Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Februar 2015 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 29. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2010 in Form des Änderungsbescheides vom 18. März 2010 abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

IV.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Streitig ist die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) aufgrund ihrer Tätigkeit als Koordinatorin für den Aufbau von Mobilfunkstationen im Auftrag der Klägerin bei X.

Die Klägerin betreibt eine Unternehmensberatung im technischen Bereich. Im Mobilfunkbereich berät sie in Deutschland große Unternehmen wie z. B. X. Technisches Knowhow vermittelt die Klägerin je nach Vertragsgestaltung und Anforderungen an Spezialwissen entweder durch Arbeitnehmerüberlassung - wofür die Klägerin die notwendige Erlaubnis besitzt - oder indem sie selbst die Beratungsleistung - auch über von ihr beauftragte Dritte - anbietet.

Hier bot die Klägerin ihrem Kunden X. an, selbst als Unternehmensberatung die Beratungsleistung zu erbringen. Die Klägerin schloss dementsprechend am 02.11.2007 einen Dienstleistungsrahmenvertrag mit dem Mobilfunkanbieter X. Y., gültig ab 22.10.2007 auf unbestimmte Dauer.

Mit diesem Dienstleistungsrahmenvertrag verpflichtete die Klägerin sich gegenüber X. Y., im Rahmen einzelner Projekte, die ein letztverantwortlicher Projektbetreuer der Klägerin leiten sollte (Ziff. 1.5 des Vertrages: „Projektverantwortlicher als Ansprechpartner“), das für den Aufbau der Mobilfunkstationen gefragte spezielle Fachwissen einzubringen. Die Vergütung sollte laut Rahmenvertrag über Tagespauschalen erfolgen, zahlbar 30 Tage nach Rechnungsstellung durch die Klägerin. Die Klägerin konnte sich nach dem Rahmenvertrag bei Erbringung ihrer Leistung bei den Einzelprojekten jeweils eigener Mitarbeiter bedienen, aber auch Dritte einsetzen.

Zur Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Vertrag mit X. schloss die Klägerin am 07.08.2008 mit der Unternehmensberatung C. (Beigeladene zu 1) einen Dienstleistungsrahmenvertrag. Die Klägerin wollte die Beigeladene zu 1) entsprechend der ausdrücklichen Bestimmung im Rahmenvertrag zwischen ihr und X. als „Dritte“ zur Erbringung ihrer Leistung einsetzen, indem die Unternehmensberatung der Beigeladenen zu 1) als Subunternehmerin für die Klägerin im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit agieren sollte.

Die Beigeladene zu 1) war seit 1988 als ausgebildete Ingenieurin in allen Bereichen des Mobilfunks tätig, davon viele Jahre als selbstständige Spezialistin für verschiedene Unternehmen, zum Teil auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen. Nach einer auf eine abhängige Beschäftigung folgende Phase der Arbeitslosigkeit wurde die Beigeladene zu 1) im Hinblick auf eine erneute selbstständige Tätigkeit von der Arbeitsagentur von Juli 2008 bis Oktober 2009 durch einen Gründungszuschuss für die von ihr gegründete Unternehmensberatungsfirma für den Telekommunikationsbereich gefördert.

Während der Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit schloss die Beigeladene zu 1) einen Dienstleistungsrahmenvertrag mit der Klägerin. Dieser Dienstleistungsrahmenvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) vom 07.08.2008 entspricht bis auf wenige, im Hinblick auf den unterschiedlichen Vertragspartner notwendige Anpassungen (z. B. anderer Rechnungsadressat ) in seinen für die Vertragsdurchführung wesentlichen Bestimmungen wortwörtlich den Bestimmungen des zwischen der Klägerin und X. geschlossenen Dienstleistungsrahmenvertrages:

- Der Vertragsgegenstand (Ziff. 1 des Vertrages) ist im Wesentlichen identisch, nämlich die Koordination in Projekten von X. Vorgesehen ist auch, dass die Beigeladene zu 1) selbst die Leistung erbringen kann, sich aber auch Dritter bedienen kann. Die erbrachten Leistungen waren zu dokumentieren, wovon auch die Vergütung abhängig gemacht wurde (Ziff. 1.6)

- Die Vergütung (Ziff. 2 des Vertrags) wird identisch dergestalt geregelt, dass über Tagespauschalen abgerechnet wird.

- Die Anforderungen an die Rechnungslegung (Ziff. 3 des Vertrages) sind im Wesentlichen identisch, wobei allerdings X. gegenüber der Klägerin verpflichtet war, innerhalb von 30 Tagen nach Rechnungsstellung zu zahlen und die Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu 1) ihrerseits erst 40 Tage nach Rechnungsstellung zur Zahlung verpflichtet war.

- Die Regelung zur Haftung (Ziff. 4 des Vertrages) ist im Wesentlichen wortgleich. Allerdings haftet die Klägerin nach dieser Vertragsbestimmung ihrem Auftraggeber X. und die Beigeladenen zu 1) wiederum auch lediglich ihrer Auftraggeberin, also der Klägerin.

- Die Nutzungsrechte (Ziff. 5 des Vertrages) sind identisch geregelt.

- Die Schutzrechte Dritter (Ziff. 6 des Vertrages) sind identisch geregelt.

- Geheimhaltung und Datenschutz (Ziff. 7 des Vertrages) sind identisch geregelt.

- Das Wettbewerbsverbot (Ziff. 8 des Vertrages) ist identisch geregelt, insbesondere ist eine Vertragsstrafe von 5.000,00 EUR für eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot vorgesehen.

- Die Rechte an Betriebsmitteln/Betriebsunterlagen (Ziff. 9 des Vertrages) sind identisch geregelt.

Aufgrund des zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) abgeschlossenen Rahmenvertrages übernahm die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 01.08.2008 bis 31.12.2011 als Auftragnehmerin der Klägerin Projekte beim Auftraggeber der Klägerin (X.). Daneben war die Beigeladene zu 1) mit ihrer Unternehmensberatung im Jahr 2009 zunächst auch für ca. 10 andere Auftraggeber tätig.

Die Einzelaufträge für die Projekte wurden ohne weitere vertragliche Regelungen von X. an die Klägerin vergeben. Die Klägerin gab die Einzelaufträge ebenso ohne weitere vertragliche Regelungen an die Beigeladene zu 1) weiter. Grundlage für die vertragliche Abwicklung waren ausschließlich die bestehenden Dienstleistungsrahmenverträge.

Im ersten Projekt ging es um den Austausch von Systemtechnik an einer bestimmten Anzahl von Mobilfunk-Antennenstandorten des Auftraggebers der Klägerin (X.). Dieses Projekt koordinierte die Beigeladene zu 1) ohne weitere Absprache mit der Klägerin, indem sie u. a. auch Meetings mit den beteiligten Aufbaufirmen und Fachabteilungen abhielt. Die Beigeladene zu 1) verfolgte und dokumentierte den Fortschritt des Projekts. Jeder Standort hatte zu jedem Zeitpunkt einen bestimmten Statuswert, der den Umsetzungsstatus des Projekts dargestellte. Ziel des jeweiligen Einzelprojekts war es, alle Standortumbauten vom Status 10 (= Beginn) bis zum Status 100 (= kommerzielle Nutzung) zu führen.

Die späteren Projekte (ebenfalls Antennenaustausch) waren vom Prinzip her gleich gelagert. Für die Durchführung der Einzelprojekte musste die Beigeladene zu 1) einen Rechner im Unternehmen des Auftraggebers der Klägerin (X.) nutzen, weil sie nur so Zugang zu allen notwendigen Daten hatte.

Nach Tätigkeitsaufnahme durch die Beigeladene zu 1) für die Klägerin bei deren Auftraggeber X. zum 01.08.2008 wurde bei der Beklagten am 02.03.2009 ein Statusfeststellungsantrag gestellt, der dort am 04.03.2009 einging.

Mit Bescheiden vom 29.09.2009 (gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.01.2010 (gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) stellte die Beklagte fest, dass es sich bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für die Klägerin bei deren Auftraggeber X. um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und keine selbstständige Tätigkeit handle.

Mit Änderungsbescheiden vom 18.03.2010 (gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) setzte die Beklagte die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des BSG um und konkretisierte ihre Bescheide, indem sie Versicherungspflicht in den einzelnen Sozialversicherungszweigen feststelle, nämlich in der Rentenversicherung, der Kranken- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Beigeladene zu 1) sei in diesen Zweigen der Sozialversicherung bei ihrer Tätigkeit als Koordinatorin für den Aufbau von Mobilfunkstationen versicherungspflichtig gewesen, da es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien:

- Die erbrachte Arbeitsleistung werde mittels Leistungsaufstellung durch die Klägerin bzw. deren Kunden X. kontrolliert.

- Die Tätigkeit werde im Namen der Klägerin bei deren Kunden X. in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation ausgeführt.

- Mit Abschluss des Rahmenvertrags habe sich die Beigeladene zu 1) einem von X. der Klägerin vorgegebenen Vertragsrahmen unterworfen, den die Beigeladene zu 1) nicht habe mitgestalten können. Sie habe letztlich keine Möglichkeit gehabt, ihrerseits den Vertrag mit der Klägerin anders als von X. vorgegeben zu gestalten. Sie habe nicht als gleichberechtigter Vertragspartner ihrer Auftraggeberin, der Klägerin, gegenübergestanden.

- X. habe gegenüber der Beigeladenen zu 1) keinen Anspruch auf Haftung oder Schadensersatz gehabt.

- Die Beigeladene zu 1) habe ihre Arbeitskraft nicht mit ungewisser Aussicht auf Erfolg eingesetzt, da bereits mit bloßer Ableistung der Arbeit ein Anspruch auf die vereinbarte Stundenvergütung bestanden habe.

- Die Beigeladene zu 1) habe den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Tätigkeit nicht selbst bestimmen können. Eine frühere Fertigstellung des Projekts hätte für die Beigeladene zu 1) keinen direkten wirtschaftlichen Erfolg bewirkt.

- Die Beigeladene zu 1) habe über den Fortgang des Projekts Bericht erstatten müssen.

- Die zu erbringende Leistung sei vertraglich zwischen der Klägerin und X. detailliert geregelt gewesen, so dass für die Beigeladene zu 1) kein relevanter Handlungsspielraum mehr bestanden habe. Zwischen der Klägerin und X. sei zudem festgelegt gewesen, dass die Klägerin gegenüber X. für jedes Projekt einen eigenen Projektverantwortlichen habe benennen müssen, welcher für alle Fragen des Projekts allein verantwortlicher Ansprechpartner gewesen sei.

- Die Beigeladene zu 1) sei im Namen und Auftrag der Klägerin gegenüber deren Kundin X. aufgetreten und habe die Klägerin bei X. bei der Erfüllung der Aufgaben repräsentiert.

- Hinsichtlich der zu erbringenden Leistungen habe die Beigeladene zu 1) Einschränkungen durch Vorgaben von X., aber auch des Projektverantwortlichen der Klägerin unterlegen. Die Aufgabenstellung der Beigeladenen zu 1) sei klar umrissen gewesen und habe sich in das Gesamtprojekt entsprechend eingegliedert.

- Die Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitszeit der Beigeladenen zu 1) sei aufgrund terminlicher Vorgaben von der Klägerin sowie von X. begrenzt gewesen.

- Die Beigeladene zu 1) habe teilweise am Projektort von X. gearbeitet, wo ihr ein Bildschirmarbeitsplatz mit den notwendigen Daten zur Verfügung gestanden habe.

- Die Beigeladene zu 1) sei persönlich tätig gewesen und habe eigene Hilfskräfte nicht eingesetzt.

Demgegenüber spreche für eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) nur, dass die tägliche Arbeitszeit nicht konkret vorgegeben gewesen sei und keine Anwesenheitspflicht am Projektstandort bestanden habe. Eine Gesamtabwägung dieser Umstände ergebe, dass es sich um eine abhängige Beschäftigung gehandelt habe.

Der hiergegen am 04.04.2010 erhobenen Klage gab das Sozialgericht München mit Urteil vom 12.02.2015 statt, indem das Sozialgericht die Bescheide der Beklagten aufhob und Versicherungsfreiheit bezüglich der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für Klägerin bei deren Kundin X. feststellte.

Die Beigeladene zu 1) habe die Projekte als Selbstständige durchgeführt. Sie habe keine Weisungen der Klägerin erhalten bei Durchführung der Projekte. Die Klägerin habe der Beigeladenen zu 1) keinerlei Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt. Vielmehr sei sie mit eigenem PKW angereist und habe ihren Laptop verwendet, mit dem sie sich gelegentlich in die Datenbank von X. eingeloggt habe. Im Jahr 2009 habe die Beigeladene zu 1) neben der Klägerin noch zehn weitere Auftraggeber gehabt. Mit der Klägerin habe sie nur einen Rahmenvertrag geschlossen über die Vermittlung von Projekten. Hieraus ergebe sich, dass die Beigeladene zu 1) nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen sei.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Die Beigeladene zu 1) habe ihre Leistungen im Rahmen einer Dreiecksbeziehung erbracht. Insoweit käme es darauf an, ob die Beigeladene zu 1) Teilleistungen im Rahmen eines Werkvertrages zwischen der Klägerin und X. erbracht habe, die klar abgrenzbar gewesen seien. Dies sei bei den Projekten nicht der Fall gewesen. Betriebszweck der Klägerin sei es, bei ihren Endkunden Gesamt- bzw. -Großprojekte im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung durchzuführen. Diesem Zweck sei die Beigeladene zu 1) untergeordnet und damit in die Betriebsorganisation eingegliedert gewesen. Auch habe ein Weisungsrecht der Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu 1) bestanden, damit sie ihre Verpflichtungen gegenüber X. überhaupt habe erfüllen können. Hierzu habe der Projektverantwortliche der Klägerin gedient. Die Beigeladene zu 1) habe ihre Leistungen persönlich erbracht und wäre seit 2010 für die Klägerin quasi vollzeitbeschäftigt gewesen.

In einem vergleichbaren Fall habe das LSG NRW entschieden (Urteil vom 28.01.2015,

L 8 R 677/12), dass es sich bei der Bereitstellung von Fachwissen an X. über einen Dritten, der über die notwendigen Fachkenntnisse verfüge, um Arbeitnehmerüberlassung handle. Die Klägerin verfüge über eine solche Erlaubnis und sei daher richtiger Adressat des Bescheides. X. sei als Entleiher zum Verfahren beizuladen. Die Beigeladene zu 1) habe bei X. letztlich die Funktion einer leitenden Angestellten mit Überwachungsaufgaben innegehabt. Auch sei die Beigeladene zu 1) im Laufe des Jahres 2009 nur noch für X. tätig geworden, wie sich aus den Rechnungen ergäbe, die regelmäßig monatlich ca. 20 volle Tage umfasst hätten.

Im Erörterungstermin vom 14.09.2015 gab die Beklagte in Anbetracht der monatlichen Rechnungsbeträge der Beigeladenen zu 1) zwischen 9000,00 Euro und 11.000,00 Euro ein Teilanerkenntnis dahingehend ab, dass keine Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung besteht. Die Klägerin nahm das Teilanerkenntnis im Termin an.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Februar 2015 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 29.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18.03.2010 abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend, die Beigeladene zu 1) sei als Subunternehmer selbstständig tätig gewesen. Bei Abwägung aller relevanten Tatsachen müsse man zum Ergebnis kommen, dass die Beigeladene zu 1) selbstständig tätig gewesen sei. Ein Weisungsrecht habe von keiner Seite bestanden. Eine Eingliederung in eine Betriebsstruktur sei weder bezüglich der Klägerin noch X. erkennbar gewesen. Insbesondere sei die Beigeladene zu 1) bei ihrer Tätigkeit nicht bei X. eingegliedert gewesen, da ihr Spezialwissen zusätzlich benötigt worden sei und sie dieses im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit eingebracht habe.

Ab Mitte 2009 habe die Beigeladene zu 1) auch nicht mehr über Tagespauschalen sondern über Stückzahlen abgerechnet.

In der mündlichen Verhandlung am 14.04.2016 beschrieb die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit für die Klägerin wie folgt:

In C-Stadt habe ich bei einem Projekt vor Ort gewohnt, die Wohnung habe ich selbst bezahlt. Morgens bin ich ins Büro bei X. gefahren, das Büro wurde mir von X. für die Zeit des Projekts zur Verfügung gestellt, einschließlich Arbeitsplatz und Computer.

Ich musste so verfahren, weil ich mich ansonsten nicht in das Netz von X. hätte einloggen können. Es bestand technisch keine weitere Möglichkeit, den Zugang zu erhalten.

Von X. waren Frequenzen ersteigert worden, die nun eine technische Umrüstung der Mobilfunkanlagen notwendig machten. Meine Tätigkeit habe ich als Bürotätigkeit von hier aus ausgeübt. Es waren ca. 3 000 Anlagen in Deutschland umzurüsten, die Fortschreitung der Umrüstung wurde mit einem Wert von 10 bis 100 jeweils festgehalten.

Ich war die einzige die diese Anlagen in ganz Deutschland betreut hat.

Ich habe den Fortschritt bei ca.3 000 Projekten überwacht und dann festgestellt,

welche Projekte hinterherhinkten bzw. wo etwas veranlasst werden musste und wo Verzug war. Ich habe ferner Meetings mit den Generalunternehmen einberufen, dort wurde über die Probleme, die zum Verzug geführt haben, gesprochen und mögliche Lösungen vereinbart.

Von der Klägerin war bei diesen Meetings niemand dabei - von X. waren lediglich die Verantwortlichen von den zuständigen Abteilungen vor Ort.

Mehrere Abteilungen von X. mussten dann zum Fortschritt des Projekts beitragen, je nach deren Zuständigkeit. Die Abteilungen habe ich eingeladen, so wie ich deren Verantwortlichkeit gesehen habe.

Im Einzelfall habe ich mich darum gekümmert, dass die Probleme dort behoben werden, z. B. durch Telefonate dafür gesorgt, dass fehlende Teile für das Projekt angeliefert wurden. Auch habe ich z. B. bei anderen Firmen angerufen um von diesen fehlende Kabel zu erhalten. Auch habe ich von X. bisweilen Leute eingeschaltet, die dann vor Ort die Probleme behoben haben. Das Meeting war ca. einmal die Woche.

Ich habe diese Meetings regelmäßig einberufen.

Ich habe von meinem Arbeitsplatz am PC aus die Tätigkeiten bei allen 3 000 Projekten überwacht und notfalls „Alarm“ gegeben und bei X. dann über die Meetings, die ich einberufen habe, das Notwenige veranlasst.

Bei X. habe ich dem Abteilungsleiter über den Fortschritt der Projekte berichtet.

Das erste halbe Jahr wurde ich nach Tagessätzen bezahlt, anschließend

nach Fortschritt der einzelnen Projekte, was sich in einer Gesamtstückzahl ausgedrückt hat. Durch Beschleunigung einzelner Projekte konnte ich die Stückzahl und damit die Vergütung verbessern. Die Vergütung war unter dem Strich in etwa dieselbe.

Gegenüber den Generalunternehmern bin ich im Auftrag von X. aufgetreten.

Innerhalb von X. haben dieselben Leute für die Umsetzung aller 3 000 Projekte mit mir zusammengearbeitet. Die Funktion der Mitarbeiter von X. war unterschiedlich von der Hierarchie, aber es waren im Grunde genommen die Leute die das Projekt kannten.

Ich habe über kein Budget verfügt, das ich zur Lösung der Probleme bei den Projekten hätte einsetzen können. Bei finanziellen Fragen habe ich mich an den zuständige Abteilungsleiter gewandt.

Zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich mit dem zuständigen Abteilungsleiter bei X. über Ziele und Planungen der Projekte gesprochen, dann aber später eigenverantwortlich gehandelt. Meine Tätigkeit war im Grunde genommen Überwachung und nicht konkrete Planung und Umsetzung der Einzelprojekte, für die die Generalunternehmer und X. zusammengearbeitet haben.

Meine Tätigkeit war mehr die einer Koordinatorin, die dafür gesorgt hat, dass der Ablauf funktioniert hat.

Die Gestaltung der Anlagen war fest, hierauf habe ich keinen Einfluss genommen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts München ist aufzuheben und auf die Berufung der Beklagten die Klage gegen den Bescheid vom 29.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18.03.2010 abzuweisen, da die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit für die Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und nicht als Selbstständige ausgeübt hat. In der Zeit vom 01.08.2008 bis 31.12.2011 unterlag die Beigeladene zu 1) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Streitgegenstand waren zunächst die genannten Bescheide, in denen die Beklagte die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin für die Zeit vom 01.08.2008 bis 31.12.2011 als - abhängige - Beschäftigung eingestuft und die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt hatte. Infolge des im Erörterungstermin von der Beklagten abgegebenen und von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnisses gemäß § 101 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zuletzt Streitgegenstand nur noch die Versicherungspflicht in der Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Ein Verfahrenshindernis im Hinblick auf die von der Beklagten beantragten Beiladung (vgl. dazu BSG Urteil vom 12.11.2015, B 14 AS 50/14 R Rz. 11) der Auftraggeberin der Klägerin, der Firma X, besteht nicht. Die Beziehung der Beigeladenen zu 1) zur Auftraggeberin der Klägerin stellt einen anderen Streitgegenstand dar, der hier nicht relevant ist (vgl. LSG BW Urteil vom 17.11.2015, L 11 R 1901/14, Rz. 35 ff), gerade auch dann, wenn eine Arbeitnehmerüberlassung mit entsprechender Erlaubnis - wie sie hier die Kläger hat - im Raum steht (vgl. LSG BW Urteil vom 09.04.2014, L 5 R 2000/13, Rz. 69).

Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1

S. 1 Alt. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 56 SGG). Denn über die Aufhebung des angefochtenen Bescheides hinaus begehrt die Klägerin die Feststellung des Nichtbestehens der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl. BayLSG Urteil vom 16.07.2015, L 7 R 181/15 Rz. 32).

Unter Wertung sämtlicher Merkmale, die einerseits für eine abhängige Beschäftigung - wie sie die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid und Widerspruchsbescheid dargelegt und gewürdigt hat - und andererseits für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Beigeladene zu 1) die einzelnen Aufträge für die Klägerin nicht als Selbstständige durchgeführt hat. Es besteht im Hinblick auf die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für die Klägerin Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III für gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen.

Prüfungsmaßstab hierfür ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung „die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“ (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben.

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.

Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 R 14/10 R; Urteil vom 30.04.2013 - B 12 KR 19/11 R).

Für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung des bestehenden Rechtsverhältnisses ist jedoch weder die von den Beteiligten gewünschte Rechtsfolge noch die von ihnen gewählte Bezeichnung maßgeblich. Die Frage, ob eine Beschäftigung oder eine Selbstständigkeit vorliegt, steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien und deren Vereinbarung zu entscheiden. Vielmehr sind die relevanten Merkmale zu gewichten.

Diesen Grundsätzen folgend ist Ausgangspunkt zunächst, dass zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) als Vereinbarung allein der Dienstleistungsrahmenvertrag bestand und über die Einzelprojekte keine schriftlichen Verträge mehr abgeschlossen wurden.

Ziel des Dienstleistungsrahmenvertrags zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) war es, dass die Beigeladene zu 1) als selbstständige Unternehmensberaterin die von der Klägerin benötigten Spezialkenntnisse in deren Auftragsverhältnis zur Endkundin X. einbringt.

Dies ist nicht durch bloße Vermittlung der Beigeladenen zu 1) durch die Klägerin an X. geschehen. Denn die Klägerin ist nach den hier relevanten Vertragsgestaltungen nicht als bloße Vermittlerin gegen eine Vermittlungsgebühr - sei es als Vermittlerin der Beigeladenen zu 1) als selbstständiges Unternehmen an X. oder als Vermittlerin der Beigeladenen zu 1) als Arbeitnehmerin bei X. gemäß § 296 SGB III - aufgetreten, hat also nicht durch Vermittlung lediglich die Beigeladene zu 1) und X. zusammengebracht, die dann die Einzelprojekte ohne weiteren Bezug zur Klägerin abgewickelt hätten. Vielmehr sollte allein die Klägerin vertraglich an X. gebunden sein über den zwischen ihr und X. abgeschlossenen „Dienstleistungsvertrag“. Vertragliche Beziehungen zwischen der Beigeladenen zu 1) und X. sollten gerade nicht bestehen.

Damit kommt es darauf an, ob die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin nach der Vertragsgestaltung entweder dergestalt abhängig beschäftigt war, dass sie ihre Leistung für die Klägerin im Rahmen einer vorgegebenen fremden Betriebsorganisation - sei es die Betriebsorganisation der Klägerin oder von X. - erbrachte und einem Weisungsrecht der Klägerin - eventuell ausgeübt durch X. im Rahmen der vertraglichen Gestaltung mit der Klägerin als Erfüllungsgehilfin der Klägerin - unterlag und letztlich von der Klägerin an X. als Arbeitnehmerin überlassen wurde oder die Beigeladene zu 1) als selbstständige Subunternehmerin Vertragspflichten der Klägerin gegenüber X. erfüllte.

Aufgrund der Vertragsgestaltung und tatsächlichen Ausgestaltung der Vertragsbeziehung ist auszuschließen, dass die Beigeladene zu 1) von der Klägerin zur Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber X. aus einem Dienst- oder Werkvertrag eingesetzt worden ist. Die Klägerin hat keinerlei Handlungen organisiert, die zur Durchführung von Projekten für X. erforderlich waren. Vielmehr ist die gesamte Organisation ausschließlich im Verhältnis zwischen der Beigeladenen zu 1) und X. erfolgt, zwischen denen allerdings keine eigenen, insbesondere keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestanden. Vielmehr stellte die Beigeladene zu 1) ihre Arbeitskraft X. im Rahmen einer zulässigen Arbeitnehmerüberlassung durch die Klägerin zur Verfügung.

Eine Überlassung zur Arbeitsleistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen (vgl. hierzu und zum Folgenden BAG, Urteil v. 18.1.2012, 7 AZR 723/10, ; Urteil v. 10.10.2007, 7 AZR 487/06, juris; Urteil v. 6.8.2003, 7 AZR 180/03, ; Urteil v. 25.10.2000, z AZR 487/99, ; BSG, Urteil v. 24.4.2003, B 10 LW 8/02 R, SozR 4-5860 § 12 Nr. 1; Senat, Beschluss v. 19.12.2012, L 8 R 289/12 B ER; Beschluss v. 21.7.2011, L 8 R 280/11 B ER; juris). Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat. Nicht jeder in diesem Sinne drittbezogene Arbeitseinsatz unterfällt dem AÜG. Arbeitnehmerüberlassung ist vielmehr durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet.

Von einer Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführungen des Werks erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht erfasst.

Über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Die Vertragsschließenden können das Eingreifen zwingender Schutzvorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht dadurch vermeiden, dass sie einen vom Geschäftsinhalt abweichenden Vertragstyp wählen. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp.

Nach diesen Grundsätzen ist vor allem entsprechend der Einlassung der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass sich die Vertragspflichten der Klägerin gegenüber X. tatsächlich in Vermittlung und Überlassung eines Sachkundigen, hier der Beigeladenen zu 1), erschöpfte. X. arbeitete nach der Vermittlung der Beigeladenen zu 1) durch die Klägerin mit der Beigeladenen zu 1) auf der Grundlage des zwischen der Klägerin und X. abgeschlossenen Dienstleistungsrahmenvertrages zusammen, ohne dass die Klägerin anschließend sich inhaltlich in die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) einbrachte oder weitere Kräfte zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten im Auftrag der Klägerin bei X. tätig wurden, geschweige denn, dass die Klägerin auf die den Dienstleistungsrahmenvertrag erst durch die Zusammenarbeit von X. und der Beigeladene zu 1) konkretisierenden Einzelprojekte Einfluss nahm.

Der zwischen der Klägerin und X. geschlossene Dienstleistungsrahmenvertrag regelt für sich genommen noch keine Verpflichtungen der Klägerin gegenüber X. Vielmehr sollen seinem Wortlaut nach diese Verpflichtungen erst auf der Grundlage von Einzelprojektaufträgen konkretisiert werden. Die auf der Grundlage dieses Rahmenvertrages von X. an die Klägerin ergangene Einzelaufträge wurden ausschließlich mit der Beigeladenen zu 1) abgewickelt. Eine Abnahme der Aktivitäten des Beigeladenen zu 1) erfolgte ausschließlich über X., ohne dass die Klägerin hierin irgendwie inhaltlich eingeschaltet worden wäre. Die Klägerin erstellte lediglich auf der Grundlage der von der Beigeladenen zu 1) aufgestellten Leistungsnachweise eine Rechnung an X., die X. nach dem Dienstleistungsrahmenvertrag zwischen der Klägerin und X. innerhalb von 30 Tagen begleichen musste. Anschließend bezahlte die Klägerin die Beigeladenen zu 1) für deren Tätigkeit bei X. auf der Grundlage der Rechnung der Beigeladenen zu 1) an die Klägerin. Die tatsächliche Vertragsumsetzung zeigt, dass die Klägerin im Leistungsgeschehen gegenüber X. keinerlei Aufgaben wahrgenommen hat, die über eine Vermittlung der Beigeladenen zu 1) hinausgegangen sind.

Der Vertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) ist im Wesentlichen identisch ausgestaltet. Die Beigeladene zu 1) bringt ihr Fachwissen für die Klägerin bei X. als selbstständiges Unternehmen ein. Hierbei handelt es sich um einen typischen Fall eines Dreiecksverhältnisses. Soweit die Klägerin hier die Rechtsprechung zu Dreiecksverhältnissen und der Abgrenzbarkeit von Teilleistungen mittels Werkverträgen anführt, die durch Subunternehmer erfüllt werden können, geht dies ins Leere. Hier handelt es sich gerade um keine Projekte, deren Erfolg durch Herstellung eines Werkes messbar wäre, sondern um eine Dienstleitung, wie sie den Kernbereich von Unternehmensberatungen darstellen. Das Zurverfügungstellen von Fachwissen auf hohem Niveau - wie es hier bei der Koordination von Projekten im Mobilfunkbereich erfolgt ist - kann zwar nicht unbedingt in den üblichen Kategorien einer als Werkvertrag abgrenzbaren Teilleistung gemessen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Abrechnung - wie hier ab Mitte 2009 geschehen - mittels „Stückzahlen“ erfolgt. Die Beigeladenen zu 1) hat dargelegt, dass ihre Tätigkeit vor allem in der Überwachung des Fortschritts von ca 3000 Einzelprojekten lag. Tatsächlich hatte sie damit die Funktion einer Controllerin inne, die für X. lediglich den Fortschritt der Projekte überwachte, aber letztlich keinen entscheidenden Einfluss auf die einzelnen Projekte selbst hatte. Die Beigeladene zu 1) konnte lediglich den Anstoß zur Behebung eventueller Probleme geben, die dann von den an den Projekten beteiligten Dritten mit den bei X. zuständigen und mit den entsprechenden Finanzen ausgestatteten Abteilungen behoben werden mussten. Zutreffend hat die Beklagte diese Tätigkeit als Überwachungstätigkeit auf hohem Niveau eingeschätzt, wie sie regelmäßig innerhalb eines Betriebes von leitenden Angestellten wahrgenommen werden.

Dabei kommt der besonderen Qualität der Tätigkeit als solcher keine Indizfunktion im Sinne einer Selbstständigkeit zu (BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R Rz. 31). Allein der Umstand, dass die Tätigkeit mit größeren Möglichkeiten eigenverantwortlicher Gestaltung bei der Umsetzung versehen wird, spricht noch nicht gegen Beschäftigung. Insoweit vertritt das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse selbst eines „leitenden Angestellten“ diesen nicht schon zum Selbstständigen machen, solange er in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt (vgl. z. B. BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, RdNr. 23 m. w. N.). Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (vgl. BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr. 20). Solches wird typischerweise eher anzunehmen sein, wenn es sich um höherwertige Tätigkeiten handelt (vgl. bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr. 16 m. w. N.; BAGE 88, 327, 335 = ) und die Honorierung des Auftragnehmers vom Arbeitsergebnis und -erfolg abhängig ist, nicht dagegen in gleicher Weise, wenn sich die Vergütung vornehmlich nach dem zeitlichen Umfang des geleisteten Arbeitsaufwandes richtet (vgl. bereits BSG SozR 2200 § 165 Nr. 32 S 40; BSG SozR 2200 § 165 Nr. 51 S 73 f; andererseits für Beschäftigung trotz erfolgsabhängiger Vergütung z. B. BSG SozR 2200 § 165 Nr. 63 S 87 f; BSG SozR Nr. 10 zu § 2 AVG Aa 14).

Die Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ergibt, dass die Beigeladene zu 1) in den Betrieb von X. eingliedert und dort den Weisungen durch die maßglichen Projektverantwortlichen bei X. unterworfen war. Die Beigeladene zu 1) ist in Wahrnehmung ihrer Aufgaben für X. nach deren Weisungen und eingegliedert in ihre betriebliche Organisation tätig geworden.

Die Eingliederung in den Betrieb von X. ergibt sich schon daraus, dass die Beigeladene zu 1) bei X. einen eigenen Arbeitsplatz zur Verfügung hatte, nur dort über die notwendige Software verfügen konnte und die für ihre Tätigkeit notwendigen Ansprechpartner aus den betroffenen Abteilungen von X. dort erreichbar waren. Auch die Beigeladene zu 1) hatte einen für sie zuständigen Abteilungsleiter bei X. Faktisch war die Beigeladene zu 1) bei ihrer Tätigkeit wie eine vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin in den Räumen von X. anwesend und für X. verfügbar.

Dabei unterlag die Beigeladene zu 1) auch einem Weisungsrecht. Das Weisungsrecht stand zunächst der Klägerin zu, die der Beigeladenen zu 1) generell vorgab, die vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin gegenüber X. zu erfüllen, indem sie für X. nach den noch von X. im Einzelfall zu machenden Vorgaben tätig werden sollte. Bei X. unterlag die Beigeladene zu 1) - auch wenn sie die Einzelprojekte im Wesentlichen ohne weitere konkrete Vorgaben betreute dem - verfeinerten - Weisungsrecht durch X. Insoweit vermittelt sich die Fremdbestimmtheit der Arbeit über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation im Rahmen eines - ggf. verfeinerten - Weisungsrechts, (zu diesem Topos vgl. z. B. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 15 RdNr. 30; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr. 1 RdNr. 20; BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Die Beiträge Beilage 2004, 154 = USK 2004-25).

In inhaltlicher Hinsicht war festgelegt, dass die Beigeladene zu 1) im Auftrag der Klägerin nach außen als Mitarbeiterin von X. zu repräsentieren, den Projektfortschritt und dabei auftretende Probleme festzustellen und an die verantwortlichen Mitarbeiter von X. zu berichten hatte. Es waren Protokolle zu erstellen, die teilweise von der Beigeladenen zu 1), teilweise von Dritten erstellt worden sind und in der Datenbank von X. abgelegt werden mussten. Insgesamt ergibt sich damit das Bild einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe der Beigeladenen zu 1) an der Entwicklung der Mobilfunkversorgung durch X. und eine umfassende Einbindung in die Betriebsabläufe von X. Das gilt gleichermaßen für die weiteren in dieser Projektphase notwendigen Aufgaben wie die Koordination von Besprechungen, das Erstellen von Dokumentationen und ggf. Budgetverfolgungen.

Maßgebliche für eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) sprechende Gesichtspunkte liegen nicht vor.

In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw. zu vermeiden (z. B. Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub bzw. Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen), auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zulassen (vgl. nämlich § 32 SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R Rz. 28). Vielmehr setzen diese Regelungen - insbesondere der Ausschluss ansonsten zwingender arbeits- und sozialrechtlicher Rechte und Pflichten - bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw. Beschäftigter voraus, für den in erster Linie Weisungsgebundenheit und - jedenfalls für das Sozialrecht - das Fehlen von gewichtigen, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnenden Umstände ausschlaggebend ist. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (BSG a. a. O.).

Nicht gerechtfertigt ist es, im Rahmen der Gesamtabwägung der der Beigeladenen zu 1) eingeräumten Möglichkeit, Auftragsangebote der Klägerin abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu sein, ein hohes Gewicht beizumessen (BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R Rz. 27). Anknüpfungstatbestand für eine mögliche die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ist das einzelne angenommene Auftragsverhältnis. Daher stellte sich für die Beigeladene zu 1) die Situation vor Annahme eines Auftrags letztlich nicht anders dar als für einen Arbeitsuchenden, dem es ebenfalls freisteht, eine ihm angebotene (ggf. befristete Teilzeit-) Arbeitsgelegenheit anzunehmen oder nicht. Zugleich haben jedenfalls Teilzeitbeschäftigte die Möglichkeit, in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssen angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht sind. Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit. Im streitgegenständlichen Zeitraum war die Beigeladene zu 1) lediglich zu Beginn ihrer Tätigkeit bei X. noch für andere Auftraggeber in nennenswertem Umfang tätig, dann aber bei X. quasi vollzeitbeschäftigt.

Eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit auf Selbstständigkeit hindeuten. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts und nicht nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist. Dabei kommt auch einer großen Gestaltungsfreiheit bzgl. der Arbeitszeit nur dann erhebliches Gewicht zu, wenn sich deren Grenzen nicht einseitig an den durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bzw. Arbeitgebers vorgegebenen Rahmen orientieren. Hier war die Beigeladene zu 1) unter der Woche regelmäßig in den Arbeitsräumen von X. zu den üblichen Arbeitszeiten verfügbar, was auch aus dem Stundennachweisformular der Beigeladenen zu 1) ersichtlich ist. Zumindest war X. darüber informiert, wenn die Beigeladene zu 1) sich - nach außen hin als Mitarbeiterin von X. auftretend - bei Mobilfunkanlagen vor Ort oder bei Besprechungen mit den von X. beauftragten Firmen befand. Letztlich hatte die Beigeladene zu 1) bei Gestaltung ihrer Arbeitszeit nicht vielmehr Freiheiten als ein im Wesentlichen seine Arbeit eigenverantwortlich gestaltender leitender Angestellter.

Der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) einige Aufgaben von zu Hause aus erledigen konnte, spricht noch nicht für das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte. Vielmehr ist die Beigeladene zu 1) nach deren Angaben fast ausschließlich in den Räumen von X. tätig geworden, weil sie dort einen eigenen Arbeitsplatz hatte, Computer und Software von X. nur dort nutzen konnte und die notwendigen Absprachen mit den betroffenen Abteilungen von X. problemlos möglich waren.

Ein nennenswertes unternehmerisches Risiko ist gleichfalls nicht erkennbar.

Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl. etwa BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R) ist maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Dies ist jedoch nur dann ein Hinweis auf eine Selbstständigkeit, wenn dem unternehmerischen Risiko größere Freiheiten in der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen. Die Beigeladene zu 1) hat alle geleisteten Einsätze bezahlt bekommen, ihre Arbeitskraft also nicht mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt.

Das ergibt sich für die zunächst gewählte Bezahlung der Beigeladenen zu 1) über Tagessätze schon aus der Art der Bezahlung mittels Tagessätzen. Auch wenn die Beigeladene zu 1), die ihre Arbeitsstunden über den Zeiterfassungsbogen von X. nachwies, je Tag in der Regel zwischen 8 und 11 Stunden arbeitete, ergibt sich hieraus kein besonderes unternehmerisches Risiko. Die Bezahlung erfolgte erfolgsunabhängig und ist vergleichbar der Bezahlung einer leitenden Angestellten, die angesichts der hohen Vergütung an bestimmten Tagen auch unbezahlte Überstunden leistet. Soweit die Vergütung später auf „Stückzahlen“, also auf in der Abrechnungsphase betreute Projekte, umgestellt wurde, ergibt sich auch kein erkennbares unternehmerisches Risiko. Die Vergütung blieb nach den Angaben der Beigeladenen zu 1) im Wesentlichen gleich, da die Bezahlung nach Stückzahl darauf basierte, was die Beigeladene zu 1) an Projekten während der Abrechnung über Tagessätze betreut hatte.

Ein nennenswerter eigener Kapitaleinsatz ist weder erkennbar noch vorgetragen.

Das Risiko, für Schlechtleistung zu haften und im Urlaub bzw. bei Krankheit keine Entgeltfortzahlung zu erhalten, spricht nicht entscheidend für unternehmerisches Handeln, weil diesem Risiko keine größeren Freiheiten in der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenübergestanden haben. Allein der Umstand, die individuellen Fahrkosten möglichst ökonomisch kalkulieren und damit den eigenen finanziellen Einsatz minimieren zu können, ist hierfür nicht ausreichend.

Die Beigeladene zu 1) ist X. von der Klägerin letztlich als „Arbeitskraft“, d. h. als Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt worden. Denn ihre Tätigkeit im Verhältnis zur Klägerin war die eines Arbeitnehmers (vgl. zu diesem Erfordernis BAG, Urteil v. 9.11.1994, 7 AZR 217/94, ). Die Einlassung der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung hat ergeben, dass die konkreten Anforderungen eine Weisungsdichte erreicht haben, die für ein Arbeitsverhältnis kennzeichnet sind und darüber hinaus zu einer Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in den Betrieb von X. führten. Für eine Arbeitnehmereigenschaft der Beigeladenen zu 1) spricht dabei auch, dass sie ihre Tätigkeit für X. ausschließlich in eigener Person erbracht hat.

Aufgrund dessen ist ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1) mit der Klägerin zustande gekommen.

Vertraglich ist die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für die Klägerin als Leiharbeitnehmervertrag einzuordnen. Eine - wegen der bei der Klägerin vorhandenen Erlaubnis - zulässige Arbeitnehmerüberlassung hat stattgefunden. Die Klägerin hat nach dem Dienstleistungsrahmenvertrag gegenüber X. als Vertragsgegenstand die Mitwirkung der Klägerin bei der Projektdurchführung vereinbart. Diese Vertragspflicht der Klägerin gegenüber X. hat sich hier faktisch in der bloßen Überlassung der Beigeladenen zu 1) als Arbeitnehmerin erschöpft. Demgemäß hat die Beklagte zutreffend ihren Bescheid an die Klägerin als „Verleiherin“ mit entsprechender Erlaubnis und damit als Arbeitgeberin der Beigeladenen zu 1) gerichtet (vgl. LSG NRW Urteil vom 28.01.2015, L 8 R 677/12 zur unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung).

Im Ergebnis hat die Berufung der Beklagten Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 VwGO.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Die Festsetzung des Streitwerts ist nach § 197a SGG i. V. m. § 52 GKG erfolgt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zur Streitwertfestsetzung bei Statusverfahren und der hierauf beruhenden Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss des Senats vom 07.07.2015, L 7 R 4/15 B).

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Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 14. Apr. 2016 - L 7 R 377/15 zitiert 16 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7 Beschäftigung


(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. (1a) Eine B

Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung


Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 55


(1) Mit der Klage kann begehrt werden 1. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,2. die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,3. die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörun

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 1 Beschäftigte


Versicherungspflichtig sind1.Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; während des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch besteht die Versicherungspflicht fort,2.behinderte Menschen, diea)in anerk

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG | § 1 Arbeitnehmerüberlassung, Erlaubnispflicht


(1) Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis. Arbeitnehmer werden zur Arbeit

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 56


Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 25 Beschäftigte


(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 645 Verantwortlichkeit des Bestellers


(1) Ist das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des von dem Besteller gelieferten Stoffes oder infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden, ohne dass ein Umsta

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 296 Vermittlungsvertrag zwischen Vermittlern und Arbeitsuchenden


(1) Ein Vertrag, nach dem sich ein Vermittler verpflichtet, einer oder einem Arbeitsuchenden eine Arbeitsstelle zu vermitteln, bedarf der schriftlichen Form. In dem Vertrag ist insbesondere die Vergütung des Vermittlers anzugeben. Zu den Leistungen d

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 32 Verbot nachteiliger Vereinbarungen


Privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften dieses Gesetzbuchs abweichen, sind nichtig.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 14. Apr. 2016 - L 7 R 377/15 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).

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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16.7.2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Kosten des Beigeladenen zu 1) in erster Instanz nicht zu erstatten sind. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 4), die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 17.116 Euro festgesetzt.


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Tenor

Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. September 2014 wird geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2343,85 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23. April 2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10 in beiden Instanzen.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Erstattung von veruntreuten Geldern, die vom klagenden Landkreis, einem zugelassenen kommunalen Träger (zkT), bei der beklagten Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des § 6b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) abgerufen worden waren.

2

Aufgrund der Verwaltungsvereinbarung zwischen den Beteiligten vom 19.4.2005 "über die vom Bund zu tragenden Aufwendungen des zugelassenen kommunalen Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende" (im Folgenden: Verwaltungsvereinbarung) war der Kläger zur Teilnahme am automatisierten Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (sog HKR-Verfahren) berechtigt. Die Wahrnehmung der Aufgaben gemäß § 6a Abs 5 SGB II erfolgt beim Kläger verwaltungsintern durch den "Geschäftsbereich Arbeit". In diesem war Frau M als persönliche Ansprechpartnerin für die Vermittlung und Eingliederung von Langzeitarbeitslosen tätig. Sie war befugt, für diese Eingliederungsleistungen, wie Schulungen, Lehrgänge, Jobtrainings, durch Aufträge an Dritte bis zu einer Höhe von jeweils 5000 Euro selbstständig zu bewilligen.

3

Nach dem Auftreten von konkreten Verdachtsmomenten wurde M am Morgen des nächsten Tages, dem 25.3.2010 freigestellt. Die durchgeführten Ermittlungen ergaben in zahlreichen Akten Vorgänge mit strafrechtlicher Relevanz: M hatte ua Zahlungsanweisungen in Höhe von 510 053,88 Euro zu Gunsten von Scheinfirmen bewirkt, hinter denen ihr Ehemann und sie selbst standen, ohne dass entsprechende Eingliederungsleistungen an Hilfebedürftige erbracht worden waren. Zudem hatte M Barauszahlungen in Höhe von 47 052,60 Euro vom Kassenautomaten vereinnahmt und auf den dafür notwendigen Auszahlungsanordnungen die Unterschrift von Hilfebedürftigen gefälscht oder sich von Hilfebedürftigen einen Geldempfang bestätigen lassen, obwohl diese das Geld weder in bar noch später durch eine Überweisung erhielten. Insgesamt erlangte sie so 557 106,48 Euro. M gab am 10.5.2010 ein notarielles Schuldanerkenntnis gegenüber dem Kläger in Höhe von 486 177,88 Euro nebst Zinsen ab.

4

Nachdem die Beklagte vom Kläger die Erstattung der von M rechtswidrig verausgabten Beträge begehrt hatte, weil sie nur Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II zu tragen habe, und einen Ausschluss des Klägers vom HKR-Verfahren angedroht hatte, überwies der Kläger am 22.6.2011 der Beklagten 503 167,35 Euro "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Prüfung". Der Betrag beruhte nach Zahlungen, die der Kläger von M erhalten und an die Beklagte überwiesen hatte, auf einer Hauptforderung von nunmehr 500 823,50 Euro zuzüglich von der Beklagten verlangter Zinsen in Höhe von 2343,85 Euro.

5

Der Kläger, der bis Anfang April 2012 insgesamt einen Teilbetrag von 76 974,13 Euro von M beitreiben konnte, erhob am 23.4.2012 vor dem Hessischen Landessozialgericht (LSG) Klage gegen die Beklagte auf Rückzahlung von 482 476,20 Euro zuzüglich Zinsen ab Rechtshängigkeit, weil diese keinen Anspruch auf die Rückzahlung des strittigen Betrags gehabt habe und sie die Aufwendungen eines fehlerhaften Gesetzesvollzugs zu tragen habe. Da der Kläger bis zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG weitere Beträge von M erlangte, hat er in dieser nur noch beantragt, den Beklagten zur Rückzahlung von 469 647,58 Euro zuzüglich Zinsen zu verurteilen. Das LSG hat den Beklagten verurteilt, diesen Betrag an den Kläger Zug um Zug gegen die Abtretung der gegen M bestehenden Ansprüche wegen der rechtswidrigen Verwendung der SGB II-Leistungen sowie Herausgabe der Notarurkunde über das Schuldanerkenntnis zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.9.2014). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gegen die Beklagte in der ausgeurteilten Höhe einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, weil die Beklagte ihrerseits keinen solchen Anspruch gegen den Kläger wegen der von diesem im HKR-Verfahren abgerufenen Mittel habe. Der Kläger habe die Mittel zunächst mit Rechtsgrund im HKR-Verfahren nach § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II erhalten. Dieser Rechtsgrund falle nicht bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln des Amtswalters weg, ebenso wenig bei etwaigen Mängeln des Verwaltungs- und Kontrollsystems des Klägers. Auch die Voraussetzungen einer Zweckverfehlungskondiktion lägen - unabhängig von deren Anerkennung beim öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch - nicht vor, denn ein zusätzliches Erfordernis für das Behaltendürfen der Leistung sei nicht erkennbar. Wegen der Gegenansprüche sei aber nur eine Verurteilung Zug um Zug auszusprechen gewesen, daher scheide ein Zinsanspruch des Klägers aus.

6

In ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 6b Abs 2 SGB II, des Art 106 Abs 8 Grundgesetz (GG) sowie des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, weil es keine voraussetzungslose Kostentragungspflicht der Beklagten gebe. Die umstrittenen Mittel seien nicht für Leistungen nach dem SGB II verwandt worden. Dies sei jedoch für die Beurteilung deren endgültiger vermögensrechtlicher Zuordnung entscheidend und nicht die Befugnis zum Mittelabruf im HKR-Verfahren. Der Anspruch scheitere auch nicht an der sich aus den Grundsätzen der Haftungskernrechtsprechung ergebenden Haftungseinschränkung, denn diese greife nicht bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Fehlverhalten, wie es hier vorliege.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. September 2014 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er meint, die Mittel seien unstreitig aus dem HKR-Verfahren im Zusammenhang mit dem Tätigkeitsbereich der M für die Finanzierung von Eingliederungsmaßnahmen bestimmt gewesen und deren Abrufung mit Rechtsgrund erfolgt. Die Maßgaben der Haftungskernrechtsprechung kämen nur als Kontrollüberlegung zum Tragen, wenn feststehe, dass ein bereicherungsrechtlicher Anspruch dem Grunde nach bestehe, was vorliegend jedoch nicht der Fall sei.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der beklagten Bundesrepublik ist im Wesentlichen begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das Urteil des LSG vom 3.9.2014 ist zu ändern, die Beklagte ist nur zu verurteilen, an den klagenden Landkreis die von diesem gezahlten 2343,85 Euro Zinsen zuzüglich Prozesszinsen zurückzuzahlen (dazu 4.). Im Übrigen - hinsichtlich der von dem Kläger begehrten und vom LSG zugesprochenen Zahlung von 469 647,58 Euro - ist die Klage abzuweisen (dazu 2. und 3.).

11

1. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. M musste nicht notwendig beigeladen werden, weil die Voraussetzung, dass die Entscheidung ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann, nicht vorliegt (§ 75 Abs 2 Alt 1 SGG). Auf die Höhe und die Durchsetzbarkeit möglicher Ansprüche gegenüber M kommt es für die hier zu treffende Entscheidung nicht an. Das LSG war für die vom Kläger zu Recht erhobene allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) erstinstanzlich zuständig (§ 29 Abs 2 Nr 3 SGG), weil die Klage erst nach dem Inkrafttreten der Vorschrift erhoben worden ist.

12

2. Der klagende zkT hat zu Recht die von ihm im sog HKR-Verfahren bei der Beklagten abgerufenen Mittel, soweit diese von seiner Mitarbeiterin M für Scheinfirmen, hinter denen sie oder ihr Ehemann standen, und für Barauszahlungen, die sie sich aneignete, verwandt worden waren, an die Beklagte zurückgezahlt. Demgemäß hat er insoweit keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte.

13

a) Zur Beurteilung der materiellen Rechtslage bei Streitigkeiten zwischen einem zkT und der Bundesrepublik über die Erstattung von Zahlungen, die im Rahmen der Übernahme der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 6b Abs 2 SGB II für Zeiten vor dem 1.1.2011 erfolgten, und in denen eine mit dem vorliegenden Verfahren strukturell vergleichbare Sachlage einschließlich der Rückzahlung der zunächst von dem zkT abgerufenen Mittel von diesem an die Bundesrepublik sowie nun einer Klage des ersteren gegen die letztere vorlag, hat der 4. Senat in seinen Urteilen vom 2.7.2013 (B 4 AS 72/12 R - BSGE 114, 55 = SozR 4-4200 § 6b Nr 1, auf das sich die nachstehenden RdNr-Angaben beziehen, sowie - B 4 AS 74/12 R - SozR 4-4200 § 6b Nr 2, das mit dem zuvor genannten Urteil weitgehend wörtlich übereinstimmt) ausgeführt: Die zwischen den Beteiligten bestehende Rechtsbeziehung sei dem öffentlichen Recht zuzuordnen (RdNr 30). Innerhalb dieser Rechtsbeziehung können sowohl Erstattungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte als auch der Beklagten gegen den Kläger bestehen (RdNr 27). Es bestehe ein Zahlungsanspruch des zkT, weil dieser einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Bundesrepublik habe, während diese keinen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen den zkT habe (RdNr 28 f, 36). Der heutige § 6b Abs 5 SGB II sei für die Zeit vor seinem Inkrafttreten am 1.1.2011 nicht anwendbar (RdNr 32). Ein Zahlungsanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger folge nicht aus § 5 Abs 2 der Verwaltungsvereinbarung(RdNr 34), ebenso wenig unmittelbar aus Art 106 Abs 8 GG (RdNr 35). Auch Art 104a Abs 5 Satz 1 GG sei auf eine Haftung zwischen Bund und Kommunen bzw ihren Verbänden nicht unmittelbar anwendbar (RdNr 38). Der Kläger habe die von ihm im HKR-Verfahren abgerufenen Mittel mit Rechtsgrund erhalten, denn sie seien ihm vermögensrechtlich endgültig zugeordnet worden (RdNr 40). Die Zuordnung der im HKR-Verfahren bereitgestellten Mittel richte sich nach der rechtlichen Grundlage der Finanzierung der Aufgaben der zkT, die finanzverfassungsrechtlich in Art 106 Abs 8 GG, einfachgesetzlich in § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II zu finden sei(RdNr 40). Systematisch betrachtet behandele § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II die Kostentragung, nicht hingegen Erstattungsfragen(RdNr 41). Tatbestandliche Voraussetzung des § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II sei, dass die Aufwendungen solche der Grundsicherung für Arbeitsuchende seien(RdNr 41).

14

Zur Prüfung dieser Voraussetzung hat der 4. Senat im Weiteren darauf abgestellt, ob die zwischen den Beteiligten strittige Mittelverwendung sich im Rahmen der dem SGB II zugrunde liegenden Ziele, Zwecke und Prinzipien bewegt habe (RdNr 47 f). Selbst wenn aber die Mittelverwendung nicht den Zielen und Zwecken des SGB II entspreche, habe der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch hier das Begehren der beklagten Bundesrepublik nicht stützen können. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch im Verhältnis des Bundes zu einem Land greife nicht bereits bei jeglicher fahrlässiger Falschanwendung des Gesetzes ein, sondern lediglich bei grob fahrlässigem oder gar vorsätzlichem Fehlverhalten. Dieser Haftungseinschränkung, die mit den Grundsätzen der Haftungskernrechtsprechung sowohl des Bundessozialgerichts (BSG) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) übereinstimme und Art 104a Abs 5 Satz 1 GG entlehnt sei, bedürfe es, weil andernfalls in der direkten Finanzbeziehung zwischen der Bundesrepublik und einer Kommune eine weitergehende Haftung bestünde als im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und einem Bundesland. Letzteres könne aber den einer ihm angehörigen Kommune entstehenden vermögensrechtlichen Schaden im Wege einer Drittschadensliquidation gegenüber der Bundesrepublik geltend machen, auf die dann Art 104a Abs 5 Satz 1 GG anzuwenden sei. Insoweit sei eine erstattungs- wie auch haftungsrechtliche Gleichstellung geboten (RdNr 49).

15

b) Übertragen auf das vorliegende Verfahren und den umstrittenen Betrag unter Ausschluss der vom Kläger an den Beklagten bezahlten Zinsen bedeutet dies: Der klagende zkT hat den strittigen Betrag im Rahmen des Verwaltungsrechtsverhältnisses mit der beklagten Bundesrepublik aufgrund des HKR-Verfahrens rechtmäßig von der Beklagten zur Bewirtschaftung und zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erhalten.

16

Gemäß den dargestellten wechselseitigen Erstattungsansprüchen zwischen dem zkT und der Bundesrepublik kommt es für die Beurteilung des Behaltendürfens des Betrags seitens des Klägers und seines Rückerstattungsanspruchs gegen die Bundesrepublik aufgrund der zwischenzeitlichen Zahlung an diese sowie deren Erstattungsanspruch gegen den zkT darauf an, ob die strittige Mittelverwendung sich im Rahmen der dem SGB II zugrunde liegenden Ziele, Zwecke und Prinzipien bewegt hat oder, wenn dies nicht der Fall ist, ob ein grob fahrlässiges oder vorsätzliches Fehlverhalten gegeben ist. Nur bei einem solchen Fehlverhalten hat die Kommune für die entsprechende Mittelverwendung gegenüber der Bundesrepublik "zu haften".

17

Ausgehend von diesen Voraussetzungen hat der Kläger kein Recht zum Behaltendürfen des Betrags und keinen Rückerstattungsanspruch gegen die Bundesrepublik aufgrund seiner zwischenzeitlichen Zahlung an diese, während der Erstattungsanspruch der Bundesrepublik gegen den zkT aufgrund der vorherigen Zurverfügungstellung des Betrags begründet ist.

18

Denn die vom Kläger im HKR-Verfahren abgerufenen Mittel wurden keiner Mittelverwendung im Rahmen der dem SGB II zugrunde liegenden Ziele, Zwecke und Prinzipien zugeführt. Vielmehr ist ein vorsätzliches Fehlverhalten der Bediensteten M des Klägers zu bejahen, weil diese die Zahlungsanweisungen an Scheinfirmen ihrerseits und ihres Ehemanns über 510 053,88 Euro und die Barauszahlungen von 47 052,60 Euro an sich selbst vorsätzlich veranlasste, ohne dass diese Zahlungen zu Leistungen an Leistungsberechtigte nach dem SGB II führten.

19

3. Im Hinblick auf die an den Entscheidungen des 4. Senats geübte Kritik einer Vermischung des verschuldensunabhängigen Bereicherungsausgleichs nach dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch mit einem systemwidrigen Verschuldensmaßstab aus dem Haftungsrecht (so zB das LSG in dem angefochtenen Urteil, aber auch Vorholz, SGb 2014, 406, 407 f in ihrer Anmerkung zu den Entscheidungen) ist ergänzend auf Folgendes hinzuweisen:

20

a) Unabhängig von der Antwort auf die Frage, ob die Zurverfügungstellung oder der Abruf der strittigen Mittel im HKR-Verfahren eine auf eine endgültige Vermögensmehrung abzielende Leistung der Beklagten gegenüber dem Kläger war, ist die entscheidende Voraussetzung für den zuvor bejahten allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger, dass ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der strittigen Mittel seitens des Klägers fehlt. Ob es einen solchen Rechtsgrund gibt, ist beim allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ebenso wie im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht oftmals nicht zuvörderst aus dem Erstattungsanspruch oder Bereicherungsrecht heraus zu beantworten, sondern aus außerhalb des Erstattungs- oder Bereicherungsrechts liegenden Regelungen und Wertungen, die auf das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten Anwendung finden (Schmidt-Kessel/Hadding in Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Schuldrecht 9/3, 13. Aufl 2012, Vor § 812 RdNr 1 ff; Sprau in Palandt, BGB, 74. Aufl 2015; Einf von § 812 RdNr 5 f). Deutlich wird dies insbesondere an den Regeln der Anspruchskonkurrenz, zumal vertragliche Ausgleichsansprüche den allgemeinen bereicherungsrechtlichen vorgehen und einen Rechtsgrund für ein Behaltendürfen beinhalten oder auch verneinen können (Schmidt-Kessel/Hadding, aaO, RdNr 24; Sprau, aaO).

21

b) Vorliegend werden die zwischen den Beteiligten bestehenden Erstattungsansprüche durch das zwischen ihnen bestehende Verwaltungsrechtsverhältnis konkretisiert, das hinsichtlich der Übernahme der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende seitens der Bundesrepublik gegenüber dem klagenden zkT seine Grundlage in § 6b Abs 2 SGB II findet.

22

Zutreffend hat der 4. Senat zu dessen Auslegung klargestellt: Trotz des oft verwandten Begriffs "Erstattung" regelt § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II - systematisch betrachtet - die Kostentragung für bestimmte Aufwendungen, nicht hingegen Erstattungsfragen wie zB die §§ 102 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)(BSG Urteil vom 2.7.2013 - B 4 AS 72/12 R - BSGE 114, 55 = SozR 4-4200 § 6b Nr 1, RdNr 41), zumal im Erstattungsrecht oft Verwaltungskosten nicht zu tragen sind (vgl § 109 Satz 1 SGB X). Tatbestandliche Voraussetzung des § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II ist, dass die Aufwendungen, die vom Bund zu tragen sind, solche der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten sind(BSG, aaO, RdNr 41). Zur Beurteilung, ob bestimmte Mittelverwendungen oder Ausgaben des zkT solche Aufwendungen sind, ist darauf abzustellen, ob die Mittelverwendungen sich im Rahmen der dem SGB II zugrunde liegenden Ziele, Zwecke und Prinzipien bewegen (BSG, aaO, RdNr 47). Das Vorliegen einer solchen Aufwendung der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten ist nicht bereits bei jeglicher fahrlässiger Falschanwendung des Gesetzes zu verneinen, sondern lediglich bei grob fahrlässigem oder gar vorsätzlichem Fehlverhalten (BSG, aaO, RdNr 49).

23

Dieser vom 4. Senat vorgenommenen Unterscheidung zwischen vorsätzlichem und grob fahrlässigem Verhalten auf der einen und "normaler" oder leichter Fahrlässigkeit auf der anderen Seite ist aus den von ihm genannten Gründen, wie insbesondere dem Verweis auf die sog Haftungskernrechtsprechung des BVerwG zu Art 104a Abs 5 GG (ähnlich Höfling, Landkreis 2011, 158, 163), zuzustimmen. Zumal dies eine im Sozialrecht (vgl § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X) und in anderen Rechtsgebieten (vgl § 839a Bürgerlichts Gesetzbuch) häufig anzutreffende und in Fällen der vorliegenden Art sachgerechte Differenzierung ist.

24

c) Ausgehend von diesen Voraussetzungen waren - wie dargestellt - die Zahlungsanweisungen der M an Scheinfirmen ihrerseits und ihres Ehemanns über 510 053,88 Euro und ihre Barauszahlungen von 47 052,60 Euro keine Mittelverwendung für Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende iS des § 6b Abs 2 SGB II. Der Kläger hat diese Beträge daher zu Recht an die Beklagte zurückgezahlt, und die Beklagte muss auf dessen Klage hin diese Beträge nicht an ihn zurückzahlen.

25

Dies steht im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Urteil des BVerwG vom 18.5.1994 (11 A 1.92 - BVerwGE 96, 45: untreue BAföG-Mitarbeiterin), in dem ein Anspruch des Bundes gegen das Land wegen des Fehlverhaltens der Mitarbeiterin bejaht wurde, aber auch mit dem vom 30.11.1995 (7 C 56.93 - BVerwGE 100, 56: zu viel gezahltes Kindergeld), in dem der Anspruch der Gemeinde gegen das Land bejaht wurde, weil ihrerseits keine schwere Pflichtverletzung vorliege, sowie dem Urteil vom 15.5.2008 (5 C 25.07 - BVerwGE 131, 153: Erstattung von Wohngeld), in dem ein Anspruch der Gemeinde gegen das Land verneint wurde, weil nicht feststand, dass es sich um tatsächliche und nicht nur fiktive Aufwendungen der Gemeinde handele.

26

d) Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte nicht nur die Aufwendungen für bestimmte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als solche, sondern ebenso die Verwaltungskosten dafür zu tragen hat. Denn auch insofern hat die Bundesrepublik grundsätzlich nur rechtmäßige Ausgaben zu übernehmen, was jedoch mangels eines anderen tragbaren Maßstabs wie bei den Aufwendungen selbst nicht bereits bei jeglicher fahrlässigen Falschanwendung des Gesetzes, sondern lediglich bei grob fahrlässigem oder gar vorsätzlichem Fehlverhalten zu verneinen ist.

27

Das allein entscheidende Fehlverhalten, das zu den rechtswidrigen Mittelverwendungen führte, war das Verhalten der beim Kläger tätigen M. Dass der Kläger in dem Verwaltungsrechtsverhältnis zur Beklagten für das Verhalten seiner Bediensteten M einstehen muss, wird von keiner Seite bezweifelt. Inwieweit etwas anderes gilt, zB eine Quotelung des Schadens im Rahmen der Verwaltungskosten, wenn Personen oder zB EDV-Programme der Beklagten an der sachwidrigen Mittelverwendung schuldhaft mitgewirkt haben, ist vorliegend mangels dahingehender Feststellungen des LSG oder entsprechender Rügen nicht zu entscheiden.

28

4. Die Zinsen in Höhe von 2343,85 Euro, die die Beklagte neben der Hauptforderung wegen der abgerufenen und veruntreuten Mittel gegenüber dem Kläger geltend machte und von diesem ebenfalls an jene - jedoch unter Vorbehalt - gezahlt wurden, sind von der Beklagten an den Kläger zurückzuzahlen.

29

Eine Rechtsgrundlage für einen solchen Zinsanspruch ist nicht zu erkennen, selbst die Verwaltungsvereinbarung enthält keine entsprechende Regelung. Der heutige § 6b Abs 5 Satz 2 SGB II scheidet als Rechtsgrundlage aus, weil der zuvor bejahte Hauptanspruch der Beklagten aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des erst zum 1.1.2011 eingeführten Absatzes 5 stammt und dieser vorliegend nicht anwendbar ist (siehe oben unter 2. a).

30

Das BVerwG hat in der Entscheidung vom 18.5.1994 (BVerwGE 96, 45, 59) einen solchen Zinsanspruch ausdrücklich unter Hinweis auf § 233 Satz 1 Abgabenordnung, nach dem Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst werden, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist, verneint. Dem ist zuzustimmen, weil es zahlreiche Regelungen über Zinsen im Sozialrecht gibt, aber keine generelle Vorschrift zB über Verzugszinsen wie in §§ 284, 288 BGB, sodass diese auch in einem Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen zwei Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht entsprechend anzuwenden sind(vgl Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 9/2014, K § 61 RdNr 102 ff). Erstattungsansprüche von Sozialleistungsträgern untereinander sind zB grundsätzlich nicht zu verzinsen (vgl die Ausnahmeregelung in § 108 Abs 2 SGB X).

31

Aus der Entscheidung des 1. Senats des BSG sowie der ständigen Rechtsprechung des BVerwG zu Ansprüchen aus Art 104a Abs 5 Satz 1 GG (vgl nur BSG Urteil vom 15.12.2009 - B 1 AS 1/08 KL - BSGE 105, 100 = SozR 4-1100 Art 104a Nr 1, RdNr 57 mwN) folgt nichts anderes, weil ein solcher Anspruch dem Zinsbegehren der Beklagten nicht zugrunde liegt.

32

Da seitens der Beklagten kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Zinsen besteht und der Kläger ihr den Betrag ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht überwiesen und damit geleistet hat, hat der Kläger gegen sie aufgrund des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs einen Anspruch auf Rückzahlung des Betrags.

33

5. Ein Anspruch des Klägers auf Prozesszinsen für die zurückzuzahlenden Zinsen folgt aus den mittlerweile nach zutreffender, neuerer Ansicht entsprechend anwendbaren §§ 291, 288 BGB(vgl nur mwN Henning Müller, SGb 2010, 336 ff).

34

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 155 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt das geringfügige Obsiegen des Klägers. Eine Streitwertfestsetzung ist wegen der Gerichtskostenfreiheit der beklagten Bundesrepublik (§ 2 Abs 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz) und des klagenden Landkreises als zkT in Streitigkeiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 64 Abs 3 Satz 2 SGB X) entbehrlich.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.Januar 2015 wird zurückgewiesen.

II.

Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger zu 1 (künftig Kläger) in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2 (künftig Klägerin) in der Zeit von 26.11.2013 bis 12.04.2015 wegen abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sozialversicherungspflichtig war. Strittig ist insbesondere, ob der Kläger als GmbH-Geschäftsführer mit Minderheitsbeteiligung weisungsfrei war, weil er wegen beherrschender Fachkenntnisse und als Sohn des Mehrheitsbeteiligten der Klägerin faktisch weisungsfrei gearbeitet habe.

Der 1980 geborene Kläger hat nach Abschluss der Lehre zum Industrieelektroniker eine Ausbildung zum staatlich geprüften Informatik-Techniker absolviert. Von 2004 bis 2010 studierte er an der Fachhochschule mit Abschluss als Diplom-Informatiker. Ende 2005 gründete er die Einzelfirma E. Datentechnik.

Der Vater des Klägers, J. A., Maurermeister, war Alleingesellschafter der A. GmbH Vermögensverwaltung, gegründet 1988 für Bauvorhaben. Er war Inhaber aller Geschäftsanteile in Höhe von 50.000,- Deutsche Mark.

Mit notariellem Vertrag vom 26.11.2013 vereinbarten der Kläger und sein Vater, beide handelnd in eigenem Namen und für die Firma A. GmbH Vermögensverwaltung die Veräußerung eines Teilgeschäftsanteils von 10.000,- DM an den Kläger zum Preis von 5.112,91 Euro und die Bestellung des Klägers als neuer Geschäftsführer unter Ablösung der bisherigen Geschäftsführerin Frau B.

Vereinbart wurde, dass der Geschäftsführer stets einzelvertretungsberechtigt ist und ermächtigt ist, die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften mit sich selbst oder als Vertreter eines Dritten zu vertreten (Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB). Ferner wurde vereinbart, dass das auf Euro umgestellte Stammkapital auf insgesamt 75.000,- Euro erhöht wird. Der Kläger erhielt einen Geschäftsanteil in Höhe von 15.000,- Euro (gleich 20%), der Vater des Klägers die restlichen 60.000,- Euro. Die neuen Geschäftsanteile sind ab Beginn des bei Handelsregistereintragung der Kapitalerhöhung laufenden Geschäftsjahres gewinnbezugsberechtigt.

Zugleich wurde die Satzung der Gesellschaft insgesamt neu gefasst:

In § 1 erhielt die Klägerin den neuen Namen A. Datentechnik GmbH. § 2 legte als Gegenstand des Unternehmens Telekommunikationsdienstleistungen (Internet), Dienstleistungen im IT- und Internetbereich sowie Handel mit IT- und TK-Produkten fest. In § 5 wurde geregelt, dass Geschäftsführer alleinvertretungsberechtigt sind, wenn nur ein Geschäftsführer bestellt ist und dass ein Geschäftsführer nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann. Für die Gesellschafter besteht gemäß § 13 kein Wettbewerbsverbot im Verhältnis zur Gesellschaft. Eine Bestimmung über die Beschlussfassung enthält die Satzung nicht.

Am 11.02.2014 beantragte der 1980 geborene Kläger die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status für seine Tätigkeit für die Klägerin. Beginn der Tätigkeit sei der 26.11.2013 gewesen. Eine Treuhandvereinbarung zur Ausübung von Stimmrechten bestehe nicht. Der Kläger kann nach seinen Angaben mangels vertraglicher Sonderrechte Gesellschafterbeschlüsse weder herbeiführen noch verhindern. Darlehen oder Bürgschaften habe der Kläger nicht übernommen. Für die Führung des Unternehmens verfüge nur er über die erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse. Zuvor sei er seit 01.10.2005 bis aktuell Inhaber einer Einzelfirma der IT-Branche gewesen. Die regelmäßige Arbeitszeit betrage 40 Wochenstunden. Er unterliege bezüglich Zeit, Ort oder Art der Beschäftigung keinem Weisungsrecht und könne seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten. Die Gestaltung der Tätigkeit sei von den betrieblichen Erfordernissen abhängig. Er könne selbstständig Personal einstellen oder entlassen. Urlaub müsse er sich nicht genehmigen lassen. Eine Abberufung/Kündigung sei jederzeit möglich, die Kündigungsfrist betrage 6 Monate zum Quartalsende. Er erhalte eine gleichbleibende monatliche Vergütung von 4.350,- Euro. Bei Arbeitsunfähigkeit erfolge eine Fortzahlung der Vergütung für sechs Monate. Von der Vergütung werde Lohnsteuer entrichtet und diese werde als Betriebsausgabe verbucht. Er sei mit Tantiemen am Gewinn beteiligt.

Vorgelegt wurde der Dienstvertrag vom 26.11.2013, abgeschlossen durch die Klägerin vertreten durch die Gesellschafterversammlung und den Kläger.

Nach § 1 (Aufgaben) besteht Alleinvertretung. Der Geschäftsführer hat die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu befolgen. Er ist von den Beschränkungen nach § 181 BGB befreit. Nach § 2 (Umfang der Geschäftsführungsbefugnis) ist der Geschäftsführer für alle Handlungen des gewöhnlichen Betriebs zuständig. Für außergewöhnliche Geschäfte ist die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung notwendig, insbesondere für Einstellung/Entlassung leitender Angestellter, Erwerb/Veräußerung von Grundstücken, Investitionen die im Einzelfall den Betrag von 25.000,- Euro übersteigen, Gewährung von Sicherheiten von mehr als 25.000,- Euro, Aufnahme von Krediten von mehr als 25.000,- Euro außer laufenden Ratenkredite, etc.

Nach § 3 (Bezüge) erhält der Geschäftsführer Bezüge von monatlich 4350,- Euro und Tantieme in Höhe von 15% des tantiemepflichtigen Gewinnes. Nach § 4 erfolgt Gehaltsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall für sechs Monate. Der Jahresurlaub beträgt 25 Arbeitstage (§ 5). Ab Kalenderjahr 2016 wird eine betriebliche Altersversorgung zugesagt (§ 6). Nach § 8 hat der Geschäftsführer die Pflicht, seine ganze Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Jedwede auf Erwerb gerichtete Nebentätigkeit bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Für zwei Jahre nach Beendigung des Vertrags besteht ein Wettbewerbsverbot. Nach § 9 tritt der Dienstvertrag am 26.11.2013 in Kraft. Es besteht eine Probezeit von einem Jahr mit Kündigungsfrist drei Monate, danach eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines Quartals.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 14.02.2014 dazu angehört, dass die Beklagte beabsichtige, das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu bejahen. Der Kläger wies darauf hin, dass die GmbH ursprünglich als Bauunternehmen gegründet worden sei. Mit Aufgabe der Bautätigkeit sei Geschäftsgegenstand die Vermögensverwaltung gewesen. Aufgrund seiner Ausbildung als Diplom-Informatiker (FH) verfüge er allein über die notwendigen Fachkenntnisse und Qualifikationen zur Geschäftsführung und treffe die entscheidenden strategischen Entscheidungen. Das wirtschaftliche Wohl und die Zukunft der GmbH sei ausschließlich von seiner Person abhängig.

Mit zwei gleich lautenden Bescheiden vom 14.05.2014 stellte der Beklagte jeweils gegenüber den Klägern fest, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Klägerin seit 26.11.2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab 26.11.2013. Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses würden überwiegen. Bei einem Anteil von 20% des Gesamtkapitals sei es dem Kläger nicht möglich, die Geschicke der Firma maßgeblich zu beeinflussen. Er habe keine Vetorechte oder Sperrminoritäten und könne keine Entscheidungen verhindern. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage der Kläger zu 1 kein Unternehmensrisiko. Die Tantieme sei nur Ausdruck eines leistungsorientierten Vergütungsbestandteils. Trotz weit gehender Gestaltungsfreiheit bezüglich Zeit, Ort und Ausübung der Tätigkeit bleibe die Arbeitsleistung fremdbestimmt, da sie in die von der Gesellschafterversammlung vorgegebene Ordnung des Betriebs eingegliedert sei. Besondere Branchenkenntnisse seien für Geschäftsführer durchaus üblich.

Für die beiden Kläger wurden rechtzeitig Widersprüche eingelegt. Der Kläger habe einen so großen tatsächlichen Einfluss auf die Willensbildung im Unternehmen, dass Weisungen faktisch ausgeschlossen seien. Dies gelte besonders für Familienunternehmen. Aufgrund familiärer Rücksichtnahme werde das Weisungsrecht nicht ausgeübt.

Die Widersprüche wurden mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 25.08.2014 zurückgewiesen. Maßgeblich für die Bestimmung der persönlichen Abhängigkeit sei die abstrakte Rechtsmacht, die allein durch fehlenden Gebrauch nicht verloren gehe. Der Kläger habe bei einem Anteil am Stammkapital von 20% keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Beschlüsse der GmbH würden mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Die Wahrnehmung von Handlungsfreiheiten sei bei leitenden Angestellten, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Die Zahlung des monatlichen Festgehalts, die Fortzahlung des Gehalts im Krankheitsfall und ein bezahlter Erholungsurlaub seien gewichtige Indizien für eine abhängige Beschäftigung. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht zu erkennen. Die familienhafte Rücksichtname im Rahmen einer „Schönwetter-Selbstständigkeit“ sei nicht entscheidend (BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 R 14/10 R).

Der Kläger erhob am 17.09.2014 die Klage S 56 R 1776/14. Die Klägerin erhob am 19.09.2014 die Klage S 56 R 1799/14. Der Kläger arbeite weisungsfrei. Er allein habe Branchenkenntnis. Er habe das bereits vorhandene Einzelunternehmen E. Datentechnik in die GmbH eingebracht. Es sei geplant, dass der Kläger nach und nach die Anteile der Gesellschaft übernehme. Es habe lediglich steuerrechtliche Gründe, dass er nicht von Anfang an sämtliche Anteile übernommen habe. Die Mitarbeit in einer Familien-GmbH sei anders zu beurteilen (BSG, Urteil vom 08.12.1987, 7 RAr 25/86 und BSG, Urteil vom 11.02.1993, 7 RAr 48/92). Es sei zu prüfen, ob tatsächlich eine Weisungsbindung bestehe. Der Kläger sei „Kopf und Seele“ des Betriebs.

Der Kläger wurde zum Verfahren der Klägerin notwendig beigeladen und umgekehrt. Der Kläger teilte mit, dass seine Einzelfirma floriert habe. Die Klägerin habe keine Umsatzerlöse gehabt, nur sonstige Erträge von z. B. je 34.000,- Euro in 2011 und 2012 bzw. 17.000,- Euro in 2013. Er habe, entsprechend dem Namenswechsel, seine Einzelfirma in die GmbH eingebracht. Es sei nur darum gegangen, die 100.000,- Euro Verlustvortrag der Klägerin zu nutzen. Sein Vater habe eine Pensionszusage der Klägerin von monatlich 500,- Euro.

Die beiden Klagen wurden verbunden und mit Urteil vom 29.01.2015 abgewiesen.

Der tatsächlich eingeräumten Rechtsmacht komme die größere Bedeutung zu als den tatsächlichen Verhältnissen. Denn entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer Beschäftigung sei die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten abzuwenden. Diese mögen aufgrund geübter familiärer Rücksichtnahme solange nicht erteilt werden, wie das Einvernehmen der Beteiligten gewahrt bleibe. Im Falle eines Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die tatsächlich zustehende Rechtsmacht zum Tragen, so dass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestehe. Eine solche „Schönwetter-Selbstständigkeit“ sei mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So habe das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liege, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein könne (BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, Rn. 32).

Im Sinne der Rechtssicherheit sei auf die rechtlichen Verhältnisse und die sich aus ihnen ergebende Rechtsmacht abzustellen. Es bestehe das Erfordernis, den sozialversicherungsrechtlichen Status von objektiv beurteilbaren Gegebenheiten und nicht von situationsgebundenen und ohne weiteres veränderbaren persönlichen Verhältnissen der in einem Unternehmen tätigen Personen und Entscheidungsträger abhängig zu machen. Eine selbstständige Tätigkeit komme deshalb nur dann in Betracht, wenn der Geschäftsführer entweder Mehrheitsgesellschafter ist oder über eine Sperrminorität verfügt. Auf andere Umstände wie z. B. eine überragende Marktkenntnis komme es nicht an. Dies würde der erstrebten Vorhersehbarkeit der Verhältnisse entgegenstehen. Auch die überragende Marktkenntnis verschaffe keine beherrschende Position. Denn es bestehe die Möglichkeit, im Fall eines persönlichen Zerwürfnisses die Marktkenntnis durch einen anderen Geschäftsführer oder Mitarbeiter in das Unternehmen einzubringen.

Der Kläger sei weder Mehrheitsgesellschafter noch verfüge er mit 20% der Stammeinlage über eine Sperrminorität. Beschlüsse der Gesellschafter würden nach der gesetzlichen Regelung des § 47 Abs. 1 GmbHG mit einfacher Mehrheit gefasst werden.

Die von dem Kläger genannten steuerlichen Beweggründe für die konkrete Ausgestaltung der Beteiligungsverhältnisse führten zu keinem anderen Ergebnis. Die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit habe sich an § 7 SGB IV und dem Zweck der Norm, unselbstständigen Erwerbstätigen in den Schutz der Sozialversicherung einzubeziehen zu orientieren. Es sei nicht Aufgabe dieser Abgrenzung, für das betroffene Unternehmen die optimale steuerliche Lösung sicherzustellen. Das Urteil wurde den Klägern am 02.03.2015 zugestellt.

Die Kläger haben beide am 05.03.2015 Berufung gegen das Urteil eingelegt. Die Einzelfirma des Klägers sei ein gesundes Unternehmen gewesen. Geschäftsräume, Know-how, Kunden, Mitarbeiter und die Ausstattung seien nicht verändert worden. Eigentlich sei die Klägerin in dem Einzelunternehmen aufgegangen. Der Kläger sei faktisch Alleininhaber der GmbH. Die Rechtsmacht sei lediglich ein formales Kriterium. Der Kläger habe wenn überhaupt nur wenig Urlaub genommen. Die Regelungen zum Festgehalt, bezahlten Urlaub und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall seien üblich und schon wegen dem Problem der verdeckten Gewinnausschüttung nötig.

Mit notarieller Urkunde vom 24.03.2015 ist eine Änderung der Satzung der Klägerin belegt worden. § 6 Abs. 3 lautet nunmehr: „Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden einstimmig gefasst.“ Diese Änderung ist am 13.04.2015 ins Handelsregister eingetragen worden. Die Beklagte hat ein Teilanerkenntnis abgegeben. Der Kläger sei seit 13.04.2015 nicht mehr im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig. Die Kläger haben dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Die Bundesagentur für Arbeit ist notwendig beigeladen worden.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. Januar 2015 sowie den Bescheid vom 14.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.08.2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit von 26.11.2013 bis 12.04.2015 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akte des Beklagten, insbesondere auf den dortigen Dienstvertrag vom 26.11.2013, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Berufungsgerichts verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist richtig und überzeugend. Der Kläger war in der Zeit von 26.11.2013 bis 12.04.2015 als abhängig Beschäftigter der Klägerin versicherungspflichtig nach dem Recht der GRV und der Arbeitsförderung.

Streitgegenstand sind die Bescheide vom 14.05.2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.08.2014, in denen die Beklagte die Tätigkeit des Klägers bei der Klägerin für die Zeit ab 26.11.2013 als abhängige Beschäftigung eingestuft hat und die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt hat. Der streitige Zeitraum endet infolge des angenommenen Teilanerkenntnisses gemäß § 101 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Ablauf des 12.04.2015.

Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 56 SGG). Denn über die Aufhebung des angefochtenen Bescheides hinaus begehren die Kläger die Feststellung des Nichtbestehens der Versicherungspflicht zur GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Es besteht Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III für gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen.

1. Prüfungsmaßstab hierfür ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung „die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“ (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, Rn. 15).

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist.

Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, Rn. 16).

Die allgemeinen Grundsätze zur Unterscheidung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit gelten auch für Geschäftsführer einer GmbH.

Grundsätzlich kann ein Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis aus, wenn der Geschäftsführer-Gesellschafter damit an ihn gerichtete Einzelanweisungen im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann. Das Bundessozialgericht bejaht eine selbstständige Tätigkeit, wenn der Geschäftsführer-Gesellschafter entweder Mehrheitsgesellschafter ist oder über eine Sperrminorität dergestalt verfügt, dass er an ihn gerichtete Weisungen verhindern kann (BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, Rn. 25). Demgegenüber geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Fremdgeschäftsführer (Geschäftsführer ohne Gesellschaftsanteile) in der Regel in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (siehe BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 R 14/10 R, Rn. 21).

2. Ausgehend von den tatsächlichen Umständen haben im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, höheres Gewicht als die Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen

Nach dem Vortrag der Kläger seien keine Weisungen erfolgt. Diese seien wegen des überlegenen Fachwissen des Klägers („Herz und Seele des Betriebs“) und der familiären Beziehung zum Inhaber der Mehrheitsbeteiligung der Klägerin auch ausgeschlossen. Selbst wenn es in der tatsächlichen Praxis nicht zu Weisungen gekommen ist, ist dies nicht entscheidend, weil die im Dienstvertrag getroffenen Vereinbarungen, die Regelungen der GmbH-Satzung und das GmbH-Gesetz (GmbHG) verbindliche Regelungen bewirken, wonach der Kläger in einem fremden Betrieb weisungsabhängig tätig war.

Der Kläger war abhängig Beschäftigter der Klägerin. Er hatte keinerlei Rechtsmacht. Er war dem Weisungsrecht des Mehrheitsgesellschafters uneingeschränkt unterworfen. Er wurde behandelt wie ein Arbeitnehmer (festes Gehalt, Urlaub, Lohnfortzahlung) und er hatte kein Unternehmerrisiko.

Ausgangspunkt der Prüfung ist der Dienstvertrag. Der Kläger ist nach dem Dienstvertrag eindeutig ein abhängig Beschäftigter. Der Gesellschaftsvertrag bestätigt dies. Die Weisungsabhängigkeit des Klägers wurde nicht wirksam abbedungen.

Der Kläger hat als Geschäftsführer nach § 1 des Dienstvertrags die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu befolgen, soweit Vereinbarungen im Dienstvertrag nicht entgegenstehen. Der Dienstvertrag enthält keine Regelungen, die die Weisungsbindung beschränken. Dass er nach § 2 des Dienstvertrags für die Geschäfte des gewöhnlichen Betriebs zuständig ist, ist selbstverständlich und schränkt die Weisungsbefugnisse der Gesellschaft bzw. deren Gesellschafterversammlung - auch im Bereich der gewöhnlichen Geschäfte - nicht ein.

Nach der Satzung und dem GmbHG hat der Kläger dieser Weisungsbefugnis nichts entgegenzusetzen. Mit dem Geschäftsanteil von 20% am Stammkapital der Klägerin (vgl. § 5 GmbHG) kann der Kläger in der GmbH nichts durchsetzen oder verhindern. Er hat weder einen beherrschenden Einfluss noch eine Sperrminorität. Die Entscheidungen werden mangels einer anderweitigen Bestimmung in der Satzung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen getroffen, § 47 Abs. 1 GmbHG. Der Kläger hatte mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 15.000,- Euro von 75.000,- Euro nur einen Anteil von nur 20%. Sein Vater hatte einen Anteil von 80%. Der Vater des Klägers hätte dem Kläger jederzeit verbindliche Weisungen erteilen können. Bei einem Zerwürfnis hätte der Vater den Kläger auch entlassen können (wichtiger Grund nach § 5 Abs. 2 der Satzung) und den Kläger durch einen fachkompetenten anderen Geschäftsführer ersetzen können. Durch eine derartige Entwicklung ist auch das Argument des Klägers, er sei „Kopf und Seele des Betriebs“, entwertet. Er wäre dann ein „ersetzter Kopf und ersetzte Seele des Betriebs“ gewesen.

Diese grundsätzliche gesellschaftsrechtliche Bewertung wird durch die weiteren Regelungen des Dienstvertrags bestätigt.

Der Kläger wurde wie ein Arbeitnehmer mit einem festen monatlichen Gehalt entlohnt. Dieses wurde zur Lohnsteuer veranlagt, sprich nach § 36 Einkommensteuergesetz der Besteuerung für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit unterworfen.

Die Tantieme ist kein Beleg für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers. Tantiemen sind als erfolgsabhängige Vergütung bei in höheren Diensten abhängig Beschäftigten durchaus verbreitet. So war es auch hier. Die Höhe der Tantieme von 15% des tantiemepflichtigen Gewinns entsprach nicht dem Geschäftsanteil von 20%. Die Gewinnbeteiligung als Anteilseigner bestand neben der Tantieme.

Auch die sonstigen Regelungen des Dienstvertrags entsprechen weitgehend einem Arbeitsvertrag eines Beschäftigten: Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (§ 4), der Jahresurlaub von 25 Arbeitstagen (§ 5), die Pflicht, die ganze Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft zu stellen und jedwede erwerbsbezogene Nebentätigkeit genehmigen zu lassen (§ 8 Abs. 1) sowie die Vereinbarung einer Altersversorgung (§ 6), einer Probezeit (§ 9) und eines Wettbewerbsverbotes (§ 13).

Ein erhebliches Unternehmensrisiko des Klägers ist nicht festzustellen. Maßgebliches Kriterium für ein Unternehmerrisiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Das Bestehen eines Unternehmerrisikos ist nicht schlechthin entscheidend, sondern nur im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, Rn. 23). Der Kläger hat 20% des Stammkapitals übernommen. Wenn die Klägerin in Vermögensverfall kommt, kann er dieses Kapital verlieren. Dieses Risiko trägt er aber als Anteilseigner, nicht als Geschäftsführer. Darlehen oder Bürgschaften hat der Kläger für die Klägerin nicht gegeben bzw. übernommen. Für seine Arbeitskraft erhält er ein festes Gehalt zuzüglich Tantiemen.

3. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er aufgrund familienbedingter Rücksichtnahme selbstständig tätig sei. Hier ist in der Rechtsprechung ein Wandel eingetreten.

In der Vergangenheit haben Senate des BSG - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungsrechts und der Unfallversicherung - trotz fehlender Sperrminorität des Geschäftsführers einer Gesellschaft eine selbstständige Tätigkeit für möglich erachtet, wenn die Tätigkeit in der Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme auf familiäre Bindungen geprägt war. Insoweit wird auf die Darstellung im Urteil des BSG vom 29.08.2012, B 12 R 14/10 R, Rn. 27, verwiesen. In den früheren Entscheidungen ging es im Kern darum, Leistungsansprüche von Klägern zu prüfen, die diese aus einer angeblich abhängigen Beschäftigung mit zum Teil sehr hohen Vergütungen ableiteten.

Diese frühere Rechtsprechung orientiert sich nicht an den Abgrenzungskriterien, die das BSG für Statusfeststellungen entwickelt hat, insbesondere zum Verhältnis vertraglicher Abreden zu den tatsächlichen Verhältnissen.

Das BSG führt im Urteil vom 29.08.2012, B 12 R 14/10 R, dort Rn. 28, dazu aus (ebenso BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, Rn. 32):

„Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung [Urteil vom 30.01.1990, 11 RAr 47/88] (ggf. modifiziert bzw. auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, maßgebende Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, so dass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (...).

Eine solche „Schönwetter-Selbstständigkeit“ ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (...).“

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass im vorliegenden Fall die tatsächlichen objektiven Verhältnisse, das heißt die tatsächliche Rechtsmacht, sprich die Weisungsabhängigkeit des Klägers, den Ausschlag gibt. Es handelte sich lediglich um eine subjektive „Schönwetter-Selbstständigkeit“, auf die nicht abgestellt werden kann.

4. Der Beginn der Versicherungspflicht erfolgt mit Beschäftigungsbeginn. Er ist nicht gemäß § 7a Abs. 6 SGB IV hinauszuschieben, weil der Antrag auf Statusfeststellung nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung (26.11.2013) gestellt wurde, sondern erst am 11.02.2014.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kläger sind unterlegen. Die Klägerin ist zwar keine kostenprivilegierte Beteiligte nach § 183 SGG und wäre daher der Kostenentscheidung nach § 197a SGG zuzuordnen. Es handelt sich bei einer Statusfeststellung nach § 7a SGB IV aber nicht um eine objektive Klagehäufung nach § 56 SGG, sondern um einen einheitlichen Streitgegenstand (zu dieser Unterscheidung siehe BSG, Beschluss 26.07.2006, B 3 KR 6/06 B). Deshalb erfolgte auch die notwendige Beiladung des anderen Beteiligten nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG. Aus diesem Grund erstreckt sich die Kostenprivilegierung nach § 193 SGG auch auf die Klägerin als GmbH (ebenso BSG, Urteil vom 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R, Rn. 43, BayLSG, Beschluss vom 07.07.2015, L 7 AS 4/15 B und Beschluss vom 02.03.2010, L 5 R 109/10 B, sowie LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.10.2014, L 4 R 2204/13, Rn. 76; a.A. etwa LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.12.2013, L 6 R 152/12 B).

Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG ersichtlich sind.

Versicherungspflichtig sind

1.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; während des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch besteht die Versicherungspflicht fort,
2.
behinderte Menschen, die
a)
in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
b)
in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
3.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen; dies gilt auch für Personen während der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches,
3a.
(weggefallen)
4.
Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften während ihres Dienstes für die Gemeinschaft und während der Zeit ihrer außerschulischen Ausbildung.
Personen, die Wehrdienst leisten und nicht in einem Dienstverhältnis als Berufssoldat oder Soldat auf Zeit stehen, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Satz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienstleistende im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 oder 2a und Satz 4. Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft sind in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes als ein Unternehmen gelten. Die in Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Personen gelten als Beschäftigte im Sinne des Rechts der Rentenversicherung. Die folgenden Personen stehen den Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 gleich:
1.
Auszubildende, die in einer außerbetrieblichen Einrichtung im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz ausgebildet werden,
2.
Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 betrifft.

In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.

2

Der am 1961 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 11.2.1986 zunächst als Schlosser und nach Ablegen der Meisterprüfung noch im selben Jahr als Betriebsleiter bei der Beigeladenen zu 1., einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Rührwerksbau". Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 11.5.2001 der Vater des Klägers. Die Geschäftsanteile erbte dessen Ehefrau; der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 31.8.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Bereits am 30.4.1996 hatte der Vater des Klägers "gemäß § 48 Abs 2 GmbHG" folgende Niederschrift verfasst:

        

"… Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder S. und M. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt und gestaltet werden."

3

Der Kläger war bis 30.11.1999 Mitglied der beklagten Krankenkasse, seit 1.1.1996 aufgrund freiwilliger Versicherung. Nachdem eine neu gewählte Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. für spätere Zeiträume nicht versicherungspflichtig in der RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2005 eine entsprechende Beurteilung auch für den (nun streitigen) Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 durch die Beklagte als Einzugsstelle. Diese stellte mit Bescheid vom 23.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006 fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt gewesen sei und der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Das SG hat die auf Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2008).

4

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe (Urteil vom 22.9.2010): Für eine Beschäftigung sprächen ua die fehlende Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung des Klägers, die Vereinbarungen des Anstellungsvertrags und die begrenzte Befugnis des Klägers, die Geschicke "der Firma" rechtsverbindlich zu gestalten. Demgegenüber sprächen die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine Beschäftigung. So habe sein Vater dem Kläger mit der Niederschrift vom 30.4.1996 unter Verzicht auf sein Weisungsrecht die Unternehmensleitung übertragen. Dadurch habe der Kläger zusammen mit seiner Schwester nach eigenem Gutdünken frei "schalten und walten" können. Durch Übernahme einer Bürgschaft über 100 000 DM habe er ein wirtschaftliches Risiko getragen und sei am Gewinn der Firma beteiligt gewesen. Er habe die alleinigen Branchenkenntnisse in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte gehabt, sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Kundengespräche geführt, Angebote eingeholt sowie Kalkulationen erstellt, ohne sich im Einzelnen mit seinem Vater abzusprechen. Diesen tatsächlichen Verhältnissen komme bei der rechtlichen Beurteilung Vorrang gegenüber den vertraglichen Regelungen zu.

5

Mit der allein vom ihm eingelegten Revision rügt der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG seit dem Jahr 2006 (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da das LSG sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt habe, "dass eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer formlosen Abbedingung vorgehen bzw. auch dann, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich nicht möglich ist". Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger am Stammkapital der zu 1. beigeladenen GmbH nicht beteiligt gewesen sei und bezogen auf die Gesellschaft keinerlei "Rechtsmacht" besessen habe. Diese Rechtsmacht habe trotz des Verzichts auf ein Weisungsrecht bei dessen Vater, dem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., gelegen. Zudem habe der Kläger die Beigeladene zu 1. nicht wie ein Alleininhaber, sondern nur zusammen mit seiner Schwester geleitet.

6

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufzuheben, soweit dieses unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 festgestellt hat, der Kläger habe in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen,
ferner, insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei mit der Niederschrift vom 30.4.1996 bereits die Bevollmächtigung beider Kinder durch ihren Vater erfolgt, der zugleich auf sein Weisungsrecht sowohl als Geschäftsführer wie auch als Gesellschafter verzichtet habe. Darauf, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit der - im Übrigen als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuften - Schwester erfolgte, komme es nicht an.

9

Die Beklagte und die zu 3. beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließen sich der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2. an, die Beigeladene zu 3. ohne einen Antrag zu stellen.

10

Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.

Entscheidungsgründe

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Die auf die angefochtene Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten sind bezogen darauf rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem Umfang aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.

12

1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Vorliegend lässt das Revisionsvorbringen noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Beigeladene zu 2. die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den tatsächlichen Verhältnissen generell Vorrang gegenüber den gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelungen zu, und dass sie dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.

13

2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.

14

Zu Unrecht hat das LSG hier die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Bescheide der Beklagten sowie das SG-Urteil insoweit aufgehoben. Dabei ist das LSG zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Tatbestand der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen; es hat jedoch die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Wiederum zutreffend hat das LSG eine Tätigkeit in einem fremden Betrieb vorausgesetzt und den "Anstellungsvertrag" des Klägers zum Ausgangspunkt der weiteren Prüfung und seiner Tatsachenfeststellungen gemacht (hierzu b). Im Ergebnis keinen Bestand haben indes die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung des LSG sowie seine davon ausgehende Bewertung des Gesamtbildes der Erwerbstätigkeit (hierzu c). Dabei steht der Einordnung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. als (abhängige) Beschäftigung die Rechtsprechung des BSG zur Tätigkeit in Familiengesellschaften nicht entgegen (hierzu d).

15

a) In den Jahren 1996 bis 1999, die hier in Streit stehen, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der RV der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; ab 1.1.1998 idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

16

Zutreffend weist die Beigeladene zu 2. in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass zur Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-25).

17

Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier zwar von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unten c). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Anstellungsvertrags überhaupt abdingbar waren.

18

b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.

19

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 11.2.1986, der deren Vertragsverhältnis zunächst ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG - lückenhaft - festgestellten Inhalt - regelmäßiges Entgelt, feste wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Nach abgelegter Meisterprüfung wurde der Kläger sodann als Betriebsleiter eingesetzt; hiermit evtl verbundene rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" hat das LSG aber ebenso wenig festgestellt, wie es Feststellungen zur Frage dafür einzuhaltender möglicher Formerfordernisse bei Vertragsänderungen getroffen hat.

20

Eine weitere Änderung der Stellung des Klägers erfolgte aufgrund der als Gesellschafterbeschluss (§ 48 GmbHG) auszulegenden Niederschrift seines Vaters vom 30.4.1996 mit der Übertragung der "Leitung" des technischen und gewerblichen Bereichs der GmbH an ihn. Dieser Beschluss enthielt gleichzeitig eine Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot und einen Verzicht seines Vater - des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. - auf ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Zudem wurde dem Kläger eine Gewinntantieme zugesagt und das Recht eingeräumt, über seine eigene Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass dies auch der betrieblichen Praxis entsprach. So führte der Kläger fortan die Kundengespräche, holte Angebote ein und stellte Kalkulationen auf, ohne im Einzelnen Rücksprache mit seinem Vater zu nehmen. Der Kläger war Ansprechpartner für Kunden und für Mitarbeiter. Zumindest einen Mitarbeiter stellte er ein, wenn auch der Arbeitsvertrag auf Seiten der Beigeladenen zu 1. vom Vater des Klägers unterschrieben wurde. Der Vater hatte sich - obwohl täglich im Betrieb anwesend - nach den Feststellungen des LSG "nicht mehr eingemischt" und nahm auch auf die Einstellung von Personal keinen Einfluss mehr.

21

Offenbleiben kann vorliegend, ob die in der Niederschrift des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 erwähnten Vollmachten für den Kläger zu diesem Zeitpunkt oder später tatsächlich erteilt wurden und ob die Beigeladene zu 2. insoweit eine zulässige Sachrüge erhoben hat. Denn auch für den Fall, dass dem Kläger die zur Leitung des technischen und gewerblichen Teils der Beigeladenen zu 1. erforderlichen Vollmachten erteilt wurden, tragen die vom LSG festgestellten Umstände nicht dessen rechtlichen Schluss, dass sich mit der Niederschrift vom 30.4.1996 der Charakter der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. dahingehend wandelte, dass der Kläger nunmehr selbstständig tätig sein sollte.

22

c) Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 1. auch in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.

23

Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - etwa in Form eines freien Dienstverhältnisses - ergibt sich nicht daraus, dass der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. durch Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 auf "das Weisungsrecht" gegenüber dem Kläger verzichtete und diesem das Recht einräumte, seine Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Zwar unterlag der Kläger dadurch nicht mehr umfassend einem Weisungsrecht seines Arbeitgebers - handelnd durch den weiterhin allein als Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH im Handelsregister eingetragenen Vater - hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten mögen (wie das LSG im vorliegenden Fall anhand der Aussage des Zeugen R. festgestellt hat).

24

Eine solche noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes bestand bei dem Kläger auch nach dem 30.4.1996. Durch den Gesellschafterbeschluss erlangte er die Stellung eines Angestellten, der nach den Feststellungen des LSG auch in der betrieblichen Praxis den technischen und gewerblichen Teil der Beigeladenen zu 1. mit "entsprechenden Vollmachten" eigenverantwortlich zu leiten hatte. Dennoch blieb der Kläger weiterhin in die durch die Beigeladene zu 1. bzw ihren gesellschaftsrechtlich maßgebenden Geschäftsführer (= Vater des Klägers) vorgegebene Organisation eingebunden, da seine Leitungsmacht nur auf einen bestimmten Unternehmensteil beschränkt war, während die Leitung des kaufmännischen Teils der Beigeladenen zu 1. ausschließlich seiner Schwester oblag. Die Vollmacht, diese Entscheidung zur konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene zu ändern, besaß der Kläger nicht. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war seine Vertretungsbefugnis rechtlich zwingend auf den Umfang einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht iS von § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) begrenzt, die sich zwar auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, die jedoch nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein (rechtlich nachgeordnetes) Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet war(BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 - NJW 2009, 293, 294 mwN). Schon von Gesetzes wegen (§ 54 Abs 2 HGB) waren jedenfalls die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung von der Bevollmächtigung ausgenommen. Die anderenfalls notwendige besondere Erteilung der Vollmacht auch für diese Befugnisse hat das LSG nicht festgestellt. Darüber hinaus unterlag der Kläger selbst in dem ihm danach zugewiesenen eingeschränkten Vollmachtsrahmen zwingend der Kontrolle des GmbH-Geschäftsführers (vgl zu dessen Stellung allgemein zB Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl 2010, § 35 RdNr 76 mwN). Soweit der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. diese Kontrolle tatsächlich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausübte, etwa weil - wie das LSG herausstellt - er sich darauf verließ, dass der Kläger die einzelnen Aufträge ordnungsgemäß einholte und durchführte, ist dies für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenso unbeachtlich, wie ein auch die zur Ausübung dieser Kontrolle notwendigen Weisungen umfassender Verzicht auf das Weisungsrecht, denn insoweit wären die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten (hierzu bereits oben a). Im Übrigen deutet sogar die Feststellung des LSG, der Zeuge R. sei "von dem Kläger eingestellt worden", den Arbeitsvertrag habe jedoch der Vater unterschrieben, darauf hin, dass die dem Kläger erteilten Vollmachten auch in der betrieblichen Praxis nicht umfassend, sondern begrenzt waren.

25

Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. Gleichzeitig blieb seine Position innerhalb des Unternehmens ohnehin deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers - als solcher wurde er trotz der vorgenommenen Änderungen (weiterhin) nicht bestellt, sondern erst nach dem Tod des Vaters Ende August 2001 - zurück. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448 S 253).

26

Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f), doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 5.2.1994 für die Beigeladene zu 1. übernommene Bürgschaft des Klägers über 100 000 DM ihm eine solche Einflussnahme ermöglichte. Aus diesem Grunde war der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 erfolgte, in seinem Umfang ohnehin begrenzte Verzicht auf das Weisungsrecht nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich im Konfliktfall jederzeit widerrufbar, ohne dass der Kläger dieses hätte verhindern können.

27

Für eine fortbestehende Eingliederung in eine vorgegebene betriebliche Ordnung trotz des - wie aufgezeigt - begrenzten Verzichts auf ein Weisungsrecht spricht auch die im Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 festgelegte Bindung der vom Kläger im Übrigen frei selbst zu bestimmenden Arbeits- und Urlaubszeit an die "Lage der Gesellschaft" (in diesem Sinne zur Bindung der Urlaubsplanung an die Bedürfnisse der Geschäftsführung BSG SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 17). Dass der Kläger im Rahmen der ihm erteilten begrenzten Vollmachten vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer einer kleineren GmbH bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1, RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17)- nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.

28

Ebenso hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl zB BSG SozR 2100 § 17 Nr 3; BSG Urteil vom 28.4.1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering. Wie die Gewichtung beispielsweise bei einer Tätigkeit in einem Einzelunternehmen zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit im fremden oder im (auch) eigenen Betrieb in Frage steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Beigeladenen zu 1., einer GmbH, an deren Stammkapital der Kläger nicht beteiligt war, aus (vgl oben unter b). Daher ist es auch unschädlich, dass das LSG die konkrete Höhe der Tantieme und Anlass, zu sicherndes Risiko sowie Fortbestand der Bürgschaft während des streitigen Zeitraums nicht festgestellt hat und somit das Ausmaß des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Klägers am Erfolg der Beigeladenen zu 1. nicht einmal genau feststeht.

29

Soweit das LSG im Hinblick auf die Bürgschaft über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinaus auch ein "typisches Unternehmerrisiko" des Klägers angenommen und als Indiz für eine Selbstständigkeit gewertet hat, erfasst es die Bedeutung dieses Merkmals im vorliegenden Kontext nicht zutreffend. So kann eine Bürgschaft wie die des Klägers für die Beigeladene zu 1., bei der er die hier streitige Tätigkeit ausübt, in erster Linie für die Abgrenzung einer Beschäftigung gegenüber einer durch "Mitunternehmerschaft" begründeten Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb von Bedeutung sein. Für die vorliegend vorzunehmende Zuordnung einer Tätigkeit in einem - wie oben dargelegt zweifellos - fremden Betrieb ist ihre Bedeutung jedoch gering. Denn diese Bürgschaft begründete kein mit der Tätigkeit - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich war. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl hierzu allgemein Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 153). Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm nach den Feststellungen des LSG auch nach dem 30.4.1996 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf "die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes" zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.

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d) Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.

31

Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings : BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).

32

Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).

33

Auf die dargestellte Frage kommt es vorliegend nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger habe seit April 1996 die Geschäfte der Beigeladenen zu 1. "nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten" können (vgl dazu BSG <11. Senat> BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4), nicht tragen. So hat das LSG seine Schlussfolgerung bereits selbst dahin eingeschränkt, dass der Kläger die Beigeladene zu 1. "mit seiner Schwester allein" geführt habe (Seite 15 des Urteils) bzw nur zusammen mit ihr habe führen können. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass das LSG keine Feststellungen zum Umfang des Einvernehmens zwischen dem Kläger und seiner Schwester getroffen hat. Denn auch bei großzügiger Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 war die Leitungsmacht des Klägers ausschließlich auf "den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens" beschränkt. Nur die darauf bezogenen "entsprechenden Vollmachten" wurden erteilt oder sollten noch erteilt werden. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. insgesamt war dem Kläger damit nicht übertragen worden. Auf Grundlage der Feststellungen des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schwester und den - wenn auch zunehmend nur noch der Form halber - weiterhin an der Unternehmensleitung mitwirkenden Vater derart dominiert hätte, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Gesamtleitung der Beigeladenen zu 1. allein durch den Kläger vorgelegen hätte. Vielmehr hat auch das LSG alleinige Branchenkenntnisse des Klägers nicht in allumfassender Weise, sondern nur in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte festgestellt. Die Leitung des kaufmännischen Teils des Unternehmens hatte der Vater des Klägers gerade mit Rücksicht auf deren durch eine Ausbildung bei einem Steuerberater erworbenen Kenntnisse der Schwester des Klägers übertragen. Zudem verfügte der Vater des Klägers über langjährige Erfahrung in der Leitung des Gesamtunternehmens, die er als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zu einem Zeitpunkt innehatte, bevor der Kläger die Meisterprüfung ablegte und zum Betriebsleiter bestellt wurde. Zugleich spricht der Umstand, dass der Kläger und seine Schwester trotz Übertragung bereichsbezogener Leitungsfunktionen und eines Verzichts des Vaters auf "das Weisungsrecht" nicht zu Geschäftsführern berufen wurden, dafür, dass sich der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis zumindest bezüglich grundlegender unternehmerischer Entscheidungen vorbehalten wollte. Nicht zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im Erbgang an die Mutter und nicht den Kläger und seine Schwester fiel, dafür, dass ihr Vater das Unternehmen trotz seiner fortschreitenden Krankheit jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums noch nicht vollständig an seine Kinder übergeben hatte.

34

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Anteil der zu erstattenden Kosten entspricht dem Verhältnis der im streitigen Zeitraum für den Kläger zur gesetzlichen RV und zur Arbeitsförderung entrichteten Beiträge.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. werden das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2009 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember 2005 betrifft.

Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.

2

Der 1975 geborene Kläger war bereits während seines Gartenbaustudiums für die Beigeladene zu 1. - eine GmbH & Co. KG mit dem Unternehmensgegenstand "Handel mit Baumschulerzeugnissen" - tätig. Persönlich haftende Gesellschafterin war die " H Verwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung" (im Folgenden: Komplementär-GmbH). Gesellschafter der Komplementär-GmbH waren ursprünglich die Eltern des Klägers mit einer Einlage in Höhe von insgesamt 20 000 DM sowie Herr D (im Folgenden D.) mit einer Einlage in Höhe von 30 000 DM. D. war zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Kommanditisten der Beigeladenen zu 1. waren D. mit einer Kommanditeinlage von 15 000 DM und die Mutter des Klägers mit einer Kommanditeinlage von 10 000 DM. Die Beigeladene zu 1. ist dem Einzelunternehmen "Baumschule H" (im Folgenden: Baumschule) "vorgeschaltet", um die Baumschule von Haftungsrisiken aus dem Handel mit den Erzeugnissen zu entlasten. Die Baumschule verkauft sämtliche Pflanzen an die Beigeladene zu 1., die sie wiederum an Gartenzentren weiterverkauft. Die Baumschule ist der einzige Lieferant der Beigeladenen zu 1. Sie verfügte über ca 100 Beschäftigte, während die Beigeladene zu 1. als "Vertriebsgesellschaft" über neun Beschäftigte verfügte. Die Baumschule ist ein Hof im Sinn der Höfeordnung. Der Kläger ist der einzige Hoferbe. Die Nachfolge ist zum 1.1.2006 tatsächlich vollzogen worden. Der Kläger führt seit diesem Zeitpunkt auch die Geschäfte der Baumschule und hat deren Bewirtschaftung übernommen.

3

Der Kläger wurde durch einen zwischen ihm und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen "Anstellungsvertrag" vom 27.1.2003 neben dem Geschäftsführer D. zum weiteren Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. bestellt. In dem Vertrag wurde festgehalten, dass der Geschäftsführer berechtigt und verpflichtet ist, die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und einer etwaigen Geschäftsführerordnung allein zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen. Weiterhin wurde der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Als Monatsgehalt wurde ein Betrag in Höhe von 2100 Euro brutto vereinbart. Im Krankheitsfall sollte eine sechsmonatige Weiterzahlung der Bezüge erfolgen. Als Jahresurlaub wurden 24 Arbeitstage vereinbart. Zeitgleich mit der Übernahme der Leitung der Baumschule wurde der Kläger am 1.1.2006 Gesellschafter der Beigeladenen zu 1.

4

Durch Bescheid vom 23.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.2.2007 stellte die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle aufgrund der Angaben des Klägers in einem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung fest, dass der Kläger in der Zeit vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversicherungspflichtig sei.

5

Die dagegen erhobene Anfechtungsklage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen (Urteil des SG vom 22.10.2009; Urteil des LSG vom 5.11.2010). Das LSG ist von fehlender Versicherungspflicht des Klägers ausgegangen und hat ausgeführt: Für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung sprächen zwar der Anstellungsvertrag, die Vereinbarung eines monatlichen festen Gehalts, der Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall sowie der Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub; zudem habe der Kläger mangels Kapitalbeteiligung im streitigen Zeitraum nicht die Rechtsmacht gehabt, Beschlüsse der Gesellschaft herbeizuführen oder zu verhindern. Gleichwohl habe der Kläger "in der Familiengesellschaft" wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken das Geschäft geführt. Als Geschäftsführer sei er alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen. Er habe in weitaus größerem Maße als der Mitgeschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter D. über die erforderlichen Branchenkenntnisse verfügt. Er habe bereits seine Diplomarbeit über "die Betriebswirtschaft und das Rating in seinem Unternehmen" geschrieben und konkrete Vorstellungen über die zukünftige Entwicklung des Betriebs entwickelt. Wesentliche Geschäftsbereiche habe er selbst wahrgenommen. Er habe die Verhandlungen mit wichtigen Kunden geführt, neue Märkte erschlossen, mit Banken verhandelt und sei Ansprechpartner für den Bilanzbuchhalter und den Steuerberater gewesen. Der Kläger habe über Einstellungen und Entlassungen von Mitarbeitern entschieden, soweit sie in seinem Geschäftsbereich - "dem Vertriebsunternehmen der Beigeladenen zu 1." - tätig waren. Er habe die Verantwortung getragen und das Unternehmen weiter entwickelt. Weder der Gesellschafter D. noch die Mutter des Klägers hätten seine Aktivitäten tatsächlich kontrolliert. Darüber hinaus habe der Kläger regelmäßig auf einen Teil des vertraglich vereinbarten Jahresurlaubs verzichtet. Besonders zu berücksichtigen seien die familiären Umstände und die Verbindung der beiden Unternehmen. Der Kläger habe als künftiger Mitgesellschafter der Beigeladenen zu 1. und künftiger Inhaber der Baumschule und Hoferbe ein besonderes eigenes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der "miteinander verbundenen Unternehmen" gehabt. Aufgrund der vorliegenden Konstellation sei der Mitgeschäftsführer und Gesellschafter D. eher vom Kläger abhängig gewesen als umgekehrt.

6

Mit der allein von ihm eingelegten Revision rügt der RV-Träger (Beigeladene zu 2.) sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV, insbesondere eine Divergenz zur seit dem Jahr 2006 ergangenen Rechtsprechung des BSG(BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 66; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da nach der Rechtsauffassung des LSG eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ausscheide, wenn die tatsächlichen Verhältnisse (vorliegend eine familiäre Verbundenheit und eine Verbindung von zwei Unternehmen) die für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses sprechenden rechtlichen Aspekte überlagern. Dabei habe das LSG nicht die aktuelle Rechtsprechung des BSG berücksichtigt, wonach maßgeblich die Rechtsbeziehung sei, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Bei einem Geschäftsführer, der wie der Kläger nicht Gesellschafter der GmbH ist, sei auf die ihm eingeräumte Rechtsmacht abzustellen. Sowohl der Anstellungsvertrag als auch der Gesellschaftsvertrag unterwürfen jedoch Änderungen der Vertragsbestimmungen der Schriftform. Entsprechende Änderungen seien nicht dokumentiert, weshalb davon auszugehen sei, dass der Kläger Beschlüsse der Gesellschafterversammlung weder habe herbeiführen noch verhindern können.

7

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2009 aufzuheben, soweit sie die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember 2005 betreffen und die Klage insoweit abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.

9

Er verteidigt die angefochtenen Urteile. Er habe in Bezug auf die Beigeladene zu 1. ohne Beschränkungen handeln können. Ein nach dem Gesellschaftsvertrag eventuell erforderliches Zustimmungserfordernis der Kommanditisten für außergewöhnliche Geschäfte sei stillschweigend abbedungen worden. Die Schriftformklausel sei hierfür ohne Belang, da auch sie stillschweigend abbedungen worden sei.

10

Die Beklagte hat sich dem Antrag der Beigeladenen zu 2. angeschlossen. Die Beigeladenen zu 1., 3. und 4. äußern sich nicht.

Entscheidungsgründe

11

Die auf die Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 1.2.2003 bis 31.12.2005 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der beklagten Krankenkasse (als Einzugsstelle) erweisen sich insoweit als rechtmäßig. In diesem Umfang sind die Urteile des SG und des LSG aufzuheben und ist die Klage abzuweisen.

12

1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Meinung ist (BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Die Revisionsbegründung macht hinreichend deutlich, dass die Beigeladene zu 2. zum einen die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den familiären Umständen und der besonderen wirtschaftlichen Verbindung zwischen zwei Unternehmen ausschlaggebende Bedeutung zu, und zum anderen dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.

13

2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.

14

Zu Unrecht hat das LSG die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Berufung der Beklagten gegen das die Bescheide der Beklagten aufhebende SG-Urteil zurückgewiesen. Das LSG ist zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Typus der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen, hat in diesem Rahmen aber die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den individualvertraglichen sowie handels- und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Zutreffend hat das LSG Merkmale der konkret vom Kläger ausgeübten Tätigkeit festgestellt (hierzu b). Die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung und Beurteilung des Gesamtbilds der Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit kann jedoch aufgrund der fehlerhaften Maßstabsbildung keinen Bestand haben (hierzu c). Damit sind auch die vom LSG entscheidungserheblich in den Fokus gerückten familiären Umstände und die Verbindung der beiden Unternehmen miteinander nicht geeignet, die Annahme von Selbstständigkeit zu rechtfertigen (hierzu d).

15

a) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV (vgl § 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes vom 19.2.2002, BGBl I 754). Nach § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

16

Die Beigeladene zu 2. weist in ihrer Revisionsbegründung zu Recht darauf hin, dass bei der Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = ZIP 2006, 678 = Die Beiträge, Beilage 2006, 66, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl zB BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 29.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 17; ferner auch BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr 17, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

17

Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier nach den Feststellungen des LSG zwar insbesondere von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu c). Daher vermögen auch die Gesichtspunkte "familiäre Umstände" und "Verbindung der beiden Unternehmen" kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen (hierzu d).

18

b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall maßgebend, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH & Co. KG ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.

19

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 27.1.2003, der deren Vertragsverhältnis bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG festgestellten Inhalt - monatliches festes Gehalt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Auf der Grundlage dieses Vertrages wurde der Kläger als weiterer Geschäftsführer neben dem Geschäftsführer D. der Beigeladenen zu 1. tätig. Rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" - unabhängig von der Frage insoweit einzuhaltender Formerfordernisse - hat das LSG nicht festgestellt.

20

c) Der Kläger verrichtete seine Geschäftsführertätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.

21

Der Kläger war im streitigen Zeitraum weder an der Beigeladenen zu 1. noch an deren Komplementär-GmbH beteiligt. Er war weder Kommanditist der Beigeladenen zu 1. noch Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Vielmehr war er insoweit als Fremdgeschäftsführer anzusehen. Bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH hat das BSG jedoch regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen und diese nur unter besonderen Umständen verneint (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 79 mwN).

22

Der Kläger war auch in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1. eingebunden. Nach § 2 Abs 1 des Anstellungsvertrags hatte er seine Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Beigeladenen zu 1. zur Verfügung zu stellen.

23

Der Kläger war zudem auch nicht alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. Vielmehr war neben ihm D. als weiterer Geschäftsführer tätig. Eine Einschränkung der Befugnisse von D. als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. hat das LSG nicht festgestellt. Zwar ergibt sich aus dem vom Kläger ausgefüllten Feststellungsbogen aus dem Jahr 2006, dass er für die Geschäftsbereiche "Kredit, Steuern, Werbung, Investition" exklusiv zuständig war. Die Geschäftsbereiche "Einkauf, Vertrieb, Personal" fielen danach aber sowohl in die Zuständigkeit des Klägers als auch in die Zuständigkeit des D. Auch in der praktischen Zusammenarbeit bewahrte sich D. einen eigenen Aufgabenbereich: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen beschränkte er seine Tätigkeit mehr auf den praktischen Bereich des Unternehmens, insbesondere auf die Verpackung und Übersendung der Ware. Auch ist ausdrücklich festgestellt worden, dass D. dem Kläger lediglich "in seinen Geschäftsbereichen" völlig freie Hand gelassen habe. Schließlich haben die Vorinstanzen auch bei der Feststellung, dass der Kläger über die Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern entschieden habe, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies nur für den Geschäftsbereich galt, für den er zuständig war.

24

Weder die dem Kläger im Anstellungsvertrag eingeräumte Handlungsfreiheit noch die darin eingeräumte Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot können eine Selbstständigkeit des Klägers im Rechtssinne rechtfertigen. Dies gilt schon deshalb, weil sich nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen die Handlungsfreiheit des Klägers von vornherein nur auf bestimmte Geschäftsbereiche der Beigeladenen zu 1. bezog. Zudem hat das BSG bereits entschieden, dass die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit spricht (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1 RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17). Im Übrigen ist die Wahrnehmung von Handlungsfreiheiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Sie werden dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG S 4; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 65; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen. Auch der von den Vorinstanzen ohne konkrete Feststellungen angeführte Verzicht des Klägers auf einen Teil des Jahresurlaubs spricht per se nicht für Selbstständigkeit, da es auch unter (abhängig) Beschäftigten vorkommt, dass diese auf einen Teil ihres Jahresurlaubs verzichten. Der Verzicht auf einen Teil des Jahresurlaubs hat somit lediglich indiziellen Charakter (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 60).

25

Eine solche, noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung des Klägers in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes der Beigeladenen zu 1. bestand während des gesamten streitigen Zeitraums. Als Mitgeschäftsführer blieb er in die vorgegebene Organisation der Beigeladenen zu 1. eingebunden. Der Kläger besaß keine rechtliche Möglichkeit, auf die konkrete Ausgestaltung der betrieblichen Organisation der Beigeladenen zu 1. Einfluss zu nehmen. Die Organe einer juristischen Person können nicht in einem rechtsfreien bzw der Beliebigkeit der Beteiligten unterstehenden Raum agieren. Vielmehr sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie insbesondere durch das Zivilrecht ausgestaltet sind, zu beachten. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass diese Rahmenbedingungen keinen bloßen, auf den Innenbereich der juristischen Person beschränkten Anwendungsbereich haben, sondern vielfältige und umfangreiche weitere Konsequenzen, etwa zum Schutz von Gläubigern, bei Haftungsfragen oder beispielsweise im Steuerrecht nach sich ziehen. So macht § 164 S 1 HGB bei einer KG Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, von der Zustimmung der grundsätzlich von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossenen Kommanditisten abhängig. Zwar ist § 164 HGB dispositiv. Der Kernbereich der Kommanditistenrechte ist jedoch unantastbar (vgl hierzu zB Hopt in Hopt ua, HGB, 35. Aufl 2012, § 164 RdNr 6). Hinzu kommt, dass sog Grundlagengeschäfte, die das Gesellschaftsverhältnis und seine Gestaltung betreffen, stets der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen (vgl § 114 HGB; BGHZ 132, 263, 266). Angesichts dieser rechtlichen Rahmenbedingungen kann vorliegend aus der vom LSG angenommenen faktischen Nichtwahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Weisungsrechten durch die dazu gesellschaftsrechtlich berufenen Organe nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass dadurch die ihnen zugrundeliegenden Rechte und Pflichten "stillschweigend" abbedungen worden seien. Dabei kommt es auch auf die Frage des Einhaltens der in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Schriftform nicht an. Vor dem Hintergrund der umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Verfahrens- und Formvorschriften (vgl §§ 114, 119 Abs 1 HGB) ist eine "stillschweigende" Änderung der grundlegenden rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft ausgeschlossen. Darüber hinaus sieht § 3 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags, der der Gründung der Beigeladenen zu 1. zugrunde lag, ausdrücklich vor, dass zur Geschäftsführung und Vertretung die Komplementärin berechtigt und verpflichtet ist. Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder Gesellschafterbeschlüsse der Beigeladenen zu 1. oder der Komplementär-GmbH, die eine Änderung der Geschäftsführerbefugnisse oder eine Definition der Wahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Weisungsrechten innerhalb der Beigeladenen zu 1. dokumentieren würden, haben SG und LSG nicht festgestellt. Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1.

26

d) Entgegen der Auffassung des LSG sind auch weder die familiären Umstände (hierzu im Folgenden aa) noch die Verbindung der beiden Unternehmen (hierzu bb) geeignet, die Selbstständigkeit des Klägers zu bejahen.

27

aa) Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings : BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten hatte (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (unter Hinweis auf BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).

28

Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, maßgebende Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 124). Eine solche "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).

29

Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Grundsätze über die rechtliche Relevanz familiärer Rücksichtnahme auf den vorliegenden Fall einer GmbH & Co. KG - bestehend aus natürlichen Personen und einer juristischen Person - überhaupt übertragbar sind. Vorliegend bestanden "familiäre" Beziehungen des Klägers lediglich zu einem der beiden Kommanditisten der Beigeladenen zu 1., nämlich seiner Mutter. Zu D. als weiterem Mehrheits-Kommanditisten und gleichzeitigem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sind keine verwandtschaftlichen Beziehungen festgestellt worden. Zur Komplementär-GmbH der Beigeladenen zu 1. sind verwandtschaftliche Beziehungen von vornherein ausgeschlossen. Selbst zu den Gesellschaftern der Komplementär-GmbH der Beigeladenen zu 1. bestanden nur teilweise verwandtschaftliche Beziehungen des Klägers, nämlich soweit diese seine Eltern waren bzw nach dem Ausscheiden des Vaters aus der Gesellschaft seine Mutter war. Die Mehrheit der Geschäftsanteile in der Komplementär-GmbH wie auch die Mehrheit der Kommanditeinlagen lagen bei D.

30

bb) Die konkrete wirtschaftliche Situation bzw die faktische Verbindung der Beigeladenen zu 1. zur Baumschule als "vorgeschaltetem" Einzelunternehmen sind schließlich ebenfalls nicht geeignet, eine Selbstständigkeit des Klägers zu bejahen. Eine auch sozialversicherungsrechtlich - möglicherweise - relevante wirtschaftliche Verflechtung der Beigeladenen zu 1. zu der im streitigen Zeitraum vom Vater des Klägers betriebenen Baumschule - beispielsweise innerhalb einer Konzernstruktur (vgl § 18 AktG) - haben die Vorinstanzen nicht festgestellt. Eine Verbindung beider Unternehmen miteinander bestand nach den Feststellungen lediglich insoweit, als die Baumschule der einzige Lieferant der Beigeladenen zu 1. war. Diese wirtschaftliche Situation legt zwar die Annahme einer wirtschaftlichen Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von der Baumschule nahe. Hieraus allein ergäbe sich aber keine Änderung der Beurteilung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1., da der Kläger im streitigen Zeitraum nicht Eigentümer bzw Betriebsinhaber der Baumschule war. Er hatte seinerzeit lediglich die Aussicht, als Hoferbe die Baumschule zu übernehmen, was jedoch erst später zum 1.1.2006 erfolgte.

31

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Anteil der zu erstattenden Kosten entspricht dem Verhältnis der im streitigen Zeitraum für den Kläger zur gesetzlichen RV und zur Arbeitsförderung zu entrichtenden Beiträge.

Tenor

Auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 4. wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2010 geändert.

Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 wird insgesamt aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in seiner in einem Unternehmen seiner Mutter (Beigeladene zu 3.) verrichteten Tätigkeit in der Zeit ab 24.6.2001 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV), der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der sozialen Pflegeversicherung (sPV) und im Recht der Arbeitsförderung unterlag.

2

Die Beigeladene zu 3. betrieb über mehrere Jahre ein Ladengeschäft, in dem Lebensmittel und Getränke verkauft wurden und in dem der Kläger seit 1986 arbeitete. Am 6.2.1999 wurde in den Räumlichkeiten eine Weinprobierstube eröffnet. Am 23.6.2001 kam es zu einem Brand in dem Lebensmittelladen, der daraufhin geschlossen wurde. Seitdem betreibt die Beigeladene zu 3. ihr Unternehmen als Weinhandlung (Wert des Weinbestandes ca 15 000 bis 20 000 Euro) mit angeschlossener Gaststätte in einem Gebäude, das im Eigentum ihres Bruders und ihres Ehemanns steht. Nach den Feststellungen des LSG wurden die Kosten der Gaststätteneinrichtung (ca 250 000 bis 300 000 DM) größtenteils von den Eltern des Klägers getragen. In dem Unternehmen obliegen der Beigeladenen zu 3. im Wesentlichen die Zubereitung der Speisen und die rechnerische Kontrolle der buchmäßigen Abrechnung. Entsprechend dem früheren Übergang des Unternehmens vom Vater der Beigeladenen zu 3. auf diese im Jahr 1980 soll das Unternehmen zu einem nicht näher feststehenden Termin auf den Kläger übergehen.

3

Der 1966 geborene Kläger ist gelernter Wasser- und Gasinstallateur. Gemäß den Regelungen eines schriftlichen Arbeitsvertrag vom 1.6.1991, der an die Stelle eines vorangegangenen schriftlichen Arbeitsvertrags trat, wurde der Kläger im Unternehmen der Beigeladenen zu 3. als "Stellvertreter" eingestellt und war berechtigt, Waren zu bestellen und zu kaufen, sowie bei Abwesenheit der Beigeladenen zu 3. zuständig für Personalfragen. Ferner ist im Arbeitsvertrag ua bestimmt, dass der Kläger als Vollzeitkraft eingestellt wird, er alle ihm übertragenen Arbeiten gewissenhaft und sorgfältig auszuführen hat, Nebenbeschäftigungen nur mit Zustimmung des Arbeitgebers zulässig sind, die Lage der Arbeitszeit vom Arbeitgeber festgesetzt wird und die Tarifverträge für den Einzelhandel in Sachsen gelten sollen. Es wurde ein monatliches Bruttogehalt von 1904 DM, ab 1.1.1993 von 2762 DM vereinbart. Entgegen dieser Orientierung am Tarifniveau wurde das Gehalt des Klägers faktisch von der Entwicklung der Löhne abgekoppelt und lag im Jahr 2010 bei ca 1500 Euro brutto monatlich. Hintergrund dafür war nach den Feststellungen des LSG die Rücksichtnahme des Klägers auf die Belastungen des Familienunternehmens durch eine hohe Miete, die ihrerseits ihre Ursache in den hohen Sanierungskosten für das im Familienbesitz stehende betriebliche Gebäude hatte. Der Kläger war zunächst im Getränkeladen tätig. Seit 24.6.2001 ist er für die Weinbestellung und -annahme, die Prüfung der Lieferantenrechnungen, die Präsentation der Weine, die Preiskalkulation, die Gestaltung der Wein- und Speisekarten sowie die Bedienung und Betreuung der Gäste zuständig. Nach den Feststellungen des LSG beglich der Kläger 2005 bzw 2006 einmalig eine Weinrechnung in Höhe von 5000 Euro aus eigenen Mitteln.

4

Auf den Antrag des Klägers zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seines Status stellte die Beklagte als Einzugsstelle durch Bescheid vom 28.7.2004 und Widerspruchsbescheid vom 10.6.2005 fest, dass er in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3. ab 1.1.1991 der Versicherungspflicht in der GKV, sPV, RV und Arbeitslosenversicherung unterliege. Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verpflichtet festzustellen, dass der Kläger ab 1.1.1991 eine selbstständige Tätigkeit und keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe (Urteil vom 14.11.2006). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten geändert und festgestellt, dass der Kläger ab 24.6.2001 nicht der Versicherungspflicht in der GKV, sPV, RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe; im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen sowie die Klage abgewiesen: Insbesondere die Regelungen im Arbeitsvertrag vom 1.6.1991 über Gehalt, Arbeitszeit, Geltung von Tarifverträgen, Festlegung von Arbeitsaufgaben und Funktionen im Betrieb, ferner die Verbuchung der Personalausgaben als Betriebsausgaben, Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen und die Gehaltszahlung auf ein privates Konto des Klägers sprächen jedenfalls bis 23.6.2001 für eine (abhängige) Beschäftigung. Die Beigeladene zu 3. habe an der Rechtsform eines Einzelunternehmens festgehalten, dessen alleinige Inhaberin sie auch weiterhin sei. Daher habe ausschließlich die Beigeladene zu 3. die Rechtsmacht, an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens Änderungen vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben wieder zu entbinden. Dagegen könne ab 24.06.2001 eine Unternehmerstellung des Klägers festgestellt werden, da tags zuvor ein "grundlegender Strukturwandel" im Familienunternehmen seinen Abschluss gefunden habe. Zwar sei nach wie vor die Beigeladene zu 3. alleinige Inhaberin des Unternehmens. Der Kläger habe aber seither rein faktisch eine Handhabe, der Beigeladenen zu 3. im Falle eines Dissenses seinen Willen hinsichtlich der Unternehmensführung aufzuzwingen und über die Geschicke des Unternehmens zu walten wie über ein eigenes. Ein "gewisses Unternehmerrisiko" sei in Gestalt des Gehaltsverzichts auszumachen. Die auch in der Zeit ab 24.6.2001 beibehaltenen äußeren Umstände (festes monatliches Gehalt, Verbuchung der Personalausgaben als Betriebsausgabe, Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, Überweisung des Gehalts auf ein privates Konto) seien dem Kläger "nicht vorzuwerfen". Immerhin habe er am 19.4.2004 die Beklagte um Überprüfung der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit gebeten und damit seine Zweifel an der Richtigkeit der Fortführung der bisherigen Praxis zum Ausdruck gebracht (Urteil vom 10.11.2010).

5

Dagegen wenden sich die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle und der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 4.) mit ihren Revisionen. Die Beklagte rügt eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB XI, § 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III, die Beigeladene zu 4. sinngemäß eine Verletzung von § 28h SGB IV. Zurecht habe das LSG für den Zeitraum vom 1.1.1991 bis 23.6.2001 festgestellt, dass der Kläger im Unternehmen der Beigeladenen zu 3. abhängig beschäftigt gewesen sei. Für die Zeit ab 24.6.2001 könne nichts anderes gelten. Eine rechtlich wirksame Unternehmensübergabe habe nicht stattgefunden. Für den Kläger habe die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens habe frei bewegen dürfen. Auch an der Rechtsmacht der Beigeladenen zu 3. habe sich nichts geändert. Ein relevantes Unternehmerrisiko sei beim Kläger nicht festzustellen. Vielmehr habe er ein festes monatliches Grundgehalt bezogen, das unabhängig von der Erreichung der unternehmerischen Ziele gewährt worden sei. Der Kläger trage auch kein eigenes Haftungsrisiko, dieses liege vielmehr allein bei der Beigeladenen zu 3.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2010 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 insgesamt aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Beigeladene zu 4. schließt sich dem Antrag der Beklagten mit der Maßgabe an, dass sich ihre Revision nur auf die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung richtet.

8

Der Kläger hat sich zu den Revisionen nicht geäußert.

9

Die Beigeladene zu 1. hat sich der Revisionsbegründung der Beigeladenen zu 4., die Beigeladene zu 2. den Revisionsbegründungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 4. angeschlossen. Die Beigeladene zu 3. hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten, die sich auf die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht des Klägers wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung in der Zeit ab 24.6.2001 bezieht, ist zulässig und begründet. Gleiches gilt für die ebenfalls auf diese Zeit und die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV beschränkte Revision der Beigeladenen zu 4. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind insoweit rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem - dem Begehren des Klägers bislang entsprechenden - Umfang aufzuheben und das Urteil des SG ist auch insoweit unter Abweisung der Klage aufzuheben.

11

1. Zu Unrecht hat das LSG eine Versicherungspflicht des Klägers wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3. in der noch streitigen Zeit ab 24.6.2001 verneint und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG insoweit zurückgewiesen.

12

Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von zu Versicherungspflicht führender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung der tatsächlichen Umstände gegenüber den für die Tätigkeit des Klägers im Unternehmen maßgebenden vertraglichen Vereinbarungen, welche hier nur die Annahme von Beschäftigung rechtfertigen können, verkannt (hierzu b). Der Status des Klägers als Selbstständiger lässt sich nicht mit dem LSG unter Hinweis darauf bejahen, dass bestimmte Umstände und Indizien des Einzelfalls gesamtschauend dafür sprächen (hierzu c).

13

a) Im streitigen Zeitraum ab 24.6.2001 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie im Recht der Arbeitsförderung (vgl § 24 Abs 1, § 25 Abs 1 SGB III idF des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I 594; § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V idF des Gesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477; § 1 S 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes vom 18.12.1989, BGBl I 2261, BGBl 1990 I 1337; § 20 S 1, 2 Nr 1 SGB XI idF des Gesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

14

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN).

15

b) Die dargestellten Grundsätze sind - trotz der in Fällen der vorliegenden Art jeweils mit in Rechnung zu stellenden engen familiären Bindungen - auch im vorliegenden Fall anzuwenden und gelten unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des Senats fort, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen Unternehmen, sondern in einem fremden Unternehmen tätig.

16

aa) Alleinige Unternehmensinhaberin bzw Trägerin des Unternehmens war die Beigeladene zu 3., die nach den den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) das Unternehmen durchgehend und damit auch die im streitigen Zeitraum betriebene Weinhandlung mit Gaststätte als Einzelunternehmen führte. Lediglich sie war damit auch nur unmittelbar begünstigtes Rechtssubjekt für die sich aus dem Auftreten des Unternehmens im Geschäftsverkehr ergebenden Ansprüche und Rechte; umgekehrt war ebenso nur die Beigeladene zu 3. den Verpflichtungen hinsichtlich der aus dem Geschäftsbetrieb resultierenden Lasten ausgesetzt, indem sie für die über das Unternehmen eingegangenen Verbindlichkeiten als natürliche Person mit ihrem ganzen Vermögen haftete. Damit muss - auch unter dem Blickwinkel des Sozialversicherungsrechts - ohne besondere dokumentierte bzw von den Tatsacheninstanzen festgestellte Umstände die Annahme einer sich auf seinen Status als Erwerbstätiger auswirkenden Beteiligung des Klägers an der Führung des Einzelunternehmens ausscheiden. Für die Trägerschaft eines Unternehmens durch eine (natürliche) Einzelperson kann insoweit im Kern nichts anderes gelten als in den Fällen, in denen eine juristische Person des Privatrechts Unternehmensträger ist. In den letztgenannten Fällen erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung aber auch seit jeher dann, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch eine Familiengesellschaft - hält, den Status als Selbstständiger nur an, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität, und der Betroffene damit rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25 mwN).

17

bb) Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist vor diesem Hintergrund vorliegend primär der zwischen ihm und der Beigeladenen zu 3. geschlossene, ausdrücklich so bezeichnete schriftliche "Arbeitsvertrag" vom 1.6.1991, der deren Rechtsverhältnis zueinander auch noch in dem im Revisionsverfahren streitigen Zeitraum ab 24.6.2001 ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG festgestellten Inhalt - ua festes monatliches Gehalt, Einstellung als Vollzeitkraft, Zustimmungserfordernis des Arbeitgebers zu etwaigen Nebentätigkeiten, Festlegung der Arbeitszeiten durch den Arbeitgeber - mit seinen typischen Arbeitnehmerrechten und -pflichten ein "Arbeitsverhältnis" iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Gegenstand. Damit aber kann das in dieser Norm besonders hervorgehobene Merkmal für das Vorliegen einer zur Versicherungspflicht des Klägers führenden Beschäftigung nicht in Abrede gestellt werden. Im Hinblick darauf, dass die Unternehmensträgerschaft bei der Mutter des Klägers (Beigeladene zu 3.) als Einzelunternehmerin lag, verfügte der Kläger auch nicht über eine rechtliche Handhabe, die ihm einen (mit)beherrschenden Einfluss auf die Unternehmensleitung sicherte. Zudem fehlen jegliche Hinweise darauf, dass die geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 3. wenigstens im Innenverhältnis als gesellschaftsrechtlich bedeutsame und hier zu beachtende Vereinbarung aufgefasst werden könnten. Weder hat der Kläger zwischen beiden das Bestehen einer - rechtlich wirksamen - sog Innengesellschaft (vgl dazu und zu deren Voraussetzungen schon BSGE 40, 161, 163 = SozR 2200 § 1266 Nr 3 S 17 mwN, BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 22 f mwN) behauptet, noch hat das LSG insoweit den Senat bindende positive Feststellungen (vgl § 163 SGG) getroffen. Unabhängig davon kann nicht angenommen werden, dass dem Kläger auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts darüber hinaus nennenswerte Rechtsmacht eingeräumt war, die es ihm (im Innenverhältnis) ermöglicht hätte bzw ermöglichen würde, die Geschäfte des Unternehmens gegen den Willen der Beigeladenen zu 3. zu betreiben.

18

Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 3. auch nach weiteren Feststellungen des LSG im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. Der Kläger war ihr - seiner Arbeitgeberin - gegenüber weisungsunterworfen und in die von ihr vorgegebene Arbeitsorganisation ihres Unternehmens eingebunden. Nach der zutreffenden Bewertung des LSG hatte nämlich (allein) die Beigeladene zu 3. die Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31 f, ferner sogleich und unten 1. c ee), an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens Änderungen vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben wieder zu entbinden.

19

cc) An dem Ausgangspunkt ändert die verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 3. grundsätzlich nichts. Eine (abhängige) Beschäftigung wird nämlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass jemand für ein Familienmitglied tätig ist (vgl schon zu so genannten "Meistersöhnen" BSGE 3, 30, 39). Zu prüfen ist allerdings insbesondere, ob der Angehörige in einem Familienunternehmen als Beschäftigter, als Mitunternehmer oder Mitgesellschafter eines Angehörigen oder ob seine Tätigkeit lediglich als familienhafte Mithilfe anzusehen ist (vgl BSGE 74, 275, 276 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 57). Die Abgrenzung hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalles ab (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 37 S 127; BSGE 74, 275, 278 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 60). Die Beurteilung einer Erwerbstätigkeit, die im Unternehmen eines Familienangehörigen ausgeübt wird, der als natürliche Person Unternehmensinhaber bzw Träger des Unternehmens und mit seinem ganzen Vermögen dessen Haftungsobjekt ist, unterscheidet sich insoweit rechtlich gesehen nicht wesentlich von der Beurteilung einer Erwerbstätigkeit in einer Familiengesellschaft, zB in der Rechtsform einer GmbH, deren Kapital in Form von Gesellschaftsanteilen von Familienangehörigen gehalten wird. Die Rechtsprechung des BSG hat in der Vergangenheit allerdings abweichend von diesen Grundsätzen bei Tätigkeiten für eine Gesellschaft eine Selbstständigkeit des Betroffenen für möglich gehalten, wenn seine Tätigkeit durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war, auch wenn er nicht über eine Sperrminorität verfügte (vgl zum Ganzen ausführlich BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31 f). Soweit darüber hinausgehend der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich erachtete (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1), hat der Senat in seiner jüngsten Rechtsprechung allerdings offengelassen, ob der vom 11. Senat des BSG vertretenen Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - aaO, RdNr 32). Hierauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger sei aufgrund einer "faktischen Machtposition", der derjenigen eines (Mit-)Inhabers gleichkomme, selbstständig gewesen, nicht überzeugen können.

20

c) Eine Selbstständigkeit des Klägers lässt sich schließlich nicht mit dem LSG unter Hinweis darauf begründen, dass - hinausgehend über die Darlegungen unter b) - sonstige Umstände und Indizien des Einzelfalls bei einer Gesamtschau für die Zeit ab 24.6.2001 gleichwohl für den von ihm beanspruchten Status sprächen.

21

Für die - mangels Revisionseinlegung des Klägers gegen den klageabweisenden Teil des LSG-Urteils - nicht (mehr) im Streit befindliche Zeit vom 1.1.1991 bis 23.6.2001 hat das LSG die Tätigkeit des Klägers als (abhängige) Beschäftigung qualifiziert. Entgegen der Auffassung des LSG ist auch nach der inhaltlichen Neuausrichtung des von der Beigeladenen zu 3. betriebenen Unternehmens ab 24.6.2001 davon auszugehen, dass der Kläger weiterhin (abhängig) beschäftigt blieb.

22

aa) Das LSG hat hierzu zunächst zutreffend festgestellt, dass sämtliche Merkmale der "äußeren Abwicklung" der Erwerbstätigkeit des Klägers (= Arbeitsvertrag vom 1.6.1991, festes monatliches Arbeitsentgelt, Verbuchung der Personalkosten als Betriebsausgaben, Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, Überweisung des Entgelts auf ein privates Konto des Klägers) unverändert blieben. Die in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung, die fehlende Veränderung könne dem Kläger nicht "vorgeworfen" werden, weil er am 19.4.2004 um die Überprüfung seines sozialversicherungsrechtlichen Status gebeten habe, rechtfertigt nicht schon die Schlussfolgerung, der Kläger sei selbst von einer Änderung zum 24.6.2001 ausgegangen: Zum Einen erfolgte der Antrag ohnehin erst ca drei Jahre nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens, zum Anderen stellte der Kläger selbst nicht nur die Zeit ab 24.6.2001, sondern den gesamten Tätigkeitszeitraum ab 1.1.1991 zur Überprüfung durch die Einzugsstelle.

23

bb) Die maßgebenden rechtlichen Rahmenbedingungen blieben auch ab 24.6.2001 unverändert. Der der Tätigkeit des Klägers zugrundeliegende Arbeitsvertrag vom 1.6.1991 wurde nicht geändert. Die Beigeladene zu 3. war nach wie vor Alleininhaberin bzw alleinige Trägerin des von ihr in der Form des Einzelunternehmens betriebenen Unternehmens.

24

cc) Der Kläger war auch ab dem 24.6.2001 nicht an dem Unternehmen, zB als Mitunternehmer, gleichberechtigter Partner neben der Beigeladenen zu 3. oder gar rechtlich allein maßgebender Unternehmensträger, beteiligt. Die einmalige Übernahme einer Weinrechnung in Höhe von 5000 Euro zu einem nicht konkret festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2005 oder 2006 durch den Kläger rechtfertigt weder die Annahme, dass der Kläger hierdurch einen solchen Status erlangte, noch kann darin ein relevantes "Kapitalrisiko" des Klägers gesehen werden. Zwar hat das LSG keine näheren Feststellungen im Zusammenhang mit der Kostenübernahme getroffen. So ist ungeklärt, ob der Kläger der Beigeladenen zu 3. den Betrag darlehensweise überließ oder ihr den Betrag übereignete. Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe kommt allerdings auch in Betracht, dass es sich hierbei um eine Gefälligkeit des Klägers gehandelt haben könnte, die uU dadurch motiviert war, dass er eines Tages - der Familientradition folgend - das Unternehmen übernehmen würde. Die Höhe der übernommenen Kosten ist jedenfalls auf der Grundlage der Feststellungen des LSG im Verhältnis zu den Einrichtungskosten der Weinhandlung mit Gaststätte und zum Wert des Warenbestandes des Unternehmens als geringfügig anzusehen.

25

Soweit das LSG die einmalige Kostenübernahme als sehr geringes "Kapitalrisiko" des Klägers bewertet hat, ist nicht ersichtlich, worauf sich dieses Risiko beziehen sollte: Bei dem von der Beigeladenen zu 3. betriebenen Unternehmen handelt es sich um ein Einzelunternehmen, nicht um eine eigenständige juristische Person des Privatrechts, zB eine Kapitalgesellschaft. Ein Risiko wäre allenfalls gegeben, wenn der Kläger der Beigeladenen zu 3. den Betrag darlehensweise zur Verfügung gestellt hätte. Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe wäre aber auch das entsprechende Kreditausfallrisiko gering gewesen.

26

Die Kostenübernahme führte auch nicht zu einer "Mitunternehmerschaft" des Klägers an dem Unternehmen der Beigeladenen zu 3. Vielmehr hielt die Beigeladene zu 3. nach den Feststellungen des LSG durchgängig am Betrieb des Unternehmens als inhabergeführtes Einzelunternehmen fest. Demzufolge trug - wie bereits ausgeführt - ausschließlich die Beigeladene zu 3. als Inhaberin des Einzelunternehmens bzw Trägerin des Unternehmens ein Haftungsrisiko für dessen Verbindlichkeiten. Sie allein haftete mit ihrem gesamten Vermögen für Verbindlichkeiten ihres Unternehmens. Demgegenüber traf den Kläger keinerlei Haftungsrisiko.

27

dd) Zu Unrecht hat das LSG angenommen, die fehlende regelmäßige Anpassung des Gehalts des Klägers spreche für dessen Selbstständigkeit im streitigen Zeitraum. Insoweit berücksichtigt das Berufungsgericht bereits nicht hinreichend, dass seine tatsächlichen Feststellungen nicht den Schluss zulassen, der Kläger habe insoweit bereits rechtswirksam auf einen entsprechenden Vergütungsanspruch verzichtet. Mangels eines ausdrücklichen Verzichts stünde einer Geltendmachung eines Anspruchs unter Durchsetzung der entsprechenden arbeitsvertraglichen Regelungen über die regelmäßige Gehaltsanpassung allenfalls dessen Durchsetzbarkeit durch die möglicherweise geltend gemachte Verjährung entgegen. Insoweit trat jedoch auch keine Änderung der Verhältnisse zum 24.6.2001 ein. Vielmehr wurde das Entgelt des Klägers nach den Feststellungen des LSG "vor Jahren" von der Entwicklung der Löhne und Gehälter "abgekoppelt". Einen unmittelbaren Bezug zu der inhaltlichen Ausrichtung des Unternehmens zum 24.6.2001 hat es demgegenüber nicht festgestellt. Soweit das LSG die Nichtanpassung der Arbeitsvergütung als "Gehaltsverzicht" bewertet hat und darin ein gewisses "Unternehmerrisiko" des Klägers sieht, ist wiederum nicht ohne Weiteres ersichtlich, worauf sich dieses Risiko beziehen sollte. Zwar könnte man annehmen, sein Risiko habe darin bestanden, bereits im Vorgriff auf den späteren Übergang des Unternehmens auf die regelmäßige Anpassung seines Entgelts verzichtet zu haben, ohne eine hinsichtlich des Unternehmensübergangs gefestigte Rechtsposition erreicht zu haben. Einem derart angenommenen Risiko steht allerdings entgegen, dass der Kläger durchgehend eine feste Arbeitsvergütung bezog, deren Höhe einerseits deutlich über eine bloße Anerkennung oder ein Taschengeld hinausging und andererseits nicht vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig war. Darüber hinaus trug der Kläger - wie bereits dargelegt - kein rechtlich bedeutsames und auf der Grundlage der Feststellungen des LSG durch entsprechende äußere Umstände dokumentiertes Haftungsrisiko für Verbindlichkeiten des Unternehmens der Beigeladenen zu 3.

28

ee) Entgegen der Auffassung des LSG rechtfertigt schließlich eine vermeintliche "faktische Machtposition" des Klägers nicht die Annahme seiner Selbstständigkeit.

29

Auch geschuldete Dienste höherer Art werden im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter im Rechtssinne entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Regelungen zum Nichtbestehen von Versicherungspflicht bei den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der gesetzlichen RV und im Recht der Arbeitsförderung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III). Diese Personen sind insoweit sozialversicherungsrechtlich den für Beschäftigte geltenden Regelungen unterworfen, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft des Unternehmens Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen. Ähnlich verhält es sich hier. Der Kläger war nämlich trotz seiner betrieblichen Befugnisse ununterbrochen in das Unternehmen der Beigeladenen zu 3. organisatorisch eingebunden. Nach den Regelungen des Arbeitsvertrags war er zwar berechtigt, Waren zu bestellen und zu kaufen. Ausdrücklich war er aber nicht umfassend mit gleichen Rechten wie die Beigeladene zu 3. ausgestattet, sondern nur als deren "Stellvertreter" eingesetzt und für Personalfragen nicht durchgehend, sondern nur ausnahmsweise - bei Abwesenheit der Beigeladenen zu 3. - zuständig. Die vom LSG gleichwohl angenommene "Machtposition" des Klägers leitet sich damit lediglich daraus ab, dass er auf die Unternehmenstätigkeit und deren Ausrichtung maßgeblichen Einfluss ausüben konnte, was sich letztlich in der im Sommer 2001 vollzogenen inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens von einem Lebensmittel- und Getränkeverkauf hin zu einer Weinhandlung mit Gaststätte dokumentierte. Das LSG hat allerdings gleichwohl ausdrücklich festgestellt, dass die Beigeladene zu 3. - trotz Änderung der Geschäftsausrichtung weg von einem Lebensmittel- und Getränkeladen hin zu einer Weinhandlung mit Probierstube und Küchenbetrieb - durchgehend an dem von Beginn an bestehenden und über die Jahre hinweg auch so weitergeführten Form als Einzelunternehmen festhielt. Demzufolge hatte - nach der zutreffenden Bewertung durch das LSG - allein die Beigeladene zu 3. als Unternehmensinhaberin bzw Trägerin des Unternehmens die Rechtsmacht, Änderungen an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben zu entbinden. Daran änderte sich auch erkennbar nichts nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens zum 24.6.2001; denn die Beigeladene zu 3. hatte es nach wie vor in der Hand, etwa im Fall eines Zerwürfnisses den Kläger zu entlassen und an seiner Stelle eine andere Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen einzustellen, ohne dass der Kläger die Rechtsmacht besaß, dem mit Erfolgsaussicht entgegenzutreten (zur vorrangigen Bedeutung formell bestehender Rechtsmacht gegenüber dem Gesichtspunkt ihrer tatsächlichen Nichtausübung vgl bereits BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32). Anhaltspunkte dafür, dass allein der Kläger über ein derart hohes Fachwissen verfügte, dass nur er in der Lage war, die konkrete Tätigkeit zu verrichten, hat das LSG nicht festgestellt und sind sonst nicht ersichtlich. Auch kann insoweit nicht eingewandt werden, dass eine fremde Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen möglicherweise nicht bereit gewesen wäre, zu denselben Konditionen tätig zu werden; insoweit handelt es sich lediglich um wirtschaftliche Überlegungen, die am grundsätzlichen Bestehen einer entsprechenden rechtlichen Möglichkeit nichts ändern. Darüber hinaus bezog sich die vom LSG angenommene "Machtposition" des Klägers allein auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens der Beigeladenen zu 3. Nur insoweit hatte der Kläger aufgrund seines geltend gemachten Fachwissens eine herausgehobene Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Eine wirtschaftlich beherrschende Stellung durch den Kläger war demgegenüber nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG können derartige Einflussmöglichkeiten zwar beachtenswert sein, soweit sie einem Geschäftsführer einer GmbH selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f). Wie dargestellt, betreibt die Beigeladene zu 3. das Unternehmen indessen nach wie vor als Einzelunternehmerin bzw alleinige Trägerin. Hinweise auf eine Mitunternehmerschaft bzw eine nennenswerte Kapitalbeteiligung des Klägers an dem Unternehmen verbunden mit einem damit korrespondierenden wesentlichen Einfluss auf dessen Bestand und Geschäftsbetrieb liegen nicht vor.

30

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Ein Vertrag, nach dem sich ein Vermittler verpflichtet, einer oder einem Arbeitsuchenden eine Arbeitsstelle zu vermitteln, bedarf der schriftlichen Form. In dem Vertrag ist insbesondere die Vergütung des Vermittlers anzugeben. Zu den Leistungen der Vermittlung gehören auch alle Leistungen, die zur Vorbereitung und Durchführung der Vermittlung erforderlich sind, insbesondere die Feststellung der Kenntnisse der oder des Arbeitsuchenden sowie die mit der Vermittlung verbundene Berufsberatung. Der Vermittler hat der oder dem Arbeitsuchenden den Vertragsinhalt in Textform mitzuteilen.

(2) Die oder der Arbeitsuchende ist zur Zahlung der Vergütung nach Absatz 3 nur verpflichtet, wenn infolge der Vermittlung des Vermittlers der Arbeitsvertrag zustande gekommen ist und der Vermittler die Arbeitsuchende oder den Arbeitsuchenden bei grenzüberschreitenden Vermittlungen entsprechend der Regelung des § 299 informiert hat. Der Vermittler darf keine Vorschüsse auf die Vergütungen verlangen oder entgegennehmen.

(3) Die Vergütung einschließlich der darauf entfallenden gesetzlichen Umsatzsteuer darf 2 000 Euro nicht übersteigen, soweit nicht ein gültiger Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein in einer abweichenden Höhe nach § 45 Absatz 6 Satz 3 und Satz 4 vorgelegt wird oder durch eine Rechtsverordnung nach § 301 für bestimmte Berufe oder Personengruppen etwas anderes bestimmt ist. Für die Vermittlung einer geringfügigen Beschäftigung nach § 8 des Vierten Buches darf der Vermittler eine Vergütung weder verlangen noch entgegennehmen. Bei der Vermittlung von Personen in Au-pair-Verhältnisse darf die Vergütung 150 Euro nicht übersteigen.

(4) Arbeitsuchende, die dem Vermittler einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vorlegen, können die Vergütung abweichend von § 266 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Teilbeträgen zahlen. Die Vergütung ist nach Vorlage des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins bis zu dem Zeitpunkt gestundet, in dem die Agentur für Arbeit nach Maßgabe von § 45 Absatz 6 gezahlt hat.

(1) Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis. Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Die Überlassung und das Tätigwerdenlassen von Arbeitnehmern als Leiharbeitnehmer ist nur zulässig, soweit zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Überlassung von Arbeitnehmern ist vorübergehend bis zu einer Überlassungshöchstdauer nach Absatz 1b zulässig. Verleiher und Entleiher haben die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig werden lassen. Vor der Überlassung haben sie die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren.

(1a) Die Abordnung von Arbeitnehmern zu einer zur Herstellung eines Werkes gebildeten Arbeitsgemeinschaft ist keine Arbeitnehmerüberlassung, wenn der Arbeitgeber Mitglied der Arbeitsgemeinschaft ist, für alle Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Tarifverträge desselben Wirtschaftszweiges gelten und alle Mitglieder auf Grund des Arbeitsgemeinschaftsvertrages zur selbständigen Erbringung von Vertragsleistungen verpflichtet sind. Für einen Arbeitgeber mit Geschäftssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes ist die Abordnung von Arbeitnehmern zu einer zur Herstellung eines Werkes gebildeten Arbeitsgemeinschaft auch dann keine Arbeitnehmerüberlassung, wenn für ihn deutsche Tarifverträge desselben Wirtschaftszweiges wie für die anderen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft nicht gelten, er aber die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllt.

(1b) Der Verleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen. In einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche kann eine von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines Tarifvertrages nach Satz 3 können abweichende tarifvertragliche Regelungen im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Entleihers durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung übernommen werden. In einer auf Grund eines Tarifvertrages von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche getroffenen Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann eine von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Können auf Grund eines Tarifvertrages nach Satz 5 abweichende Regelungen in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung getroffen werden, kann auch in Betrieben eines nicht tarifgebundenen Entleihers bis zu einer Überlassungshöchstdauer von 24 Monaten davon Gebrauch gemacht werden, soweit nicht durch diesen Tarifvertrag eine von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauer für Betriebs- oder Dienstvereinbarungen festgelegt ist. Unterfällt der Betrieb des nicht tarifgebundenen Entleihers bei Abschluss einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung nach Satz 4 oder Satz 6 den Geltungsbereichen mehrerer Tarifverträge, ist auf den für die Branche des Entleihers repräsentativen Tarifvertrag abzustellen. Die Kirchen und die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften können von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauern in ihren Regelungen vorsehen.

(2) Werden Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überlassen und übernimmt der Überlassende nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3), so wird vermutet, daß der Überlassende Arbeitsvermittlung betreibt.

(3) Dieses Gesetz ist mit Ausnahme des § 1b Satz 1, des § 16 Absatz 1 Nummer 1f und Absatz 2 bis 5 sowie der §§ 17 und 18 nicht anzuwenden auf die Arbeitnehmerüberlassung

1.
zwischen Arbeitgebern desselben Wirtschaftszweiges zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen, wenn ein für den Entleiher und Verleiher geltender Tarifvertrag dies vorsieht,
2.
zwischen Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird,
2a.
zwischen Arbeitgebern, wenn die Überlassung nur gelegentlich erfolgt und der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird,
2b.
zwischen Arbeitgebern, wenn Aufgaben eines Arbeitnehmers von dem bisherigen zu dem anderen Arbeitgeber verlagert werden und auf Grund eines Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes
a)
das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber weiter besteht und
b)
die Arbeitsleistung zukünftig bei dem anderen Arbeitgeber erbracht wird,
2c.
zwischen Arbeitgebern, wenn diese juristische Personen des öffentlichen Rechts sind und Tarifverträge des öffentlichen Dienstes oder Regelungen der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften anwenden, oder
3.
in das Ausland, wenn der Leiharbeitnehmer in ein auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen begründetes deutsch-ausländisches Gemeinschaftsunternehmen verliehen wird, an dem der Verleiher beteiligt ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2010 - 6 Sa 27/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung nach § 10 Abs. 1 AÜG zustande gekommen ist. Außerdem begehrt der Kläger im Wege unechter Hilfsanträge Weiterbeschäftigung, die Erteilung von Auskünften sowie Zahlung von Differenzlohn für die Jahre 2006 bis 2009.

2

Der Kläger war auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 3. Juni 2003 seit dem 4. Juni 2003 bei der F GmbH angestellt. Am 3. Juni 2003 wurde er - noch auf der Grundlage des bis 14. Januar 2005 geltenden § 29c Abs. 1 Satz 3 LuftVG - mit der Ausführung von Fluggastkontrollen beliehen. In der Folgezeit war er am Flughafen H als Luftsicherheitsassistent in der Fluggastkontrolle beschäftigt.

3

Die Fluggastkontrolle als hoheitliche Aufgabe war ursprünglich im Luftverkehrsgesetz (LuftVG) geregelt. Seit dem 15. Januar 2005 ist sie Gegenstand des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG). Als zuständige Luftsicherheitsbehörde führte die Bundespolizei Fluggast- und Gepäckkontrollen am Flughafen H mit eigenen Beamten und Arbeitnehmern durch. Daneben setzte sie - bis 14. Januar 2005 auf der Grundlage des § 29c Abs. 1 Satz 3 LuftVG, danach auf der Grundlage des § 5 Abs. 5 Satz 1 LuftSiG - beliehene Sicherheitskräfte ein, die von privaten Sicherheitsunternehmen angestellt waren.

4

Im Oktober 2005 schloss die Beklagte mit der F GmbH für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. März 2010 einen Vertrag über die Durchführung von Aufgaben der Luftsicherheit auf dem Flughafen H (Durchführungsvertrag). Der Vertrag sah ua. folgende Vereinbarungen vor:

        

㤠1 Gegenstand des Vertrages

        

(1)     

Die Auftraggeberin überträgt der Auftragnehmerin Fluggastkontrolldienstleistungen nach § 5 des Luftsicherheitsgesetzes auf dem Flughafen H.

        

(2)     

Der Leistungsinhalt und Leistungsumfang ist in der Anlage zum Vertrag (Leistungsverzeichnis und dessen Anlagen 1 bis 5) festgelegt. Die Anlagen 1 bis 5 zum Leistungsverzeichnis gelten in der jeweils gültigen Fassung.

        

…       

        

§ 3 Abruf von Einsatzstunden

        

(1)     

Das Verfahren zum Abruf von Einsatzstunden ist dem Leistungsverzeichnis zu entnehmen.

        

(2)     

Die Auftragnehmerin ist verpflichtet, die so geforderte Anzahl von Einsatzstunden zu erbringen.

        

§ 4 Aufgaben der Auftragnehmerin

        

(1)     

Die Auftragnehmerin erbringt die Leistung nach § 1 Abs. 1 dieses Vertrages durch ihre Mitarbeiter/-innen.

        

(2)     

Die Auftragnehmerin ist verpflichtet, die sich aus dem Leistungsverzeichnis ergebenden Mindestregelungsinhalte in eine Dienstanweisung aufzunehmen. Diese Dienstanweisung ist mit dem zuständigen Bundespolizeiamt einen Monat vor Leistungsbeginn abzustimmen.

        

…       

        

§ 5 Vergütung

        

(1)     

Zur Abgeltung der Leistungen der Auftragnehmerin zahlt die Auftraggeberin der Auftragnehmerin eine Pauschalvergütung

                 

pro eingesetzte Fluggastkontrollkraft und geleisteter Stunde iHv. …

        

…       

        

§ 10 Aufsicht/Weisung

        

(1)     

Die seitens der Auftragnehmerin zur Vertragserfüllung eingesetzten Fluggastkontrollkräfte nehmen unter Aufsicht des jeweils auf Seiten der Bundespolizei zuständigen Bundespolizeipräsidiums und Bundespolizeiamtes die Aufgaben nach § 5 des Luftsicherheitsgesetzes wahr.

        

(2)     

Bedienstete der Bundespolizei sind berechtigt, der Auftragnehmerin zur Aufgabendurchführung jederzeit im Rahmen der ihnen als Luftfahrtbehörde nach § 5 des Luftsicherheitsgesetzes obliegenden Aufsicht fachliche Weisungen zu erteilen.

        

(3)     

Die Auftragnehmerin gewährleistet, dass während der gesamten Kontrollzeit ein Ansprechpartner mit Leitungsfunktion zur Verfügung steht. Das Weisungsrecht wird vorrangig gegenüber solchen Mitarbeitern der Auftragnehmerin ausgeübt, die Leitungsfunktionen wahrnehmen. Weisungen der Bundespolizei in operative Organisationseinheiten hinein erfolgen nur, wenn dies zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr erforderlich ist; solche Weisungen von Bediensteten der Bundespolizei haben Vorrang vor Weisungen des Führungspersonals der Auftragnehmerin.“

5

Für die Durchführung der Kontrollen stellte die Beklagte der F GmbH Torbögen, Gepäckbänder mit automatischer Röntgensichtung, Handsonden, Sprengstoffspürgeräte und sonstiges Material zur Verfügung. Die F GmbH stattete ihre Mitarbeiter mit eigenen Uniformen aus. Auf der Grundlage detaillierter Dienstanweisungen der Beklagten (Bundespolizei) erstellte die F GmbH für ihre Mitarbeiter ein „HAM Stationsprofil“. Diesem Handbuch für die Beschäftigten der F GmbH waren Dienstanweisungen der Beklagten beigefügt. Punkt 3.2 des HAM-Stationsprofils enthält allgemeine Anweisungen zum äußeren Erscheinungsbild, zur Bedienung der Geräte (Röntgengeräte, Metalldetektoren, Torsonden etc.), zum Verhalten am Arbeitsplatz, bei Schichtanfang und Schichtende (An- und Abmeldung bei F Schichtleiter) sowie bei Krankmeldungen und Verspätungen. Unter Punkt 3.5 sind die Fluggastkontrollen nach Maßgabe des § 5 LuftSiG und § 10 des Durchführungsvertrags näher erläutert.

6

Als Aufsichtspersonal setzte die Beklagte am Flughafen H Dienstgruppenleiter, Gruppenleiter sowie Kontrollstellenführer ein. Die Sicherheitskräfte der Beklagten beaufsichtigten die Durchführung der Fluggast- und Gepäckkontrollen durch die Mitarbeiter der F GmbH. Direkte Weisungen erteilten die Beamten der Bundespolizei an Mitarbeiter der F GmbH bei Fehlern im Kontrollablauf oder bei der Durchführung der Kontrolltätigkeit, bei Entscheidungen in Gefahrensituationen über die zu treffenden Maßnahmen oder bei Entscheidungen nach Aufforderung durch den Luftsicherheitsassistenten. Die F GmbH beschäftigte ihrerseits in jeder Schicht einen Bereichsleiter, einen Personaldisponenten und zwei Ausbilder als Führungspersonal. Sie entlohnte die bei ihr angestellten beliehenen Sicherheitskräfte, gewährte Urlaub und traf Entscheidungen über Abmahnungen und den Bestand des Arbeitsverhältnisses.

7

Seit dem 23. Dezember 2007 verfügte die F GmbH über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Der Auftrag zur Durchführung von Fluggastkontrollen an private Unternehmen wurde zum 1. April 2010 auf die Firma D GmbH & Co. KG übertragen.

8

Der Kläger hat mit der am 10. September 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage geltend gemacht, zwischen ihm und der Beklagten sei nach § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis begründet worden. Er sei von der F GmbH im Wege unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben an die Beklagte überlassen worden. Wegen des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips sowie des Funktionsvorbehalts für Beamte habe die Beklagte das Weisungsrecht gegenüber beliehenen Sicherheitskräften selbst maßgeblich ausüben müssen. Bei der Fluggastabfertigung handle es sich um eine hoheitliche Aufgabe. Daher begegne § 5 Abs. 5 LuftSiG verfassungsrechtlichen Bedenken. Der zwischen der Beklagten und der F GmbH geschlossene Durchführungsvertrag sei ein Arbeitnehmerüberlassungs- und kein freier Dienstvertrag. Die bei der Fluggastkontrolle eingesetzten Sicherheitskräfte seien maßgeblich auf der Grundlage der von der Beklagten herausgegebenen Dienstanweisungen durch Vollzugsbeamte der Bundespolizei geführt worden.

9

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht, nach welchem er bei der Beklagten als Luftsicherheitsassistent nach Maßgabe der einschlägigen tariflichen Vorschriften des TVöD eingestellt ist,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Ausgang des Rechtsstreits tatsächlich als Luftsicherheitsassistenten (Fluggastkontrolleur) zu beschäftigen,

        

3.    

a)    

die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft iSd. § 13 AÜG über die wesentlichen Arbeitsbedingungen eines solchen Luftsicherheitsassistenten(Fluggastkontrolleurs) zu erteilen, der als fest angestellter Luftsicherheitsassistent (Fluggastkontrolleur) mit Aufgaben nach § 5 Abs. 5 LuftSiG in den Jahren 2006 bis 2009 bei der Beklagten beschäftigt gewesen ist und

                 

b)    

die Beklagte nach Erteilung der Auskunft zu 3. a) zu verurteilen,

                          

aa)     

die sich aufgrund der Auskunft ergebende, noch zu bestimmende Differenzvergütung beginnend ab dem 1. Januar 2006 nachzuzahlen, welche sich berechnet aus dem regelmäßigen tariflichen Entgelt eines fest angestellten Luftsicherheitsassistenten (Fluggastkontrolleurs) abzüglich der bereits bezogenen Vergütung (2006: 21.074,39 Euro; 2007: 20.178,91 Euro; 2008: 20.117,21 Euro; 2009: 21.554,29 Euro); die nachzuzahlenden Beträge sind mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab dem 31. Tage seit Fälligkeit zu verzinsen;

                          

bb)     

ihm über die Differenzvergütung hinaus beginnend ab dem 1. Januar 2006 diejenigen sonstigen noch zu bestimmenden Arbeitsbedingungen nachzugewähren, die ein Luftsicherheitsassistent (Fluggastkontrolleur) der Beklagten in den Jahren 2006 bis 2009 bezogen hat.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, als speziellere Regelung verdränge § 5 Abs. 5 LuftSiG die Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Jedenfalls erfasse die im Dezember 2007 erteilte Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zuvor abgeschlossene Verträge. Letztlich komme es aber auch darauf nicht an, weil die Parteien einen Dienst- und keinen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abgeschlossen hätten. Die Sicherheitskräfte der F GmbH hätten grundsätzlich in getrennten Arbeitsgruppen und Spuren gearbeitet. Erforderliche Weisungen habe sie grundsätzlich nur gegenüber dem Leitungspersonal der F GmbH erteilt. Sie habe gegenüber diesen Sicherheitskräften keine generellen Dienstanweisungen erlassen, sondern die bei ihr geltenden Regelungen lediglich der F GmbH zur Verfügung gestellt. Diese habe daraufhin für ihre Arbeitnehmer eigene Regelungen ausgegeben.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klage weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis nach § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zustande gekommen. Die Parteien haben mit dem Durchführungsvertrag keine Vereinbarung über die Überlassung von Arbeitnehmern getroffen, sondern einen Dienstvertrag geschlossen. Die auf Weiterbeschäftigung, Auskunft und Zahlung gerichteten unechten Hilfsanträge fallen dem Senat nicht zur Entscheidung an.

13

A. Der auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten gerichtete Klageantrag ist unbegründet.

14

I. Der Antrag ist zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer mit der allgemeinen Feststellungsklage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf Grundlage der Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes geltend machen (BAG 24. Mai 2006 - 7 AZR 365/05 - Rn. 25, EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 114). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist dafür gegeben, weil die Parteien über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und damit über ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis streiten.

15

II. Der Antrag ist unbegründet. Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis kraft gesetzlicher Fiktion nach § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG zustande gekommen. Allerdings wird entgegen der Auffassung der Beklagten die Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes durch § 5 Abs. 5 LuftSiG nicht ausgeschlossen. Wie das Landesarbeitsgericht jedoch ohne Rechtsfehler festgestellt hat, lag ein Fall der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung nicht vor. Die Beklagte hatte die F GmbH im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags mit der Durchführung der Sicherheitskontrollen auf dem Flughafen H beauftragt. Gegenstand des Vertrags und seiner tatsächlichen Handhabung war nicht die Überlassung von Arbeitnehmern der F GmbH an die Beklagte. Es kommt daher nicht darauf an, welche rechtlichen Auswirkungen die Erteilung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung an die F GmbH im Dezember 2007 und die weitere Beschäftigung des Klägers auf ein etwa zuvor nach § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG entstandenes Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten gehabt hätte.

16

1. Das Landearbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Bestimmungen des § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG nicht durch § 5 Abs. 5 LuftSiG verdrängt werden. Soweit ein Arbeitnehmer für die Tätigkeit als Sicherheitsassistent nach § 5 Abs. 5 LuftSiG(vormals § 29c Abs. 1 Satz 3 LuftVG)beliehen wird, ist seine Rechtsstellung zwar auch im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber durch diese öffentlich-rechtliche Vorschrift ausgestaltet. Die Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, das die arbeitsrechtlichen Beziehungen regelt, wird durch die Beleihung aber nicht ausgeschlossen.

17

a) Die rechtssystematische Regel „lex specialis derogat legi generali“ dient der Vermeidung von Normwidersprüchen. Sie beruht auf dem Gedanken, dass die sonst zutreffende allgemeine Regel ausgeschlossen sein muss, weil für einen Tatbestand eine besondere Regelung getroffen worden ist. Die engere geht der weitergehenden gesetzlichen Regelung vor (vgl. BAG 19. März 1986 - 4 AZR 470/84 - Rn. 23, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 114; Bydlinski Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff 2. Aufl. S. 465; Larenz/Wolf BGB AT 9. Aufl. § 3 Rn. 53). Ob eine Norm ein anderes Gesetz verdrängt, richtet sich nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmungen (vgl. Staudinger/Coing/Honsell (2004) Einl. Rn. 148).

18

b) Aufgrund der unterschiedlichen Gesetzeszwecke der Luftsicherheit einerseits und des Arbeitnehmerschutzes andererseits kann § 5 Abs. 5 LuftSiG die Vorschriften der § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG nicht verdrängen.

19

aa) Nach § 2 Satz 1 LuftSiG hat die Luftsicherheitsbehörde die Aufgabe, Angriffe auf die Sicherheit des Luftverkehrs abzuwehren. Ihr stehen nach näherer Maßgabe des § 5 Abs. 1 bis Abs. 4 LuftSiG besondere Kontrollrechte gegenüber Fluggästen zu. Zuständige Luftsicherheitsbehörde ist die Bundespolizei, § 16 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 LuftSiG iVm. § 4 des Gesetzes über die Bundespolizei(BPolG). Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 LuftSiG kann die Luftsicherheitsbehörde geeigneten Personen als Beliehenen die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bei der Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen übertragen. Nach § 5 Abs. 5 Satz 2 LuftSiG kann die Beleihung jederzeit widerrufen werden. Der Beliehene ist nach § 5 Abs. 5 Satz 3 LuftSiG im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben und der sonst geltenden Gesetze befugt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Nach § 5 Abs. 6 LuftSiG bleiben die Aufgaben und Befugnisse der Polizeivollzugsbehörden unberührt. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 LuftSiG hat die Luftsicherheitsbehörde die Zuverlässigkeit der Personen zu prüfen, die nach § 5 Abs. 5 LuftSiG als Beliehene eingesetzt werden. Auf diese Weise soll zur Entlastung der Luftsicherheitsbehörde die teilweise Privatisierung von deren öffentlichen Aufgaben ermöglicht werden. Die Vorschrift regelt einen Sonderfall der Beleihung, um zum einen private Ressourcen zu nutzen, ohne zum anderen auf hoheitliche Handlungsbefugnisse und Einflussmöglichkeiten verzichten zu müssen (Voßkuhle VVDStRL Bd. 62, 266, 301). Der Beliehene wird - im Gegensatz zum bloßen Verwaltungshelfer - im eigenen Namen tätig und untersteht der Rechts- und regelmäßig auch der Fachaufsicht der zuständigen Behörde (Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 1 Rn. 256; Burgi in Erichsen/Ehlers Allgemeines Verwaltungsrecht 13. Aufl. § 9 III 2; Schmidt am Busch DÖV 2007, 533, 539; Schmidt ZG 2002, 353, 363; Voßkuhle VVDStRL Bd. 62, 266, 321).

20

Von diesem Regelungszweck des § 5 Abs. 5 Satz 1 LuftSiG unterscheidet sich der Zweck des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes grundlegend. Mit dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz werden die Voraussetzungen der legalen Arbeitnehmerüberlassung geregelt und nach den Vorgaben der Richtlinie 2008/104/EG vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. EU L 327 vom 5. Dezember 2008 S. 9) sozialverträglich ausgestaltet. Neben straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen (§§ 15, 15a, 16 AÜG) schützt die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG den Arbeitnehmer, wenn der Verleiher nicht im Besitz einer Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 AÜG ist. Die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses zu dem Entleiher korrespondiert mit § 9 Nr. 1 AÜG, der die Unwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses mit dem Verleiher anordnet. Anderenfalls würde der Arbeitnehmer in keinem Arbeitsverhältnis mehr stehen (BAG 2. Juni 2010 - 7 AZR 946/08 - Rn. 30, AP AÜG § 10 Nr. 22 = EzA AÜG § 10 Nr. 13).

21

§ 5 Abs. 5 LuftSiG enthält weder zu den Gesetzeszwecken des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes noch zu dem zwischen einem Beliehenen und einem privaten Sicherheitsunternehmen vereinbarten Arbeitsverhältnis Bestimmungen. Dessen Ausgestaltung obliegt allein den Parteien des Arbeitsvertrags. Der durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geregelte Schutzbedarf besteht unabhängig davon, ob ein Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 5 LuftSiG beliehen wird. Der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes steht auch der Regelungszweck des Luftsicherheitsgesetzes und der Beleihung nicht entgegen. Die Verantwortung der Luftsicherheitsbehörde für die Zuverlässigkeit der von ihr Beliehenen bleibt durch die Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes unberührt (vgl. zum Widerruf der Beleihung eines Luftverkehrssicherheitsassistenten VGH Baden-Württemberg 19. September 2006 - 8 S 1143/06 - GewArch 2007, 258; VG Hamburg 15. Januar 2008 - 2 E 3932/07 -).

22

bb) Die Entscheidungen, in denen der Senat eine Verdrängung der Normen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes bejaht hat, betrafen andere Fallgestaltungen, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

23

(1) Das Bundesarbeitsgericht hat zum einen angenommen, dass die Personalgestellung eines Bundeslandes an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zur Bearbeitung von Asylverfahren auf der Grundlage von § 5 Abs. 5 AsylVfG in der bis 31. August 2004 geltenden Fassung nicht an den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zu messen ist (BAG 5. März 1997 - 7 AZR 357/96 - zu II 1 der Gründe, BAGE 85, 234). Bei dieser Übertragung von öffentlichen Aufgaben auf eine andere öffentliche Körperschaft handelt es sich nicht um einen Fall der „Privatisierung“. Die Personalgestellung war in einer Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem Land geregelt, zu der § 5 Abs. 5 Satz 3 AsylVfG aF ermächtigte. Auf dieser Grundlage erfolgte die Abordnung der Arbeitnehmer. Im Unterschied dazu regelt § 5 Abs. 5 LuftSiG die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Beliehenen und einem Dritten nicht. Die beliehenen Sicherheitskräfte können als überlassene Leiharbeitnehmer eines Verleihers tätig werden, aber auch für ein Dienstleistungsunternehmen arbeiten, das die Kontrollaufgaben selbst mit eigenem Personal durchführt.

24

(2) Auch das Senatsurteil vom 11. Juni 1997 (- 7 AZR 487/96 - BAGE 86, 113) betraf eine nicht vergleichbare Fallgestaltung. Nach dieser Entscheidung ist die Durchführung der einem öffentlichen Träger obliegenden Jugendhilfemaßnahmen durch einen bei einem freien Träger angestellten Arbeitnehmer jedenfalls dann nicht an den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zu messen, wenn sich das Zusammenwirken beider Träger auf der Grundlage der Spezialregelungen des SGB VIII vollzieht (vgl. BAG 11. Juni 1997 - 7 AZR 487/96 - zu II 2 der Gründe, aaO). Vorliegend fehlt es bereits an einer spezialgesetzlichen Regelung zur Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen der Luftsicherheitsbehörde und dem privaten Sicherheitsunternehmen. Das Luftsicherheitsgesetz regelt dieses Verhältnis nicht. § 5 Abs. 5 LuftSiG ermöglicht lediglich die Beleihung geeigneter Personen mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben.

25

2. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, ist die Klage deshalb unbegründet, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG zustande gekommen ist. Der zwischen der Beklagten und der F GmbH für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 31. März 2010 geschlossene Durchführungsvertrag hatte nicht die Überlassung von Arbeitnehmern zum Gegenstand. Vielmehr handelte es sich sowohl nach seinem Inhalt als auch nach seiner tatsächlichen Handhabung um einen Dienstvertrag.

26

a) Eine Überlassung zur Arbeitsleistung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen(vgl. BAG 6. August 2003 - 7 AZR 180/03 - zu II 1 a der Gründe, AP AÜG § 9 Nr. 6 = EzA AÜG § 1 Nr. 13; 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 14 mwN, EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 121).

27

aa) Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats unterfällt nicht jeder in diesem Sinne drittbezogene Arbeitseinsatz dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Arbeitnehmerüberlassung ist vielmehr durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet. Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführungen des Werks erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht erfasst (vgl. zu alldem BAG 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 14 mwN, EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 121).

28

bb) Über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Die Vertragsschließenden können das Eingreifen zwingender Schutzvorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht dadurch vermeiden, dass sie einen vom Geschäftsinhalt abweichenden Vertragstyp wählen. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp (BAG 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 15, EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 121; 10. Oktober 2007 - 7 AZR 487/06 - Rn. 35; 24. Mai 2006 - 7 AZR 365/05 - Rn. 42, EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 114). Einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung sind zur Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalts nur geeignet, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt (BAG 6. August 2003 - 7 AZR 180/03 - zu II 1 b der Gründe mwN, AP AÜG § 9 Nr. 6 = EzA AÜG § 1 Nr. 13).

29

b) Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Es hat aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen ohne Rechtsfehler angenommen, Gegenstand des Durchführungsvertrags, den die Parteien im Oktober 2005 für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. März 2010 geschlossen haben, sei nicht die Überlassung von Arbeitnehmern. Vielmehr handle es sich dabei um einen Dienstvertrag, auf dessen Grundlage der Kläger nach Maßgabe seines Arbeitsvertrags vom 3. Juni 2003 grundsätzlich nach Weisung der F GmbH als Luftsicherheitsassistent Personen- und Gepäckkontrollen durchgeführt hat.

30

aa) Der Durchführungsvertrag sieht nicht vor, dass die F GmbH das Weisungsrecht für die bei ihr angestellten Sicherheitskräfte auf die Beklagte überträgt. § 10 des Durchführungsvertrags regelt die wechselseitigen Befugnisse zwischen der Bundespolizei und der F GmbH unter Berücksichtigung des vertraglichen Dienstleistungsauftrags und des zu beachtenden öffentlich-rechtlichen Standards bei der Gefahrenabwehr im Bereich der Luftsicherheit. Die Weisungsrechte werden nach § 10 Abs. 3 Satz 2 des Durchführungsvertrags grundsätzlich gegenüber Mitarbeitern mit Leitungsfunktion der F GmbH ausgeübt. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 des Durchführungsvertrags hat die F GmbH zu gewährleisten, dass während der gesamten Kontrollzeit ein Mitarbeiter mit Leitungsfunktion zur Verfügung steht. Unmittelbare Weisungen in operative Organisationseinheiten sind der Bundespolizei gestattet, wenn dies zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr erforderlich ist. Nur soweit die Beklagte aufgrund der Beleihung Aufsichts- und Eingriffsbefugnisse gegenüber den Luftsicherheitsassistenten wahrzunehmen hat, räumt § 10 Abs. 2 des Durchführungsvertrags der Bundespolizei die Möglichkeit der Erteilung von fachlichen Weisungen ein. Nach § 10 Abs. 3 Satz 3 letzter Halbs. des Durchführungsvertrags würde im Konfliktfall die Weisung durch einen Bundespolizisten gegenüber einem beliehenen Luftsicherheitsassistenten der Weisung einer Führungskraft der F GmbH vorgehen.

31

bb) Nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entsprach die tatsächliche Handhabung der Durchführungsvereinbarung.

32

(1) Die F GmbH setzte in jeder Schicht einen Bereichsleiter, einen Disponenten und zwei Ausbilder ein, die arbeitsbezogene Weisungen aussprachen. Die Auswahl, welcher Mitarbeiter in welcher Schicht eingesetzt wurde, erfolgte durch den von der F GmbH eingesetzten Disponenten. Die Beklagte gab lediglich vor, wie viele Mitarbeiter der F GmbH sie pro Schicht benötigte. Ermahnungen und Abmahnungen wurden ausschließlich durch die F GmbH ausgesprochen. Sie schulte die Luftsicherheitsassistenten und erteilte Urlaub.

33

(2) Entgegen der Ansicht des Klägers spricht für eine Arbeitnehmerüberlassung nicht der Umstand, dass die F GmbH detaillierte Vorgaben der Beklagten in das „HAM Stationsprofil“ übernommen und dieser Anweisung als Anlage die allgemeine Dienstanweisung Luftsicherheit sowie den Rahmenplan Luftsicherheit der Beklagten beigefügt hatte. Im Sicherheitsgewerbe bestimmt der Auftraggeber regelmäßig, wie die Sicherheitskontrollen durchzuführen sind, wobei er seinerseits normative Vorgaben zu beachten hat. So muss bei der Fluggastkontrolle wegen der überragenden Bedeutung der Sicherheit des Flugverkehrs ein hoher Qualitätsstandard angelegt werden, der durch eine Vielzahl nationaler gesetzlicher Bestimmungen im Luftsicherheitsgesetz und auf europäischer Ebene (Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 vom 16. Dezember 2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt (ABl. EU L 355 vom 30. Dezember 2002 S. 1) sowie ab dem 29. April 2008 Verordnung (EG) Nr. 300/2008 vom 11. März 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 (ABl. EU L 97 vom 9. April 2008 S. 72)) geregelt ist. Das „HAM Stationsprofil“ spiegelt als projektbezogene Anweisung (vgl. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB) den vom Auftraggeber gewünschten gesetzeskonformen Qualitätsstandard wider. Die weitgehende Anlehnung an die Dienstanweisungen der Beklagten indiziert deshalb nicht das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung (vgl. auch für den Einsatz eines privaten Bewachungsgewerbes in einem Bundeswehrdepot BAG 31. März 1993 - 7 AZR 338/92 - II 2 der Gründe, AP AÜG § 9 Nr. 2 = EzA AÜG § 10 Nr. 5).

34

(3) Auch weitere Umstände der tatsächlichen Zusammenarbeit der F GmbH mit der Beklagten rechtfertigen nicht die Annahme einer Arbeitnehmerüberlassung.

35

(a) Die Fluggastkontrollen wurden zwar mit von der Beklagten zur Verfügung gestellten technischen Geräten durchgeführt. Daraus folgt jedoch nicht das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung. Ein Unternehmer muss einen Dienst- oder Werkvertrag nicht notwendig mit eigenen technischen Mitteln erfüllen. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Weisungsbefugnis bei dem Einsatz der Sicherheitsassistenten bei der F GmbH verblieb.

36

(b) Die mit der Beleihung verbundene Mitwirkung der Beklagten bei der Auswahl der privaten Luftsicherheitsassistenten beruht auf der gesetzlichen Vorgabe in § 7 Abs. 1 Nr. 3 LuftSiG, nach der sich die nach § 5 Abs. 5 LuftSiG Beliehenen einer Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen müssen. Dieses Erfordernis ist nicht geeignet, den Durchführungsvertrag zwischen der Beklagten und der F GmbH als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zu qualifizieren (vgl. zum Einsatz von Wachleuten eines gewerblichen Wachunternehmens in einer Bundeswehreinrichtung BAG 31. März 1993 - 7 AZR 338/92 - zu II 3 der Gründe, AP AÜG § 9 Nr. 2 = EzA AÜG § 10 Nr. 5).

37

(c) Die in § 11 des Durchführungsvertrags vorgesehene Haftungsregelung und die dort vereinbarte Pflicht der F GmbH, eine verkehrsübliche Haftpflichtversicherung abzuschließen, sprechen gegen Arbeitnehmerüberlassung und für einen auf die Leistung von Sicherheitsdiensten gerichteten Dienstvertrag, zu dessen Erfüllung sich die F GmbH eines eigenen Personals als Erfüllungsgehilfen iSv. § 278 BGB bediente(vgl. BAG 31. März 1993 - 7 AZR 338/92 - zu II 3 der Gründe, AP AÜG § 9 Nr. 2 = EzA AÜG § 10 Nr. 5).

38

3. Da schon keine Arbeitnehmerüberlassung vorlag, konnte dahinstehen, welche rechtlichen Folgen sich für ein etwa nach § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG entstandenes Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten durch die Erteilung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung an die F GmbH im Dezember 2007 und die weitere Beschäftigung des Klägers ergeben hätten.

39

4. Ebenso konnte dahinstehen, ob - wie der Kläger meint - gegen § 5 Abs. 5 LuftSiG wegen der Übertragung hoheitlicher Aufgaben verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre dadurch nicht etwa ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande gekommen (vgl. dazu auch BAG 2. Juni 2010 - 7 AZR 946/08 - Rn. 33, AP AÜG § 10 Nr. 22 = EzA AÜG § 10 Nr. 13).

40

B. Die auf Weiterbeschäftigung, Auskunft und Zahlung gerichteten Anträge fielen dem Senat nicht zur Entscheidung an. Sie sind, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, nur für den Fall des Obsiegens mit der Feststellungsklage gestellt.

41

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Linsenmaier    

        

    Gallner    

        

    Kiel    

        

        

        

    Gerschermann    

        

    Gmoser    

                 

(1) Ist das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des von dem Besteller gelieferten Stoffes oder infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden, ohne dass ein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten hat, so kann der Unternehmer einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen. Das Gleiche gilt, wenn der Vertrag in Gemäßheit des § 643 aufgehoben wird.

(2) Eine weitergehende Haftung des Bestellers wegen Verschuldens bleibt unberührt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status aufgrund einer Tätigkeit im sog Rackjobbing.

2

Die Klägerin - eine GmbH - präsentierte sich im Zeitraum der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für sie vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 als Dienstleisterin auf dem Retailmarkt. Sie verstand sich als Bindeglied zwischen Herstellern und Retailern von Waren (Einzelhändlern und Wiederverkäufern) und bot ein integriertes Vertriebs-, Merchandising- und Logistikkonzept zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Belieferung von Großmärkten und Warenhäusern an. Teil ihres Angebots war sog Rackjobbing (= Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Verkaufsförderung). Dieses Angebot umfasste einen Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI (Electronic Data Interchange), die regelmäßige Betreuung der Retail-Filialen/Outlets, die regelmäßige Kontrolle der Bestände, die Regalpflege einschließlich der Regaloptimierung, die Layout-Erstellung für die jeweiligen Sortimente einschließlich der dazugehörigen Planung, Umsetzung und Optimierung jeweils nach Abverkaufszahlen, Neueinrichtungen und generelle Umbauten, fundierte Zahlen für zukünftige Strategien sowie die Steuerung der Sortimente nach Abverkaufszahlen.

3

Der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin lag ein mehrseitiger schriftlicher Vertrag vom 1.11.1999 zugrunde, in dem ua - durch Einzelbestimmungen in zahlreichen §§ aufgegliedert - Folgendes vereinbart worden war: Der Beigeladene zu 1. solle als "freier Mitarbeiter" zur selbstständigen Warengestaltung und -darbietung bzw Merchandising tätig werden und werde insbesondere mit der Ausführung folgender Tätigkeiten in den Geschäftsräumen der Kunden der Klägerin beauftragt: Präsentation der Produkte der Klägerin und ihrer Vertragspartner, Sortimentüberwachung, Warendisposition, Warenplatzierung, Preisauszeichnung, Regalservice (Regalaufbauten/Regalumbauten), Layout-Prüfungen und Inventuren. Einzelheiten der Vertragsausführung seien dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten. Die Aufträge habe der Beigeladene zu 1. in eigener Verantwortung auszuführen und dabei zugleich die Interessen der Klägerin zu berücksichtigen. Er unterliege keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens der Klägerin, habe jedoch deren fachliche Vorgaben zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung zu beachten. Er sei nicht zur persönlichen Auftragserfüllung verpflichtet, sondern könne die Vertragspflichten auch durch Erfüllungsgehilfen erfüllen, soweit deren fachliche Qualifikation sichergestellt sei. Er habe das Recht, einzelne Aufträge ohne Begründung abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu werden; einer vorherigen Zustimmung der Klägerin bedürfe dies nur, sofern es sich dabei um Wettbewerber der Klägerin handele. Die Bestimmung des Orts der Tätigkeit erfolge in dem jeweiligen Einzelauftrag. Für seine Tätigkeit erhalte der Beigeladene zu 1. ein Stundenhonorar in Höhe von 24 DM zzgl Umsatzsteuer, die Abrechnung habe auf fünf Minuten genau zu erfolgen; die Auftragserfüllung sei wöchentlich auf besonderen Formularen nachzuweisen. Er habe die Kosten für Bürobetrieb, technische Vorrichtungen und sonstige im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit anfallende Kosten zu tragen. Die Gewährung von Urlaub und Zahlung eines festen Lohns, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Überstunden bzw sonstige Sozialleistungen seien ausgeschlossen. Der Beigeladene zu 1. sei vielmehr verpflichtet, während Urlaub und Krankheit die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen bzw im Verhinderungsfall unverzüglich die Klägerin zu informieren. Für Schäden, die er bzw seine Mitarbeiter im Rahmen der vertraglichen Aufgabenerfüllung der Klägerin zufügten, habe er zu haften. Der Beigeladene zu 1. bestätigte der Klägerin, dass er auch für andere Auftraggeber tätig sei und verpflichtete sich zur Mitteilung, falls dies nicht mehr zutreffe und die Klägerin seine einzige Auftraggeberin geworden sei. Weiter oblag es ihm, der Klägerin zu jedem Quartalsende den prozentualen Anteil der anderen Auftraggeber an seinem Gesamtgewinn mitzuteilen. Er verpflichtete sich des Weiteren, vor Beginn seiner Tätigkeit für die Klägerin eine Gewerbeanmeldung vorzulegen (bereits zum 29.1.1992 hatte er ein Gewerbe als selbstständiger Handelsvertreter angemeldet), seine Selbstständigkeit durch Vorlage einer Bescheinigung des Sozialversicherungsträgers nachzuweisen und seine Steuernummer für die Einkommen- und Umsatzsteuer mitzuteilen. Schließlich war der Beigeladene zu 1. verpflichtet, für den Fall, dass "Scheinselbständigkeit" durch den Sozialversicherungsträger oder die Finanzbehörden festgestellt werde, die daraus für die Klägerin resultierenden Nachforderungen unbeschränkt und zeitlich unbefristet auszugleichen. Ergänzungen und Änderungen des Vertrages bedurften der Schriftform.

4

Nach einem Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status stellte die Funktionsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich "die Beklagte") mit gleichlautenden Bescheiden vom 18.8.2003 gegenüber der Klägerin sowie gegenüber dem Beigeladenen zu 1. fest, dass dieser seine Tätigkeit im Bereich Regalservice bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.1.2005).

5

Auf die Klage der Klägerin hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt gewesen sei (Urteil vom 20.10.2008). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die vorgenannten Bescheide geändert und die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt (Bescheid vom 24.9.2012). Die Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Im Rahmen einer Gesamtwürdigung überwögen die für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sprechenden Umstände. Anknüpfungspunkt sei zunächst der Vertrag vom 1.11.1999, der als Rahmenvertrag (im Folgenden: RV) die Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstelle und überwiegend für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Regelungen enthalte. Dem hierin dokumentierten Willen der Vertragsparteien komme indizielle Bedeutung zu. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich nur um eine formale Vereinbarung gehandelt habe, seien nicht ersichtlich. Tatsächlich sei der Beigeladene zu 1. schon vor seiner Tätigkeit bei der Klägerin selbstständig und auch während dieser Zeit für mehrere andere Unternehmen tätig gewesen. Deshalb habe er nicht jeden Auftrag der Klägerin ausführen können und Auftragsübernahmen abgelehnt. Die Klägerin habe nicht jederzeit über seine Arbeitsleistung verfügen können, was gegen eine Eingliederung in deren Betrieb spreche. Zudem habe der Beigeladene zu 1. die Aufträge nicht höchstpersönlich ausführen müssen. Zwar habe er mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt, doch sei in zwei Parallelverfahren bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, wobei diese die Differenz zwischen dem ihnen von der Klägerin gewährten Vergütungssatz und dem von ihnen an ihre Subunternehmer bzw Arbeitnehmer gezahlten Entgelt als unternehmerische Vergütung hätten vereinnahmen können. Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. habe es sich nicht um klassische Regalauffüllertätigkeiten gehandelt, die typischerweise in abhängiger Beschäftigung ausgeführt würden. Vielmehr seien diese durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente ergänzt worden. So hätten die Auftragnehmer der Klägerin - wie durch Zeugen in Parallelverfahren bestätigt worden sei - über das mechanische Ein- und Ausräumen von Produkten hinaus auch über die Präsentation der Produkte der Vertragspartner der Klägerin zu entscheiden, Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung vorzunehmen gehabt. Die zeitliche Abhängigkeit vom Warenwirtschaftsturnus und Warenabverkauf sei ebenso der Natur der Tätigkeit geschuldet und nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin, wie der Umstand, dass die Tätigkeit in den zu betreuenden Verbrauchermärkten zu erbringen sei. Für eine Beschäftigung spreche demgegenüber die Vergütung mittels Stundenhonorar bei einer auf fünf Minuten genauen Abrechnung sowie der Umstand, dass sich der Beigeladene zu 1. seine jeweiligen Tätigkeitszeiten von den Marktleitern bzw deren Vertretern habe bestätigen lassen müssen. Allerdings rechneten auch viele Selbstständige nach Stundensätzen ab und der Beigeladene zu 1. habe zumindest durch die Auswahl der von ihm zu betreuenden Märkte Einfluss auf die Höhe der Vergütung nehmen können, in dem er über die Anfahrtszeiten seine Vergütung optimiere. Im Ergebnis gehöre der Beigeladene zu 1. als sog Solo-Selbstständiger zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen, deren wirtschaftliche Situation in vielerlei Hinsicht der von Beschäftigten ähnele. Es bestehe zudem auch keine Versicherungspflicht als Solo-Selbstständiger in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI, weil der Beigeladene zu 1. für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei (Urteil vom 14.3.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe bei seiner Gesamtwürdigung wesentliche Umstände, aus denen es auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen habe, in ihrer Tragweite verkannt. Insbesondere habe es den RV vom 1.11.1999 im Wortlaut herangezogen, ohne die dahinter liegende Bedeutung zu beachten. Die Möglichkeit, einzelne Aufträge abzulehnen, entspreche der Entschließungsfreiheit eines Arbeitnehmers, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen oder nicht. Das BSG habe bereits klargestellt, dass stets die einzelnen "Einsatzaufträge" zu prüfen seien. Dem Ausschluss von Sozialleistungen als solchem komme eine indizielle Wirkung für eine Selbstständigkeit ebenso wenig zu, wie der Möglichkeit, auch für weitere Auftraggeber tätig zu sein. Mit der vom LSG festgestellten Ergänzung der Tätigkeit des Regalauffüllers durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente werde die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten" beschrieben, der zumindest im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess fremdbestimmte Arbeit leiste; entscheidend sei, dass der Beigeladene zu 1. nach Annahme eines Einzelauftrags zu den Vertragspartnern der Klägerin gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach deren Vorgaben auszuführen. Zudem habe für ihn kein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestanden, da eine Vergütung nach Stunden und keine Umsatzbeteiligung vereinbart gewesen sei. Die eingeräumte Delegationsbefugnis könne ebenfalls keine Selbstständigkeit begründen, da von ihr - anders als in Parallelverfahren - kein Gebrauch gemacht worden sei, weshalb die bloße Befugnis für das vorliegende Vertragsverhältnis nicht prägend gewesen sei.

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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe das LSG festgestellt, dass ein Auftragsverhältnis auf selbstständiger Basis zwischen dem Beigeladenen zu 1. und ihr (der Klägerin) nicht nur formal vereinbart worden sei. Dem im RV dokumentierten Willen, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, komme daher ausschlaggebende Bedeutung zu (Hinweis auf BSG Urteile vom 12.10.1979 - 12 RK 24/78 - und vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R). Der Beigeladene zu 1. sei - anders als von der Beklagten unterstellt - nicht als Rackjobber (Regalauffüller), sondern als Merchandiser tätig gewesen. Beide Tätigkeiten seien nicht einander vergleichbar, denn der Merchandiser benötige vielfältige qualifizierte Kenntnisse und habe weitreichende Entscheidungsbefugnisse.

10

Die Beigeladene zu 2. (Bundesagentur für Arbeit) schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass der Beigeladene zu 1. in den Arbeitsprozess der Klägerin eingebunden gewesen sei. Die Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber Dienstleistungen zu erbringen, stehe dem nicht entgegen, zumal das LSG nicht festgestellt habe, dass der Beigeladene zu 1. hiervon tatsächlich und "im Wesentlichen" (Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 15 RdNr 25) Gebrauch gemacht habe. Einen Antrag stellt weder sie, noch ein anderer Beigeladener.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 SGG)begründet.

12

Das Urteil des LSG weist revisionsrechtlich bedeutsame Fehler auf; der Senat kann jedoch nicht abschließend selbst entscheiden, ob und ggf in welchem Umfang das LSG die Berufung der Beklagten gegen das ihren Bescheid vom 18.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.1.2005 vollständig aufhebende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen und den Bescheid vom 24.9.2012 aufgehoben hat, sowie ob und ggf in welchem Umfang diese Bescheide rechtmäßig sind. Das Berufungsgericht hat insbesondere zu Unrecht keine Konsequenzen daraus gezogen, dass eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zur Leistungserbringung überhaupt erst mit der Übernahme des jeweiligen Einzelauftrags entstand. Ob der Beigeladene zu 1. während der Abwicklung der jeweiligen Einzelaufträge versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war, lässt sich aufgrund insoweit fehlender entscheidungserheblicher Tatsachenfeststellungen des LSG derzeit noch nicht endgültig beurteilen.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 24.9.2012. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht bestand) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 24.9.2012 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

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2. Soweit das LSG - von den Beteiligten im Revisionsverfahren unbeanstandet gelassen - auch entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

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3. Die Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) reichen nicht aus, um ausgehend von den dafür rechtlich maßgebenden Umständen und auf der Grundlage der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 bzw während einzelner Zeiträume innerhalb dieses Rahmens abschließend zu beurteilen. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von Versicherungspflicht begründender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen RV, wonach eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zu entgeltlichen Dienstleistungen für die Klägerin erst mit Annahme eines Einzelauftrags entstand, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Um über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge entscheiden zu können, sind weitere Tatsachenfeststellungen des LSG notwendig (hierzu c). Zugleich hat die vorliegende Vertragskonstruktion Auswirkungen auf die Gewichtung einzelner Umstände im Rahmen der vom LSG erneut vorzunehmenden Gesamtabwägung, was dieses Gericht nach § 170 Abs 5 SGG ebenso zu beachten haben wird, wie die weitere Beurteilung seiner rechtlichen Erwägungen im angegriffenen Urteil durch den Senat(hierzu d).

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a) In den Jahren 1999 und 2003, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).

17

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (zum Vorstehenden vgl insgesamt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - unter II.2.b, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

18

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das LSG - insoweit zutreffend - zunächst vom Inhalt des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. am 1.11.1999 geschlossenen schriftlichen Vertrags ausgegangen und hat geprüft, ob die dort getroffenen Vereinbarungen den tatsächlichen Verhältnissen bei der Durchführung der vom Beigeladenen zu 1. verrichteten Tätigkeit entsprachen. Dabei hat das LSG richtig erkannt, dass es sich bei dem Vertrag vom 1.11.1999 um einen RV handelte, der die rechtliche Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstellte. Dies folgt insbesondere aus § 1 Abs 2, § 4 und § 6 RV, wonach die Einzelheiten der Vertragsdurchführung sowie die Bestimmung des Orts der Tätigkeit dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten blieben(§ 1 Abs 2, § 6 RV) und dem Beigeladenen zu 1. die - nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angefochtenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG nicht nur theoretische - Möglichkeit eingeräumt war, ihm von der Klägerin angebotene Aufträge ohne Begründung abzulehnen.

19

Nicht ausreichend berücksichtigt hat das LSG hingegen die Konsequenzen dieser Vertragsgestaltung für den Gegenstand der im Hinblick auf eine mögliche Versicherungspflicht vorzunehmenden Prüfung und die Gewichtung bestimmter Umstände hierbei (zum Letzteren unten d). Bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art ist für die Frage der Versicherungspflicht nämlich nicht auf den gesamten vom RV erfassten Zeitraum, sondern jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestehen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 35; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 24; BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27; vgl insbesondere auch das Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R -, das einen einzelnen Projektvertrag über eine Tätigkeit im Rackjobbing zum Gegenstand hatte; zur Bedeutung einer durchgehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19). Dies folgt aus dem Umstand, dass in den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. keinen Auftrag der Klägerin angenommen und durchzuführen hatte, schon keine - die Versicherungspflicht begründende - "entgeltliche" Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV bestand(zum Inhalt dieser Voraussetzung der Versicherungspflicht vgl BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 13 ff): Vor Annahme eines Auftrags durch den Beigeladenen zu 1. traf diesen keine - auch keine latente - Verpflichtung, Tätigkeiten für die Klägerin auszuüben. Umgekehrt hatte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1. kein Entgelt zu leisten. Ob die gegenseitigen Leistungspflichten jemals (wieder) in Vollzug gesetzt werden würden, war nach der Ausgestaltung des RV vollkommen ungewiss; denn weder war die Klägerin verpflichtet, dem Beigeladenen zu 1. überhaupt Aufträge anzubieten, noch bestand eine Pflicht des Beigeladenen zu 1., einen der ihm von der Klägerin angebotenen Aufträge anzunehmen. Schon hieraus folgt die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide in Bezug auf Zeiträume ohne (entgeltliche) Beschäftigung. Die notwendigen Feststellungen dazu, in welchen Zeiträumen Einzelaufträge tatsächlich vorlagen und durchzuführen waren, hat das LSG - von seinem Ansatz her konsequent - jedoch nicht getroffen.

20

c) Ob die Verhältnisse während der Durchführung der einzelnen Aufträge tatsächlich die vom LSG für die gesamte Laufzeit des RV getroffene Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit insgesamt oder zumindest für Teilzeiträume rechtfertigen, kann der Senat auf Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen. Hierfür fehlen neben Feststellungen zu den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. tatsächlich für die Klägerin Einzelaufträge durchführte, auch die erforderlichen konkreten Feststellungen zu Inhalt und Ausgestaltung dieser einzelnen Aufträge. Diese Einzelheiten waren nach § 1 Abs 2 des RV ausdrücklich erst den mit dem jeweiligen Einzelauftrag verbundenen Bestimmungen vorbehalten. Ob und ggf in welchem Umfang hierbei Vorgaben hinsichtlich Ort, Zeit (zB bzgl der Besuchshäufigkeit), Dauer (zB tolerierte Höchstdauer der Besuche) und Art der Ausführung (zB Richtlinien oder gar konkrete Anweisungen für die Bestückung einzelner Regale) durch die Klägerin gemacht wurden, hat das LSG im Einzelnen nicht festgestellt. Dies muss es im Rahmen der erneuten Verhandlung nachholen.

21

Zugleich hält es der Senat für geboten, dass das LSG bei dieser Gelegenheit von Amts wegen (vgl § 103 SGG) auch weitere Umstände aufklärt, die Bedeutung für die vorzunehmende Gesamtabwägung haben könnten:

22

So war der Beigeladene zu 1. zwar nach § 9 Abs 2 RV verpflichtet, bei Krankheit und Urlaub die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen, im Verhinderungsfall hatte er die Klägerin unverzüglich zu informieren. Jedoch begründet es Zweifel an der Verbindlichkeit bzw Ernsthaftigkeit der Sicherstellungsverpflichtung des Beigeladenen zu 1., wenn nach dessen - im angefochtenen Urteil wiedergegebenen - Angaben vor dem SG (in der mündlichen Verhandlung am 20.10.2008) die Konsequenz einer längeren Verhinderung lediglich darin bestand, dass der Händler die vorgesehenen Tätigkeiten selbst ausführen musste.

23

Ferner deutet die vom Beigeladenen zu 1. ebenfalls in der mündlichen Verhandlung beim SG gemachte Angabe, der RV sei ua deswegen gekündigt worden, weil er (der Beigeladene zu 1.) nach Auffassung der Klägerin "zu lange gebraucht (habe), um die Arbeiten auszuführen", auf eine zumindest konkludent verabredete zeitliche Vorgabe für die Durchführung eines Einzelauftrags sowie eine über die bloße Bestätigung von Anwesenheitszeiten durch die Marktleiter hinausgehende Überwachung der Auftragsausführung hin.

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Schließlich wäre es im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, wenn zu den Aufgaben des Beigeladenen zu 1. auch der von der Klägerin angebotene Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI sowie die Erfassung oder Aufbereitung fundierter Zahlen für zukünftige Strategien der Kunden gehört hätten und die hierfür notwendigen Geräte oder Software-Programme ganz oder zumindest teilweise durch die Klägerin gestellt worden wären.

25

d) Die aus der festgestellten Vertragsgestaltung folgende Notwendigkeit einer Prüfung der jeweiligen Einzelaufträge hat zudem materiell-rechtliche Konsequenzen für die Bedeutung einzelner Umstände im Rahmen der - jedenfalls beim Vorliegen relevanter Unterschiede - für jedes Auftragsverhältnis gesondert vorzunehmenden Gesamtabwägung. Gleichzeitig vermag der Senat den rechtlichen Erwägungen des LSG auch aus anderen Gründen nicht in jeder Hinsicht zu folgen.

26

aa) Zutreffend ist das LSG in Würdigung der einzelnen Klauseln des RV zu dem Ergebnis gelangt, dieser dokumentiere den Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen. Diesem Willen kommt - wie das LSG ebenfalls zutreffend ausführt - nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 38; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 16). Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht dieses Indizes umso geringer, je uneindeutiger die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die indizielle Wirkung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bzgl der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (zum Fall der Unerfahrenheit im Geschäftsverkehr vgl BAG Urteil vom 9.6.2010 - 5 AZR 332/09 - AP Nr 121 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Juris RdNr 33).

27

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw zu vermeiden (zB Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub bzw Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen), auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zulassen (vgl nämlich § 32 SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr setzen diese Regelungen - insbesondere der Ausschluss ansonsten zwingender arbeits- und sozialrechtlicher Rechte und Pflichten - bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw Beschäftigter voraus, für den in erster Linie Weisungsgebundenheit und - jedenfalls für das Sozialrecht - das Fehlen der unter II.3.a genannten, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnenden Umstände ausschlaggebend ist. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (stRspr, vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 2400 § 2 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332).

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bb) Nicht gerechtfertigt ist auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch das hohe Gewicht, welches das LSG in seiner auf den RV fokussierten Gesamtabwägung der dem Beigeladenen zu 1. eingeräumten Möglichkeit beigemessen hat, Auftragsangebote der Klägerin abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. Anknüpfungstatbestand für eine mögliche die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ist - wie oben unter II.3.b dargelegt - das einzelne angenommene Auftragsverhältnis. Daher stellte sich - wie von der Beklagten mit der Revision zu Recht geltend gemacht - für den Beigeladenen zu 1. die Situation vor Annahme eines Auftrags letztlich nicht anders dar als für einen Arbeitsuchenden, dem es ebenfalls freisteht, eine ihm angebotene (ggf befristete Teilzeit-) Arbeitsgelegenheit anzunehmen oder nicht. Zugleich haben jedenfalls Teilzeitbeschäftigte die Möglichkeit, in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssen angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht sind. Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen. Ein Werben für seine Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1. aber - wie auch im Urteil des LSG wiedergegeben - im Verwaltungsverfahren gerade verneint.

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cc) Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit auf Selbstständigkeit hindeuten. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts und nicht nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist. Dabei kommt auch einer großen Gestaltungsfreiheit bzgl der Arbeitszeit nur dann erhebliches Gewicht zu, wenn sich deren Grenzen nicht einseitig an den durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bzw Arbeitgebers vorgegebenen Rahmen orientieren. Ob dies vorliegend der Fall ist, hängt in erster Linie vom Inhalt der jeweiligen Einzelaufträge und deren praktischer Durchführung ab, was vom LSG noch weiter aufzuklären ist.

30

Zwar ist die Auffassung des LSG, dass allein aus der zeitlichen und örtlichen Abhängigkeit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. vom Warenturnus und Warenabverkauf bzw der Belegenheit der zu befüllenden Regale in den jeweiligen Verbrauchermärkten nicht auf ein diesbezügliches einseitiges Direktionsrecht der Klägerin geschlossen werden kann, im Ansatz zutreffend. Allerdings spricht es auch nicht gegen das Vorliegen eines - ggf verfeinerten - Weisungsrechts, wenn sich beispielsweise Arbeitsort und/oder Arbeitszeit bereits aus "der Natur der Tätigkeit" (zu diesem Topos vgl zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 1 RdNr 20; BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Die Beiträge Beilage 2004, 154 = USK 2004-25) ergeben, also aus den mit der vertraglich vereinbarten Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten. Ausschlaggebend ist insoweit vielmehr, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten (zB auch hinsichtlich Inhalt, Durchführung oder Dauer) der zu erbringenden Tätigkeit besteht oder aber ausgeschlossen ist, und sich die Fremdbestimmtheit der Arbeit auch nicht über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt.

31

Ebenso kommt der vom LSG ausführlich beschriebenen besonderen Qualität der Tätigkeit als solcher keine Indizfunktion im Sinne einer Selbstständigkeit zu. Allein der Umstand, dass die Tätigkeit eines "klassischen" Regalauffüllers mit weiteren, verantwortungsvolleren Aufgaben angereichert und mit größeren Möglichkeiten eigenverantwortlicher Gestaltung bei der Umsetzung des Auftrags bzw der Arbeitsaufgabe versehen wird, spricht noch nicht gegen Beschäftigung. Insoweit vertritt das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse selbst eines "leitenden Angestellten" diesen nicht schon zum Selbstständigen machen, solange er in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt (vgl zB BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (vgl BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 20). Solches wird typischerweise eher anzunehmen sein, wenn es sich um höherwertige Tätigkeiten handelt (vgl bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 16 mwN; BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) und die Honorierung des Auftragnehmers vom Arbeitsergebnis und -erfolg abhängig ist (zB von Umsatz- und Verkaufszahlen, gestaffelten Provisionen, usw), nicht dagegen in gleicher Weise, wenn sich - wie nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall - die Vergütung vornehmlich nach dem zeitlichen Umfang des geleisteten Arbeitsaufwandes richtet (vgl bereits BSG SozR 2200 § 165 Nr 32 S 40; BSG SozR 2200 § 165 Nr 51 S 73 f; andererseits für Beschäftigung trotz erfolgsabhängiger Vergütung zB BSG SozR 2200 § 165 Nr 63 S 87 f; BSG SozR Nr 10 zu § 2 AVG Aa 14).

32

Entgegen dem diesbezüglichen Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren spielt es insoweit keine Rolle, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. noch derjenigen eines Regalauffüllers entspricht, derjenigen eines kaufmännischen Angestellten angenähert ist oder entsprechend den Ausführungen des LSG zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen ("Solo-Selbstständigen") im Wirtschaftsleben ein völlig neues Berufsbild darstellt. Erst recht ist es ohne Belang, mit welchem "Etikett" die am Vertragsverhältnis Beteiligten einer Tätigkeit versehen (vorliegend etwa "Rackjobber" oder "Merchandiser"). Die für das Sozialversicherungsrecht maßgebende Abgrenzung von Versicherungspflicht auslösender Beschäftigung einerseits und Selbstständigkeit andererseits erfolgt vielmehr - wie dargelegt - anhand abstrakter Merkmale (vgl oben II.3.a) und auf Grundlage der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit im Einzelfall und nicht etwa anhand von Berufs- bzw Tätigkeitskatalogen (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19 RdNr 20; vgl auch BSG Beschluss vom 27.8.2012 - B 12 R 4/12 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 21.8.2013 - B 12 KR 93/12 B - Juris RdNr 16, jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Dementsprechend hat der Senat schon in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass bestimmte berufliche Tätigkeiten sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbstständigkeit wahrgenommen werden können und dass es für die Zuordnung insoweit auf die Gesamtschau der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl zB Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN; Senatsurteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17, 30 ; Senatsurteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 42 ; vgl auch Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27 ).

33

dd) Dem LSG ist im Ansatz auch darin zuzustimmen, dass eine dem Beigeladenen zu 1. eingeräumte Möglichkeit, sich zur Durchführung von Aufträgen auch Erfüllungsgehilfen zu bedienen, gegen das Vorliegen von Beschäftigung spricht. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen von Beschäftigung typisch, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 22). Auch nach der Rechtsprechung des BAG stellt die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar, auch wenn nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat(vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 14; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17 f).

34

Im Rahmen der erneuten Würdigung des Sachverhalts wird das LSG auch zu beachten haben, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen tatsächlich keine Delegation erfolgt ist, die Delegationsbefugnis allenfalls dann ein Indiz für Selbstständigkeit darstellen kann, wenn von ihr realistischerweise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17). Dagegen spricht vorliegend die Feststellung des LSG, der Beigeladene zu 1. habe mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt. Zugleich kommt es auch hier auf die Verhältnisse während der jeweiligen Auftragsdurchführung an. Insoweit steht die Delegationsbefugnis sogar schon nach dem Vertragstext unter dem Vorbehalt, dass "der jeweilige Auftrag dies gestattet". Bereits aus diesem Grunde kann dem vom LSG gezogenen Schluss, in zwei - den Beigeladenen zu 1. nicht betreffenden - Parallelverfahren sei bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, weshalb auch der Beigeladene zu 1. Dritte habe tatsächlich einsetzen können, nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Vielmehr wird das LSG zu prüfen haben, ob dem Beigeladenen zu 1. nach den Bedingungen des ihm nach Angebotsannahme jeweils obliegenden Auftrags dessen Durchführung mittels Erfüllungsgehilfen gestattet und realistischerweise möglich war.

35

ee) Anlässlich der erneuten Verhandlung wird das LSG auch der Frage weiter nachzugehen haben, ob und in welchem Umfang der Beigeladene zu 1. ein Unternehmerrisiko trug. Im Unterschied zu den vorgehend angesprochenen Umständen sind hierbei nicht nur die Verhältnisse bei Durchführung der einzelnen Aufträge in den Blick zu nehmen. Ein typisches unternehmerisches Risiko kann sich nämlich gerade daraus ergeben, dass vorgreiflich Investitionen (auch) im Hinblick auf eine ungewisse Vielzahl zukünftig am Markt noch einzuwerbender Aufträge getätigt werden.

36

Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft (vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f) oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (vgl zB BSG SozR 2400 § 2 Nr 19 S 30; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bzgl der einzelnen Einsätze (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Zudem wird angesichts zunehmender Freiheiten bzgl Arbeitsort und Arbeitszeitgestaltung, die im Zuge moderner Entwicklungen der Arbeitswelt auch Arbeitnehmern eingeräumt werden (vgl Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Grünbuch Arbeiten 4.0, 2015, S 64 ff; hierzu zB Bissels/Meyer-Michaelis, DB 2015, 2331 ff) zu prüfen sein, ob Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft zukünftig nur dann als Indiz für Selbstständigkeit angesehen werden können, wenn gerade hieraus verbesserte Verdienstchancen erwachsen (zum Gesichtspunkt zeitabhängige versus erfolgsabhängige Honorierung vgl im Übrigen bereits oben cc).

37

Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass der Beigeladene zu 1. im Wesentlichen nur seine Arbeitskraft eingesetzt hat. Ein Selbstständigkeit indizierendes Verlustrisiko im vorgenannten Sinne bestand dabei nicht, da er einen unbedingten Anspruch auf Vergütung seiner für die Durchführung der jeweiligen Aufträge aufgewandten - gegenüber der Klägerin engmaschig, nämlich fünf-Minuten-genau und in spezifischen Firmenvordrucken in bestimmter Weise zu dokumentierenden - Arbeitszeit hatte. Das verbleibende Risiko der Insolvenz des Auftrags- bzw Arbeitgebers trifft Arbeitnehmer in gleicher Weise. Soweit der Beigeladene zu 1. - wie vom LSG im Sachverhalt des Urteils berichtet - gegenüber der Beklagten angegeben hat, für seine Tätigkeit nutze er seinen PKW, seinen Personal Computer sowie ein eigenes Telefax- und Handygerät, lässt dies ebenfalls nicht ohne Weiteres auf ein unternehmerisches Risiko schließen. Voraussetzung dafür wäre es, dass diese Gegenstände gerade im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit angeschafft, hierfür eingesetzt und das hierfür aufgewandte Kapital bei Verlust des Auftrags und/oder ausbleibenden weiterer Aufträge als verloren anzusehen wäre. Dies kann jedenfalls bei Gegenständen, die heute auch in den meisten Haushalten Beschäftigter oder nicht erwerbstätiger Personen ohnehin regelmäßig zur privaten Nutzung vorhanden sind, nicht ohne spezielle diesbezügliche Tatsachenfeststellungen unterstellt werden.

38

ff) Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das LSG ggf schließlich zu prüfen haben, ob trotz bestehender Beschäftigung während der Durchführung der jeweiligen Aufträge Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit dieser Beschäftigung iS des § 8 SGB IV vorlag(zu den insoweit zu beachtenden Konstellationen vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27 ff).

39

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

40

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. die außergerichtlichen Kosten im Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" wegen Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig war.

2

Der 1976 geborene Beigeladene zu 1. war bis 30.9.2004 als Student in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) versichert. Seit 1.10.2003 war er auf der Basis eines am 25.9.2003 zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Klägerin (A. GmbH, künftig einheitlich Klägerin) geschlossenen "Projektvertrages" im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" tätig. Durch den Vertrag wurde er "beauftragt", Leistungen in Bezug auf die "Auftragsnummer A 95/002, Projekt D., Dispo und Service bei M." - einer Elektronik-Verbrauchermarktkette - zu erbringen. Nach dem Projektvertrag war der Beigeladene zu 1. in der Wahl des Zeitpunkts zur Leistungserbringung generell frei und vereinbarte selbst den Tag und Zeitpunkt seines Besuchs mit den zuständigen Mitarbeitern des Handels. Im Einzelnen galt nach dem Vertrag weiter ua Folgendes: Der Beigeladene zu 1. konnte die vertraglich geschuldete Leistung auch durch Dritte erbringen lassen. Bei Verhinderung (wie Überlastung, Krankheit oder Urlaub) hatte er selbst für eine Vertretung zu sorgen. Der Beigeladene zu 1. erhielt einen pauschalen Besuchspreis in Höhe von 15 Euro pro Markt, inklusive Fahrtkosten sowie pro Besuch und nachgewiesener Bestellung ab dem 36. bestellten Produkt eine Stückprämie von 0,40 Euro. Die Abrechnung erfolgte monatlich unter Ausweisung von Mehrwertsteuer und Angabe der Umsatzsteuernummer des Beigeladenen zu 1. Die Vereinbarung war jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündbar. Der Beigeladene zu 1. durfte auch für andere, ähnlich geartete Auftraggeber tätig werden. Er haftete für Schäden, die aus der verzögerten Erledigung resultierten, es sei denn, er hatte die Verzögerung oder Verhinderung nicht zu vertreten; in vollem Umfang haftete er auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (Mitarbeiter, beauftragte Personen, Unternehmen).

3

In Ausführung des Projektvertrages besuchte der Beigeladene zu 1. regelmäßig bestimmte Verbrauchermärkte, um dort Original Handy-Zubehör adäquat zu platzieren. Dazu gehörten ua die Sorge um die Aktualität der Ware, Bestellung und Retourenabwicklung, Personalschulung über Neuerungen sowie Verhandlungen mit den Markt-Abteilungsleitern über Durchführung, Art und Menge der Bestellungen. Gegenüber der Klägerin erstellte er fortlaufend Rechnungen und einen Bericht bei Abschluss der Tätigkeit. Er verfügte an eigenen Arbeitsmitteln ua über einen PKW und einen Laptop sowie eine Büroeinrichtung und Internetanschluss. Vom 1.6. bis 31.12.2004 war der Beigeladene zu 1. neben seiner Tätigkeit für die Klägerin für ein weiteres Unternehmen als "Assistant Trainer (Promotion, Abverkauf)" tätig. Insoweit stellte der beklagte Rentenversicherungsträger auf seinen Antrag hin fest, dass er diese Tätigkeit als Selbstständiger ausübe.

4

Der Beigeladene zu 1. beantragte im Januar 2005 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich seiner Tätigkeit für die Klägerin. Die Beklagte stellte durch Bescheid vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006 und durch weitere Bescheide gegenüber der Klägerin fest, dass er die Tätigkeit in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 im Rahmen einer Beschäftigung ausübe bzw in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei.

5

Das von der Klägerin dagegen angerufene SG hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum nicht sozialversicherungspflichtig tätig gewesen sei (Urteil vom 10.2.2011). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte durch Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010 festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 wegen der Tätigkeit für die Klägerin nicht in der GKV und in der sPV versicherungspflichtig war und ein entsprechendes - angenommenes - Teilanerkenntnis abgegeben. Das LSG hat die darüber hinausgehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung überwögen bei dem Beigeladenen zu 1. die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände. Der Projektvertrag enthalte überwiegend Regelungen, die dafür sprächen. Nach den Umständen und Ermittlungen fehlten Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses auf selbstständiger Basis nur formal vereinbart worden sei. Es habe sich nicht um bloße untergeordnete Regalauffülltätigkeiten gehandelt, sondern um einen um gestalterische Elementen erweiterten Aufgabenkreis. Die Rahmenbedingungen (Warenwirtschaftsturnus; konkrete Verbrauchermärkte) seien nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin gewesen. Der Beigeladene zu 1. sei zudem auch für andere Auftraggeber tätig und berechtigt gewesen, Erfüllungsgehilfen einzusetzen. Betriebliche Sachzwänge, Mitteilungspflichten, die Möglichkeit einer Qualitätskontrolle durch die Klägerin sowie die Verpflichtung, Interessenkollisionen beim Einsatz Dritter bzw bei weiteren Aufträgen zu vermeiden, relativierten sich dadurch, dass auch klassische Selbstständige ähnlichen Pflichten unterlägen. Insgesamt sei der Beigeladene zu 1. als für mehrere Auftraggeber tätiger "Solo-Selbstständiger" anzusehen (Urteil vom 23.5.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Zu Unrecht habe das LSG im Rahmen der Gesamtwürdigung den für die Tätigkeit maßgeblichen Bestimmungen des Projektvertrages, die nur dem Wortlaut nach auf eine selbstständige Tätigkeit zielten, uneingeschränkt Vorrang gewährt. Die tatsächlichen Umstände bei der Durchführung der einzelnen Aufträge, die für eine weitgehende Weisungsabhängigkeit und Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin sprächen, habe das LSG nur nachrangig berücksichtigt. Die Feststellungen zur Tätigkeit umschrieben letztlich nur die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten". Die Ansicht des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, als nicht abhängige Beschäftigung ausgeübt werden könnte. Der Beigeladene zu 1. sei aber in den Arbeitsprozess der Klägerin eingegliedert gewesen, indem er nach Annahme eines Einzelauftrags der Klägerin zu deren Vertragspartnern gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach den Vorgaben der Klägerin auszuführen. Hinweise auf ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestünden nicht. Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis - von der kein Gebrauch gemacht worden sei - stelle allein kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit dar. Feststellungen des LSG entsprächen teilweise nicht den Tatsachen, soweit es die Gewährung von Kilometergeld und Fahrkosten für den Besuch weiter entfernter Märkte anbelange. Eine Entlohnung mittels Besuchspauschale und Stückprämie spreche nicht indiziell für eine selbstständige Tätigkeit. Umständen wie Rechnungsstellung, Kündigungsmöglichkeit, oder die Möglichkeit einer Tätigkeit für weitere Auftraggeber komme ebenfalls keine indizielle Wirkung im Hinblick auf Selbstständigkeit zu.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Beide verteidigen das angefochtene Urteil.

10

Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge, die Beigeladenen zu 2., 3. und 6. schließen sich der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung an.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers ist unbegründet.

12

Revisionsrechtlich beanstandungsfrei haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund einer Beschäftigung bei der klagenden GmbH als Arbeitgeberin feststellte.

13

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind - nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beim LSG durch die Klägerin - der Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006, beide wiederum geändert durch die Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010, soweit darin die Beklagte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" für die Klägerin aufgrund Beschäftigung in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung und danach vom 1.10.2004 bis 24.5.2005 in allen Zweigen der Sozialversicherung feststellte. Der Bescheid vom 2.2.2010 hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 2.2.2010 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt hat (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13). Zu Recht hat das LSG auch den ausschließlich gegenüber der Klägerin ergangenen Bescheid vom 11.3.2010 als Gegenstand des Revisionsverfahrens angesehen, weil er ausdrücklich als "Bescheid" den früheren Bescheid vom 2.2.2010 änderte, auch wenn dies nur wegen einer teilweisen offensichtlichen Unrichtigkeit erfolgte. Soweit das LSG darüber hinaus - von den Beteiligten unbeanstandet gelassen - entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

14

2. Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht wegen Beschäftigung versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.

15

a) In den Jahren 2003 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

16

b) Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen und begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände hier nicht überwiegen, sondern die Abwägung insgesamt zu einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. führt. Die zentralen Feststellungen des LSG zum Inhalt des Projektvertrages (dazu aa), die von der Beklagten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen wurden, sowie die hierzu nicht in Widerspruch stehende tatsächliche Umsetzung des Vertrages (dazu bb) rechtfertigen in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden Fall die Annahme des LSG, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht als Beschäftigter versicherungspflichtig war. Anders als Ausführungen der Beklagten und auch des LSG andeuten, geht es vorliegend allerdings nicht darum, eine "allgemeine" sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für ein bestimmtes neues Berufsbild im Rahmen von "Merchandising/Rackjobbing" vorzunehmen (dazu cc). Schließlich ist auch ein Unternehmerrisiko beim Beigeladenen zu 1. anzunehmen (dazu dd).

17

aa) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist zunächst die zwischen Klägerin und Beigeladenen zu 1. bestehende Vertragslage. Hierzu hat das LSG - ohne dass dies zu beanstanden wäre - angenommen, dass der für die vorliegende Tätigkeit maßgebende Projektvertrag nach seinem Gepräge überwiegend Regelungen enthält, die für eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnend sind. So war der Beigeladene zu 1. in zeitlicher Hinsicht weitgehend frei, war berechtigt, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen und hatte bei seiner Verhinderung für eine Vertretung zu sorgen. Als Entlohnung erhielt er eine Kombination aus Besuchspauschale und erfolgsabhängiger Stückprämie, und durfte auch - was teilweise tatsächlich erfolgte - noch für weitere ähnliche Auftraggeber tätig werden. Zwar hat das LSG auch festgestellt, dass die Klägerin über einen Adressenbestand von rund 75 "Lieferanten" verfügte, mit denen häufig sogenannte "Rahmenverträge" bestanden. Die Existenz eines zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. bestehenden Rahmenvertrages hat das LSG hingegen nicht festgestellt.

18

bb) Dem angefochtenen Urteil können auch (gerade noch) hinreichende Feststellungen zur tatsächlichen Umsetzung der Vertragslage entnommen werden. Das LSG hat - insbesondere gestützt auf gerichtliche Anhörungen des Beigeladenen zu 1. im Klage- und Berufungsverfahren - festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür fehlten, dass die vertraglichen Regelungen nur formal vereinbart worden waren und dass hinsichtlich der Erwerbstätigkeit tatsächlich etwas ganz anderes praktiziert wurde. Nach den vertraglichen Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Umsetzung sind damit keine gewichtigen Umstände ersichtlich, die gesamtschauend den Ausschlag für eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV geben könnten.

19

(1) Der Beigeladene zu 1. war nach den Feststellungen des LSG weitgehend weisungsfrei in dem Sinne, dass die zeitlichen und örtlichen Rahmenbedingungen gerade nicht Ausfluss eines Direktionsrechts - wie im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - waren.

20

(2) Der Beigeladene zu 1. war - unbeschadet des Umstandes, dass er Dienstleistungen im Rahmen eines von der Klägerin mitgetragenen Gesamtvermarktungskonzepts erbrachte - nicht in einem relevanten Maß in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert, was sich ua in seiner vertraglichen Pflicht zeigt, im Falle seiner Verhinderung selbst für eine Vertretung zu sorgen. Er hatte nur auf betriebliche Sachzwänge der Klägerin und deren Kunden Rücksicht zu nehmen und unterlag insoweit lediglich Mitteilungspflichten und Qualitätskontrollen (zum Charakter von - eine Selbstständigkeit nicht ausschließenden - Dokumentationspflichten vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 20). Dem standen weitreichende Freiheiten des Beigeladenen zu 1. beim "Ob und Wie" der Erbringung der Tätigkeit mit eigenen gestalterischen Elementen gegenüber, die etwa über diejenigen eines klassischen Regalauffüllers hinausgingen. Das LSG hat insoweit zB auf Seite 15/16 seines Urteils dargelegt, dass dem Beigeladenen zu 1. - ähnlich wie anderen Vertragspartnern der Klägerin - die Entscheidung über die Präsentation der Produkte oblag, dass er Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung festzulegen hatte. Seine Tätigkeit habe gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente enthalten. Diese Tätigkeit habe sich im Rahmen eines Konzepts vollzogen, dass der Tatsache Rechnung getragen habe, dass Hersteller von Unterhaltungselektronik und IT-Produkten zunehmend dazu übergegangen seien, die Präsentation ihrer Waren nicht mehr den Betreibern von Märkten und Warenhäusern selbst zu überlassen, sondern sie - die Hersteller - es selbst in der Hand hätten, welche Verkaufs- bzw Regalflächen ihnen zur Verfügung gestellt würden. Hierzu bedienten sie sich insoweit spezieller Dienstleister (hier der Klägerin), um ihre Waren zeitnah und umsatzorientiert zu positionieren und möglichst werbewirksam zu präsentieren. In dieses Gesamtkonzept sei dann auch der Beigeladene zu 1. in der beschriebenen Weise eingebunden gewesen.

21

(3) Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. vertraglich berechtigt war, Dritte in die Auftragserledigung einzubeziehen, durfte vom LSG als Indiz für seine selbstständige Tätigkeit gewertet werden, auch wenn davon seitens des Beigeladenen zu 1. tatsächlich kein Gebrauch gemacht wurde.

22

(a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen einer Beschäftigung entscheidend, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30). Dementsprechend stellt nach der Rechtsprechung des BAG die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar. Da nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste jedoch nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen. Ein ihm auf diese Weise zustehender eigener Gestaltungsspielraum spricht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses (vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Vor diesem Hintergrund hat das LSG rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Möglichkeit der Einschaltung Dritter ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist.

23

(b) Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Ausdrücklich rügt die Beklagte - ohne Benennung einer konkreten Verfahrensvorschrift - eine "Verletzung der Grundsätze der freien Beweiswürdigung" durch einen vermeintlichen Rückgriff des LSG auf Erkenntnisse in einem anderen Verfahren. Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt die Beklagte aber ebenso wenig wie etwa einen Verstoß des LSG gegen Denkgesetze. Darüber hinaus ist nach der Revisionsbegründung nichts Hinreichendes dafür ersichtlich, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann (vgl hierzu allgemein Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, S 467, Kap IX, RdNr 330; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 23 jeweils mwN), dass sich also im Rahmen einer Gesamtabwägung aller maßgebenden Indizien das Ergebnis zum Nachteil der Klägerin verschiebt. Die Beklagte bezieht ihre Rüge ausdrücklich nur auf die Feststellungen des LSG zur "Ernsthaftigkeit" der Vertragsregelung bezüglich der Auftragserledigung durch Dritte. Tatsächlich beziehen sich die Ausführungen des LSG zu dem Parallelverfahren auch nur auf den Aspekt der "Ernsthaftigkeit dieser Regelung". Die zugrundliegende Feststellung des Vorliegens einer entsprechenden vertraglichen Regelung über die Möglichkeit der Einschaltung Dritter und die Feststellung ihrer Nichtumsetzung in der Praxis sind hiervon jedoch in keiner Weise betroffen. Vielmehr handelt es sich bei der Frage der vom LSG problematisierten "Ernsthaftigkeit" der Regelung um eine hypothetische Einwendung gegen die zugrundeliegenden Feststellungen zum Vertragsinhalt. Mithin hätte es - jedenfalls bei einem Hinwegdenken der aus dem Parallelverfahren gewonnenen Erkenntnisse - der Beklagten oblegen, darzutun, dass die Vertragsbestimmung nur "formal" bzw zum Schein (vgl § 117 Abs 1 BGB) getroffen wurde, um den vom LSG bejahten indiziellen Charakter der Vertragsbestimmung nachhaltig zu erschüttern. Dem wird das Revisionsvorbringen jedoch nicht gerecht: Die Beklagte führt zum einen lediglich ihre abweichende rechtliche Auffassung an, wonach es sich bei der Vertragsregelung um eine Vertretungsregelung handele. Zum anderen argumentiert sie spekulativ in der Weise, dass sie ausführt, der Beigeladene zu 1. hätte einer Hilfskraft "vermutlich" seine gesamte Vergütung überlassen müssen. Das alles reicht insbesondere nicht aus, um einen entscheidungserheblichen - dh mit Auswirkung auf einen der Beklagten günstigen Urteilstenor - Verstoß gegen die Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinne von § 128 Abs 1 SGG bejahen zu können(vgl zu den sich insoweit stellenden Anforderungen allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 128 RdNr 4 ff mit umfangreichen Nachweisen).

24

(4) Es ist auch nicht ersichtlich und wird von der Beklagten nicht formell gerügt, dass das LSG bestimmte im Fall des Beigeladenen zu 1. bedeutsame, als Indizien in Betracht kommende Umstände unzureichend ermittelt oder in ihrer Tragweite in die nötige Gesamtabwägung dazu, ob (abhängige) Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, nicht eingestellt hätte.

25

cc) Die in der Revisionsbegründung der Beklagten aus dem angefochtenen Urteil hergeleitete pauschale Einschätzung, die rechtliche Beurteilung des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, nicht in (abhängiger) Beschäftigung ausgeübt werde, erscheint bei alledem nicht gerechtfertigt. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist ausschließlich eine konkrete, durch bestimmte Sachverhaltsgegebenheiten und ein spezifisches vertragliches Regelwerk geprägte Tätigkeit des Beigeladenen zu 1., deren rechtliche Einordnung der Senat nach den Maßstäben des Revisionsrechts zu überprüfen hat. Auch die Annahme der Beklagten, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sei letztlich derjenigen eines kaufmännischen Angestellten vergleichbar, trägt im Ergebnis revisionsrechtlich nicht. Die Beklagte weist insoweit zwar zu Recht auf die - nach wie vor aktuelle - Rechtsprechung des BSG hin, wonach auch Dienste höherer Art im Rahmen einer Beschäftigung geleistet werden können, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29 mwN). Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist jedoch - wie unter 2 b) bb) dargelegt - nach den Feststellungen des LSG gerade durch eine weitgehende Weisungsfreiheit und ein überwiegendes Nichteingebundensein in die Arbeitsorganisation der Klägerin geprägt. Wenn die Beklagte der nach den Umständen des Falles gewonnenen Überzeugung der Vorinstanzen zu den bestimmenden Elementen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht folgen wollte bzw will, hätte sie insoweit im Revisionsverfahren näher zu spezifizierende Verfahrensrügen anbringen bzw bereits in den Tatsacheninstanzen ggf Beweisanträge dazu stellen müssen. Die Beklagte hat aber zB auch keinen konkreten Ermittlungsbedarf dazu aufgezeigt, dass es sich bei den konkreten vom Beigeladenen zu 1. erledigten Arbeiten um genau solche gehandelt habe, die zuvor bzw gleichzeitig ebenso durch andere Personen in abhängiger Beschäftigung ausgeübt wurden (vgl zur insoweit notwendigen Unterscheidbarkeit beider Erwerbsformen zB BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 14/10 R - Juris RdNr 26).

26

dd) Auch das Vorbringen der Beklagten, es lägen keine Anhaltspunkte für ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1. vor, führt schließlich nicht zum Erfolg der Revision.

27

Nach den vom 12. Senat des BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, dh, ob der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Die Feststellungen des LSG machen die Annahme eines in diesem Sinne verstandenen Unternehmerrisikos revisionsgerichtlich nachvollziehbar, weil der Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung seiner Arbeitskraft bei der Durchführung des Projektvertrages das Risiko des Ausfalls seines Verdienstes trug. Nach dem vom LSG festgestellten Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen erhielt er nämlich eine pauschale Vergütung sowie zusätzliche umsatz- und damit erfolgsabhängige Stückprämien dafür, dass er Verbrauchermärkte aufsuchte. Der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft war somit insbesondere aufgrund der erfolgsbezogenen Vergütungsteile im Einzelnen durchaus ungewiss. Der Belastung mit dem Ausfallrisiko standen hinsichtlich der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft auch größere Freiheiten und Erwerbschancen gegenüber wie sie im Regelfall in einem Arbeitsverhältnis nicht gleichermaßen anzutreffen sind. Der Beigeladene zu 1. konnte den Einsatz seiner Arbeitskraft in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern, indem er zB durch die Art und Weise der Arbeitsausführung die Dauer seiner Besuche in den Märkten bestimmen konnte und in der Lage war, durch die ihm obliegende Präsentation der Produkte deren Absatz zu beeinflussen und so seine Verdienstchancen zu erhöhen.

28

3. Nach alledem unterlag der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 nicht der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung.

29

4. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6500 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. in der von ihr für einen privaten "Pflegedienst" ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung unterlag.

2

Die Klägerin gehört zu einer Unternehmensgruppe, die im Bereich der ambulanten "Pflege und Betreuung" bundesweit tätig ist. Ihr Unternehmensziel ist darauf gerichtet, zumeist älteren und gesundheitlich eingeschränkten Personen ("Pflegebedürftigen"; im Folgenden: Betreuten) einen ua bis zu 24 Stunden täglich dauernden, umfassenden Service durch einen hauswirtschaftlichen Familienbetreuer bzw eine hauswirtschaftliche Familienbetreuerin ("Pflegepartner") anzubieten. Nach Unterweisung in einer von der Unternehmensgruppe betriebenen Aus- und Weiterbildungseinrichtung, die von den Pflegepartnern teilweise selbst bezahlt werden muss, und nach Herstellung eines Kontakts zu den Betreuten durch eine bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester führen die Pflegepartner im Rahmen eines regelmäßig 14-tägigen Einsatzes den Haushalt der Betreuten im heimischen Umfeld und übernehmen ggf weitere Dienstleistungen - auch im Sinne von "Gesellschaft" und "Unterhaltung" - nach den jeweiligen Bedürfnissen des Betreuten. Die Pflegepartner erbrachten in den Jahren 2001 und 2002 keine Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Auch war die Klägerin seinerzeit keine durch Versorgungsvertrag zugelassene ambulante Pflegeeinrichtung.

3

Die Beigeladene zu 1., die nach ihrer - wie vorbeschrieben durchgeführten - Unterweisung ein Gewerbe "Hauswirtschaftliche Betreuung" angemeldet hatte, übte vom 18.1.2001 bis 1.7.2002 mit Unterbrechungen allein für die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) eine Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin aus. Später - nach ihrer Lösung von der Klägerin - arbeitete sie parallel für mehrere andere private Pflegedienste. Während zwischen der Klägerin und den Betreuten ein schriftlicher Pflege- und Betreuungsvertrag abgeschlossen wurde, erfolgten die "Einsatzaufträge" der Klägerin an die Beigeladene zu 1. lediglich fernmündlich von Mal zu Mal. Die Beigeladene zu 1. erteilte hierüber schriftliche Auftragsbestätigungen. Weitergehende schriftliche Verträge über die einzelnen Einsätze bestanden nicht, ebenso wenig existierte eine schriftliche Rahmenvereinbarung. Eine Verpflichtung der Klägerin, "Einsatzaufträge" zu erteilen, bestand nicht. Ebenso konnte die Beigeladene zu 1. ihr angebotene Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen ablehnen oder abbrechen oder verlängern. Aus einem laufenden Einsatz konnte sie von der Klägerin nicht abgezogen und einem anderen Kunden zugeteilt werden. Die Beigeladene zu 1. kalkulierte den Aufwand für sich selbst - gemessen an den an ihre Tätigkeit gestellten Anforderungen - ggf neu, verhandelte mit der Klägerin über die Vergütung und stellte dieser stets nach Abschluss ihrer Einsätze Rechnungen auf der Grundlage der - entsprechend vorher vereinbarten - pauschalierten Vergütung in Form von Tagessätzen (150 bis 170 DM bzw 87 Euro) aus. Während des Einsatzes dokumentierte die Beigeladene zu 1. die von ihr erbrachten Leistungen ("Pflegenachweis, Leistungsnachweis"). Eine vertragliche Verpflichtung zur Führung solcher Dokumentationen bestand im Verhältnis zur Klägerin nicht. Die examinierte Kraft ("Leitung des Pflegedienstes", "Einsatzleitung") kontrollierte diese Dokumentationen nicht. Eine Aufnahme der Beigeladenen zu 1. in einen von der Klägerin aufgestellten, alle Pflegepartner umfassenden Einsatzplan erfolgte nicht. Im Verhinderungsfall durfte sie - in Absprache mit der Klägerin - eine entsprechend qualifizierte Vertretung einsetzen. Für den Fall der "Kundeninsolvenz" hatten Klägerin und Beigeladene zu 1. einen Selbstbehalt Letzterer von 200 Euro je Rechnung ("Gewährleistungssumme") vereinbart, ebenso, dass bei Honorarkürzungen wegen Schlechtleistung diese von der Klägerin als Abzüge von der Vergütung an die Beigeladene zu 1. weitergegeben werden durften. Die Beigeladene zu 1. erzielte in den Jahren 2001 und 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19 706 DM bzw 6686 Euro.

4

Im November 2000 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ua die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status". Mit zwei Bescheiden vom 10.2.2003 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. fest, dass die Beigeladene zu 1. ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Beigeladene zu 1. für die Klägerin selbstständig tätig gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheiden vom 17.12.2004 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.

5

Mit Urteil vom 4.6.2007 hat das SG der von der Klägerin erhobenen Klage stattgegeben und den sie betreffenden Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben sowie festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "im Zeitraum ihrer Tätigkeit für die Klägerin nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser gestanden hat". Während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat die Beklagte die genannten Bescheide mit Bescheid vom 10.6.2009 "ergänzt" und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "in der Zeit zwischen dem 18.1.2001 bis zum 1.7.2002 mit Unterbrechungen in den Zeiten ihrer Beschäftigung für die Klägerin versicherungspflichtig zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung war" und "Beginn der Versicherungspflicht … der 18.1.2001 ist".

6

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG - nach umfangreichen Ermittlungen - mit Urteil vom 10.6.2009 das Urteil des SG geändert. Über die im erstinstanzlichen Verfahren angefochtenen Bescheide hinaus hat es auch den "ergänzenden" Bescheid vom 10.6.2009 aufgehoben. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin in den im Tenor näher bezeichneten Zeiträumen "nicht als Arbeitnehmerin versicherungspflichtig zur gesetzlichen Renten-, Krankenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung war". Es hat seine zurückweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beigeladene zu 1. habe in der streitigen Zeit nach dem Gesamtbild ihrer Tätigkeit in keinem die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden. Die mündlichen Abreden zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. sprächen als starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Die vereinbarten Einzelheiten machten den Willen der Beteiligten deutlich, eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. zu begründen. Die - gewollte - sozialversicherungsrechtliche Selbstständigkeit sei auch tatsächlich umgesetzt worden. So habe die Beigeladene zu 1. angebotene Einsätze ablehnen können, über die Höhe des Vergütungsanspruchs verhandelt und nach Abschluss des Einsatzes wie ein Unternehmer Rechnungen geschrieben. Der Klägerin habe - auch über die von ihr eingesetzte examinierte Kraft - keine Weisungsbefugnis zugestanden. Eine ständige Dienstbereitschaft der Beigeladenen zu 1. sei nicht erwartet gewesen; diese habe ihre Dienstleistungen auch nicht in den Betriebsräumen der Klägerin erbracht. Die Beigeladene zu 1. habe schließlich ein Unternehmerrisiko getragen, etwa weil sie bei "Kundeninsolvenz" weniger Vergütung erhalten und Ausbildung und Fortbildungen selbst bezahlt habe. Dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen Auftrags von der Klägerin und von den Betreuten vorgegeben gewesen seien, stehe der Annahme von Selbstständigkeit indes nicht entgegen, ebenso wenig, dass die Beigeladene zu 1. Pflegedokumentationen geführt habe. Im konkreten, hier allein zu entscheidenden Fall seien diese von der Klägerin bzw der für sie tätigen examinierten Kraft lediglich zur Kenntnis genommen worden. Auch könne aus der Begründung aufeinanderfolgender, relativ kurzer Vertragsverhältnisse nicht auf das Vorliegen von Beschäftigung geschlossen werden. In diesem Sinne habe die Beigeladene zu 1. nur stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigt, eine weitere Vertragsbeziehung begründen zu wollen.

7

Die Beklagte wendet sich hiergegen mit der vom LSG zugelassenen Revision und rügt sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV: Nach dem Gesamtbild sprächen die Kriterien überwiegend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Die Beigeladene zu 1. sei in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingeordnet, weisungsgebunden und ohne Unternehmerrisiko tätig gewesen. Die Führung der Pflegedokumentationen, zu der die Beigeladene zu 1. aufgrund des mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrags mittelbar verpflichtet gewesen sei, und das Prozedere beim Wechsel der Pflegepartner zeigten, dass die Beigeladene zu 1. Teil in der Kette der den jeweiligen Betreuten zur Verfügung gestellten Pflegepartner und damit in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen sei. Das ergebe sich auch aus deren Teilnahme am Gruppenversicherungsvertrag der Klägerin für die Berufshaftpflichtversicherung. Weil sie ihre Aufträge ausschließlich durch Vermittlung der Klägerin erhalten und sich die Betreuungstätigkeit nach den Wünschen der Betreuten gerichtet habe, sei die Beigeladene zu 1. auch - im Verhältnis zu diesen - weisungsgebunden gewesen. Ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. habe schließlich nicht bestanden. Dieses folge weder aus dem Umstand, dass die Beigeladene zu 1. Aufträge habe ablehnen dürfen, noch daraus, dass von der Klägerin eine "Gewährleistungssumme" für den Fall der "Kundeninsolvenz" habe einbehalten werden dürfen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 und des Sozialgerichts Duisburg vom 4. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Aus dem Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1. lasse sich eine Weisungs- und/oder Kontrollbefugnis nicht herleiten. Pflegedokumentationen seien ein Arbeitsmittel der professionellen Pflege und ließen keinen Rückschluss auf den Status der sie Führenden zu. Ebenso wenig spreche die Teilnahme an einem Gruppenversicherungsvertrag für eine abhängige Beschäftigung.

11

Die Beigeladenen stellen keine Anträge und äußern sich auch nicht in der Sache.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG zunächst - auf Klage - auch den während des Berufungsverfahrens erlassenen "ergänzenden" Bescheid der Beklagten vom 10.6.2009 aufgehoben. Ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist, hat es sodann die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG mit den im Tenor genannten, auf die Zeiten der einzelnen Betreuungseinsätze vorgenommenen Einschränkungen zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil insoweit geändert. Der ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 10.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2004 und ihres "ergänzenden" Bescheids vom 10.6.2009 ist rechtswidrig. Wie das LSG ohne Rechtsfehler entschieden hat, hat sie darin unzutreffend festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.

13

1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist vom Senat auch der während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren von der Beklagten erlassene Bescheid vom 10.6.2009. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen (vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, Leitsatz und RdNr 11 ff; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - Juris RdNr 13 ff) Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht und ihres Beginns "ergänzt". Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element zu einer vollständigen Feststellung ergänzt - und damit auch erst einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht -, so liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt.

14

Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob die Beigeladene zu 1. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin nicht festzustellen ist, bei den jeweils von ihr Betreuten versicherungspflichtig beschäftigt war. Ebenso ist hier nicht zu überprüfen, ob die Beigeladene zu 1. - was bei Annahme einer selbstständigen Tätigkeit in Betracht kommt - jedenfalls der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 Satz 1 SGB VI unterlag. Zutreffend hat das LSG insoweit ausgeführt, dass in dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV allein geklärt werden sollte, ob die Beigeladene zu 1. bei der Klägerin wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war, und dass eine Feststellung des (Nicht-)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der Voraussetzungen der § 2 Satz 1, § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI erfordert, deshalb vom Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst ist.

15

2. Die Beklagte ist in ihren Bescheiden in dem von der Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32), auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller tatsächlichen Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den vom LSG für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen -rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offenlassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in den streitigen Zeiträumen auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen und ob die Beklagte - bei Bestehen von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung - über den Zeitpunkt ihres Eintritts zutreffend entschieden hat.

16

a) In den Jahren 2001 und 2002, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III)der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen (vgl zur Beurteilung von Familienhelfern im Arbeitsrecht BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 27.7.2011 - B 12 KR 10/09 R, RdNr 17, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

17

b) Im vorliegenden Rechtsstreit ist das LSG - für die hier (allein) zu beurteilende Fallkonstellation - auf Grund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung, ohne dass dies vom Senat zu beanstanden wäre, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei der Klägerin nicht beschäftigt war. Die vom Berufungsgericht hierbei in seinem Ausgangspunkt zu Grunde gelegten rechtlichen Grundsätze sind zutreffend. So ist das LSG bei seiner Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit zu Recht (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 15 f; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 22) davon ausgegangen, dass dem in den - hier allein mündlich getroffenen - Abreden dokumentierten Willen der Beteiligten, keine Beschäftigung zu wollen, nur dann keine - indizielle - Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abwichen, und dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung (tatsächlich) praktiziert wurde. Als rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erfasst hat das LSG auch, dass aus dem Umstand, dass - ohne (mündliche oder schriftliche) Rahmenvereinbarung - jeweils einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse von in der Regel 14 Tagen mit Diensten "rund um die Uhr" begründet wurden, zwingende Schlüsse weder in der einen - Beschäftigung - noch in der anderen Richtung - selbstständige Tätigkeit - gezogen werden können, sondern stets eine Bewertung der einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff). Als Ausgangsüberlegung richtig ist schließlich, dass eine Tätigkeit wie die eines hauswirtschaftlichen Familienbetreuers bzw einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin grundsätzlich sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden kann (vgl zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Hauskrankenpflegerin auch im Rahmen abhängiger Beschäftigung aus der Zeit vor Einführung der Pflegeversicherung LSG Berlin, Urteil vom 26.11.1986 - L 9 Kr 8/85 - Breith 1987, 345; ferner zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Tagesmutter als Beschäftigte und Selbstständige Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - Juris RdNr 11, mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Sowohl die Befristung der Arbeitseinsätze der Beigeladenen zu 1. als auch ihr Einsatz "rund um die Uhr" lassen dabei nicht schon den Schluss zu, dass ein (rechtlich zulässiger) Einsatz von vornherein überhaupt nur im Rahmen einer frei ausgestalteten selbstständigen Tätigkeit in Betracht kam. Zwar waren (und sind) kurzzeitige Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber nur begrenzt zulässig (vgl § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 21.12.2000, BGBl I 1966), aber immerhin nicht generell ausgeschlossen. Auch unter dem Blickwinkel des Arbeitszeitrechts bestanden (und bestehen) für Beschäftigungen auf diesem Gebiet keine engen Vorgaben hinsichtlich der maximalen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit (vgl § 18 Abs 1 Nr 3 Arbeitszeitgesetz vom 6.6.1994, BGBl I 1170: keine Geltung des Gesetzes für "Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen").

18

c) Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen, auf der Grundlage umfangreicher Ermittlungen getroffenen detaillierten Feststellungen des LSG zu den im vorliegenden Fall zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. getroffenen Vereinbarungen und deren - hiermit übereinstimmender - (tatsächlicher) Umsetzung rechtfertigen dessen Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei dieser nicht beschäftigt gewesen. Das Berufungsgericht hat ausgehend von zutreffenden (allgemeinen) rechtlichen Erwägungen begründet, dass und warum hiernach starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sprechen. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass das LSG für das hier (allein) zu beurteilende Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit umfassendes Weisungsrecht der Klägerin sowie eine Eingliederung in deren "Betrieb" verneint, demgegenüber aber ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Ebenso ist es beanstandungsfrei, dass das LSG diesen Befund - unter Einbeziehung weiterer, für eine selbstständige Tätigkeit sprechender Umstände - bei der Gesamtwürdigung seiner Statusbewertung maßgebend zugrunde gelegt und der Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin, der Vergütung in Form (pauschaler) Tagessätze sowie der Führung einer Pflegedokumentation durch die Beigeladene zu 1. hierbei keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.

19

aa) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung unterlag die Beigeladene zu 1. bei der Durchführung ihrer einzelnen "Einsatzaufträge" keinem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin. Sie unterlag auch keinem solchen der von ihr Betreuten. Unter Berücksichtigung der im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung von Lehrtätigkeiten entwickelten Rechtsprechung des BSG (vgl BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 29, mwN) hat das Berufungsgericht den Umständen hier rechtsfehlerfrei keine entscheidende Bedeutung beigemessen, dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen "Einsatzauftrags" wie Beginn und Ende des Einsatzes und "grober" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin vorgegeben waren und sich die Betreuungstätigkeit (allgemein) nach den Bedürfnissen und Wünschen der Betreuten oder ihrer Angehörigen auszurichten hatte. Wie die Betreuung im Einzelnen ausgestaltet ist, richtet sich nach den individuellen Erfordernissen, die sowohl inhaltlich als auch in zeitlicher Hinsicht die zu erbringenden Leistungen bestimmen. Das gilt für Tätigkeiten hauswirtschaftlicher Art wie für Pflegetätigkeiten (im weiteren Sinne) gleichermaßen. Der hierbei - gerade auch im Hinblick auf die zeitliche Dimension des "Einsatzauftrags" (14-Tage-Einsatz, 24-Stunden-Service) - geforderten Fähigkeit des Pflegepartners zur Reaktion auf die - sich ggf ständig verändernde - aktuelle Betreuungs- und/oder Pflegesituation steht zwangsläufig eine Flexibilität im Handeln gegenüber, die diesem gerade wegen der Individualität und Einzigartigkeit dieser Situation prinzipiell einen großen Entscheidungsbereich belässt. Hiervon ausgehend und nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall unterlag die Beigeladene zu 1. keiner arbeitnehmertypischen Leistungspflicht, weil sich für sie bei ihrer Tätigkeit für einen Arbeitnehmer uncharakteristische Handlungsspielräume ergaben (vgl insoweit - im Arbeitsrecht - zum Gesichtspunkt einer möglichen Einflussnahme des Betroffenen auf Art und zeitliche Lage der konkreten Tätigkeit in einer Betreuungssituation BAG AP Nr 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Leitsatz 1 und Bl 413 ff). Allein aus der im Hinblick auf die genannten (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin und der Betreuten bestehenden "Minderung" der "Autonomie" der Pflegepartner bei der Durchführung der einzelnen Einsätze kann daher nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne und damit eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von der Klägerin und/oder der Betreuten geschlossen werden (zur Übertragung der für die Beurteilung von Lehrtätigkeiten aufgestellten Grundsätze auf als sog Freelancer tätige Flugzeugführer vgl BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Ob die Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin, den Betreuten und der Beigeladenen zu 1. - wie die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 18.6.2008 (L 1 RA 257/05 - Juris RdNr 60 f) meint - einem Leiharbeitsverhältnis ähnelten mit der Besonderheit, dass hier das "Weisungsrecht" wie dort auf die Betreuten "delegiert" war, ist vor diesem Hintergrund ohne Bedeutung.

20

Die Beigeladene zu 1. war auch nicht - gleichwohl - wegen der von ihr in der Gestalt von "Pflegeberichten", "Pflegeprotokollen" und "Checklisten für die Pflegepartner zur Durchführung einer Ablösung" geführten Pflegedokumentationen von der Klägerin weisungsabhängig. Die Beklagte behauptet dieses auch selbst nicht, sondern stützt sich auf diesen Umstand (nur) für ihre Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in eine von der Klägerin vorgegebene Ordnung eingegliedert gewesen. Das LSG hat in dem hier (allein) zu entscheidenden Fall festgestellt, dass sich die bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester in die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. tatsächlich nicht eingemischt, insbesondere deren Arbeitsergebnisse - etwa beim Wechsel von Pflegepartnern - nicht anhand der Pflegedokumentationen kontrolliert hat, und hieraus den Schluss gezogen, dass der Klägerin über diese Kraft keine Weisungsbefugnis zustand. Diese Schlussfolgerung ist nicht zu beanstanden, zumal - wie das Berufungsgericht ebenfalls festgestellt hat - der Klägerin keine Rechtsmacht zur Kontrolle zustand, weil im Verhältnis zu ihr eine (vertragliche) Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. zur Dokumentation nicht bestand und diese jedenfalls nach dem mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrag (dort Punkt 1.6) nur als "Pflege"- bzw "Leistungsnachweis" (der Klägerin) gegenüber den Betreuten dienen sollte. Eine - von der Beklagten angenommene - auf Grund "mittelbarer" Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. hierzu dieser gegenüber bestehende Weisungsbefugnis der Klägerin etwa dahingehend, dass und wie sie ihre Dienstleistung optimieren könne, lässt sich daraus nicht entnehmen.

21

Schließlich greift das Vorbringen der Beklagten auch insoweit nicht durch, als sie sich für die Annahme eines Weisungsrechts der Klägerin darauf stützt, dass diese die Beigeladene zu 1. in einer speziellen Bildungsmaßnahme geschult und so auf ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin vorbereitet, dieser dann die Aufträge vermittelt und (allein) mit den Betreuten "Erstverhandlungen" über den Umfang der Betreuungsleistungen geführt habe. Warum sich hieraus - bezogen auf die Verhältnisse, die nach Annahme eines "Einsatzauftrags" bestehen - ein für eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechendes Weisungsrecht der Klägerin ergeben soll, erläutert die Beklagte nicht. Demgegenüber fallen als relevant auf eine (weitgehend) autonome Durchführung der einzelnen Einsätze hindeutende Umstände ins Gewicht, dass die Beigeladene zu 1. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall übernommene Aufträge (vorzeitig) abbrechen oder verlängern und sie nach Übernahme eines bestimmten Auftrags (und vor dessen Beendigung) von der Klägerin nicht gegen ihren Willen "umgesetzt", also zur Annahme eines anderen Auftrags veranlasst werden konnte.

22

bb) Die Beigeladene zu 1. war auch nicht wie eine Beschäftigte in den "Betrieb" der Klägerin eingegliedert. Ebenso fehlte eine entsprechende arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von den Betreuten vorgegebene betriebliche Ordnung. Soweit das LSG diese Annahme damit begründet hat, dass von der Beigeladenen zu 1. mangels Aufnahme der Pflegepartner in einen bei der Klägerin geführten Dienstplan keine ständige Dienstbereitschaft erwartet worden sei und diese - im Gegenteil - die Übernahme von "Einsatzaufträgen" eher an eigenen Bedürfnissen ausgerichtet hat, ist sein Prüfungsansatz indessen unzutreffend. Denn auch für die Beurteilung, ob die Beigeladene zu 1. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden. Im Übrigen lässt die Würdigung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht jedoch Rechtsfehler nicht erkennen. Zu Recht hat das LSG auf der Grundlage seiner Feststellungen entschieden, dass die Beigeladene zu 1. in den "Betrieb" der Klägerin nicht eingegliedert war (vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter die Einbindung der Beigeladenen zu 1. in den Haushalt des jeweils Betreuten (mit den dort zur Verfügung gestellten sächlichen Mitteln) nicht als funktionsgerechte Einordnung in eine von dieser Seite vorgegebene Ordnung betrachtet, in der fremdbestimmte Arbeit geleistet werden kann (vgl - zur Möglichkeit des Fehlens einer Eingliederung von Dozenten in den Lehr-/Bildungsbetrieb einer Volkshochschule - BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 18 ff; ferner - zum Fehlen einer Eingliederung von als sog Freelancer tätigen Flugzeugführern in den Betrieb eines Luftfahrtunternehmens - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff).

23

Das Revisionsvorbringen der Beklagten greift demgegenüber nicht durch. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung folgt aus dem - vom LSG festgestellten - Ablauf beim Wechsel der Pflegepartner und der Organisation der Folgepflege sowie der hierauf bezogenen Funktion der Pflegedokumentationen (Checkliste) nicht schon, dass die Beigeladene zu 1. wegen ihrer Eigenschaft als "ein Teil in der Kette der den jeweiligen Kunden zur Verfügung gestellten Pflegepersonen" in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert war. Dass jemand zu einem "Pool" von Einsatzkräften gehört, die zur Erfüllung anderen Personen obliegender Verpflichtungen gegenüber Dritten bereitstehen, besagt über deren Eingliederung in den "Betrieb" der insoweit Verpflichteten nichts (vgl - zum Status in einem "Personalpool" zusammengefasster, als sog Freelancer tätiger Flugzeugführer als Selbstständige - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris). Ebenso wenig kann für eine Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin daraus etwas hergeleitet werden, dass ihr und das Auftreten der Beigeladenen zu 1. im Rechtsverkehr von den Betreuten so wahrgenommen wurden, als sei die Beigeladene zu 1. nicht (ihrerseits) Unternehmerin, sondern befinde sich in einem Anstellungsverhältnis zur Klägerin.

24

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung spricht für eine entsprechende Eingliederung schließlich nicht, dass die Klägerin für die Pflegepartner zur Absicherung in einer Berufshaftpflichtversicherung einen Gruppenversicherungsvertrag angeboten hat. Zutreffend hat die Klägerin in diesem Zusammenhang nämlich darauf hingewiesen, dass Angebote zur Teilnahme an einer Gruppenversicherung allgemein auch Selbstständigen (etwa Rechtsanwälten) gemacht werden, ohne dass eine Teilnahme hieran für eine Eingliederung in den "Betrieb" des Anbieters als Indiz wirkt.

25

cc) Nicht zu beanstanden ist des Weiteren, dass das LSG ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Zutreffend hat es darauf hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass die Beigeladene zu 1. - wie das für Dienstleistungen in der Hauswirtschaft typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und weniger Kapital eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.

26

Richtig ist allerdings, dass - so die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 8.8.2006 (L 11 R 2987/05) - aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung der einzelnen Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze folgt (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Die Annahme eines Unternehmerrisikos ist indessen gerechtfertigt, weil die Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes bei "Kundeninsolvenz" in der Gestalt eines Selbstbehalts ("Gewährleistungssumme") trug. Die vom LSG im gleichen Zusammenhang genannte Vereinbarung über Abzüge für Schlechtleistungen stellt demgegenüber kein Indiz für ein Unternehmerrisiko dar, weil eine solche "Haftung" für Schlechtleistungen, wenn auch eingeschränkt, Arbeitnehmer gleichermaßen trifft (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36). Zu dem Risiko des Verdienstausfalls bei "Kundeninsolvenz" tritt - wenn auch in geringerem Umfang - ein Kapitalrisiko hinzu, weil sich der Einsatz von Reisekosten bei (vorzeitigem) Abbruch des "Einsatzauftrags", etwa bei Versterben von Kunden oder deren Verlegung ins Krankenhaus oder Heim nicht lohnen konnte. Auch amortisierten sich in einem solchen Fall die von der Beigeladenen zu 1. aufgewandten Ausbildungs- und Fortbildungskosten nicht.

27

Der Belastung der Beigeladenen zu 1. mit diesen Risiken stand auf der anderen Seite, was - wie dargestellt - erforderlich ist, bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des einzelnen Einsatzes eine größere Freiheit und Flexibilität gegenüber. Die Beigeladene zu 1. war nämlich nicht wie ein klassischer Arbeitnehmer gehalten, Arbeitsanweisungen zur Vermeidung vertragsrechtlicher Sanktionen und/oder von Schadensersatzansprüchen Folge zu leisten, sondern konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft entsprechend ihren Bedürfnissen sehr weitreichend selbst steuern. So konnte sie nach den nicht mit Revisionsgründen angegriffenen Feststellungen des LSG in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise die ihr von der Klägerin angebotenen Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen abbrechen oder verlängern; sie konnte auch nicht von der Klägerin aus einem laufenden Einsatz gegen ihren Willen abgezogen und nach den Bedürfnissen einer fremden betrieblichen Organisation anderen Kunden zugeteilt werden.

28

Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist ein Unternehmerrisiko hier auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Beigeladene zu 1. für ihre Einsätze vereinbarungsgemäß und tatsächlich pauschal - nach Tagessätzen - vergütet wurde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kalkulierte die Beigeladene zu 1. ihren Aufwand ggf neu und hat diese Kalkulation in die Verhandlungen mit der Klägerin um die Höhe des Vergütungsanspruchs eingebracht. Damit hing in dem hier zu beurteilenden Fall der Beigeladenen zu 1. die Höhe ihres Verdienstes in der Form höherer Tagessätze weitestgehend vom Umfang und der Intensität des Einsatzes ihrer Arbeitskraft bei dem jeweiligen Auftrag ab. Sie konnte durch die Gestaltung der "Einsatzaufträge" die wirtschaftliche Verwertung ihrer Arbeitskraft in hohem Maße selbst steuern und andererseits durch besondere Anstrengungen ihre Verdienstchancen erhöhen bzw einen Mehrverdienst erzielen.

29

3. Nach alledem ist die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin nicht als versicherungspflichtig Beschäftigte iS von § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV anzusehen. Denn für den hier (allein) zu beurteilenden Sachverhalt ist das LSG ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. selbstständig tätig war. Dahinter kann zurücktreten, dass die Klägerin - und nicht die Beigeladene zu 1. - Kundenwerbung betrieb und "Einsatzaufträge" aquirierte, weil sie jene damit lediglich an die Beigeladene zu 1. vermittelte und in diesem Zusammenhang für diese den Kontakt zu den Betreuten herstellte.

30

Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet indessen nicht, dass eine Tätigkeit, wie sie die Beigeladene zu 1. im hauswirtschaftlichen und "pflegenahen" Bereich ausgeübt hat, stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wäre. Maßgebend für die Beurteilung sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese Feststellungen sind bindend, wenn sie - wie hier - nicht mit durchgreifenden Revisionsgründen, insbesondere mit Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl § 163 SGG). Von daher ist es durchaus möglich, dass andere LSG in ihren Entscheidungen zu Tätigkeiten ähnlicher Art, wie sie von der Beigeladenen zu 1. verrichtet wurden, auf der Grundlage der in ihren Verfahren festgestellten tatsächlichen entscheidungserheblichen Umstände zu anderen Ergebnissen gelangen.

31

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Beigeladenen haben sich am Verfahren nicht beteiligt. Ihre außergerichtlichen Kosten sind daher nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs 3 VwGO).

32

Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist nach § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des vom LSG schon für das Berufungsverfahren angenommenen Streitwerts festzusetzen.

Privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften dieses Gesetzbuchs abweichen, sind nichtig.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status aufgrund einer Tätigkeit im sog Rackjobbing.

2

Die Klägerin - eine GmbH - präsentierte sich im Zeitraum der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für sie vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 als Dienstleisterin auf dem Retailmarkt. Sie verstand sich als Bindeglied zwischen Herstellern und Retailern von Waren (Einzelhändlern und Wiederverkäufern) und bot ein integriertes Vertriebs-, Merchandising- und Logistikkonzept zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Belieferung von Großmärkten und Warenhäusern an. Teil ihres Angebots war sog Rackjobbing (= Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Verkaufsförderung). Dieses Angebot umfasste einen Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI (Electronic Data Interchange), die regelmäßige Betreuung der Retail-Filialen/Outlets, die regelmäßige Kontrolle der Bestände, die Regalpflege einschließlich der Regaloptimierung, die Layout-Erstellung für die jeweiligen Sortimente einschließlich der dazugehörigen Planung, Umsetzung und Optimierung jeweils nach Abverkaufszahlen, Neueinrichtungen und generelle Umbauten, fundierte Zahlen für zukünftige Strategien sowie die Steuerung der Sortimente nach Abverkaufszahlen.

3

Der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin lag ein mehrseitiger schriftlicher Vertrag vom 1.11.1999 zugrunde, in dem ua - durch Einzelbestimmungen in zahlreichen §§ aufgegliedert - Folgendes vereinbart worden war: Der Beigeladene zu 1. solle als "freier Mitarbeiter" zur selbstständigen Warengestaltung und -darbietung bzw Merchandising tätig werden und werde insbesondere mit der Ausführung folgender Tätigkeiten in den Geschäftsräumen der Kunden der Klägerin beauftragt: Präsentation der Produkte der Klägerin und ihrer Vertragspartner, Sortimentüberwachung, Warendisposition, Warenplatzierung, Preisauszeichnung, Regalservice (Regalaufbauten/Regalumbauten), Layout-Prüfungen und Inventuren. Einzelheiten der Vertragsausführung seien dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten. Die Aufträge habe der Beigeladene zu 1. in eigener Verantwortung auszuführen und dabei zugleich die Interessen der Klägerin zu berücksichtigen. Er unterliege keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens der Klägerin, habe jedoch deren fachliche Vorgaben zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung zu beachten. Er sei nicht zur persönlichen Auftragserfüllung verpflichtet, sondern könne die Vertragspflichten auch durch Erfüllungsgehilfen erfüllen, soweit deren fachliche Qualifikation sichergestellt sei. Er habe das Recht, einzelne Aufträge ohne Begründung abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu werden; einer vorherigen Zustimmung der Klägerin bedürfe dies nur, sofern es sich dabei um Wettbewerber der Klägerin handele. Die Bestimmung des Orts der Tätigkeit erfolge in dem jeweiligen Einzelauftrag. Für seine Tätigkeit erhalte der Beigeladene zu 1. ein Stundenhonorar in Höhe von 24 DM zzgl Umsatzsteuer, die Abrechnung habe auf fünf Minuten genau zu erfolgen; die Auftragserfüllung sei wöchentlich auf besonderen Formularen nachzuweisen. Er habe die Kosten für Bürobetrieb, technische Vorrichtungen und sonstige im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit anfallende Kosten zu tragen. Die Gewährung von Urlaub und Zahlung eines festen Lohns, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Überstunden bzw sonstige Sozialleistungen seien ausgeschlossen. Der Beigeladene zu 1. sei vielmehr verpflichtet, während Urlaub und Krankheit die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen bzw im Verhinderungsfall unverzüglich die Klägerin zu informieren. Für Schäden, die er bzw seine Mitarbeiter im Rahmen der vertraglichen Aufgabenerfüllung der Klägerin zufügten, habe er zu haften. Der Beigeladene zu 1. bestätigte der Klägerin, dass er auch für andere Auftraggeber tätig sei und verpflichtete sich zur Mitteilung, falls dies nicht mehr zutreffe und die Klägerin seine einzige Auftraggeberin geworden sei. Weiter oblag es ihm, der Klägerin zu jedem Quartalsende den prozentualen Anteil der anderen Auftraggeber an seinem Gesamtgewinn mitzuteilen. Er verpflichtete sich des Weiteren, vor Beginn seiner Tätigkeit für die Klägerin eine Gewerbeanmeldung vorzulegen (bereits zum 29.1.1992 hatte er ein Gewerbe als selbstständiger Handelsvertreter angemeldet), seine Selbstständigkeit durch Vorlage einer Bescheinigung des Sozialversicherungsträgers nachzuweisen und seine Steuernummer für die Einkommen- und Umsatzsteuer mitzuteilen. Schließlich war der Beigeladene zu 1. verpflichtet, für den Fall, dass "Scheinselbständigkeit" durch den Sozialversicherungsträger oder die Finanzbehörden festgestellt werde, die daraus für die Klägerin resultierenden Nachforderungen unbeschränkt und zeitlich unbefristet auszugleichen. Ergänzungen und Änderungen des Vertrages bedurften der Schriftform.

4

Nach einem Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status stellte die Funktionsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich "die Beklagte") mit gleichlautenden Bescheiden vom 18.8.2003 gegenüber der Klägerin sowie gegenüber dem Beigeladenen zu 1. fest, dass dieser seine Tätigkeit im Bereich Regalservice bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.1.2005).

5

Auf die Klage der Klägerin hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt gewesen sei (Urteil vom 20.10.2008). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die vorgenannten Bescheide geändert und die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt (Bescheid vom 24.9.2012). Die Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Im Rahmen einer Gesamtwürdigung überwögen die für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sprechenden Umstände. Anknüpfungspunkt sei zunächst der Vertrag vom 1.11.1999, der als Rahmenvertrag (im Folgenden: RV) die Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstelle und überwiegend für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Regelungen enthalte. Dem hierin dokumentierten Willen der Vertragsparteien komme indizielle Bedeutung zu. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich nur um eine formale Vereinbarung gehandelt habe, seien nicht ersichtlich. Tatsächlich sei der Beigeladene zu 1. schon vor seiner Tätigkeit bei der Klägerin selbstständig und auch während dieser Zeit für mehrere andere Unternehmen tätig gewesen. Deshalb habe er nicht jeden Auftrag der Klägerin ausführen können und Auftragsübernahmen abgelehnt. Die Klägerin habe nicht jederzeit über seine Arbeitsleistung verfügen können, was gegen eine Eingliederung in deren Betrieb spreche. Zudem habe der Beigeladene zu 1. die Aufträge nicht höchstpersönlich ausführen müssen. Zwar habe er mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt, doch sei in zwei Parallelverfahren bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, wobei diese die Differenz zwischen dem ihnen von der Klägerin gewährten Vergütungssatz und dem von ihnen an ihre Subunternehmer bzw Arbeitnehmer gezahlten Entgelt als unternehmerische Vergütung hätten vereinnahmen können. Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. habe es sich nicht um klassische Regalauffüllertätigkeiten gehandelt, die typischerweise in abhängiger Beschäftigung ausgeführt würden. Vielmehr seien diese durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente ergänzt worden. So hätten die Auftragnehmer der Klägerin - wie durch Zeugen in Parallelverfahren bestätigt worden sei - über das mechanische Ein- und Ausräumen von Produkten hinaus auch über die Präsentation der Produkte der Vertragspartner der Klägerin zu entscheiden, Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung vorzunehmen gehabt. Die zeitliche Abhängigkeit vom Warenwirtschaftsturnus und Warenabverkauf sei ebenso der Natur der Tätigkeit geschuldet und nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin, wie der Umstand, dass die Tätigkeit in den zu betreuenden Verbrauchermärkten zu erbringen sei. Für eine Beschäftigung spreche demgegenüber die Vergütung mittels Stundenhonorar bei einer auf fünf Minuten genauen Abrechnung sowie der Umstand, dass sich der Beigeladene zu 1. seine jeweiligen Tätigkeitszeiten von den Marktleitern bzw deren Vertretern habe bestätigen lassen müssen. Allerdings rechneten auch viele Selbstständige nach Stundensätzen ab und der Beigeladene zu 1. habe zumindest durch die Auswahl der von ihm zu betreuenden Märkte Einfluss auf die Höhe der Vergütung nehmen können, in dem er über die Anfahrtszeiten seine Vergütung optimiere. Im Ergebnis gehöre der Beigeladene zu 1. als sog Solo-Selbstständiger zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen, deren wirtschaftliche Situation in vielerlei Hinsicht der von Beschäftigten ähnele. Es bestehe zudem auch keine Versicherungspflicht als Solo-Selbstständiger in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI, weil der Beigeladene zu 1. für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei (Urteil vom 14.3.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe bei seiner Gesamtwürdigung wesentliche Umstände, aus denen es auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen habe, in ihrer Tragweite verkannt. Insbesondere habe es den RV vom 1.11.1999 im Wortlaut herangezogen, ohne die dahinter liegende Bedeutung zu beachten. Die Möglichkeit, einzelne Aufträge abzulehnen, entspreche der Entschließungsfreiheit eines Arbeitnehmers, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen oder nicht. Das BSG habe bereits klargestellt, dass stets die einzelnen "Einsatzaufträge" zu prüfen seien. Dem Ausschluss von Sozialleistungen als solchem komme eine indizielle Wirkung für eine Selbstständigkeit ebenso wenig zu, wie der Möglichkeit, auch für weitere Auftraggeber tätig zu sein. Mit der vom LSG festgestellten Ergänzung der Tätigkeit des Regalauffüllers durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente werde die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten" beschrieben, der zumindest im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess fremdbestimmte Arbeit leiste; entscheidend sei, dass der Beigeladene zu 1. nach Annahme eines Einzelauftrags zu den Vertragspartnern der Klägerin gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach deren Vorgaben auszuführen. Zudem habe für ihn kein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestanden, da eine Vergütung nach Stunden und keine Umsatzbeteiligung vereinbart gewesen sei. Die eingeräumte Delegationsbefugnis könne ebenfalls keine Selbstständigkeit begründen, da von ihr - anders als in Parallelverfahren - kein Gebrauch gemacht worden sei, weshalb die bloße Befugnis für das vorliegende Vertragsverhältnis nicht prägend gewesen sei.

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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe das LSG festgestellt, dass ein Auftragsverhältnis auf selbstständiger Basis zwischen dem Beigeladenen zu 1. und ihr (der Klägerin) nicht nur formal vereinbart worden sei. Dem im RV dokumentierten Willen, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, komme daher ausschlaggebende Bedeutung zu (Hinweis auf BSG Urteile vom 12.10.1979 - 12 RK 24/78 - und vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R). Der Beigeladene zu 1. sei - anders als von der Beklagten unterstellt - nicht als Rackjobber (Regalauffüller), sondern als Merchandiser tätig gewesen. Beide Tätigkeiten seien nicht einander vergleichbar, denn der Merchandiser benötige vielfältige qualifizierte Kenntnisse und habe weitreichende Entscheidungsbefugnisse.

10

Die Beigeladene zu 2. (Bundesagentur für Arbeit) schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass der Beigeladene zu 1. in den Arbeitsprozess der Klägerin eingebunden gewesen sei. Die Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber Dienstleistungen zu erbringen, stehe dem nicht entgegen, zumal das LSG nicht festgestellt habe, dass der Beigeladene zu 1. hiervon tatsächlich und "im Wesentlichen" (Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 15 RdNr 25) Gebrauch gemacht habe. Einen Antrag stellt weder sie, noch ein anderer Beigeladener.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 SGG)begründet.

12

Das Urteil des LSG weist revisionsrechtlich bedeutsame Fehler auf; der Senat kann jedoch nicht abschließend selbst entscheiden, ob und ggf in welchem Umfang das LSG die Berufung der Beklagten gegen das ihren Bescheid vom 18.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.1.2005 vollständig aufhebende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen und den Bescheid vom 24.9.2012 aufgehoben hat, sowie ob und ggf in welchem Umfang diese Bescheide rechtmäßig sind. Das Berufungsgericht hat insbesondere zu Unrecht keine Konsequenzen daraus gezogen, dass eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zur Leistungserbringung überhaupt erst mit der Übernahme des jeweiligen Einzelauftrags entstand. Ob der Beigeladene zu 1. während der Abwicklung der jeweiligen Einzelaufträge versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war, lässt sich aufgrund insoweit fehlender entscheidungserheblicher Tatsachenfeststellungen des LSG derzeit noch nicht endgültig beurteilen.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 24.9.2012. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht bestand) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 24.9.2012 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

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2. Soweit das LSG - von den Beteiligten im Revisionsverfahren unbeanstandet gelassen - auch entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

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3. Die Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) reichen nicht aus, um ausgehend von den dafür rechtlich maßgebenden Umständen und auf der Grundlage der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 bzw während einzelner Zeiträume innerhalb dieses Rahmens abschließend zu beurteilen. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von Versicherungspflicht begründender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen RV, wonach eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zu entgeltlichen Dienstleistungen für die Klägerin erst mit Annahme eines Einzelauftrags entstand, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Um über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge entscheiden zu können, sind weitere Tatsachenfeststellungen des LSG notwendig (hierzu c). Zugleich hat die vorliegende Vertragskonstruktion Auswirkungen auf die Gewichtung einzelner Umstände im Rahmen der vom LSG erneut vorzunehmenden Gesamtabwägung, was dieses Gericht nach § 170 Abs 5 SGG ebenso zu beachten haben wird, wie die weitere Beurteilung seiner rechtlichen Erwägungen im angegriffenen Urteil durch den Senat(hierzu d).

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a) In den Jahren 1999 und 2003, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).

17

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (zum Vorstehenden vgl insgesamt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - unter II.2.b, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

18

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das LSG - insoweit zutreffend - zunächst vom Inhalt des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. am 1.11.1999 geschlossenen schriftlichen Vertrags ausgegangen und hat geprüft, ob die dort getroffenen Vereinbarungen den tatsächlichen Verhältnissen bei der Durchführung der vom Beigeladenen zu 1. verrichteten Tätigkeit entsprachen. Dabei hat das LSG richtig erkannt, dass es sich bei dem Vertrag vom 1.11.1999 um einen RV handelte, der die rechtliche Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstellte. Dies folgt insbesondere aus § 1 Abs 2, § 4 und § 6 RV, wonach die Einzelheiten der Vertragsdurchführung sowie die Bestimmung des Orts der Tätigkeit dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten blieben(§ 1 Abs 2, § 6 RV) und dem Beigeladenen zu 1. die - nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angefochtenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG nicht nur theoretische - Möglichkeit eingeräumt war, ihm von der Klägerin angebotene Aufträge ohne Begründung abzulehnen.

19

Nicht ausreichend berücksichtigt hat das LSG hingegen die Konsequenzen dieser Vertragsgestaltung für den Gegenstand der im Hinblick auf eine mögliche Versicherungspflicht vorzunehmenden Prüfung und die Gewichtung bestimmter Umstände hierbei (zum Letzteren unten d). Bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art ist für die Frage der Versicherungspflicht nämlich nicht auf den gesamten vom RV erfassten Zeitraum, sondern jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestehen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 35; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 24; BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27; vgl insbesondere auch das Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R -, das einen einzelnen Projektvertrag über eine Tätigkeit im Rackjobbing zum Gegenstand hatte; zur Bedeutung einer durchgehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19). Dies folgt aus dem Umstand, dass in den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. keinen Auftrag der Klägerin angenommen und durchzuführen hatte, schon keine - die Versicherungspflicht begründende - "entgeltliche" Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV bestand(zum Inhalt dieser Voraussetzung der Versicherungspflicht vgl BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 13 ff): Vor Annahme eines Auftrags durch den Beigeladenen zu 1. traf diesen keine - auch keine latente - Verpflichtung, Tätigkeiten für die Klägerin auszuüben. Umgekehrt hatte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1. kein Entgelt zu leisten. Ob die gegenseitigen Leistungspflichten jemals (wieder) in Vollzug gesetzt werden würden, war nach der Ausgestaltung des RV vollkommen ungewiss; denn weder war die Klägerin verpflichtet, dem Beigeladenen zu 1. überhaupt Aufträge anzubieten, noch bestand eine Pflicht des Beigeladenen zu 1., einen der ihm von der Klägerin angebotenen Aufträge anzunehmen. Schon hieraus folgt die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide in Bezug auf Zeiträume ohne (entgeltliche) Beschäftigung. Die notwendigen Feststellungen dazu, in welchen Zeiträumen Einzelaufträge tatsächlich vorlagen und durchzuführen waren, hat das LSG - von seinem Ansatz her konsequent - jedoch nicht getroffen.

20

c) Ob die Verhältnisse während der Durchführung der einzelnen Aufträge tatsächlich die vom LSG für die gesamte Laufzeit des RV getroffene Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit insgesamt oder zumindest für Teilzeiträume rechtfertigen, kann der Senat auf Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen. Hierfür fehlen neben Feststellungen zu den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. tatsächlich für die Klägerin Einzelaufträge durchführte, auch die erforderlichen konkreten Feststellungen zu Inhalt und Ausgestaltung dieser einzelnen Aufträge. Diese Einzelheiten waren nach § 1 Abs 2 des RV ausdrücklich erst den mit dem jeweiligen Einzelauftrag verbundenen Bestimmungen vorbehalten. Ob und ggf in welchem Umfang hierbei Vorgaben hinsichtlich Ort, Zeit (zB bzgl der Besuchshäufigkeit), Dauer (zB tolerierte Höchstdauer der Besuche) und Art der Ausführung (zB Richtlinien oder gar konkrete Anweisungen für die Bestückung einzelner Regale) durch die Klägerin gemacht wurden, hat das LSG im Einzelnen nicht festgestellt. Dies muss es im Rahmen der erneuten Verhandlung nachholen.

21

Zugleich hält es der Senat für geboten, dass das LSG bei dieser Gelegenheit von Amts wegen (vgl § 103 SGG) auch weitere Umstände aufklärt, die Bedeutung für die vorzunehmende Gesamtabwägung haben könnten:

22

So war der Beigeladene zu 1. zwar nach § 9 Abs 2 RV verpflichtet, bei Krankheit und Urlaub die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen, im Verhinderungsfall hatte er die Klägerin unverzüglich zu informieren. Jedoch begründet es Zweifel an der Verbindlichkeit bzw Ernsthaftigkeit der Sicherstellungsverpflichtung des Beigeladenen zu 1., wenn nach dessen - im angefochtenen Urteil wiedergegebenen - Angaben vor dem SG (in der mündlichen Verhandlung am 20.10.2008) die Konsequenz einer längeren Verhinderung lediglich darin bestand, dass der Händler die vorgesehenen Tätigkeiten selbst ausführen musste.

23

Ferner deutet die vom Beigeladenen zu 1. ebenfalls in der mündlichen Verhandlung beim SG gemachte Angabe, der RV sei ua deswegen gekündigt worden, weil er (der Beigeladene zu 1.) nach Auffassung der Klägerin "zu lange gebraucht (habe), um die Arbeiten auszuführen", auf eine zumindest konkludent verabredete zeitliche Vorgabe für die Durchführung eines Einzelauftrags sowie eine über die bloße Bestätigung von Anwesenheitszeiten durch die Marktleiter hinausgehende Überwachung der Auftragsausführung hin.

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Schließlich wäre es im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, wenn zu den Aufgaben des Beigeladenen zu 1. auch der von der Klägerin angebotene Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI sowie die Erfassung oder Aufbereitung fundierter Zahlen für zukünftige Strategien der Kunden gehört hätten und die hierfür notwendigen Geräte oder Software-Programme ganz oder zumindest teilweise durch die Klägerin gestellt worden wären.

25

d) Die aus der festgestellten Vertragsgestaltung folgende Notwendigkeit einer Prüfung der jeweiligen Einzelaufträge hat zudem materiell-rechtliche Konsequenzen für die Bedeutung einzelner Umstände im Rahmen der - jedenfalls beim Vorliegen relevanter Unterschiede - für jedes Auftragsverhältnis gesondert vorzunehmenden Gesamtabwägung. Gleichzeitig vermag der Senat den rechtlichen Erwägungen des LSG auch aus anderen Gründen nicht in jeder Hinsicht zu folgen.

26

aa) Zutreffend ist das LSG in Würdigung der einzelnen Klauseln des RV zu dem Ergebnis gelangt, dieser dokumentiere den Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen. Diesem Willen kommt - wie das LSG ebenfalls zutreffend ausführt - nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 38; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 16). Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht dieses Indizes umso geringer, je uneindeutiger die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die indizielle Wirkung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bzgl der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (zum Fall der Unerfahrenheit im Geschäftsverkehr vgl BAG Urteil vom 9.6.2010 - 5 AZR 332/09 - AP Nr 121 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Juris RdNr 33).

27

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw zu vermeiden (zB Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub bzw Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen), auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zulassen (vgl nämlich § 32 SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr setzen diese Regelungen - insbesondere der Ausschluss ansonsten zwingender arbeits- und sozialrechtlicher Rechte und Pflichten - bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw Beschäftigter voraus, für den in erster Linie Weisungsgebundenheit und - jedenfalls für das Sozialrecht - das Fehlen der unter II.3.a genannten, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnenden Umstände ausschlaggebend ist. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (stRspr, vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 2400 § 2 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332).

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bb) Nicht gerechtfertigt ist auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch das hohe Gewicht, welches das LSG in seiner auf den RV fokussierten Gesamtabwägung der dem Beigeladenen zu 1. eingeräumten Möglichkeit beigemessen hat, Auftragsangebote der Klägerin abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. Anknüpfungstatbestand für eine mögliche die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ist - wie oben unter II.3.b dargelegt - das einzelne angenommene Auftragsverhältnis. Daher stellte sich - wie von der Beklagten mit der Revision zu Recht geltend gemacht - für den Beigeladenen zu 1. die Situation vor Annahme eines Auftrags letztlich nicht anders dar als für einen Arbeitsuchenden, dem es ebenfalls freisteht, eine ihm angebotene (ggf befristete Teilzeit-) Arbeitsgelegenheit anzunehmen oder nicht. Zugleich haben jedenfalls Teilzeitbeschäftigte die Möglichkeit, in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssen angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht sind. Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen. Ein Werben für seine Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1. aber - wie auch im Urteil des LSG wiedergegeben - im Verwaltungsverfahren gerade verneint.

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cc) Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit auf Selbstständigkeit hindeuten. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts und nicht nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist. Dabei kommt auch einer großen Gestaltungsfreiheit bzgl der Arbeitszeit nur dann erhebliches Gewicht zu, wenn sich deren Grenzen nicht einseitig an den durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bzw Arbeitgebers vorgegebenen Rahmen orientieren. Ob dies vorliegend der Fall ist, hängt in erster Linie vom Inhalt der jeweiligen Einzelaufträge und deren praktischer Durchführung ab, was vom LSG noch weiter aufzuklären ist.

30

Zwar ist die Auffassung des LSG, dass allein aus der zeitlichen und örtlichen Abhängigkeit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. vom Warenturnus und Warenabverkauf bzw der Belegenheit der zu befüllenden Regale in den jeweiligen Verbrauchermärkten nicht auf ein diesbezügliches einseitiges Direktionsrecht der Klägerin geschlossen werden kann, im Ansatz zutreffend. Allerdings spricht es auch nicht gegen das Vorliegen eines - ggf verfeinerten - Weisungsrechts, wenn sich beispielsweise Arbeitsort und/oder Arbeitszeit bereits aus "der Natur der Tätigkeit" (zu diesem Topos vgl zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 1 RdNr 20; BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Die Beiträge Beilage 2004, 154 = USK 2004-25) ergeben, also aus den mit der vertraglich vereinbarten Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten. Ausschlaggebend ist insoweit vielmehr, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten (zB auch hinsichtlich Inhalt, Durchführung oder Dauer) der zu erbringenden Tätigkeit besteht oder aber ausgeschlossen ist, und sich die Fremdbestimmtheit der Arbeit auch nicht über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt.

31

Ebenso kommt der vom LSG ausführlich beschriebenen besonderen Qualität der Tätigkeit als solcher keine Indizfunktion im Sinne einer Selbstständigkeit zu. Allein der Umstand, dass die Tätigkeit eines "klassischen" Regalauffüllers mit weiteren, verantwortungsvolleren Aufgaben angereichert und mit größeren Möglichkeiten eigenverantwortlicher Gestaltung bei der Umsetzung des Auftrags bzw der Arbeitsaufgabe versehen wird, spricht noch nicht gegen Beschäftigung. Insoweit vertritt das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse selbst eines "leitenden Angestellten" diesen nicht schon zum Selbstständigen machen, solange er in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt (vgl zB BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (vgl BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 20). Solches wird typischerweise eher anzunehmen sein, wenn es sich um höherwertige Tätigkeiten handelt (vgl bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 16 mwN; BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) und die Honorierung des Auftragnehmers vom Arbeitsergebnis und -erfolg abhängig ist (zB von Umsatz- und Verkaufszahlen, gestaffelten Provisionen, usw), nicht dagegen in gleicher Weise, wenn sich - wie nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall - die Vergütung vornehmlich nach dem zeitlichen Umfang des geleisteten Arbeitsaufwandes richtet (vgl bereits BSG SozR 2200 § 165 Nr 32 S 40; BSG SozR 2200 § 165 Nr 51 S 73 f; andererseits für Beschäftigung trotz erfolgsabhängiger Vergütung zB BSG SozR 2200 § 165 Nr 63 S 87 f; BSG SozR Nr 10 zu § 2 AVG Aa 14).

32

Entgegen dem diesbezüglichen Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren spielt es insoweit keine Rolle, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. noch derjenigen eines Regalauffüllers entspricht, derjenigen eines kaufmännischen Angestellten angenähert ist oder entsprechend den Ausführungen des LSG zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen ("Solo-Selbstständigen") im Wirtschaftsleben ein völlig neues Berufsbild darstellt. Erst recht ist es ohne Belang, mit welchem "Etikett" die am Vertragsverhältnis Beteiligten einer Tätigkeit versehen (vorliegend etwa "Rackjobber" oder "Merchandiser"). Die für das Sozialversicherungsrecht maßgebende Abgrenzung von Versicherungspflicht auslösender Beschäftigung einerseits und Selbstständigkeit andererseits erfolgt vielmehr - wie dargelegt - anhand abstrakter Merkmale (vgl oben II.3.a) und auf Grundlage der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit im Einzelfall und nicht etwa anhand von Berufs- bzw Tätigkeitskatalogen (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19 RdNr 20; vgl auch BSG Beschluss vom 27.8.2012 - B 12 R 4/12 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 21.8.2013 - B 12 KR 93/12 B - Juris RdNr 16, jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Dementsprechend hat der Senat schon in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass bestimmte berufliche Tätigkeiten sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbstständigkeit wahrgenommen werden können und dass es für die Zuordnung insoweit auf die Gesamtschau der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl zB Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN; Senatsurteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17, 30 ; Senatsurteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 42 ; vgl auch Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27 ).

33

dd) Dem LSG ist im Ansatz auch darin zuzustimmen, dass eine dem Beigeladenen zu 1. eingeräumte Möglichkeit, sich zur Durchführung von Aufträgen auch Erfüllungsgehilfen zu bedienen, gegen das Vorliegen von Beschäftigung spricht. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen von Beschäftigung typisch, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 22). Auch nach der Rechtsprechung des BAG stellt die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar, auch wenn nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat(vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 14; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17 f).

34

Im Rahmen der erneuten Würdigung des Sachverhalts wird das LSG auch zu beachten haben, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen tatsächlich keine Delegation erfolgt ist, die Delegationsbefugnis allenfalls dann ein Indiz für Selbstständigkeit darstellen kann, wenn von ihr realistischerweise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17). Dagegen spricht vorliegend die Feststellung des LSG, der Beigeladene zu 1. habe mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt. Zugleich kommt es auch hier auf die Verhältnisse während der jeweiligen Auftragsdurchführung an. Insoweit steht die Delegationsbefugnis sogar schon nach dem Vertragstext unter dem Vorbehalt, dass "der jeweilige Auftrag dies gestattet". Bereits aus diesem Grunde kann dem vom LSG gezogenen Schluss, in zwei - den Beigeladenen zu 1. nicht betreffenden - Parallelverfahren sei bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, weshalb auch der Beigeladene zu 1. Dritte habe tatsächlich einsetzen können, nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Vielmehr wird das LSG zu prüfen haben, ob dem Beigeladenen zu 1. nach den Bedingungen des ihm nach Angebotsannahme jeweils obliegenden Auftrags dessen Durchführung mittels Erfüllungsgehilfen gestattet und realistischerweise möglich war.

35

ee) Anlässlich der erneuten Verhandlung wird das LSG auch der Frage weiter nachzugehen haben, ob und in welchem Umfang der Beigeladene zu 1. ein Unternehmerrisiko trug. Im Unterschied zu den vorgehend angesprochenen Umständen sind hierbei nicht nur die Verhältnisse bei Durchführung der einzelnen Aufträge in den Blick zu nehmen. Ein typisches unternehmerisches Risiko kann sich nämlich gerade daraus ergeben, dass vorgreiflich Investitionen (auch) im Hinblick auf eine ungewisse Vielzahl zukünftig am Markt noch einzuwerbender Aufträge getätigt werden.

36

Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft (vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f) oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (vgl zB BSG SozR 2400 § 2 Nr 19 S 30; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bzgl der einzelnen Einsätze (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Zudem wird angesichts zunehmender Freiheiten bzgl Arbeitsort und Arbeitszeitgestaltung, die im Zuge moderner Entwicklungen der Arbeitswelt auch Arbeitnehmern eingeräumt werden (vgl Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Grünbuch Arbeiten 4.0, 2015, S 64 ff; hierzu zB Bissels/Meyer-Michaelis, DB 2015, 2331 ff) zu prüfen sein, ob Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft zukünftig nur dann als Indiz für Selbstständigkeit angesehen werden können, wenn gerade hieraus verbesserte Verdienstchancen erwachsen (zum Gesichtspunkt zeitabhängige versus erfolgsabhängige Honorierung vgl im Übrigen bereits oben cc).

37

Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass der Beigeladene zu 1. im Wesentlichen nur seine Arbeitskraft eingesetzt hat. Ein Selbstständigkeit indizierendes Verlustrisiko im vorgenannten Sinne bestand dabei nicht, da er einen unbedingten Anspruch auf Vergütung seiner für die Durchführung der jeweiligen Aufträge aufgewandten - gegenüber der Klägerin engmaschig, nämlich fünf-Minuten-genau und in spezifischen Firmenvordrucken in bestimmter Weise zu dokumentierenden - Arbeitszeit hatte. Das verbleibende Risiko der Insolvenz des Auftrags- bzw Arbeitgebers trifft Arbeitnehmer in gleicher Weise. Soweit der Beigeladene zu 1. - wie vom LSG im Sachverhalt des Urteils berichtet - gegenüber der Beklagten angegeben hat, für seine Tätigkeit nutze er seinen PKW, seinen Personal Computer sowie ein eigenes Telefax- und Handygerät, lässt dies ebenfalls nicht ohne Weiteres auf ein unternehmerisches Risiko schließen. Voraussetzung dafür wäre es, dass diese Gegenstände gerade im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit angeschafft, hierfür eingesetzt und das hierfür aufgewandte Kapital bei Verlust des Auftrags und/oder ausbleibenden weiterer Aufträge als verloren anzusehen wäre. Dies kann jedenfalls bei Gegenständen, die heute auch in den meisten Haushalten Beschäftigter oder nicht erwerbstätiger Personen ohnehin regelmäßig zur privaten Nutzung vorhanden sind, nicht ohne spezielle diesbezügliche Tatsachenfeststellungen unterstellt werden.

38

ff) Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das LSG ggf schließlich zu prüfen haben, ob trotz bestehender Beschäftigung während der Durchführung der jeweiligen Aufträge Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit dieser Beschäftigung iS des § 8 SGB IV vorlag(zu den insoweit zu beachtenden Konstellationen vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27 ff).

39

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

40

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16.7.2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Kosten des Beigeladenen zu 1) in erster Instanz nicht zu erstatten sind. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 4), die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 17.116 Euro festgesetzt.


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(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 19. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Im Klageverfahren zwischen der W. GmbH als Klägerin sowie Herrn W.B. als weiteren Kläger und der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Bg) war eine Statusfeststellung nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) streitig.

Auf den Antrag der Kläger nach § 7a SGB IV vom30.9.2009 stellte die Bg mit Bescheid vom 29.3.2010 fest, dass die Tätigkeit des Klägers bei der GmbH als Gesellschafter-Geschäftsführer seit dem 1.7.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Dieser Bescheid wurde beiden Klägern bekanntgegeben. Mit Änderungsbescheid vom 19.8.2010 wurde ergänzend festgestellt, dass in der seit 1.7.2009 ausgeübten Beschäftigung als Gesellschafter-Geschäftsführer Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.2.2011 wurden die Widersprüche zurückgewiesen.

Hiergegen erhob die Bevollmächtigte der Kläger am 11.3.2011 Klage zum Sozialgericht Würzburg und machte geltend, dass der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer selbstständig tätig sei und beantragte unter Aufhebung der Bescheide die Feststellung, dass Versicherungspflicht nicht besteht. Der vorläufige Streitwert in Bezug auf die Klägerin wurde durch das Gericht auf 5.000 € festgesetzt. In der Klagebegründung vom 18.8.2011 wurde das erfolgsunabhängige Jahresgehalt mit 72.000 € sowie die erfolgsabhängigen Tantiemen mit bis zu 96.000 € beziffert. Weitere Angaben zur Höhe der etwaigen Versicherungsbeiträge erfolgten bis zur Verfahrensbeendigung nicht. Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 6.6.2013 gab der Kläger an, dass sein Gehalt regelmäßig die Jahresentgeltgrenze überschreite. Daraufhin stellte die Bg mit Bescheid vom 27.1.2014 fest, dass Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung nicht besteht.

Nach Anhörung der Beteiligten wurden die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 28.8.2014 als unbegründet abgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens wurden der Klägerin 2/3 und der Beklagten 1/3 auferlegt. Außerdem hat die Beklagte 1/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. In den Entscheidungsgründen hieß es hierzu, dass die Kostenentscheidung zu differenzieren sei. Die Kostenentscheidung in Bezug auf die Klägerin beruhe auf § 197a SGG und in Bezug auf den Kläger auf § 193 SGG. Der Gerichtsbescheid wurde nicht angefochten.

Mit Schriftsatz vom 4.9.2014 beantragte die Bevollmächtigte Streitwertfestsetzung. Maßgebend sei unter Bezugnahme auf den Beschluss des 5. Senats des Bay. LSG vom 4.3.2011, L 5 R 647/10 B, der dreifache Jahresbetrag des unterbliebenen Sozialversicherungsabzuges. Ausgehend von den Beitragsbemessungsgrenzen und einem Sozialversicherungsbeitrag von 40% sei der Streitwert auf 81.000 € festzusetzen. Dagegen war die Beklagte der Auffassung, dass nicht auf die Höhe der eventuell entstehenden Beitragslast abzustellen sei. Streitgegenstand sei allein die Frage gewesen, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 SGB IV vorliege. Maßgebend sei daher der Regelstreitwert von 5.000 €.

Hierauf erwiderte die Bevollmächtigte unter Bezugnahme auf einen Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.12.2012, L 8 R 650/12 B, dass hinreichende Anhaltspunkte zur Bestimmung des Streitwerts vorlägen. Bis zum Teilanerkenntnis errechne sich eine Beitragslast von 80.640 € und danach von 47.000 €.

Mit Beschluss vom 19.12.2014 setzte das Sozialgericht Würzburg den Streitwert auf 5.000 € fest. Im vorliegenden Fall seien noch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt worden. Das Gericht folge der Rechtsprechung des 5. Senats nicht und verwies auf hiervon abweichende Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg und des BSG. Der Beschluss wurde der Bevollmächtigten der Kläger am 30.12.2014 zugestellt.

Gegen diesen Beschluss legte die Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 30.12.2014, eingegangen bei Gericht am 2.1.2015, kraft eigenen Rechts nach § 32 Abs. 2 RVG beim Bay. Landessozialgericht Beschwerde ein. Das Sozialgericht sei unzutreffend von einem Streitwert von 5.000 € ausgegangen. Da der Kläger ein festes Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze hatte, hätten Anhaltspunkte zur konkreten Streitwertfestsetzung vorgelegen. Zur Höhe des Streitwerts sei mit Schriftsatz vom 25.9.2014 dezidiert vorgetragen worden. Bis zum Anerkenntnis sei der Streitwert auf 80.640 € und danach auf 47.000 € festzusetzen.

Die Beschwerdegegnerin erwiderte mit Schriftsatz vom 15.1.2015, dass der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für eine andere wirtschaftliche Bedeutung der Sache biete. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und diverser Landessozialgerichte habe der Regelstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG jedenfalls dann zu gelten, wenn - wie hier - die Höhe einer auf die Statusfeststellung folgenden Beitragsbelastung nicht feststeht, sondern erst mit größerem Aufwand zu ermitteln wäre. Gegen eine Streitwertfeststellung nach § 52 Abs. 1 GKG spreche auch, dass sonst weitere Ermittlungen im Statusfeststellungsverfahren zu Fragen erforderlich wären, die nicht streitgegenständlich seien. Ermittlungen, die zur Entscheidung der Hauptsache nicht erforderlich seien, sollten und dürften im Rahmen der Streitwertbestimmung aber nicht geführt werden. Ermittlungen zu mutmaßlichen Beitragszahlungen seien fehleranfällig und äußerst aufwendig. Die Höhe des Streitwertes wäre letztlich maßgeblich in das Ermessen des Auftraggebers gestellt, wenn die Beitragsfestsetzung noch nicht erfolgt sei. Er könnte die Streitwertfestsetzung dadurch beeinflussen, dass er im Einzelfall entscheiden könnte, ob entsprechende Angaben über Vergütung, Honorare und Entgelte gemacht werden. Im Rahmen der Willkürfreiheit gerichtlicher Entscheidungen nach Art. 3 GG sollten keine Schätzungen vorgenommen werden. Zur weiteren Begründung verwies sie u. a. auf den Beschluss des BSG vom 8.12.2008, B 12 R 37/07 B.

Hierauf erwiderte die Beschwerdeführerin, dass das BSG grundsätzlich davon ausgehe, dass bei Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte die Beitragsforderung als Streitwert festzusetzen sei und nicht der Auffangwert. Entscheidend für das Revisionsverfahren sei auch, wer überhaupt noch beteiligt sei und das jeweilige finanzielle Interesse der dortigen Beteiligten. Des Weiteren trug sie vor, dass das Sozialgericht auch nicht die Kostenentscheidung mit einer entsprechenden Quotelung hätte vornehmen können, wenn es nicht von einem entsprechenden Streitwert wie die Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 25.9.2014 ausgegangen wäre.

Das Sozialgericht Würzburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 19.12.2014 aufzuheben und den Streitwert bis zum Teilanerkenntnis auf 80.640 €, ab dem Teilanerkenntnis auf 47.000 € festzusetzen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig.

Der Senat war für die Entscheidung zuständig, da die Einzelrichterin das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat nach § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG übertragen hat. Grundsätzlich ist der Berichterstatter als Einzelrichter für die Entscheidung über die Streitwertbeschwerde nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG zuständig, wenn - so wie hier - in erster Instanz die Kammervorsitzende den Streitwert festgesetzt hat. Diese Frage war bislang umstritten (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 11. Auflage 2014, § 155 Rn. 9d; noch ablehnend in der Vorauflage; ebenso ablehnend z. B. LSG Rheinland-Pfalz vom 27.4.2009, L 5 B 451/08 KA; LSG Sachsen-Anhalt vom 18.3.2013, L 4 KR 104/12 B; LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.2.2006, L 10 B 21/05 KA; BGH vom 13.1.2005, V ZR 218/04; BFH vom 28.6.2005, X E 1/05). Im Gegensatz zu dieser ablehnenden Rechtsprechung wurde die Rechtsauffassung vertreten, dass anders als z. B. in der Zivilprozessordnung sowohl im Sozialgerichtsgesetz als auch in der Verwaltungsgerichtsordnung eine Einzelrichterentscheidung gemäß § 155 SGG bzw. § 87a VwGO grundsätzlich möglich sei. Das GKG normiere eine Entscheidungszuständigkeit für ein einzelnes Mitglied des Beschwerdegerichts auch dann, wenn es sich rechtstechnisch nicht um einen originären Einzelrichter handle. Mit dieser Zuständigkeitszuweisung werde ein Beschleunigungseffekt angestrebt (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 157f.), der auch im Rahmen des Sozialgerichtsgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung ohne weiteres umgesetzt werden könne (vgl. BVerwG vom 25.1.2006, 10 KSt 5/05; LSG Nordrhein-Westfalen vom 1.4.2009, L 10 B 42/08 P; LSG Baden-Württemberg vom 7.2.2011, L 11 R 5686/10 B). Mit der Einfügung von § 1 Abs. 5 GKG durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.7.2013 (BGBl. I 2013, 2586), wonach die Regelungen des GKG über die Erinnerung und Beschwerde den Bestimmungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Reglungen vorgehen, ist diese Streitfrage nunmehr als geklärt anzusehen. Denn in der Gesetzesbegründung heißt es hierzu (vgl. BT-Drucks. 17/11471 -neu- S. 243), dass der Einzelrichter auch dann zuständig sei, wenn eine Einzelrichterentscheidung institutionell nicht vorgesehen sei (vgl. BSG vom 20.3.2015, B 13 SF 4/15 S; BFH vom 25.3.2014, X E 2/14; Thüringer LSG vom 12.8.2014, L 6 210/14 B ER; LSG Sachsen-Anhalt vom 16.2.2015, L 9 KA 7/14 B; Bay. LSG vom 11.3.2015, L 16 R 1229/13 B).

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Streitwert auf 5.000 € nach § 197a SGG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG festgesetzt, da der Sach- und Streitstand für die vom Auffangwert abweichende Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet.

Die Kostengrundentscheidung wurde in Bezug auf die Klägerin (GmbH) auf § 197a SGG gestützt. Der Senat hält dies für unzutreffend. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin durch den Kläger privilegiert gewesen wäre, so dass die Kostengrundentscheidung einheitlich nach § 193 SGG zu treffen gewesen wäre (vgl. BSG vom 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R; BSG vom 29.5.2006, B 2 U 391/05 B; LSG Baden-Württemberg vom 10.10.2014, L 4 R 2204/13; Bay. LSG vom 2.3.2010, L 5 R 109/10 B). Zwar wurden gegenüber der Klägerin und dem Kläger jeweils getrennte Bescheide mit demselben Datum erlassen. In der Sache handelt es sich jedoch um eine einheitliche Entscheidung, die zwei Adressaten bekanntgegeben wurde. Insoweit liegt auch keine objektive Klagehäufung vor, die eine getrennte Kostenentscheidung ermöglichen würde. Der Senat ist jedoch an die Kostengrundentscheidung im Gerichtsbescheid vom 28.8.2014 gebunden, da der Gerichtsbescheid von den Beteiligten nicht weiter angefochten wurde und damit rechtskräftig ist.

Nach § 197a SGG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist gemäß Absatz 3 dieser Vorschrift deren Höhe maßgebend. Hierbei ist wiederum die allgemeine Wertvorschrift des § 40 GKG zu beachten, wonach für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend ist, die den Rechtszug einleitet.

Die Voraussetzungen für eine Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 3 GKG liegen nicht vor. Der Klageantrag betraf weder eine bezifferte Geldleistung, noch einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt. Streitig war im Zeitpunkt der Klageerhebung die Rechtmäßigkeit des im Rahmen eines Statusverfahrens nach § 7a SGB IV ergangenen Bescheides vom 29.3.2010 in der Fassung des Bescheides vom 19.8.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.2.2011, mit welchem die Feststellung getroffen wurde, dass der Kläger seit 1.7.2009 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ausübt und Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung besteht. Der Klageantrag vom 18.8.2011 war auf Aufhebung des Bescheides und Feststellung gerichtet, dass der Kläger nicht abhängig beschäftigt ist und keine Versicherungspflicht besteht. Angaben zur Höhe des Streitwerts enthielt die Klagebegründung nicht. Der Klageantrag war auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet und nicht auf eine bestimmte Geldleistung.

Auch der Bescheid über die Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und Feststellung der Versicherungspflicht war nicht auf eine Geldleistung gerichtet. Um einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt handelt es sich zum Beispiel bei einem Verwaltungsakt, der Leistungen bewilligt, ablehnt, entzieht, auferlegt, erlässt oder stundet. Es genügt, wenn der Verwaltungsakt zu einer Geldleistung oder zu einem geldwerten Vorteil führt. Dies gilt hingegen nicht bei Verwaltungsakten, der eine eigenständige Bedeutung hat und erst die Grundlage für spätere Zahlungen bilden kann, z. B. bei der Feststellung der Familienversicherung oder der Versicherungspflicht (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 11. Auflage 2014, § 144 Rn. 10a, 10b). Die Sozialversicherungsbeiträge bzw. der Gesamtsozialversicherungsbeitrag waren bis zum Abschluss des Klageverfahrens noch nicht festgesetzt, sondern blieben dem nachgelagerten Festsetzungsverfahren vorbehalten (vgl. § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV). Die Statusfeststellung im Bescheid vom 29.3.2010 hat nach der Ausgestaltung des Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV eine eigenständige Bedeutung und bildet die Grundlage für die spätere Beitragsfestsetzung.

Eine Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG entsprechend der sich aus dem Antrag bei einer objektiven Beurteilung ergebenden Bedeutung der Sache für den Kläger ist vorliegend nicht möglich. Es ist auf den Auffangwert von 5.000 € nach § 52 Abs. 2 GKG abzustellen.

Das Gericht muss den Streitwert gemäß § 52 Abs. 1 und 2 GKG nach objektiven Kriterien in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens bestimmen. Das geschieht nach den Anhaltspunkten aus dem bisherigen Sach- und Streitstand, die sich bis zur Verfahrensbeendigung ergeben haben. Nur wenn sich hieraus keine genügenden Anhaltspunkte für die Bemessung bieten, ist der Auffangwert von 5.000 € zugrunde zu legen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage 2015, § 52 Rn. 8, 16, 17 und 20).

Zuzugestehen ist den Beteiligten, dass es hierzu keine einheitliche Rechtsprechung gibt. Verschiedene Landessozialgerichte wenden regelmäßig in Statusverfahren nach § 7a SGB IV den Auffangwert von 5.000 € an (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 17.7.2014, L 11 R 2546/14 B; Sächsisches Landessozialgericht vom 31.5.2013, L 1 KR 103/12 B unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung, beispielsweise vom 9.6.2008, L 1 B 351/07 KR; vgl. auch BSG vom 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R; vom 24.9.2008, B 12 R 10/07 R; vom 8.12.2008, B 12 R 37/07 B; vom 11.3.2009, B 12 R 11/07 R; vom 4.6.2009, B 12 R 6/08 R; und vom 5.3.2010, B 12 R 8/09 R). Demgegenüber wird in der Rechtsprechung auch die Auffassung vertreten, dass die wirtschaftliche Bedeutung hauptsächlich in der Vermeidung der nachfolgenden Beitragsfestsetzung zu sehen ist und deren Höhe auf 40% des dreifachen Jahresbetrages des Arbeitgeberanteils geschätzt werden kann (vgl. Bay. LSG vom 4.3.2011, L 5 R 647/10 B; LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.12.2012, L 8 R 650/12 B; differenzierend je nachdem, ob Angaben zur Höhe des Streitwerts bis zur Verfahrensbeendigung vorliegen Bay. LSG vom 11.3.2015, L 16 R 1229/13 B und vom 9.2.2015, L 16 R 278/14 B; vgl. auch BSG vom 28.9.2011, B 12 R 17/09 R).

Der Senat schließt sich der Auffassung an, wonach in Statusverfahren nach § 7a SGB IV regelmäßig vom Auffangwert auszugehen ist. Die Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und der Versicherungspflicht einerseits und die Beitragsfestsetzung andererseits sind unterschiedliche Streitgegenstände, die auch kostenrechtlich voneinander zu trennen sind. Im Statusverfahren ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag regelmäßig nicht festgesetzt und ist im Klageverfahren anders als beispielsweise in Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV nicht entscheidungserheblich. Dass die Streitgegenstände streng voneinander zu trennen sind, ist auch aus der Entscheidung des BSG vom 16.7.2014, B 3 KS 3/13 R zu folgern. In dem dort zu entscheidenden Fall wurde bei der Streitwertbestimmung der unterschiedlichen Bedeutung von Feststellung der Versicherungspflicht einerseits und Beitragsfestsetzung andererseits für nicht deckungsgleiche Zeiträume dadurch Rechnung getragen, dass zum Auffangwert die konkrete Beitragsforderung hinzuaddiert wurde. Die wirtschaftliche Bedeutung der Feststellung einer abhängigen Beschäftigung erschöpft sich nicht im Wesentlichen allein in der nachfolgenden Beitragslast. Insbesondere sind die wirtschaftlichen Interessen unabhängig von Zeiträumen zu beurteilen, für die die Versicherungspflicht festgestellt wird. Auch andere Faktoren könnten eine Rolle spielen, die wirtschaftliche Auswirkungen auf das Unternehmen insgesamt haben, wie z. B. die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes und des Betriebsverfassungsrechts. Derartige Auswirkungen lassen sich aber regelmäßig nicht beziffern. Folglich kommt es nach Auffassung des Senats nicht darauf an, ob die Kläger bis zur Beendigung des Verfahrens Angaben zur Höhe der zu erwartenden Beitragsforderung machen oder nicht.

Unabhängig davon wäre das Gericht bei der Streitwertbestimmung entsprechend der zu erwartenden Beitragsforderung zu weiteren Ermittlungen gezwungen, wenn es nicht eine Schätzung „ins Blaue“ vornehmen will. Ermittlungen sind jedoch nicht zulässig (vgl. Hartmann, a. a. O.). Zu ermitteln wären die Beitragssätze und die Beitragsbemessungsgrenzen für das jeweilige Jahr und das Jahresgehalt. Der Einwand der Beschwerdeführerin, im vorliegenden Fall sei die Berechnung einfach, da der Kläger die Bemessungsgrenzen bei weitem überschreite, übersieht, dass es danach zu einer Ungleichbehandlung von Personen mit einem sehr hohen Einkommen und solchen mit niedrigerem Einkommen käme, ohne dass es für eine derartige Differenzierung in der Sache einen triftigen Grund gäbe.

Im vorliegenden Fall ist eine abweichende Streitwertfestsetzung für die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers ab 1.7.2009 nicht möglich. Es fehlen konkrete Anhaltspunkte für die Bedeutung der Sache für die Klägerin. Bekannt war zwar das Gehalt des Klägers. Dies ist aber schon allein deswegen erforderlich, um überhaupt eine Versicherungspflicht feststellen zu können. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist nicht festgesetzt. Außerdem ist die Feststellung der Versicherungspflicht vorliegend zukunftsgerichtet und zeitlich nicht begrenzt.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist auch die Kostenquotelung des Sozialgerichts kein Hinweis auf das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für den Streitwert. Die Kostenquotelung entsprechend dem Teilanerkenntnis muss nicht zwangsläufig auf einer überschlägigen Berechnung der Beitragsforderung beruhen, sondern kann sich aus einer groben Schätzung des Verhältnisses des prozentualen Anteils der Kranken- und Pflegeversicherung am Gesamtsozialversicherungsbeitrag unabhängig von der sich hieraus ergebenden Beitragshöhe ergeben haben.

Maßgebend für die Wertbestimmung ist nach § 40 GKG der Zeitpunkt der Klageerhebung. Nachträgliche Änderungen, wie hier die Aufhebung der Feststellung der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung durch Teilanerkenntnis, sind demnach unbeachtlich. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist kein abgestufter Streitwert festzusetzen.

Für eine pauschale Verdreifachung des Auffangwerts oder ähnlicher Werte fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BSG vom 5.3.2010, B 12 R 8/09 R).

Dieser Beschluss ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.