vorgehend
Sozialgericht Augsburg, S 8 SB 116/16, 26.10.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26.10.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger aufgrund seiner Morbus Crohn-Erkrankung ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 zusteht.

Aufgrund des Antrags des 1965 geborenen Klägers vom 17.06.2011 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 21.07.2011 einen GdB von 40 aufgrund der Gesundheitsstörung „Morbus Crohn mit Fistelbildung, Einzel-GdB: 40“ fest.

Dagegen legte der Kläger am 02.08.2011 Widerspruch ein und brachte vor, er habe seit einigen Jahren auf Dauer erhebliche Probleme beim Sitzen. Den Grund hierfür habe er sich zunächst nicht erklären können. Am 19.11.2010 habe er eine Notoperation im Krankenhaus F. gehabt. Dabei sei ein Analabszess in der linken inneren Gesäßhälfte gespalten worden. Bei den weiteren Nachuntersuchungen, insbesondere bei der am 12.04.2011 durchgeführten Kernspintomografie mit Kontrastmittel, sei eine Fistel festgestellt worden, die seine Probleme beim Sitzen erkläre. Diese Fistel beginne in der linken Gesäßhälfte, gehe hufeisenförmig um das Rektum. Dabei drücke das Steißbein beim Sitzen auf die Fistel, was große Schmerzen zur Folge habe, weshalb er einen Steharbeitsplatz beantragt habe. Die Fistel gehe im weiteren Verlauf auf der rechten Darmseite 20 bis 25 cm nach oben und trete dort in den Darm ein, wo Dünn- und Dickdarm ineinander übergingen. Er trage seit der Operation im November 2010 Tag und Nacht Flockenwindeln, da Sekret aus dem Abszess und aus der Fistel (Darmflüssigkeit) austräten. Er sehe sich gezwungen, mehrmals täglich zu spülen (mit Dusche oder Bidet). Ein Verkleben bzw. eine Geruchsentwicklung wäre sehr unangenehm.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2011 zurück.

Einen Verschlimmerungsantrag vom 31.01.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15.02.2012 ab.

Am 17.07.2012 wurde der Kläger im Universitätsklinikum G. im Rahmen eines stationären Aufenthalts vom 16.07.2012 bis zum 30.07.2012 operiert. Nach dem Abschlussbericht vom 30.07.2012 erfolgte eine offene Ileozökalresektion, eine Sigmaübernähung (Sigma, Sigmoid = der S-förmige letzte Abschnitt des Dickdarms vor dem Enddarm) und Omentumplastik.

Eine Histologie der Schleimhäute des Ileum, des Coecum und des Colon ascendens ergaben einen unauffälligen Befund ohne Hinweis auf eine spezifische Entzündung.

Den Verschlimmerungsantrag vom 02.07.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 08.11.2012 ab. Die Gesundheitsstörung werde nunmehr wie folgt bezeichnet:

Entzündliche Darmerkrankung (Crohn-Krankheit), mit Teilverlust des Dickdarms operierte Fistelbildung.

Vom 18.07.2013 bis zum 18.08.2013 wurde der Kläger im Rahmen einer stationären Rehamaßnahme im Reha-Zentrum B. B. behandelt. Nach deren Entlassungsbericht vom 27.08.2013 war es hinsichtlich einer postoperativen cologenen Diarrhoe und Vitamin-B12-Substitution bis zur letzten Koloskopie im Februar 2013 zu einer Remission gekommen. Der Patient befinde sich in gutem Ernährungs- und Kräftezustand (Größe: 180 cm, Gewicht: 73,3 kg). Der Morbus Crohn sei derzeit nicht aktiv. Unter Alkoholkarenz und laktose- und ballaststoffarmer leichter Vollkost habe der Kläger eine Stuhlfrequenz von zwischen drei und sechs Mal täglich protokolliert. Am Ende sei die Stuhlfrequenz auf dreimal täglich gesenkt worden. Als Diagnosen wurden angegeben: Morbus Crohn, Gallensäure- und Vitamin-B 12-Malabsorption nach Ileozökalresektion, toxischnutritiver Leberschaden und bekannte Laktoseintoleranz.

Am 19.09.2013 stellte der Kläger erneut einen Verschlimmerungsantrag. Er machte geltend, bei der Operation im Jahr 2012 sei auch die Bauhin-Klappe entfernt worden, wodurch es zu einem unkontrollierten Fluss zwischen Dünn- und Dickdarm gekommen sei. Gleichzeitig sei das Ileum gekürzt worden. Deshalb bestünden die Durchfälle konstant weiter fort. Von dem Verlust der Bauhin-Klappe habe er erst jetzt erfahren.

Mit Bescheid vom 22.10.2013 lehnte der Beklagte den Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 19.09.2013 ab.

Am 31.10.2013 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und brachte vor, dass er zusätzlich an einer sehr ausgeprägten Laktoseintoleranz leide, die seine Durchfälle verstärkten. Außerdem seien die meisten Medikamente, die es zur Stuhlunterdrückung gebe, nicht für ihn geeignet, da sie Laktose enthielten. Das einzig geeignete Medikament sei Imodium Akut Lingual. Damit könne er zwar die Darmtätigkeit einigermaßen eindämmen, jedoch leide er unter der psychischen Belastung, die damit verbunden sei, dass er ständig sich vergewissern müsse, wo die nächste Toilette sei. Trotz Einnahme dieses Medikaments könne es nämlich zu akutem unwiderstehlichen Stuhldrang kommen.

Sein Leiden sei wie folgt zu beschreiben:

* ein stark ausgeprägtes Toilettenverhalten von mindestens drei Stuhlgängen am Tag. Je nach Verzehr von Lebensmitteln, die Laktose enthielten, bis zu 15 Stuhlgänge; der Tag werde hier überwiegend auf der Toilette verbracht.

* In Zeiten eines leichten Morbus Crohn-Schubes steigere sich die Zahl der Toilettengänge. Ein schwerer Schub lege seinen Tagesablauf auf die Toilette fest.

* Erschwerend wirke sich der Verlust der Bauhin-Klappe aus, da diese zu einem unkontrollierten Fluss des Stuhles vom Dünnzum Dickdarm und umgekehrt führe.

* Alle drei vorgenannten Komponenten würden sich gegenseitig verstärken.

Der Internist und Gastroenterologe Dr. O. bescheinigte in seinem Attest vom 04.12.2013 Stuhlgang drei bis siebenmal täglich, unter kontinuierlicher Einnahme von Imodium mindestens einmal täglich. Im Übrigen bestünden ein Kurzdarmsyndrom und ein Gallensäureverlustsyndrom.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2014 als unbegründet zurück.

Am 06.05.2015 stellte der Kläger erneut einen - den hier streitgegenständlichen - Verschlimmerungsantrag. Als verschlimmerte oder neue hinzugekommene Gesundheitsstörungen wurden angegeben: Schlafstörungen, psychische Belastung (Toilettennähe), anhaltende Diarrhoe, angehender Bluthochdruck (durch Medikamente), bis zu zehnmal tägliche Toilettengänge, Fieber und Schweißausbrüche bei einem Schub. Beantragt wurde die Erhöhung des GdB auf mindestens 50 sowie die Feststellung des Merkzeichens RF.

In der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. S. vom 12.05.2015 wurde der GdB unverändert bei 40 gesehen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es lägen nur ältere Befunde vor.

Mit dem hier streitgegenständlichen „Änderungsbescheid“ vom 02.06.2015 lehnte der Beklagte den am 06.05.2015 eingegangenen Antrag nach § 48 SGB X ab. Der GdB betrage wie bisher 40.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 10.06.2015 Widerspruch ein. Darin bat der Kläger um eine Erhöhung des GdB auf 50.

Die Fachärztin für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. V. führte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.07.2015 aus, dass in der Kontroll-Koloskopie im Februar 2013 die fortbestehende Remission der Erkrankung nachgewiesen worden sei. Seitdem seien keine Basistherapie und keine erneuten Darmspiegelungen erforderlich gewesen. Anlässlich der gastroenterologischen Reha-Behandlung sei die Untersuchung des Abdomens unauffällig gewesen. Hinsichtlich der angegebenen Stuhlfrequenz von 3 bis 6 Mal täglich sei zu Recht auf den Alkohol- und Nikotinabusus (20 Zigaretten täglich) mit bekannter abführender Wirkung hingewiesen worden. Entsprechend sei es zu einer deutlichen Besserung nach Reduktion des Abusus auf Stuhlfrequenz von durchschnittlich dreimal täglich gekommen. Der Ernährungs- und Kräftezustand sei anhaltend unbeeinträchtigt (180 cm, 73,3 kg, BMI 22,8 kg/Quadratmeter, Normalgewicht). Es bestehe keine Mangelernährung, das Vitamin B12 sei bei Bedarf substituierbar. Der Gesamt-GdB liege bei 20.

Mit Schreiben vom 17.08.2015 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Rücknahme des Feststellungsbescheides und Feststellung eines GdB von 20 an.

Der Allgemeinmediziner Dr. T. bestätigte in seinem Attest vom 17.09.2015, dass der Kläger angebe, in seinem Leben massiv beeinträchtigt zu sein. Er brauche täglich Imodium, ansonsten könne er sein Alltagsleben nicht mehr führen. Trotz der Einnahme von Imodium habe er eine Stuhlfrequenz von 6 bis 8 bzw. bis 10 Mal täglich, großteils auch Diarrhoen.

Der Gastroenterologe Dr. O. schrieb in seinem Attest vom 11.12.2015, dass weiterhin starke Durchfälle 3 bis 7 mal täglich vorlägen. Der Kläger berichte, dass er täglich das Medikament Loperamid einnehmen müsse, um eine etwas festere Stuhlkonsistenz zu erreichen. Außerdem bestünden Hinweise auf ein Kurzdarmsyndrom und ein Gallensäureverlustsyndrom. Letzteres hänge mit der Entfernung des Ileum zusammen, bei dem auch die Ileozökalklappe entfernt worden sei, was eine bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarmes begünstige.

Mit auf § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestütztem Bescheid vom 17.02.2016 nahm der Beklagte die Bescheide vom 22.10.2013, 28.01.2014 und 02.06.2015 mit Wirkung ab dem Tag nach Bekanntgabe dieses Rücknahmebescheides zurück, soweit festgestellt worden sei, dass der GdB 40 betrage. Der GdB betrage nunmehr 20. In der Begründung wurde ausgeführt, die Bescheide seien rechtswidrig, da sich keine neuen medizinischen Gesichtspunkte ergeben hätten, insbesondere habe der Reha-Abschlussbericht vom 27.08.2013, in dem die eindeutige Remission belegt gewesen sei, bereits beim Antrag auf Neufeststellung vom 16.09.2013 vorgelegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2016, zur Post gegeben am 22.03.2016, wies der Beklagte den Widerspruch vom 10.06.2015 gegen den Bescheid vom 02.06.2015 als unbegründet zurück und wies gleichzeitig darauf hin, dass der Bescheid vom 17.02.2016 gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Vorverfahrens geworden sei. In den Gründen wurde ausgeführt, dass folgende Gesundheitsstörung vorliege:

Entzündliche Darmerkrankung (Crohn-Krankheit) mit Teilverlust des Dünndarms und Teilverlust des Dickdarms, operierte Fistelbildung, Einzel-GdB: 20.

Dagegen hat der Kläger am 21.03.2016 beim Sozialgericht (SG) Augsburg Klage erhoben.

Der Kläger hat vorgebracht, im Juli 2012 sei die Darmteilentfernung erfolgt. Es liege eine deutlich erhöhte Stuhlfrequenz von 3 bis 7 Mal täglich vor mit dünner Konsistenz. Allein die Darmteilresektion bedinge einen GdB von 20. Hier kämen noch häufig rezidivierende und lang anhaltende Beschwerden hinzu, so dass der GdB höher ausfallen müsse. Ebenfalls unberücksichtigt geblieben seien die psychische Belastung und der Leberschaden.

Das SG hat mehrere Befundberichte eingeholt. Nach dem Koloskopiebericht des Dr. O. vom 21.03.2016 bestand eine Ileitis terminalis Crohn mit makroskopischen Zeichen geringer Aktivität. Im Befundbericht vom 18.05.2016 bezeichnete Dr. O. den Befund des Morbus Crohn als „weitgehend in Remission“. Der Kläger habe Stuhlgang „bis dreimal täglich“, derzeit immer wieder Durchfälle, keine Bauchschmerzen. Im Arztbrief des Dr. O. vom 06.02.2013 hieß es in der Anamnese, der Patient komme jetzt zur Kontrolluntersuchung, er habe keine Beschwerden außer ständiger Diarrhoe. Der Morbus Crohn wird als „derzeit in Vollremission“ bezeichnet.

Dann hat das SG den Internisten Dr. K. zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 30.06.2016 nach ambulanter Untersuchung des Klägers folgende Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt:

Darmerkrankung (Crohn-Krankheit) mit Teilverlust des Dünndarms und des Dickdarms einschließlich der Bauhin-Klappe mit persistierenden entzündlichen Reizerscheinungen und Kurzdarmsyndrom mit operierter Fistelbildung sowie Narbenbildung im Analkanal, Analspasmus, häufige Stuhlentleerungen und zeitweisen Kontinenzstörungen bei Laktoseintoleranz und Hinweisen für eine mittelschwere Pankreasinsuffizienz.

Den GdB hat der Sachverständige seit Mai 2015 durchgehend auf 40 geschätzt. Hierfür sind folgende Überlegungen maßgebend gewesen: Die Darmteilentfernung mit Kurzdarmsyndrom aufgrund der Resektion von Teilen des endständigen Dünndarms und des aufsteigenden Dickdarms mit den damit verbundenen häufigen Stuhlentleerungen und Verwachsungsbeschwerden in Form von Krämpfen bis hin zur Verschlusssymptomatik sei mit einem Einzel-GdB von 30 in Kenntnis des noch guten Ernährungszustandes zu bewerten. Die zusätzlich bestehenden Analbeschwerden mit Sphinkterspasmus, chronischem Analekzem aufgrund der häufigen Durchfälle (durchschnittlich dreimal täglich bis in Ausnahmefällen achtmal täglich), den damit verbundenen Schmerzen aufgrund des Sphinkterspasmus und dem gleichzeitig bestehenden Hämorrhoidalleiden seien mit einem Einzel-GdB von 20 bis 30 zu bewerten. Insgesamt sei dies zu einem Gesamt-GdB von 40 zusammenzufassen, insbesondere auch hinsichtlich der sozialen und kommunikativen Beeinträchtigungen, die bereits zu einer Änderung des Lebensstils geführt hätten.

Hierbei seien noch nicht einmal die Hinweise auf eine leicht- bis mittelschwere Pankreasinsuffizienz berücksichtigt, die zusätzlich für die dünne Stuhlkonsistenz mitverantwortlich sein und bei späterer Bestätigung trotz des normalen Ernährungszustandes einen Gesamt-GdB von 50 rechtfertigen könnte.

Die Funktionsbehinderung des Hüftgelenks liege im Einzel-GdB unter 10 und habe keinen Einfluss auf den Gesamt-GdB.

Das Körpergewicht hat bei der Untersuchung durch Dr. K. 82 kg betragen.

Der Beklagte hat mittels der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. vom 02.09.2016 eingewandt, ein Kurzdarmsyndrom liege mangels Entfernung größerer Darmabschnitte nicht vor und zwar weder nach der alten Definition (restliche Dünndarmlänge weniger als 100/150 cm bei normaler Länge des Dünndarms von ca. 3 m) noch nach der neuen Definition (Darmversagen nach ausgedehnter Resektion mit der Unfähigkeit wegen einer eingeschränkten resorptiven Fähigkeit des Darms, die Protein-, Energie-, Flüssigkeits- und Mikronährstoffbilanz mit einer konventionellen Diät aufrechtzuerhalten). Eine mittelschwere Pankreasinsuffizienz sei nicht gesichert, ebenso keine relevante toxische Polyneuropathie. Der Kläger befinde sich mit einem Gewicht von 82 kg und einer Größe von 180 cm mit einem BMI von 25,31 kg/Quadratmeter in einem sehr guten, beginnend überreichlichen Ernährungszustand und dies bei Normalkost. Außer in Bezug auf Vitamin B12, das substituiert werden müsse, gebe es keinerlei Hinweise auf eine Resorptionsstörung. Das Gewicht sei in den letzten drei Jahren vom Juli 2013 sogar um 9 kg angestiegen von damals 73,3 kg auf jetzt 82 kg. Im Vordergrund des Beschwerdebildes stehe die Durchfallneigung. Von fachärztlicher Seite sei eine cologene Diarrhoe diagnostiziert worden, da nach Ileozökalresektion die vor allem im Ileum stattfindende Resorption der Gallensäuren und auch des Vitamin B12 beeinträchtigt sei. Die cologene Diarrhoe könne sehr effektiv durch einen Gallensäurebinder (Cholestyramin) behandelt werden. Dies sei im Rahmen der Rehamaßnahme auch mit großem Erfolg geschehen. Im Rahmen der jetzigen Begutachtung habe der Kläger kein Gallensäure bindendes Präparat mehr angegeben. Es sei möglich, dass die nun erneut angegebene Häufung der Durchfälle mit der fehlenden Einnahme eines entsprechenden Präparats zusammenhänge. Außerdem würden die Durchfälle durch Nikotin und Alkohol verstärkt, der Kläger rauche auch jetzt noch 20 Zigaretten pro Tag. Zum Alkoholkonsum habe er zwar nur wenig angegeben, die Sonografie zeige aber eine leichte Vergrößerung der Leber, und die Gamma-GT sei auf über das Doppelte des Normwerts erhöht gewesen.

Daher sei ein GdB von 20 sachgerecht.

Der Sachverständige Dr. K. hat dazu in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.10.2016 ausgeführt, es seien die distale Hälfte des Ileums und die Ileozökalklappe entfernt worden. Allein dies könne schwere Diarrhoe und Malabsorption induzieren, auch wenn nur kürzere Dünndarmabschnitte entfernt worden seien. Daher sei von einem funktionellen Kurzdarmsyndrom auszugehen. Eine Korrektur der Behandlung sei nicht Gegenstand der Begutachtung. Die Behandlung der der Symptomatik zugrunde liegenden übermäßigen Ausscheidung von Gallensäuren, die möglicherweise eine Verminderung der Symptomatik bringen könnte, werde zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht durchgeführt. Als weiteres Kriterium liege eine Funktionsstörung des Afterschließmuskels vor.

Auf Antrag des Klägers hat das Gericht den Internisten und Gastroenterologen Dr. H. zum Sachverständigen ernannt, der in seinem Gutachten vom 17.07.2017 eine deutliche Verschlechterung in den letzten Monaten angenommen hat. Es lägen rezidivierende krampfartige abdominelle Schmerzzustände mit konsekutivem Anstieg der Stuhlfrequenz vor. Von einer stabilen und kompletten Remission könne nicht ausgegangen werden, zumindest liege eine milde Aktivität vor. Es könne zusätzlich ein Reizdarmsyndrom angenommen werden. Dr. H. hat für die chronisch entzündliche Darmerkrankung mit persistierender Analfistel und Folgekomplikationen sowie chronischer Diarrhoe einen GdB von 60 angesetzt, für ein Reizdarmsyndrom einen GdB von 40 und für deine dauerhafte Einschränkung der analen Kontinenz einen GdB von 50. Die Laktoseintoleranz spiele für den GdB keine Rolle, da der Patient sie durch sein Ernährungsverhalten gezielt beeinflussen könne. Den Gesamt-GdB hat er seit Mai 2015 mit 60 bemessen. Ein Protokoll über die Stuhlfrequenzen vom 01.05.2017 bis zum 11.05.2017 lag bei. Das Gewicht betrage 78,5 kg bei einer Körpergröße von 177 cm, was einem BMI von 25,22 entspreche (leichtes Übergewicht).

Der Kläger arbeite im Dienstleistungssektor in München. Die Arbeitszeit betrage im Durchschnitt 8 Stunden. Die Arbeit umfasse eine überwiegend sitzende Bürotätigkeit mit Mandantenkontakt. Der Kläger teile sich das Büro mit weiteren Mitarbeitern. Mit seinem Tätigkeitsbereich sei er sehr zufrieden. Allerdings reagiere er von seiner Grunderkrankung her sehr „empfindlich“ auf die intermittierend verstärkte Stressbelastung. Aufgrund der häufigen Stuhlfrequenz und bei verstärkter Flatulenz müsse er ca. 3 bis 5 mal täglich seinen Arbeitsplatz zusätzlich verlassen, er nutze dies aber auch für eine Zigarettenpause. Er pendele täglich eine Wegstrecke von einfach 80 km mit dem Auto. Um unterwegs schnell eine Toilette aufsuchen zu können, sei er mit einem speziellen Schlüssel versorgt, mit dem er spezielle Toiletten unterwegs öffnen könne.

Dr. V. erwiderte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.09.2017, gerade die neu erhobenen Befunde bestätigten den GdB von 20. Der Kräfte- und Ernährungszustand habe sich nicht verschlechtert. Die Befunde sprächen gegen entzündliche Darmaktivitäten, der Rektalbefund zeige eine reizlose Haut, was eindeutig gegen anhaltende häufige Durchfälle oder eine Stuhlinkontinenz spreche. Die Entzündungsparameter seien nicht erhöht. Die generellen Ausführungen zum möglichen Verlauf und prognostische Erwägungen seien nicht zielführend.

In der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2017 hat der Vorsitzende die Rücknahme des Bescheides vom 17.02.2016 angeregt. Den Beklagten seien die Befunde bereits seit mehreren Jahren, jedenfalls länger als zwei Jahre, bekannt gewesen.

Daraufhin gab der Beklagte in der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht am 26.10.2017 folgendes Teilanerkenntnis ab: Der Beklagte sagte zu, den Bescheid vom 17.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2016 zurückzunehmen. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, unter Abänderung des Bescheides vom 02.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2016 den Beklagten zu verurteilen, beim Kläger ab dem 06.05.2015 einen GdB von mindestens 50 festzustellen.

Das SG hat mit Urteil vom 26.10.2017 (Az. S 8 SB 116/16) die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Ein Anspruch auf Abänderung des Bescheides vom 21.07.2011 nach § 48 SGB X bestehe nicht, weil keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die für den Bescheid maßgeblich gewesen seien, eingetreten sei. Das Gericht hat sich der Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. K. angeschlossen. Schwere Auswirkungen des Morbus Crohn seien nicht vorhanden, weil sich auch unter Berücksichtigung des zum Kläger in der mündlichen Verhandlung mit aktuell 75 kg angegebenen Körpergewichts keine erhebliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes zeige. Außerdem habe der Sachverständige Dr. H. Mehrfachbewertungen derselben Einschränkungen vorgenommen.

Der Kläger hat gegen das Urteil des SG, das ihm am 06.11.2017 zugestellt worden ist, am 05.12.2017 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt.

Am 12.12.2017 hat der Beklagte einen Ausführungsbescheid bezüglich des Teilanerkenntnisses erlassen, mit dem er den Bescheid vom 17.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2016 zurückgenommen hat.

Zur Begründung seiner Berufung verweist der Kläger darauf, dass dem Sachverständigen Dr. H. bei der Bildung des Gesamt-GdB lediglich ein formaler Fehler unterlaufen sei, in der Sache seien seine Feststellungen jedoch zutreffend und rechtfertigten einen GdB von mindestens 50.

Das LSG hat mit Schreiben vom 15.03.2018 dem Kläger mitgeteilt, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen vorgesehen seien.

Mit Schreiben vom 21.03.2018, dem Kläger zugestellt am 23.03.2018, hat das LSG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 25.04.2018 bestimmt.

Mit Schreiben vom 29.03.2018 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers um Verlegung des Termins vom 25.04.2018 gebeten und mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ein Gutachten nach § 109 SGG zu beantragen.

Auf die Aufforderung des Gerichts hin, die Verhinderung glaubhaft zu machen, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine E-Mail-Korrespondenz vorgelegt, nach der am 20.03.2018 für den 25.04.2018 ein Hilfeplangespräch vereinbart wurde, allerdings noch unter dem Vorbehalt, dass in der Woche darauf der Termin mit der betroffenen Familie abgestimmt werden müsse.

Mit Schreiben vom 09.04.2018 hat das Gericht dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass die Terminsverlegung abgelehnt werde, da beim Prozessbevollmächtigten des Klägers kein Gerichtstermin, sondern ein frei vereinbarter Besprechungstermin bestehe, der im Übrigen zum Zeitpunkt des Zugangs der Ladung nur vorgemerkt gewesen sei, vorbehaltlich einer endgültigen Abstimmung mit der betroffenen Familie.

Mit Schreiben vom 10.04.2018 hat der Kläger die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG durch Prof. Dr. W., Direktor der Klinik G., Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie, beantragt. Sein Prozessbevollmächtigter hat diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2018 wiederholt und zusätzlich auf die Amtsermittlungspflicht nach § 106 SGG gestützt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26.10.2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 02.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei dem Kläger ab dem 06.05.2015 einen GdB von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 26.10.2017 die Klage abgewiesen.

Die unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide auf Feststellung eines GdB von 50 ab dem Tag der Stellung des Verschlimmerungsantrags vom 06.05.2015 bezogene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG statthaft und zulässig.

Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil sich im Zeitraum seit der Stellung des Verschlimmerungsantrags vom 06.05.2015 bis zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung kein GdB von 50 und damit keine wesentliche Veränderung der für die Feststellung eines GdB von 40 durch Bescheid vom 21.07.2011 maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X feststellen lässt.

Gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der seit dem 01.01.2018 geltenden Fassung stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB oder gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird. Menschen mit Behinderungen sind gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können; eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).

Die gleiche Regelung wie jetzt in § 152 Abs. 1 SGB IX fand sich in § 69 der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung des SGB IX. Dabei waren mit Wirkung vom 30.12.2016 die Worte „zum Zeitpunkt der Antragstellung“ in Absatz 1 Satz 1 eingefügt worden. Der Absatz 1 Satz 2 betreffend die rückwirkende Feststellung für Zeiten vor Antragstellung war ebenfalls mit Wirkung vom 30.12.2016 eingefügt worden. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung waren Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abwichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt war.

Nach § 153 Abs. 2 SGB IX - bis 31.12.2017: § 70 Abs. 2 SGB IX in der ab 15.01.2015 geltenden Fassung (Gesetz vom 07.01.2015, BGBl. II S. 15) - wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden, indes bestimmt § 241 Abs. 5 SGB IX - wie bis zum 31.12.2017 bereits § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab 15.01.2015 geltenden Fassung -, dass - soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX (vormals § 70 Abs. 2 SGB IX) erlassen ist - die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab 01.07.2011 (BGBl. I S. 2904) erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Bis zum 14.01.2015 war ein entsprechender Verweis in § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX enthalten. Durch diesen Verweis gelten entsprechend die Maßstäbe der am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), insbesondere die als Anlage zu

§ 2 VersMedV erlassenen „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ (VG). In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Bis zum 31.12.2008 waren dagegen die Anhaltspunkte für die Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (nachfolgend: Anhaltspunkte - AHP) maßgeblich, bei denen es sich nach der Rechtsprechung um antizipierte Sachverständigengutachten mit normähnlicher Wirkung handelte (aus der umfangreichen Rspr. siehe nur BSG, Urteil vom 18.09.2003 - Az. B 9 SB 3/02 R - Rdnr. 21 bei juris = BSGE 91, 205 und BSG, Urteil vom 24.04.2008 - Az. B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 9, Rdnr. 25). Die Versorgungsmedizin-Verordnung ist mit den Anhaltspunkten weitgehend inhaltlich identisch; ihr Erlass sollte nur das rechtsstaatliche Defizit beseitigen, das den Anhaltspunkten, die keine Rechtsnorm im formellen Sinne darstellten, anhaftete. Soweit sich aus den Anhaltspunkten gegenüber der Versorgungsmedizin-Verordnung keine Besonderheiten ergeben, wird daher im Folgenden ausschließlich Letztere zitiert, auch soweit Zeitabschnitte vor dem 01.01.2009 betroffen sein sollten. Das BSG verweist bezüglich der rechtlichen Beurteilung der als Anlage zur VersorgMedV erlassenen versorgungsmedizinischen Grundsätze auf seine Rechtsprechung zu den Anhaltspunkten und schreibt ihnen die gleiche rechtliche Wirkung wie den Anhaltspunkten zu (BSG, Urteil vom 17.04.2013 - Az. B 9 SB 3/12 R - Rdnr. 28).

Im vorliegenden Fall ist ein GdB lediglich für ein Funktionssystem zu bilden, nämlich für das Funktionssystem Verdauung (Teil A Nr. 2 Buchst. e VG). Andere Funktionssysteme sind nicht betroffen, insbesondere liegt die Funktionsbehinderung des Hüftgelenks im Bereich eines Einzel-GdB von unter 10 und spielt deshalb für die Bildung des Gesamt-GdB keine Rolle, wie der Sachverständige Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.06.2016 festgestellt hat.

Nach Teil B Nr. 10.2.2 VG sind chronische Darmstörungen (irritabler Darm, Divertikulose, Divertikulitis, Darmteilresektion) wie folgt zu bewerten:

* ohne wesentliche Beschwerden und Auswirkungen mit einem GdB von 0 bis 10

* mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (zum Beispiel Durchfälle, Spasmen) mit einem GdB von 20 bis 30 und

* mit erheblicher Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes mit einem GdB von 40 bis 50.

Nach derselben Position der VG ist eine Colitis ulcerosa oder Crohn-Krankheit zu bewerten

* mit geringer Auswirkung (geringe Beschwerden, keine oder geringe Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, selten Durchfälle) mit einem GdB von 10 bis 20,

* mit mittelschwerer Auswirkung (häufig rezidivierende oder länger anhaltende Beschwerden, geringe bis mittelschwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufiger Durchfälle) mit einem GdB von 30 bis 40

* mit schwerer Auswirkung (anhaltende oder häufig rezidivierende erhebliche Beschwerden, erhebliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige, tägliche, auch nächtliche Durchfälle) mit einem GdB von 50 bis 60 und

* mit schwerster Auswirkung (anhaltende oder häufig rezidivierende oder anhaltende schwere Beschwerden, schwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, ausgeprägte Anämie) mit einem GdB von 70 bis 80.

Fisteln, Stenosen, postoperative Folgezustände (zum Beispiel Kurzdarmsyndrom, Stoma-Komplikationen), extraintestinale Manifestationen (zum Beispiel Arthritiden), bei Kindern auch Wachstums- und Entwicklungsstörungen, sind zusätzlich zu bewerten.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Maßstäbe kann ein GdB von 50 nicht anerkannt werden.

Ausschlaggebend hierfür ist der Umstand, dass eine Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes nicht vorliegt, vielmehr der Kräfte- und Ernährungszustand als gut zu bezeichnen ist. Substituiert werden muss lediglich das Vitamin B12. Ansonsten bewegte sich das Gewicht des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum im Bereich des Normal- oder sogar leichten Übergewichts, bei der Untersuchung durch Dr. K. sogar bei 82 kg - seit der letzten Untersuchung im Juli 2013 war bei Normalkost das Gewicht um 9 kg angestiegen. Bei der Untersuchung durch Dr. H. zu dessen Gutachten vom 17.07.2017 betrug das Gewicht dann noch 78,5 kg bei einer Körpergröße von 177 cm. Der Morbus Crohn ist seit Jahren inaktiv. Damit liegt keine erhebliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes vor, die bei chronischen Darmstörungen einen GdB von 40 bis 50 oder bei Morbus Crohn wegen schwerer Auswirkung einen GdB von 50 bis 60 rechtfertigen würde.

Die GdBrelevanten Beschwerden des Klägers liegen in den persistierenden Durchfällen, die im Durchschnitt dreimal täglich, zu Spitzenzeiten bis zu siebenmal täglich, aber auch unter ausreichender Behandlung nur einmal täglich auftreten können, und teilweise mit Analspasmen und Schmerzen im Analbereich, einer leichten Inkontinenz sowie einem Analekzem verbunden sind. Die Ursachen dieser Durchfälle sind unklar. Ein Kurzdarmsyndrom im eigentlichen Sinne liegt nicht vor, und zwar nach den Ausführungen von Dr. L. in ihrer Stellungnahme vom 02.09.2016 weder nach der alten Definition (restliche Dünndarmlänge weniger als 100/150 cm bei normaler Länge des Dünndarms von ca. 3 m) noch nach der neuen Definition (Darmversagen nach ausgedehnter Resektion mit der Unfähigkeit wegen einer eingeschränkten resorptiven Fähigkeit des Darms, die Protein-, Energie-, Flüssigkeits- und Mikronährstoffbilanz mit einer konventionellen Diät aufrechtzuerhalten). Dr. K. sieht die Ursache in der Entfernung der unteren Hälfte des Ileums sowie der Bauhin-Klappe. Diskutiert wird weiter ein Gallensäureverlustsyndrom, das möglicherweise durch einen Gallensäurebinder effektiv behandelbar wäre. Ebenso kommt eine Laktoseintoleranz in Betracht, die auch diätetisch behandelbar wäre. Ebenso wird der hohe Konsum von Zigaretten sowie der - vom Kläger bestrittene, aber aufgrund der festgestellten Veränderungen der Leber vermutete - erhöhte Konsum von Alkohol als Ursache diskutiert. Eine Pankreasinsuffizienz wurde lediglich als spekulative Ursache benannt. Letztlich kommt es für die Bewertung des GdB nicht auf die Ursache und die Behandelbarkeit an, sondern auf die tatsächlichen Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Kläger trotz der täglichen Durchfälle in der Lage ist, sowohl ein anstrengendes Berufsleben mit einer einfachen Pendelstrecke von 80 km sowie ständigen Mandantenkontakten als auch sein Familienleben zu meistern, auch wenn er sich gedanklich ständig mit der Frage, wo er die Möglichkeit hat, eine Toilette aufzusuchen, beschäftigen muss. Diese Beeinträchtigung ist sicher erheblich, sie erreicht jedoch nicht das Ausmaß, das erforderlich ist, um eine Schwerbehinderung mit einem GdB von 50 zu rechtfertigen. Wir befinden uns hier allenfalls im Bereich der mittelschweren Auswirkungen des Morbus Crohn, die in den versorgungsmedizinischen Grundsätzen beispielhaft umschrieben werden mit häufig rezidivierenden oder länger anhaltenden Beschwerden, einer geringen bis mittelschweren Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes und häufigen Durchfällen. Vor dem Hintergrund, dass eine Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes nicht vorliegt, ist der Kläger mit dem Höchstwert von 40 für diesen Bereich hoch eingestuft. Diese hohe Einstufung ist, wenn überhaupt, dann nur wegen des gleichzeitig vorliegenden Analspasmus und Analekzems gerechtfertigt.

Dem Antrag des Klägers vom 10.04.2018, Prof. Dr. W. nach § 109 SGG als Sachverständigen zu hören, brauchte der Senat nicht nachzukommen. Der Anspruch des Klägers auf gutachterliche Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 SGG ist bereits durch die erstinstanzliche Einholung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. H. vom 07.07.2017 erfüllt worden. Einem wiederholenden Antrag auf Anhörung von Ärzten muss nur unter besonderen Umständen gefolgt werden, insbesondere muss nach Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG in erster Instanz nicht erneut ein Gutachten in zweiter Instanz eingeholt werden, wenn nicht besondere Gründe gegeben sind (Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. A. 2017, § 109 Rdnrn. 10b und 11b). Ein besonderer Grund für die Anhörung mehrerer Ärzte kann darin liegen, dass es sich jeweils um Spezialisten handelt, wobei jeder für sein Sachgebiet Stellung nehmen soll. Sind für einzelne Gesundheitsstörungen mehrere Facharztgruppen zuständig, kann aber nicht pauschal vorgebracht werden, ein Vertreter der Facharztgruppe, zu der der jetzt gewählte Gutachter gehört, verfüge über eine größere Sachkunde; vielmehr muss im Einzelfall dargetan werden, warum der neue Gutachter in dem konkreten Fall wesentliche zusätzliche Aspekte aufzeigen kann. Bei verwandten Fachrichtungen (zum Beispiel Chirurgie/Orthopädie; auch Psychotherapie/Psychosomatik) besteht in der Regel kein Grund für ein weiteres Gutachten. Im vorliegenden Fall wurde in der ersten Instanz mit Dr. H. auf Antrag des Klägers ein Gastroenterologe zum Gutachter bestellt. Der jetzt benannte Prof. Dr. W. ist Viszeralchirurg. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwieweit ein Viszeralchirurg wesentliche zusätzliche Aspekte über das gastroenterologische Gutachten hinaus aufzeigen kann. Vielmehr liegen die zu beurteilenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf gastroenterologischem Gebiet. Insoweit sind wesentliche neue Aspekte durch die Begutachtung durch einen Viszeralchirurg nicht zu erwarten. Es handelt sich um verwandte Fachrichtungen, vergleichbar den Fachgebieten Chirurgie und Orthopädie.

Auch von Amts wegen nach § 106 SGG brauchte der Senat kein weiteres Gutachten einzuholen. Der Sachverhalt war aufgrund der Gutachten der Sachverständigen Dr. K. und Dr. H. hinreichend geklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 48 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse


(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 45 Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen de

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 30


(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereich

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 69 Kontinuität der Bemessungsgrundlage


Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnun

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 106


(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlich

Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV | § 2 Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“


Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung#F1_771649als deren Bestandteil festgelegt.

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 152 Feststellung der Behinderung, Ausweise


(1) Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. Auf Antrag kann festgestel

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 159 Mehrfachanrechnung


(1) Die Bundesagentur für Arbeit kann die Anrechnung eines schwerbehinderten Menschen, besonders eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 155 Absatz 1 auf mehr als einen Pflichtarbeitsplatz, höchstens drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehind

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 70 Anpassung der Entgeltersatzleistungen


(1) Die Berechnungsgrundlage, die dem Krankengeld, dem Versorgungskrankengeld, dem Verletztengeld und dem Übergangsgeld zugrunde liegt, wird jeweils nach Ablauf eines Jahres ab dem Ende des Bemessungszeitraums an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentg

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 153 Verordnungsermächtigung


(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften über die Gestaltung der Ausweise, ihre Gültigkeit und das Verwaltungsverfahren zu erlassen. (2) Das Bundesministerium für Arbeit un

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 241 Übergangsregelung


(1) Abweichend von § 154 Absatz 1 beträgt die Pflichtquote für die in § 154 Absatz 2 Nummer 1 und 4 genannten öffentlichen Arbeitgeber des Bundes weiterhin 6 Prozent, wenn sie am 31. Oktober 1999 auf mindestens 6 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehin

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Apr. 2018 - L 2 SB 199/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundessozialgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - B 9 SB 3/12 R

bei uns veröffentlicht am 17.04.2013

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. April 2012 wird zurückgewiesen.
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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 07. Sept. 2018 - 1 M 104/18

bei uns veröffentlicht am 07.09.2018

Gründe 1 1. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 1. August 2018 ist begründet. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 A

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(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein Grad der Behinderung oder gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird. Beantragt eine erwerbstätige Person die Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch (§ 2 Absatz 2), gelten die in § 14 Absatz 2 Satz 2 und 3 sowie § 17 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 genannten Fristen sowie § 60 Absatz 1 des Ersten Buches entsprechend. Das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das Zehnte Buch Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt. Durch Landesrecht kann die Zuständigkeit abweichend von Satz 1 geregelt werden.

(2) Feststellungen nach Absatz 1 sind nicht zu treffen, wenn eine Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer auf ihr beruhenden Erwerbsminderung schon in einem Rentenbescheid, einer entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung oder einer vorläufigen Bescheinigung der für diese Entscheidungen zuständigen Dienststellen getroffen worden ist, es sei denn, dass der behinderte Mensch ein Interesse an anderweitiger Feststellung nach Absatz 1 glaubhaft macht. Eine Feststellung nach Satz 1 gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung.

(3) Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Für diese Entscheidung gilt Absatz 1, es sei denn, dass in einer Entscheidung nach Absatz 2 eine Gesamtbeurteilung bereits getroffen worden ist.

(4) Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1.

(5) Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie im Falle des Absatzes 4 über weitere gesundheitliche Merkmale aus. Der Ausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach diesem Teil oder nach anderen Vorschriften zustehen. Die Gültigkeitsdauer des Ausweises soll befristet werden. Er wird eingezogen, sobald der gesetzliche Schutz schwerbehinderter Menschen erloschen ist. Der Ausweis wird berichtigt, sobald eine Neufeststellung unanfechtbar geworden ist.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein Grad der Behinderung oder gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird. Beantragt eine erwerbstätige Person die Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch (§ 2 Absatz 2), gelten die in § 14 Absatz 2 Satz 2 und 3 sowie § 17 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 genannten Fristen sowie § 60 Absatz 1 des Ersten Buches entsprechend. Das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das Zehnte Buch Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt. Durch Landesrecht kann die Zuständigkeit abweichend von Satz 1 geregelt werden.

(2) Feststellungen nach Absatz 1 sind nicht zu treffen, wenn eine Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer auf ihr beruhenden Erwerbsminderung schon in einem Rentenbescheid, einer entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung oder einer vorläufigen Bescheinigung der für diese Entscheidungen zuständigen Dienststellen getroffen worden ist, es sei denn, dass der behinderte Mensch ein Interesse an anderweitiger Feststellung nach Absatz 1 glaubhaft macht. Eine Feststellung nach Satz 1 gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung.

(3) Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Für diese Entscheidung gilt Absatz 1, es sei denn, dass in einer Entscheidung nach Absatz 2 eine Gesamtbeurteilung bereits getroffen worden ist.

(4) Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1.

(5) Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie im Falle des Absatzes 4 über weitere gesundheitliche Merkmale aus. Der Ausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach diesem Teil oder nach anderen Vorschriften zustehen. Die Gültigkeitsdauer des Ausweises soll befristet werden. Er wird eingezogen, sobald der gesetzliche Schutz schwerbehinderter Menschen erloschen ist. Der Ausweis wird berichtigt, sobald eine Neufeststellung unanfechtbar geworden ist.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften über die Gestaltung der Ausweise, ihre Gültigkeit und das Verwaltungsverfahren zu erlassen.

(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind.

(1) Die Berechnungsgrundlage, die dem Krankengeld, dem Versorgungskrankengeld, dem Verletztengeld und dem Übergangsgeld zugrunde liegt, wird jeweils nach Ablauf eines Jahres ab dem Ende des Bemessungszeitraums an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst und zwar entsprechend der Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 Satz 1 des Sechsten Buches) vom vorvergangenen zum vergangenen Kalenderjahr.

(2) Der Anpassungsfaktor wird errechnet, indem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer für das vergangene Kalenderjahr durch die entsprechenden Bruttolöhne und -gehälter für das vorvergangene Kalenderjahr geteilt werden; § 68 Absatz 7 und § 121 Absatz 1 des Sechsten Buches gelten entsprechend.

(3) Eine Anpassung nach Absatz 1 erfolgt, wenn der nach Absatz 2 berechnete Anpassungsfaktor den Wert 1,0000 überschreitet.

(4) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt jeweils zum 30. Juni eines Kalenderjahres den Anpassungsfaktor, der für die folgenden zwölf Monate maßgebend ist, im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Abweichend von § 154 Absatz 1 beträgt die Pflichtquote für die in § 154 Absatz 2 Nummer 1 und 4 genannten öffentlichen Arbeitgeber des Bundes weiterhin 6 Prozent, wenn sie am 31. Oktober 1999 auf mindestens 6 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigt hatten.

(2) Eine auf Grund des Schwerbehindertengesetzes getroffene bindende Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung, eines Grades der Behinderung und das Vorliegen weiterer gesundheitlicher Merkmale gelten als Feststellungen nach diesem Buch.

(3) Die nach § 56 Absatz 2 des Schwerbehindertengesetzes erlassenen allgemeinen Richtlinien sind bis zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 224 weiter anzuwenden, auch auf Inklusionsbetriebe.

(4) Auf Erstattungen nach Kapitel 13 dieses Teils ist § 231 für bis zum 31. Dezember 2004 entstandene Fahrgeldausfälle in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden.

(5) Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Absatz 2 erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes und der auf Grund des § 30 Absatz 16 des Bundesversorgungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend.

(6) Bestehende Integrationsvereinbarungen im Sinne des § 83 in der bis zum 30. Dezember 2016 geltenden Fassung gelten als Inklusionsvereinbarungen fort.

(7) Die nach § 22 in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung bis zu diesem Zeitpunkt errichteten gemeinsamen Servicestellen bestehen längstens bis zum 31. Dezember 2018. Für die Aufgaben der nach Satz 1 im Jahr 2018 bestehenden gemeinsamen Servicestellen gilt § 22 in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung entsprechend.

(8) Bis zum 31. Dezember 2019 treten an die Stelle der Träger der Eingliederungshilfe als Rehabilitationsträger im Sinne dieses Buches die Träger der Sozialhilfe nach § 3 des Zwölften Buches, soweit sie zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach § 8 Nummer 4 des Zwölften Buches bestimmt sind.

(9) § 221 Absatz 2 Satz 1 ist mit folgender Maßgabe anzuwenden:

1.
Ab dem 1. August 2019 beträgt der Grundbetrag mindestens 80 Euro monatlich.
2.
Ab dem 1. Januar 2020 beträgt der Grundbetrag mindestens 89 Euro monatlich.
3.
Ab dem 1. Januar 2021 beträgt der Grundbetrag mindestens 99 Euro monatlich.
4.
Ab dem 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 beträgt der Grundbetrag mindestens 109 Euro monatlich.

(1) Die Bundesagentur für Arbeit kann die Anrechnung eines schwerbehinderten Menschen, besonders eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 155 Absatz 1 auf mehr als einen Pflichtarbeitsplatz, höchstens drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zulassen, wenn dessen Teilhabe am Arbeitsleben auf besondere Schwierigkeiten stößt. Satz 1 gilt auch für schwerbehinderte Menschen im Anschluss an eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen und für teilzeitbeschäftigte schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 158 Absatz 2.

(2) Ein schwerbehinderter Mensch, der beruflich ausgebildet wird, wird auf zwei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet. Satz 1 gilt auch während der Zeit einer Ausbildung im Sinne des § 51 Absatz 2, die in einem Betrieb oder einer Dienststelle durchgeführt wird. Die Bundesagentur für Arbeit kann die Anrechnung auf drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zulassen, wenn die Vermittlung in eine berufliche Ausbildungsstelle wegen Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt. Bei Übernahme in ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis durch den ausbildenden oder einen anderen Arbeitgeber im Anschluss an eine abgeschlossene Ausbildung wird der schwerbehinderte Mensch im ersten Jahr der Beschäftigung auf zwei Pflichtarbeitsplätze angerechnet; Absatz 1 bleibt unberührt.

(3) Bescheide über die Anrechnung eines schwerbehinderten Menschen auf mehr als drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen, die vor dem 1. August 1986 erlassen worden sind, gelten fort.

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften über die Gestaltung der Ausweise, ihre Gültigkeit und das Verwaltungsverfahren zu erlassen.

(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind.

(1) Die Berechnungsgrundlage, die dem Krankengeld, dem Versorgungskrankengeld, dem Verletztengeld und dem Übergangsgeld zugrunde liegt, wird jeweils nach Ablauf eines Jahres ab dem Ende des Bemessungszeitraums an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst und zwar entsprechend der Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 Satz 1 des Sechsten Buches) vom vorvergangenen zum vergangenen Kalenderjahr.

(2) Der Anpassungsfaktor wird errechnet, indem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer für das vergangene Kalenderjahr durch die entsprechenden Bruttolöhne und -gehälter für das vorvergangene Kalenderjahr geteilt werden; § 68 Absatz 7 und § 121 Absatz 1 des Sechsten Buches gelten entsprechend.

(3) Eine Anpassung nach Absatz 1 erfolgt, wenn der nach Absatz 2 berechnete Anpassungsfaktor den Wert 1,0000 überschreitet.

(4) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt jeweils zum 30. Juni eines Kalenderjahres den Anpassungsfaktor, der für die folgenden zwölf Monate maßgebend ist, im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. April 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Schwerbehindertenrecht hat.

2

Mit Bescheid vom 4.12.1998 stellte das beklagte Land bei dem 1972 geborenen Kläger wegen der Funktionsbeeinträchtigung Diabetes mellitus einen GdB von 40 fest. Auf den Änderungsantrag vom 19.11.2004 lehnte der Beklagte nach Beiziehung von Befundberichten und versorgungsärztlichen Stellungnahmen mit Bescheid vom 24.5.2005 die Feststellung eines höheren GdB ab, weil die Nephropathie sowie die Blutdruckbeschwerden des Klägers keinen Einzel-GdB und die Diabetes mellitus-Erkrankung keinen höheren GdB als 40 bedingten. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005).

3

Die auf Feststellung eines GdB von 50 gerichtete Klage ist durch Urteil des Sozialgerichts (SG) Halle vom 24.3.2006 abgewiesen worden. In den Entscheidungsgründen heißt es: Bei dem Kläger seien die Voraussetzungen für einen GdB von 50 nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) nicht erfüllt, weil es an den dort geforderten ausgeprägten Hypoglykämien bei Diabetes mellitus fehle. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung Folgewirkungen von ausgeprägten Hypoglykämien nicht benennen können und sich bei Arbeitsfähigkeit in gutem Ernährungs- und Allgemeinzustand befunden. Das Blutdruckleiden sei unter Therapie ohne Befund, Folgeerkrankungen seien nicht bekannt. Bei der im Bericht des A. Kreiskrankenhauses W. vom 7.1.2005 diagnostizierten beginnenden diabetischen Nephropathie handele es sich lediglich um eine Auswertung von Laborbefunden. Eine tatsächliche Beeinträchtigung der Nierenfunktion im Sinne der AHP könne daraus nicht gefolgert werden. Die beim Kläger bestehende Spritzenphobie könne nicht anerkannt werden, weil bei diesem die Insulingabe durch eine Insulinpumpe erfolge. Zwar seien einige Blutzuckerwerte grenzwertig, eine ständige Entgleisung der Werte lasse sich jedoch aus den Unterlagen nicht entnehmen.

4

In dem danach vom Kläger veranlassten Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) Befundberichte von Dr. S., Krankenhaus am R. GmbH in S., vom 19.12.2006 und von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. M. vom 14.5.2007 eingeholt. Mit Beschluss vom 7.8.2007 hat das LSG das Ruhen des Verfahrens angeordnet und auf Antrag des Klägers am 8.12.2010 wieder aufgenommen. Sodann hat das LSG weitere Befundberichte des Dipl.-Med. M. vom 20.2.2011 und der Fachärztin für Innere Medizin/Diabetologie W. vom 6.4.2011 beigezogen. Ferner hat das LSG eine vom Beklagten vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahme der Dr. W. vom 2.5.2011 zu den Akten genommen, die eine vom Kläger vorgelegte CD-ROM mit den darauf abgespeicherten Blutzuckertagebüchern (120 Seiten) ausgewertet hat. Nach einer persönlichen Befragung des Klägers im Erörterungstermin vom 13.7.2011 hat das LSG mit Urteil vom 26.4.2012 die Berufung zurückgewiesen. Seine Entscheidung hat es auf folgende Erwägungen gestützt:

5

Der Kläger sei durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt, da der festgestellte GdB von 40 im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für eine Neufeststellung nach § 48 Abs 1 SGB X rechtmäßig sei. Rechtsgrundlage für die Beurteilung des GdB seien § 69 Abs 1 und Abs 3 SGB IX sowie die Versorgungsmedizinischen Grundsätze in der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (AnlVersMedV) vom 10.12.2008. Das zentrale Leiden des Klägers betreffe das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und werde durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus geprägt. Auf der Grundlage der auch für die Zeit vor ihrem Inkrafttreten zu berücksichtigenden Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 ergebe sich bei dem Kläger ein GdB von 40. Demgegenüber setzte ein GdB von 50 mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbstständiges Anpassen der Insulindosis sowie gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung voraus. Insoweit sei neben dem eigentlichen Therapieaufwand durch die notwendigen Insulininjektionen und die jeweilige Dosisanpassung eine zusätzliche Wertung erforderlich, ob aufgrund eingetretener weiterer Begleitfolgen der Erkrankung gravierende Einschnitte in der Lebensführung vorlägen. Der Therapieaufwand von vier Insulininjektionen pro Tag und eine notwendige Insulinanpassung mittels einer Insulinpumpe seien für sich genommen mit einer erheblichen Teilhabeeinschränkung nicht ohne Weiteres gleichzusetzen. Vergleiche man die Teilhabebeeinträchtigungen für einen GdB von 50 bei einer Colitis ulcerosa, einer Lungenerkrankung, einer psychischen Erkrankung oder einer Herzerkrankung, die häufig auch eine teilweise oder vollständige Erwerbsunfähigkeit nach sich zögen, könne das Merkmal "gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung" nicht ausschließlich therapiebezogen verstanden werden. Daher seien die Stoffwechsellage und die konkreten krankheitsbedingten Auswirkungen bei der Teilhabeeinschränkung zu berücksichtigen.

6

Dieses Maß der Beeinträchtigung erreiche der Kläger nicht. Es fehlten erhebliche Einschnitte, die so gravierend auf seine Lebensführung einwirkten, dass die Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden könne. Der Kläger werde trotz des seine Lebensführung einschränkenden Therapieaufwandes nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in seiner Leistungsfähigkeit und damit in seiner Teilhabefähigkeit am Leben erheblich beeinträchtigt. Es komme zwar zu hypoglykämischen Zuständen, nicht jedoch zu einem hypoglykämischen Schock. Fremdhilfe sei bisher nicht erforderlich gewesen. Es sei eine gute, wenn auch nicht optimale Einstellung gelungen. Der Kläger sei seit Februar 2005 mit einer Insulinpumpe versorgt, mit der er die häufiger auftretenden Hypoglykämien sehr gut ausgleiche, ohne dass Bewusstseinseinschränkungen einträten. Die laut CD-ROM aus der Insulinpumpe ausgelesenen Werte lägen entsprechend den Berichten der behandelnden Ärzte weder in einem besonders niedrigen noch in einem überhöhten Bereich. Dies bestätigten auch die eigenen Angaben des Klägers in der öffentlichen Sitzung des SG vom 24.3.2006 sowie in der nichtöffentlichen Sitzung des LSG vom 13.7.2011. Danach sei es seit 2003 nicht zu schweren Hypoglykämien gekommen, der Kläger benötige vier bis fünf Insulindosen am Tag, die über die Insulinpumpe abgegeben würden. Er müsse alle drei Tage das Reservoir für die Insulinpumpe wechseln.

7

Soweit der Kläger angegeben habe, es werde ihm bei der Arbeit teilweise schwindelig, wenn er sich auf Rohrbrücken befinde oder Treppen schnell hoch und runter laufe, folge hieraus keine andere Bewertung. Solche Zustände seien zum einen nicht ungewöhnlich, zum anderen folge hieraus keine behandlungsbedürftige schwere Auswirkung des Diabetes mellitus. Dass der Kläger die Insulinpumpe ablegen und anschließend wieder neu aktivieren müsse, wenn er zB mit Freunden baden gehe, erschwere zwar die Teilhabe an dieser Freizeitmöglichkeit. Es bleibe ihm jedoch mit einem gewissen zusätzlichen zeitlichen Aufwand möglich, diese Freizeitaktivitäten ebenfalls wahrzunehmen. Die Insulinpumpe als solche habe bei dem Kläger nach der Bewertung seiner Ärzte zu einer wesentlichen Verbesserung der gesundheitlichen Situation beigetragen. Dass bei deren Handhabung während des alltäglichen Lebens gegenüber einem Zuckerkranken, der über Insulinspritzen ausgleiche, andere Schwierigkeiten aufträten, begründe keine Einschränkungen, die einen GdB von 50 bedingten. Dies gelte auch für das besondere Zeiterfordernis bei der Zubereitung von Mahlzeiten. Der Kläger sei nach eigenen Angaben während eines Drittels seiner vollschichtigen Arbeitszeit im gesamten Betriebsgelände unterwegs, ua auf Rohrbrücken und vielen Treppen. Die von ihm angegebenen Nachteile durch seine Stoffwechselerkrankung, die er auch in seinem letzten Schriftsatz vom 25.4.2012 in Form einer stichwortartigen Übersicht dargelegt habe, seien zwar einschränkend und belastend, jedoch nicht gravierend im Sinne der VersMedV. Wesentliche Folgeschäden und beachtliche Mobilitätseinschränkungen seien noch nicht eingetreten.

8

Aus den weiteren Erkrankungen folgten keine Funktionsbeeinträchtigungen, die einen GdB von mehr als 10 bedingten, sodass eine Erhöhung des Gesamt-GdB nicht in Betracht komme. Die beginnende Nephropathie begründe derzeit keine Einschränkungen, bei der Hypertonie handele es sich um eine leichte Form mit keiner oder geringer Leistungsbeeinträchtigung, die medikamentös kontrolliert werden könne.

9

Mit seiner - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

10

Materiell-rechtlich habe das LSG § 69 Abs 1 und 3 SGB IX verletzt. Das LSG habe die vom Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - aufgestellten Grundsätze missachtet, was zu einer Fehlerhaftigkeit der gesamten Entscheidung führe. Denn das LSG habe seiner Entscheidung allein die VersMedV in der ab dem 22.7.2010 geltenden Fassung (nF) zugrunde gelegt, obwohl auch die Höhe des GdB in dem Zeitraum vom 19.11.2004 bis zum 21.7.2010 streitig sei. Für diesen Zeitraum sei die vorläufige Neufassung der Nr 26.15 AHP unter Beachtung der im Urteil des BSG vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - dargelegten Grundsätze rückwirkend auf Sachverhalte anzuwenden, die vor deren Einführung durch das Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 22.9.2008 lägen (BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R -). Danach sei für die Feststellung des GdB neben der Einstellungsqualität auch der Therapieaufwand zu beurteilen, soweit er sich auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirke. Entsprechende Sachverhaltsermittlungen hierzu habe das LSG nicht angestellt.

11

Auf der Grundlage der durchgeführten Ermittlungen habe das LSG den GdB unzutreffend beurteilt. Die dem Bescheid vom 4.12.1998 zugrunde liegenden Funktionseinschränkungen aufgrund des Diabetes mellitus Typ I hätten sich wesentlich geändert, weil bereits der unmittelbare Therapieaufwand erheblich sei. Die instabile Blutzuckerstoffwechsellage mit häufigen stärkeren Hyper- und Hypoglykämien habe den Einsatz einer Insulinpumpentherapie erforderlich gemacht. Dies bedinge einen hohen Therapieaufwand, um eine akzeptable Stoffwechsellage zu erreichen. Gleiches gelte insbesondere für die zeitweise durchgeführte intensivierte Insulintherapie mit einem erforderlichen hohen Maß an Selbstmanagement bei der Berücksichtigung der Kohlenhydrataufnahme aufgrund der Zusammensetzung der jeweiligen Mahlzeiten unter Berücksichtigung von Fetten und Proteinen. Gerade seine hohe Disziplin und vorausschauende Planung sowie seine bewusste Lebensführung führten dazu, dass die Folgen des Diabetes mellitus ohne schwere Hypoglykämien geblieben seien. Dies könne ihm nicht zum Nachteil gereichen.

12

Völlig unberücksichtigt gelassen habe das LSG den Umstand, dass seine Bauchspeicheldrüse auf Dauer durch den Diabetes mellitus irreparabel geschädigt werde und mittlerweile ein Dawn-Phänomen vorliege, welches zwischen drei Uhr und acht Uhr morgens auftrete und eine strengere Überwachung der Insulinpumpentherapie erforderlich mache. Bei der Berücksichtigung von Mobilitätseinschränkungen stelle das LSG unrichtigerweise nur auf die Gehfähigkeit und nicht auch auf die Schwindelanfälle ab, die durch Insulinmangel, wie er bei einer Insulinpumpentherapie entstehen könne, einträten. Zudem habe das LSG die Auswirkungen des Diabetes mellitus auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an Behinderungen, wie zB einer chronischen Darmerkrankung Colitis ulcerosa, gemessen, die mit seiner Erkrankung nicht vergleichbar seien.

13

Für die Zeit ab dem 22.7.2010 habe das LSG zwar richtigerweise Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV nF zugrunde gelegt. Das LSG missverstehe jedoch die im vorliegenden Fall einschlägige Variante der Nr 15.1, nach der der GdB 50 betrage. Diese Variante beinhalte den Therapieaufwand, der mit täglich mindestens vier Insulininjektionen angegeben werde, und die Insulindosis, die in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der jeweils folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig zu variieren sei. Hier habe der Verordnungsgeber aufgrund des Therapieaufwandes von vornherein vorausgesetzt, dass gerade diese Fallgruppe mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt und der GdB mit 50 festzusetzen sei. Entgegen der Auffassung des LSG bedürfe es nicht zusätzlich noch weiterer, erheblicher Einschnitte in die Lebensführung.

14

Die Intensität der Einschnitte in die Lebensführung und der damit verbundenen nachteiligen Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sei davon abhängig, ob der Therapieaufwand aus medizinischen Gründen nach Ort, Zeit oder Art und Weise festgelegt sei, mit einem Vernachlässigen der Maßnahmen gravierende gesundheitliche Folgen einhergingen oder die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in anderen Lebensbereichen wegen des zeitlichen Umfangs der Therapie erheblich beeinträchtigt werde. Hierzu fehlten ausreichende Feststellungen insbesondere zu den therapiebedingten Einschränkungen in der Lebensführung bzw bei der Gestaltung des Tagesablaufs. Hier habe das LSG nicht berücksichtigt, dass Unterzuckerungen erhebliche Beeinträchtigungen des Kräfte- und Geisteszustandes bedingten. Gerade bei der Insulinpumpentherapie, die keine Insulindepots schaffe, leide er teilweise tagelang an diesen Beeinträchtigungen. Die somit erforderliche sorgfältige Planung des Tagesablaufs schränke ihn in seiner Mobilität im Straßenverkehr sowie bei der Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen und bei der Berufsausübung ein. Schließlich habe sich das LSG auch insoweit nicht mit der VersMedV nF ausreichend auseinandergesetzt, als außergewöhnlich schwer zu regulierende Stoffwechsellagen höhere GdB-Werte bedingen könnten. Eine solche liege aber bei ihm vor, da die Therapie eine Hypoglykämie auslösen könne.

15

Schließlich habe das LSG die psychologischen Auswirkungen seiner Erkrankung gar nicht und die Nephropathie nicht ausreichend berücksichtigt. Die insoweit erforderliche Diät mit eingeschränkter Eiweißaufnahme führe zu einer weiteren Einschränkung der Teilhabe an der Gesellschaft aufgrund einer mangelhaften Regenerationsfähigkeit der Muskulatur. Daher könne Sport nicht intensiv betrieben werden, Erholungsphasen dauerten länger und es träten schneller Erschöpfungszustände ein, was neben der Freizeitgestaltung auch die Berufsausübung beeinträchtige. Bei entsprechender Aufklärung des Therapieaufwandes und richtiger Einschätzung der Erheblichkeit der aus der Erkrankung resultierenden Einschnitte, wäre das LSG ohne Weiteres zu dem Ergebnis gelangt, dass der GdB mit mindestens 50 festzusetzen sei.

16

Das LSG habe zudem sein Recht auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) dadurch verletzt, dass es seinen zuletzt eingereichten Schriftsatz vom 25.4.2012 nicht berücksichtigt und erörtert habe. Das LSG habe ohne richterlichen Hinweis auf eine Ergänzungsbedürftigkeit des Sachvortrags die vorliegenden Tatsachen- und Beweisergebnisse im Zusammenhang mit dem Therapieaufwand bei der Gesamt-GdB-Bewertung gewürdigt. Die Bewertung des Therapieaufwands im Urteil des LSG stelle folglich eine Überraschungsentscheidung dar. Hätte man ihn vorab auf eine Ergänzungsbedürftigkeit im Zusammenhang mit dem erforderlichen Therapieaufwand hingewiesen, so hätte er hierzu weiteren Vortrag gebracht.

17

Auch habe das LSG seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 103 SGG verletzt. Das Gericht hätte von Amts wegen ein Sachverständigengutachten darüber einholen müssen, ob sich die von ihm, dem Kläger, vorgetragenen Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 4.12.1998 zugrunde gelegen haben, tatsächlich eingetreten seien. Dies hätte ua ergeben, dass inzwischen eine erhebliche Teilhabebeeinträchtigung durch Angst vor einer Hypoglykämie vorliege, die unruhige Nächte und Schlafstörungen verursache. Ferner sei eine sorgfältigere Planung des Tagesablaufs erforderlich, die auch die Mobilität im Straßenverkehr sowie die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen betreffe. Es beständen Konzentrationsstörungen mit Auswirkungen auf die Berufsausübung. Trotz Insulinpumpentherapie sei daher eine ständige Kontrolle erforderlich.

18

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Sachsen-Anhalt vom 26.4.2012 und des SG Halle vom 24.3.2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm für die Zeit ab dem 19.11.2004 einen GdB von 50 festzustellen.

19

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

20

Er trägt im Wesentlichen vor: Das LSG habe hinsichtlich des zentralen Leidens des Klägers - Diabetes mellitus - zu Recht auch für die Zeit vor dem 22.7.2010 die Zweite Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010, welche am 22.7.2010 in Kraft getreten sei, angewandt. Eine rechtsfehlerhafte Anwendung des § 69 Abs 1 und 3 SGB IX liege nicht vor. Die Bemessung des GdB bei Diabetes mellitus mit 40 sei vorliegend korrekt. Die Lebensführung im Sinne der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sei bei dem Kläger nicht erheblich beeinträchtigt. Dieser gehe einer Tätigkeit in einem großen Industriebetrieb nach und es sei ihm möglich, an Freizeitaktivitäten wie Baden teilzunehmen. Trotz eines erhöhten Maßes an Planung könne die Therapie den unterschiedlichsten Ansprüchen in Beruf und Alltag angepasst werden. Schwere hypoglykämische Entgleisungen seien bisher nicht aufgetreten. Auch sei der Auslegung der VersMedV durch das LSG zu folgen, wonach für die Feststellung eines GdB von 50 zusätzlich zum eigentlichen Therapieaufwand durch die notwendigen Insulininjektionen und Dosisanpassungen die Feststellung einer gravierenden Beeinträchtigung der Lebensführung erforderlich sei, welche beim Kläger derzeit nicht vorliege.

21

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

22

Die Revision des Klägers ist zulässig. Sie ist kraft Zulassung durch das LSG statthaft und innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegt und begründet worden. Die Begründung genügt den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG, jedenfalls soweit der Kläger eine fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts geltend macht.

23

Die Revision ist unbegründet.

24

Mängel des vorinstanzlichen Verfahrens stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, Klage und Berufung sind zulässig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des Berufungsurteils, mit dem die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen worden ist. Der Kläger erstrebt, unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 24.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 (§ 95 SGG) bei ihm ab dem 19.11.2004 den GdB mit 50 festzustellen. Dieses prozessuale Ziel verfolgt der Kläger zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG - zur statthaften Klageart vgl BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr 9 S 21 f; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 11). Die Revision ist jedoch nicht erfolgreich.

25

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Feststellung eines GdB von 50 für die Zeit ab 19.11.2004 ist § 48 Abs 1 S 1 SGB X iVm § 69 Abs 1 und 3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) idF des Gesetzes vom 23.4.2004 (BGBl I 606; alter Fassung ) und für die Zeit ab dem 21.12.2007 idF vom 13.12.2007 (BGBl I 2904; nF).

26

Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist(eingehend hierzu für das Schwerbehindertenrecht Senatsurteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 5/95 - BSGE 79, 223, 225 = SozR 3-1300 § 48 Nr 57). Von einer solchen ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Änderung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl BSG Urteil vom 11.11.2004 - B 9 SB 1/03 R - Juris RdNr 12), während das Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 regelmäßig ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB bleibt (BSG Urteil vom 24.6.1998 - B 9 SB 18/97 R - Juris). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist mangels wesentlicher Änderungen in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers eine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 50 nicht festzustellen.

27

Nach § 69 Abs 1 S 1 SGB IX (in den genannten Fassungen) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 S 4 SGB IX (in beiden Fassungen) die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX aF gelten die im Rahmen des § 30 Abs 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Durch diesen Verweis auf die im Rahmen des § 30 Abs 1 BVG festgelegten Maßstäbe stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Von diesem leiten sich die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der AHP ab. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX nF wird zusätzlich auf die aufgrund des § 30 Abs 17 BVG erlassene Rechtsverordnung zur Durchführung des § 1 Abs 1 und 3, des § 30 Abs 1 und § 35 Abs 1 BVG (VersMedV) Bezug genommen, sodass ab 1.1.2009 die VersMedV vom 10.12.2008 (BGBl I 2412), die durch die Verordnungen vom 14.7.2010 (BGBl I 928) und zuletzt 11.10.2012 (BGBl I 2122) geändert worden ist, anstelle der AHP Grundlage für die Feststellung des GdB ist (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 f). Als Anlage zu § 2 VersMedV sind "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (AnlVersMedV) veröffentlicht worden, in denen ua die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) iS des § 30 Abs 1 BVG festgelegt worden sind. Diese sind auch für die Feststellung der GdB maßgebend (vgl Teil A Nr 2 AnlVersMedV).

28

Die AHP und die zum 1.1.2009 in Kraft getretene AnlVersMedV stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar (stRspr des BSG; vgl Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN; vgl auch zur Rechtslage nach dem Schwerbehindertengesetz: BVerfG Beschluss vom 6.3.1995 - 1 BvR 60/95 - SozR 3-3870 § 3 Nr 6 S 11 f), die nicht nur die Regelung des § 69 SGB IX konkretisieren, sondern auch den Behinderungsbegriff der "Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung" (deren Weiterentwicklung wurde im Mai 2001 von der Weltgesundheitsorganisation als ICF verabschiedet) als Grundlage des Bewertungssystems berücksichtigen, auch wenn dieses Klassifikationsmodell in den AHP und der AnlVersMedV bislang nicht überall konsequent umgesetzt worden ist(vgl VersMedV, Einleitung S 5, 1. Aufl 2009). Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die GdB-Bewertung auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 28; BSG Urteil vom 29.8.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSGE 67, 204, 208 f = SozR 3-3870 § 4 Nr 1 S 5 f; dazu auch Masuch, SozSich 2004, 314, 315; Straßfeld, SGb 2003, 613).

29

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB gemäß § 69 Abs 3 S 1 SGB IX (beider genannten Fassungen) nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (s § 2 Abs 1 SGB IX) und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den AHP/der AnlVersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl Nr 19 Abs 1 AHP und Teil A Nr 3 Buchst a AnlVersMedV) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der AHP/AnlVersMedV feste Grade angegeben sind (vgl Nr 19 Abs 2 AHP und Teil A Nr 3 Buchst b AnlVersMedV; vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 18).

30

Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl Urteil vom 29.11.1956 - 2 RU 121/56 - BSGE 4, 147, 149 f; Urteil vom 9.10. 1987 - 9a RVs 5/86 - BSGE 62, 209, 212 f = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83 f; Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 23 mwN). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets § 2 Abs 1, § 69 Abs 1 und 3 SGB IX(vgl BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 16 bis 21 mwN); danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend.

31

Zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus - der zentralen Gesundheitsstörung des Klägers - hat der Senat bereits in mehreren Urteilen Stellung genommen. Mit Urteil vom 24.4.2008 (- B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9) hat er sich mit den Bewertungsgrundsätzen der früheren Nr 26.15 AHP (Ausgaben 1996 und 2004) befasst. Mit Urteil vom 11.12.2008 (- B 9/9a SB 4/07 R - Juris) hat er sich zu der vorläufigen Neufassung des Abschnitts Diabetes mellitus in Nr 26.15 der AHP geäußert. Mit Urteil vom 23.4.2009 (- B 9 SB 3/08 R - Juris) hat der erkennende Senat Teil B Nr 15 AnlVersMedV vom 10.12.2008 als nichtig angesehen, weil darin, wie in der vorläufigen Neufassung der AHP allein die Einstellungsqualität und - noch - nicht der die Teilhabe beeinträchtigende Therapieaufwand berücksichtigt worden war. Schließlich hat der Senat mit Urteil vom 2.12.2010 (- B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12) zu Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV idF vom 14.7.2010 entschieden, dass diese Vorschrift mit § 69 SGB IX vereinbar und wirksam ist und auf sie auch in der Zeit vor ihrem Inkrafttreten zurückgegriffen werden kann(aaO RdNr 30 ff insbesondere 38). Diese Rechtsprechung hat der Senat nochmals mit Urteil vom 25.10.2012 (- B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 29 f) bestätigt.

32

Im vorliegenden Fall ist bei der Prüfung einer wesentlichen Änderung iS des § 48 Abs 1 SGB X der Zeitraum ab der letztmaligen Feststellung des Gesamt-GdB mit Bescheid vom 4.12.1998 zu beurteilen. Formal betrachtet sind ab Stellung des Verschlimmerungsantrages durch den Kläger im November 2004 für die Zeit vom 1.11.2004 bis zum Ende des Jahres 2008 die AHP (Ausgaben 1996, 2004, 2005 und 2008) und für die Zeit ab dem 1.1.2009 die VersMedV idF vom 10.12.2008 heranzuziehen. Entsprechend den Urteilen des erkennenden Senats vom 23.4.2009, 2.12.2010 und 25.10.2012 (jeweils aaO) sind diese Vorschriften jedoch nicht zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus Erkrankungen geeignet. Insoweit kann entgegen der Auffassung des Klägers auf die Neufassung der Vorschrift Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV idF vom 14.7.2010 zurückgegriffen werden. Für die Zeit ab dem 22.7.2010 ist die Regelung in Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV nF zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus unmittelbar anzuwenden.

33

Die Vorschrift in Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV nF hat folgenden Inhalt, der sich zwar unmittelbar auf die Feststellung des GdS bezieht, jedoch für die Bemessung des GdB entsprechend gilt (vgl Teil A Nr 2 AnlVersMedV):

34

15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus).

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.

35

Hierzu hat der erkennende Senat bereits im Einzelnen ausgeführt, dass diese neugefassten Beurteilungsgrundsätze den Vorgaben seiner Rechtsprechung in den Urteilen vom 24.4.2008, 11.12.2008 und 23.4.2009 (jeweils aaO) genügen und Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmungen nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen könnten, nicht ersichtlich sind (Urteil vom 2.12.2010, aaO, RdNr 26 und Urteil vom 25.10.2012, aaO, RdNr 33).

36

Soweit es die hier streitige Feststellung eines GdB von 50 betrifft, enthält Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV nF seinem Wortlaut nach drei Beurteilungskriterien: täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbstständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie eine (durch erhebliche Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung. Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern (BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 34).

37

Insoweit ist es nicht erforderlich, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt wird. Hierzu hat der Senat bereits entschieden, dass eine Bewertung des GdB, die sich ausschließlich an der Zahl der Insulininjektionen pro Tag orientiert, nicht überzeugt. Vielmehr ist der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen (s Urteil vom 24.4.2008, aaO RdNr 40). Dazu hat der Senat ausgeführt, dass der GdB relativ niedrig anzusetzen sein wird, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, und der GdB bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabiler Stoffwechsellage) höher einzuschätzen sein wird (aaO). Obwohl die Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV insoweit inhaltlich keine konkrete Aussage trifft (BR-Drucks 285/10), wollte der Verordnungsgeber der Rechtsprechung des BSG erklärtermaßen folgen (s BR-Drucks 285/10 S 3). Es ist daher davon auszugehen, dass er bei der Neufassung des Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV zum 22.7.2010 die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag nicht als absoluten Grenzwert angesehen hat (BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO RdNr 35).

38

Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer "selbstständigen" Variation in der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen (BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO RdNr 36).

39

Entgegen der Ansicht des Klägers reicht ein Erfüllen dieser beiden, auf den Therapieaufwand bezogenen Beurteilungskriterien nicht aus, um den GdB mit 50 festzustellen. Vielmehr muss die betreffende Person durch Auswirkungen des Diabetes mellitus auch insgesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein. Das kommt in Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV durch die Verwendung des Wortes "und" deutlich zum Ausdruck. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt. Je nach den persönlichen Fähigkeiten und Umständen der betreffenden Person kann sich die Anzahl der Insulininjektionen und die Anpassung der Dosis nämlich unterschiedlich stark auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken. Abgesehen davon ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam (vgl auch Teil B Nr 15.1 Abs 3 AnlVersMedV; allgemein dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 40), die im Rahmen der Prüfung des dritten Merkmals (gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung) berücksichtigt werden kann. Die durch erhebliche Einschnitte bewirkte gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung kann mithin auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt, als ein anderer im Umgang mit den Injektionsutensilien versierter Mensch. Einschnitte in der Lebensführung zeigen sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg, also an der Stoffwechsellage des erkrankten Menschen (BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO, RdNr 37).

40

Dieser Auslegung steht - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht entgegen, dass es in Satz 1 im letzten Teilsatz des Abs 4 heißt: "erleiden auf Grund dieses Therapieaufwandes eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung". Diese Formulierung mag zwar sprachlich unklar erscheinen und in einem gewissen Widerspruch zu den zuvor aufgeführten drei Merkmalen stehen, sie ändert jedoch nichts an der durch § 69 SGB IX gebotenen umfassenden Betrachtung des Gesamtzustandes. Jedenfalls kann aus ihr nicht der Schluss gezogen werden, der Verordnungsgeber habe eine Mindestzahl von mit selbstständiger Dosisanpassung verbundenen Insulininjektionen für die Feststellung eines GdB von 50 ausreichen lassen wollen (vgl BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO, RdNr 38).

41

Diese Bestimmung des Inhalts des Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV nF hat der Senat allein aufgrund einer Auslegung des Wortlauts der Vorschrift vor dem Hintergrund seiner zitierten Rechtsprechung gewonnen (vgl BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO, RdNr 39). Unklarheiten, die nur mit Hilfe medizinischen oder anderweitigen Sachverstands beseitigt werden können, sind nicht ersichtlich. Aus diesem Grund ist vorliegend eine Befragung des zuständigen Sachverständigenbeirats beim BMAS nicht erforderlich.

42

Auf dieser rechtlichen Grundlage verlangt die Bewertung des GdB eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Beurteilung, die alle die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinflussenden Umstände berücksichtigt. Gemessen an diesen Kriterien, ist das Berufungsurteil rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat danach keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50, weder allein wegen des bei ihm bestehenden Diabetes mellitus noch unter Berücksichtigung weiterer Gesundheitsstörungen.

43

Nach den Feststellungen des LSG führt der Kläger eine Insulinpumpentherapie durch mit bis zu fünf Insulininjektionen am Tag und einer ständigen Dosisanpassung. Der Kläger wird trotz des seine Lebensführung einschränkenden Therapieaufwandes nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in seiner Leistungsfähigkeit und damit in seiner Teilhabefähigkeit am Leben erheblich beeinträchtigt. Betrachtet man die therapiebedingten und auch erkrankungsbedingten Einschränkungen in der konkreten Lebensführung des Klägers, so lässt sich nach den Feststellungen des LSG eine gravierende Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (Beruf, Freizeitgestaltung) noch nicht erkennen. Trotz des Entstehens von hypoglykämischen Zuständen ist es bisher noch nie zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen mit erforderlicher Fremdhilfe gekommen. Der Kläger gleicht die unterschiedlichen Stoffwechsellagen mit der Insulinpumpe sehr gut aus.

44

Soweit der Kläger die Feststellungen des LSG zum Therapieaufwand und zu den der Gesamt-GdB-Bewertung zugrundeliegenden gesundheitlichen Einschränkungen mit der Begründung angreift, das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es insoweit seinen zuletzt eingereichten Schriftsatz vom 25.4.2012 nicht berücksichtigt und erörtert habe, dringt er damit nicht durch. Der in §§ 62, 128 Abs 2 SGG konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht haben äußern können (s § 128 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). In diesem Rahmen besteht jedoch weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage, noch die Pflicht bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen; denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Art 103 Abs 1 GG gebietet vielmehr lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 84, 188, 190).

45

Die Bewertung des Therapieaufwands sowie des Gesamt-GdB ist grundsätzlich eine tatrichterliche Aufgabe, die eine Auswertung der im Verfahren insgesamt vorliegenden Tatsachen und Beweise einschließt. Hierbei handelt es sich nicht um einen komplizierten tatsächlichen Umstand; der dem Kläger insgesamt bekannte Sachverhalt ist ohne juristische oder anderweitige besondere Kenntnisse zu erfassen gewesen. Insofern waren dazu Hinweise des LSG an den rechtskundig vertretenen Kläger nicht erforderlich. Auch sonst war entgegen der Darstellung des Klägers eine Sachlage, bei der er nicht damit zu rechnen brauchte, dass das LSG den Therapieaufwand im Rahmen der Feststellung des Gesamt-GdB anspricht und wertet, vor der Entscheidung des LSG nicht gegeben. Zudem musste dem Kläger schon aufgrund des Inhalts des Widerspruchsbescheides, des Urteils des SG sowie seiner persönlichen Befragungen klar sein, dass es neben dem Therapieaufwand maßgeblich auch darauf ankommt, dass er durch Auswirkungen des Diabetes mellitus insgesamt erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt ist. Dieses Verständnis hat der Kläger durch sein Vorbringen selbst erkennen lassen, mit dem er sich bemüht hat, dem LSG eine erhebliche, gravierende Beeinträchtigung seiner Lebensführung darzulegen. Im Übrigen kommt im Berufungsurteil (s S 16 des Abdrucks) hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass das LSG den Schriftsatz des Klägers vom 25.4.2012 in Erwägung gezogen hat.

46

Entgegen der Ansicht des Klägers sind weitere detaillierte Tatsachenfeststellungen, insbesondere durch Einholung eines Gutachtens, nicht erforderlich gewesen. Soweit der Kläger rügt, das LSG hätte von Amts wegen gemäß § 103 SGG ein Sachverständigengutachten darüber einholen müssen, ob sich die von ihm vorgetragenen Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 4.12.1998 zugrunde gelegen haben, wesentlich geändert hätten, greift diese Rüge nicht durch. Denn das LSG hat den Therapieaufwand im Rahmen der beim Kläger erfolgenden Insulinpumpentherapie auf der Grundlage der vorliegenden Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte dahin gewürdigt, dass er für sich genommen die betreffenden Voraussetzungen in Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV erfüllt. Für die Beurteilung, ob beim Kläger eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensführung durch den Diabetes mellitus vorliegt, bedarf es auf der Grundlage der getroffenen medizinischen Feststellungen und der eigenen Angaben des Klägers keiner besonderen Sachkunde. Diese kann der Tatrichter ohne sachverständige Unterstützung selbst vornehmen (vgl BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 46). Das LSG hat sich ersichtlich neben den eigenen Angaben des Klägers auch auf die Einschätzungen der behandelnden Ärzte Dipl.-Med. M., Dr. S. und W. in deren beigezogenen Befundberichten gestützt. Dabei sind auch die von dem Kläger diesen gegenüber geschilderten einschränkenden Umstände (zB Schwierigkeiten bei der Insulinpumpentherapie im Falle hypoglykämischer Zustände) berücksichtigt worden. Zudem hat das LSG insbesondere die Angaben des Klägers in der öffentlichen Sitzung des SG vom 24.3.2006 sowie in der nichtöffentlichen Sitzung des LSG am 13.7.2011 gewürdigt, wonach es bei ihm nicht zu schweren Hypoglykämien gekommen ist und er entsprechende Folgewirkungen nicht benennen konnte.

47

Die benötigten vier bis fünf Insulindosen pro Tag werden über die Insulinpumpe abgegeben, deren Reservoir der Kläger alle drei Tage wechseln muss. Die von dem Beklagten ausgewertete CD-ROM mit den aufgezeichneten Insulingaben hat weder besonders niedrige noch besonders überhöhte Werte ergeben. Auch die im Nachhinein erweiterten Angaben des Klägers, es werde ihm bei der Arbeit teilweise schwindelig, wenn er sich auf Rohrbrücken befinde oder Treppen schnell hoch und runter laufe, hat das LSG in seine Feststellung miteinbezogen und keine behandlungsbedürftigen schweren Auswirkungen des Diabetes mellitus festgestellt. Dabei hat es insbesondere das erforderliche Ablegen der Insulinpumpe beim Badengehen des Klägers mit Freunden und deren anschließend erforderliche Aktivierung gewürdigt. Dadurch wird nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Wertung des LSG die Teilhabe an diesen Freizeitmöglichkeiten zwar erschwert; diese können aber dennoch wahrgenommen werden. Insgesamt hat die Insulinpumpe als solche nach der Bewertung der Ärzte des Klägers bei diesem zu einer wesentlichen Verbesserung der gesundheitlichen Situation beigetragen.

48

In diese Überlegungen hat das LSG auch die vom Kläger im Schriftsatz vom 25.4.2012 angegebenen Nachteile seiner Stoffwechselerkrankung (Dawn-Phänomen) miteinbezogen und weiter festgestellt, dass diese zwar einschränkend und belastend seien, nicht jedoch gravierend im Sinne der versorgungsmedizinischen Grundsätze. Hierzu hat der Kläger selbst mit seiner Revision dargelegt, dass aus diesen Umständen lediglich die Notwendigkeit einer strengeren Überwachung der Insulinpumpentherapie folge. Soweit der Kläger vorträgt, eine erhebliche Teilhabebeeinträchtigung ergebe sich auch dadurch, dass bei ihm Angst vor Hypoglykämien unruhige Nächte und Schlafstörungen auslöse, handelt es sich um erst mit der Revision vorgebrachte Umstände, die nicht vom LSG festgestellt und daher für die Revision unbeachtlich sind (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 5). Entsprechendes gilt für die erstmals mit der Revision erfolgte Angabe weiterer diabetesbedingter Beeinträchtigungen.

49

Im Übrigen setzt sich der Kläger kritisch mit der Beweiswürdigung des LSG auseinander, ohne damit eine durchgreifende Verfahrensrüge anzubringen. Er hat nicht beachtet, dass eine Verletzung des insoweit einschlägigen § 128 Abs 1 SGG grundsätzlich erst dann vorliegt, wenn das LSG gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt oder andere spezifische Beweisfehler gemacht hat.

50

Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es zudem - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - auszuschließen, dass der GdB des Klägers in Anwendung von Teil B Nr 15.1 Abs 5 AnlVersMedV einen Wert von 50 erreicht. Nach dieser Vorschrift können außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen. Ausgehend von einem GdB von 40 wäre danach eine Erhöhung auf 50 theoretisch möglich. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind jedoch zweifelsfrei nicht erfüllt, da entsprechende Stoffwechsellagen bei dem Kläger vom LSG nicht festgestellt worden sind. Die bloße Möglichkeit, dass zukünftig derartige schwerwiegende Stoffwechsellagen eintreten können, genügt den Anforderungen nicht.

51

Schließlich geht die von dem Kläger in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht fehl, er dürfe wegen seines konsequenten Therapieverhaltens und seiner vernünftigen Lebensführung in Bezug auf seine Erkrankung bei der Festsetzung des GdB nicht gegenüber einem behinderten Menschen benachteiligt werden, der bei gleicher Krankheitslage wegen einer nicht so konsequent durchgeführten Therapie eine schlechtere Stoffwechsellage aufweise und dem deswegen einer höherer GdB als ihm zuerkannt werde. Dabei übersieht der Kläger, dass die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ausschließlich final, also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen hat, ohne dass es auf die Verursachung der dauerhaften Gesundheitsstörung ankommt (vgl Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl 2012, § 69 SGB IX RdNr 23 mwN). Das gilt sowohl hinsichtlich unbeeinflussbarer Kausalzusammenhänge (s dazu BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 20 mwN) als auch für Vorgänge, auf die der Betroffene Einfluss nehmen kann oder die er sogar selbst zu verantworten hat. Insofern kommt es nicht darauf an, welche Folgen eine Vernachlässigung der Diabetes-Therapie bei dem Kläger haben würde (vgl BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 48).

52

Hinsichtlich der anderen beim Kläger vorliegenden Erkrankungen hat das LSG gemessen an den maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingungen den jeweiligen Einzel-GdB des Klägers rechtsfehlerfrei festgestellt. Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des LSG liegt bei dem Kläger eine beginnende Nephropathie ohne derzeitige Einschränkungen sowie eine leichte Form der Hypertonie ohne oder mit nur geringer Leistungsbeeinträchtigung vor, die medikamentös kontrolliert werden kann. Grundlage für die Bemessung des Einzel-GdB sind insoweit für die Zeit ab Antragstellung im November 2004 zunächst die AHP 2004, anschließend bis zum Ende des Jahres 2007 die AHP 2005, danach bis zum Ende des Jahres 2008 die AHP 2008 und für die Zeit ab dem 1.1.2009 die VersMedV (s jeweils die Einleitung). Bei Anwendung der für die GdB-Bewertung bei einer beginnenden Nephropathie ohne Einschränkungen sowie bei einer leichten Form der Hypertonie maßgeblichen Tabellen in den jeweiligen Fassungen der Nr 26.12 bzw 26.9 AHP, die zum 1.1.2009 unverändert in Teil B Nr 12.1.1 bzw Nr 9.3 AnlVersMedV übernommen worden sind, ergibt sich für Nierenschäden ohne Einschränkung der Nierenfunktion ebenso wie für eine leichte Form der Hypertonie ohne oder mit geringen Leistungsbeeinträchtigungen ein Einzel-GdB von 0 bis 10. Weitere mit einem Einzel-GdB festzustellende Gesundheitsstörungen, insbesondere hinsichtlich der Bauspeicheldrüse oder des Dawn-Phänomens, hat das LSG nicht festgestellt, weil hierzu weder vom Kläger noch von den behandelnden Ärzten Befunde oder funktionale Einschränkungen mitgeteilt worden sind.

53

Den Gesamt-GdB hat das LSG rechtsfehlerfrei mit 40 festgestellt. Dabei ist es nach Nr 18 und 19 der jeweiligen Fassungen der AHP, die in Teil A Nr 2. und 3. AnlVersMedV unverändert übernommen worden sind, von der Funktionsbeeinträchtigung ausgegangen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und hat dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen geprüft, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen von Ausnahmefällen abgesehen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Dies ist nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des LSG bei dem Kläger der Fall, weil danach die neben dem mit 40 zu bewertenden Diabetes mellitus bestehenden Erkrankungen der beginnenden Nephropathie und der leichten Form der Hypertonie jeweils nur mit einem Einzel-GdB von 0 bis 10 zu bewerten sind.

54

Bei der Prüfung eines Gesamt-GdB von 50 verbietet sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht ein Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern. Vielmehr sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle der AHP/AnlVersMedV feste Grade angegeben sind (vgl Nr 19 Abs 2 AHP und Teil A Nr 3 Buchst b AnlVersMedV; auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 18). Gemessen an diesen Voraussetzungen sind die beim Kläger bestehenden Erkrankungen nach den Feststellungen des LSG insgesamt noch nicht mit Gesundheitsschäden zu vergleichen, deren Funktionsbeeinträchtigungen eine Schwerbehinderung mit einem Gesamt-GdB von 50 begründen.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.