Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Feb. 2017 - 10 C 16.2086

bei uns veröffentlicht am24.02.2017

Tenor

Unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 29. September 2016 wird der Klägerin für das Verfahren M 25 K 16.5499 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt C. A. W., Bonn, zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.

Gründe

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Klägerin ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihr beim Bayerischen Verwaltungsgericht München anhängiges Klageverfahren (M 25 K 14.5499) auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis weiter.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der Klägerin ist - wie tenoriert - Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihr Bevollmächtigter beizuordnen.

Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinn, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen. Deshalb dürfen bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Dabei muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann (stRspr d. BVerfG, vgl. z.B. B.v. 4.8.2016 - 1 BvR 380/16 - juris Rn. 12; B.v. 28.7.2016 - 1 BvR 1695/15 - juris Rn. 16 f.; B.v. 13.7.2016 - 1 BvR 826/13 - juris Rn. 11 f.; B.v. 20.6.2016 - 2 BvR 748/13 - juris Rn. 12). Im Hinblick auf offene Tatsachenfragen darf Prozesskostenhilfe nicht verweigert werden, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der Klagepartei ausgehen könnte (BVerfG, B.v. 28.1.2013 - BvR 274/12 - juris Rn. 20).

Gemessen an diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall hinreichende Erfolgsaussichten der Klage anzunehmen.

Streitig ist im vorliegenden Fall, ob der Klägerin trotz des - unbestritten - nicht gesicherten Lebensunterhalts (§ 26 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) aufgrund der Sondervorschrift des § 26 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 6 u. Satz 3 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden kann. Das wäre dann der Fall, wenn die Klägerin die Anforderung des gesicherten Lebensunterhalts wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.2008 - 1 C 34/07 - juris 14 ff.; BVerwG, B.v. 22.11.2016 - 1 B 117/16, 1 PKH 81 PKH 82/16 - juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 18.6.2015 - 10 C 15.675 - juris Rn. 11). Dem Verwaltungsgericht ist zuzustimmen, dass das Alter der Klägerin insoweit nicht mit einer „Krankheit oder Behinderung“ gleichgestellt werden kann (BayVGH, B.v. 14.5.2009 - 19 ZB 09.785 - juris Rn. 12 ff.; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 9 Rn. 77). Die Klägerin macht aber geltend, sie sei bereits vor Eintritt ins „Rentenalter“ während ihres seit 1996 andauernden Aufenthalts im Bundesgebiet wegen einer fortdauernden Erkrankung nicht in der Lage gewesen, ihren Lebensunterhalt zu sichern bzw. eine ausreichende Altersvorsorge aufzubauen. Soweit die Klägerin bei der Ausländerbehörde seit 2003 diverse ärztliche Bescheinigungen ihres Hausarztes bzw. eines Arztes in Offenbach vorgelegt hat, trifft es zwar zu, dass diese in Bezug auf diese Frage wenig aussagekräftig sind. Allerdings wurde durch die Ausländerbehörde - und auch durch das Verwaltungsgericht - niemals die Vorlage eines ausführlicheren Attestes angeregt oder verlangt. Die Feststellung der Landesversicherungsanstalt Oberbayern in deren Schreiben vom 24. September 2004, der Klägerin stehe keine Rente wegen Erwerbsminderung zu, weil sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne, stellt auf den Wortlaut der damals insoweit geltenden Rechtsgrundlage § 1 Nr. 2 Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) i.V.m. § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab. Weitere Informationen, etwa das dieser Feststellung zugrunde liegende Gutachten, finden sich weder bei den Behördennoch bei den Gerichtsakten. Angesichts der über Jahre hinweg mehrfach hausärztlich bescheinigten Erwerbsunfähigkeit hätte für die Ausländerbehörde Veranlassung bestanden, dem näher nachzugehen, und beispielsweise eine amtsärztliche Überprüfung zu veranlassen, jedenfalls aber ein ausführliches und substantiiertes Attest des behandelnden Hausarztes zu verlangen und vor allem die weiteren Unterlagen der Landesversicherungsanstalt beizuziehen. Da die Klägerin sich auf ihre Erwerbsunfähigkeit beruft, besteht für sie eine Mitwirkungspflicht nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG; sie hat also an der Aufklärung mitzuwirken und gegebenenfalls auch von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden.

Angesichts der fehlenden weiteren Sachaufklärung durfte sich auch das Verwaltungsgericht nicht allein auf den Inhalt der Behördenakte zurückziehen und hinreichende Erfolgsaussicht der Klage deswegen verneinen. Welche tatsächlichen Erkenntnisse die weitere Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) bringen wird, ist als offen anzusehen.

Den hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage steht nicht entgegen, dass - wenn die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vorliegen - deren Erteilung gemäß § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG im Ermessen steht und die Ausländerbehörde in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 10. November 2014 (Seite 6) bereits angekündigt hat, dass sie die Erteilung der Niederlassungserlaubnis auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung ablehnen würde. Insoweit sind noch nicht eindeutig entschiedene Rechtsfragen zu klären, denn es ist in den Einzelheiten umstritten, welche Gesichtspunkte mit welchem Gewicht in die Ermessenserwägungen eingestellt werden dürfen (allg. Göbel-Zimmermann in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 26 Rn. 12) und wann eine Ermessensreduzierung „auf Null“ anzunehmen ist (Marx, Aufenthalts- Asyl- und Flüchtlingsrecht, 6. Aufl. 2017, Rn.196; Fränkel in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 26 Rn. 20; BayVGH, U.v. 16.4.2008 - 19 B 07.336 - juris Rn. 42).

Insbesondere umstritten ist das Gewicht der allgemeinen migrationspolitischen Vorgaben des Aufenthaltsgesetzes hinsichtlich der Begrenzung der Zuwanderung (vgl. Maaßen/Kluth in Kluth/Heusch, Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand 1.11.2016, § 26 Rn. 343, sowie Hailbronner, Ausländerrecht, A1, Stand Dez. 2016, § 26 Rn. 27 einerseits; Göbel-Zimmermann in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 26 Rn. 13, andererseits) und die Frage, ob nicht erbrachte Anforderungen, auf die - wie hier - aufgrund persönlicher Umstände verzichtet wird, im Rahmen des Ermessens als Versagungsgrund herangezogen werden dürfen (vgl. Fränkel in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 26 Rn. 20; BayVGH, U.v. 16.4.2008 - 19 B 07.336 - juris Rn. 42).

Bedürftigkeit im Sinne von § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt vor. Da die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, war der Klägerin ihr Bevollmächtigter - zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts - beizuordnen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2, Abs. 3 ZPO).

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO), Gerichtsgebühren fallen nicht an.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Feb. 2017 - 10 C 16.2086 zitiert 11 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Zivilprozessordnung - ZPO | § 127 Entscheidungen


(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 121 Beiordnung eines Rechtsanwalts


(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. (2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 9 Niederlassungserlaubnis


(1) Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Sie kann nur in den durch dieses Gesetz ausdrücklich zugelassenen Fällen mit einer Nebenbestimmung versehen werden. § 47 bleibt unberührt. (2) Einem Ausländer ist die Niederl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 26 Dauer des Aufenthalts


(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindesten

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 82 Mitwirkung des Ausländers


(1) Der Ausländer ist verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlich

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Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … … als Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt in der Hauptsache, den Beklagten - unter Aufhebung des Bescheides vom 10. November 2014 - zu verpflichten, ihr eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

Die Klägerin wurde am … … … in Afghanistan geboren.

Nach eigenen Angaben reiste sie am … November 1996 in das Bundesgebiet ein und beantragte dort Asyl.

Mit Bescheid vom 27. Juli 1998 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge fest, dass der Abschiebung nach Afghanistan ein Hindernis gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (nunmehr: § 60 Abs. 7 AufenthG) entgegenstand. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Die Klägerin legte der Ausländerbehörde eine ärztliche Bescheinigung vom … April 2003, ausgestellt von Dr. med. G* …, vor (Behördenakte, Bl. 86):

Die Klägerin ist „aufgrund einer chronischen Erkrankung nicht in der Lage, Arbeiten von wirtschaftlichem Wert durchzuführen. Eine geregelte Beschäftigung ist nicht möglich, eine Beschäftigung im Lebensmittelbereich ausgeschlossen. Auch Arbeiten wie Putzen etc. sind ebenfalls ausgeschlossen. Denkbar ist nur eine betreuende Tätigkeit ohne jegliche körperliche Belastung, ohne Zeitdruck, ohne Zurücklegung von Wegen, und mit einer wesentlichen sprachlichen Einschränkung.“

Mit Schriftsatz vom *. Juni 2004 ließ die Klägerin - rechtsanwaltlich vertreten - unter anderem vortragen, dass sie aufgrund ihres Alters auf dem Arbeitsmarkt nicht zu vermitteln sei (Behördenakte, Bl. 95).

Am 24. September 2004 teilte die Landesversicherungsanstalt als zuständiger Rentenversicherungsträger für die Prüfung der Erwerbsunfähigkeit dem Landratsamt Starnberg mit, dass die in § 1 Nr. 2 Grundsicherungsgesetz (GSiG) genannten Voraussetzungen für eine Erwerbsunfähigkeit („volle Erwerbsminderung“) der Klägerin nicht vorlägen (Behördenakte, Bl. 130). Diese Feststellung erfolgte aufgrund einer Untersuchung (Behördenakte, Bl. 131).

Von dem 1. Januar 2005 an erhielt die Klägerin fortlaufend Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzesbuchs zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) (vgl. Behördenakte, Bl. 119 sowie Bewilligungsbescheide des Beklagten vom 9. Dezember 2005, Behördenakte, Bl. 143, vom 19. April 2007, Behördenakte, Bl. 152, vom 13. August 2008, Behördenakte, Bl. 167 und vom 22. Februar 2011, Behördenakte, Bl. 229).

Die Klägerin legte der Ausländerbehörde des Landratsamtes Starnberg im Folgenden eine weitere ärztliche Bescheinigung vom … September 2005, ebenfalls von Dr. med. G* …, vor (Behördenakte, Bl. 118):

Die Klägerin „ist wegen einer chronischen Erkrankung, die nicht zu bessern sei, auf Dauer nicht arbeitsfähig. Insbesondere bestehen massive schmerzhafte Bewegungsbehinderungen, die einen Arbeitseinsatz nicht zulassen“.

Seit dem 21. November 2005 verfügte die Klägerin über eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG, die seit dem10. März 2006 mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage “Wohnsitzaufnahme ist auf den Freistaat Bayern beschränkt“ versehen war.

Mit Schriftsatz vom *. September 2009 beantragte die Klägerin - rechtsanwaltlich vertreten - die Aufhebung der wohnsitzbeschränkenden Auflage anlässlich des geplanten Umzugs in die Stadt O* … unter anderem unter Berufung auf ihre Pflegebedürftigkeit (Behördenakte, Bl. 174). Dazu legte sie eine weitere ärztliche Bescheinigung vom … Mai 2005 ebenfalls von Dr. med. G* …, vor (Behördenakte, Bl. 175):

Die Klägerin „leidet an einer schweren rheumatischen Erkrankung. Hilfeleistende Familienmitglieder sind im näheren Umfeld nicht mehr vorhanden . …“

Mit Schreiben vom 6. November 2009 versagte jedoch die Stadt O* … die erforderliche Zustimmung zu der Aufhebung der wohnsitzbeschränkenden Auflage, mit der Begründung, dass die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht aussagekräftig seien und die Klägerin das geforderte Best-Practice-Gutachten zur Pflegebedürftigkeit nicht vorgelegt habe (Behördenakte, Bl. 196).

Daraufhin lehnte das Landratsamt Starnberg - nach Anhörung der Klägerin - die Aufhebung der wohnsitzbeschränkenden Auflage ab (Behördenakte, Bl. 198). Die Bestandskraft trat am 15. Januar 2010 ein.

Mit Schriftsatz vom … September 2010 wiederholte die Klägerin ihr Begehren auf Aufhebung der beschränkenden Wohnsitzauflage wegen Zuzugs nach O* … (Behördenakte, Bl. 214). Sie legte dazu ein ärztliches Attest vom … Mai 2010, ausgestellt von Dr. S*. M* …, vor (Behördenakte, Bl. 215):

„- Entwurzelungssyndrom

– Undifferenzierte Kollagenose

– chronische Lumboischialgie

– chronisches HWS-, LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen…

Mischinkontinenz bei Z. n. Hysterektomie

– Polyarthrose

– Fibromyalgie

– Gonarthrose beidseits

Wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes sowie wegen der Sprachprobleme ist die Patientin dringend auf Betreuung angewiesen. …“

Das Landratsamt Starnberg forderte die Klägerin zu der Vorlage einer Reihe von Unterlagen auf, darunter auch ein Best Practice Gutachten sowie die Einstufung in eine Pflegestufe (Behördenakte, Bl. 216). Dies geschah in der Folge nicht.

Am … Dezember 2011 vollendete die Klägerin ihr 65. Lebensjahr.

Am 31. Dezember 2011 endete der Bezug von Leistungen nach dem SGB II (Behördenakte, Bl. 235).

Seit dem 1. Januar 2012 bezieht die Klägerin fortlaufend Leistungen nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch Sozialhilfe, hier wegen Alters (SGB XII) (Behördenakte, Bl. 366 ff.; Gerichtsakte, Bl. 34).

Mit Schriftsatz vom … November 2013 legte die Klägerin der Ausländerbehörde des Landratsamtes erneut eine ärztliche Bestätigung vom … November 2013, ebenfalls von Dr. med G* …, vor (Behördenakte, Bl. 259).

Die Klägerin „steht seit 1997 fortlaufend in meiner hausärztlichen Behandlung. Es besteht eine unheilbare chronische Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis, die seither behandelt wird und die schon bei Beginn der Betreuung die Alltagskompetenz von Frau … so stark einschränkte, dass eine Erwerbstätigkeit nie möglich war, diese Situation war durch keine Maßnahme oder Behandlung zu ändern. Die Folgen der chron. Erkrankung haben sich seither deutlich verschlechtert, dazugetreten sind weitere einschränkende und auch alterstypische Erkrankungen.

Frau … ist sicher weiterhin und auf Dauer erwerbsunfähig.

In der jetzigen gesundheitlichen Lage mit massiver Greifbehinderung und Einschränkung der Gehstrecke, zeitweise auf wenige 10 m, mit auch Orthopnoe bei geringer Belastung, körperlicher Schwäche und Sturzgefahr bestehen erhebliche Risiken in der Situation des Alleinelebens für Frau …“

Mit Fax vom … Januar 2014 beantragte die Klägerin - rechtsanwaltlich vertreten -die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (Behördenakte, Bl. 266).

Mit angegriffenem Bescheid vom 10. November 2014 lehnte das Landratsamt Starnberg - nach Anhörung der Klägerin - den Antrag auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis ab (Behördenakte, Bl. 315 ff.). Dazu führte es im Wesentlichen Folgendes aus: Die Klägerin erfülle das Erfordernis eines gesicherten Lebensunterhaltes gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht. Die Klägerin habe seit ihrer Einreise öffentliche Leistungen bezogen. Von dem Erfordernis des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG könne auch nicht ausnahmsweise gemäß § 9 Abs. 2 Satz 6 in Verbindung mit Satz 3 AufenthG abgesehen werden. Voraussetzung hierfür sei, dass der Betroffene wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage sei, den Lebensunterhalt zu sichern. Das Attest vom … November 2013 genüge nicht den Anforderungen, um eine tatsächliche dauerhafte Erwerbsunfähigkeit nachzuweisen. Es enthalte keine substantiierten Ausführungen zu dem gesundheitlichen Zustand sowie zu Art und Umfang der Erkrankung. Dies gelte auch für die früheren Atteste. Der Aussage, dass die Klägerin nie erwerbsfähig gewesen sei, stehe entgegen, dass die Klägerin Leistungen nach dem SGB II bezogen habe, welche die Leistungsfähigkeit voraussetzen. Eingeschränkt Erwerbsfähige könnten sich auf § 9 Abs. 2 Satz 6 in Verbindung mit Satz 3 AufenthG berufen, wenn sie sich bemühten und erkennbar anstrengten, die verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung von Einkommen zu nutzen. Seien dahingehende Feststellungen nicht möglich, scheide die Anwendung der Ausnahmeregelung aus, weil dann der Nachweis der Kausalität der Einschränkung für die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht sei. Ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG scheide aus, da § 9 AufenthG insoweit eine abschließende Spezialregelung für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis enthalte.

Mit Schriftsatz vom … Dezember 2014 ließ die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage erheben und beantragte,

„1. den Beklagten unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10.11.2014 zu verpflichten, der Klägerin eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen;

2. dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.“

Weiterhin beantragte sie,

„3. Der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … zu gewähren.“

Dazu führte sie im Wesentlichen Folgendes aus: Der Lebensunterhalt der Klägerin sei zwar nicht durch eigene Erwerbstätigkeit gesichert, die Klägerin sei jedoch mittlerweile 68 Jahre alt und stünde dem Arbeitsmarkt ohnehin nicht mehr zur Verfügung. Sie sei aufgrund ihrer Erkrankung in der Vergangenheit erwerbsunfähig gewesen.

„Beweis:

1. Ärztliche Bescheinigung vom … November 2013

2. Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens“

Aus diesem Grund könne nach § 9 Abs. 2 Satz 6 AufenthG von der Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts abgesehen werden.

Am 2. Februar 2015 wurde die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG bis zum9. Februar 2017 verlängert (Behördenakte, Bl. 339).

Mit Schreiben vom 1. September 2016 erwiderte das Landratsamt Starnberg auf die Klage und führte im Wesentlichen Folgendes aus: Wegen allein altersbedingten Unvermögens, den Lebensunterhalt zu sichern, können nicht von dem Erfordernis des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis abgesehen werden. Eine analoge Anwendung von § 9 Abs. 2 Satz 6 in Verbindung mit Satz 3 AufenthG komme nicht in Betracht. Die Klägerin habe im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2011 (Erreichen des 65. Lebensjahres) ununterbrochen Leistungen nach dem SGB II bezogen. Soweit die Klägerin vortrage, erwerbsunfähig gewesen zu sein, stehe dieser Vortrag im Widerspruch zu dem Bezug der Leistungen nach dem SGB II, da Leistungen nach 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II lediglich Personen gewährt würden, die erwerbsfähig seien. Erst seit dem 1. Januar 2012 beziehe die Klägerin nach dem Erreichen ihres 65. Lebensjahres Leistungen nach dem SGB XII als Grundsicherung im Alter. Der Leistungsbezug nach dem SGB II habe aus Altergründen geendet.

Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichts- und Behördenakte.

II.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) auf Antrag zu gewähren, wenn die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Prüfung der Erfolgsaussichten dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Die Anforderungen sind daher nicht zu überspannen. Es genügt, wenn die Erfolgsaussichten bei summarischer Überprüfung als offen zu beurteilen sind. Schwierige oder noch nicht geklärte Rechtsfragen können deshalb nicht im Prozesskostenhilfeverfahren einer Klärung zugeführt werden. In tatsächlicher Hinsicht ist maßgeblich, ob eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür sprechen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. stRspr. kürzlich: BVerfG, B.v. 28.1.2013 - 1 BvR 274/12 - juris, Rn. 14).

2. Legt man diese Maßstäbe zugrunde, hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg. Die Klägerin ist nach den vorgelegten Unterlagen zwar bedürftig, die Erfolgsaussichten der Klage sind jedoch nicht in dem vorgenannten Sinne als offen anzusehen.

Die Klage ist nach summarischer Prüfung jedenfalls unbegründet, da der Bescheid des Beklagten vom 10. November 2014 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt.

Kernfrage des Rechtsstreits ist die Frage, ob ausnahmsweise von dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts abzusehen ist.

a) Gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzt, unter den auch die - hier erteilte - Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG fällt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bezeichneten Voraussetzungen vorliegen, mithin auch das Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zählt den Bezug von Leistungen auf, die nicht als Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gelten.

Die Klägerin bezog ab dem 1. Januar 2005 bis zu dem Ende des Jahres 2011, in dem sie ihr 65. Lebensjahr vollendete, Leistungen nach dem SGB II für Arbeitssuchende. Ab dem 1. Januar 2012 bezog sie wegen des Erreichens der Regelaltersgrenze Leistungen über die Grundsicherung im Alter (Gerichtsakte, Bl. 34 sowie Prozesskostenhilfeakte, Bl. 46 ff.). Damit hat sie öffentliche Mittel in Anspruch genommen und beansprucht sie auch weiterhin. Die genannten Leistungen gehören nicht zu den privilegierten Leistungen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG.

b) Nach § 9 Abs. 2 Satz 6 in Verbindung mit Satz 3 AufenthG ist von dem Erfordernis des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann.

Die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts muss ihre Ursache in einer Krankheit oder einer Behinderung haben. Das Alter ist als Grund nicht aufgeführt. Legt man die Norm nach dem Wortlaut aus, ist das Alter als Grund daher nicht umfasst. Gleiches gilt für die Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm. Der Gesetzgeber hatte erkennbar die Intention, eine Zuwanderung in die Sozialsysteme der Bundesrepublik Deutschland zu unterbinden. Er hat lediglich zwei spezielle Ausnahmegründe angeführt. Daher kann von dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts nur bei außergewöhnlichen, vom normalen Lebensverlauf abweichenden Umständen, wie den gesetzlich genannten Fällen, abgesehen werden. Es ist indes kein Ausnahmefall, dass es Personen gibt, die wegen des Erreichens der allgemeinen Regelaltersgrenze aus dem Erwerbsleben ausscheiden, deren Lebensunterhalt zuvor über lange Jahre nicht gesichert war und deren erworbene Rentenansprüche aufgrund dessen sehr niedrig beziehungsweise nicht existent sind. Eine analoge Anwendung auf das Alter ist mangels planwidriger Regelungslücke nicht angezeigt (vgl. zu alledem: NdsOVG, B.v. 27.11.2014 - 13 LA 108/14 - juris Rn. 9; OVG Berlin-Bbg, U.v. 15.8.2013 - OVG 7 B 4.13 - juris Rn. 36; BayVGH, B.v. 14.5.2009 - 19 ZB 09.785 - juris Rn. 9; B.v. 29.8.2008 - 19 C 08.1994 - juris Rn. 4; VG München, U.v. 12.5.2011 - M 12 K 10.6244 - juris Rn. 34; VG Ansbach, B.v. 9.9.2008 - AN 19 S. 08.01193, AN 19 K 08.01194 - juris Rn. 25; ebenso die Kommentarliteratur: vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, AufenthG, 11. Aufl. 2016, § 9, Rn. 38).

c) Nach summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts im vorliegenden Fall auf dem Alter der Klägerin beruht, nicht etwa auf einer Krankheit oder einer Behinderung:

aa) Der Klägerin wurden mit den genannten Bewilligungsbescheiden ab dem 1. Januar 2005 Leistungen für Arbeitssuchende nach dem SGB II bewilligt. Diese Bewilligungsbescheide sind in materieller Bestandskraft erwachsen. Die materielle Bestandskraft und die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts werden durch den Regelungsgehalt begrenzt, den sich die behördliche Entscheidung nach dem objektiven Empfängerhorizont beimisst. Die materielle Bestandskraft kann nach dem objektiven Empfängerhorizont auch den Rechtsgrund und den Adressaten einschließen. Im vorliegenden Fall hat das Landratsamt in den (tenorlos formulierten) Bewilligungsbescheiden jeweils unmittelbar vor oder nach der Anrede als Gegenstand „Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Gesetzbuch“ genannt (Behördenakte, Bl. 143, 152, 167 und 229). Auch wenn man nicht von einer materiellen Bestandskraft ausgehen sollte, so wären die Bewilligungsbescheide nach dem SGB II jedenfalls als ein „Beleg für die bestehende grundsätzliche Erwerbsfähigkeit“ zu werten (vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2015 - 10 C 14.796 - juris Rn. 8).

bb) Selbst wenn man die Bewilligungsbescheide nicht als Beleg werten sollte, ergäbe sich nichts anderes. Denn im vorliegenden Fall ist die Klägerin vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze zur Überprüfung der Erwerbsfähigkeit untersucht worden. Als Ergebnis wurde ausdrücklich festgestellt, dass die Klägerin nicht dauerhaft erwerbsunfähig war (vgl. Behördenakte, Bl. 130 f.). Gegenstand der Untersuchung war die volle Erwerbsminderung, nicht hingegen eine teilweise Erwerbsminderung. Dies ergibt sich zum einen aus dem Bezug auf § 1 Nr. 2 GSiG, zum anderen aus dem Umstand, dass ein Kästchen für die teilweise Erwerbsminderung fehlt. Die Klägerin ist dem Ergebnis der Untersuchung in der Folge nicht entgegengetreten. Sie hätte dem allerdings entgegentreten können, zumal sie zu diesem Zeitpunkt und auch im Nachhinein anwaltlich vertreten war (vgl. Behördenakte, Bl. 95 und 132: „weiter vertrete“).

cc) Auch die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen sind nicht dazu angetan, eine Krankheit der Klägerin anzunehmen, welche das Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts entfallen lässt. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin für das Vorliegen einer solchen Krankheit die materielle Darlegungs- und Beweislast trägt. Um taugliche Darlegungs- und Beweismittel darzustellen, müssen ärztliche Atteste substantiierte Ausführungen enthalten (vgl. VG München, U.v. 12.5.2011 - M 12 K 10.6244 - juris 36). Diese sollten daher die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, umfassen. Ärztliche Atteste sollten sich zudem differenzierend damit auseinandersetzen, ob und inwieweit eine etwaige Erwerbsunfähigkeit auf dem Alter und alterstypischen Einschränkungen beruht (vgl. VG Ansbach, U.v. 16.6.2016 - AN 5 K 15.00399 - juris Rn. 49). Dabei ist zu berücksichtigen, ob es sich bei dem Aussteller um einen Facharzt handelt oder nicht (vgl. VG Ansbach, U.v. 16.6.2016 - AN 5 K 15.00399 - juris Rn. 49).

Die vorgelegten Bescheinigungen und Atteste genügen diesen Anforderungen nicht. Die ärztlichen Bescheinigungen vom … April 2003 und vom … September 2005 lassen die Art der Krankheit völlig im Dunkeln („chronische Erkrankung“). Die ärztliche Bescheinigung vom *. September 2009 benennt die Krankheit lediglich vage und allgemein („schwere rheumatische Erkrankung“). Substantiierte Ausführungen zu den anderen erforderlichen Punkten fehlen. Das ärztliche Attest vom … Mai 2010 enthält zwar eine fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes. Allerdings ist diese selbst nicht durchgehend konkret (z.B.: „Entwurzelungssyndrom“ und „undifferenziert“). Außerdem mangelt es an substantiierten Ausführungen zu der Erhebungsmethode, dem Schweregrad sowie den für diesen Kontext erheblichen Folgen der Krankheit, nämlich für die Frage der dauernden Erwerbsfähigkeit. Das Attest verhält sich allein zu dem beabsichtigen Umzug der Klägerin und der familiären Betreuung in der Stadt O* … Auch die ärztliche Bescheinigung vom … November 2013 genügt den Anforderungen nicht. Zwar werden darin Symptome aufgezählt, allerdings bleibt erstens die Diagnose weiterhin äußerst vage („unheilbare chronische Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis“), zweitens fehlt es an Ausführungen zu der Erhebungsmethode, drittens wurde die Bescheinigung nahezu zwei Jahre nach dem Erreichen des Regelarbeitsgrenze ausgestellt, viertens handelt es sich bei dem Aussteller, wie sich aus dem Briefkopf ergibt, nicht um einen Facharzt, und fünftens wurde in dem Attest sogar ausdrücklich auf die altersbedingte Qualität der Einschränkungen der Klägerin abgestellt.

dd) Das von der Klägerin unterbreitete Angebot eines amtsärztlichen Gutachtens ist als eine Beweisanregung zu werten. Es handelt sich nicht um einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag gemäß § 86 Abs. 2 VwGO, mit der Folge, dass es einer förmlichen Ablehnung nicht bedarf.

In diesem Zusammenhang ist auf Folgendes hinzuweisen: Liegen keine Tatsachen vor, die auf eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit des Betroffenen hindeuten könnten, ist das Verwaltungsgericht im Hauptsacheverfahren nicht verpflichtet, ein Sachverständigengutachten einzuholen, dessen Ergebnis als offen betrachtet werden könnte. Es liegt an dem Betroffenen, der Mitwirkungspflicht nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nachzukommen und die für ihn günstigen Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise beizubringen. Weder die Ausländerbehörde noch das Verwaltungsgericht sind verpflichtet, vagen Angaben und pauschalen Aussagen, auch von behandelnden Ärzten, weiter nachzugehen, wenn nicht Anhaltspunkte für das Vorliegen einer für die behauptete Erwerbsunfähigkeit ursächlichen Krankheit oder Behinderung ersichtlich sind (vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2015 - 10 C 14.796 - juris Rn. 7).

d) Von dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts kann auch nicht durch Rückgriff auf die allgemeine Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgesehen werden. Der Gesetzgeber hat die durch eine Niederlassungserlaubnis gestärkte Rechtsposition in § 26 Abs. 4 AufenthG von dem in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG genannten Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht. Von dieser Voraussetzung kann nach der Gesetzessystematik nur unter den besonderen in § 9 Abs. 2 Satz 6 AufenthG normierten - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen abgesehen werden. Ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, wonach ohne Normierung konkreter Voraussetzungen von der Anwendung der Absätze 1 und 2 des § 5 AufenthG und damit auch von dem Erfordernis der Unterhaltssicherung abgesehen werden kann, ist daher nicht möglich. Vielmehr trifft § 9 Abs. 2 Satz 6 AufenthG insoweit eine abschließende Regelung und macht die Unterhaltssicherung bei der Niederlassungserlaubnis - anders als im Anwendungsbereich des § 5 AufenthG - mithin nicht zu einer Regelerteilungsvoraussetzung, sondern zu einer zwingenden Erteilungsvoraussetzung (vgl. BVerwG, U. v. 16.11.2010 -1 C 21.09 - juris Rn. 14 i.V.m. Rn. 19 ff.; NdsOVG, B.v. 27.11.2014 - 13 LA 108/14 - juris Rn. 10).

3. Aus genannten Gründen kommt auch die Beiordnung eines Bevollmächtigten nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht.

4. Die Entscheidung im (erstinstanzlichen) Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe ergeht, wie sich im Umkehrschluss aus § 166 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO ergibt, ohne Kostengrundentscheidung, mithin kostenfrei. Auslagen werden nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht erstattet.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Tenor

1. Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 1. Dezember 2015 - L 9 AR 38/15 SO ER/L 9 AR 38/15 SO ER PKH - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes, soweit dadurch sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wird. Er wird insoweit aufgehoben. Die Sache wird insoweit an das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Schleswig-Holstein hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten. Damit erledigt sich der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Verfassungsbeschwerdeverfahren.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung eines sozialgerichtlichen Urteils.

I.

2

1. Mit Bescheid vom 24. April 2013 bewilligte die Beklagte des Ausgangsverfahrens dem minderjährigen Beschwerdeführer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ab dem 5. März 2013 und lehnte die vom Beschwerdeführer zugleich begehrte rückwirkende Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 4. März 2013 ab. Ein gegen den Bescheid vom 24. April 2013 insoweit durchgeführtes Widerspruchsverfahren blieb erfolglos.

3

2. Das Sozialgericht verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 21. Mai 2015 zur Erbringung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch zugunsten des Beschwerdeführers für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 4. März 2013 unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 24. April 2013 und des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2013. Entscheidend für die Frage eines Leistungsanspruchs ab dem 1. Juli 2012 sei die Tatsache, wann die Beklagte davon Kenntnis erlangt habe, dass der Beschwerdeführer keine Unterhaltszahlungen seines Vaters mehr erhielt. Anspruchsbegründend sei gemäß § 18 Abs. 1 SGB XII die Kenntnis der Beklagten vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Leistungen. Die Kenntnis der Beklagten von der Tatsache, dass das Einkommen des Beschwerdeführers in Form der Unterhaltszahlungen seines Vaters ab Juli 2012 entfallen sei, sei ausreichend, um ihr die gemäß § 18 Abs. 1 SGB XII erforderliche Kenntnis zu vermitteln. Hierzu stünden sich die Angaben der Beklagten, die diese Kenntnis vor dem 5. März 2013 bestreite, und der Vortrag des Beschwerdeführers, der gestützt werde von der Aussage der Zeugin, seiner Großmutter, gegenüber. Aufgrund der Beweisaufnahme sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Beschwerdeführer der Beklagten durch seine Großmutter bereits im Juni 2012 mitgeteilt habe, dass er ab Juli 2012 keine Unterhaltszahlungen seines Vaters mehr erhalten würde.

4

3. Die Beklagte legte Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ein und beantragte die Aussetzung der Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Aussetzungsverfahren.

5

4. Mit Beschluss vom 1. Dezember 2015 setzte das Landessozialgericht im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts bis zur Erledigung des Rechtsstreits im Berufungsverfahren aus. Gleichzeitig lehnte es mit dem insoweit mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss den Prozesskostenhilfeantrag des Beschwerdeführers für das Aussetzungsverfahren ab.

6

Bei der nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG vorzunehmenden Interessenabwägung seien einerseits die Erfolgsaussichten der Berufung, andererseits das Interesse des Beschwerdeführers an der Vollziehung des Urteils und schließlich das Interesse der Beklagten im Berufungsverfahren daran zu berücksichtigen, nicht vor einer endgültigen Klärung der Rechtslage vorläufig leisten zu müssen. Ob die Berufung erfolgreich sein werde, lasse sich derzeit nicht abschätzen. Mit der Sach- und Rechtslage im Einzelnen werde sich der Senat im Rahmen seiner Entscheidung im Berufungsverfahren zu befassen haben. Gewichtige Zweifel daran, dass die Beklagte bereits ab dem 1. Juli 2012 den geänderten Bedarf hätte berücksichtigen müssen, weil ihr die anspruchsbegründende Tatsache des nicht länger gezahlten Unterhalts durch den Vater bekannt gewesen sei, habe die Beklagte in ihrem am 5. November 2015 beim Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz aufgezeigt. Aufgrund der dort aufgeführten rechtlichen Argumente gegen die Rechtmäßigkeit des erstinstanzlichen Urteils wie auch angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seit dem 5. März 2013 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch erhalte, erscheine es bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung sachgerecht, die Aussetzung der Vollstreckung bis zur Erledigung des Rechtsstreits anzuordnen. Der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung habe keinen Erfolg, auch wenn es von der Beklagten gegen das insoweit den Beschwerdeführer begünstigende Urteil eingeleitet worden sei. Die Gewährung scheitere daran, dass für dieses rechtlich eigenständige Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG die auch hier erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung bei summarischer Prüfung zu verneinen sei.

II.

7

1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG durch die Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrags für das Aussetzungsverfahren.

8

Das Landessozialgericht verkenne die Anforderungen an die hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung. Eine Vollstreckungsaussetzung nach § 199 SGG komme nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur in dem Ausnahmefall der offensichtlichen Unrichtigkeit des Urteils des Sozialgerichts in Betracht. Ein Fall der offensichtlichen Unrichtigkeit sei aber nicht gegeben, wenn das Sozialgericht - wie vorliegend - verfahrensfehlerfrei seine Entscheidung auf das Ergebnis einer Beweisaufnahme stütze.

9

2. Das Land Schleswig-Holstein hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.

III.

10

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung eines in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechts angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff.>), die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Der Beschluss des Landessozialgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

11

1. Das Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 f.> m.w.N.). Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet. Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden auf den Weg vor die Gerichte verwiesen. Dies bedingt zugleich, dass der Staat Gerichte einrichtet und den Zugang zu ihnen jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnet. Daher ist es geboten, Vorkehrungen zu treffen, die auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht ermöglichen. Art. 3 Abs. 1 GG stellt die Beachtung dieses Gebotes der Rechtsschutzgleichheit unter grundrechtlichen Schutz.

12

Derartige Vorkehrungen sind im Institut der Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) getroffen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfe-verfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz, indem es die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies bedeutet zugleich, dass Prozesskostenhilfe verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist.

13

Die Auslegung und Anwendung des § 114 ZPO (hier in Verbindung mit § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten, die dabei den - verfassungsgebotenen - Zweck der Prozesskostenhilfe zu beachten haben (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Das Bundesverfassungsgericht kann hier nur eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist, insbesondere wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen. Hierbei hat es zu berücksichtigen, dass die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in engem Zusammenhang mit der den Fachgerichten vorbehaltenen Feststellung und Würdigung des jeweils entscheidungserheblichen Sachverhalts und der ihnen gleichfalls obliegenden Auslegung und Anwendung des jeweils einschlägigen materiellen und prozessualen Rechts steht. Die Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt, erst dann, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird. Das ist namentlich dann der Fall, wenn das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannt und dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt wird (vgl. BVerfGE 81, 347 <357 f.>).

14

2. Diese Anforderungen hat das Landessozialgericht offensichtlich nicht beachtet. Es hat die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverteidigung im Anordnungsverfahren überspannt und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe verfehlt.

15

a) Das Landessozialgericht ging bei der Prüfung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe davon aus, dass die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung im seiner Ansicht nach rechtlich selbständigen Aussetzungsverfahren (zur umstrittenen Annahme einer Selbständigkeit des Verfahrens nach § 199 Abs. 2 SGG vgl. BSG, Beschluss vom 6. August 1999 - B 4 RA 25/98 B -, juris, Rn. 36; auch Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 199 Rn. 7c) zu verneinen sei. Maßgeblich dafür war für das Landessozialgericht die von ihm nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG vorgenommene Interessenabwägung, die zu Lasten des Beschwerdeführers ausfalle.

16

Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht hier jedoch offensichtlich. Die sozialgerichtliche Rechtsprechung nimmt ganz überwiegend an, dass ein Antrag eines zu Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) oder dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhil- fe - (SGB XII) verurteilten Leistungsträgers auf Aussetzung der Vollstreckung nur in seltenen Fällen zur vorläufigen Nichtgewährung zugesprochener existenzsichernder Leistungen im Wege des Verfahrens nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG führen könne (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Januar 2013 - L 8 AY 5/12 ER -, juris, Rn. 12; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Juni 2008 - L 7 AS 2955/08 ER -, juris, Rn. 4). Auch das Bundessozialgericht geht bei Berufungen und Revisionen, die - wie es auch hier der Fall ist - nach § 154 Abs. 2 SGG keine aufschiebende Wirkung haben, davon aus, dass eine Aussetzung der Vollziehung nur in Ausnahmefällen, nämlich wenn ein Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg habe, in Betracht komme (vgl. Beschluss vom 8. Dezember 2009 - B 8 SO 17/09 R -, juris, Rn. 9).

17

Ausgehend hiervon war das Landessozialgericht angesichts seiner Annahme, es lasse sich derzeit nicht abschätzen, ob die Berufung der Leistungsträgerin erfolgreich sein werde, gehalten, bei der Prüfung des Prozesskostenhilfeantrags des Beschwerdeführers von einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung im Aussetzungsverfahren auszugehen und dafür Prozesskostenhilfe zu gewähren. Indem das Gericht den Ausnahmecharakter einer stattgebenden Entscheidung im Aussetzungsverfahren nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG verkannt und damit die für eine Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung verneint hat, hat es einen Auslegungsmaßstab verwendet, der die Rechtsverteidigung für den unbemittelten Beschwerdeführer im Vergleich zur bemittelten Partei unverhältnismäßig erschwert hat. Denn wenn die Aussetzung der Vollstreckung nur im Ausnahmefall angeordnet werden soll, weil das Rechtmittel - wie hier - nach dem Willen des Gesetzgebers keine aufschiebende Wirkung hat, kann unter Beachtung der verfassungsgebotenen Gewähr von Rechtsschutzgleichheit demjenigen, der im Ausgangsverfahren bereits erfolgreich war, Prozesskostenhilfe nicht verwehrt werden, wenn er sich gegen den Aussetzungsantrag des Prozessgegners wendet und das Rechtsmittelgericht selbst nicht von einem Ausnahmefall ausgeht, in dem das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat.

18

b) Es kann dahinstehen, ob das Landessozialgericht überhaupt die Erfolgs-aussichten der Rechtsverteidigung des Beschwerdeführers im Aussetzungsverfahren nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG prüfen konnte oder ob bereits die Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe unter Missachtung von § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wonach die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem höheren Rechtszug nicht zu prüfen ist, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat, als Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in Form des Willkürverbots (vgl. BVerfGK 4, 93 <94 f.>) anzusehen ist.

19

c) Die Entscheidung des Landessozialgerichts beruht auf der unzureichenden Beachtung der sich aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Anforderungen. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass das Landessozialgericht bei einer verfassungsrechtlich gebotenen Befassung mit dem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

IV.

20

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Verfassungsbeschwerdeverfahren erledigt sich insoweit, als das Land Schleswig-Holstein zur Kostenerstattung verpflichtet wird (vgl. BVerfGE 105, 239 <252>). Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>). Es ist nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer ein über den festgesetzten Betrag hinausgehendes Interesse hat.

21

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

1. Dem Beschwerdeführer wird Wiedereinsetzung in die Verfassungsbeschwerdefrist gewährt.

2. Der Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 27. März 2015 - 011 O 715/15 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 13. Mai 2015 - 1 W 804/15 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben, soweit sie dem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe für den Zeitraum vom 19. September 2014 bis zum 30. Oktober 2014 versagen.

3. Die Sache wird in diesem Umfang zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.

4. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

5. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer 4/5 seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

6. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern wegen menschenunwürdiger Unterbringung in Strafhaft.

2

1. Mit Schriftsatz an das Landgericht A. vom 24. Februar 2015 übersandte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Klageentwurf für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern. Er machte geltend, 53 Tage lang unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Justizvollzugsanstalt L. in Haft gewesen zu sein. Im Zeitraum vom 19. September 2014 bis zum 10. November 2014 sei er neben drei weiteren Mitgefangenen im Haftraum Nr. 041 untergebracht gewesen. Der Haftraum habe inklusive Möblierung und Toilettenbereich eine Gesamtgrundfläche von 17,45 m2 gehabt.

3

Der Beschwerdeführer monierte unter anderem den Verlust jeglicher Privatsphäre und unzumutbare Belastungen der Gefangenen, die aus dem erzwungenen engen körperlichen Kontakt rührten.

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2. Mit angegriffenem Beschluss vom 27. März 2015 verweigerte das Landgericht dem Beschwerdeführer die Prozesskostenhilfe. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs führte das Landgericht - soweit hier erheblich - aus, dass sich nicht abstrakt-generell klären lasse, ob der Vollzug einer Strafhaft als menschenunwürdig anzusehen sei; vielmehr bedürfe es jeweils einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls. Dabei kämen als Faktoren, die eine aus den räumlichen Haftbedingungen resultierende Verletzung der Menschenwürde indizierten, in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen in Betracht, namentlich Abtrennung und Belüftung der Toilette. Eine Menschenwürdeverletzung sei danach nicht festzustellen.

5

Allein aus der Bodenfläche eines Haftraums könne nicht auf menschenunwürdige Verhältnisse geschlossen werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ginge bei der Anwendung von Art. 3 EMRK von einem Regelwert von 4 m2 je Inhaftierten aus, der hier eingehalten sei. Darüber hinaus hätten dem Beschwerdeführer täglich umfangreiche Aufschlusszeiten und Freizeitangebote zur Verfügung gestanden.

6

Ein etwaiger Anspruch des Beschwerdeführers sei auch gemäß § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, da der Beschwerdeführer es mit der Konsequenz eines völligen Anspruchsverlusts unterlassen habe, die Beeinträchtigung seiner Menschenwürde durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

7

3. Mit Schriftsatz vom 28. April 2015 legte der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde ein, die das Oberlandesgericht mit angegriffenem Beschluss vom 13. Mai 2015 zurückwies.

8

Die sofortige Beschwerde sei unbegründet, da nach der gebotenen Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls eine menschenunwürdige Unterbringung nicht vorliege. Nach unbestrittenem Vortrag des Freistaats sei der Beschwerdeführer zum einen nur bis zum 30. Oktober 2014 im Gemeinschaftshaftraum Nr. 041 und danach in einem Einzelhaftraum untergebracht gewesen. Der Haftraum Nr. 041 sei zudem - zuletzt unstreitig - nicht dauerhaft mit vier Gefangenen belegt gewesen.

9

Auch bei voller Belegung könne eine menschenrechtswürdige Unterbringung nicht angenommen werden. Der Bundesgerichtshof habe die Rechtsprechung zur Frage einer menschenunwürdigen Unterbringung zusammengefasst und dabei auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in zu Art. 3 EMRK in seine Erwägungen einbezogen. Die Haftraumgröße habe stets mehr als den Regelwert des EGMR von 4 m2 pro Person betragen.

10

4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

11

5. Dem Justizministerium des Freistaats Bayern sowie der Präsidentin des Bundesgerichtshofs wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie halten die Verfassungsbeschwerde jeweils für unbegründet. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

12

Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.

13

1. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sie den Zeitraum seit dem 31. Oktober 2014 betrifft. Laut den Feststellungen der Fachgerichte hatte der Beschwerdeführer seither einen Einzelhaftraum inne. Eine Verletzung von Verfassungsrecht ist insofern weder vorgetragen noch ersichtlich.

14

Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Zwar ist die Beschwerdeschrift gegen den am 21. Mai 2015 zugestellten Beschluss des Oberlandesgerichts erst am 24. Juni 2015 beim Bundesverfassungsgericht eingegangen. Dem Beschwerdeführer ist jedoch hinsichtlich der damit gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 BVerfGG versäumten Beschwerdefrist antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat die Verfassungsbeschwerde ausweislich des Poststempels am 18. Juni 2015 zur Post gegeben; bei gewöhnlicher Postlaufzeit wäre die Beschwerdeschrift rechtzeitig beim Bundesverfassungsgericht eingegangen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. März 2005 - 1 BvR 113/01 -, juris).

15

2. Die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich des Zeitraums vom 19. September 2014 bis zum 30. Oktober 2014 im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Rechtsschutzgleichheit rügt. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen Fragen zu Inhalt und Reichweite des aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff.>; 92, 122 <124>). Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit, soweit sie ihm Prozesskostenhilfe für den Zeitraum versagen, in dem er sich in Gemeinschaftshaft befand.

16

a) Die Gewährleistung der Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 9, 124 <130 f.>; stRspr). Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>).

17

Danach dürfen bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Dabei muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Ist dies jedoch nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen fehlender Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfGE 81, 347 <359>). Ansonsten würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 u.a. -, NVwZ 2006, S. 1156 <1157>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, S. 1060 <1061>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. November 2011 - 1 BvR 1403/09 -, juris).

18

b) Gemessen an diesen Grundsätzen halten die Prozesskostenhilfe versagenden Beschlüsse des Landgerichts und Oberlandesgerichts einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand, soweit sie die 42 Tage währende Gemeinschaftsunterbringung des Beschwerdeführers im Haftraum Nr. 041 betreffen. Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht haben insofern ihre Einschätzung fehlender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung auf ein Verständnis der Menschenwürdegarantie in der gemeinschaftlichen Haftunterbringung gestützt, das in der bisherigen Rechtsprechung der Fachgerichte noch keine hinreichende Klärung gefunden hat. Die damit verbundenen Fragestellungen durften demnach nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden.

19

aa) Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung sind Landgericht wie Oberlandesgericht im Ansatz davon ausgegangen, dass die Frage nach der Menschenwürdigkeit der Unterbringung von Strafgefangenen von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände abhängt, wobei als Faktoren in räumlicher Hinsicht in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, zu beachten sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 - 1 BvR 1332/14 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 2016 - 2 BvR 566/15 -, juris) und als die Haftsituation mildernde oder verschärfende Merkmale der Umfang der täglichen Einschlusszeiten und die Belegdichte des Haftraums Berücksichtigung finden. Die Frage, wie diese Faktoren zu bewerten sind und insbesondere, ob oder unter welchen Bedingungen - wie es die angegriffenen Entscheidungen für ausreichend halten - auch eine anteilige Grundfläche von unterhalb von 6 m2 pro Strafgefangenen den Anforderungen der Menschenwürdegarantie genügen kann, ist in der Rechtsprechung nicht geklärt.

20

Allerdings lässt sich die Frage, wann die räumlichen Verhältnisse in einer Strafanstalt derart beengt sind, dass die Unterbringung eines Gefangenen dessen Menschenwürde verletzt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht abstrakt-generell klären, sondern muss der tatrichterlichen Beurteilung überlassen bleiben (beispielsweise BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12 -, BGHZ 198, 1). Danach kann es die Klärung eines verfassungsmäßigen Raummindestsolls im Sinne schematisch festgelegter allgemeiner Maßzahlen nicht geben (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 -, NJW-RR 2010, S. 1465). Dies stellt jedoch nicht in Frage, dass es für die Anforderungen an menschenwürdige Haftbedingungen der Herausbildung auch übergreifender Grundsätze und Unterscheidungsmerkmale bedarf, die sowohl den Betroffenen als auch den Behörden Kriterien an die Hand geben, die die Beurteilung der Menschenwürdigkeit der Unterbringung hinreichend vorhersehbar machen.

21

bb) Diese Anforderungen sind zurzeit nicht geklärt und werden von den Gerichten verschieden beurteilt.

22

(1) So setzt die obergerichtliche Rechtsprechung bei mehrfach belegten Hafträumen zum Teil Regelwerte von 6, zum Teil auch von 7 m2 Bodenfläche pro Gefangenen an. Deren Unterschreitung wird zum Teil als Menschenwürdeverletzung beurteilt, wenn zugleich die Toilette nicht abgetrennt oder nicht gesondert entlüftet ist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Juli 2003 - 3 Ws 578/03 -, NJW 2003, S. 2843 <2845>; OLG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2005 - 1 U 43/04 -, juris, Rn. 42; OLG Koblenz, Urteil vom 15. März 2006 - 1 U 1286/05 -, juris, Rn. 11 ff.). In anderen Fällen haben Fachgerichte eine Verletzung der Menschenwürde unabhängig hiervon allein wegen der Unterschreitung eines gewissen Bodenflächenmaßes bejaht, da die räumliche Enge eine Bewegung und Entfaltung der Gefangenen nicht erlaube (so OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. Februar 2005 - 3 Ws 1342 - 1343/04 [StVollz] u.a. -, NStZ-RR 2005, S. 155 <156>: Menschenwürdeverletzung bei 3,84 m2 pro Gefangenen in Mehrfachbelegung bei abgetrennter Toilette; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 19. Juni 2008 - 11 U 24/07 -, juris, Rn. 26: 3,75 m2 pro Gefangenen bei hinzukommender Erschwernis der nicht abgetrennten Toilette). Die Oberlandesgerichte Hamm und Düsseldorf setzen einen fixen Schwellenwert von 5 m2 Grundfläche pro Gefangenen an, dessen Unterschreitung ungeachtet anderer Parameter eine Menschenwürdeverletzung bedinge (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. November 2011 - I-18 W 31/11, 18 W 31/11 -, juris; OLG Hamm, Urteil vom 29. September 2010 - 11 U 88/08, I-11 U 88/08 -, juris; Urteil vom 18. März 2009 - 11 U 88/08 -, juris; Beschluss vom 25. März 2009 - 11 W 106/08 -, NStZ-RR 2009, S. 326). Bezüglich der Unterbringung in einem Einzelhaftraum hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin eine längere Unterbringung in einem 5,25 m2 messenden Einzelhaftraum ohne abgetrennte Toilette für menschenwürdewidrig befunden und das Hauptaugenmerk auf die beengte Haftsituation gelegt (vgl. BerlVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 - VerfGH 184/07 -, LKV 2010, S. 26). Angesichts der Rechtsprechung (weitere Nachweise in BVerfGK 12, 417 <420 f.> sowie BGHZ 198, 1 <4 f.>) kann nicht als geklärt gelten, dass und unter welchen Umständen eine Haftraumfläche wie hier von weniger als 6 m2 den Erfordernissen der Menschenwürdegarantie des gemeinschaftlich untergebrachten Strafgefangenen entspricht.

23

(2) Ungeklärt ist auch die Frage des Verhältnisses der Anforderungen aus Art. 1 Abs. 1 GG zu denen aus Art. 3 EMRK. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist, bezogen auf das Verbot der Folter, der unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafungen oder Behandlung nach Art. 3 EMRK, von einem Richtwert von 4 m² Grundfläche pro Gefangenen ausgegangen (EGMR, Urteil vom 12. Juli 2007, Beschwerde-Nr. 20877/04, Testa ./. Kroatien, EuGRZ 2008, S. 21 Rn. 57 f.). Für erniedrigende Haftbedingungen spricht eine starke Vermutung, wenn ein Häftling nicht über 3 m2 Grundfläche verfügt (vgl. EGMR, Urteil vom 10. Januar 2012, Beschwerde-Nr. 42525/07 u. 60800/08 - Ananyev u. a. ./. Russland [Piloturteil] -, NVwZ-RR 2013, S. 284 <288>). Der Bundesgerichtshof hat betont, dass die Anforderungen des Grundgesetzes höher sind (vgl. BGHZ 198, 1 <6 f.>). Damit ist die hier zu entscheidende Rechtsfrage aber auch im Verhältnis zwischen Grundgesetz und EMRK fachgerichtlich ungeklärt.

24

(3) In der Rechtsprechung der Fachgerichte weitgehend offen ist auch die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage nach der Beurteilung einer Haftsituation durch die gemeinschaftliche Unterbringung auf engem Raum. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass in der bloßen Tatsache einer - auch rechtswidrigen - Gemeinschaftsunterbringung nicht ohne Weiteres ein Verstoß gegen die Menschenwürde liegt (BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - III ZB 89/05 -, NJW 2006, S. 3572; vgl. zur Gemeinschaftshaft auch EGMR, Urteil vom 15. Juli 2002, Beschwerde-Nr. 47095/99 - Kalashnikov ./. Russland -, NVwZ 2005, S. 303 <304 f.>). Damit ist jedoch nicht geklärt, ob und unter welchen Umständen die Eigenheiten der Zwangsgemeinschaft im Einzelfall besondere Nachteile darstellen können. Offen ist bislang, wie sich die bei höherer Belegzahl auf geringem Raum auftretenden Stress- und Konfliktsituationen und die Anforderungen an eine unabdingbare Privatsphäre auf den Raumbedarf auswirken und welches Gewicht - auch ausgleichend - weitere Faktoren, wie etwa Einschlusszeiten, haben.

25

cc) Indem Landgericht und Oberlandesgericht der beabsichtigten Amtshaftungsklage ungeachtet dieser ungeklärten Rechtsfragen die Erfolgsaussicht von vornherein abgesprochen und in vollem Umfang Prozesskostenhilfe verweigert haben, haben sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf Rechtsschutzgleichheit verletzt. Die für die Beurteilung des Begehrens des Beschwerdeführers maßgeblichen Rechtsfragen durften nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden, sondern bedürfen einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, die es dem Beschwerdeführer auch ermöglicht, diese gegebenenfalls einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen.

26

3. Die angegriffenen Beschlüsse beruhen im tenorierten Umfang auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Soweit das Landgericht ergänzend auf einen Anspruchsausschluss wegen Rechtsmittelsäumnis gemäß § 839 Abs. 3 BGB abstellt, trägt diese Erwägung die angegriffene Entscheidung nicht. Der entscheidenden Frage, ob der Beschwerdeführer nach der tatsächlichen Rechtspraxis im maßgeblichen Zeitpunkt effektiven Rechtsschutz hätte erlangen können und damit das Ergreifen der Rechtsschutzmöglichkeiten möglich, zumutbar und erfolgversprechend gewesen wäre, ist das Landgericht nicht nachgegangen (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 -, NJW-RR 2010, S. 1465 <1465 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 -, NJW-RR 2011, S. 1043 <1046 f.>).

27

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandwerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 23. März 2012 - 21 O 613/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 15. Februar 2013 - 4 W 61/12 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes und werden aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Bayreuth zurückverwiesen.

3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

4. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

5. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern wegen menschenunwürdiger Unterbringung in Strafhaft.

2

1. Mit Schriftsatz an das Landgericht Bayreuth vom 22. August 2011 übersandte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Klageentwurf für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern. Er machte geltend, 125 Tage lang unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Justizvollzugsanstalt Bayreuth in Haft gewesen zu sein.

3

Im Zeitraum vom 30. April 2009 bis zum 1. September 2009 sei er neben sechs weiteren Mitgefangenen im Haftraum Nr. 106 untergebracht gewesen. Der Haftraum habe eine Gesamtgrundfläche von 25 m2 gehabt; neben der Möblierung habe sich darin eine vom übrigen Haftraum optisch abgetrennte, jedoch nicht gesondert entlüftete Toilette befunden.

4

2. Mit angegriffenem Beschluss vom 23. März 2012 verweigerte das Landgericht dem Beschwerdeführer die Prozesskostenhilfe. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg; die Unterbringung des Beschwerdeführers sei nicht menschenunwürdig. Auf Grundlage der Angaben des Freistaats Bayern zu den Raumverhältnissen hätten dem Beschwerdeführer, der in verschiedenen Hafträumen untergebracht gewesen sei, anteilig zwischen 4,69 m2 und 5,75 m2 Haftraumfläche zur Verfügung gestanden. Raumhöhen zwischen 2,95 m und 3,75 m hätten für ein besseres Raumklima gesorgt; die Toiletten seien baulich abgetrennt und gesondert entlüftet gewesen. Durch Arbeitsaufnahme des Beschwerdeführers und Aufschlusszeiten sei die beengte Unterbringung weiter kompensiert worden.

5

3. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht mit angegriffenem Beschluss vom 15. Februar 2013 zurück. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs führte das Oberlandesgericht - soweit hier erheblich - aus, dass sich nicht abstrakt-generell klären lasse, ob der Vollzug der Haft als menschenunwürdig anzusehen sei; vielmehr bedürfe es jeweils einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls. Dabei kämen als Faktoren, die eine aus den räumlichen Haftbedingungen resultierende Verletzung der Menschenwürde indizierten, in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen in Betracht, namentlich Abtrennung und Belüftung der Toilette. Eine Menschenwürdeverletzung sei danach nicht festzustellen.

6

Die räumlichen Verhältnissen seien für sich betrachtet zwar vorübergehend "grenzlastig" gewesen, führten aber noch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 1 GG. Als Grenzwert zur menschenunwürdigen Unterbringung sei eine Bodenfläche von 5 m2 je Gefangenen anzusehen. Dieser Grenzwert sei zwar für einen gewissen Zeitraum geringfügig unterschritten worden. Weitere Umstände, die zur Verschärfung der räumlichen Situation beigetragen hätten, seien aber nicht ersichtlich. Die Grenze zur menschenunwürdigen Unterbringung sei, auch eingedenk der Arbeits- und Aufschlusszeiten des Beschwerdeführers, noch nicht erreicht.

7

4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

8

5. Dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz sowie der Präsidentin des Bundesgerichtshofs wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie halten die Verfassungsbeschwerde jeweils für unbegründet. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

9

Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.

10

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen Fragen zu Inhalt und Reichweite des aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff.>; 92, 122 <124>). Die Verfassungsbeschwerde ist danach hinsichtlich der Rüge einer Verletzung der Rechtsschutzgleichheit im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zulässig und offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit.

11

a) Die Gewährleistung der Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 9, 124 <130 f.>; stRspr). Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>).

12

Danach dürfen bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Dabei muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Ist dies jedoch nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen fehlender Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfGE 81, 347 <359>). Ansonsten würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 u.a. -, NVwZ 2006, S. 1156 <1157>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, S. 1060 <1061>; Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 -, NJW-RR 2011, S. 1043 <1044> und vom 7. November 2011 - 1 BvR 1403/09 -, juris).

13

b) Gemessen an diesen Grundsätzen halten die Prozesskostenhilfe versagenden Beschlüsse des Landgerichts und Oberlandesgerichts einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht haben ihre Einschätzung fehlender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung auf ein Verständnis der Menschenwürdegarantie in der Haftunterbringung gestützt, das in der bisherigen Rechtsprechung der Fachgerichte noch keine hinreichende Klärung gefunden hat. Die damit verbundenen Fragestellungen durften demnach nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden.

14

aa) Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung sind Landgericht und Oberlandesgericht im Ansatz davon ausgegangen, dass die Frage nach der Menschenwürdigkeit der Unterbringung von Strafgefangenen von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände abhängt, wobei als Faktoren in räumlicher Hinsicht in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, zu beachten sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 - 1 BvR 1127/14 -, NJW 2016, S. 389 <390>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 2016 - 2 BvR 566/15 -, juris) und als die Haftsituation mildernde oder verschärfende Merkmale der Umfang der täglichen Einschlusszeiten und die Belegdichte des Haftraums Berücksichtigung finden. Die Frage, wie diese Faktoren zu bewerten sind und insbesondere, ob oder unter welchen Bedingungen - wie es die angegriffenen Entscheidungen für ausreichend halten - auch eine anteilige Grundfläche von unterhalb von 6 m2 pro Strafgefangenen den Anforderungen der Menschenwürdegarantie genügen kann, ist in der Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt.

15

Allerdings lässt sich die Frage, wann die räumlichen Verhältnisse in einer Strafanstalt derart beengt sind, dass die Unterbringung eines Gefangenen dessen Menschenwürde verletzt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht abstrakt-generell klären, sondern muss der tatrichterlichen Beurteilung überlassen bleiben (beispielhaft BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12 -, BGHZ 198, 1). Danach kann es die Klärung eines verfassungsmäßigen Raummindestsolls im Sinne schematisch festgelegter allgemeiner Maßzahlen nicht geben (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 -, NJW-RR 2010, S. 1465). Dies stellt jedoch nicht in Frage, dass es für die Anforderungen an menschenwürdige Haftbedingungen der Herausbildung auch übergreifender Grundsätze und Unterscheidungsmerkmale bedarf, die sowohl den Betroffenen als auch den Behörden Kriterien an die Hand geben, die die Beurteilung der Menschenwürdigkeit der Unterbringung hinreichend vorhersehbar machen.

16

bb) Diese Anforderungen sind zurzeit nicht geklärt und werden von den Gerichten verschieden beurteilt.

17

So setzt die obergerichtliche Rechtsprechung bei mehrfach belegten Hafträumen zum Teil Regelwerte von 6 m2, zum Teil auch von 7 m2 Bodenfläche pro Gefangenen an. Deren Unterschreitung wird zum Teil als Menschenwürdeverletzung beurteilt, wenn zugleich die Toilette nicht abgetrennt beziehungsweise nicht gesondert entlüftet ist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Juli 2003 - 3 Ws 578/03 -, NJW 2003, S. 2843 <2845>; OLG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2005 - 1 U 43/04 -, juris, Rn. 42; OLG Koblenz, Urteil vom 15. März 2006 - 1 U 1286/05 -, juris, Rn. 11 ff.). In anderen Fällen haben Fachgerichte eine Verletzung der Menschenwürde unabhängig hiervon allein wegen der Unterschreitung eines gewissen Bodenflächenmaßes bejaht, da die räumliche Enge eine Bewegung und Entfaltung der Gefangenen nicht erlaube (so OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. Februar 2005 - 3 Ws 1342 - 1343/04 [StVollz] u.a. -, NStZ-RR 2005, S. 155 <156>: Menschenwürdeverletzung bei 3,85 m2 pro Gefangenen in Mehrfachbelegung bei abgetrennter Toilette; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 19. Juni 2008 - 11 U 24/07 -, juris, Rn. 26: 3,75 m2 pro Gefangenen bei hinzukommender Erschwernis der nicht abgetrennten Toilette). Die Oberlandesgerichte Hamm und Düsseldorf setzen einen fixen Schwellenwert von 5 m2 Grundfläche pro Gefangenen an, dessen Unterschreitung ungeachtet anderer Parameter eine Menschenwürdeverletzung bedinge (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. November 2011 - I-18 W 31/11, 18 W 31/11 -, juris; OLG Hamm, Urteil vom 29. September 2010 - 11 U 88/08, I-11 U 88/08 -, juris; Urteil vom 18. März 2009 - 11 U 88/08 -, juris; Beschluss vom 25. März 2009 - 11 W 106/08 -, NStZ-RR 2009, S. 326). Bezüglich der Unterbringung in einem Einzelhaftraum hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin eine längere Unterbringung in einem 5,25 m2 messenden Einzelhaftraum ohne abgetrennte Toilette für menschenwürdewidrig befunden und das Hauptaugenmerk auf die beengte Haftsituation gelegt (vgl. BerlVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 - VerfGH 184/07 -, LKV 2010, S. 26). Angesichts der Rechtsprechung (weitere Nachweise in BVerfGK 12, 417 <420 f.> sowie BGHZ 198, 1 <4 ff.>) kann nicht als geklärt gelten, dass und unter welchen Umständen eine Haftraumfläche wie hier von weniger als 6 m2 den Erfordernissen der Menschenwürdegarantie des gemeinschaftlich untergebrachten Strafgefangenen entspricht.

18

cc) Indem Landgericht und Oberlandesgericht der beabsichtigten Amtshaftungsklage ungeachtet dieser ungeklärten Rechtsfrage die Erfolgsaussicht von vornherein abgesprochen und Prozesskostenhilfe verweigert haben, haben sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf Rechtsschutzgleichheit verletzt. Die für die Beurteilung des Begehrens des Beschwerdeführers maßgeblichen Rechtsfragen durften nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden, sondern bedürfen einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, die es dem Beschwerdeführer auch ermöglicht, diese gegebenenfalls einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen.

19

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandwerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Oktober 2012 - VG 19 K 68.12 V - und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. März 2013 - OVG 3 M 110.12 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg wird aufgehoben und die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ablehnung von Prozesskostenhilfe in einem aufenthaltsrechtlichen Verfahren.

2

1. Der am 21. März 1976 geborene Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und reiste erstmals im Jahre 1999 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag blieb erfolglos. Er lebte seit dem Jahr 2001 in Bremen mit seiner Lebensgefährtin zusammen, die am 4. November 2001 ein Kind gebar. Am 30. März 2004 wurde ein zweites Kind ebenfalls in Bremen geboren. Für beide Kinder hat der Beschwerdeführer zwischenzeitlich die Vaterschaft anerkannt und mit seiner Lebensgefährtin die gemeinsame elterliche Sorgeerklärung abgegeben. Am 21. Februar 2005 wurde er aus dem Bundesgebiet abgeschoben. Zu diesem Zeitpunkt war seine Lebensgefährtin mit dem dritten Kind schwanger. Dieses wurde in Abwesenheit des Beschwerdeführers am 7. Juni 2005 geboren. Seine Lebensgefährtin ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Die Kinder verfügen über davon abgeleitete Aufenthaltserlaubnisse. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich nicht verurteilt worden.

3

2. Seit dem Jahre 2005 stellte er zahlreiche Visumsanträge bei der Deutschen Botschaft in Lagos, wobei auf Ermittlungsschreiben der Deutschen Botschaft vom 14. August 2007 und vom 20. Oktober 2008 das Oberlandesgericht mit Schreiben vom 7. Mai 2009 die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses erteilte. Mehrere Termine zur Eheschließung waren im Jahr 2009 und 2010 vor dem Standesamt in Bremen bestimmt. Die Ausländerbehörde Bremen stimmte der Visumserteilung nicht zu, so dass die Deutsche Botschaft in Lagos den Antrag auf Erteilung eines Einreisevisums zum Zwecke der Eheschließung ablehnte.

4

Am 12. März 2010 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Visumsantrag zur Familienzusammenführung gemäß § 36 Abs. 2 AufenthG. Mit Bescheid vom 14. September 2011 lehnte die Deutsche Botschaft auch diesen Antrag ab, da der Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Die hiergegen gerichtete Remonstration des Beschwerdeführers wurde ebenfalls abgelehnt.

5

3. Am 14. Februar 2012 reichte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht eine beabsichtigte Klage ein und beantragte für diese die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

6

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 12. Oktober 2012 ab. Zwar sei es möglich, für die beabsichtigte Klage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund des rechtzeitig gestellten, aber vor Ablauf der Klagefrist nicht entschiedenen Prozesskostenhilfeantrags zu gewähren. Ein Anspruch des Beschwerdeführers gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der im Übrigen lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung begründe, scheitere jedoch, da keine außergewöhnliche Härte vorliege. Diese setze gegenüber einer besonderen Härte eine weitere Steigerung voraus, die nicht vorliege. Zwar sei es für die tägliche Betreuung und Versorgung der Kinder des Beschwerdeführers günstiger, wenn auch er bei ihnen lebe. Anhaltspunkte dafür, dass dies etwa zur Abwendung eines sonst drohenden Betreuungsnotstandes unerlässlich sei, bestünden aber nicht. Es bestünden auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Visumserteilung in hohem Maße aus Gründen des Kindeswohls geboten sei. Auch wenn die Kindesmutter einer Erwerbstätigkeit nachgehe, folge daraus nicht, dass die sieben, acht und fast elf Jahre alten Kinder, die der Schulpflicht unterlägen, unverzichtbar oder in bedeutsamen Umfang zu ihrer gedeihlichen Entwicklung des Beistandes ihres seit dem Jahre 2005 nicht mehr im Bundesgebiet aufhältigen Vaters zwingend bedürften. Die Führung einer familiären Lebensgemeinschaft erscheine auch in Nigeria möglich. Etwas anderes ergebe sich weder aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch aus Art. 8 EMRK. Auch ein Anspruch auf Visumserteilung zum Zweck der beabsichtigten Eheschließung und der anschließenden Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet komme nicht in Betracht. Zwar könne nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in begründeten Fällen eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen im Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die beabsichtigte Eheschließung sei solch ein Aufenthaltszweck. Es sei jedoch schon unklar, ob die entsprechenden besonderen Erteilungsvoraussetzungen vorlägen. Letztlich bedürfe dies jedoch keiner Entscheidung. Denn der Beschwerdeführer erfülle bereits die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraussetze, dass der Lebensunterhalt gesichert sei. Eine Ausnahme vom Regelerfordernis sei vorliegend nicht angezeigt. Atypische Umstände seien nicht gegeben.

7

4. Mit Beschluss vom 6. März 2013 wies das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts zurück und lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ab. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht das Bestehen einer außergewöhnlichen Härte verneint. Art. 6 GG gebiete auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen die Visumserteilung nicht bereits dann, wenn das Kindeswohl tangiert sei. Dies gelte vorliegend vor allem deshalb, weil dem Antragsteller und seinen Kindern die erstrebte Führung der familiären Lebensgemeinschaft in Nigeria, dessen Staatsangehörigkeit sie ebenso wie die Mutter der Kinder und Verlobte des Beschwerdeführers besäßen, möglich und zumutbar erscheine. Dem stehe nicht entgegen, dass die sämtlich in Deutschland geborenen Kinder, insbesondere die älteste, im Jahre 2001 geborene Tochter faktische Inländer seien. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern führe dazu, dass Kinder in der familiären Gemeinschaft grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Erziehungsberechtigten teilten. In aller Regel erscheine es einem in Deutschland geborenen ausländischen Kind zumutbar, nach mehrjährigem Aufenthalt das Land zusammen mit seinen Eltern wieder zu verlassen und sich in dem Herkunftsland seiner Eltern zu integrieren. Es sei auch kein Visum zum Zwecke der Eheschließung zu erteilen. Die Verdienstbescheinigung der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers weise für Januar 2013 einen Nettoverdienst von 1.319,82 € aus, der unbeschadet weiterer abzusetzender Beträge deutlich unter dem Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 SGB II für den Beschwerdeführer, seine Verlobte und die drei Kinder liege (1.553 €).

8

5. Der Beschwerdeführer hat am 5. April 2013 Verfassungsbeschwerde gegen die gerichtlichen Entscheidungen erhoben. Er rügt eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG sowie eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Das Gebot der Rechtsschutzgleichheit sei verletzt, da die Gerichte an das Tatbestandsmerkmal der "hinreichenden Erfolgsaussicht" ersichtlich überspannte Anforderungen gestellt hätten. Die Gerichtsentscheidungen meinten, die im Bundesgebiet lebende Familie könne Deutschland verlassen. Die Kindesmutter sei jedoch seit ca. 17 Jahren im Bundesgebiet wohnhaft und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Die Kinder hätten verfestigte Aufenthaltserlaubnisse und seien strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

9

Unabhängig hiervon verletzten die Entscheidungen Art. 6 GG. Die bei der Auslegung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der außergewöhnlichen Härte zu berücksichtigende wertentscheidende Grundnorm des Art. 6 Abs. 1 GG, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern habe, verpflichte in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht zur Berücksichtigung der familiären Bindung. Das Oberverwaltungsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass es einem zwölfjährigen im Bundesgebiet geborenen und sehr gut integrierten Mädchen nicht mehr möglich sei, in das Heimatland der Eltern zurückzukehren. Es handele sich bei der Tochter um eine faktische Inländerin. Auch § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Selbst wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert sei, hätte von diesem Regelerteilungsmerkmal abgesehen werden müssen. Hier liege ein atypischer Ausnahmefall aufgrund der Niederlassungserlaubnis der Kindesmutter sowie der deutschen Prägung der Kinder vor. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass die 2005 erfolgte Abschiebung des Beschwerdeführers wegen seiner Kinder mit berechtigtem Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet nicht hätte durchgeführt werden dürfen.

10

6. Die Akten des Ausgangsverfahrens und die Ausländerakte des Beschwerdeführers lagen dem Bundesverfassungsgericht vor. Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 f.>). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts und der Beschluss des Verwaltungsgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

12

Das Recht auf effektiven und gleichen Rechtsschutz, das für die öffentlich-rechtliche Gerichtsbarkeit aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitet wird, gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 78, 104 <117 f.>; 81, 347 <357> m.w.N.). Es ist dabei verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Jedoch überschreiten die Fachgerichte ihren Entscheidungsspielraum, wenn sie die Anforderungen an das Vorliegen einer Erfolgsaussicht überspannen und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357 f.>). Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung in einem Verfahren, in dem sie anwaltlich vertreten sind, zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Februar 2014 - 2 BvR 57/13 -, juris, Rn. 10).

13

Nach diesen Maßstäben beruht die Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage auf Erteilung des Visums auf der Verkennung der verfassungsrechtlichen Anforderungen. Das Oberverwaltungsgericht hat schwierige Rechts- und Tatsachenfragen bereits im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden, indem es das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte in der vorliegenden Fallkonstellation allein mit der Erwägung verneint hat, dass es der Familie des Beschwerdeführers zumutbar sei, die Lebensgemeinschaft mit dem Beschwerdeführer im Herkunftsland zu führen. Es sei einem ausländischen Kind zumutbar, nach mehrjährigem Aufenthalt das Land zusammen mit seinen Eltern wieder zu verlassen und sich in seinem Herkunftsland zu integrieren. Für besondere Umstände, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigten, sei nichts ersichtlich. Mit dieser Begründung entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Prozesskostenhilfeverfahren über eine schwierige Rechts- und Tatsachenfrage zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden. Zwar ist der Begriff der außergewöhnlichen Härte dem Grunde nach in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit langem geklärt (vgl. schon zur Vorgängervorschrift BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 1997 - 1 B 236/96 -, juris, Rn. 8). Danach setzt eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 AufenthG voraus, dass der schutzbedürftige Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe dringend angewiesen ist, und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden kann. Bei der Anwendung dieser Definition der außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 AufenthG ist jedoch der Einfluss von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK auf das deutsche Ausländerrecht zu beachten (vgl. hierzu Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 36 AufenthG Rn. 47). Ob demnach von einer außergewöhnlichen Härte auszugehen ist, kann nur unter Berücksichtigung aller im Einzelfall relevanten, auf die Notwendigkeit der Herstellung oder Erhaltung der Familiengemeinschaft bezogenen konkreten Umstände beantwortet werden (BVerwGE 147, 278 <282>).

14

Die danach aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben erforderliche Betrachtung des Einzelfalls kann in klar gelagerten Fällen ohne weiteres bei der Entscheidung über einen isolierten Antrag auf Prozesskostenhilfe erfolgen. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn bei objektiver Betrachtung ernstzunehmende Anhaltspunkte vorliegen, dass Art. 6 Abs. 1 GG die Erteilung eines Aufenthaltstitels gebieten könnte. Dann muss solchen Anhaltspunkten in einem Hauptsacheverfahren weiter nachgegangen werden. Ob solche Anhaltspunkte vorliegen, hat das erkennende Gericht unter gebührender Würdigung der betroffenen Grundrechte zu beurteilen. Der unbemittelte Verfahrensbeteiligte muss die Möglichkeit haben, sich in diesem Verfahren eines sachkundigen Beistands zu bedienen, der sowohl den Sachvortrag als auch die rechtliche Würdigung des Falles in ihren Wechselwirkungen aufarbeiten und dem Gericht das für einen Prozesserfolg Erforderliche darlegen kann.

15

Im vorliegenden Fall waren relevante Anhaltspunkte insbesondere darin zu sehen, dass der Beschwerdeführer Vater dreier im Bundesgebiet geborener und hier rechtmäßig lebender Kinder ist, mit denen er nach seiner Wiedereinreise in häuslicher Gemeinschaft leben wollte. Weiter wollte er die Mutter der Kinder, die über eine Niederlassungserlaubnis verfügt und hier zwischenzeitlich in Vollzeit berufstätig ist, heiraten. Für zwei der Kinder hatten die Eltern eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben. Das älteste der Kinder besuchte im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wohl die fünfte Klasse. Auf all diese Aspekte, insbesondere die tatsächliche Integration der Familie des Beschwerdeführers und die Frage, ob der ältesten Tochter ein erstmaliger und dauerhafter Aufenthalt in Nigeria noch zumutbar gewesen wäre (vgl. EGMR, Urteil vom 24. November 2009 - 182/08 -, InfAuslR 2010, S. 178 <179> und aus der deutschen Rechtsprechung zu den oftmals schwierigen Abgrenzungsfragen BVerwGE 147, 278 <284> und OVG Saarland, Beschluss vom 26. März 2015 - 2 B 19/15 -, juris, Rn. 6) beziehungsweise inwieweit - wovon das Verwaltungsgericht ausging - ein Verbleib in Deutschland ohne Vater rechtlich möglich war, wäre in einem Hauptsacheverfahren näher einzugehen gewesen.

16

Die Beschlüsse verletzen mithin Art. 19 Abs. 4 GG und sind deshalb aufzuheben. Daher bedarf es keiner Entscheidung, ob auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG vorliegt.

III.

17

Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG die notwendigen Auslagen zu erstatten. Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. dazu auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Sie kann nur in den durch dieses Gesetz ausdrücklich zugelassenen Fällen mit einer Nebenbestimmung versehen werden. § 47 bleibt unberührt.

(2) Einem Ausländer ist die Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er seit fünf Jahren die Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
sein Lebensunterhalt gesichert ist,
3.
er mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist; berufliche Ausfallzeiten auf Grund von Kinderbetreuung oder häuslicher Pflege werden entsprechend angerechnet,
4.
Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unter Berücksichtigung der Schwere oder der Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der vom Ausländer ausgehenden Gefahr unter Berücksichtigung der Dauer des bisherigen Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Bundesgebiet nicht entgegenstehen,
5.
ihm die Beschäftigung erlaubt ist, sofern er Arbeitnehmer ist,
6.
er im Besitz der sonstigen für eine dauernde Ausübung seiner Erwerbstätigkeit erforderlichen Erlaubnisse ist,
7.
er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
8.
er über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt und
9.
er über ausreichenden Wohnraum für sich und seine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen verfügt.
Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 sind nachgewiesen, wenn ein Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen wurde. Von diesen Voraussetzungen wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann. Im Übrigen kann zur Vermeidung einer Härte von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 abgesehen werden. Ferner wird davon abgesehen, wenn der Ausländer sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann und er nach § 44 Abs. 3 Nr. 2 keinen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs hatte oder er nach § 44a Abs. 2 Nr. 3 nicht zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet war. Darüber hinaus wird von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 abgesehen, wenn der Ausländer diese aus den in Satz 3 genannten Gründen nicht erfüllen kann.

(3) Bei Ehegatten, die in ehelicher Lebensgemeinschaft leben, genügt es, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 durch einen Ehegatten erfüllt werden. Von der Voraussetzung nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 wird abgesehen, wenn sich der Ausländer in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt. Satz 1 gilt in den Fällen des § 26 Abs. 4 entsprechend.

(4) Auf die für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erforderlichen Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis werden folgende Zeiten angerechnet:

1.
die Zeit des früheren Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis, wenn der Ausländer zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war, abzüglich der Zeit der dazwischen liegenden Aufenthalte außerhalb des Bundesgebiets, die zum Erlöschen der Niederlassungserlaubnis führten; angerechnet werden höchstens vier Jahre,
2.
höchstens sechs Monate für jeden Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets, der nicht zum Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis führte,
3.
die Zeit eines rechtmäßigen Aufenthalts zum Zweck des Studiums oder der Berufsausbildung im Bundesgebiet zur Hälfte.

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. März 2015 wird der Klägerin für das Klageverfahren auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ..., beigeordnet.

Gründe

I.

Die Klägerin ist afghanische Staatsangehörige. Sie hält sich seit dem 17. Juni 1996 im Bundesgebiet auf. Sie durchlief zunächst das Asylverfahren. Nachdem das Verwaltungsgericht Augsburg das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge verpflichtet hatte, festzustellen, dass bei der Klägerin Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorliegen, erteilte ihr die zuständige Ausländerbehörde fortlaufend Duldungen. Seit dem Jahr 2001 war die Klägerin erwerbstätig. Die Familie bezog dennoch ergänzende Leistungen nach dem SGB II, weil ihr Einkommen nicht zur Deckung des Lebensunterhalts ausreichte. Ab dem 14. Oktober 2005 war die Klägerin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, die fortlaufend verlängert wurde. Letztmals im Dezember 2013 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Zu diesem Zeitpunkt war sie nicht mehr erwerbstätig, sondern bezog zur Bestreitung des Lebensunterhalts Leistungen nach dem SGB II. Im Verwaltungsverfahren hatte sie ein ärztliches Attest vom 29. November 2013 vorgelegt, in dem bestätigt wurde, dass sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer depressiven Erkrankung leide, die mit chronischen, starken, nicht durch Medikamente beeinflussbaren Kopfschmerzen einhergehe. Sie leide unter starker Erschöpfung und Konzentrationsstörungen. Die Klägerin habe sich wegen der traumatischen Erlebnisse in Afghanistan von Anfang an in einer Ausnahmesituation befunden, es sei ihr daher aufgrund der Konzentrationsstörungen auch nicht möglich gewesen, sich ausreichende Sprachkenntnisse sowie Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung anzueignen.

Ferner befindet sich in den Behördenakten ein Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 19. Februar 2013, in dem festgestellt wird, dass sich keine Änderung der ursprünglichen Entscheidung ergebe, die Klägerin sei ab 1996 bereits voll erwerbsgemindert. Zudem liegt ein Bescheid des Versorgungsamtes vom 13. Mai 2013 vor, wonach der Grad der Schwerbehinderung der Klägerin 40% beträgt. Die Beklagte entschied über den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht.

Am 20. Januar 2015 erhob die Klägerin Klage auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Die Klägerin erfülle zwar die Erteilungsvoraussetzungen des § 26 Abs. 4, § 9 Abs. 2 Nr. 2, 7 und 8 AufenthG nicht. Es lägen jedoch Ausnahmegründe vor. Die Klägerin sei zu 60% schwerbehindert (Bescheid des Versorgungsamtes vom 22. Januar 2015) und zudem arbeitsunfähig. Als Gesundheitsstörungen wurden eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung, depressive Verstimmungen, Somatisierung und chronisches Schmerzsyndrom sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Ekzeme an den beiden Handinnenflächen benannt. Auch lägen die Härtegründe des § 9 Abs. 2 Satz 4 und 5 AufenthG vor. Zugleich beantragte die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren.

Die Beklagte verwies darauf, dass die Klägerin erwerbsfähig sei, weil der Bezug von Sozialleistungen nach dem SGB II voraussetze, dass sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe.

Mit Beschluss vom 12. März 2015 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. Satz 3 AufenthG greife nicht. Aus dem Bescheid des Versorgungsamtes ergebe sich nicht, dass die Klägerin dauerhaft arbeitsunfähig sei und somit ihren Lebensunterhalt nicht durch eigene Erwerbstätigkeit sichern könne. Bezüglich der Sprachkenntnisse und der Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sei offen, ob zur Vermeidung einer Härte nach § 9 Abs. 2 Satz 4 und 5 AufenthG von diesen Voraussetzungen abgesehen werden könne. Dies könne aber letztlich offen bleiben, weil der Lebensunterhalt derzeit nicht gesichert sei und von dieser Voraussetzung derzeit wohl nicht abgesehen werden könne.

Gegen diesen Beschluss legte die Klägerin Beschwerde ein. Zur Begründung führte sie mit Schreiben vom 5. Juni 2015 aus, dass die Erfolgsaussichten der Klage zumindest offen seien. Die Klägerin sei erwerbsunfähig und arbeitsunfähig. Bezüglich der Feststellung der Erwerbsunfähigkeit sei eine Klage beim Sozialgericht anhängig. Der Beklagten lägen die Unterlagen, aus denen sich die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ergebe vor. Es werde auf das Attest vom 29. November 2013 sowie den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 19. Februar 2013 verwiesen.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Klägerin ist nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen und nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO der sie vertretende Rechtsanwalt beizuordnen.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegen vor. Nach dieser Regelung erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Danach ist der Klägerin, die nach den aktuell vorgelegten Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn die Erfolgsaussichten der Klage auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis stellen sich in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. BayVGH, B. v. 1.6.2015 - 10 C 13.1339 - juris Rn. 2 m. w. N.) zumindest als offen dar.

Dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG steht zwar zunächst entgegen, dass sie die Erteilungsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. Nr. 2, Nr. 7 und Nr. 8 AufenthG nicht erfüllt. Nach dem derzeitigen Sachstand kann aber nicht abschließend beurteilt werden, ob die Klägerin bezüglich des Erfordernisses der Sicherung des Lebensunterhalts die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Satz 6 AufenthG und bezüglich der Sprachkenntnisse und der Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 oder die Härtefallregelung des § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG für sich in Anspruch nehmen kann.

Nach § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. Satz 3 AufenthG wird von der Voraussetzung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG abgesehen, wenn der Ausländer diese wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit nicht erfüllen kann. Der Gesetzgeber verfolgte mit dieser Regelung das Ziel, auch Ausländern mit einer Behinderung eine Aufenthaltsverfestigung zu ermöglichen und sie nicht zu benachteiligen, wenn sie wegen der Behinderung nicht arbeiten können (BT-Drs. 15/420 S. 72). Auch eine nur teilweise bestehende Erwerbsunfähigkeit muss insoweit Berücksichtigung finden, da es auch dem nur eingeschränkt Erwerbsfähigen krankheits- oder behinderungsbedingt unmöglich sein kann, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Die Nichtberücksichtigung einer nur eingeschränkten Erwerbsfähigkeit widerspräche dem Willen des Gesetzgebers (OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 13.12.2011 - 12 B 24.11 - juris Rn. 22 m. w. N.). Die Klägerin ist ausweislich des Schreibens der Deutschen Rentenversicherung vom 19. Februar 2013 voll erwerbsgemindert. Eine Rente wegen der seit 1996 bestehenden Erwerbsminderung hat die Klägerin nicht erhalten, weil sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Mindestversicherungszeit) nicht erfüllte. Zudem ist sie schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 60%. Die Beklagte meint demgegenüber, dass die Klägerin Leistungen nach dem SGB II beziehe und folglich arbeitsfähig sein müsse. Das Verwaltungsgericht vertritt im angegriffenen Beschluss die Auffassung, dass sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht ergebe, dass die Klägerin dauerhaft erwerbsunfähig sei. Nach Auffassung des Senats lassen die vorgelegten Unterlagen keine abschließende Aussage darüber zu, ob die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung dauerhaft nicht in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Hier besteht daher weiterer Aufklärungsbedarf. Zutreffend ist, dass die Klägerin trotz ihrer Erwerbsminderung, die ihr im Wesentlichen aufgrund der posttraumatischen Belastungsstörung attestiert wurde, gearbeitet und den wesentlichen Teil des Familieneinkommens erzielt hat. Allerdings ergib sich aus den vorgelegten Attesten und Bescheiden, dass sich die Erkrankung der Klägerin ab dem Jahr 2011 verschlimmert hat. Dies zeigt sich insbesondere auch in der Erhöhung des Grades der Schwerbehinderung von 40% auf 60% in den Bescheiden des Versorgungsamtes vom 13. Mai 2013 und 22. Januar 2015. Der Grad der Behinderung hat sich bei der Klägerin deshalb erhöht, weil die posttraumatische Belastungsstörung im Bescheid vom 22. Januar 2015 im Einzelgrad der Behinderung von 30% auf 60% angehoben wurde. Trotz fortdauernder psychologischer Behandlung ist eine Verschlechterung des Krankheitsbildes eingetreten. Bei dieser Sachlage spricht einiges dafür, dass (Mit-)Ursache für den Arbeitsplatzverlust und den nachfolgenden Sozialleistungsbezug die Erkrankung der Klägerin ist. Auch ein nur noch eingeschränkt erwerbsfähiger Ausländer kann sich auf den Ausnahmetatbestand des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. Satz 3 AufenthG berufen, wenn er wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt zu sichern (Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 9 Rn. 68). Letztlich bedarf es für die Beurteilung, ob die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. Satz 3 AufenthG Anwendung findet, einer fachärztlichen Aussage darüber, ob und in welchem Umfang die Klägerin derzeit noch arbeitsfähig ist und einer Vergleichsberechnung des theoretisch durch Erwerbstätigkeit zu erzielenden Einkommens und der der Klägerin nach dem SGB II zustehenden Leistungen (vgl. BayVGH, B. v. 16.4.2008 - 19 B 07.336 - juris Rn. 40). Ebenso ist offen, ob von den Erteilungsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Nr. 8 AufenthG wegen der Erkrankung der Klägerin abzusehen ist (§ 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG) oder zumindest zur Vermeidung einer Härte (§ 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG) abgesehen werden kann. Einen Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs dürfte die Klägerin wohl nicht gehabt haben, weil sie nur in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG war (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) AufenthG). Laut den bei den Verwaltungsakten befindlichen ärztlichen Attesten war die Klägerin aufgrund der sich aus der posttraumatischen Belastungsstörung ergebenden Konzentrationsstörungen nicht in der Lage, sich ausreichende Sprachkenntnisse und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung anzueignen (Atteste vom 12. April 2011 und 29. November 2013). Für die Annahme eines kausalen Ursachenzusammenhang zwischen der Krankheit der Klägerin und den fehlenden Sprachkenntnissen bzw. Kenntnissen der Rechts- und Gesellschaftsordnung bedarf es allerdings noch weiterer Aufklärung, da sich dieser Zusammenhang aus den Attesten nicht ohne weiteres erschließt. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG nicht vorliegen sollten, kann nach § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG zur Vermeidung einer Härte von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 AufenthG abgesehen werden. An das Vorliegen der Härte i. S. d. § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Ein Härtefall kann daher schon gegeben sein, wenn der Ausländer wegen seiner körperlichen Verfassung oder seines Gesundheitszustands erhebliche Schwierigkeiten hatte oder auch künftig hätte, um ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und der Rechts- und Gesellschaftsordnung zu erwerben (Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, § 9 Rn. 19). Aber auch insoweit bedarf es noch weiterer Aufklärung im Klageverfahren.

Die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin folgt aus § 121 Abs. 2 ZPO.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Weder fallen Gerichtskosten an, noch können Kosten erstattet werden (§ 118 Abs. 1 Satz 4, § 127 Abs. 4 ZPO).

Da Gerichtskosten nicht erhoben werden, ist eine Streitwertfestsetzung entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Der Ausländer ist verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen. Die Ausländerbehörde kann ihm dafür eine angemessene Frist setzen. Sie setzt ihm eine solche Frist, wenn sie die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen fehlender oder unvollständiger Angaben aussetzt, und benennt dabei die nachzuholenden Angaben. Nach Ablauf der Frist geltend gemachte Umstände und beigebrachte Nachweise können unberücksichtigt bleiben. Der Ausländer, der eine ICT-Karte nach § 19b beantragt hat, ist verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde jede Änderung mitzuteilen, die während des Antragsverfahrens eintritt und die Auswirkungen auf die Voraussetzungen der Erteilung der ICT-Karte hat.

(2) Absatz 1 findet im Widerspruchsverfahren entsprechende Anwendung.

(3) Der Ausländer soll auf seine Pflichten nach Absatz 1 sowie seine wesentlichen Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz, insbesondere die Verpflichtungen aus den §§ 44a, 48, 49 und 81 hingewiesen werden. Im Falle der Fristsetzung ist er auf die Folgen der Fristversäumung hinzuweisen.

(4) Soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist, kann angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint sowie eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit durchgeführt wird. Kommt der Ausländer einer Anordnung nach Satz 1 nicht nach, kann sie zwangsweise durchgesetzt werden. § 40 Abs. 1 und 2, die §§ 41, 42 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Bundespolizeigesetzes finden entsprechende Anwendung.

(5) Der Ausländer, für den nach diesem Gesetz, dem Asylgesetz oder den zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Bestimmungen ein Dokument ausgestellt werden soll, hat auf Verlangen

1.
ein aktuelles Lichtbild nach Maßgabe einer nach § 99 Abs. 1 Nr. 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung vorzulegen oder bei der Aufnahme eines solchen Lichtbildes mitzuwirken und
2.
bei der Abnahme seiner Fingerabdrücke nach Maßgabe einer nach § 99 Absatz 1 Nummer 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung mitzuwirken.
Das Lichtbild und die Fingerabdrücke dürfen in Dokumente nach Satz 1 eingebracht und von den zuständigen Behörden zur Sicherung und einer späteren Feststellung der Identität verarbeitet werden.

(6) Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 sind, sind verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis mitzuteilen, dass die Ausbildung oder die Erwerbstätigkeit, für die der Aufenthaltstitel erteilt wurde, vorzeitig beendet wurde. Der Ausländer ist bei Erteilung des Aufenthaltstitels über seine Verpflichtung nach Satz 1 zu unterrichten.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.