sind bei der Bestellung als Steuerbevollmächtigter sinngemäß anzuwenden.

Tenor

1. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Oktober 2011 - 7 ZB 11.1173 - und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. März 2011 - AN 4 K 10.02119 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach zurückverwiesen.

2. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 20.000 € (in Worten: zwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, durch die ihm eine Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz des Steuerberatungsgesetzes (im Folgenden: StBerG) versagt wurde.

2

1. a) § 57 Abs. 4 StBerG vom 16. August 1961 in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November 1975 (BGBl I S. 2735), zuletzt geändert durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (8. StBerÄndG) vom 8. April 2008 (BGBl I S. 666), verbietet es Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten neben ihrem Beruf Tätigkeiten auszuüben, die mit dem Beruf nicht vereinbar sind, unter anderem gewerbliche Tätigkeiten. Hiervon können seit der Änderung der Vorschrift durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes im Einzelfall Ausnahmen zugelassen werden, wenn durch die gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist. Die Vorschrift lautet auszugsweise:

3

§ 57

Allgemeine Berufspflichten

(1) bis (3) ...

(4) Als Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere

1. eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist;

2. ...

4

Die in § 57 Abs. 4 StBerG geregelten Einschränkungen hinsichtlich gewerblicher Tätigkeiten sind nach § 72 Abs. 1 StBerG auf Steuerberatungsgesellschaften sowie Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und persönlich haftende Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft, die nicht Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind, anzuwenden. Zusätzlich benötigen Personen, die weder Steuerberater sind noch sozietätsfähigen Berufen nach § 50 Abs. 2 StBerG angehören, eine Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG, um Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter von Steuerberatungsgesellschaften zu werden. Die Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG darf nur versagt werden, wenn die besondere Fachkunde fehlt oder die persönliche Zuverlässigkeit nicht vorhanden ist (§ 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG). Nach § 50 Abs. 4 StBerG muss dabei in jeder Steuerberatungsgesellschaft sichergestellt sein, dass die Vorstände, Geschäftsführer oder persönlich haftenden Gesellschafter, die keine Steuerberater sind, aber die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2, 3 StBerG erfüllen, nicht die Mehrheit bilden.

5

b) Aufgrund der Ermächtigung in § 86 Abs. 4 Nr. 15 StBerG wurde von der Satzungsversammlung der Bundessteuerberaterkammer § 25 der Satzung über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Berufsordnung der Steuerberaterkammer - BOStB) in der Fassung vom 8. September 2010 (DStR 2010, S. 2659) beschlossen. Dieser regelt Einschränkungen bei der Geschäftsführung und Vertretung in Steuerberatungsgesellschaften und sieht unter anderem vor, dass durch Regelungen im Innenverhältnis gewährleistet sein muss, dass bei der Willensbildung innerhalb der Geschäftsführung die Stimmen der Steuerberater ausschlaggebend sind. Entsprechende gesellschaftsrechtliche Regelungen sind der Steuerberaterkammer, im Fall einer Änderung vorab, unverzüglich nachzuweisen (§ 25 Abs. 2 Satz 2 BOStB). In Absatz 4 der Vorschrift ist die Erteilung von Prokura näher geregelt. Sie lautet:

6

§ 25

Verantwortliche Führung, Geschäftsführung und Vertretung der Steuerberatungsgesellschaft

(1) bis (3) ...

(4) Neben Steuerberatern darf Prokura grundsätzlich nur Personen im Sinne des § 50 Abs. 2 StBerG erteilt werden. Wird in Ausnahmefällen anderen Personen Prokura erteilt, so muss im Innenverhältnis eine Vertretung in Steuersachen ausgeschlossen sein; im Übrigen ist nur eine Gesamtvertretung in Gemeinschaft mit einem Steuerberater zulässig. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(5) bis (6) …

7

2. a) Der Beschwerdeführer ist gelernter Versicherungskaufmann und seit längerer Zeit Geschäftsführer beziehungsweise Vorstand verschiedener juristischer Personen, die insbesondere auf dem Gebiet der Beratung von Ärzten und Zahnärzten in Versicherungs- und Finanzfragen, in der Kooperations- und Niederlassungsberatung sowie der Vermittlung von Versicherungen tätig sind. Er war bereits vor dem Jahr 2004 Außendienstmitarbeiter, Geschäftsführer, Leiter Vertrieb und Buchhaltung sowie Vorstand verschiedener Gesellschaften einer Unternehmensgruppe (im Folgenden: H-Gruppe). Diese Tätigkeiten übt er auch derzeit noch aus. Der Beschwerdeführer ist darüber hinaus Prokurist der "HS M … GmbH Steuerberatungsgesellschaft" (im Folgenden: GmbH), in der er jedoch keiner steuerberatenden Tätigkeit nachgeht. Sein Tätigkeitsfeld beschränkt sich auf kaufmännische und verwaltende Aufgaben.

8

Bereits mit Bescheid vom 17. August 2004 hatte die Steuerberaterkammer dem Beschwerdeführer eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 50 Abs. 3 StBerG erteilt. Mit dieser Genehmigung war ihm erlaubt worden, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter der GmbH zu werden. Die Erteilung erfolgte damals unter dem Vorbehalt, dass sich die GmbH auf die Beratung von Ärzten spezialisiere und die weiteren Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft vorlägen. Ausdrücklich wurde im Bescheid hinsichtlich der besonderen Befähigung des Beschwerdeführers im Sinne des § 50 Abs. 3 StBerG auf die Erfahrungen aus den Tätigkeiten in den gewerblichen Unternehmen der "H-Gruppe" abgestellt. Mit Urkunde vom 7. März 2005 wurde die GmbH als Steuerberatungsgesellschaft von der Steuerberaterkammer zugelassen.

9

Im November 2005 beantragte der Beschwerdeführer unter Berufung auf die bereits erteilte Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG bei der Steuerberaterkammer die Zulassung seines Eintritts als Geschäftsführer in die GmbH und die Zulassung des Erwerbs von Geschäftsanteilen mit der Maßgabe, dass eine Vertretung der GmbH in Steuersachen durch den Beschwerdeführer aufgrund von Bestimmungen in der Satzung, der Geschäftsordnung der Geschäftsführung und/oder des Geschäftsführeranstellungsvertrags ausgeschlossen werde. Dies lehnte die Steuerberaterkammer im März 2006 ab. Eine daraufhin erhobene Klage zum Finanzgericht wurde am 7. Februar 2008 mit der Begründung abgewiesen, dass dem Vorhaben das Verbot der gewerblichen Betätigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG a.F. entgegenstehe, weil der Beschwerdeführer als Organ verschiedener gewerblich tätiger Kapitalgesellschaften agiere.

10

Mit Bescheid vom 25. Juni 2008 widerrief die Steuerberaterkammer die im Jahr 2004 an den Beschwerdeführer erteilte Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG wegen der von ihm ausgeübten gewerblichen Tätigkeiten. Hierüber ist beim Finanzgericht ein Rechtsstreit anhängig, dessen Ruhen im Hinblick auf das vorliegende Verfahren angeordnet ist.

11

b) Am 22. April 2008 beantragte der Beschwerdeführer bei der Steuerberaterkammer, ihm aufgrund der Gesetzesänderung eine Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG zu erteilen, weil durch seine gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung der Berufspflichten nicht zu erwarten sei. Er beabsichtige nicht, steuerberatend tätig zu werden. Seine Tätigkeitsgebiete entsprächen nach wie vor denjenigen, die er bereits als Prokurist in der Steuerberatungsgesellschaft ausgeübt habe. Diese stünden mit der Steuerberatung durch die GmbH gegenüber Dritten in keiner Verbindung, sondern beschränkten sich ausschließlich auf kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten. Es sei beabsichtigt, die Vertretung der GmbH in Steuersachen durch den Beschwerdeführer aufgrund von Bestimmungen in der Satzung, der Geschäftsordnung der Geschäftsführung und/oder des Geschäftsführeranstellungsvertrags auszuschließen. Der Beschwerdeführer wolle auch nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer Geschäftsanteile der GmbH erwerben und halten. Daneben wünsche der Beschwerdeführer, weiterhin Organ und Gesellschafter der aufgeführten gewerblich tätigen Gesellschaften der "H-Gruppe" zu bleiben. In allen Fällen sei die allgemeine Verantwortlichkeit eines Steuerberaters gegenüber dem jeweiligen Mandanten gewährleistet und damit deren Interessen und Belange ausreichend geschützt.

12

Den Antrag auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung wies die Steuerberaterkammer mit Bescheid vom 25. Juni 2008 zurück. Die hiergegen gerichtete Klage des Beschwerdeführers wurde durch das Verwaltungsgericht abgewiesen. Es bestehe keine Verpflichtung, die beantragte Ausnahmegenehmigung für die beabsichtigte Tätigkeit als Geschäftsführer nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG zu erteilen. Bei der gebotenen abstrakten Betrachtungsweise könne trotz der beabsichtigten gesellschaftsrechtlichen Vorkehrungen und der unterstellten Bereitschaft des Beschwerdeführers, im Falle einer Interessenkollision gewerbliche Interessen zurückzustellen, eine Gefährdung der Unabhängigkeit als Geschäftsführer der GmbH nicht ausgeschlossen werden. Eine Ausnahmegenehmigung dürfe nur erteilt werden, wenn die vom Beschwerdeführer bereits ausgeübte und auch zukünftig beabsichtigte gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten des Steuerberaters nicht erwarten lasse. Gerade weil er in gewerblichen Firmen tätig sei, deren Kunden vorrangig auch Gegenstand der Beratungen der Steuerberatungsgesellschaft seien, könne trotz eines Verzichts des Beschwerdeführers auf steuerberatende Tätigkeit nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass wirtschaftliche Kenntnisse und Informationen aus dem Mandantenkreis der GmbH in unzulässiger Weise auch gewerblich genutzt würden.

13

Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 26. Oktober 2011 abgelehnt. Das Verwaltungsgericht habe die verfassungsrechtlich unbedenkliche Bestimmung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG im vorliegenden Einzelfall zutreffend angewandt. Es habe insbesondere die in der Rechtsprechung geklärten Maßstäbe korrekt herangezogen, die Bedeutung einer "abstrakten" oder "konkreten" Gefährdung der Berufspflichten nicht verkannt und die Umstände des Einzelfalls ausreichend berücksichtigt. Schon die Möglichkeit, Kenntnisse und Informationen aus der steuerberatenden Tätigkeit im Rahmen des eigenen Gewerbes zum eigenen Nutzen und zum Nachteil des Mandanten umzusetzen, könne die vom Gesetzgeber gewollte Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Beraters gegenüber seinem Auftraggeber sowie das Vertrauensverhältnis zwischen diesen beeinträchtigen. Das grundsätzliche Verbot der gewerblichen Tätigkeit habe nach dem Willen des Gesetzgebers auch nach der Änderung des § 57 StBerG erhalten bleiben sollen.

14

3. Mit seiner gegen diese Entscheidungen gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

15

4. Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, die Bundessteuerberaterkammer, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Steuerberaterverband e.V., der Deutsche Anwaltverein e.V. sowie die Beklagte des Ausgangsverfahrens haben zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

16

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 21, 173; 22, 275; 87, 287 <316>; 102, 197 <213>). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.

17

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit.

18

a) Die Entscheidungen der Fachgerichte, die dem Beschwerdeführer die erstrebte Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG vorenthalten, greifen in seine Berufsfreiheit ein. Ohne die Ausnahmegenehmigung ist es dem Beschwerdeführer nicht möglich, Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft zu werden, solange er seine bisherige Tätigkeit als Geschäftsführer in weiteren, gewerblich tätigen Gesellschaften nicht aufgibt.

19

Wer nicht über die für Steuerberater nach § 36 StBerG erforderliche Ausbildung verfügt, kann gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 StBerG die Position des Geschäftsführers einer Steuerberatungsgesellschaft nur dann erlangen, wenn ihm dies von der Steuerberaterkammer genehmigt wird. Der Erteilung dieser Genehmigung steht insbesondere das Fehlen persönlicher Zuverlässigkeit entgegen (§ 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG). Da zur Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit § 40 Abs. 2 Nr. 4 StBerG entsprechend anwendbar ist, darf - ebenso wie die Bestellung zum Steuerberater - auch die Erteilung einer Genehmigung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG dann verweigert werden, wenn eine mit dem Beruf des Steuerberaters nach Maßgabe des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG unvereinbare Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Aufl. 2009, § 50 Rn. 19). Für die Genehmigung seiner Geschäftsführertätigkeit in der Steuerberatungsgesellschaft benötigt der Beschwerdeführer daher als Voraussetzung seiner persönlichen Zuverlässigkeit zunächst eine Ausnahmegenehmigung seiner gleichzeitigen gewerblichen Tätigkeit nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG. Dass der Beschwerdeführer die weiteren Voraussetzungen für eine Erteilung der Genehmigung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG insbesondere mit Blick auf seine besondere Fachkunde erfüllt, ergibt sich schon daraus, dass ihm eine solche Genehmigung bereits erteilt worden war und diese inzwischen nur wegen der von ihm ausgeübten gewerblichen Tätigkeit - noch nicht bestandskräftig - widerrufen wurde.

20

b) Die Gründe, auf die das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof ihre Entscheidungen stützen, sind nicht geeignet, den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.

21

aa) Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit umfasst grundsätzlich auch das Recht, mehrere Berufe zu wählen und nebeneinander auszuüben (vgl. BVerfGE 87, 287 <316>). Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die Freiheit der Berufswahl des Beschwerdeführers betroffen oder lediglich ein Eingriff in seine Freiheit der Berufsausübung gegeben ist, weil seine Tätigkeit als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft nicht als eigenständiger Beruf anzusehen wäre.

22

bb) Selbst dann, wenn hier die strengeren Maßstäbe, die an eine Zulassungsbeschränkung bei der Wahl eines Zweitberufs zu stellen sind (vgl. BVerfGE 21, 173 <181>; 22, 275 <276>), Anwendung finden, begegnet die Annahme der Fachgerichte, die maßgebliche Vorschrift des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG sei in der derzeit gültigen Fassung des Achten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes verfassungsgemäß, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit sind Einwände gegen das in der vorangehenden Fassung der Bestimmung enthaltene ausnahmslose Verbot durch die Neuregelung und teilweise Öffnung der Vorschrift für Ausnahmen vom Verbot der gewerblichen Tätigkeit ausgeräumt.

23

cc) Jedoch genügt die Auslegung und Anwendung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG durch die Fachgerichte im konkreten Fall nicht den Anforderungen, die sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben. Auch dies gilt ungeachtet der Frage, ob die Verweigerung der Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG als Eingriff in die Freiheit der Berufswahl oder als Eingriff in die freie Berufsausübung zu bewerten ist.

24

(1) Auslegung und Anwendung des Gesetzes sind Aufgabe der Fachgerichte und werden vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung einer Norm die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 85, 248 <257 f.>).

25

(a) Für den Anwaltsberuf hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass bei der Konkretisierung der (generalklauselartigen) Inkompatibilitätsvorschriften durch die Rechtsprechung besonderes Augenmerk auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu legen ist (vgl. BVerfGE 87, 287 <322>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet im Hinblick auf die grundrechtlich gewährleistete Freiheit der Berufswahl Zurückhaltung bei der Entwicklung typisierender Unvereinbarkeitsregeln (vgl. BVerfGE 87, 287 <322>), weil die Beschränkung der Berufswahlfreiheit dem Betroffenen nur zumutbar ist, wenn der Unvereinbarkeitsgrundsatz nicht starr gehandhabt wird (vgl. BVerfGE 87, 287 <324>).

26

Aufgrund der Vielfalt möglicher erwerbswirtschaftlicher Betätigungen ist eine Einzelfallprüfung erforderlich, die der Vielgestaltigkeit der Tätigkeiten Rechnung trägt. Die Einführung einer Berufswahlschranke hinsichtlich gewerblicher Tätigkeiten ist nur dort erforderlich und zumutbar, wo die Gefahr einer Interessenkollision sich deutlich abzeichnet und nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregeln zu bannen ist. Eine generelle Berufszugangssperre, die keinerlei erwerbswirtschaftliche Tätigkeit neben dem Anwaltsberuf ermöglicht, ist hingegen nicht erforderlich (vgl. BVerfGE 87, 287 <330>).

27

(b) Diese für den Anwaltsberuf entwickelten, jedoch nicht auf ihn beschränkten Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber mit der Änderung des Steuerberatungsgesetzes im Jahr 2008 die gebotene Liberalisierung des Berufsrechts auch für Steuerberater vollzogen und ausdrücklich Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der gewerblichen Tätigkeit vorgesehen hat (vgl. Begründung zum Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes BTDrucks 16/7077, S. 1, 32).

28

(2) Die Fachgerichte haben bei ihren Entscheidungen die mithin auch hier maßgeblichen - sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden - verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht hinreichend berücksichtigt.

29

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil, das anschließend vom Verwaltungsgerichtshof auf unveränderter Tatsachengrundlage bestätigt wurde, ohne nähere Feststellungen auf generelle Gesichtspunkte abgestellt, was bei Übertragung auf andere Fälle regelmäßig zu einer Versagung der Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG wegen einer dann zumindest vorliegenden abstrakten Gefährdung beruflicher Pflichten führen muss. Durch diese Verengung des Anwendungsbereichs wird unverhältnismäßig in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit des Beschwerdeführers eingegriffen.

30

Die von den Fachgerichten gewählte Auslegung ist bereits nicht erforderlich, um den legitimen Zweck der Regelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG zu verfolgen. Mit dem grundsätzlichen Verbot gewerblicher Tätigkeit sollen die fachliche Kompetenz und Integrität sowie ausreichender Handlungsspielraum der steuerberatenden Berufsträger gesichert sowie die notwendige Vertrauensgrundlage geschützt werden (vgl. BVerfGE 87, 287 <321> für die Rechtsanwaltschaft; vgl. auch BVerfGE 21, 173; 22, 275 <276>). Damit dient die Regelung der Funktionsfähigkeit der Steuerrechtspflege, die als Teil der gesamten Rechtspflege (vgl. dazu BVerfGE 87, 287 <321>) einen Gemeinwohlbelang von großer Bedeutung darstellt. Durch die Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG und der Öffnung für Ausnahmefälle hat der Gesetzgeber allerdings deutlich gemacht, dass eine gewerbliche Tätigkeit nicht schlechthin zu einer Gefährdung der Steuerrechtspflege führt, die Eingriffe in die Berufsfreiheit rechtfertigen kann. Mit dieser Einschätzung der drohenden Gefahren bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb seines Beurteilungsspielraums, der von den Gerichten grundsätzlich hinzunehmen und zu beachten ist (vgl. BVerfGE 90, 145 <173> m.w.N.).

31

(a) Das Verwaltungsgericht erörtert diesen für die Auslegung anzuwendenden Maßstab nur unzureichend und verkennt darüber hinaus die Zielrichtung der Vorschrift.

32

Unberücksichtigt lässt das Verwaltungsgericht bei seiner Auslegung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG bereits die im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG erörterungsbedürftige grundsätzliche Frage, ob bei der Annahme, eine lediglich abstrakte Gefährdung der Verletzung von Berufspflichten sei für die Versagung der Genehmigung ausreichend, überhaupt noch ein nennenswerter Anwendungsbereich für die gesetzlich geregelte Ausnahme vom Verbot gewerblicher Tätigkeit verbleiben kann. Davon abgesehen lässt das Urteil des Verwaltungsgerichts nachvollziehbare Feststellungen zu den Anknüpfungstatsachen vermissen, mit denen es das Vorliegen einer abstrakten Gefährdung begründen will. Weder wurden Feststellungen zur gemeinsamen "Klientel" bei gewerblicher und steuerberatender Berufstätigkeit getroffen noch wurden Erwägungen zu den möglicherweise drohenden Interessenkollisionen mit den steuerberaterlichen Berufspflichten angestellt. Dies wäre jedoch gerade im Hinblick auf die mannigfaltigen Möglichkeiten einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit notwendig gewesen, um nicht bereits aufgrund nicht belegter Vermutungen den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift unter Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG zumindest erheblich zu verengen.

33

Das Verwaltungsgericht hat lediglich eine tragende Überlegung angeführt und sich hierbei auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Beschwerdeführers von "nützlichen" Unterlagen bezogen. Dies hält jedoch einer Überprüfung am Maßstab von Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit nicht stand. Das Verwaltungsgericht lässt dabei bereits außer Acht, dass der Beschwerdeführer durch die angestrebte Stellung als Geschäftsführer keinen Zugang zu Unterlagen erlangt, auf die er nicht schon durch seine Stellung als Prokurist zugreifen konnte. Die dem Beschwerdeführer bereits 2005 unter Beachtung berufsrechtlicher Bestimmungen erteilte Prokura (vgl. § 25 Abs. 4 Satz 2 BOStB) wurde von der Steuerberaterkammer bisher ebenso wenig beanstandet wie seine Tätigkeit als Prokurist selbst. Wenn jedoch auch einem Angestellten der Steuerberatungsgesellschaft mit im Außenverhältnis nahezu unbeschränkter Vertretungsmacht die vom Verwaltungsgericht genannten Unterlagen schon aufgrund dieser Position zugänglich sein können, handelt es sich bei der Gefahr der Kenntnisnahme von solchen Dokumenten lediglich um eine allgemeine, dem Geschäftsführeramt nicht spezifisch anhaftende Gefahr, der mit der gesetzlichen Regelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG nicht begegnet werden kann und soll.

34

Dass der Beschwerdeführer sich als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft nützliche Informationen für seine gewerblichen Tätigkeiten beschafft, stellt zudem ein Risiko dar, dem mit anderen Vorschriften des Berufsrechts, wie insbesondere der berufs- und strafrechtlich sanktionierten Verpflichtung zur Verschwiegenheit, ausreichend begegnet werden kann. Dieses Risiko wird auch von dem vom Bundesverfassungsgericht in den Vordergrund gestellten Zweck der Regelung (vgl. BVerfGE 21, 173; 22, 275 <276>) nicht umfasst, der lediglich die Unabhängigkeit der Steuerberatung und den Schutz des Mandanten vor für ihn nachteiliger Verwertung seiner eigenen Geschäftsdaten sichern will. Eine solche Gefährdung ist vorliegend aber mehr als fernliegend, insbesondere ist schon angesichts seiner beruflichen Ausbildung nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer den von ihm betreuten Ärzten Konkurrenz machen will.

35

(b) Das auf dieser unzureichenden Grundlage ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Verwaltungsgerichtshof mit seiner Entscheidung nicht, wie verfassungsrechtlich geboten, korrigiert.

36

(aa) Im Grundsatz nicht verfassungsrechtlich bedenklich ist allerdings die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der in seiner Entscheidung - unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 17. Mai 2011 - VII R 47/10 -, juris) - davon ausgeht, dass mit der gesetzlichen Neuregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG der abstrakten Gefahr einer Interessenkollision begegnet werden solle, bei der Genehmigung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG aber darauf abzustellen sei, ob im konkreten Fall die Verletzung von Berufspflichten ausgeschlossen werden könne (so jetzt auch BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - 8 C 26/11 -, juris, Rn. 28 ff. und Urteil vom 26. September 2012 - 8 C 6/12 -, juris, Rn. 20 ff. unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs).

37

(bb) Die nach diesem zutreffenden Ansatz gebotene verfassungsrechtliche Korrektur eröffnet der Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht, sondern geht davon aus, dass ein Zulassungsgrund für die Berufung nicht vorliege, weil das Urteil des Verwaltungsgerichts zutreffend sei. Er lässt damit außer Acht, dass dem Urteil des Verwaltungsgerichts keine ausreichenden Feststellungen zur Tätigkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer und damit verbundenen Gefährdungen beruflicher Pflichten zugrunde lagen, seine Argumentation vielmehr alleine auf einer verfassungsrechtlich nicht tragfähigen Überlegung fußte. In welchem Umfang tatsächlich Kunden der gewerblichen Unternehmen auch Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft sind, bleibt - ebenso wie im verwaltungsgerichtlichen Urteil - offen. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, in der ersten Instanz seien die in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entwickelten Grundsätze angewandt worden, erweist sich daher als unhaltbar und hat zur Folge, dass die Korrektur einer die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers verletzenden Entscheidung verstellt wird.

38

2. Angesichts der festgestellten Verletzung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit bedürfen die weiteren vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen keiner Entscheidung.

39

3. Die Entscheidungen beruhen auf dem Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte anders entschieden hätten, wenn sie bei ihren Entscheidungen die verfassungsrechtlichen Maßstäbe beachtet hätten.

40

a) Selbst wenn der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 29. November 2011 (VII B 110/09, juris, Rn. 13) möglicherweise davon ausgeht, dass über die Genehmigung einer Ausnahme vom Verbot des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG eine gesonderte Entscheidung der Steuerberaterkammer durch Verwaltungsakt nicht möglich sei (vgl. auch BFH, Beschluss vom 11. April 2013 - VII B 172/12 -, juris, Rn. 7; zur entgegengesetzten Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts vgl. BVerwG, Urteile vom 26. September 2012 - 8 C 26/11 - und - 8 C 8 C 6/12 -, juris, jeweils Rn. 16), wäre derzeit mit Blick auf den bestehenden Streit in der Rechtsprechung jedenfalls nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht - dem Bundesverwaltungsgericht folgend - von der Zulässigkeit einer isolierten Entscheidung über die Erteilung der Ausnahmegenehmigung ausgehen und in der Sache entscheiden wird.

41

b) Die Entscheidungen der Fachgerichte können auch nicht deshalb Bestand haben, weil - unabhängig von der Begründung - das von ihnen gefundene Ergebnis sich aus anderen Erwägungen als zutreffend erweisen würde.

42

Selbst bei Anwendung der vom Bundesgerichtshof im Bereich des anwaltlichen Berufsrechts für die Feststellung von Inkompatibilitäten entwickelten Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2007 - AnwZ 92/06 -, juris, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung), wären die von den Fachgerichten getroffenen Feststellungen nicht ausreichend, um eine abschließende Entscheidung anhand der dort aufgestellten Eingruppierungen zu treffen.

43

Sonstige konkrete Anhaltspunkte für berufswidriges Verhalten oder die beabsichtigte Vermischung der Interessen sind, auch nach den vorliegenden Ausführungen der Fachgerichte, nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in der Vergangenheit offensichtlich bemüht, sich gesetzeskonform zu verhalten. Die Konzeption des Berufsrechts der Steuerberater - ebenso wie das der Rechtsanwälte (vgl. hierzu BVerfGE 108, 150 <163>; 117, 163 <190>) - beruht nicht auf der Annahme, dass eine situationsgebundene Gelegenheit zur Pflichtverletzung im Regelfall zu einem pflichtwidrigen Handeln des Berufsrechtsunterworfenen führt, sondern darauf, dass dieser sich grundsätzlich rechtstreu verhält. Dies gilt umso mehr, als § 25 Abs. 2, 3 BOStB Anzeigepflichten für Änderungen der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse vorsieht und überdies Vollzugsdefizite nicht zu Lasten des jeweiligen Berufsträgers als Argument für eine einschränkende Auslegung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG dienen können.

44

c) Die Sache ist an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, weil eine weitere Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 24, 278 <289>; 105, 239 <251 f.>). Die Fachgerichte haben den Sachverhalt aufgrund der von ihnen vertretenen Rechtsauffassung bisher nicht hinreichend aufgeklärt.

45

Dabei wird eine Gegenüberstellung der in der Steuerberatungsgesellschaft ausgeübten Aufgaben des Beschwerdeführers einerseits und seiner gewerblichen Tätigkeiten andererseits vorzunehmen und zu bewerten sein. Auf diese Weise ist zu ermitteln, welche Interessenkollisionen auftreten können, und ob den damit verbundenen Gefahren im konkreten Fall mit hinreichenden Mitteln begegnet werden kann.

46

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

47

5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.