Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 31. Okt. 2018 - L 12 KA 93/17

bei uns veröffentlicht am31.10.2018

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 15.05.2017 aufgehoben und die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kosten der Verfahren trägt die Klägerin.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Im Berufungsverfahren noch streitig ist eine Honorarrückforderung aufgrund nachträglicher sachlich-rechnerischer Berichtigungen der GOP 01100 EBM-Ä für die Quartale 2/2008 bis 2/2011.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) ist eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft, Fachrichtung Anästhesiologie. Wegen auffälliger Tagesarbeitszeiten hatte die Beklagte bei der Klägerin mit Schreiben vom 26.05.2011 eine Plausibilitätsprüfung für das Quartal 1/2009 eingeleitet, bei der Abrechnungsauffälligkeiten bei den Gebührenordnungspositionen 05230, 01100 und 01414A EBM-Ä festgestellt wurden. Zu der allein noch streitigen GOP 01100 EBM-Ä wies die Beklagte und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagte) darauf hin, dass diese Ziffer offensichtlich auch dann abgerechnet worden sei, wenn es sich nicht um eine unvorhergesehene Inanspruchnahme gehandelt habe. Zudem sei die GOP schematisch neben den GOP 05230, 40144 und 01602 EBM-Ä abgerechnet worden. Die Klägerin führte hierzu aus, die GOP 01100 EBM-Ä sei im Rahmen des praxiseigenen Bereitschaftsdienstes an Tagen nach den Eingriffen abgerechnet worden. Die abgerechneten Kontakte würden grundsätzlich zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr erfolgen, es würden keine Sprechzeiten zu den in der Leistungslegende angegebenen Zeiten abgehalten. Nicht mit den Sprechzeiten zu verwechseln sei der Bereitschaftsdienst der Praxis, der nicht die Sprechzeiten verlängere. Es bestehe kein Unterschied zur Einzelpraxis, in der der Arzt notfallmäßig zuhause oder mobil erreichbar sei.

Mit Bescheiden vom 13.03.2012 berichtigte die Beklagte die Honorarabrechnungen für die Quartale 2/2008 - 3/2009 (auf die GOP 01100 entfielen 10.913,94 €) sowie 4/2009 - 4/2010 (auf die GOP 01100 entfielen 10.292,14 €). Die Inanspruchnahme sei nicht unvorhergesehen, da die Praxis einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst vorhalte, mit dem auch auf der Internetseite der Klägerin geworben würde. Im Rahmen dieses Notdienstes müsse jeder Vertragsarzt damit rechnen, in Anspruch genommen zu werden.

Mit Bescheiden vom 24.09.2012 berichtigte die KVB die Honorarabrechnungen für die Quartale 1/2011 (109 implausible Ansätze, Rückforderungsquote 97,32%, 771,25 €) und 2/2011 (57 implausible Ansätze, Rückforderungsquote 96,61%, 504,11 €). Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

Zur Begründung der Widersprüche wurde vorgetragen, der einzige Unterschied zum Landarzt, der selbstverständlich außerhalb der Sprechzeiten bei unvorhergesehener Inanspruchnahme z.B. über seine Privattelefonnummer die GOP 01100 abrechnen könne, sei, dass das Anästhesie Center C., in dem viele Ärzte arbeiteten, die Anrufe auf einen diensthabenden Arzt kanalisiere. Das Vorhalten eines internen Notfallbereitschaftsdienstes über Handy außerhalb der Sprechzeiten gehöre zum Leistungsspektrum der Klägerin. Das ändere aber nichts daran, dass die Inanspruchnahme unvorhergesehen erfolge. Grundsätzlich erhalte der Vertragsarzt die GOP 01100 EBM-Ä stets vergütet, wenn er außerhalb der Sprechstunde und in der Regel auch außerhalb der Praxis zu den in der Leistungslegende genannten Zeiten in Anspruch genommen werde.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 25.02.2005 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 13.03.2012 und 24.09.2012 zurück. Der Ansatz der GOP 01100 EBM-Ä sei implausibel, weil die Inanspruchnahme nicht unvorhergesehen erfolgt sei. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Sozialgerichts München vom 24.09.2014 (Az. S 21 KA 1354/14) wurde ausgeführt, unvorhergesehen sei die Inanspruchnahme des Vertragsarztes, wenn dieser zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht damit rechne, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen, er also nicht in einer Dienstsituation in Anspruch genommen werde. Diese Dienstsituation könne entweder aufgrund einer Sprechstunde oder aufgrund eines angeboten Notdienstes bestehen oder deshalb, weil der Patient für die Behandlung am Sonntag bestellt war. Anfangs habe auch die Klägerin von einem Bereitschaftsdienst oder einem 24-Stunden-Notdienst gesprochen. Auffällig sei zudem, dass die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä meistens in Zusammenhang mit den GOP 05230, 40144 und 01602 EBM-Ä und zwar am Tag nach der Operation erfolge. Im Übrigen müsse die Initiative vom Patienten ausgehen, nicht von einem anderen Arzt.

Hiergegen legte die Klägerin jeweils Klage zum Sozialgericht München ein. Bezogen auf die allein noch streitigen Ansätze der GOP 01100 EBM-Ä argumentierte die Klägerin, das Vorhalten einer Erreichbarkeit über ein Mobiltelefon könne nicht mit einer Inanspruchnahme im Rahmen von Dienstsituationen, insbesondere in organisierten Sprechstunden, verglichen werden. Die Behandlung jedes Patienten sei unvorhergesehen, nicht beabsichtigt und nicht geplant gewesen. Insbesondere sei die Situation der Klägerin nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg vom 07.06.2012 (Az. L 1 KA 59/09) zu Grunde gelegen habe. Dort hätten Ärzte im Ärzteverbund den hausärztlichen Notdienst als Bereitschaftsdienst organisiert. Die Situation der Klägerin sei vielmehr vergleichbar mit der eines Hausarztes, der zur Unzeit telefonisch kontaktiert und aufgesucht werde. Würde man der Auffassung der Beklagten folgen, hätte dies zur Folge, dass die Klägerin mangels Teilnahme am organisierten Notfalldienst auch die Notfallpauschale oder die Notfall-Konsultationspauschalen nicht abrechnen könne. Ihr Aufwand bleibe somit vollkommen entschädigungslos. Auch aus einer Nebeneinanderabrechnung der GOP 05230 (Aufwandsentschädigung für das Aufsuchen eines Kranken in der Praxis eines anderen Arztes … zur Durchführung von …Anästhesien), 40144 (Kostenpauschale für kopierte Unterlagen) und 01602 (Mehrfertigung eines Berichtes oder Briefes) EBM-Ä könne nicht auf eine Implausibilität der GOP 01100 EBM-Ä geschlossen werden. So würden die Patienten in der Praxis des Operateurs aufgesucht, wo auch die Durchführung der Narkose stattfinde. Dafür rechneten die Anästhesisten die GOP 05230, 40144 und 01602 EBM-Ä ab. Sofern der Patient nach einem ambulanten Eingriff zuhause Beschwerden verspüre und daraufhin einen Anästhesisten der Klägerin kontaktiere, werde für diese Behandlung die GOP 01100 EBM-Ä berechnet. Es finde daher zwischen den Leistungen eine zeitliche Zäsur statt. Im Übrigen beziehe sich die postoperative Betreuung des Operateurs auf die Grundversorgung, während die Klägerin im Bedarfsfall schmerztherapeutisch tätig werde. Dass sich Patienten an die Anästhesisten wenden würden, sei dem Umstand geschuldet, dass den Patienten bekannt sei, dass der Anästhesist für die Schmerztherapie zuständig sei. Soweit die Beklagte darauf abstellen wolle, ob der Arzt mit seiner Inanspruchnahme rechnen könne, handle es sich um ein untaugliches Kriterium.

Die Beklagte trug vor, es sei entscheidend, ob der Arzt damit habe rechnen können, vom Patienten zur Unzeit in Anspruch genommen zu werden. Wer - wie die Klägerin - bewusst, geplant und organisiert die postoperative Betreuung übernehme und dies auch so kommuniziere, befinde sich in einer Dienstsituation, d.h. er sei ständig auf „Abruf“.

Die Klägerin habe sich bereit erklärt, rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen. Bei diesem Service habe die Klägerin damit rechnen müssen, in Anspruch genommen zu werden. Das beworbene Serviceangebot entspreche nicht der Situation eines Hausarztes, der außerhalb der Sprechstunde und ohne einen 24-Stunden-Dienst anzubieten, außerplanmäßig kontaktiert werde. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass sich die Patienten bei Beschwerden an die Anästhesisten wenden würden, anstatt an den behandelnden Arzt. Es sei zu vermuten, dass das Serviceangebot der Klägerin auf eine Absprache mit dem Operateur und den Patienten als Ansprechpartner zurückgehe.

In der mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin die Klagen hinsichtlich der übrigen zunächst streitigen Gebührenordnungspositionen zurück.

Das SG hat den Klagen sodann stattgegeben und die Honoraraufhebungsbescheide aus den Plausibilitätsprüfungen 2/2008 bis 2/2011 jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 25.02.2015 aufgehoben. Zur Begründung hat es zunächst auf die Urteile des LSG Hamburg vom 07.06.2012 (L 1 KA 59/09) und 25.04.2013 (L 1 KA 5/12) sowie das Urteil des SG München vom 24.09.2014 (S 21 KA 1354/12) verwiesen. Danach sei der Ansatz der GOP 01100 EBM-Ä nicht möglich, wenn zwar die Inanspruchnahme des Arztes durch den Patienten zu den in der Leistungslegende genannten Zeiten stattfinde, jedoch innerhalb einer Sprechstunde. Die vorgenannte Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließe, gehe noch darüber hinaus, indem sie auch bei einem von Ärzten eingerichteten hausärztlichen Notfalldienst in einer Notfallambulanz der Klinik, bei einem Anbieten von Diensten zu Zeiten, für die eine Ermächtigung erteilt wurde, sowie beim Abhalten einer faktischen Sprechstunde nicht von einer unvorhergesehenen Inanspruchnahme des Arztes/der Einrichtung ausgehe, was den Ansatz der GOP 01100 EBM-Ä ausschließe.

Die Situation der Klägerin sei aber nicht mit der in den bereits von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen vergleichbar. Ausgangspunkt der Überlegungen sei, dass der Normgeber des EBM-Ä - der Bewertungsausschuss - davon ausgehe, dass grundsätzlich alle ärztlichen Leistungen im Rahmen der Sprechstundentätigkeit erbracht werden können. Sei dies nicht der Fall, zum Beispiel, weil eine Erkrankung des Patienten zur Unzeit auftrete, zu der regelmäßig kein Praxisbetrieb stattfinde, solle eine unvorhergesehene Inanspruchnahme des Arztes durch die GOP 01100 EBM-Ä abgegolten werden. Nach der o.g. Rechtsprechung sei die Inanspruchnahme nicht unvorhersehbar und deshalb die GOP 01100 EBM-Ä dann nicht anzusetzen, wenn vom Arzt Leistungen bewusst, geplant und organisiert außerhalb der Sprechstunden angeboten werden, die der Patient annimmt (beispielsweise Einrichtung eines organisierten Notfalldienstes). Damit sei eine Dienstsituation verbunden. Der leistungserbringende Arzt müsse mit einer Inanspruchnahme rechnen, so dass für ihn die Inanspruchnahme vorhersehbar sei.

Zwar enthalte die Homepage der Klägerin mehrfach den Hinweis auf einen Bereitschaftsdienst bzw. Rufbereitschaftsdienst. Diese Hinweise richteten sich zum einen an Patienten, aber auch an die „Hausärzte“ und bringe zum Ausdruck, diese könnten sich auch bei Fragen gerne an den Bereitschaftsdienst wenden.

Ohne Frage bewerbe die Klägerin vor allem gegenüber den Patienten ihren „24-Stunden“- Dienst, stelle diesen aber auf der Homepage nicht in den Vordergrund ihrer Tätigkeit.

Vorliegend halte die Klägerin - wie die meisten anästhesistischen Praxen - keine Sprechstunden ab und habe damit auch keine Möglichkeit, die Patienten auf eine Inanspruchnahme zu normalen Sprechstundenzeiten zu verweisen. Die bisher von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze könnten daher nur bedingt herangezogen werden. Es hätten somit andere Maßstäbe zu gelten. Auch wenn die Klägerin nach eigenem Bekunden den Bereitschaftsdienst vorhalte, weil nach dem Eingriff an den folgenden Tagen mit einer Inanspruchnahme zu rechnen sei, liege nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf die konkrete anästhesiologische Tätigkeit der Klägerin keine mit der eines normalen Bereitschafts-/Notfalldienstes vergleichbare Dienstsituation vor. Es handle sich vielmehr um ein bloßes Serviceangebot der Klägerin und an sich um eine Selbstverständlichkeit in unmittelbarem und engem Zusammenhang mit der operativen Tätigkeit, die den operierten Patienten zu Gute komme, falls nach dem Eingriff Komplikationen entstünden. In diesem Lichte sei der Begriff „unvorhersehbare Inanspruchnahme“ zu interpretieren und deshalb hier weit auszulegen. Demjenigen, der wie die Klägerin selbst keine Sprechstunden abhalte, könne deshalb auch nicht der Vorwurf gemacht werden, er halte eine faktische Sprechstunde ab, indem er dem Patienten für den Fall von Komplikationen nach der Operation eine Notfall-Mobiltelefonnummer nenne. Dies sei bei ähnlicher Bewerbung durch andere Facharztgruppen allerdings anders zu sehen.

Soweit die Beklagte die Implausibilität der GOP 01100 EBM-Ä auch dadurch verdeutlichen wolle, die Klägerin habe daneben andere Gebührenordnungsziffern, so die GOP 05230, 40144 und 01602 EBM-Ä (Nebeneinanderabrechnung) abgerechnet, habe die Klägerin dies nach Auffassung des Gerichts nachvollziehbar begründet. Danach würden Patienten in der Praxis des Operateurs aufgesucht, wo auch die Durchführung der Narkose stattfinde. Dafür rechneten die Anästhesisten die GOP 05230, 40144 und 01602 EBM-Ä ab. Sofern der Patient nach einem ambulanten Eingriff zuhause Beschwerden verspüre und daraufhin einen Anästhesisten der Klägerin kontaktiere, werde die GOP 01100 EBM-Ä für diese Behandlung berechnet. Es finde daher zwischen den Leistungen eine zeitliche Zäsur statt. Zwar sei einzuräumen, dass der Nebeneinander-Ansatz auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar sei, sich aber letztendlich durch die oben beschriebene Tätigkeit erkläre.

Auch sei aus dem Umstand, dass sich die Patienten offensichtlich vorrangig an die Klägerin wenden und nicht an den Operateur, keine Implausibilität abzuleiten. Dies könne mannigfache Gründe haben, auch den Grund, dass den meisten Patienten die Zuständigkeit des Anästhesisten für die Schmerztherapie bekannt sei.

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte am 27.06.2017 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die abgerechneten Inanspruchnahmen seien nicht „unvorhergesehen“ gewesen, denn eine Dienstsituation liege vor, wenn der Arzt Leistungen bewusst, geplant und organisiert anbiete. Durch den Homepage-Auftritt der Klägerin werde den Patienten vermittelt, eine Kontaktaufnahme sei jederzeit möglich, so dass die Klägerin zu jeder Tages- und Nachtzeit mit einer Inanspruchnahme durch Patienten rechne. Die Klägerin bzw. der diensthabende Arzt habe sich damit in einer Dauerdienstsituation befunden, die eine Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä ausschließe.

Der Wortlaut der streitigen GOP sei eindeutig und einer weiten Auslegung - wie das SG meine - nicht zugänglich. Bei dem von der Klägerin angebotenen Bereitschaftsdienst handle es sich um einen eigens organisierten und den Patienten gegenüber angebotenen Notdienst. Die Klägerin selber begründe die Einrichtung dieses Dienstes damit, dass nach einem Eingriff auch an den folgenden Tagen mit einer Inanspruchnahme zu rechnen sei, für die sie den Bereitschaftsdienst vorhalte. Sie ginge damit selbst davon aus, regelmäßig zu Zeiten kontaktiert zu werden, die außerhalb ihrer üblichen Sprechzeiten lägen. Auf den Bereitschaftsdienst weise die Klägerin die Patienten auch ausdrücklich hin. Dadurch beeinflusse und veranlasse sie die Inanspruchnahme zu Uhrzeiten ab 19:00 Uhr bzw. an Wochenenden und Feiertagen zumindest mit, was die Abrechnung der GOP 0100 EBM-Ä ausschließe. Auch die Tatsache, dass die Klägerin als Anästhesiepraxis keine Sprechstunden anbiete, könne eine weite Auslegung der GOP über den Wortlaut hinaus nicht begründen. Auf das Vor- bzw. Nichtvorliegen von Sprechstunden, Rufbereitschaft, Notdiensten et cetera komme es nicht an. Maßgeblich und fachgebietsunabhängig sei allein, ob die Inanspruchnahme unvorhergesehen sei. Das angefochtene Urteil räume dem Fachgebiet Anästhesiologie zu Unrecht eine Sonderstellung ein. Im Übrigen biete die Klägerin nach deren eigener Einlassung sehr wohl Sprechzeiten an. Bei dem angebotenen Bereitschaftsdienst der Klägerin handle es sich auch nicht nur um ein bloßes Serviceangebot zu Gunsten des Patienten ohne Auswirkungen auf den EBM-Ä. Die gewollte und geplante telefonische Erreichbarkeit eines diensthabenden Arztes, der mit einer Inanspruchnahme rechne und allein zum Zwecke der Erbringung von ärztlichen Leistungen zur Verfügung stehe, gehe über ein bloßes Serviceangebot ohne Auswirkungen auf den EBM-Ä hinaus. Für andere Fachrichtungen, die einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst anbieten würden, sehe das SG dies ebenso.

Die Rufbereitschaft werde auch auf der aktuellen Homepage der Klägerin (17.07.2017) offiziell und aktiv beworben.

Die Abrechnung der hier streitigen GOP neben den GOP 05230, 40114 und 01602 EBM-Ä jeweils am Tag nach dem Eingriff sei zudem nicht schlüssig. Die behauptete zeitliche Zäsur, mit der der Nebeneinander-Ansatz angeblichen plausibel erklärt werde, sei nicht nachvollziehbar, denn die Klägerin rechne die vorgenannten GOP 05230, 40114 und 01602 EBM-Ä dann ab, wenn sich der Patient beim Operateur befinde und der Anästhesist in die Praxis des Operateurs hinzukomme. Im Übrigen rechne die Klägerin zusätzlich die GOP 01100 EBM-Ä ab, wenn der Patient später oder zuvor von zuhause aus die Klägerin kontaktiere. Die Klägerin habe aber die Gegebenheiten zur Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä in einer vorangegangenen Stellungnahme bereits dahingehend beschrieben, dass der Anästhesist der Klägerin unvorhergesehen von dem Operateur zur Behandlung eines Kranken angefordert werde. Die in der mündlichen Verhandlung behauptete zeitliche Zäsur widerspräche damit der bisherigen Darstellung. Wenn aber die Klägerin vom Operateur im Rahmen der postoperativen Behandlung - wie anzunehmen - hinzugeholt worden sei, so spreche dies gegen eine unvorhergesehene Inanspruchnahme im Sinne der GOP 01100 EBM-Ä, da es sich bei der postoperativen Behandlung grundsätzlich um eine geplante Inanspruchnahme des Operateurs zu den normalen Dienstzeiten handle. Hilfsweise machte die Beklagte einen fehlerhaften Tenor des erstinstanzlichen Urteils geltend.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 15.05.2017 (Az. S 38 KA 305/15) aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Klägerin stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend, es erkenne und berücksichtige die Sondersituation der Klägerin. Nach den Anmerkungen zu der GOP 01100 EBM-Ä wirke allein leistungsausschließend das Abhalten einer Sprechstunde oder die Einbestellung von Patienten. Auf die rein subjektive Erwartungshaltung des Individuums könne es bei der Auslegung des Begriffs „unvorhergesehen“ nicht ankommen, da dieser Maßstab zu unbestimmt wäre. Im Übrigen müsse jeder Arzt, soweit der Patient seine Kontaktdaten habe, grundsätzlich damit rechnen, in Anspruch genommen zu werden, so dass in diesem Fall nie Raum für die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä wäre. Soweit die Rechtsprechung auf das Vorliegen einer Dienstsituation abstelle, sei auch dieser Begriff unklar und müsse von Fall zu Fall ausgelegt werden. Der aus der Unklarheit des Begriffs geschlossene Auslegungsmaßstab sei durch das Sozialgericht München zutreffend bestimmt worden. Das SG gehe zu Recht von der Überlegung aus, dass die streitige GOP Leistungen des Arztes abgelten solle, die dieser außerhalb seiner Sprechzeiten oder einer vergleichbaren Dienstsituation erbringe. Das Sozialgericht stelle zutreffend fest, dass die bei der Klägerin beschäftigten Anästhesisten keine Sprechstunden im üblich verstandenen Sinne abhalten würden. Die Tätigkeit der auf die Betreuung ambulanter Operationen spezialisierten Anästhesisten sei regelmäßig an eine konkrete Operation gebunden. Übliche Sprechzeiten, in denen eine fortgesetzte Behandlung von Patienten stattfinde oder die vom Patienten als Anlaufmöglichkeit für die Behandlung ihrer gesundheitlichen Probleme wahrgenommen würden, halte die Klägerin nicht ab. Sprechzeiten in der Art, dass Patienten zu den vereinbarten Operationsterminen an den jeweiligen Standort, an dem die Operation stattfinde, einbestellt würden, gebe es natürlich. Hierauf habe sich der bisherige Vortrag im Verfahren bezogen. Durch die 24-Stunden-Mobilfunknummer werde keine Dienstsituation begründet, die mit der eines Bereitschafts- oder Notfalldienstes auch im Sinne der zu 01100 EBM-Ä ergangenen Rechtsprechung vergleichbar sei. Die Notfallnummer der Klägerin diene im Wesentlichen nur dazu, den Patienten, bei denen eine Operation durchgeführt worden sei, im Fall von Komplikationen, insbesondere auftretenden Schmerzen, eine Rückfragemöglichkeit zu eröffnen.

Die Abrechnung der GOP 01100 sei auch plausibel. Soweit es in Ausnahmefällen zur Abrechnung der Ziffer im Zusammenhang mit einer Nachbehandlung durch den Operateur gekommen sei, so sei dies nur geschehen, wenn der Operateur einen bei der Klägerin beschäftigten Anästhesisten unvorhergesehen hinzugezogen habe, zum Beispiel bei akuter Kreislaufproblematik. Um eine nach Uhrzeit mit dem Anästhesisten abgesprochene postoperative Kontrolle habe es sich hierbei nicht gehandelt. Für die Frage, ob die Inanspruchnahme unvorhergesehen war, spiele es keine Rolle, von wem der Arzt in Anspruch genommen worden sei.

Hierzu ergänzt die Beklagte, die Klägerin habe bisher vorgetragen, dass zwischen der postoperativen Behandlung und der Inanspruchnahme kein zeitlicher Zusammenhang bestanden habe und die GOP 01100 EBM-Ä nur bei telefonischer Kontaktaufnahme abends oder nachts durch den Patienten abgerechnet würde. Durch den Vortrag, wonach der Operateur die Klägerin kontaktiere, stelle sich die Annahme des SG München, die vorliegende Abrechnungsweise am Tag der Operation lasse sich mit einer zeitlichen Zäsur zwischen dem Aufsuchen der Praxis des Operateurs und der Inanspruchnahme erklären, weil der Patient den Anästhesisten der Klägerin kontaktiere, als falsch dar und entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Der Wortlaut der GOP 01100 EBM-Ä setze voraus, dass die Inanspruchnahme durch den Patienten zu erfolgen habe.

Mit Schreiben vom 12.10.2018 hat der Senat den Klägerbevollmächtigten um Klarstellung zum Ablauf der Erreichbarkeit der Praxis im Notfall gebeten. Nach Ansicht des Gerichts stelle sich die Situation wie folgt dar:

Auf der Homepage des OP-Centrums werde eine Mobilfunknummer genannt, unter der jederzeit (24/7) im Notfall ein Arzt zu erreichen sei. Die Anrufe würden auf das Mobiltelefon eines hierfür jeweils eingeteilten Arztes der Klägerin weitergeleitet. Bei Inanspruchnahme des Telefondienstes durch einen Patienten würden sodann durch den jeweils eingeteilten Arzt die erforderlichen Maßnahmen erbracht bzw. eingeleitet.

Diese Darstellung bestätigte die Klägerin mit Schriftsatz vom 22.10.2018 und ergänzte, den Patienten werde vor der Operation eine Informationsmappe über den Ablauf des Operationstages zur Verfügung gestellt. In der Mappe finde sich auch die Mobilfunknummer.

In der mündlichen Verhandlung ergänzte die Klägerin auf Frage des Senats, dass die jeweils eingeteilten angestellten Ärzte während ihrer Erreichbarkeit über das Mobiltelefon vergütet würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist statthaft, §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden.

Sie ist auch begründet, denn die Beklagte war berechtigt, die Abrechnungen der Klägerin sachlich-rechnerisch im erfolgten Umfang richtig zu stellen.

1. Das SG hat mit seiner Entscheidung, in Ziffer 1 des Tenors des Urteils vom 15.05.2017 die angefochtenen Honorarrückforderungsbescheide aus den Plausibilitätsprüfungen 2/08 bis 2/11 jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 25.02.2015 vollumfänglich aufzuheben, über mehr als den Streitgegenstand der Klageverfahren entschieden und damit gegen den Grundsatz „ne ultra petita“ (§ 123 SGG) verstoßen. Denn ausweislich des Protokolls und der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung war streitig nur noch die Richtigstellung bzw. Rückforderung der Leistungen der GOP 0100 EBM-Ä. Bezogen auf die übrigen, zunächst noch streitigen GOP (GOP 05230 und 01414) hatte die Klägerin ihre Klagen zurückgenommen, so dass die angefochtenen Bescheide insoweit bestandskräftig geworden sind.

Einer Prozesspartei mehr zuzusprechen, als sie beantragt hat, ist dem Gericht verwehrt (s. § 123 SGG „ne ultra petita“ und dazu Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 123 RdNr. 4).

2. Die angefochtenen Bescheide waren auch bezogen auf die allein noch streitige Absetzung der GOP 0100 EBM-Ä zutreffend.

a) Rechtsgrundlage der angefochtenen Berichtigungsbescheide ist § 106a Abs. 2 SGB V in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung (heute § 106d SGB V). Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheides. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 SGB I in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X verdrängen (stRspr, zB BSGE 89, 62, 66 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 42 S. 345 f und BSGE 89, 90, 93 f = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 S. 6 f; BSG, SozR 4-5520 § 32 Nr. 2 RdNr. 10; BSGE 96, 1, 2 f = SozR 4-2500 § 85 Nr. 22, RdNr. 11; BSG, SozR 4-2500 § 106a Nr. 1 RdNr. 12). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG SozR 3-2500 § 76 Nr. 2 S. 3; BSGE 89, 62, 75 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 42 S. 355; BSGE 96, 1, 3 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 22, RdNr. 11; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr. 1 RdNr. 12; aaO Nr. 3 RdNr. 18).

Die Tatbestandsvoraussetzung für eine nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V ist vorliegend erfüllt, weil die Klägerin die GOP 01100 EBM-Ä in den streitgegenständlichen Quartalen zu Unrecht abgerechnet hat und daher die Honorarbescheide vom 09.10.2008 (2/2008), 10.03.2009 (3/2008), 21.04.2009 (4/2008), 23.09.2009 (1/2009), 17.02.2010 (2/2009), 18.05.2010 (3/2009), 19.05.2010 (4/2009), 18.08.2010 (1/2010), 17.11.2010 (2/2010), 16.02.2011 (3/2010), 18.05.2011 (4/2010), 17.08.2011 (1/2011) und 16.11.2011 (2/2011) insoweit rechtswidrig sind. In wessen Verantwortungsbereich die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt, ist unerheblich; einzige tatbestandliche Voraussetzung ist die Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides (vgl. BSGE 93, 69, 71 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 11, RdNr. 7 - hierzu Engelhard, jurisPR-SozR 44/2004 Anm. 1).

b) Die Beklagte ist zu Recht von einem unzutreffenden Ansatz der GOP 01100 ausgegangen.

aa) Der für die Quartale 2/2008 bis 2/2011 jeweils maßgebliche EBM-Ä enthielt in Abschnitt II (Arztübergreifende allgemeine Gebührenordnungspositionen), 1. (Allgemeine Gebührenordnungspositionen), 1.1 (Aufwandserstattung für die besondere Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten) unter anderem die GOP 01100. Der Wortlaut der GOP 01100 lautet:

„Unvorhergesehene Inanspruchnahme eines Vertragsarztes durch einen Patienten

- zwischen 19:00 und 22:00 Uhr

- an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. zwischen 07:00 und 19:00 Uhr Die Gebührenordnungsposition 01100 ist nicht berechnungsfähig, wenn Sprechstunden vor 07:00 Uhr oder nach 19:00 Uhr stattfinden oder Patienten zu diesen Zeiten bestellt werden. […]".

bb) Mit der Problematik der unvorhergesehenen Inanspruchnahme bei der GOP 0100 EBM-Ä hat sich das LSG Hamburg in zwei Entscheidungen auseinandergesetzt.

Im Verfahren L 1 KA 5/12 (Urteil vom 25.04.2013) hatte das LSG entschieden, dass keine unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes bzw. einer ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtung durch Patienten iS von Nr. 01100 EBM-Ä 2008 vorliegt, wenn diese das vorgehaltene Angebot der Einrichtung annehmen, sich dort zu Zeiten behandeln zu lassen, die ansonsten üblicherweise sprechstundenfrei sind. Die Klägerin im dortigen Verfahren war auf ihren Antrag hin unter anderem in dem streitigen Quartal ermächtigt, in der Geburtshilflich Gynäkologischen Klinik als ärztlich geleiteter Einrichtung für die an sprechstundenfreien Tagen unbedingt notwendige Überwachung von Schwangeren mit Terminüberschreitung auf Überweisung durch Gynäkologen an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten teilzunehmen. Da die Klägerin gerade und ausschließlich zu diesen Zeiten ihre Dienste anbiete und ihr auf ihren Antrag hin auch nur für diese Zeiten die Ermächtigung erteilt worden sei, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen, sei die Behandlung eines Patienten während dieser Zeiträume nicht unvorhergesehen, sondern beabsichtigt und geplant. Diese Zeiten seien die normalen Dienstzeiten der Klägerin, sodass die Inanspruchnahme nicht außerhalb von diesen Zeiten stattfinde. Es treffe zwar zu, dass im Einzelfall nicht vorhersehbar ist, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit eine Schwangere ärztliche Hilfe benötigt. Dadurch unterscheide sich der Fall aber nicht von einem normalen Praxisbetrieb, in dem auch nicht vorhersehbar ist, zu welchem Zeitpunkt innerhalb der Sprechstundenzeit ein Patient den Arzt tatsächlich aufsucht. Maßgeblich sei insoweit nur, dass die Klägerin von den Patienten gerade in den Zeiten aufgesucht wird, in denen sie ihre Dienste regulär anbiete und die Inanspruchnahme insofern nicht unerwartet erfolge Streitig im Verfahren L 1 KA 59/09 (Urteil des LSG Hamburg vom 07.06.2012) war die Frage, ob die GOP 01100 auch im Rahmen eines vom Vertragsarzt vorgehaltenen Angebots einer Notfallsprechstunde abrechenbar ist. Das LSG verneinte die Abrechenbarkeit, denn es sei keine unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten, wenn dieser das vom Vertragsarzt vorgehaltene Angebot einer Notfallsprechstunde annimmt. Es sei zu unterscheiden zwischen der Initiierung einer Notfallbehandlung durch den Patienten, der unvorhergesehen ärztlicher Behandlung bedürfe, und der Frage, ob diese Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung durch den Patienten für den Arzt unvorhergesehen sei zu einer Zeit, in der er an einem unter seiner Mitwirkung bereitgestellten Notfalldienst teilnehme.

Das SG München hat sich im Verfahren S 21 KA 1354/12 (Urteil vom 24.09.2014) ebenfalls mit der unvorhergesehenen Inanspruchnahme beschäftigt. In diesem Verfahren ging es um die Situation, dass ein Vertragsarzt am Sonntag für einbestellte Patienten Sprechstunden abhielt, in dieser Zeit aber auch nicht angemeldete Patienten behandelte und für diese die GOP 01100 abrechnete. Hier hat das SG das Vorliegen einer Dienstsituation auch für die nicht angemeldeten Patienten gesehen, denn der Kläger habe auch alle nicht bestellten Patienten, die am Sonntag während seiner Anwesenheit eine Behandlung wünschten, behandelt. Dies entspreche einer faktischen Sprechstunde, die nach der Rechtsprechung der Abrechnung der GOP 01100 entgegensteht (so unter Bezugnahme auf den Beschluss des BSG vom 29.11.2007, B 6 KA 52/07 B; LSG Hamburg, Urteil vom 25.04.2013, Az. L 1 KA 5/12 und vom 07.06.2012, Az. L 1 KA 50/09).

Diese bereits entschiedenen Konstellationen unterscheiden sich jedoch von der vorliegenden insofern, als dort jeweils eine Behandlung im Rahmen einer Sprechstunde stattgefunden hatte, sei es im Rahmen einer Ermächtigung, einer Notfallsprechstunde oder bei der Gelegenheit einer regulären Sprechstunde. Die Klägerin im hier zu entscheidenden Fall hat aber unstreitig zumindest zu den im Zusammenhang mit der GOP 0100 EBM-Ä abgerechneten Zeiten keine Sprechstunden abgehalten, sondern lediglich einen Bereitschaftsdienst vorgehalten.

cc) Unzweifelhaft ist die GOP 01100 nur abrechenbar für die unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes. Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Nur soweit dieser zweifelhaft ist, ist Raum für eine systematische oder entstehungsgeschichtliche Interpretation (BSG, unter anderem Urteil vom 15.08.2012, Az. B 6 KA 34/11 R, RdNr. 13; vom 18.08.2010, Az. B 6 KA 23/09 R, RdNr. 11). Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden.

Die streitgegenständliche Berichtigung der Honorarforderung nach der Nr. 01100 EBM-Ä ist danach rechtmäßig, denn es ist keine unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten, wenn dieser das vom Vertragsarzt vorgehaltene Angebot einer Inanspruchnahme während eines Bereitschaftsdienstes annimmt. Es ist zu unterscheiden zwischen der Initiierung einer Notfallbehandlung durch den Patienten, der unvorhergesehen ärztlicher Behandlung bedarf, und der Frage, ob diese Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung durch den Patienten für den Arzt unvorhergesehen ist zu einer Zeit, in der er an einem unter seiner Mitwirkung bereitgestellten Bereitschaftsdienst teilnimmt. Der medizinische Fall kann dabei unvorhergesehen sein, die daraufhin erfolgte Inanspruchnahme des Arztes jedoch nicht. Eine weite Auslegung des Begriffs der „unvorhergesehenen Inanspruchnahme“ kommt nicht in Betracht.

Die GOP 01100 stellt eine Verengung der Voraussetzungen gegenüber der Nr. 5 im bis 31.03.2005 geltenden EBM-Ä dar (vergleiche LSG Hamburg, Urteil vom 07.06.2012, L 1 KA 59/09, SG München, Urteil vom 24.09.2014, S 21 KA 1354/12), der den Begriff der „unvorhergesehenen Inanspruchnahme“ noch nicht kannte. Schon dies spricht gegen eine weite Auslegung der GOP 01100. Unvorhergesehen ist die Inanspruchnahme des Vertragsarztes, wenn dieser zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht damit rechnete, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen, er also nicht in einer Dienstsituation in Anspruch genommen wurde. Diese Dienstsituation kann z.B. aufgrund einer Sprechstunde oder aufgrund eines angebotenen Notdienstes bestehen oder deshalb, weil der Patient für die Behandlung in den genannten Zeiten bestellt war.

Vorliegend hat die Klägerin zwar weder Sprechstunden angeboten noch die Patienten für die Behandlung in den genannten Zeiten bestellt. Sie hat aber einen Bereitschaftsdienst organisiert, indem sie sowohl den Patienten als auch den behandelnden Ärzten gegenüber eine Mobil-Notfallnummer bekannt gegeben hat, unter der jederzeit (24/7) ein Arzt der Beklagten erreichbar war. Nach Vortrag der Beklagten wurde die auch auf der Homepage der Beklagten bekannt gegebene Mobilfunknummer auf das Mobiltelefon des jeweils dafür eingeteilten Arztes umgeleitet. Dem jeweils eingeteilten Arzt war demnach bewusst, dass er jederzeit für die Patienten erreichbar war und dieser Bereitschaftsdienst auch Teil des Konzeptes der Beklagten gewesen ist. Soweit der diensthabende Arzt in dieser Situation durch einen Patienten telefonisch über die Notfallnummer kontaktiert wurde, war dies für den kontaktierten Arzt gerade nicht unvorhersehbar, da er wusste, dass er zum Bereitschaftsdienst eingeteilt war. Das Vorliegen einer dem Notdienst vergleichbaren Dienstsituation wird auch durch die Bezahlung der angestellten Ärzte während ihrer Einteilung zum Bereitschaftsdienst deutlich. Die Inanspruchnahme erfolgte damit nicht wider Erwarten. Eine Dienstsituation lag somit vor, weil die Klägerin den 24-Stunden-Bereitschaftsdienst bewusst, geplant und organisiert anbietet und der diensthabende Arzt in dieser Zeit mit einer Inanspruchnahme rechnen muss.

dd) Soweit die Klägerin vorträgt, die Situation sei mit der eines Hausarztes, dessen private Telefonnummer den Patienten bekannt ist, vergleichbar, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Der Hausarzt, der außerhalb seiner Dienstzeiten über seine private Telefonnummer kontaktiert wird, hat die Möglichkeit, den Patienten auf die Sprechstunden bzw. den allgemeinen ärztlichen Bereitschaftsdienst zu verweisen. Auch ist er nicht gehalten, das Telefongespräch überhaupt anzunehmen, denn er befindet sich gerade nicht in einer Dienstsituation. Der (Haus) Arzt ist auch nicht verpflichtet, sich außerhalb der Sprechstunden und Bereitschaftsdienste an einem Ort aufzuhalten, der ihm eine Behandlung seiner Patienten ermöglicht. Demgegenüber ist der insoweit eingeteilte (Bereitschafts) Arzt der Klägerin verpflichtet, den Anruf, der ihn über die Notfallnummer erreicht, entgegenzunehmen und sich dem Anliegen des Patienten zu widmen. Denn der Bereitschaftsdienst gehört nach eigenem Bekunden der Klägerin zu ihrem Leistungsspektrum. Mit der Angabe der Telefonnummer tritt die Klägerin aktiv an die Patienten heran und bietet ihnen an, bei Beschwerden auch abends und nachts zur Verfügung zu stehen. Dadurch beeinflusst und veranlasst sie die Inanspruchnahme zu Uhrzeiten ab 19:00 Uhr bzw. am Wochenende und an Feiertagen zumindest mit, was die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä ausschließt (so auch Kölner Kommentar zum EBM-Ä, GOP 01100, Stand 01.04.2018).

ee) Auch der Gesichtspunkt - wie das SG meint -, dass die Klägerin aufgrund ihrer besonderen Situation als Anästhesiepraxis keine regulären Sprechstunden anbietet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Ob die Klägerin überhaupt und in welchem Umfang Sprechstunden anbietet, spielt für die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä keine Rolle, so dass eine Sonderstellung für das Fachgebiet Anästhesiologie nicht gerechtfertigt ist. Maßgeblich ist allein der Wortlaut der Leistungslegende, d.h. die unvorhergesehene Inanspruchnahme innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens mit den genannten Einschränkungen. Bei der Auslegung der Klägerin, die GOP 0100 könne immer dann abgerechnet werden, wenn die in der Legende genannten Einschränkungen - Sprechstunde oder Einbestellung der Patienten - nicht vorlägen, hätte es des Zusatzes „unvorhergesehen“ nicht bedurft, weil jede Inanspruchnahme außerhalb der Sprechstunde und der Einbestellung unter die GOP fiele.

ff) Zudem ist die gehäufte Nebeneinanderabrechnung der GOP 01100 EBM-Ä neben der GOP 05230 EBM-Ä nicht schlüssig dargelegt. Die GOP 05230 vergütet das Aufsuchen der Praxis eines anderen Arztes, im vorliegenden Fall des Operateurs. Geht man - wie vom SG angenommen und vom Klägerbevollmächtigten vorgetragen - von einer zeitlichen Zäsur zwischen der OP und der Inanspruchnahme der Klägerin aus, so fand die Inanspruchnahme nicht im Zusammenhang mit dem Aufsuchen der Praxis des Operateurs statt. Nicht nachvollziehbar ist dann jedoch, wozu der Anästhesist am Tag nach dem Eingriff noch einmal die Praxis des Operateurs aufsuchte, wenn der Operateur an diesem Tag die postoperative Behandlung durchführte. Schmerztherapeutische Leistungen wurden dabei ausweislich der Abrechnungsdaten jedenfalls nicht erbracht (vergleiche hierzu beispielsweise laut Einzelfall-Nachweis die Behandlung der Patienten E. W. am 02.02.2010 und R. S. am 12.01.2010). Demgegenüber trägt der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 19.03.2018 vor, eine zeitliche Zäsur habe in Ausnahmefällen nicht vorgelegen, wenn der Operateur bei einer Nachbehandlung einen bei der Klägerin beschäftigten Anästhesisten unvorhergesehen hinzugezogen habe, zum Beispiel bei Kreislaufproblemen. Um eine nach Uhrzeit mit dem Anästhesisten abgesprochene postoperative Kontrolle habe sich hierbei nicht gehandelt. Eine Hinzuziehung zur postoperativen Behandlung bei gleichzeitiger Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä ist aber insofern realitätsfern, als der Operateur seine Patienten dann in der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 22:00 Uhr zur routinemäßigen postoperativen Behandlung einbestellt hätte. Es erscheint zumindest ungewöhnlich, wenn eine reguläre postoperative Kontrolle nach 19.00 Uhr oder am Wochenende stattgefunden haben soll.

Aber auch unterstellt, die Uhrzeiten sind zutreffend, ist davon auszugehen, dass der hinzugezogene Arzt der Klägerin über die Notfallmobilfunknummer der Klägerin gerufen wurde, so dass auch in dieser Konstellation die Inanspruchnahme nicht unvorhersehbar gewesen ist. Auf die Frage, ob die Abrechenbarkeit der GOP 01100 bereits dann ausgeschlossen ist, wenn die Initiative zur Inanspruchnahme nicht vom Patienten selbst, sondern von dem anderen behandelnden Arzt - hier dem Operateur - ausgeht, kommt es insoweit nicht an.

Als Anwendungsfälle für die Nr. 01100 bleiben daher echte Fälle unvorhersehbarer Inanspruchnahme zur kurativen Behandlung außerhalb der Sprechzeiten oder der Teilnahme an einem angebotenen Notfall/Bereitschaftsdienst, etwa der nächtliche Anruf beim Haus- oder Kinderarzt des Vertrauens.

3. Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der fehlerhaften Honorarbescheide war auch nicht durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes eingeschränkt.

Die nachträgliche Korrektur eines Honorarbescheides nach den Vorschriften über die sachlich-rechnerisch Richtigstellung ist nicht mehr möglich, wenn die Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheides bereits abgelaufen ist (BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 S. 16 mwN; vgl. zur Hemmung der vierjährigen Ausschlussfrist BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 35/12 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 10; vgl. im Hinblick auf die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V auch: BSG Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 27/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 37 RdNr. 19 ff; Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 45/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 36 RdNr. 16 ff). Eine Rücknahme des Honorarbescheides ist nach Ablauf der Frist nur noch unter Berücksichtigung der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 iVm Abs. 4 Satz 1 SGB X möglich. Diese Fallgruppe ist vorliegend nicht einschlägig, da ersichtlich die Frist von vier Jahren, die nach der Rechtsprechung des BSG am Tag nach der Bekanntgabe des Honorarbescheides beginnt (vgl. BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 S. 16; BSG Urteil vom 28.3.2007 - B 6 KA 26/06 R - Juris RdNr. 16; BSGE 106, 222, 236 = SozR 4-5520 § 32 Nr. 4, RdNr. 60 mwN), nicht abgelaufen ist. Der Honorarbescheid für das Quartal 2/08 datiert vom 09.10.2008. Die Frist von vier Jahren war daher am 13.03.2012, dem Datum des Erlasses des Berichtigungsbescheides für die Quartale 2/08 bis 3/09, noch nicht abgelaufen. Auch die anderen Fallkonstellationen, die die Befugnis der KÄV zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten einschränken, liegen nicht vor. Entsprechendes wurde von der Klägerin auch nicht vorgetragen.

Die Berufung hat daher Erfolg. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 13.03.20112 und 24.09.2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.02.2015 sind nicht zu beanstanden, weshalb das Urteil des SG aufzuheben ist und die Klagen abzuweisen sind.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

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Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 31. Okt. 2018 - L 12 KA 93/17 zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 45 Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen de

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 50 Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen


(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten. (2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatt

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 106 Wirtschaftlichkeitsprüfung


(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und d

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 123


Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 106a Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlicher Leistungen


(1) Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen kann auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 37 Vorbehalt abweichender Regelungen


Das Erste und Zehnte Buch gelten für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt; § 68 bleibt unberührt. Der Vorbehalt gilt nicht für die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36. Das Zweite Kapite

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 106d Abrechnungsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung


(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen prüfen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung. (2) Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen kann auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106c geprüft werden. Die Prüfung kann neben dem zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumen auch Überweisungen sowie sonstige veranlasste ärztliche Leistungen, insbesondere aufwändige medizinisch-technische Leistungen umfassen; honorarwirksame Begrenzungsregelungen haben keinen Einfluss auf die Prüfungen.

(2) Veranlassung für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 1 besteht insbesondere

1.
bei begründetem Verdacht auf fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation),
2.
bei begründetem Verdacht auf fehlende Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität),
3.
bei begründetem Verdacht auf mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualitätsmangel), insbesondere in Bezug auf die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthaltenen Vorgaben,
4.
bei begründetem Verdacht auf Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel oder
5.
bei begründetem Verdacht, dass Leistungen des Zahnersatzes und der Kieferorthopädie unvereinbar mit dem Heil- und Kostenplan sind.

(3) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. November 2019 das Nähere zu den Voraussetzungen nach Absatz 2 in Rahmenempfehlungen. Die Rahmenempfehlungen sind bei den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigen.

(4) Die in § 106 Absatz 1 Satz 2 genannten Vertragspartner können über die Prüfung nach Absatz 1 hinaus Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 oder Absatz 3 getroffen, dürfen bei Ärzten der betroffenen Arztgruppe keine Prüfungen nach Durchschnittswerten durchgeführt werden. In den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 sind die Zahl der je Quartal höchstens zu prüfenden Ärzte in einer Kassenärztlichen Vereinigung sowie im Rahmen der Prüfungen nach Absatz 1 und der Prüfungen nach Satz 1 als Kriterien zur Unterscheidung Praxisbesonderheiten festzulegen, die sich aus besonderen Standort- und Strukturmerkmalen des Leistungserbringers oder bei besonderen Behandlungsfällen ergeben. Die Praxisbesonderheiten sind vor Durchführung der Prüfungen als besonderer Versorgungsbedarf durch die Prüfungsstellen anzuerkennen; dies gilt insbesondere auch bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Besuchsleistungen.

(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen prüfen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung.

(2) Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität, auf Einhaltung der Vorgaben nach § 295 Absatz 4 Satz 3 sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Arztes; Vertragsärzte und angestellte Ärzte sind entsprechend des jeweiligen Versorgungsauftrages gleich zu behandeln. Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zu Grunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zu Grunde gelegt werden. Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen nach Satz 2 zu Grunde zu legen. Satz 2 bis 4 gilt nicht für die vertragszahnärztliche Versorgung. Bei den Prüfungen ist von dem jeweils angeforderten Punktzahlvolumen unabhängig von honorarwirksamen Begrenzungsregelungen auszugehen. Soweit es für den jeweiligen Prüfungsgegenstand erforderlich ist, sind die Abrechnungen vorangegangener Abrechnungszeiträume in die Prüfung einzubeziehen. Die Kassenärztliche Vereinigung unterrichtet die in Absatz 5 genannten Verbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen unverzüglich über die Durchführung der Prüfungen und deren Ergebnisse. Satz 2 gilt auch für Verfahren, die am 31. Dezember 2014 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen waren.

(3) Die Krankenkassen prüfen die Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen insbesondere hinsichtlich

1.
des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht,
2.
der Plausibilität von Art und Umfang der für die Behandlung eines Versicherten abgerechneten Leistungen in Bezug auf die angegebene Diagnose, bei zahnärztlichen Leistungen in Bezug auf die angegebenen Befunde,
3.
der Plausibilität der Zahl der vom Versicherten in Anspruch genommenen Ärzte, unter Berücksichtigung ihrer Fachgruppenzugehörigkeit.
Sie unterrichten die Kassenärztlichen Vereinigungen unverzüglich über die Durchführung der Prüfungen und deren Ergebnisse.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände können, sofern dazu Veranlassung besteht, gezielte Prüfungen durch die Kassenärztliche Vereinigung nach Absatz 2 beantragen. Die Kassenärztliche Vereinigung kann, sofern dazu Veranlassung besteht, Prüfungen durch die Krankenkassen nach Absatz 3 beantragen. Bei festgestellter Unplausibilität nach Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 kann die Krankenkasse oder ihr Verband eine Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlicher Leistungen beantragen; dies gilt für die Kassenärztliche Vereinigung bei festgestellter Unplausibilität nach Absatz 2 entsprechend. Wird ein Antrag nach Satz 1 von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht innerhalb von sechs Monaten bearbeitet, kann die Krankenkasse einen Betrag in Höhe der sich unter Zugrundelegung des Antrags ergebenden Honorarberichtigung auf die zu zahlende Gesamtvergütung anrechnen.

(5) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich vereinbaren Inhalt und Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 bis 4. In den Vereinbarungen sind auch Maßnahmen für den Fall von Verstößen gegen Abrechnungsbestimmungen, einer Überschreitung der Zeitrahmen nach Absatz 2 Satz 3 sowie des Nichtbestehens einer Leistungspflicht der Krankenkassen, soweit dies dem Leistungserbringer bekannt sein musste, vorzusehen. Die Maßnahmen, die aus den Prüfungen nach den Absätzen 2 bis 4 folgen, müssen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides festgesetzt werden; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Der Inhalt der Richtlinien nach Absatz 6 ist Bestandteil der Vereinbarungen.

(6) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 und 3 einschließlich der Voraussetzungen für die Einhaltung der Ausschlussfrist nach Absatz 5 Satz 3 und des Einsatzes eines elektronisch gestützten Regelwerks; die Richtlinien enthalten insbesondere Vorgaben zu den Kriterien nach Absatz 2 Satz 2 und 3. Die Richtlinien sind dem Bundesministerium für Gesundheit vorzulegen. Es kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Kommen die Richtlinien nicht zu Stande oder werden die Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit nicht innerhalb einer von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium für Gesundheit die Richtlinien erlassen.

(7) § 106 Absatz 4 gilt entsprechend.

Das Erste und Zehnte Buch gelten für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt; § 68 bleibt unberührt. Der Vorbehalt gilt nicht für die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36. Das Zweite Kapitel des Zehnten Buches geht dessen Erstem Kapitel vor, soweit sich die Ermittlung des Sachverhaltes auf Sozialdaten erstreckt.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen kann auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106c geprüft werden. Die Prüfung kann neben dem zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumen auch Überweisungen sowie sonstige veranlasste ärztliche Leistungen, insbesondere aufwändige medizinisch-technische Leistungen umfassen; honorarwirksame Begrenzungsregelungen haben keinen Einfluss auf die Prüfungen.

(2) Veranlassung für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 1 besteht insbesondere

1.
bei begründetem Verdacht auf fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation),
2.
bei begründetem Verdacht auf fehlende Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität),
3.
bei begründetem Verdacht auf mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualitätsmangel), insbesondere in Bezug auf die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthaltenen Vorgaben,
4.
bei begründetem Verdacht auf Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel oder
5.
bei begründetem Verdacht, dass Leistungen des Zahnersatzes und der Kieferorthopädie unvereinbar mit dem Heil- und Kostenplan sind.

(3) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. November 2019 das Nähere zu den Voraussetzungen nach Absatz 2 in Rahmenempfehlungen. Die Rahmenempfehlungen sind bei den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigen.

(4) Die in § 106 Absatz 1 Satz 2 genannten Vertragspartner können über die Prüfung nach Absatz 1 hinaus Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 oder Absatz 3 getroffen, dürfen bei Ärzten der betroffenen Arztgruppe keine Prüfungen nach Durchschnittswerten durchgeführt werden. In den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 sind die Zahl der je Quartal höchstens zu prüfenden Ärzte in einer Kassenärztlichen Vereinigung sowie im Rahmen der Prüfungen nach Absatz 1 und der Prüfungen nach Satz 1 als Kriterien zur Unterscheidung Praxisbesonderheiten festzulegen, die sich aus besonderen Standort- und Strukturmerkmalen des Leistungserbringers oder bei besonderen Behandlungsfällen ergeben. Die Praxisbesonderheiten sind vor Durchführung der Prüfungen als besonderer Versorgungsbedarf durch die Prüfungsstellen anzuerkennen; dies gilt insbesondere auch bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Besuchsleistungen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Streitig ist die Erstattung der Kosten für eine im Rahmen einer Polypenentfernung bei einem Versicherten der beklagten Krankenkasse verwendete Einmal-Polypektomieschlinge in Höhe von 11,95 Euro.

2

Der Kläger nimmt als Facharzt für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung Gastroenterologie an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er legte im November 2008 der Beklagten ein Rezept über eine Einmal-Polypektomieschlinge vor, die er bei einem ihrer Versicherten im Rahmen einer Koloskopie verwendet hatte, und bat um Erstattung der Sachkosten in Höhe von 11,95 Euro nach den Allgemeinen Bestimmungen Nr 7.3 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä). Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme ab, weil die beantragten Kosten in den abrechnungsfähigen Leistungen im Rahmen einer Koloskopie bereits enthalten und mit dieser Vergütung abgegolten seien. Auf die Bitte des Klägers um Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 27.4.2009 eine Kostenerstattung erneut ab.

3

Das SG hat mit Urteil vom 21.4.2010 die Klage abgewiesen und zunächst ausgeführt, dass Kosten, die nicht in den Gebührenordnungspositionen enthalten seien und auch nicht als Sprechstundenbedarf verordnet werden könnten, bei der rechnungsbegleichenden Stelle geltend zu machen seien, die durch die Partner des Gesamtvertrages bestimmt werde. Da eine solche Bestimmung in Rheinland-Pfalz nicht vorgenommen worden sei, könnten die Ärzte ihre Ansprüche auf Erstattung von Sachkosten direkt bei der Krankenkasse geltend machen, für deren Versicherten die Kosten aufgewendet worden seien. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für Einmal-Polypektomieschlingen bestehe jedoch nicht. Nach Nr 7.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä würden ua Materialien, die nach der Anwendung am Patienten verbraucht seien, nicht von den jeweiligen Gebührenordnungsziffern umfasst. Einmal-Polypektomieschlingen seien für den einmaligen Gebrauch gedacht, sodass davon auszugehen sei, dass die Kosten hierfür nicht in der Vergütung nach Nr 13423 EBM-Ä enthalten seien. Dem Gesamtzusammenhang der Regelungen sei jedoch zu entnehmen, dass die Vertragspartner des EBM-Ä davon ausgegangen seien, dass für Polypektomien Mehrfachschlingen verwendet werden könnten, deren Kosten bei Umlegung auf den Einzelfall minimal seien. Der Kläger habe auch bestätigt, dass nach der Ansicht des Robert-Koch-Instituts (RKI) ein verlässliches Verfahren für die Sterilisation von Mehrfachschlingen zur Verfügung stehe und daher deren Verwendung nicht ausgeschlossen sei. Die Vertragspartner des EBM-Ä hätten dementsprechend keinen Anlass gesehen, Regelungen zu den Sachkosten für Polypektomieschlingen zu treffen.

4

Das LSG hat die Berufung mit dem angefochtenen Urteil vom 5.5.2011 zurückgewiesen. Gemäß Nr 7.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä idF vom 1.8.2007 seien in den Gebührenordnungspositionen - soweit nichts anderes bestimmt sei - ua Kosten für Arzneimittel, Verbandmittel, Materialien, Instrumente, Gegenstände und Stoffe, die nach der Anwendung verbraucht seien, nicht enthalten. Nach § 44 Abs 5 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) wähle der Vertragsarzt diese gesondert berechnungsfähigen Materialien unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes und der medizinischen Notwendigkeit. Bei der Einmal-Polypektomieschlinge handele es sich zwar um Material, das nicht in den Leistungen des EBM-Ä enthalten sei und auch nicht über Sprechstundenbedarf bezogen werden könne, die Verwendung der Einmal-Polypektomieschlinge entspreche jedoch nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Kostengünstiger sei die Verwendung von Mehrfachschlingen. Wie der Kläger selbst eingeräumt habe, stehe ein verlässliches Verfahren für die Sterilisation von Mehrfachschlingen zur Verfügung.

5

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Bei den Kosten für Einmal-Polypektomieschlingen handele es sich um gesondert abrechnungsfähige Kosten gemäß den Allgemeinen Bestimmungen Nr 7.3 EBM-Ä. Er könne nicht darauf verwiesen werden, mehrfach verwendbare Polypektomieschlingen zu benutzen. Die Erstattungsfähigkeit von Einmalmaterialien hänge nicht davon ab, ob für deren Verwendung zwingende medizinische Gründe bestünden. Dies sei im Übrigen der Fall. In anderen europäischen Ländern sei aus Gründen der Hygiene die Verwendung von wiederaufbereiteten Polypektomieschlingen bereits untersagt. Die ordnungsgemäße Wiederaufbereitung mehrfach verwendbarer Polypektomieschlingen sei mit einem enormen organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5.5.2011 und das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 21.4.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Kosten für die Einmal-Polypektomieschlinge in Höhe von 11,95 Euro zu erstatten.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Erstattung der Kosten für die im Rahmen der Behandlung eines bei ihr Versicherten verwendete Einmal-Polypektomieschlinge versagt.

10

1. Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zulässig. Der klagende Vertragsarzt begehrt von der beklagten Krankenkasse die unmittelbare Erstattung von Sachkosten, die im Zusammenhang mit der Behandlung eines ihrer Versicherten entstanden sind. Die Beteiligten stehen sich dabei in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüber (vgl BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 1 RdNr 10 für das Verhältnis einer Krankenkasse zu einem freiberuflich tätigen Apotheker; BSGE 90, 1, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20 für das Verhältnis zu einem Krankenhaus). Besondere Gründe dafür, dass trotz der Gleichordnung etwa im Hinblick auf eine notwendig einheitliche und abschließende Entscheidung durch Verwaltungsakt zu entscheiden wäre (vgl BSG SozR 4-5555 § 21 Nr 2 zur Entscheidung einer KZÄV über den Antrag einer Ersatzkasse auf Richtigstellung einer zahnärztlichen Abrechnung), sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat auch nicht in der Form eines Verwaltungsaktes gehandelt. Sie hat auf die Aufforderung zur Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides mit Schreiben vom 27.4.2009 lediglich ihre Rechtsauffassung bekräftigt und auf die Möglichkeit einer Leistungsklage hingewiesen.

11

2. Die Vorinstanzen haben auch zu Recht entschieden, dass die Klage gegen den richtigen Anspruchsgegner gerichtet war. Gemäß § 44 Abs 5 BMV-Ä fordern Vertragsärzte Kosten, die nicht in den Gebührenordnungspositionen enthalten sind und auch nicht als Sprechstundenbedarf verordnet werden können, bei der rechnungsbegleichenden Stelle an, die von den Gesamtvertragspartnern bestimmt wird. Nach den Feststellungen des LSG ist eine solche Bestimmung für Rheinland-Pfalz nicht getroffen worden. Da somit eine zentrale Abrechnungsstelle nicht vorhanden ist, ist Anspruchsgegner die Krankenkasse, für deren Versicherten die Kosten entstanden sind.

12

3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die bei dem Versicherten B. verwendete Einmal-Polypektomieschlinge. Dies ergibt sich aus Abschnitt I Nr 7 iVm Nr 13423 des EBM-Ä.

13

Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich (vgl zuletzt BSG SozR 4-5531 Nr 7120 Nr 1 RdNr 11). Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM-Ä, des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs 1 SGB V ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 12; SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11 und Nr 10 RdNr 10, jeweils mwN). Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11 mwN). Diese Grundsätze gelten auch für Kostenerstattungstatbestände (vgl BSG SozR 4-5531 Nr 7120 Nr 1 RdNr 11; BSG MedR 2000, 201, 202; SozR 3-5533 Nr 7103 Nr 1 S 6). Bei Anwendung dieser Maßstäbe hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Einmal-Polypektomieschlinge.

14

Nach den Allgemeinen Bestimmungen Nr 7.1 EBM-Ä sind in den berechnungsfähigen Leistungen - soweit nichts anderes bestimmt ist - ua enthalten:

        

-       

Allgemeine Praxiskosten,

        

-       

Kosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten und Apparaten entstanden sind,

        

-       

Kosten für Einmalspritzen, Einmalkanülen, Einmaltrachealtuben, Einmalabsaugkatheter, Einmalhandschuhe, Einmalrasierer, Einmalharnblasenkatheter, Einmalskalpelle, Einmalproktoskope, Einmaldarmrohre, Einmalspekula, Einmalküretten und (seit dem 1.10.2010) Einmal-Abdecksets.

15

Nach den Allgemeinen Bestimmungen Nr 7.3 EBM-Ä sind in den berechnungsfähigen Leistungen - soweit nichts anderes bestimmt ist - nicht enthalten:

        

-       

Kosten für Arzneimittel, Verbandmittel, Materialien, Instrumente, Gegenstände und Stoffe, die nach der Anwendung verbraucht sind oder die der Kranke zur weiteren Verwendung behält,

        

-       

Kosten für Einmalinfusionsbestecke, Einmalinfusionskatheter, Einmalinfusionsnadeln und Einmalbiopsienadeln,

        

-       

Telefonkosten.

16

Nach den Allgemeinen Bestimmungen Nr 7.4 EBM-Ä erfolgt die Abrechnung und Abgeltung der Kosten nach Nr 7.3 nach Maßgabe der Gesamtverträge.

17

In der hier vom Kläger abgerechneten Nr 13423 EBM-Ä - Polypektomie von Polypen mit einer Größe > 5 mm mittels Hochfrequenzdiathermieschlinge - findet sich keine besondere Bestimmung zu den Kosten für die verwendete Schlinge. Die Kostenregelung richtet sich damit nach den genannten allgemeinen Vorschriften. Kosten für Polypektomieschlingen sind keine allgemeinen Praxiskosten iS der Allgemeinen Bestimmungen Nr 7.1 erster Spiegelstrich EBM-Ä, weil sie nicht durch die ärztliche Tätigkeit allgemein entstehen, sondern speziell einzelnen Leistungen zugeordnet werden können. Polypektomieschlingen sind ärztliche Instrumente, die für die Erbringung bestimmter im EBM-Ä vorgesehener Leistungen benötigt werden. Für Kosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten entstanden sind, bestimmt Nr 7.1 zweiter Spiegelstrich EBM-Ä, dass sie in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten sind, soweit nichts anderes bestimmt ist. Instrumente, die nach der Anwendung verbraucht sind, sind hingegen nach der Regelung der Nr 7.3 erster Spiegelstrich in den berechnungsfähigen Leistungen nicht enthalten.

18

Es kann offenbleiben, ob Nr 7.1 zweiter Spiegelstrich EBM-Ä nicht eine abschließende Regelung zu ärztlichen Instrumenten enthält. Eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung legt eine Differenzierung zwischen "ärztlichen Instrumenten" (Nr 7.1 zweiter Spiegelstrich) einerseits und "Instrumenten" (Nr 7.3 erster Spiegelstrich) andererseits nahe. Nimmt man hinzu, dass der Relativsatz in Nr 7.3 erster Spiegelstrich EBM-Ä auch die Möglichkeit enthält, dass der Kranke die Instrumente zur weiteren Verwendung behält, spricht dies ebenfalls für eine solche Differenzierung. Polypektomieschlingen wären dann in jeglicher Verwendungsform - als Einmalartikel und als mehrfach verwendbare Artikel - infolge ihrer Eigenschaft als ärztliche Instrumente nicht gesondert berechnungsfähig. Das entspräche auch dem Wortlaut der Regelungen in der GOÄ, wo in § 4 Abs 3 vorgesehen ist, dass mit den Gebühren die Kosten für die Anwendung von Instrumenten und Apparaten abgegolten sind. Nach § 10 Abs 1 Nr 1 GOÄ können gesondert nur berechnet werden die Kosten für diejenigen Arzneimittel, Verbandmittel und sonstigen Materialien, die der Patient zur weiteren Verwendung behält oder die mit einer einmaligen Verwendung verbraucht sind. "Instrumente" und "Apparate" werden nicht mehr erwähnt.

19

Jedenfalls folgt die mangelnde Erstattungsfähigkeit von Kosten für Einmal-Polypektomieschlingen aus einer systematischen Auslegung der Bestimmungen der Nr 7 EBM-Ä. Wie sich bereits aus der Stellung der einzelnen Regelungen innerhalb der Norm ergibt, ist zunächst zu prüfen, ob Kosten für die für eine ärztliche Leistung benötigten Instrumente in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten sind. Ist dies der Fall, kommt eine weitere Prüfung, ob die Kosten für ein nur einmal verwendbares ärztliches Instrument nach Nr 7.3 erster Spiegelstrich EBM-Ä in den berechnungsfähigen Leistungen nicht enthalten sind, nicht mehr in Betracht. So liegt der Fall hier. Da die Gebührenordnungsnummer 13423 EBM-Ä das zu verwendende Instrument ausdrücklich benennt und gleichzeitig keine Kostenregelung enthält, ist davon auszugehen, dass die Kosten für die benötigten ärztlichen Instrumente nach Nr 7.1 zweiter Spiegelstrich EBM-Ä in der Gebührenordnungsposition enthalten sind. Ob die Relation der Preise für Einmal-Polypektomieschlingen zur punktzahlmäßigen Bewertung der Leistung im EBM-Ä eine Verwendung von Einmal-Instrumenten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausschließt, kann offenbleiben. Die vom Kläger vorgetragene zunehmende Verwendung von Einmal-Schlingen lässt eher eine Verbesserung der Kostensituation vermuten. Jedenfalls sind mangels anderweitiger Bestimmung die Kosten für mehrfach verwendbare Polypektomieschlingen mit der Gebührenordnungsposition abgegolten. Hiervon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus. Sind aber mehrfach verwendbare Polypektomieschlingen in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten, ist daneben die Erstattung von Kosten für eine Einmal-Polypektomieschlinge nicht mehr möglich. Dem Vertragsarzt ist die Verwendung von Einmal-Instrumenten zwar nicht verwehrt, er kann auf diese Weise aber keine gesonderte Erstattung von Kosten erlangen. Die Kostenregelung der Nr 7.1 zweiter Spiegelstrich EBM-Ä kann nicht dadurch umgangen werden, dass der Vertragsarzt statt mehrfach verwendbarer Instrumente nur einmal verwendbare Instrumente in der Leistungserbringung anwendet. Er würde sonst in unberechtigter Weise privilegiert, weil er die volle Vergütung für die Leistung einschließlich der kalkulatorisch enthaltenen Kostenanteile erhielte und zusätzlich die tatsächlichen Kosten erstattet bekäme.

20

Im Gegensatz zu den Einmal-Polypektomieschlingen handelte es sich bei den Einmal-Abdecksets, deren Kosten Gegenstand der Entscheidung des LSG NRW vom 16.1.2008 (L 11 KA 44/06 - MedR 2010, 65) sowie des anschließenden Revisionsverfahrens B 6 KA 6/08 R waren, nicht um Instrumente, sondern um Materialien, die zur Gewährleistung der Hygiene im Zusammenhang mit der Anwendung ärztlicher Instrumente verwendet wurden. Sie fanden sich bis zum 30.9.2010 nicht in der Nr 7.1 EBM-Ä und waren damit nicht in den Gebührenordnungspositionen enthalten. Alle Einmal-Artikel, die nicht zugleich auch ärztliche Instrumente oder Apparaturen darstellen, sind grundsätzlich der allgemeinen Regelung der Nr 7.3 zweiter Spiegelstrich EBM-Ä (bis zum 31.3.2005 Nr 4 zweiter Spiegelstrich) zuzuordnen mit der Folge, dass die Kosten gesondert zu erstatten sind, sofern die Einmal-Artikel nicht wiederum in Nr 7.1 dritter Spiegelstrich EBM-Ä (früher Nr 2 dritter Spiegelstrich) ausdrücklich genannt werden. Im Fall der Einmal-Abdecksets griff die allgemeine Regelung zu den Materialien, die nach ihrer Anwendung verbraucht sind und deren Kosten nicht in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten sind.

21

Es kann dahin stehen, ob eine andere Bewertung in Betracht käme, wenn nur noch die Verwendung von Einmal-Polypektomieschlingen medizinischem Standard entsprechen würde. Das ist jedenfalls selbst nach dem Vorbringen des Klägers nicht der Fall. Auch nach seinem Vortrag - und der Internet-Präsentation des Berufsverbandes Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands eV, deren Vorstandsmitglied der Kläger ist - kommen mehrfach verwendbare Polypektomieschlingen bei der Leistungserbringung nach Nr 13423 EBM-Ä zulässiger Weise zum Einsatz. Ob dies medizinisch und/oder in Anbetracht des Aufwands für die erforderliche Resterilisierung wirtschaftlich sinnvoll ist, mag umstritten sein. Der Einsatz mehrfach verwendbarer Instrumente ist aber jedenfalls erlaubt und entspricht nach wie vor medizinischem Standard. Zu einer anderen Beurteilung führen einzelne Beanstandungen des Verfahrens der Wiederaufbereitung nicht. Da der Bewertungsausschuss in Kenntnis der medizinischen Möglichkeiten keine gesonderte Regelung getroffen hat, kann davon ausgegangen werden, dass er die Leistungserbringung mittels mehrfach verwendbarer Schlingen als hygienisch unbedenklich und wirtschaftlich vertretbar vorausgesetzt hat. Diese Wertung würde ausgehebelt, wenn bei der Leistungserbringung verwendete Einmal-Instrumente gesondert berechnungsfähig wären. Das Ergebnis, dass jedenfalls dann, wenn Kosten für mehrfach verwendbare ärztliche Instrumente als Kostenanteil in den Honoraren für die jeweils berechnungsfähigen Leistungen enthalten sind, eine gesonderte Kostenerstattung für anstelle der mehrfach verwendbaren Instrumente eingesetzte Einmal-Artikel ausscheidet, entspricht auch den Vorgaben des § 72 Abs 2 SGB V einer wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standards der medizinischen Erkenntnisse bei Gewährleistung einer angemessenen Vergütung der ärztlichen Leistung, die auch bei der Auslegung der Abrechnungsbestimmungen des EBM-Ä zu berücksichtigen sind(vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 5 RdNr 19).

22

Es kann offenbleiben, ob daneben - im Sinne der Auffassung des LSG - auch der seit dem 1.7.2001 geltende § 44 Abs 5 BMV-Ä das Ergebnis stützt. Nach § 44 Abs 5 Satz 2 BMV-Ä wählt der Vertragsarzt die gesondert berechnungsfähigen Materialien unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes und der medizinischen Notwendigkeit aus. Es ist aber nicht ersichtlich, dass damit unter Rückgriff auf das Wirtschaftlichkeitsgebot eine weitere Abgrenzung von gesondert berechenbaren und nicht berechenbaren Einmal-Instrumenten eingeführt wird. Diese Abgrenzung obliegt vielmehr allein dem Bewertungsausschuss. Nach dem Gesamtzusammenhang der Regelungen des § 44 Abs 5 BMV-Ä, die sich insbesondere zur Preisgestaltung verhalten, bezieht sich das hierin nochmals erwähnte Wirtschaftlichkeitsgebot nur auf die Auswahl unter den gesondert berechnungsfähigen Materialien.

23

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels zu tragen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. März 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Streitig ist die Abrechenbarkeit der Nr 7120 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM-Ä - in der bis zum 31.3.2005 geltenden Fassung) bei sogenannten fraktionierten Laboruntersuchungen im Quartal II/2003.

2

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis für Laboratoriumsmedizin. Die Beklagte stellte ihre Abrechnung für das Quartal II/2003 mit Bescheid vom 17.10.2003 richtig und brachte 40-mal die Leistung nach der Nr 7103 EBM-Ä und 23 571-mal die Leistung nach der Nr 7120 EBM-Ä in Abzug. Die Klägerin habe diese Leistungen bei Anforderungen von Laborzuweisern erbracht. Nach Kapitel U EBM-Ä sei die Pauschalerstattung nach Nr 7103 EBM-Ä aber nur einmal im Behandlungsfall und nur von dem Arzt, dem der Überweisungsauftrag zur Probenuntersuchung erteilt worden sei, berechnungsfähig. Werde die Auftragsleistung von dem annehmenden Arzt ganz oder teilweise zur Durchführung an einen anderen Arzt weiter überwiesen, sei die Nr 7103 EBM-Ä in demselben Behandlungsfall weder vom weitergebenden noch vom annehmenden Arzt berechnungsfähig. Für diese Weitergabe könnten die Versandkosten auch nicht nach Nr 7120 EBM-Ä angesetzt werden. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie könne zwar die Nr 7103 EBM-Ä nicht für Einsendefälle berechnen, sei aber nicht gehindert, in diesen Fällen die Nr 7120 EBM-Ä hilfsweise für die Übermittlungen der Befundmitteilung in Ansatz zu bringen. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück und führte aus, die Nr 7103 EBM-Ä sei nicht abrechenbar, wenn der Klägerin Laborzielaufträge im Rahmen einer Weiterüberweisung von anderen Laborärzten zugeleitet worden seien. Ein hilfsweiser Ansatz der Nr 7120 EBM-Ä für die Übermittlung von Befundmitteilungen scheide aus, weil eine analoge Bewertung von Leistungen nicht erfolgen dürfe (Widerspruchsbescheid vom 14.9.2004).

3

Das SG hat der auf die Leistungen nach Nr 7120 EBM-Ä beschränkten Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, in der Abrechnung des Quartals II/2003 für die Übermittlung von Befundmitteilungen die Nr 7120 EBM-Ä in Ansatz zu bringen (Urteil vom 26.6.2007). Ein Leistungsausschluss nach Kapitel U Unterpunkt 2 EBM-Ä bestehe nicht, weil die Klägerin die Nr 7103 EBM-Ä weder abgerechnet habe noch diese Leistung für sie abrechenbar gewesen sei.

4

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 11.3.2009). Die Beklagte habe zu Recht die Ansätze der Nr 7120 EBM-Ä sachlich-rechnerisch richtiggestellt. Der Abrechnung stehe der in Kapitel U Unterpunkt 2 EBM-Ä normierte Abrechnungsausschluss für "Pauschalerstattungen für die Versendung bzw. den Transport von Briefen, Szintigrammen und/oder schriftlichen Unterlagen, Kostenpauschale für Telefax" entgegen. Danach könnten "Kosten für die Versendung, den Transport bzw. die Übermittlung laboratoriumsdiagnostischer, histologischer, zytologischer oder zytogenetischer Untersuchungsergebnisse" … "für die Fälle nicht nach den Pauschalerstattungen Nrn. 7120 bis 7123 berechnet werden, in denen die Nr. 7103 abgerechnet worden ist." Zu Recht gingen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin nicht berechtigt sei, bei fraktionierten Laborleistungen die Nr 7103 EBM-Ä in Ansatz zu bringen. Dieser Abrechnungsausschluss betreffe den weitergebenden Arzt aber nur insoweit, als er für die Weitergabe kein Honorar beanspruchen könne. Sein Vergütungsanspruch nach Abs 1 Satz 1 der Präambel zu Kapitel U EBM-Ä bleibe für den nicht weitergegebenen Teil der Auftragsleistung indes unberührt. Die Präambel regele nämlich nicht, dass bei fraktionierten Laborleistungen keiner der beteiligten Laborärzte die Nr 7103 EBM-Ä in Ansatz bringen könne. Wenn dementsprechend der weitergebende Laborarzt - wie hier - zu Recht die Nr 7103 EBM-Ä abrechne, greife der in Kapitel U Unterpunkt 2 EBM-Ä normierte Abrechnungsausschluss für die Übermittlung von Untersuchungen nicht nur zu seinen, sondern auch zu Lasten des annehmenden Laborarztes. Der Leistungsausschluss sei nicht beschränkt auf Behandlungsfälle iS des § 21 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw § 25 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatz-kassen (EKV-Ä), sondern umfasse alle Konstellationen, in denen für denselben Kranken in demselben Quartal Laborleistungen erbracht worden seien, unabhängig davon, ob ein Laborarzt tätig geworden sei oder er weitere Laborärzte hinzugezogen habe. Dieses Verständnis entspreche auch der in einer Stellungnahme des Bewertungsausschusses vom 15.11.2005 dargelegten geschichtlichen Entwicklung und Zielsetzung der EBM-Ä-Regelungen zu Kostenpauschalen bei Laborleistungen. Danach habe nur eine Kostenpauschale entstehen sollen, mit der nur von einem Arzt einmalig die gesamten Kosten für die Einsendung einer Laborprobe berechnet werden könnten.

5

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht geltend, das LSG dehne den in Kapitel U Unterpunkt 2 EBM-Ä normierten Abrechnungsausschluss unzulässig aus. Dabei stütze es sich unzulässigerweise auf eine Stellungnahme des Bewertungsausschusses vom 15.11.2005 und missachte den Wortlaut der einschlägigen Leistungsbestimmungen. Die Nr 7120 EBM-Ä sei nur dann in Ansatz gebracht worden, wenn Teile des Probenmaterials von einem anderen Laborarzt weitergegeben worden seien. Bei derartigen Fallkonstellationen könne die Nr 7103 EBM-Ä nicht abgerechnet werden. Gerade aus der vom LSG vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Probenteil, der zur Untersuchung bei dem Erstempfänger verbleibe und dem Probenteil, der weitergegeben werde, folge, dass ein Abrechnungsausschluss für die Nr 7120 EBM-Ä hinsichtlich des weitergegebenen Teils nicht bestehe. Wenn das LSG sodann die Abrechnung der Nr 7103 EBM-Ä für den verbleibenden Probenteil als Ausschlussgrund für die Abrechnung der Nr 7120 EBM-Ä durch die Klägerin ansehe, weil es sich um einen "Fall" handle, so stimme dies weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn der Präambel überein. Anders als das SG trenne das LSG nicht hinreichend zwischen dem Rechtskreis des ersteinsendenden Arztes und dem Rechtskreis des weitergebenden sowie demjenigen des annehmenden Laborarztes. Schließlich habe sich das LSG auf eine Stellungnahme des Bewertungsausschusses gestützt, obwohl eine entstehungsgeschichtliche Auslegung nur insoweit in Betracht komme, als Dokumente vorlägen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung erläutert hätten. Inhaltlich müsse dieser Stellungnahme widersprochen werden. Es habe lediglich unterbunden werden sollen, dass die Versandkostenpauschale für die Weitergabe berechnet werde. Die Abrechnung der Nr 7120 EBM-Ä sei nur für den Arzt ausgeschlossen, der als Auftragsempfänger bereits die Nr 7103 EBM-Ä abgerechnet habe. Würde man der Auffassung des LSG folgen, müsse sich ein Laborarzt stets erkundigen, ob eine Probe nur teilweise weitergegeben worden sei.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. März 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26. Juni 2007 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Begriff des "Falles" in der Anmerkung zu den Nr 7120 - 7123 EBM-Ä sei weiter als der Begriff des "Behandlungsfalles" in § 21 BMV-Ä und umfasse die gesamten für einen Patienten in einem Quartal erbrachten Laboruntersuchungen. Demgegenüber stelle Abs 1 der Präambel zu Kapitel U auf den Behandlungsfall ab. Nur der Arzt, dem der Überweisungsauftrag zur Probenuntersuchung erteilt werde, könne die Nr 7103 EBM-Ä abrechnen. Der 2. Satz des Abs 1 der Präambel zu Kapitel U diene nicht der Differenzierung zwischen dem verbleibenden und dem weitergegebenen Probenmaterial, sondern der Klarstellung, welche Abrechnungsausschlüsse sich aus der Abrechnungsberechtigung nach Satz 1 ergeben. Wäre in beiden Zusammenhängen von einem "Behandlungsfall" auszugehen, wäre die Anmerkung zu den Nr 7120 - 7123 EBM-Ä überflüssig, weil eine Nebeneinanderberechnung der Leistungen dann nicht vorkommen könne.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Vergütung nach der Nr 7120 EBM-Ä versagt.

10

Die Beklagte war zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung befugt. Rechtsgrundlage hierfür waren hier noch § 45 Abs 2 Satz 1 BMV-Ä und § 34 Abs 4 Satz 2 EKV-Ä. Nach diesen für die Abrechnung des Quartals II/2003 maßgeblichen Vorschriften hat die Kassenärztliche Vereinigung die Befugnis, die von den Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und nötigenfalls richtigzustellen. Dabei kann das Richtigstellungsverfahren von Amts wegen oder auf Antrag einer Krankenkasse durchgeführt werden (vgl BSGE 89, 90, 94 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6 und stRspr, zB BSG SozR 4-5520 § 32 Nr 2 RdNr 10; zuletzt Urteil vom 10.12.2008 - B 6 KA 66/07 R -; für Zeiträume ab 1.1.2004 vgl nunmehr § 106a SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190; vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 9 f).

11

Die auf diesen Grundlagen vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen sind rechtmäßig. Die Beklagte hat den Vergütungstatbestand der Nr 7120 EBM-Ä zutreffend angewandt. Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM-Ä - des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs 1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Soweit indessen der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es seiner Klarstellung dient, ist Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht. Sie kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11 und Nr 10 RdNr 10, jeweils mwN). Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11 mwN). Diese Grundsätze gelten auch für Kostenerstattungstatbestände, sofern sie eine Pauschalerstattung vorsehen (vgl BSG, MedR 2000, 201, 202; BSG SozR 3-5533 Nr 7103 Nr 1 S 6).

12

           

Der Wortlaut der streitigen Gebührennummern lautete wie folgt:

                 

U Pauschalerstattungen

                 

Die Pauschalerstattung nach Nr 7103 ist nur einmal im Behandlungsfall und nur von dem Arzt, dem der Überweisungsauftrag zur Probenuntersuchung erteilt wurde, berechnungsfähig. Wird die Auftragsleistung von dem annehmenden Arzt ganz oder teilweise zur Durchführung an einen anderen Arzt weiter überwiesen, ist die Nr 7103 in demselben Behandlungsfall für die Weitergabe weder vom weitergebenden noch vom annehmenden Arzt berechnungsfähig.

                 

Kosten für Versandmaterial für die Versendung bzw den Transport des Untersuchungsmaterials und die Übermittlung des Untersuchungsergebnisses innerhalb einer Apparate- bzw Laborgemeinschaft oder innerhalb eines Krankenhausgeländes sind nicht berechnungsfähig.

                 

1.    

Pauschalerstattungen für Versandmaterial, Versandgefäße usw sowie für die Versendung bzw den Transport von Untersuchungsmaterial, Röntgenaufnahmen und Filmfolien

        
                          

7103
Pauschalerstattung für Versandmaterial, Versandgefäße usw sowie für die Versendung bzw den Transport von Untersuchungsmaterial, ggf auch von infektiösem Untersuchungsmaterial, einschließlich der Kosten für die Übermittlung von Untersuchungsergebnissen der

        
                 

-       

Laboratoriumsdiagnostik, ggf einschließlich der Kosten für die Übermittlung der Gebührennummern und der Höhe der Kosten überwiesener kurativ-ambulanter Auftragsleistungen des Kapitels O

                 

-       

Histologie

                 

-       

Zytologie

                 

-       

Zytogenetik und Molekulargenetik

                 

einmal im Behandlungsfall 2,60 Euro.

        

2.    

Pauschalerstattungen für die Versendung bzw den Transport von Briefen, Szintigrammen und/oder schriftlichen Unterlagen, Kostenpauschale für Telefax
7120
Pauschalerstattung für die Versendung bzw den Transport von Briefen und/oder schriftlichen Unterlagen bis 20 Gramm (z.B. im Postdienst Standardbrief) oder für die Übermittlung eines Telefaxes 0,56 Cent

                 

Kosten für die Versendung, den Transport bzw die Übermittlung laboratoriumsdiagnostischer histologischer, zytologischer oder zytogenetischer Untersuchungsergebnisse können für die Fälle nicht nach den Pauschalerstattungen Nr 7120 bis 7123 berechnet werden, in denen die Nr 7103 abgerechnet worden ist.

13

Die Auslegung dieser Anmerkung zur Nr 7120 EBM-Ä nach ihrem Wortlaut sowie der Systematik der Pauschalerstattungen führt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die Kosten für die Versendung der Untersuchungsergebnisse nicht abrechnen konnte. Eine Pauschalerstattung nach der Nr 7120 EBM-Ä kann nach der Anmerkung für die Fälle nicht berechnet werden, in denen die Nr 7103 EBM-Ä abgerechnet worden ist. Zwar hat die Klägerin die Nr 7103 EBM-Ä in den streitigen Fällen nicht selbst abgerechnet. Auch enthält die Anmerkung zur Nr 7120 EBM-Ä keine ausdrückliche Aussage zu der Konstellation, dass die Nr 7103 EBM-Ä nicht von dem annehmenden Arzt selbst, sondern von dem übersendenden Arzt abgerechnet wurde. Ein solches umfassendes Verständnis des Abrechnungsausschlusses ergibt sich aber aus dem Wortlaut, indem der Terminus "Fälle" verwendet wird, der unspezifischer ist als der Begriff des "Behandlungsfalls", der in § 21 Abs 1 Satz 1 des im streitbefangenen Zeitraum geltenden BMV-Ä definiert war als Gesamtheit der von derselben Arztpraxis innerhalb desselben Kalendervierteljahres an demselben Versicherten ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse vorgenommenen Behandlungen. Der Gebrauch des Perfekt als Tempus - "abgerechnet worden ist" - deutet ebenfalls in diese Richtung. Wären ausschließlich "Behandlungsfälle" eines Vertragsarztes gemeint, wäre die Gegenwartsform verwendet worden, wie dies in Abs 1 Satz 1 der Präambel zu Kapitel U geschehen ist.

14

Dieses Verständnis folgt auch aus der nach den aufgezeigten Grundsätzen möglichen systematischen Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen (vgl BSG SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 4). Abs 1 der Präambel des Kapitels U, der sich ausdrücklich mit fraktionierten Laborleistungen befasst, spricht dafür, dass die Gebührennummern den gesamten Vorgang der Laboruntersuchungen bezogen auf einen Patienten beschreiben und nicht den auf eine bestimmte Arztpraxis bezogenen Begriff des Behandlungsfalles. Die Beschränkung der einmaligen Abrechenbarkeit der Nr 7103 EBM-Ä auf den Arzt, dem der Überweisungsauftrag erteilt wurde, bei gleichzeitigem Ausschluss der Abrechenbarkeit für die Weitergabe an einen anderen Arzt verdeutlicht die Intention, dass bei fraktionierten Laborleistungen keine höheren Kosten entstehen sollen, die gesamten Kosten für die Versendung, den Transport bzw die Übermittlung laboratoriumsdiagnostischer, histologischer, zytologischer und zytogenetischer Untersuchungsergebnisse vielmehr durch die Nr 7103 EBM-Ä abgegolten sein sollen. Dies gilt umso mehr, als dem Laborarzt nach Nr 7103 EBM-Ä nicht die tatsächlich entstehenden Kosten erstattet werden, sondern ein hiervon unabhängiger Pauschalbetrag, der sich auch dann nicht erhöht, wenn in einem Quartal mehrere Gewebeproben eines Patienten zu transportieren sind (vgl BSG SozR 3-5533 Nr 7103 Nr 1 S 9). Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der zweite Satz des Abs 1 der Präambel zu Kapitel U nicht der Differenzierung zwischen dem verbleibenden und dem weitergegebenen Probenmaterial dient, sondern der Klarstellung, dass für die Weitergabe von einem Laborarzt zum anderen die Nr 7103 EBM-Ä nicht abgerechnet werden kann. Eine gebührenrechtliche Unterscheidung zwischen dem verbleibenden und dem weitergegebenen Probenmaterial lässt sich dem Wortlaut der Gebührentatbestände ebenso wenig entnehmen wie einer Gesamtschau der Nr 7103 und 7120 EBM-Ä.

15

Betrachtet man die Beschränkungen der Abrechenbarkeit der Nr 7103 EBM-Ä im Zusammenhang mit der Anmerkung zur Nr 7120 EBM-Ä, wonach neben der Nr 7103 EBM-Ä keine weitere Pauschalerstattung nach den Nr 7120 bis 7123 EBM-Ä abgerechnet werden kann, lässt dies ebenfalls erkennen, dass die Pauschale der Nr 7103 EBM-Ä die gesamten Kosten für Laborleistungen für einen Patienten in einem Quartal erfassen will. Mit diesem Konzept stünde es im Widerspruch, wenn durch die Fraktionierung der Laborleistungen doch von mehreren Ärzten mehrere Pauschalerstattungen hinsichtlich einer Einsendung abgerechnet werden könnten.

16

Bestätigt wird diese Auslegung durch die weitere Entwicklung der hier streitigen Regelungen über die pauschale Erstattung von Kosten. Die Pauschalen des Kapitels U des EBM-Ä in der bis 31.3.2005 geltenden Fassung befinden sich seit dem 1.4.2005 im Kapitel 40 des EBM-Ä. Die frühere Nr 7103 EBM-Ä ist jetzt die Nr 40100 EBM-Ä. Abgesehen davon, dass die "Pauschalerstattung" jetzt "Kostenpauschale" heißt, sind die Gebührentatbestände wortgleich. Das gilt auch für den ersten Absatz der Präambel zu dem nunmehr einschlägigen Kapitel. Der Gebührentatbestand der Nr 7120 EBM-Ä findet sich - ebenfalls als "Kostenpauschale" - wortgleich in der Nr 40120 EBM-Ä. Der Wortlaut des Abrechnungsausschlusses hat sich insofern geändert, als neben der Erwähnung "molekulargenetischer" Untersuchungsergebnisse die Worte "an den auftragserteilenden Arzt" hinzugefügt sind. Dadurch ist noch deutlicher geworden, dass für die Abrechnung von Kostenpauschalen im Verhältnis des weitergebenden zum annehmenden Laborarzt kein Raum ist.

17

Das gewonnene Ergebnis stimmt mit der Stellungnahme des Bewertungsausschusses vom November 2005 überein, wonach mit der Formulierung der Nr 7103 EBM-Ä unterbunden werden sollte, dass Laborproben weitergeschickt und jeweils Kostenpauschalen abgerechnet wurden. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sich das LSG nicht in unzulässiger Weise auf diese vom SG eingeholte Stellungnahme gestützt. Es hat vielmehr lediglich ergänzend - und zutreffend - ausgeführt, dass das zuvor begründete Ergebnis mit der vom Bewertungsausschuss dargelegten Entwicklung und Zielsetzung der EBM-Regelungen übereinstimmt.

18

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm mit einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 VwGO.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Der zur vertragszahnärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) zugelassene Kläger wendet sich gegen einen Honorarberichtigungs- und Rückforderungsbescheid bzgl des Quartals I/2000.

2

Die Beklagte behielt mit dem Honorarbescheid für das Quartal I/2000 vom 19.7.2000 für dieses Quartal Honorar in Höhe von 1395,83 Euro (2730 DM) ein. Begründet wurde dieser Honorareinbehalt nicht. Unter der Überschrift "Vorbehalt und Rechtsbehelfsbelehrung zum Honorarbescheid" enthielt der Bescheid eine Reihe von Vorbehalten, unter anderem den Vorbehalt der Rückforderungen aufgrund Honorarverteilungsmaßstabs(HVM)-bedingter Kürzungen für die Jahre 1996 bis 1999, nachträglicher Berichtigungen zB aufgrund von rückwirkenden Änderungen des Honorarverteilungsmaßstabes "und ähnlichem" sowie der Anwendung der HVM-Anlage. In einem Rundschreiben vom 18.10.2000 wies die Beklagte unter anderem darauf hin, dass es zu Honorarkorrekturen für das Quartal I/2000 kommen werde, für das noch die vorherige HVM-Anlage gegolten habe. Aufgrund noch nicht abgeschlossener Verträge mit der Innungskrankenkasse (IKK) und den Betriebskrankenkassen (BKKn) würden diese Rückforderungen frühestens im Frühjahr 2001 bekannt sein. Zum Vertragsschluss kam es sodann im Juli 2001. In einem weiteren Rundschreiben vom 10.12.2001 wies die Beklagte auf gerichtliche Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Honorarrückforderungen für die Jahre 1997 bis 1999 hin. Auch für das Quartal I/2000, für das noch der alte HVM gelte, müsse vor einer abschließenden Abrechnung das Vorliegen der Gründe der Entscheidungen des LSG Berlin vom 5.12.2001 sowie des BSG vom 31.10.2001 abgewartet werden. Mit Bescheid vom 18.12.2001 erteilte die Beklagte eine Honorarendabrechnung für die Quartale II bis IV/2000. Für das Quartal I/2000 teilte sie mit, sie könne aufgrund der derzeitigen rechtlichen Unsicherheit durch die Entscheidung des BSG vom 31.10.2001 und besonders des LSG Berlin vom 5.12.2001 zu ihrer Honorarrückforderung für die Jahre 1997 bis 1999 die geplante Abrechnung für das Quartal I/2000 zur Zeit nicht vornehmen, weil auch dieses Quartal auf dem "alten" HVM beruhe. Vor einer definitiven Entscheidung über dieses Quartal würden die Entscheidungsgründe der Gerichte abgewartet.

3

Mit Bescheid vom 21.3.2007, dem Kläger bekannt gegeben am 6.6.2007, nahm die Beklagte eine Honorarberichtigung für das Quartal I/2000 vor und bezifferte den vom Kläger zurückzuzahlenden Betrag auf 2372,26 Euro. Abzüglich des geleisteten Einbehaltes komme es in der Quartalsabrechnung IV/2006 zu einer Lastschrift von noch 976,43 Euro. Mit Urteilen vom 14.12.2005 habe das BSG die Honorarberichtigungs- und Rückforderungsbescheide der Beklagten bzgl der Jahre 1997 bis 1999 für rechtmäßig erklärt. Nachdem die Rechtslage geklärt sei, müsse auch die noch ausstehende HVM-Anwendung für das Quartal I/2000 erfolgen. Aufgrund des in den Honorarbescheiden von Quartal zu Quartal vorgetragenen 10%igen HVM-Einbehaltes aus I/2000, der Rundschreiben vom 18.10.2000 sowie vom 10.12.2001 und der Honorarendabrechnung vom 18.12.2001 habe der Kläger erkennen können, dass es für das Quartal I/2000 noch zu einer abschließenden Berichtigung des für dieses Quartal vorläufig ausgezahlten Honorars kommen werde.

4

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2007 zurück. Erst mit den Urteilen des BSG vom 14.12.2005 habe sie Gewissheit über die Rechtmäßigkeit des auch noch im Quartal I/2000 geltenden HVM von 1996 gehabt. Ein umfangreicher EDV-technischer Vorlauf habe dazu geführt, dass die Abrechnung für das Quartal I/2000 erst zusammen mit der Abrechnung für das Quartal IV/2006 habe erfolgen können. Die vierjährige "Verjährungsfrist" sei entsprechend § 203 BGB gehemmt gewesen aufgrund der Aussetzung der Widerspruchsverfahren gegen die die Vorjahre betreffenden Berichtigungsbescheide vom 18.10.2000 bis zur abschließenden Entscheidung des BSG am 14.12.2005. Die Beklagte habe auch in jedem Honorarbescheid der Quartale I/2000 bis III/2006 den vorsorglichen 10%igen Einbehalt in Höhe von 2730 Euro aus dem Quartal I/2000 gebucht und damit auf noch ausstehende Honorarberichtigungen für dieses Quartal hingewiesen. Im Übrigen hätten auch die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 SGB X vorgelegen. Der Kläger habe gewusst, dass der HVM von 1996 im Quartal I/2000 noch gegolten habe. Spätestens nach der Anwendung dieses HVM für die Jahre 1997 bis 1999 mit dem Berichtigungsbescheid vom 18.10.2000, gegen den er auch Widerspruch eingelegt habe, habe er davon ausgehen müssen, dass sein Honoraranspruch für dieses Quartal noch nicht verbindlich festgestellt worden war. Die Rundschreiben und die Honorarendabrechnung für die Quartale II bis IV/2000 hätten entsprechende Hinweise enthalten.

5

Das SG Berlin hat mit Urteil vom 10.6.2009 den angefochtenen Richtigstellungs- und Rückforderungsbescheid aufgehoben. Die Beklagte habe die vierjährige Ausschlussfrist mit dem Bescheid vom 21.3.2007 nicht gewahrt. Der Ablauf der Frist sei auch nicht gehemmt worden. Insbesondere lägen die Voraussetzungen des § 203 Satz 1 BGB nicht vor. Die Beklagte habe vielmehr einseitig auf die Entscheidung des BSG vom 14.12.2005 gewartet. Eine Hemmung der Verjährung resultiere auch nicht aus der in jedem Honorarbescheid fortgesetzten Buchung des Einbehaltes für das Quartal I/2000. Ebenso wenig hätten die von der Beklagten in Bezug genommenen Mitteilungen eine Hemmung bewirkt.

6

Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 14.3.2012 die Berufung der Beklagten hiergegen zurückgewiesen. Der Lauf der Ausschlussfrist habe mit der Bekanntgabe des Honorarbescheides vom 19.7.2000 begonnen und im Juli 2004 geendet. Die Frist sei nicht deshalb gehemmt gewesen, weil fortlaufend Ungewissheit über die Höhe der im Quartal I/2000 zu verteilenden Gesamtvergütung bestanden habe. In dem Rundschreiben vom 18.10.2000 habe die Beklagte lediglich angeführt, dass es noch am Vertragsschluss mit IKK und BKKn fehle, bevor Honorarkorrekturen für das Quartal I/2000 vorgenommen werden könnten. Die noch ausstehenden Verträge seien sämtlich im Juli 2001 abgeschlossen gewesen. Auf der Grundlage des für das Quartal I/2000 geltenden HVM und der ausgehandelten Gesamtverträge hätte die Beklagte lange vor Ablauf der Ausschlussfrist einen endgültigen Bescheid erlassen können. Ein daran anschließendes Widerspruchsverfahren hätte sie im Hinblick auf die zum HVM für die Jahre 1997 bis 1999 anhängigen Verfahren ruhend stellen können. Es sei auch nicht rechtlich zwingend gewesen, dass die Beklagte eine abschließende Betrachtung des Quartals I/2000 zurückgestellt habe, bis der Rechtsstreit über die Honorarberichtigungs- und Rückforderungsbescheide für die Jahre 1997 bis 1999 rechtskräftig entschieden worden sei. Der bei der Beklagten bestehende Vorbehalt für das Quartal I/2000 sei gegenüber dem Kläger nicht in rechtlich relevanter Weise manifestiert worden. Die im Honorarbescheid vom 19.7.2000 enthaltenen allgemeinen Vorbehalte seien zu weit gefasst. Keine der von der Beklagten vorgelegten Veröffentlichungen aus der Folgezeit habe eine ausreichende und nachvollziehbare Verknüpfung gezogen zwischen den für die Jahre 1997 bis 1999 geführten rechtlichen Auseinandersetzungen und dem Honorarbescheid für das Quartal I/2000. Das Rundschreiben vom 18.10.2000 habe nur auf die noch nicht abgeschlossenen Verträge mit der IKK und den BKKn Bezug genommen, das Sonderrundschreiben vom 10.12.2001 lediglich auf einen Eilbeschluss des 7. Senats des LSG Berlin vom 5.12.2001 zu den Jahren 1997 bis 1999, dessen schriftliche Begründung abgewartet werden sollte. Auch die von der Beklagten bemühten Vorschriften des BGB über die Hemmung der Ausschlussfrist würden nicht greifen. Eine Rücknahme nach § 45 SGB X scheitere bereits an der Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X.

7

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie ist der Auffassung, die Ausschlussfrist sei in entsprechender Anwendung von § 45 Abs 2 SGB I während der Dauer der Rechtsstreitigkeiten anlässlich der Honorarberichtigungs- und Rückforderungsbescheide bzgl der Jahre 1997 bis 1999 bis zur Zustellung der Entscheidungsgründe des Senats im April 2006 gehemmt gewesen. Bis zum Urteil des BSG vom 14.12.2005 habe Unsicherheit über das zu verteilende Gesamtvergütungsvolumen und die Anwendbarkeit der zugrundeliegenden HVM-Regelungen bestanden. Hätte das BSG die streitigen Bestimmungen des HVM 1996, der auch noch im Quartal I/2000 gegolten habe, beanstandet, hätte dies zu einer Neuberechnung des Honorars und einer Veränderung des zu verteilenden Gesamtvolumens geführt. Der Honorarbescheid vom 19.7.2000 habe einen Hinweis auf die noch nicht abgeschlossene Honorarfestsetzung enthalten. Neben dem "Einbehalt aus I/2000" habe der Bescheid einen Vorbehalt hinsichtlich der Anwendung der HVM-Anlage enthalten. Auch im Rundschreiben vom 18.10.2000 sei darauf hingewiesen worden, dass es noch zu Honorarkorrekturen für das Quartal I/2000 kommen könne. Im Sonderrundschreiben vom 10.12.2001 sei ausdrücklich ausgeführt worden, dass die Beklagte vor einer Entscheidung über das Quartal I/2000 noch die Urteilsgründe des Gerichts abwarten wolle. Alle folgenden Honorarbescheide bis zum Quartal III/2006 hätten den 10%igen Einbehalt als "Merkposten" ausgewiesen. Gegen den Einbehalt im Bescheid vom 19.7.2000 habe der Kläger sich auch nicht gewehrt, sodass der Bescheid insoweit bestandskräftig sei.

8

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 14.3.2012 und des SG Berlin vom 10.6.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Er hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. SG und LSG haben zu Recht angenommen, dass die für Honorarberichtigungen geltende vierjährige Ausschlussfrist im Zeitpunkt des Erlasses des Berichtigungsbescheides bereits verstrichen war.

12

1. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung und Rückforderung ist hier § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V iVm § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V. Danach obliegt es den KZÄVen, die vom Zahnarzt eingereichten Honorarforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf richtigzustellen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats vermittelten zuvor die bundesmantelvertraglichen Vorschriften eine umfassende Befugnis zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen auch für bereits erlassene Honorarbescheide (vgl BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11 ff mwN). Auch bei der Korrektur von Fehlern im Rahmen der Honorarverteilung handelt es sich um eine sachlich-rechnerische Richtigstellung (vgl BSGE 89, 62 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42). Die Fehlerhaftigkeit des Honorarbescheides vom 19.7.2000 ergab sich daraus, dass dem Kläger bei Zugrundelegung der tatsächlich gezahlten Gesamtvergütungen und unter Anwendung des in diesem Quartal geltenden HVM ein niedrigeres als das ausgewiesene Honorar zustand. Dabei umfasste die Richtigstellung den gesamten Rückforderungsbetrag in Höhe von 2372,26 Euro. Der im Honorarbescheid vom 19.7.2000 ausgewiesene "Einbehalt aus I/2000" hatte erkennbar vorläufigen Charakter und stellte keine endgültige Festsetzung in dem Sinne dar, dass der Kläger höchstens 1395,83 Euro zurückzahlen müsste. Insofern ist keine Bestandskraft des Bescheides eingetreten.

13

2. Die Vorinstanzen haben aber zu Recht entschieden, dass mit dem Bescheid vom 21.3.2007 die Fristen, die für den Erlass eines die Fehlerhaftigkeit des ursprünglichen Honorarbescheides korrigierenden Richtigstellungs- und Rückforderungsbescheides gelten, nicht gewahrt wurden. Für sachlich-rechnerische Richtigstellungen gilt - ebenso wie für den Erlass von Prüfbescheiden in Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren - eine vierjährige Ausschlussfrist, innerhalb der der Richtigstellungsbescheid dem Betroffenen bekannt gegeben werden muss (vgl BSG SozR 3-5535 Nr 119 Nr 1 S 2 f; BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12; BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 60; zuletzt Urteile vom 15.8.2012 - B 6 KA 45/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 36 und - B 6 KA 27/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 37). Den maßgebenden Zeitpunkt für den Beginn der Vier-Jahres-Frist markiert in Fällen sachlich-rechnerischer Prüfung ebenso wie bei degressionsbedingter Honorarminderung und bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Erlass des Honorarbescheides (s zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 31 mwN; vgl auch BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 17; anders für den Verordnungsregress: BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 29 ff). Danach begann hier die Frist mit der Bekanntgabe des Honorarbescheides vom 19.7.2000 und endete, wie von den Vorinstanzen zutreffend ausgeführt, im Juli 2004.

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3. Der Lauf der Frist war auch nicht gehemmt. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Ausschlussfristen für sachlich-rechnerische Richtigstellungen und Maßnahmen im Zuge von Wirtschaftlichkeitsprüfungen gehemmt werden können. Eine solche Wirkung hat der Senat etwa Prüfanträgen der KKn beigemessen, sofern auch der betroffene Arzt von dem Prüfantrag Kenntnis erlangt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 40 ff; zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 33 - 35 iVm 39 f). Dies gilt allerdings nach der Änderung des § 106 Abs 5 SGB V durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz vom 22.12.1999 (BGBl I 2626), mit der zum 1.1.2000 das antragsgebundene Prüfverfahren durch ein grundsätzlich von Amts wegen einzuleitendes und durchzuführendes Prüfverfahren ersetzt worden ist, nur noch, soweit ein Prüfantrag kraft Gesetzes Voraussetzung für die Durchführung eines Prüfverfahrens oder auf gesetzlicher Grundlage in der Prüfvereinbarung (neu) vereinbart worden oder von der Sache her unverzichtbar ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 25). Zur Richtigstellung fehlerhafter Degressionsbescheide hat der Senat ausgeführt, die KZÄV könne den Ablauf der Frist dadurch beeinflussen, dass sie den Bescheid mit hinreichend bestimmten Vorbehalten und Vorläufigkeitshinweisen versehe. Daneben bestehe die Möglichkeit, Korrekturbescheide mit einem Hinweis zu verbinden, dass die KZÄV den Bescheid aus Gründen der Vorsorge erlasse und die ihm zugrundeliegende Rechtsauffassung zunächst im Streit mit den KKn gerichtlich geklärt werden solle (BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 28). In einem Verfahren zur nachträglichen Korrektur der vertrags(zahn)ärztlichen Vergütung für ein bestimmtes Quartal hat der Senat entschieden, dass die vierjährige Ausschlussfrist für den Erlass eines Bescheides zur Korrektur von Honorarbescheiden gehemmt ist, solange ein Schiedsverfahren bzw Klageverfahren gegen die Entscheidung des Schiedsamtes über die Höhe der Gesamtvergütung anhängig ist (Beschluss vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B - Juris RdNr 12). Er hat in diesem Zusammenhang auf den Rechtsgedanken des § 203 Satz 1 BGB Bezug genommen, wonach eine Verjährungsfrist gehemmt ist, solange Schuldner und Gläubiger über den Anspruch verhandeln. Anders als für die Handlungen des Arztes und der antragstellenden KK im Regressverfahren (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 39) kann diese Vorschrift in Bezug auf die besonderen zwischen den Vertragszahnärzten und der KZÄV einerseits sowie zwischen der KZÄV und den KKn andererseits bestehenden Rechtsbeziehungen herangezogen werden. Eine vergleichbare Konstellation hat der Senat für den Fall bejaht, dass eine Prüfung nach Durchschnittswerten nicht durchgeführt werden kann, weil nicht klar war, ob eine - gesetzlich ausdrücklich als vorrangig bezeichnete - Richtgrößenprüfung durchzuführen war (Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 27/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 37). Eine solche oder vergleichbare Fallgestaltung war hier nicht gegeben.

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a) Die allgemeinen Formulierungen in Honorarbescheiden, dass nachträgliche Berichtigungen zB aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellungen sowie aufgrund nachträglicher Änderungen des HVM und Ähnlichem vorbehalten seien, hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 14.12.2005 als nicht ausreichend bestimmt angesehen, um den vorläufigen Charakter eines Honorarbescheides zu verdeutlichen (BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 20). Auch der Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal I/2000 enthält keinen hinreichend konkreten Vorbehalt wegen einer Schwebelage infolge noch nicht abgeschlossener Gesamtvergütungsvereinbarungen. Es kann offenbleiben, ob der eher lapidare Hinweis, die Verteilung der Gesamtvergütungen erfolge vorbehaltlich der Anwendung der HVM-Anlage, hinreichend bestimmt für einen rechtlich relevanten Vorbehalt ist. Hieraus konnte jedenfalls lediglich gefolgert werden, dass der Honorarbescheid unter dem Vorbehalt begrenzter Gesamtvergütungen stand. Die HVM-Anlage bestimmte nämlich insoweit, dass nach der Schlussabrechnung für die Leistungszeiträume mit begrenzten Gesamtvergütungen Honorarüberzahlungen zurückzuerstatten waren. Die Schwebelage, der dieser Vorbehalt Rechnung tragen wollte, bestand aber nur bis Juli 2001. Nach Vertragsschluss mit allen KKn stand die Höhe der begrenzten Gesamtvergütungen fest, sodass einer Schlussabrechnung unter diesem Gesichtspunkt nichts mehr entgegenstand. Soweit die Honorarbewilligung auf falschen Annahmen der Höhe der Gesamtvergütungen beruhte, hätte sie ab diesem Zeitpunkt korrigiert werden können. Selbst wenn man eine Hemmung der Ausschlussfrist bis Juli 2001 annehmen würde, wäre die Frist hier aber versäumt.

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Die Beklagte hat ab diesem Zeitpunkt eine Richtigstellung nicht wegen Unsicherheit über die zu zahlenden Gesamtvergütungen, sondern zum einen wegen Unsicherheit über die Rechtmäßigkeit des HVM und zum anderen aus Kostengründen zurückgestellt. Anders als im Fall der Unsicherheit über die Höhe der Gesamtvergütungen war die KZÄV ab Juli 2001 weder tatsächlich noch rechtlich an einer Entscheidung über das Honorar für das Quartal I/2000 gehindert. Sie hat dies, wie sie selbst im Widerspruchsbescheid formuliert, aus verfahrensökonomischen Gründen unterlassen, um im Hinblick auf die wegen der zu den Jahren 1997 bis 1999 anhängigen Verfahren bestehende Unsicherheit über die Rechtmäßigkeit des auch im Quartal I/2000 noch geltenden HVM den Aufwand für die Abrechnung des einzelnen Quartals zunächst zu sparen.

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b) Die Ausschlussfrist war auch nicht durch die gerichtlichen Verfahren gegen die Berichtigungsbescheide vom 18.10.2000 betreffend die Jahre 1997 bis 1999 gehemmt. Zwar ist auch eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Rechtmäßigkeit von Vorschriften des HVM, die Einfluss auf die Honorarberechnung haben, grundsätzlich geeignet, eine Hemmung des Fristablaufs zu bewirken (vgl BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 28). Dabei muss nicht notwendig das Honorar für das konkrete Quartal im Streit sein, solange es um den auch für dieses Quartal geltenden HVM geht. Jedenfalls in Fällen wie diesem, in denen zahlreiche Verfahren gegen auf der Grundlage bestimmter HVM-Vorschriften erlassene Honorarbescheide angestrengt worden sind, kann eine Ungewissheit bestehen, die es rechtfertigt, die im Interesse der Rechtssicherheit bestehende Ausschlussfrist zu hemmen. Es liegt im Interesse aller Mitglieder der KZÄV, Verwaltungsaufwand zu vermeiden und Kosten zu optimieren, indem Berechnungen auf der Grundlage des angegriffenen HVM bis zur Beseitigung rechtlicher Unsicherheiten zurückgestellt werden.

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Für die Annahme einer Hemmung der Ausschlussfrist reicht aber das Vorliegen eines solchen objektiven Umstandes nicht aus. Auch der einseitige, wie das LSG formuliert, "innere Vorbehalt" der KZÄV ist für eine solche Rechtswirkung nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr, dass die KZÄV auch gegenüber den betroffenen Vertragszahnärzten hinreichend deutlich macht, dass im Hinblick auf ein noch schwebendes gerichtliches Verfahren derzeit keine Richtigstellung des Honorarbescheides durchgeführt wird, damit aber nach Abschluss des Verfahrens zu rechnen ist. Die Forderung des Senats für Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung, dass der Hemmungsgrund den betroffenen Ärzten hinreichend präzise bekanntgegeben wird, damit sie wissen können, warum derzeit keine Bescheiderteilung erfolgt und auch klären können, wann die Hemmung endet (vgl BSG Urteile vom 15.8.2012 - B 6 KA 27/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 37 RdNr 28 und - B 6 KA 45/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 27 unter Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 46), gilt in gleichem Maße für sachlich-rechnerische Richtigstellungen. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 14.12.2005 zur Honorarberichtigung für die Jahre 1997 bis 1999, für die die Frist noch nicht abgelaufen war, die Frage, ob die Beklagte hinreichend auf die Vorläufigkeit der Honorarbescheide hingewiesen hat, bejaht, weil die Beklagte den Vertragszahnärzten in den Jahren 1996 bis 1999 regelmäßig durch Zusendung von Rundschreiben und Sondermitteilungen sowie durch die Honorareinbehalte bei den Abschlagszahlungen entsprechende Informationen zukommen ließ (BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 20). Daraus sei für die Vertragszahnärzte ausreichend deutlich gewesen, unter welchen konkreten Voraussetzungen und in welchem ungefähren Umfang sich die Beklagte wegen der Schwebelage die nachträgliche Korrektur der ursprünglichen Bescheide vorbehalten habe.

19

An einer solchen Information fehlt es für das streitbefangene Quartal. Soweit die Beklagte sich auf ein Informationsschreiben vom 19.7.2000 über die Vertragsschlüsse mit dem VdAK/AEV und der AOK Berlin für die Jahre 1996 bis 2000 bezieht, wurde dort nur unspezifisch auf mögliche Honorarrückforderungen hingewiesen, mit denen "schon bald nach der Sommerpause" zu rechnen sei. Die Vorinstanzen haben weiterhin zu Recht herausgestellt, dass weder das Rundschreiben vom 18.10.2000 noch das Rundscheiben vom 10.12.2001 konkrete Hinweise auf die Möglichkeit einer Berichtigung nach dem Abschluss von Gerichtsverfahren hinsichtlich der Vorquartale enthielten. Zwar wurde im Rundschreiben vom 18.10.2000 angekündigt, dass es zu Honorarkorrekturen für das Quartal I/2000 kommen werde, in dem noch die vorherige HVM-Anlage gegolten habe. Begründet wurde dies aber ausschließlich mit noch nicht abgeschlossenen Verträgen mit der IKK und den BKKn, weshalb die Rückforderungen frühestens im Frühjahr 2001 bekannt seien. Nach dieser Ankündigung wäre nach Abschluss der noch fehlenden Verträge im Juli 2001 mit einer abschließenden Bescheiderteilung zu rechnen gewesen. Im Sonderrundschreiben vom 10.12.2001 wurde für das hier streitbefangene Quartal ausgeführt, dass vor einer definitiven Entscheidung zunächst die Urteilsgründe des Gerichts abzuwarten seien. Bei den gerichtlichen Entscheidungen, die in diesem Rundschreiben erwähnt sind, handelt es sich um einen Beschluss des LSG Berlin vom 5.12.2001 (L 7 B 38/01 KA ER - NZS 2002, 276) und ein Urteil des Senats vom 31.10.2001 (B 6 KA 16/00 R - BSGE 89, 62 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42). Der Beschluss ordnete im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen der Berichtigungsbescheide der Beklagten vom 18.10.2000 für die Jahre 1997 bis 1999 an. Das Urteil des Senats verhielt sich nicht zu einem Verfahren der Beklagten, hatte aber die Voraussetzungen für die Berichtigung von Honorarbescheiden zum Gegenstand. Inwiefern diese beiden Verfahren Einfluss auf die Honorarberechnung für das Quartal I/2000 haben würden, erschließt sich aus den Schreiben der Beklagten nicht. Die im Dezember 2001 bereits anhängigen Verfahren zu den am 18.10.2000 erlassenen Berichtigungsbescheiden für die Vorjahre, über die der Senat am 14.12.2005 abschließend entschieden hat und die allein Anknüpfungspunkt für eine Hemmung sein könnten, finden nur mittelbar Erwähnung, nämlich durch den Hinweis auf den Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz. Auf ein Hauptsacheverfahren, dessen Ausgang abzuwarten wäre, wird nicht hingewiesen. Auch in der Honorarendabrechnung vom 18.12.2001 für die Quartale II bis IV/2000 wird erneut auf die genannten Entscheidungen hingewiesen, deren Gründe abzuwarten seien. Zwar wird ebenfalls erwähnt, dass für das Quartal I/2000 der alte HVM gelte, ein Zusammenhang mit anderen als den erwähnten Entscheidungen aus 2001 wird aber nicht hergestellt. In keiner schriftlichen Information wurde auf die gerichtliche Auseinandersetzung, die in die Entscheidung des Senats vom 14.12.2005 mündete, Bezug genommen. Ohnehin datiert das letzte Schriftstück, das das streitbefangene Quartal betrifft, aus dem Jahr 2001.

20

Allein der Umstand, dass die Vertragszahnärzte von der Weitergeltung des alten HVM im Quartal I/2000 wussten, begründete noch keine Kenntnis von den Umständen, die einer Bescheiderteilung innerhalb der Ausschlussfrist entgegenstanden. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte für die Vorquartale aufgrund des alten HVM Berichtigungsbescheide erlassen hatte, nachdem sie sich im Jahr 2000 mit allen KKn auf die Gesamtvergütungen für die Jahre 1996 bis 1999 geeinigt hatte. Dass im Hinblick auf die wegen der Vorquartale laufenden Verfahren aus technischen und ökonomischen Gründen - nach dem Vortrag der Beklagten war die Abrechnung des einzelnen Quartals mit erheblichem IT-Aufwand verbunden - auf eine Richtigstellung auf der Grundlage des HVM verzichtet wurde, musste sich ohne eine entsprechende Information nicht aufdrängen. Der Vortrag der Beklagten, der Kläger habe zum Jahreswechsel 1999/2000 einem HVM-Ausschuss angehört und sei über die Streitigkeiten über die Honorarverteilung in den Jahren 1997 bis 1999 überdurchschnittlich gut informiert gewesen, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

21

Der - im Honorarbescheid vom 19.7.2000 nicht begründete - Einbehalt für das Quartal I/2000 tauchte zwar in der Folgezeit in allen Quartalsabrechnungen bis zum Quartal III/2006 wieder auf. Das SG hat aber zu Recht ausgeführt, dass es sich dabei allein um einen buchhalterischen Posten handelte. Da der einbehaltene Betrag jeweils als Lastschrift und als Gutschrift verbucht wurde, waren die Vertragszahnärzte tatsächlich nicht belastet. Aus dieser Buchung war jedenfalls nicht zu folgern, inwiefern sich die KZÄV die Korrektur des ursprünglichen Bescheides vorbehält. Erst recht war hieraus nicht erkennbar, dass und unter welchen Gesichtspunkten eine Hemmung der Ausschlussfrist bestand. Das SG hat insofern zu Recht ausgeführt, dass auch die Kenntnis des Klägers von den laufenden Verfahren vor dem BSG eine entsprechende Information durch die Beklagte nicht ersetzt.

22

4. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 SGB X haben die Vorinstanzen ebenfalls zu Recht verneint. Es fehlt bereits daran, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Honorarbescheides vom 19.7.2000 kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X). Darüber hinaus scheitert eine Anwendung von § 45 SGB X auch an der Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X. Zweifelhaft ist schon, ob die Tatsachen, die die Rücknahme rechtfertigten, erst mit der Entscheidung des Senats im Dezember 2005 vorlagen. Selbst wenn man aber hierauf abstellt, ist die Jahresfrist verstrichen. Da mit der Verkündung der Entscheidung klar war, dass der auch für das Quartal I/2000 geltende HVM nicht zu beanstanden war, kann für die Kenntnis nicht auf das Vorliegen der schriftlichen Gründe abgestellt werden.

23

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, weil ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hatte (§ 154 Abs 2 VwGO).

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 2.3.2011 sowie der Bescheid des Beklagten vom 13.2.2008 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 11.5.2005, 27.12.2005 und 27.12.2006 zu entscheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Klage- und Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Regressen wegen der Verordnungsweise von Heilmitteln - Physikalische Therapie - in den Quartalen I/2000 bis III/2001.

2

Die Beigeladene zu 1., eine aus Ärzten für Allgemeinmedizin bestehende Gemeinschaftspraxis, wurde aufgrund eines Prüfantrages der klagenden AOK und der zu 2. bis 5. beigeladenen Krankenkassenverbände vom 30.3.2001 zunächst für das Quartal I/2000 hinsichtlich der Verordnungsweise von Heilmitteln aus dem Bereich physikalische Therapie einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten unterzogen. Für die Quartale II/2000 bis III/2001 wurden von Amts wegen aufgrund einer gemeinsamen Empfehlung der KKn und der zu 6. beigeladenen KÄV Prüfverfahren durchgeführt. Die Beigeladene zu 1. wurde für diese Quartale jeweils darüber informiert, dass aufgrund der festgestellten Überschreitungen der Vergleichswerte eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise nach Durchschnittswerten erfolgen solle, wenn keine Prüfungen der Verordnungsweise nach Richtgrößen durchgeführt würden. Derzeit sei noch offen, ob Richtgrößenprüfungen erfolgen würden. Die Überprüfung nach Durchschnittswerten werde daher bis zur endgültigen Entscheidung über die anzuwendende Prüfmethode zurückgestellt.

3

Der Prüfungsausschuss lehnte mit Bescheid vom 11.5.2005 Maßnahmen für das Quartal I/2000 und mit weiterem Bescheid vom selben Tag auch für die Quartale II/2000 bis IV/2000 ab. Hinsichtlich des Quartals I/2001 setzte der Prüfungsausschuss mit Bescheid vom 27.12.2005 einen Regress in Höhe von 3727,25 Euro fest, mit weiteren Bescheiden vom 27.12.2006 lehnte er Maßnahmen hinsichtlich des Quartals II/2001 "verjährungsbedingt" ab und setzte einen Regress in Höhe von 5567,69 Euro für das Quartal III/2001 fest. Die hiergegen gerichteten Widersprüche der Klägerin sowie einen Widerspruch der BKK-IKK-LKK Arbeitsgemeinschaft für das Quartal II/2001 wies der beklagte Beschwerdeausschuss mit Bescheid vom 13.2.2008 zurück. Gleichzeitig hob er die Prüfbescheide betreffend die Quartale I/2000 bis I/2001 und III/2001 auf und bestätigte die Entscheidung betreffend das Quartal II/2001. Zur Begründung führte er aus, die Prüfbescheide des Prüfungsausschusses für die Quartale I/2000 bis III/2001 seien nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist nach Erlass der Honorarbescheide ergangen.

4

Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil vom 2.3.2011 die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe zu Recht für sämtliche streitgegenständlichen Quartale die Einhaltung der vierjährigen Ausschlussfrist verneint. Das BSG habe klargestellt, dass den KKn, um eine Hemmung der vierjährigen Ausschlussfrist zu erreichen, nur zwei Möglichkeiten offen stünden, nämlich entweder entgegen den rechtlichen Vorgaben über den Wegfall des Erfordernisses zur Stellung eines Prüfungsantrages einen ausdrücklichen Prüfungsantrag zu stellen oder selbst eine Untätigkeitsklage zu erheben. Beide Aspekte hätten hier keine Rolle gespielt. Mit Beschluss vom 2.5.2011 hat das SG durch den Kammervorsitzenden die Sprungrevision zugelassen.

5

Die Klägerin führt zur Begründung ihrer Revision aus, nach dem Wegfall des Antragsverfahrens zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen sei für die Hemmung der Ausschlussfrist der Umstand maßgeblich, dass der geprüfte Arzt von der Einleitung des Prüfverfahrens Kenntnis erlangt habe. So sei denn auch die Beigeladene zu 1. von der Durchführung des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens in Kenntnis gesetzt worden und habe nicht mehr darauf vertrauen dürfen, dass kein Prüfverfahren mehr durchgeführt werde. Die vierjährige Ausschlussfrist für die Durchführung der Prüfverfahren sei damit gehemmt gewesen und die Prüfverfahren hätten in der Sache durchgeführt werden können.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 2.3.2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 13.2.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 11.5.2005, 27.12.2005 und 27.12.2006 zu entscheiden.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend, weil die Prüfbescheide sämtlich nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist für die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungsweise ergangen seien.

9

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das SG hat zu Unrecht angenommen, dass die für Verordnungsregresse geltende vierjährige Ausschlussfrist im Zeitpunkt des Erlasses der Prüfbescheide bereits verstrichen war.

11

1. Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, dass das SG allein durch seinen Berufsrichter - ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter - die Revision unmittelbar gegen sein Urteil zugelassen hat. Dies ist zwar fehlerhaft; ungeachtet dieses Mangels ist der Zulassungsbeschluss aber wirksam und das Revisionsgericht an die Zulassung der Sprungrevision gebunden (vgl zuletzt BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 32; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 13).

12

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 13.2.2008 (zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids des Beschwerdeausschusses vgl zB BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN). Umstritten ist, ob gegen die zu 1. beigeladene Gemeinschaftspraxis ein Regress wegen Verordnungen von Heilmitteln im Bereich physikalischer Therapie bezogen auf die Quartale I/2000 bis III/2001 festgesetzt werden durfte oder ob dem die Vier-Jahres-Ausschlussfrist entgegenstand.

13

Da die KÄV Rheinland-Pfalz, der BKK-Landesverband, die IKK-Südwest, die Landwirtschaftliche Krankenkasse Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland sowie der Verband der Ersatzkassen ihrer Beiladung im Revisionsverfahren zugestimmt haben, hat der Senat gemäß § 168 Satz 2 SGG ihre notwendige Beiladung nachholen können.

14

2. Rechtsgrundlage des Verordnungsregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die in den Jahren 2000 und 2001 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und Urteil vom 6.5.2009 - B 6 KA 3/08 R - MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 16). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder am Maßstab von Richtgrößenvolumina (aaO Satz 1 Nr 1) und/oder anhand von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft.

15

3. Die Fristen, die für den Erlass eines Regressbescheids wegen unzulässiger oder unwirtschaftlicher Verordnung von Heilmitteln gelten, sind gewahrt worden.

16

a) Der Senat hat in den Urteilen vom 5.5.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 28) und vom 18.8.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 29) für den Bereich von Arzneikostenregressen klargestellt, dass solche Regresse einer vierjährigen Ausschlussfrist unterliegen, dass weiterhin diese Ausschlussfrist mit Ablauf des Quartals beginnt, dem die (potenziell) in Regress genommenen Verordnungen zuzurechnen sind, und dass schließlich die Ausschlussfrist durch einen Prüfantrag der betroffenen KK gehemmt wird. Für den hier betroffenen Bereich von Heilmittelregressen gilt nichts anderes.

17

Die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Vier-Jahres-Frist beginnt, hat der Senat dahin beantwortet, dass diese Frist für Verordnungsregresse im Regelfall unmittelbar nach Ablauf des Quartals beginnt, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist (SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 28, 33 mwN). Für die Zuordnung einer Verordnung zu einem bestimmten Quartal ist der Zeitpunkt, in dem der Honorarbescheid erlassen wird, entgegen der Auffassung des Beklagten ohne Bedeutung. Der Honorarbescheid markiert den maßgebenden Zeitpunkt für den Beginn der Vier-Jahres-Frist nur insoweit, als die Versagung oder Kürzung von Honorar in Rede steht, dh in Fällen sachlich-rechnerischer Prüfung, degressionsbedingter Honorarminderung und der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise (s zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 31 mwN). In gleicher Weise im Verordnungsbereich für den Beginn der Vier-Jahres-Frist auf den Erlass des Honorarbescheids abzustellen, hat der Senat als verfehlt angesehen, weil die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise und die Überprüfung der Behandlungsweise zwei unterschiedliche Bereiche betreffen und sachliche Gründe für einen "Gleichklang" des Fristlaufs im Honorar- und im Verordnungsbereich nicht bestehen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 30). Der Senat hat darauf hingewiesen, dass es zudem Fälle gibt, in denen das Abstellen auf den Erlass eines Honorarbescheids nicht möglich ist, weil für das Quartal, dem die Verordnung zugeordnet wird, nicht stets auch ein Honorarbescheid ergeht.

18

Die Vier-Jahres-Frist wurde danach im Fall der Beigeladenen zu 1. für keines der geprüften Quartale eingehalten. Sie endete für das Quartal IV/2000 am 31.12.2004, die Bescheide für die Quartale I/2000 bis IV/2000 ergingen aber erst am 11.5.2005. Die Ausschlussfrist für das Quartal I/2001 endete am 31.3.2005 (Bescheid 27.12.2005) und für das Quartal II/2001 am 30.6.2005 sowie für das Quartal III/2001 am 30.9.2005 (Bescheide 27.12.2006).

19

b) Der Lauf der Frist war jedoch in allen Quartalen gehemmt. Die Hemmung ist zwar nicht durch Prüfanträge ausgelöst worden (aa), wohl aber durch den Umstand, dass die Durchschnittsprüfung wegen einer vorrangigen Prüfung nach Richtgrößen aus rechtlichen Gründen zunächst nicht durchgeführt werden konnte und die zu 1. beigeladene Praxis darüber rechtzeitig informiert worden war (bb).

20

aa) Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Ausschlussfristen für sachlich-rechnerische Richtigstellungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen gehemmt werden können. Eine solche Wirkung hat der Senat Prüfanträgen der KKn beigemessen, sofern auch der betroffene Arzt von dem Prüfantrag Kenntnis erlangt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 40 ff; zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 33-35 iVm 40, 46).

21

Der Senat hat die hemmende Wirkung des Prüfantrags der KK in erster Linie damit begründet, dass die KK unmittelbar gegen den (möglicherweise) unwirtschaftlich verordnenden Arzt nicht vorgehen könne, sondern zur Realisierung ihres auf der Unwirtschaftlichkeit von Verordnungen beruhenden Schadensersatzanspruchs auf die Tätigkeit der Prüfgremien angewiesen sei. Nur die besondere Konstellation, dass die KKn ihren gegen den Vertragsarzt gerichteten Anspruch auf Ersatz für unwirtschaftlich verordnete Arzneimittel bzw unwirtschaftlich verordneten Sprechstundenbedarfs nicht unmittelbar, sondern nur durch Inanspruchnahme der Prüfgremien realisieren können, rechtfertigt es, unter bestimmten Voraussetzungen den KKn die Möglichkeit zu geben, den Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist zu hemmen. Dafür bedarf es aber eines konkreten, auf eine bestimmte Praxis gerichteten Begehrens einer KK oder von Krankenkassenverbänden. Das kann auch in der Weise formuliert werden, dass zwischen den Verbänden und der KÄV eine Abstimmung erfolgt, welche Praxen geprüft werden sollen. Unverzichtbar ist aber, dass die KKn von sich aus tätig geworden sind und die betroffene Praxis informiert ist, dass die KKn auf einer Prüfung der Verordnungsweise bestehen. Die bloße Mitteilung des Prüfungsausschusses über eine beabsichtigte Prüfung für sich genommen steht einem Prüfantrag der KKn nicht gleich.

22

Der mit der Ausschlussfrist verbundene Schutz des Arztes, nicht zeitlich unbegrenzt für seine Verordnungen in Regress genommen werden zu können, liefe weitgehend leer, wenn nicht erst der Bescheid über einen Arzneikostenregress oder über die Ablehnung eines Arzneikostenregresses, sondern allein die Mitteilung, das Verordnungsverhalten eines Arztes werde geprüft, bereits die zugunsten des Arztes bestehende vierjährige Ausschlussfrist hemmen würde. Der Prüfungsausschuss (nach bis zum 31.12.2007 geltendem alten Recht) bzw die Prüfungsstelle (nach neuem Recht) könnten dann routinemäßig allen Ärzten, deren Verordnungsverhalten in irgendeiner Hinsicht auffällig ist, kurz nach Eingang bestimmter, auf die Auffälligkeit hindeutender Unterlagen, eine Mitteilung zuleiten, es sei mit einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu rechnen, mit der Folge, dass die Vertragsärzte ohne zeitliche Begrenzung damit rechnen müssten, dass gegen sie Kostenregresse festgesetzt würden. Das wäre aus denselben Gründen, aus denen der Senat in ständiger Rechtsprechung die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung von für die Vertragsärzte wirtschaftlich sehr einschneidenden Regressfestsetzungsverfahren abgeleitet hat, nicht akzeptabel.

23

Soweit - wie hier - Quartale ab dem 1.1.2000 betroffen sind, ist nicht mehr darüber hinaus generell jeder Prüfantrag einer KK geeignet, die vierjährige Ausschlussfrist zu hemmen. Infolge der Änderung des § 106 Abs 5 SGB V durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000(vom 22.12.1999 BGBl I 2626) zum 1.1.2000 ist das antragsgebundene Prüfverfahren durch ein grundsätzlich von Amts wegen einzuleitendes und durchzuführendes Prüfungsverfahren ersetzt worden. Für die Verfahren, die nach den in § 106 Abs 2 Satz 1 SGB V normierten Regelprüfmethoden oder ersatzweise nach der Methode des statistischen Kostenvergleichs durchgeführt werden, war ein Prüfantrag nicht mehr Voraussetzung für die Durchführung der Prüfung. Die Neuregelung des § 106 Abs 2 SGB V zum 1.1.2000 hat zwar nicht generell das Antragsrecht der KKn bzw ihrer Verbände beseitigt; soweit jedoch das Verfahren vom Prüfungsausschuss antragsunabhängig durchzuführen ist, kann ein gleichwohl gestellter Antrag keine besonderen Rechtspflichten der Prüfgremien mehr auslösen. Jedenfalls in dem Bereich der hier betroffenen statistischen Vergleichsprüfung hat allein ein von Gesetzes wegen nicht erforderlicher Prüfantrag der KKn nicht die Wirkung, die vierjährige Ausschlussfrist zu hemmen. Damit weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung ab, die den zitierten Urteilen vom 5.5. und 18.8.2010 zugrunde liegt. Beide Fälle betrafen Konstellationen, in denen ein Prüfantrag der KK ungeachtet der grundsätzlichen Umstellung des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens von einem antragsgebundenen auf ein von Amts wegen durchzuführendes Verfahren weiterhin erforderlich war.

24

Dem Urteil vom 5.5.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 28) lag ein einzelfallbezogener Prüfantrag einer KK im Hinblick auf die Verordnung eines bestimmten Medikamentes gegenüber einem konkreten Patienten zugrunde. Rechtsgrundlage der Einzelfallprüfung in diesem Fall war § 106 Abs 3 Satz 3 SGB V in der ab 1.1.2000 geltenden Fassung. Danach war in Verträgen durch die Partner iS des Abs 2 Satz 4 auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt und pauschale Honorarkürzungen festgesetzt werden können. Für Einzelfallprüfungen im Hinblick auf die Verordnung bestimmter Medikamente kann jedenfalls auch nach der Neufassung des § 106 Abs 5 SGB V schon aus praktischen Gründen auf einen Prüfantrag der KK nicht verzichtet werden. Nur die einzelne KK hat die Möglichkeit, aufgrund der bei ihr vorliegenden Verordnungen und Diagnosen zu beurteilen, ob eine unzulässige Verordnung vorgenommen wurde oder nicht; der im Falle der Unzulässigkeit der Verordnung zu leistende Schadensersatz kommt in diesem Fall auch allein der antragstellenden KK zugute und nicht - wie im Fall von statistischen Vergleichsprüfungen - allen Krankenkassenverbänden nach einem bestimmten Schlüssel. Diese Rechtslage hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 106 Abs 3 SGB V durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung(GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190) präzisiert. Dort ist nunmehr bestimmt, dass die Vertragspartner vereinbaren müssen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen auf Antrag ua einer KK oder der KÄV durchzuführen sind (vgl Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: August 2012, K § 106 RdNr 445).

25

Ähnliches gilt für die Konstellation, die dem Senatsurteil vom 18.8.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 29) zugrunde lag. Dort ging es um die Verordnung von Sprechstundenbedarf, die auf einer Vereinbarung der Vertragspartner über die Verordnung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Sprechstundenbedarf in der vertragsärztlichen Versorgung beruhte; deren gesetzliche Grundlage ist § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V. Auch insoweit sah die Prüfvereinbarung - nicht anders als die Prüfvereinbarung in dem am 5.5.2010 entschiedenen Fall hinsichtlich der Einzelfallprüfung - ein Antragsrecht der KK vor; bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf ist dies schon deshalb erforderlich, weil üblicherweise Sprechstundenbedarf zu Lasten einer bestimmten KK für alle Versicherten verordnet wird, die entsprechend auch berechtigt ist, Prüfanträge hinsichtlich der Einhaltung der Vorgaben der Sprechstundenbedarfsvereinbarung und der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Sprechstundenbedarf zu stellen.

26

Soweit ein Prüfantrag kraft Gesetzes Voraussetzung für die Durchführung eines Prüfverfahrens oder auf gesetzlicher Grundlage in der Prüfvereinbarung (neu) vereinbart worden oder von der Sache her unverzichtbar ist, kommt diesem Antrag auch für Quartale nach dem 1.1.2000 ua die Wirkung zu, den Ablauf der Ausschlussfrist für die Festsetzung eines Arzneikostenregresses zu hemmen. Soweit die Wirtschaftlichkeitsprüfung jedoch als Richtgrößenprüfung oder - wie hier - statistische Vergleichsprüfung durchgeführt wird und Quartale betroffen sind, in denen diese Prüfung von Amts wegen durchzuführen ist, gilt das grundsätzlich nicht. Der Senat hat die hemmende Wirkung des Prüfantrags vor allem mit einer entsprechenden Anwendung des Rechtsgedankens des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB begründet. Danach hemmt ein "Antrag bei einer Behörde" die Verjährung, "wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt". Der Heranziehung des in dieser Vorschrift enthaltenen Rechtsgedankens auf den Prüfantrag einer KK liegt die Erwägung zugrunde, dass dieser Antrag Voraussetzung dafür war, dass sich das zuständige Prüfgremium mit der Verordnungsweise einer Praxis befassen konnte. Die Basis für eine entsprechende Anwendung dieser Norm ist verlassen, wenn der "Antrag" nur noch eine unverbindliche Anregung an die Prüfgremien enthält, tätig zu werden. In Prüfverfahren, in denen ein Prüfantrag weder gesetzlich bzw gesamtvertraglich vorgeschrieben noch von der Sache her unverzichtbar ist, kann die betroffene Krankenkasse die Hemmung der Ausschlussfrist nur dadurch zu erreichen versuchen, dass sie Untätigkeitsklage erhebt und darauf dringt, dass der Arzt, dessen Verordnungen sie beanstandet, zum Verfahren beigeladen wird. Auf die tatsächliche Schwäche dieser rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit hat der Senat in seiner früheren Rechtsprechung hingewiesen (vgl SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 37 und 45). An dieser Beurteilung hat sich nichts geändert, doch kann das nicht dazu führen, auch einem nicht erforderlichen "Antrag" zu Lasten des Arztes hemmende Wirkung zuzubilligen. Damit wäre nach Auffassung des Senats der Rahmen für richterliche Rechtsfortbildung verlassen.

27

Die bloße Mitteilung der für die Entscheidung über einen Arzneikostenregress zuständigen Behörde, nämlich des Prüfungsausschusses nach altem Recht bzw der Prüfungsstelle nach Inkrafttreten des GKV-WSG, über die Einleitung eines Prüfverfahrens wahrt die vierjährige Ausschlussfrist ebenfalls nicht und ist auch nicht geeignet, sie in entsprechender Anwendung des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB bzw des § 45 Abs 3 SGB I zu hemmen, wie das in den vorerwähnten Urteilen des Senats vom 5.5. und 18.8.2010 für einen Prüfantrag der KKn angenommen worden ist.

28

bb) Der Senat misst aber dem Umstand, dass eine Wirtschaftlichkeitsprüfung aus rechtlichen Gründen - nämlich wegen eines Streits zwischen KÄV und Krankenkassenverbänden über die Prüfvereinbarung oder die anzuwendende Prüfmethode - nicht durchgeführt werden kann, hemmende Wirkung bei. Weiterhin ist - wegen der Besonderheiten des Mehr-Personen-Verhältnisses - Voraussetzung für die Hemmung, dass der Hemmungsgrund den betroffenen Ärzten hinreichend präzise bekannt gegeben wird, damit sie wissen (können), warum die Durchschnittsprüfung derzeit ausgesetzt ist, und auch klären können, wann die Hemmung endet. Beide Voraussetzungen liegen hier vor.

29

Da für die Richtgrößenprüfung in § 106 Abs 2 Nr 2 Satz 6 SGB V aF ein Vorrang gegenüber der Prüfung nach Durchschnittswerten angeordnet war, waren die Prüfgremien bis zu einer Entscheidung darüber, ob eine Richtgrößenprüfung tatsächlich stattfinden sollte, aus Rechtsgründen an der Durchführung einer Prüfung nach Durchschnittswerten gehindert. Der Senat hat bereits in einem Verfahren zur nachträglichen Korrektur der vertrags(zahn)ärztlichen Vergütung für ein bestimmtes Quartal entschieden, dass die vierjährige Ausschlussfrist für den Erlass eines Bescheides zur Korrektur von Honorarbescheiden gehemmt ist, solange ein Schiedsverfahren bzw Klageverfahren gegen die Entscheidung des Schiedsamtes über die Höhe der Gesamtvergütung anhängig ist (Beschluss vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B - juris RdNr 12). Er hat in diesem Zusammenhang auf den Rechtsgedanken des § 203 Satz 1 BGB Bezug genommen, wonach eine Verjährungsfrist gehemmt ist, solange Schuldner und Gläubiger über den Anspruch verhandeln. Anders als für die Handlungen des Arztes und der antragstellenden KK im Regressverfahren (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 39) kann diese Vorschrift in Bezug auf die besonderen zwischen den Vertrags(zahn)ärzten und der K(Z)ÄV einerseits sowie zwischen der K(Z)ÄV und den KKn andererseits bestehenden Rechtsbeziehungen herangezogen werden. Eine der dargestellten Konstellation vergleichbare Lage besteht, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Prüfmethode vorgeschrieben hat, die aber erst umsetzbar ist, wenn die Partner der Gesamtverträge eine Vereinbarung - hier zu den Richtgrößen - geschlossen und sich über die Durchführung von Prüfungen auf dieser Grundlage verständigt haben. So wenig wie die KÄV endgültige Honorarbescheide erlassen kann, wenn sie nicht weiß, welches Honorarvolumen zur Verteilung ansteht, konnte der Prüfungsausschuss eine Prüfung nach Durchschnittswerten vornehmen, wenn nicht klar war, ob eine - gesetzlich ausdrücklich als vorrangig bezeichnete - Richtgrößenprüfung durchzuführen war. Das Fehlen einer rechtssicheren normativen Grundlage der Prüfung enthält dann die Rechtfertigung für die Hemmung der Ausschlussfrist.

30

Dem Vertrauensschutz der Vertragsärzte wurde dadurch Rechnung getragen, dass ihnen der Grund für die Aussetzung in der Prüfungsankündigung mitgeteilt wurde. Der Prüfungsausschuss hat jeweils der Beigeladenen zu 1. nicht nur mitgeteilt, dass eine Prüfung nach Durchschnittswerten durchgeführt werden solle; er hat auch darüber informiert, dass dieses Verfahren im Hinblick auf eine mögliche Richtgrößenprüfung nicht betrieben wird. Den jeweiligen Mitteilungen ab dem Quartal II/2000 war zu entnehmen, dass noch Verhandlungen der KÄV mit den KKn über eine Richtgrößenvereinbarung geführt wurden und das Ergebnis derzeit offen war. Für das Quartal I/2000 wurde die Beigeladene zu 1. zwar mit Schreiben vom 11.5.2001 zunächst lediglich darüber informiert, dass die KKn Anträge auf Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungsweise nach Durchschnittswerten gestellt hatten. Bereits das Schreiben vom 26.7.2001 betreffend die Quartale II/2000 und III/2000 enthielt jedoch den Hinweis, dass für die - ausdrücklich benannten - Quartale I bis IV/2000 die Entscheidung über eine Richtgrößenprüfung noch ausstehe. Auf entsprechende Ausführungen in einem Rundschreiben der KÄV Koblenz wurde verwiesen. Damit war hier die Beigeladene zu 1. für alle streitbefangenen Quartale hinreichend darüber informiert, dass das Prüfverfahren nach der Methode der Durchschnittsprüfung wegen einer eventuell durchzuführenden, rechtlich vorrangigen Prüfung nach Richtgrößen zunächst nicht betrieben wurde.

31

Die wegen der möglichen Durchführung einer Richtgrößenprüfung bestehende Hemmung dauert so lange, bis eine Entscheidung dazu getroffen ist oder die Richtgrößenprüfung aus Rechtsgründen nicht mehr durchgeführt werden kann. Hier stand erst im November 2006 fest, dass für die Jahre 2000 und 2001 keine Richtgrößenprüfung durchgeführt würde. Die KKn in Rheinland-Pfalz verzichteten auf die Richtgrößenprüfung und die KÄV nahm im Gegenzug eine in diesem Zusammenhang noch anhängige Klage zurück.

32

Eine allein auf das Scheitern der Verhandlungen über eine Richtgrößenprüfung abstellende Betrachtung der Beendigung der Hemmung der Frist für die Prüfung nach Durchschnittswerten wird aber dem berechtigten Interesse der Vertragsärzte nicht gerecht, dass Prüfungen in angemessener Zeit abgeschlossen werden. Auch für die Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 iVm § 84 SGB V galt eine vierjährige Ausschlussfrist, die mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007 (BGBl I 378) auf zwei Jahre verkürzt worden ist (§ 106 Abs 2 Nr 2 Satz 7 SGB V). Für die Hemmung der Ausschlussfrist bei einer Richtgrößenprüfung gelten die og dargestellten Grundsätze, das heißt, der Prüfungsausschuss/die Prüfungsstelle muss die betroffenen Ärzte davon unterrichten, dass bei ihnen auf der Basis der im betroffenen Quartal geltenden Richtgrößenvereinbarung eine Prüfung konkret in Betracht kommt und aus welchen Rechtsgründen - etwa der Anhängigkeit eines Schiedsverfahrens zur Durchführung der Richtgrößenprüfung bzw eines dazu geführten Klageverfahrens - das entsprechende Verfahren nicht betrieben werden kann. Wenn das nicht geschehen ist, läuft die Frist für eine Richtgrößenprüfung nach vier bzw nunmehr zwei Jahren ab und damit endet dann auch die Hemmung der Ausschlussfrist für die Durchschnittswertprüfung. Dieser Zeitpunkt - Ende der Frist für eine Richtgrößenprüfung - ist für alle hier betroffenen Quartale in den Jahren 2004 bzw 2005 erreicht worden, sodass dann die Ausschlussfrist für die Prüfung nach Durchschnittswerten wieder zu laufen begonnen hat. Sie war aber in allen Quartalen bei Erlass der Bescheide des Prüfungsausschusses in den Jahren 2005 bzw 2006 noch nicht abgelaufen.

33

Da somit als Folge der Information der zu 1. beigeladenen Praxis durch den Prüfungsausschuss über die Zurückstellung der Durchschnittsprüfung im Hinblick auf eine eventuelle Richtgrößenprüfung die Ausschlussfrist gehemmt und die Frist unter Berücksichtigung der Zeit der Hemmung nach § 209 BGB bei Erlass der Bescheide des Prüfungsausschusses nicht abgelaufen war(zur Fristwahrung auch durch eine Ablehnung von Maßnahmen vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 42), hätte der Beklagte die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise der zu 1. beigeladenen Praxis in der Sache nicht unterlassen dürfen. Diese Prüfung wird er nun nachholen müssen.

34

4. Der Beklagte wird bei seiner erneuten Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass er die Entscheidungen des Prüfungsausschusses vom 27.12.2005 hinsichtlich des Quartals I/2001 und vom 27.12.2006 hinsichtlich des Quartals III/2001 nicht "verbösern" durfte; dem stand das Verbot der reformatio in peius entgegen, weil allein die Klägerin den ihr zustehenden Rechtsbehelf des Widerspruchs eingelegt hatte. Das Verbot der Schlechterstellung im Rechtsbehelfsverfahren ist ein allgemeiner, im Rechtsstaatsprinzip verankerter Grundsatz, der auch im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss gilt (so auch Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: August 2012, K § 106 RdNr 612a). § 106 Abs 5 Satz 6 SGB V, wonach das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren gilt, macht deutlich, dass ungeachtet seiner Eigenständigkeit Parallelen zum Widerspruchsverfahren bestehen. Auch insofern muss der Widerspruchsführer darauf vertrauen können, dass sich die Einlegung eines Widerspruchs, die das Verwaltungsverfahren vor dem Beschwerdeausschuss erst in Gang setzt, nicht zu seinen Lasten auswirkt. Anderes gilt nur, soweit noch weitere Verfahrensbeteiligte Widerspruch einlegen (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 42).

35

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Beklagte die Kosten des Klage- und des Revisionsverfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. September 2011 aufgehoben. Die Berufung der Beigeladenen zu 2. gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30. September 2009 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 2. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. bis 6. je zur Hälfte. Die Beigeladene zu 2. trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. bis 6. in vollem Umfang.

Tatbestand

1

Im Revisionsverfahren ist noch die Rechtmäßigkeit eines Arzneikostenregresses für das Quartal II/2001 in Höhe von 6430 Euro umstritten.

2

Die Klägerin, eine aus einer Allgemeinmedizinerin und einem praktischen Arzt mit chirurgischer Qualifikation bestehende, an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Gemeinschaftspraxis überschritt im streitbefangenen Quartal bei den Kosten für die verordneten Arzneimittel den Durchschnitt der Vergleichsgruppe (gewichtet) um 66 %. Die Überschreitungen beliefen sich bei den Rentnern auf 81 %, bei den Familienangehörigen auf 59 % und bei den Mitgliedern auf 42 %. Nachdem der Prüfungsausschuss (PA) der Klägerin am 6.6.2002 mitgeteilt hatte, ihre Verordnungen würden auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft, setzte er mit Bescheid vom 15.11.2005 einen Kostenregress in Höhe von knapp 9000 Euro fest. Auf den Widerspruch der Klägerin reduzierte der beklagte Berufungsausschuss den Regress auf 6430 Euro. Soweit der Regress aufrechterhalten worden ist, begründete das der Beklagte damit, die Überschreitungswerte der Klägerin bewegten sich oberhalb der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis und würden durch Praxisbesonderheiten nicht erklärt. Die unterdurchschnittliche Fallzahl der klagenden Praxis sei dabei ebenso berücksichtigt worden wie der leicht überdurchschnittliche Rentneranteil.

3

Das SG hat - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - den Bescheid des Beklagten mit der Begründung aufgehoben, der am 16.11.2005 der Klägerin bekanntgegebene Bescheid des PA habe die vierjährige Ausschlussfrist für den Erlass von Regressbescheiden im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht gewahrt. Die maßgebliche Frist sei am 15.11.2005 abgelaufen, weil der Bescheid der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) über das Honorar der Klägerin im hier betroffenen Quartal II/2001 als am 15.11.2001 bekanntgegeben gelte.

4

Auf die Berufung der zu 2. beigeladenen AOK hat das LSG das sozialgerichtliche Urteil aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abgewiesen. Das LSG hat unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des BSG die Auffassung des SG geteilt, der angefochtene Bescheid sei erst nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist für den Erlass von Kostenregressen ergangen. Das BSG habe entschieden, dass es insoweit auf die Zuordnung der in Regress genommenen Verordnungen zu einem bestimmten Quartal und nicht auf den Erlass des Honorarbescheides für das Quartal ankomme, in dem die Verordnungen ausgestellt worden waren. Die Frist sei jedoch gehemmt gewesen, da der PA der Klägerin am 6.6.2002 mitgeteilt habe, dass die Wirtschaftlichkeit ihrer Verordnungen geprüft werde. Dieser Mitteilung habe ein Auswahlgespräch vom 16.5.2002 zwischen den Krankenkassenverbänden und der KÄV zugrunde gelegen. In dem Protokoll über dieses Gespräch sei ua die klagende Praxis in der Liste der Arztpraxen aufgeführt worden, deren Verordnungsverhalten geprüft werden solle. Dieses Protokoll sei als Kundgabe eines Prüfantrages der Krankenkassen (KKn) zu sehen, der nach der jüngeren Rechtsprechung des BSG die Ausschlussfrist für den Erlass eines Prüfbescheides hemme (Urteil vom 15.9.2011).

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das Berufungsurteil verletze Bundesrecht. Zunächst sei dem Berufungsgericht dahin zuzustimmen, dass die vierjährige Ausschlussfrist für den Erlass des angefochtenen Regressbescheides prinzipiell abgelaufen gewesen sei. Nicht zu folgen sei dem LSG allerdings insofern, als es angenommen habe, die Frist sei durch die Mitteilung des PA vom 6.6.2002 über die beabsichtigte Durchführung eines Prüfverfahrens gehemmt worden. Selbst wenn man der nicht uneingeschränkt überzeugenden Rechtsprechung des BSG hinsichtlich der Hemmungs- bzw Unterbrechungswirkung eines Prüfantrages einer KK folgen wolle, könne dem Berufungsgericht weder dahin zugestimmt werden, dass hier tatsächlich ein Prüfantrag einer KK oder mehrerer Krankenkassenverbände gestellt worden sei, noch dahin, dass die Mitteilung des PA über das Prüfungsprotokoll aus der Sitzung vom 16.5.2002 tatsächlich die Wirkung eines Prüfantrages habe. Zu berücksichtigen sei, dass seit dem 1.1.2000 das Prüfverfahren - jedenfalls soweit es um statistische Vergleichsprüfungen gehe - nicht mehr von einem Prüfantrag der betroffenen KKn bzw Krankenkassenverbände abhängig sei, sondern von Amts wegen durchgeführt werde. Damit sei für die rechtsgestaltende Wirkung von Prüfanträgen von vornherein kein Raum mehr. Im Übrigen müsse nach der Rechtsprechung des BSG ein die Ausschlussfrist hemmender Prüfantrag der KKn hinreichend deutlich machen, dass die KK ihre Rechte auch gegenüber den Prüfgremien durchsetzen wolle. Die bloße Mitteilung des PA, er werde sich mit der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise einer bestimmten Praxis in einem bestimmten Zeitraum befassen, stehe dem nicht gleich.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15.9.2011 aufzuheben und die Berufung der Beigeladenen zu 2. gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30.9.2009 zurückzuweisen.

7

Die zu 1. beigeladene KÄV schließt sich der Auffassung und dem Antrag der Klägerin an.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er ist der Auffassung, das LSG habe der Mitteilung des PA vom 6.6.2002 zu Recht die Rechtswirkung zugesprochen, den Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist für den Erlass eines Regressbescheides zu hemmen.

10

Dem schließt sich in der Sache auch die zu 2. beigeladene AOK an.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das LSG hat das sozialgerichtliche Urteil, mit dem ihrer Klage gegen den Bescheid des Beklagten für das Quartal II/2001 stattgegeben worden war, zu Unrecht geändert. Das sozialgerichtliche Urteil ist wiederherzustellen, weil dieser Bescheid rechtswidrig ist und die Klägerin beschwert (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG).

12

1. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides lässt sich allerdings nicht damit begründen, dass die Klägerin - was nicht feststeht - vor Erlass des Bescheides des PA vom 15.11.2005 nicht über die Unwirtschaftlichkeit ihrer Verordnungsweise beraten worden wäre. Die Festsetzung eines Regresses war nämlich im streitbefangenen Quartal II/2001 nicht davon abhängig, dass die Prüfgremien die Klägerin zuvor über die Unwirtschaftlichkeit ihrer Verordnungsweise beraten haben. Soweit in § 106 Abs 5e Satz 2 SGB V in der ab dem 1.1.2012 geltenden Fassung des GKV-VStG vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) bestimmt ist, die Festsetzung von Erstattungsbeträgen bei Überschreitung des Richtgrößenvolumens (§ 106 Abs 5a Satz 3 SGB V) könne erst für Zeiträume nach einer individuellen Beratung erfolgen, findet diese Regelung hier aus sachlichen und zeitlichen Gründen keine Anwendung. Die Abs 5a und 5c bis 5e des § 106 SGB V befassen sich allein mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Überschreitung von Richtgrößenvolumina iS des § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V und finden auf Prüfungen nach der Methode des statistischen Kostenvergleichs keine Anwendung. Im Übrigen wäre die Regelung über die regressausschließende Beratung hier auch dann nicht anwendbar, wenn eine Richtgrößenprüfung durchgeführt worden wäre. Diese Vorschrift gilt nur für Prüfverfahren, die Zeiträume ab ihrem Inkrafttreten (1.1.2012) betreffen (vgl allg zu den für die Wirtschaftlichkeitsprüfung maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen bei Gesetzesänderungen: BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15 f). Soweit der Deutsche Bundestag am 27.6.2012 eine Ergänzung des § 106 Abs 5e SGB V um Satz 7 beschlossen hat, wonach die Regelung des Abs 5e für alle Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren (BT-Drucks 17/10156 S 77 zum Zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften), gilt diese Regelung erst ab ihrem Inkrafttreten. Das ist derzeit nicht absehbar, weil der Bundesrat sich noch nicht mit dem Gesetz befasst hat. Im Übrigen würde die vom Gesundheitsausschuss als "Klarstellung zur Rechtslage" bezeichnete Änderung des Gesetzes den streitbefangenen Regress nicht erfassen, weil das Widerspruchsverfahren dazu bereits vor Inkrafttreten des GKV-VStG abgeschlossen war. Für derartige Verfahren soll die (unterstellt) klarstellende Neuregelung in § 106 Abs 5e Satz 7 nicht gelten(BT-Drucks 17/10156 S 95).

13

2. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides ergibt sich jedoch daraus, dass die Ausschlussfrist für den Erlass von Bescheiden über Regresse wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Arzneimitteln bei seinem Erlass abgelaufen war. Der Senat hat in den Urteilen vom 5.5.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 28)und vom 18.8.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 29)für den hier betroffenen Bereich von Arzneikostenregressen klargestellt, dass solche Regresse einer vierjährigen Ausschlussfrist unterliegen, dass weiterhin diese Ausschlussfrist mit Ablauf des Quartals beginnt, dem die (potenziell) in Regress genommenen Verordnungen zuzurechnen sind, und dass schließlich die Ausschlussfrist durch einen Prüfantrag der betroffenen KK gehemmt wird. Dies bedarf hier keiner weiteren Ausführungen, weil die Beteiligten insoweit übereinstimmen.

14

Hier gilt eine vierjährige und nicht - wie die zu 1. beigeladene KÄV annimmt - eine zweijährige Ausschlussfrist. Die Beigeladene zu 1. beruft sich für ihre Auffassung auf § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V. Dort ist bestimmt, dass "die Festsetzung eines den Krankenkassen zu erstattenden Mehraufwands nach Abs 5a innerhalb von zwei Jahren nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums erfolgen" muss. Diese Regelung des Art 1 Nr 72 Buchst b cc GKV-WSG ist zum 1.1.2008 in Kraft getreten (Art 46 Abs 8 GKV-WSG; BGBl I 2007, 378) und erfasst den hier betroffenen Zeitraum schon deshalb nicht. Im Übrigen ist die Regelung auch thematisch nicht einschlägig, weil sie nur auf Richtgrößenprüfungen nach § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V anzuwenden ist. Das ergibt sich aus der Verweisung auf Abs 5a, der sich nur mit den Folgen der Überschreitung der Richtgrößenvolumen nach § 84 Abs 6 und 8 SGB V befasst. Deshalb greift § 106 Abs 2 Satz 7 SGB V auch dann nicht ein, wenn wegen der Nichtdurchführbarkeit einer Richtgrößenprüfung eine Durchschnittsprüfung erfolgt(§ 106 Abs 2 Satz 5, letzter Halbsatz SGB V).

15

Soweit die beigeladene KÄV auf die Begründung des Gesetzgebers zur Einführung des § 106 Abs 2 Satz 7 SGB V verweist, rechtfertigt das keine andere Beurteilung der bis zum 31.12.2007 geltenden Rechtslage. Die damaligen Regierungsfraktionen vertraten die Auffassung, Zeiträume von mehr als zwei Jahren zwischen dem geprüften Verordnungszeitraum und dem Abschluss der Prüfungen seien für die Betroffenen unzumutbar (BT-Drucks 16/3100 zu Art 1 Nr 72 zu Buchst b cc, S 136). Diese Wertung bezieht sich jedoch allein auf Richtgrößenprüfungen nach § 106 Abs 5a SGB V. Hätte der Gesetzgeber generell eine Unzumutbarkeit länger andauernder Prüfverfahren angenommen, hätte er die Gelegenheit gehabt, diese Sichtweise durch entsprechende gesetzliche Änderungen umzusetzen. Dass die fehlende Umsetzung auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht, ist nicht erkennbar; vielmehr hat er eine entsprechende Regelung wegen der besonderen Bedeutung von Richtgrößenverfahren ausschließlich in diesem Bereich für erforderlich gehalten. Im Übrigen müssen schon aus Gründen der Rechtssicherheit rückwirkende Verkürzungen von Handlungsfristen auf besonders gelagerte Konstellationen beschränkt sein und bedürfen einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage. Daran fehlt es für den hier betroffenen Zeitraum.

16

3. Danach ist in Übereinstimmung mit dem LSG davon auszugehen, dass die Ausschlussfrist für einen Regressbescheid für das Quartal II/2001 hier am 1.7.2001 zu laufen begann und grundsätzlich am 30.6.2005 abgelaufen ist. Der dem angefochtenen Bescheid des Beklagten zugrunde liegende Bescheid des PA stammt vom 15.11.2005 und hat die Frist dementsprechend nicht gewahrt. Die formelle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Beklagten hängt deshalb allein davon ab, ob diese Frist vor ihrem Ablauf am 30.6.2005 unterbrochen - bzw nach neuem Recht - gehemmt worden ist. Das ist entgegen der Auffassung des LSG nicht der Fall. Die Hemmung kann hier allein durch die Mitteilung des PA an die Klägerin vom 6.6.2002 bewirkt worden sein, wonach deren Verordnungsweise geprüft werden solle. Das LSG hat in diesem Schreiben konkludent einen Prüfantrag der KKn gesehen und diesem hemmende Wirkung beigemessen. Das hält der Senat nicht für richtig.

17

Fraglich ist bereits, ob die Mitteilung des PA vom 6.6.2002 den formellen und inhaltlichen Anforderungen genügt, die erfüllt sein müssen, damit die Rechtsfolgen eines Prüfantrages von Krankenkassen ausgelöst werden können (a). Im Übrigen würde auch ein wirksamer Prüfantrag hier die Ausschlussfrist nicht gehemmt haben (b). Auch eine Information der Klägerin über die Gründe für die Verzögerungen beim Prüfverfahren, die hemmende Wirkung haben kann, ist hier nicht erfolgt (c).

18

a) Der Senat hat anders als das LSG schon Zweifel, ob das Schreiben der Geschäftsstelle des "Prüfungsausschusses 3" der gemeinsamen Prüfeinrichtungen der KKn und der KÄV Rheinland-Pfalz vom 6.6.2002 als Prüfantrag im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des Senats zu werten ist. In diesem Schreiben, das in der Verwaltungsakte des Beklagten enthalten ist, teilt der Referatsleiter der Prüfeinrichtungen der Klägerin mit, es werde hinsichtlich des Quartals II/2001 um Kenntnisnahme gebeten, dass "Ihre Arzneimittelverordnungen bezüglich des vorgenannten Quartals einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werden". Die Einleitung des Prüfverfahrens besage selbstverständlich noch nicht, dass Unwirtschaftlichkeit vorliege; die Klägerin habe Gelegenheit, auf Praxisbesonderheiten hinzuweisen.

19

Diesem Schreiben lag die Arzneikostenstatistik der Klägerin sowie deren Honorarabrechnung bei. Irgendein Hinweis darauf, dass Prüfanträge der KKn bzw der Krankenkassenverbände in Bezug auf die klägerische Praxis zugrunde gelegen haben oder vorausgegangen sind, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Ohne Kenntnisnahme des vom Beklagten unter dem 2.3.2011 an das Berufungsgericht versandten Protokolls "über das Auswahlgespräch am 16.5.2002 im Hause der KV Pfalz" hinsichtlich der Arzneiverordnungen im Quartal II/2001 wäre nicht bekannt, inwieweit sich die KKn bzw deren Verbände in das Prüfverfahren für das Quartal II/2001 eingeschaltet haben. Die Mitteilung der für die Entscheidung über einen Arzneikostenregress zuständigen Behörde - nämlich des PA nach altem Recht bzw der Prüfungsstelle nach Inkrafttreten des GKV-WSG - über die Einleitung eines Prüfverfahrens wahrt die vierjährige Ausschlussfrist nicht und ist nicht geeignet, sie in entsprechender Anwendung des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB bzw des § 45 Abs 3 SGB I zu hemmen, wie das in den vorerwähnten Urteilen des Senats vom 5.5. und 18.8.2010 für einen Prüfantrag der KKn angenommen worden ist.

20

Der Senat hat die hemmende Wirkung des Prüfantrags der KK in erster Linie damit begründet, dass die KK unmittelbar gegen den (möglicherweise) unwirtschaftlich verordnenden Arzt nicht vorgehen könne, sondern zur Realisierung ihres auf der Unwirtschaftlichkeit von Verordnungen beruhenden Schadensersatzanspruchs auf die Tätigkeit der Prüfgremien angewiesen sei. Nur die besondere Konstellation, dass die KKn ihren gegen den Vertragsarzt gerichteten Anspruch auf Ersatz für unwirtschaftlich verordnete Arzneimittel bzw unwirtschaftlich verordneten Sprechstundenbedarfs nicht unmittelbar, sondern nur durch Inanspruchnahme der Prüfgremien realisieren können, rechtfertigt es, unter bestimmten Voraussetzungen den KKn die Möglichkeit zu geben, den Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist zu hemmen. Dafür bedarf es aber eines konkreten, auf eine bestimmte Praxis gerichteten Begehrens einer KK oder von Krankenkassenverbänden. Das kann auch in der Weise formuliert werden, dass zwischen den Verbänden und der KÄV eine Abstimmung erfolgt, welche Praxen geprüft werden sollen. Unverzichtbar ist aber, dass die KKn von sich aus tätig geworden sind und die betroffene Praxis informiert ist, dass die KKn auf eine Prüfung der Verordnungsweise bestehen. Die bloße Mitteilung des PA über eine beabsichtigte Prüfung für sich genommen steht einem Prüfantrag der KKn nicht gleich.

21

Der mit der Ausschlussfrist verbundene Schutz des Arztes, nicht zeitlich unbegrenzt für seine Verordnungen in Regress genommen werden zu können, liefe weitgehend leer, wenn nicht erst der Bescheid über einen Arzneikostenregress oder über die Ablehnung eines Arzneikostenregresses, sondern allein die Mitteilung, das Verordnungsverhalten eines Arztes werde geprüft, bereits die zugunsten des Arztes bestehende vierjährige Ausschlussfrist hemmen würde. Der PA (nach bis zum 31.12.2007 geltendem alten Recht) bzw die Prüfungsstelle (nach neuem Recht) könnten dann routinemäßig allen Ärzten, deren Verordnungsverhalten in irgendeiner Hinsicht auffällig ist, kurz nach Eingang bestimmter, auf die Auffälligkeit hindeutender Unterlagen, eine Mitteilung zuleiten, es sei mit einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu rechnen, mit der Folge, dass die Vertragsärzte ohne zeitliche Begrenzung damit rechnen müssten, dass gegen sie Kostenregresse festgesetzt würden. Das wäre aus denselben Gründen, aus denen der Senat in ständiger Rechtsprechung die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung von für die Vertragsärzte wirtschaftlich sehr einschneidenden Regressfestsetzungsverfahren abgeleitet hat (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 28 f), nicht akzeptabel.

22

b) Im Übrigen vermag der Senat der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht zu folgen, wonach generell jeder Prüfantrag einer KK die vierjährige Ausschlussfrist zu hemmen geeignet ist, soweit Quartale ab dem 1.1.2000 betroffen sind. Das LSG hat in diesem Zusammenhang nicht übersehen, dass infolge der Änderung des § 106 Abs 5 SGB V durch das GKV-Reformgesetz 2000(BGBl I 1999, 2626) zum 1.1.2000 das antragsgebundene Prüfverfahren durch ein grundsätzlich von Amts wegen einzuleitendes und durchzuführendes Prüfungsverfahren ersetzt worden ist. Für die Verfahren, die nach den in § 106 Abs 2 Satz 1 SGB V normierten Regelprüfmethoden oder ersatzweise nach der Methode des statistischen Kostenvergleichs durchgeführt werden, war ein Prüfantrag nicht mehr Voraussetzung für die Durchführung der Prüfung. Die Neuregelung des § 106 Abs 2 SGB V zum 1.1.2000 hat zwar nicht generell das Antragsrecht der KKn bzw ihrer Verbände beseitigt; soweit jedoch das Verfahren vom PA antragsunabhängig durchzuführen ist, kann ein gleichwohl gestellter Antrag keine besonderen Rechtspflichten der Prüfgremien mehr auslösen. Jedenfalls in dem Bereich der hier betroffenen statistischen Vergleichsprüfung und der Richtgrößenprüfung hat ein allein von Gesetzes wegen nicht erforderlicher Prüfantrag der KKn nicht die Wirkung, die vierjährige Ausschlussfrist zu hemmen. Damit weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung ab, die den zitierten Urteilen vom 5.5. und 18.8.2010 zugrunde liegt. Beide Fälle betrafen Konstellationen, in denen ein Prüfantrag der KK ungeachtet der grundsätzlichen Umstellung des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens von einem antragsgebundenen auf ein von Amts wegen durchzuführendes Verfahren weiterhin erforderlich war.

23

Dem Urteil vom 5.5.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 28)lag ein einzelfallbezogener Prüfantrag einer KK im Hinblick auf die Verordnung eines bestimmten Medikamentes gegenüber einem konkreten Patienten zugrunde. Rechtsgrundlage der Einzelfallprüfung in diesem Fall war § 106 Abs 3 Satz 3 SGB V in der ab 1.1.2000 geltenden Fassung. Danach war in Verträgen durch die Partner iS des Abs 2 Satz 4 auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt und pauschale Honorarkürzungen festgesetzt werden können. Für Einzelfallprüfungen im Hinblick auf die Verordnung bestimmter Medikamente kann jedenfalls auch nach der Neufassung des § 106 Abs 5 SGB V schon aus praktischen Gründen auf einen Prüfantrag der KK nicht verzichtet werden. Nur die einzelne KK hat die Möglichkeit, aufgrund der bei ihr vorliegenden Verordnungen und Diagnosen zu beurteilen, ob eine unzulässige Verordnung vorgenommen wurde oder nicht; der im Falle der Unzulässigkeit der Verordnung zu leistende Schadensersatz kommt in diesem Fall auch allein der antragstellenden KK zugute und nicht - wie im Fall von statistischen Vergleichsprüfungen - allen Krankenkassenverbänden nach einem bestimmten Schlüssel. Diese Rechtslage hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 106 Abs 3 SGB V durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung(GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190) präzisiert. Dort ist nunmehr bestimmt, dass die Vertragspartner vereinbaren müssen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen auf Antrag ua einer KK oder der KÄV durchzuführen sind (vgl Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: August 2012, K § 106 RdNr 445).

24

Ähnliches gilt für die Konstellation, die dem Senatsurteil vom 18.8.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 29)zugrunde lag. Dort ging es um die Verordnung von Sprechstundenbedarf, die auf einer Vereinbarung der Vertragspartner über die Verordnung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Sprechstundenbedarf in der vertragsärztlichen Versorgung beruhte; deren gesetzliche Grundlage ist § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V. Auch insoweit sah die Prüfvereinbarung - nicht anders als die Prüfvereinbarung in dem am 5.5.2010 entschiedenen Fall hinsichtlich der Einzelfallprüfung - ein Antragsrecht der KK vor; bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf ist dies schon deshalb erforderlich, weil üblicherweise Sprechstundenbedarf zu Lasten einer bestimmten KK für alle Versicherten verordnet wird, die entsprechend auch berechtigt ist, Prüfanträge hinsichtlich der Einhaltung der Vorgaben der Sprechstundenbedarfsvereinbarung und der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Sprechstundenbedarf zu stellen.

25

Soweit ein Prüfantrag kraft Gesetzes Voraussetzung für die Durchführung eines Prüfverfahrens oder auf gesetzlicher Grundlage in der Prüfvereinbarung (neu) vereinbart worden oder von der Sache her unverzichtbar ist, kommt diesem Antrag auch für Quartale nach dem 1.1.2000 ua die Wirkung zu, den Ablauf der Ausschlussfrist für die Festsetzung eines Arzneikostenregresses zu hemmen. Soweit die Wirtschaftlichkeitsprüfung jedoch als Richtgrößenprüfung oder statistische Vergleichsprüfung durchgeführt wird und Quartale betroffen sind, in denen diese Prüfung von Amts wegen durchzuführen ist, gilt das grundsätzlich nicht. Der Senat hat die hemmende Wirkung des Prüfantrags vor allem mit einer entsprechenden Anwendung des Rechtsgedankens des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB begründet. Danach hemmt ein "Antrag bei einer Behörde" die Verjährung, "wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt". Der Heranziehung des in dieser Vorschrift enthaltenen Rechtsgedankens auf den Prüfantrag einer KK liegt die Erwägung zugrunde, dass dieser Antrag Voraussetzung dafür war, dass sich das zuständige Prüfgremium mit der Verordnungsweise einer Praxis befassen konnte. Die Basis für eine entsprechende Anwendung dieser Norm ist verlassen, wenn der "Antrag" nur noch eine unverbindliche Anregung an die Prüfgremien enthält, tätig zu werden. In Prüfverfahren, in denen ein Prüfantrag weder gesetzlich bzw gesamtvertraglich vorgeschrieben noch von der Sache her unverzichtbar ist, kann die betroffene KK die Hemmung der Ausschlussfrist nur dadurch zu erreichen versuchen, dass sie Untätigkeitsklage erhebt und darauf dringt, dass der Arzt, dessen Verordnungen sie beanstandet, zum Verfahren beigeladen wird. Auf die tatsächliche Schwäche dieser rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit hat der Senat in seiner früheren Rechtsprechung hingewiesen (vgl SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 37 und 45). An dieser Beurteilung hat sich nichts geändert, doch kann das nicht dazu führen, auch einem nicht erforderlichen "Antrag" zu Lasten des Arztes hemmende Wirkung zuzubilligen: damit wäre nach Auffassung des Senats der Rahmen für richterliche Rechtsfortbildung verlassen.

26

Im Übrigen stehen die KKn und ihre Verbände auch abgesehen von der Möglichkeit der Untätigkeitsklage nicht rechtlos dar. Die Prüfgremien unterliegen staatlicher Aufsicht und machen sich bei willkürlicher Verweigerung der Durchführung von Prüfungen der betroffenen KK schadenersatzpflichtig. Den Gremien selbst stehen, soweit sachliche Gründe eine zügige Durchführung der Prüfverfahren hindern, Instrumente zur Verfügung, die Ausschlussfrist zu hemmen (vgl insoweit Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren B 6 KA 27/11 R). Darauf können (auch) die KKn im Prüfverfahren hinwirken. Soweit im Übrigen die unzureichende personelle Ausstattung der Prüfgremien ursächlich dafür sein sollte, dass selbst die vierjährige Ausschlussfrist, die im Gesetzgebungsverfahren zum GKV-WSG als unzumutbar lang beurteilt worden ist (BT-Drucks 16/3100 S 136), regelmäßig nicht gewahrt werden konnte, sind dafür die Krankenkassenverbände als Partner der Gesamtverträge und Mitträger der Gremien mitverantwortlich.

27

c) Der Senat misst dem Umstand, dass eine Wirtschaftlichkeitsprüfung aus rechtlichen Gründen - etwa wegen eines Streits zwischen KÄV und Krankenkassenverbänden über die Prüfvereinbarung oder die anzuwendende Prüfmethode - nicht durchgeführt werden kann, unter bestimmten Voraussetzungen hemmende Wirkung bei. Das ist im Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 27/11 R - näher dargelegt. Dieser Aspekt hat hier jedoch keine Bedeutung, weil weder der PA noch die Krankenkassenverbände die Klägerin darüber informiert haben, dass das Prüfverfahren nach der Methode der Durchschnittswertprüfung wegen einer eventuell rechtlich vorrangigen Prüfung nach Richtgrößen zunächst nicht betrieben wird. Unterbleibt eine solche Information der betroffenen Praxis, tritt keine Hemmung ein, auch wenn der Streit um die Prüfmethode tatsächlich eine Rolle gespielt haben sollte (zur Bedeutung einer Information des betroffenen Arztes siehe BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 46).

28

Danach hat das SG im Ergebnis zu Recht den angefochtenen Bescheid des Beklagten wegen des Ablaufs der Ausschlussfrist aufgehoben. Ob es sich darauf hätte beschränken dürfen, den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid des PA unter Beachtung seiner Rechtsauffassung neu zu entscheiden, oder ob es ihn hätte verpflichten müssen, auf den Widerspruch der Klägerin diesen Bescheid aufzuheben, kann auf sich beruhen. Die Klägerin hat das sozialgerichtliche Urteil, soweit es den Beklagten "nur" zur Neubescheidung des Widerspruchs der Klägerin verpflichtet hat, nicht angefochten. Es ist insoweit rechtskräftig geworden.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1, § 162 Abs 3 VwGO.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.