Der Kläger ist gewerblich tätig als Vorstand der H. & Kollegen Assekuranzmakler AG und als Geschäftsführer der H. C. Managementgesellschaft und Beratungszentrum für das Gesundheitswesen GmbH. Er ist außerdem Prokurist einer Steuerberatungsgesellschaft (HS M. GmbH), ohne selbst steuerberatend tätig zu sein. Der Kläger begehrt von der Beklagten als örtlich zuständiger Steuerberaterkammer im Hinblick auf die von ihm angestrebte Tätigkeit als (weiterer) Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft die Zulassung einer Ausnahme vom gesetzlichen Verbot gewerblicher Tätigkeit (§ 57 Abs. 4 Nr. 1 Steuerberatungsgesetz - StBerG).
Das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach wies das Begehren des Klägers mit Urteil vom 2. März 2011 ab. Für den Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft komme eine Ausnahme vom gesetzlichen Verbot der gewerblichen Tätigkeit nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG nur dann in Betracht, wenn eine Interessenkollision ausgeschlossen werden könne. Dies sei beim Kläger nicht der Fall. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 26. Oktober 2011 ab. Es bestehe kein Zulassungsgrund. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass nach Maßgabe des § 72 Abs. 1 StBerG für den Kläger als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft sinngemäß dieselben allgemeinen Berufspflichten wie für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte gelten, auch wenn dieser in der Steuerberatungsgesellschaft selbst nicht steuerberatend tätig sei. Damit gelte auch § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG, wonach als Tätigkeit, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sei, insbesondere eine gewerbliche Tätigkeit gelte. Die zuständige Steuerberaterkammer könne von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten sei. Mit dem Verbot solle der abstrakten Gefahr einer Verletzung der Berufspflichten begegnet werden. Bei der Zulassung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG sei darauf abzustellen, ob im konkreten Fall die Verletzung von Berufspflichten ausnahmsweise ausgeschlossen werden könne. Hierfür trage der Berufsangehörige die Darlegungs- und Feststellungslast. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts habe diesen Grundsätzen entsprochen. Das Verwaltungsgericht habe eine Interessenkollision deshalb für nicht ausgeschlossen erachtet, weil der Kläger in gewerblichen Firmen tätig sei, deren Klientel (teilweise) auch zu den Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft gehöre. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass wirtschaftliche Kenntnisse und Informationen aus dem Mandantenkreis der Steuerberatungsgesellschaft in unzulässiger Weise auch gewerblich genutzt werden könnten.
Auf Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 23. August 2013 das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. März 2011 und den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Oktober 2011 aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt sei nicht hinreichend aufgeklärt worden. Es fehlten Feststellungen zur gemeinsamen Klientel bei gewerblicher und steuerberatender Berufstätigkeit sowie dazu, welche Interessenkollisionen auftreten könnten und ob den damit verbundenen Gefahren im konkreten Fall mit hinreichenden Mitteln, etwa mittels Berufsausübungsregelungen, begegnet werden könne.
Das Verwaltungsgericht hat mit streitgegenständlichem Urteil vom 8. Juli 2014 die Klage des Klägers erneut abgewiesen. Der Kläger habe nicht darlegen und beweisen können, dass durch die streitgegenständlichen gewerblichen Tätigkeiten eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten sei. Der Einfluss des Klägers auf die Steuerberatungsgesellschaft unterscheide sich bei einer Funktion als Geschäftsführer deutlich von der bisherigen Tätigkeit als Prokurist. Damit bestehe die besondere Gefahr von Interessenkollisionen im Hinblick auf eine unabhängige Beratung der Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zugrunde: Die Steuerberatungsgesellschaft (HS M. GmbH) ist auf die Beratung von Ärzten spezialisiert. Die Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft sind nach eigenen Angaben der Klagepartei „mehrheitlich“ zugleich auch Kunden der H. & Kollegen Assekuranzmakler AG sowie der H. C. Managementgesellschaft und Beratungszentrum für das Gesundheitswesen GmbH, die im Sinne einer „Rundumbetreuung“ mit verschiedenen „Kooperationspartnern“ für ihre Kunden vielfältige gewerbliche Dienstleistungen (als Versicherungsmakler und Beratungsunternehmen) insbesondere auf dem Gebiet des Gesundheitswesens (im Wesentlichen für Ärzte und Krankenhäuser) erbringen. Die Steuerberatungsgesellschaft ist von den Unternehmen der „H-Gruppe“ personell (mit Ausnahme der Person des Klägers), räumlich (innerhalb desselben Bürogebäudes) und EDV-technisch getrennt und mit diesen weder vertraglich noch finanziell verbunden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger im Hinblick auf eine beabsichtigte zukünftige Tätigkeit als Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft von dem Verbot gemäß § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG im Hinblick auf die folgenden gewerblichen Tätigkeiten zu befreien und hierzu eine Ausnahmegenehmigung nach dieser Vorschrift zu erteilen:
1. Vorstand der H. & Kollegen Assekuranzmakler AG und
2. Geschäftsführer der H. C. Managementgesellschaft und Beratungszentrum für das Gesundheitswesen GmbH.
Das Verwaltungsgericht habe die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 23. August 2013 dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsätze erneut nicht hinreichend berücksichtigt. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts lasse - obwohl das Bundesverfassungsgericht dies ausdrücklich bemängelt habe - konkrete Feststellungen zur gemeinsamen Klientel bei gewerblicher und steuerberatender Berufstätigkeit und Erwägungen zu möglicherweise drohenden Interessenkollisionen vermissen. Unstreitig sei, dass sich die Steuerberatungsgesellschaft ebenso wie die beiden gewerblichen Unternehmen auf die Beratung von Ärzten spezialisiert hätten und gegenwärtig noch etwa die Hälfte der Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft - mit weiter rückläufiger Tendenz - auch Kunden der gewerblichen Unternehmen seien. Das Verwaltungsgericht habe weder die tatsächliche (konkrete) Gefahr einer Interessenkollision festgestellt noch hinreichend geprüft, ob nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregeln die Gefahr einer etwaigen Interessenkollision zu bannen sei. Das Verwaltungsgericht habe dem Kläger vielmehr lediglich Interessenkonflikte, situationsgebundene Pflichtverletzungen und rechtsuntreues Verhalten unterstellt, obwohl - wie das Bundesverfassungsgericht entschieden habe - die Konzeption des Berufsrechts der Steuerberater nicht auf der Annahme beruhe, dass eine situationsgebundene Gelegenheit zur Pflichtverletzung im Regelfall zu einem pflichtwidrigen Handeln des Berufsrechtsunterworfenen führe, sondern vielmehr darauf, dass dieser sich grundsätzlich rechtstreu verhalte. Die Gefahr einer Interessenkollision bestehe im Übrigen tatsächlich nicht, da der Kläger als weiterer Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft im Wesentlichen dieselbe (nicht steuerberatende) Tätigkeit wie bisher als Prokurist ausüben werde. Der Kläger sei zudem bereit, etwaigen Gefahren von Pflichtverletzungen durch vertragliche Regelungen zu begegnen. Er werde als Geschäftsführer gegenüber den steuerberatenden Berufsträgern nicht weisungsbefugt sein und keinen Einfluss auf deren Tätigkeit nehmen und auch keine Möglichkeit zur Einsichtnahme in Mandantendateien haben. Er werde außerdem als Geschäftsführer nicht allein vertretungsbefugt sein und lediglich Minderheitsgesellschafter sein.
Die Beklagte beantragt unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses unterstützt (ohne eigene Antragstellung) das Vorbringen der Beklagten.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat im Hinblick auf die von ihm angestrebte Tätigkeit als (weiterer) Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft keinen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme vom gesetzlichen Verbot gewerblicher Tätigkeit.
a) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger kraft Gesetzes denselben allgemeinen Berufspflichten wie ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter unterliegt, wenn er Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft ist, ohne selbst Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter zu sein (§ 72 Abs. 1 StBerG). Der Kläger bedarf als Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft daher einer Ausnahme vom gesetzlichen Verbot gewerblicher Tätigkeit.
aa) Die allgemeinen Berufspflichten der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten regelt § 57 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November 1975 (BGBl I S. 2735), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Juli 2014 (BGBl I S. 1266). Danach haben Steuerberater und Steuerbevollmächtigte ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben und sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist. Sie haben sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die ihr Beruf erfordert (§ 57 Abs. 1 und 2 StBerG). Die Absätze 3 und 4 des § 57 StBerG bestimmen insbesondere, welche Tätigkeiten mit dem Beruf eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten vereinbar oder nicht vereinbar sind. § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG normiert, dass als Tätigkeit, die mit dem Beruf des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar ist, insbesondere eine gewerbliche Tätigkeit gilt. Die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist (§ 57 Abs. 4 Nr. 1 HalbsStBerGBerG).
bb) Das grundsätzliche Verbot gewerblicher Tätigkeit ist Folge des gesetzlich normierten Berufsbildes, wonach Steuerberater und Steuerbevollmächtigte einen freien Beruf und kein Gewerbe ausüben (§ 32 Abs. 2 StBerG). Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sind unabhängige Organe der Steuerrechtspflege. Ihr Berufsbild ist ausgerichtet auf den Vorrang der persönlichen berufsspezifischen Leistung vor den wirtschaftlichen Aspekten ihrer Tätigkeit und geprägt durch die unabhängige und unparteiliche Erfüllung der den steuerberatenden Berufen übertragenen Aufgabe, eine umfassende Hilfeleistung in Steuersachen zu gewährleisten (vgl. BGH, U.v. 4.3.1996 - StbSt (R) 4/95 - juris Rn. 40). Dass der Gesetzgeber befugt ist, Berufe, die sich zunächst frei entwickelt haben, rechtlich zu ordnen und ihre Berufsbilder festzuschreiben, ist vom Bundesverfassungsgericht frühzeitig anerkannt und auch für die steuerberatenden Berufe wiederholt bestätigt worden. Die gesetzlich geregelten Unvereinbarkeiten zwischen dem Beruf und anderen - insbesondere gewerblichen - Tätigkeiten sind von Verfassungswegen im Hinblick auf Artikel 12 Abs. 1 GG nicht beanstandet worden. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht derartige Regelungen für besonders geeignet erachtet, den Beruf eindeutig zu prägen, das Berufsbild klar zu umgrenzen, die Aufsicht über die gewissenhafte Erfüllung der Berufspflichten zu erleichtern und so das Ansehen des Berufes zu fördern (vgl. BGH, U.v. 4.3.1996 - StbSt (R) 4/95 - juris Rn. 41 m. w. N.). Die steuerberatende Tätigkeit bringt es mit sich, dass dem Berater die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines Mandanten umfassend im Rahmen einer oftmals jahrelangen dauerhaften Zusammenarbeit offenbart werden müssen, wenn eine sachgerechte Hilfe in steuerlichen Angelegenheiten gewährleistet werden soll. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 15. Februar 1967 - 1 BvR 569/62 - (BVerfGE 21, 173/182) für die steuerberatenden Berufe eine Kombination mit einer gewerblichen Tätigkeit für noch weniger erträglich erachtet als bei anderen freien Berufen. Schon die Möglichkeit, Kenntnisse und Informationen aus der steuerberatenden Tätigkeit im Rahmen des eigenen Gewerbes zum eigenen Nutzen und zum Nachteil des Mandanten umzusetzen, könnte die vom Gesetzgeber gewollte Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Beraters gegenüber seinem Auftraggeber sowie das Vertrauensverhältnis zwischen diesen beeinträchtigen (vgl. BGH, U.v. 4.3.1996 - StbSt (R) 4/95 - juris Rn. 43 m. w. N.).
cc) Steuerberatungsgesellschaften leisten ebenso wie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen (§ 32 Abs. 1 StBerG). Sie haben damit - ebenso wie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte - die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten (§ 33 Satz 1 StBerG). Sie sind - wie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte - Mitglieder der für sie örtlich zuständigen Steuerberaterkammer (§ 74 Abs. 1 Satz 1 StBerG). Steuerberatungsgesellschaften bedürfen der Anerkennung. Die Anerkennung setzt den Nachweis voraus, dass die Gesellschaft von Steuerberatern verantwortlich geführt wird (§ 32 Abs. 3 StBerG). Die zuständige Steuerberaterkammer kann allerdings genehmigen, dass besonders befähigte Personen nach näherer Maßgabe des Gesetzes neben Steuerberatern Vorstandsmitglieder oder persönlich haftende Gesellschafter oder - wie vom Kläger angestrebt - Geschäftsführer von Steuerberatungsgesellschaften werden (§ 50 Abs. 3 StBerG). In diesem Fall sind wegen ihrer besonderen verantwortlichen Stellung in der Steuerberatungsgesellschaft auch diese Personen (Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter), obwohl sie selbst nicht Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind, denselben Berufspflichten unterworfen wie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte (§ 72 Abs. 1 StBerG) und kraft Gesetzes Mitglieder der für sie örtlich zuständigen Steuerberaterkammer (§ 74 Abs. 2 StBerG). Nur in einer solchen von der Steuerberaterkammer genehmigten Funktion dürfen diese Personen auch Gesellschafter der Steuerberatungsgesellschaft sein (§ 50a Abs. 1 Nr. 1 StBerG).
dd) Das grundsätzliche Verbot gewerblicher Tätigkeit gilt nach dem Willen des Gesetzgebers trotz fortschreitender Liberalisierung des Berufsrechts der Steuerberater auch weiterhin. Die mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 8. April 2008 erfolgte Neufassung der Nr. 1 des § 57 Abs. 4 StBerG soll es den Steuerberaterkammern lediglich ermöglichen, eine Ausnahme von diesem Verbot dann zuzulassen, wenn eine Gefährdung der Berufspflichten nicht besteht (vgl. BT-Drs. 16/7077 S. 1 und 32).
(1) Die Fachgerichte sind sich darin einig, dass der Regelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG unverändert die Annahme des Gesetzgebers zugrunde liegt, dass eine gewerbliche Zweit- oder Nebentätigkeit im typischen Regelfall die verlässliche Einhaltung der allgemeinen Berufspflichten des Steuerberaters im Sinne einer abstrakten Gefahr zu beeinträchtigen droht. Die Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG hat an diesem Grundsatz nichts geändert. Mit der grundsätzlichen Unvereinbarkeit einer gewerblichen Tätigkeit soll demnach der abstrakten Gefahr einer Verletzung der dem Steuerberater obliegenden Berufspflichten begegnet werden. Bei der Zulassung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG ist deshalb darauf abzustellen, ob im konkreten Fall die Verletzung von Berufspflichten ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann. Ein Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme besteht nur dann, wenn die vom Gesetzgeber unterstellte abstrakte Gefahr der Beeinträchtigung von Berufspflichten im konkreten Fall widerlegt ist. Hierfür trägt der Berufsangehörige die Darlegungs- und Feststellungslast (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 26.9.2012 - 8 C 26/11 - juris Rn. 28 m. w. N.; BFH, U.v. 17.5.2011 - VII R 47/10 - juris Rn. 18).
(2) Das Bundesverfassungsgericht hat die fachgerichtliche Auslegung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG für grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 36; B.v. 13.1.2014 - 1 BvR 2884/13 - juris Rn. 26), jedoch auf die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung hingewiesen.
Zweck der Regelung ist auch aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts die Sicherung der Unabhängigkeit der Steuerberatung und der Schutz des Mandanten vor für ihn nachteiliger Verwertung eigener Geschäftsdaten (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 34). Mit dem grundsätzlichen Verbot gewerblicher Tätigkeit sollen die fachliche Kompetenz und Integrität sowie ausreichender Handlungsspielraum der steuerberatenden Berufsträger gesichert und die notwendige Vertrauensgrundlage zwischen Berufsträger und Mandanten geschützt werden. Damit dient die Regelung der Funktionsfähigkeit der Steuerrechtspflege, die als Teil der gesamten Rechtspflege einen Gemeinwohlbelang von großer Bedeutung darstellt (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 30 m. w. N.). Mit der Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG und der Öffnung für Ausnahmefälle hat der Gesetzgeber allerdings deutlich gemacht, dass eine gewerbliche Tätigkeit nicht schlechthin zu einer Gefährdung der Steuerrechtspflege führt, die Eingriffe in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) rechtfertigen kann (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 30). Denn die Einführung einer Berufswahlschranke hinsichtlich gewerblicher Tätigkeiten ist nur dort erforderlich und zumutbar, wo die Gefahr einer Interessenkollision sich deutlich abzeichnet und nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregeln zu bannen ist (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 25 f. m. w. N.). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet Zurückhaltung bei der Entwicklung typisierender Unvereinbarkeiten, weil die Beschränkung der Berufswahlfreiheit dem Betroffenen nur zumutbar ist, wenn der Unvereinbarkeitsgrundsatz nicht starr gehandhabt wird. Aufgrund der Vielfalt möglicher erwerbswirtschaftlicher Betätigungen ist eine Einzelfallprüfung erforderlich, die der Vielgestaltigkeit der Tätigkeiten Rechnung trägt (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 25 f. m. w. N.).
(3) Die fachgerichtliche Rechtsprechung lässt einen erheblichen Anwendungsbereich der Vorschrift über die Zulassung von Ausnahmen vom Verbot gewerblicher Tätigkeit erkennen, der über die in § 16 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer genannten Beispielsfälle hinausgeht (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 26.9.2012 - 8 C 6/12 - NJW 2013, 330). Die Zulassung einer Ausnahme setzt jedoch stets voraus, dass sich die Tätigkeitsfelder der steuerberatenden und der gewerblichen Berufe deutlich voneinander trennen lassen, um für die steuerberatende Tätigkeit die Gefahr der Kollision mit gewerblichen Interessen auszuschließen (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 26.9.2012 - 8 C 6/12 - NJW 2013, 330; vgl. auch BGH, U.v. 4.3.1996 - StbSt (R) 4/95 - juris Rn. 55 f.; BVerfG, B.v. 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 u. a. - juris Rn. 119, 128, 132). Weil eine solche Trennung der beruflichen Tätigkeitsbereiche bezogen auf andere gewerbliche Unternehmungen des Klägers möglich ist, hat die Beklagte zugunsten des Klägers während des gerichtlichen Verfahrens bereits auch eine Ausnahme vom Verbot gewerblicher Tätigkeit (als Geschäftsführer der H. Business Travel GmbH & Co. KG) zugelassen.
b) Eine Ausnahme vom Verbot gewerblicher Tätigkeit ist jedoch bezogen auf die beiden noch streitgegenständlichen gewerblichen Tätigkeiten nicht möglich, weil sich hier die Tätigkeitsfelder der Steuerberatungsgesellschaft und der gewerblichen Unternehmen nicht deutlich voneinander trennen lassen und sich wegen der in Gestalt des Klägers bestehenden personellen Verflechtung der steuerberatenden und der gewerblichen Tätigkeit die Gefahr der Interessenkollision nicht ausschließen lässt.
aa) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sich die Steuerberatungsgesellschaft und die streitgegenständlichen gewerblichen Unternehmen im Wesentlichen auf die Beratung von Ärzten (und ggf. die Erbringung weiterer Dienstleistungen) spezialisiert haben. Die gewerblichen Unternehmen befassen sich insbesondere - unter Einbeziehung der persönlichen Lebensumstände und der beruflichen wie privaten Ziele ihrer Kunden - mit den Themen Versicherung, Abrechnung, Absicherung und Finanzierung, etwa in Bezug auf Existenzgründung, Niederlassungsberatung, Praxisfinanzierung, organisatorische und strategische Planung, Praxisübergabe und Umfang des Versicherungsschutzes. Die Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft sind zu einem erheblichen Teil (gegenwärtig etwa noch zur Hälfte) auch Kunden der gewerblichen Unternehmen. Zwar beabsichtigt der Kläger weder mit den Ärzten in berufliche Konkurrenz zu treten noch stehen die Steuerberatungsgesellschaft und die gewerblichen Unternehmen in einer Konkurrenzsituation. Die Gefahr einer Interessenkollision besteht für die Steuerberatungsgesellschaft jedoch deshalb, weil sie im Rahmen der steuerberatenden Tätigkeit Einblick in alle privaten und betriebswirtschaftlichen Aspekte der von ihr beratenen Mandanten erhält und sich ihre steuerberatende Tätigkeit wegen der Identität der Beratungsgegenstände auch auf Empfehlungen zur Fortsetzung, Kündigung oder Änderung bestehender oder zum Abschluss neuer Verträge über Dienstleistungen erstreckt, die zu den Tätigkeitsbereichen der streitgegenständlichen gewerblichen Unternehmungen gehören.
bb) Tritt der Kläger als Geschäftsführer in die Steuerberatungsgesellschaft ein, so entsteht in seiner - nunmehr kraft Gesetzes dem Berufsrecht der Steuerberater unterworfenen - Person ein weder durch Berufsausübungsregeln noch durch vertragliche Regelungen zu beseitigender Konflikt zwischen seiner Pflicht zur Wahrung der Unabhängigkeit der steuerlichen Beratung und seinem (gewinnorientierten) Interesse am wirtschaftlichen Erfolg seiner beiden gewerblichen Unternehmen, denen er als Vorstand bzw. Geschäftsführer vorsteht. Es entspricht dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers, das Entstehen einer solchen Konfliktsituation, welche die Unabhängigkeit der steuerberatenden Tätigkeit beeinträchtigen könnte, von vornherein zu vermeiden und es nicht darauf ankommen zu lassen, ob sich bei Bestehen einer Interessenkollision diese im Einzelfall tatsächlich zum Nachteil eines Mandanten auswirkt.
(1) Der Gesetzgeber hat durch die Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG zwar die Möglichkeit einer gewerblichen Tätigkeit neben der steuerberatenden Tätigkeit anerkannt, soweit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist. Er hat gleichzeitig jedoch unverändert an seiner gesetzgeberischen Entscheidung festgehalten, dass die steuerberatende Tätigkeit selbst gemäß dem gesetzlich normierten Berufsbild unabhängig und damit insbesondere auch frei von gewerblichen Interessen zu sein hat. Dem geltenden Recht lassen sich auch sonst keine Berufsausübungsregeln entnehmen, die eine Einflussnahme gewerblicher Interessen auf die steuerberatende Tätigkeit unterbinden könnten. Die Möglichkeit derartiger gesetzlicher Regeln de lege ferenda hat der Kläger weder vorgetragen noch sind sie auf der Grundlage des geltenden Rechts für das Gericht vorstellbar. Aus diesem Grund erachtet der Gesetzgeber auch die Ausübung des steuerberatenden Berufs in Kooperation mit Gewerbetreibenden als unzulässig (vgl. BT-Drs. 16/7077 S. 32 zu § 56 Abs. 5 StBerG).
(2) Die Unabhängigkeit der Steuerberatung ist nach dem Willen des Gesetzgebers ein wesentlicher und unabdingbarer Bestandteil des gesetzlich normierten Berufsbilds. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die steuerberatende Tätigkeit es mit sich bringt, über einen regelmäßig längeren Zeitraum hinweg umfassende Einblicke in finanzielle und wirtschaftliche Verhältnisse eines Mandanten zu erhalten. Derartige Einblicke besitzen nicht nur für gewerbliche Unternehmen erheblichen geldwerten Vorteil, weil sie in vielfältiger Weise wirtschaftlich nutzbar gemacht werden können. Sie erfordern auch das besondere Vertrauen des Mandanten in den vom Gesetzgeber gewährleisteten Umstand, dass ihn der Steuerberater tatsächlich unabhängig und frei von eigenen oder fremden gewerblichen Interessen berät. Mit der gesetzgeberischen Wertung, die Freiheit der steuerberatenden Tätigkeit von gewerblichen Interessen strikt zu wahren und schon die Möglichkeit einer Interessenkollision auszuschließen, ist es unvereinbar, eine tatsächlich bestehende Interessenkollision - wie im vorliegenden Fall - deshalb für „widerlegt“ zu erachten, weil durch vertragliche (gesellschaftsinterne) Regelungen die Risiken der Interessenkollision minimiert werden sollen. Die Rechtsprechung hat es schon bisher als unerheblich angesehen, dass ein Berufsangehöriger die innere Bereitschaft besitzt, im Fall einer von ihm erkannten Kollision sich berufstreu zu verhalten und gewerbliche Interessen zurückzustellen (vgl. BGH, U.v. 4.3.1996 - StbSt (R) 4/95 - juris Rn. 45). Der Senat hält hieran fest, weil nur auf diese Weise der Gefahr einer möglichen Interessenkollision zwischen den verschiedenen Tätigkeitsfeldern des Berufsangehörigen von vornherein begegnet werden kann. Die Unabhängigkeit der Steuerberatung soll nach dem Willen des Gesetzgebers durch die zur Überwachung der Einhaltung der Berufspflichten als Selbstverwaltungskörperschaft des Berufsstands berufene Steuerberaterkammer bereits im Vorfeld der Berufsausübung (präventiv) sichergestellt werden (vgl. auch § 40 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2; § 42 Satz 2 StBerG) und nicht lediglich auf einer repressiven Kontrolle beruhen, die erst im Fall tatsächlich verletzter Berufspflichten wirksam wird. Die Folgen dieser gesetzgeberischen Entscheidung sind dem Kläger auch zumutbar. Er darf - wie bisher - als Prokurist der Steuerberatungsgesellschaft tätig sein.
cc) Der Umstand, dass der Gesetzgeber nur den Personenkreis der Vorstandsmitglieder, der Geschäftsführer und der persönlich haftenden Gesellschafter und nicht auch sonstige Mitarbeiter (etwa Prokuristen) von Steuerberatungsgesellschaften den für Steuerberater und Steuerbevollmächtigten geltenden Berufspflichten unterworfen hat, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber darf darauf vertrauen, dass die verantwortlichen Führungskräfte einer Steuerberatungsgesellschaft die Einhaltung der Berufspflichten innerhalb der Steuerberatungsgesellschaft gewährleisten können und sonstige Mitarbeiter regelmäßig nicht denselben Einfluss wie diese Führungskräfte auf die Tätigkeit der Steuerberatungsgesellschaft haben. Mit dieser Einschätzung bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb seines Beurteilungsspielraums, der von den Gerichten grundsätzlich hinzunehmen und zu beachten ist (vgl. BVerfG, B.v. 23.8.2013 - 1 BvR 2912/11 - juris Rn. 30).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
3. Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf ihren verfassungsrechtlichen Bezug grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).