Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 06. Aug. 2014 - L 10 AL 50/14

bei uns veröffentlicht am06.08.2014
vorgehend
Sozialgericht Nürnberg, S 1 AL 495/13, 31.01.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 31.01.2014 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Zahlung von Insolvenzgeld (InsG).

Der Kläger ist bulgarischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Bulgarien. Am 16.01.2012 beantragte er bei der Beklagten die Zahlung von InsG. Sein Arbeitgeber, P. B. (B.), bei dem er als Bauarbeiter beschäftigt gewesen sei, habe am „31.09.2011“ seine Betriebstätigkeit vollständig eingestellt. B. sei unauffindbar. Beim Arbeitsgericht S. habe er seine offenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt eingeklagt. Für Juni 2011 (offene Forderung: 1.793,58 € brutto) und für Juli 2011 (offene Forderung: 2.255,50 €) sei kein Arbeitsentgelt gezahlt worden. Dies werde durch das (Teil-)Versäumnisurteil des Arbeitsgerichtes S. vom 12.10.2011 bestätigt. Er habe - ausweislich seiner arbeitsgerichtlichen Klage - seit dem 15.06.2011 für B. gearbeitet, der keine eigene Betriebsstätte gehabt habe. Ein schriftlicher Vertrag existiere nicht. Eigentlich habe B. ihn als Subunternehmer beschäftigen wollen, was mündlich vereinbart gewesen sei. Er sei jedoch Arbeitnehmer. Im Juni 2011 habe er 138,50 Stunden und im Juli 2011 173,50 Stunden gearbeitet, wobei ein Mindestlohn nach dem Tarifvertrag für das Baugewerbe (West) von 13,40 €/h zugrunde zu legen sei. Als Entlohnung habe er lediglich 130.- € netto für Verpflegung erhalten. Das Arbeitsverhältnis habe er zum 31.08.2011 gekündigt.

Mit Bescheid vom 03.05.2012 lehnte die Beklagte die Zahlung von InsG ab. Ein Insolvenzereignis könne nicht festgestellt werden. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei nicht gestellt worden und Nachweise über die Einstellung der betrieblichen Tätigkeit des B. lägen nicht vor. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass B. seit August 2011 verschwunden sei. Der Betrieb liege daher still. Im Zuge ihrer Ermittlungen stellte die Beklagte fest, dass B. ein angemeldetes Gewerbe, Glas- und Gebäudereinigung nach Hausfrauenart, bereits zum 16.02.2011 abgemeldet hatte. Bei der Finanzverwaltung seien zwar Steuerrückstände in Höhe von 9.108,90 € offen. Die älteste Forderung sei jedoch bereits im März 2010 fällig gewesen. Erkenntnisse über eine Betriebseinstellung lägen dort nicht vor. Gegen B. laufe jedoch ein Verfahren wegen des Vorenthaltens und des Veruntreuens von Arbeitsentgelt. Im Rahmen einer Strafanzeige gegen B. gab (u. a.) der Kläger gegenüber der Staatsanwaltschaft an, B. habe dutzende von Arbeitnehmer aus den neuen osteuropäischen EU- Ländern um ihr Arbeitsentgelt gebracht. Arbeitsverträge schließe er nur mündlich, Zahlungen von Arbeitsentgelt seien jedoch nie erfolgt. Auch habe B. keine Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Insolvenzereignis sei nicht zu belegen, denn die Beendigung der betrieblichen Tätigkeit habe nicht festgestellt werden können. Auch eine Überschuldung des B. sei nicht zu erkennen. Es bestünden lediglich ältere Steuerschulden und es sei nicht auszuschließen, dass B. Arbeitnehmer möglicherweise mit Schwarzarbeit betraut habe. Allein die Weigerung Zahlungen zu erbringen rechtfertige jedoch nicht die Annahme eines Insolvenzereignisses.

Mit der dagegen zum Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.05.2011 bis 31.07.2011 begehrt. B. habe sich vorsätzlich kriminell verhalten und nie beabsichtigt, seine ausländischen Arbeitnehmer zu bezahlen. Aufgrund der Überschuldung sei eine Bezahlung der Arbeitnehmer ohnehin nicht in Betracht gekommen. Zudem gehe die Beklagte fehl, wenn sie annehme, B. habe seine betriebliche Tätigkeit nicht eingestellt. Alle Tatsachen sprächen für eine Masseunzulänglichkeit. Darüber hinaus sei B. am 01.06.2011 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe wegen gleichgelagerter Delikte verurteilt worden. Auf gerichtliche Anfrage haben die Staatsanwaltschaften H. und N. mitgeteilt, dass B. bereits eine sechsmonatige Strafhaft verbüßt habe (N.). Eine 12-monatige Haftstrafe stehe noch zur Vollstreckung aus. Wegen des derzeit unbekannten Aufenthaltes sei B. zur Festnahme ausgeschrieben.

Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2014 die Klage abgewiesen. Es sei bereits nicht zu belegen, dass der Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sei. Nachweise hierüber (Arbeitsvertrag; Lohnbelege uä) habe er nicht vorlegen können. Die von ihm benannten Zeugen, könnten lediglich Angaben zur Anwesenheit des Klägers auf den Baustellen machen, nicht jedoch zu dessen Status. In der arbeitsgerichtlichen Klage habe der Kläger selbst angegeben, dass eigentlich eine selbstständige Tätigkeit als Subunternehmer vereinbart gewesen sei. Zudem räume der Kläger ein, dass eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes nicht mehr möglich erscheine. Insoweit treffe ihn die Feststellungslast, dass seine Arbeitnehmereigenschaft nicht zu belegen sei.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Streitig zwischen den Beteiligten sei allein die Frage gewesen, ob ein Insolvenzereignis vorliege. Überraschend habe das SG jedoch darauf abgestellt, dass die Arbeitnehmereigenschaft nicht nachgewiesen sei. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung seien jedoch belegbar. Er habe den Weisungen des B. unterlegen in Bezug auf Ausführung der Bauleistungen, die Werkzeuge und die Materialien. Er sei pro Stunde bezahlt worden und B. habe die Unterkünfte angemietet aber nicht bezahlt. Die passenden Aufträge habe B. gesucht und er habe keine weiteren Auftraggeber gehabt. Er sei „hauptsächlich“ für B. tätig gewesen. Vorsorglich sei ein Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eingeleitet worden.

Der Kläger beantragt,

„den Bescheid vom 03.05.2012 und dem Widerspruchsbescheides vom 01.07.2012 aufzuheben und dem Kläger Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmung zu gewähren.“

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Das SG habe zutreffend entschieden. Die Einstellung der betrieblichen Tätigkeit sei nach wie vor nicht belegt. Zudem gebe es keine Hinweise darauf, dass der Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sei. Eine Arbeitsgenehmigung- EU sei dem Kläger für den streitigen Zeitraum nicht erteilt gewesen. Zuletzt fehle es auch an einer rechtzeitigen Antragstellung.

Auf den gerichtlichen Hinweis, dass Zweifel an einer Arbeitnehmereigenschaft des Klägers bestünden, weil nicht dargelegt sei, dass dem Kläger als bulgarischen Staatsangehörigen eine Arbeitsgenehmigung- EU (iSd § 284 SGB III) erteilt gewesen sei (bzw. aus welchen Gründen eine solche nicht erforderlich gewesen sein soll) und insoweit eine Vereinbarung über eine selbstständige Tätigkeit nachvollziehbar sei, bzw. dass - in Bezug auf die Frage des Insolvenzereignisses - allenfalls eine Zahlungsunwilligkeit des B. nachzuweisen sei, hat der Kläger das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen beantragt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG), in der Sache aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 03.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er hat keinen Anspruch auf Zahlung von InsG.

Der erkennende Senat war trotz des Antrages auf Verlegung des Termins und dem Ausbleiben des Klägers - und seines Bevollmächtigten - in der mündlichen Verhandlung am 06.08.2014 an einer Entscheidung in der Sache nicht gehindert. Der Kläger war bereits mit gerichtlichem Anhörungsschreiben vom 24.07.2014 darauf hingewiesen worden, dass das - ohne Nachweis gebliebene - Vorbringen, der Kläger sei verhindert, nicht ausreiche, um die Verlegung des Termins zu rechtfertigen. Den ablehnenden Beschluss vom 30.07.2014 hat der Bevollmächtigte des Klägers - ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 05.08.2014 - spätestens einen Tag vor der mündlichen Verhandlung erhalten. Trotz des gerichtlichen Hinweises vom 24.07.2014 und des Beschlusses vom 30.07.2014 hat es der Kläger unterlassen, erhebliche Gründe dazulegen, die eine Verlegung der mündlichen Verhandlung hätten rechtfertigen können; dass der erkennende Senat auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erheben, verhandeln und entscheiden könne, war dem Kläger bereits mit der Ladung vom 10.07.2014 mitgeteilt worden. Auch der Antrag des Klägers auf Ruhen des Verfahrens stand einer Entscheidung nicht entgegen, denn die Beklagte hat diesem Antrag nicht zugestimmt (Schriftsatz vom 07.07.2014).

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 03.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er hat keinen Anspruch auf Zahlung von InsG.

Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der Fassung des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10.12.2001 (BGBl I 3443) setzt ein Anspruch auf InsG voraus, dass (Nr. 1) bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, (Nr. 2) bei Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder (Nr. 3) bei vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt geworden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt bestanden hat.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn es gibt bereits keinen Nachweis dafür, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum bei B. als Arbeitnehmer beschäftigt und in diesem Zusammenhang die Zahlung von Arbeitsentgelt aus einem Arbeitsverhältnis ausgeblieben war.

Durch die Regelungen zum InsG werden lediglich Ansprüche von Arbeitnehmern geschützt, wobei dieser Begriff weder arbeitsrechtlich noch sozialrechtlich gesetzlich definiert wird. Unabhängig davon, dass der Arbeitnehmerbegriff insoweit arbeitsrechtlich vorgeprägt ist, ist für das Insolvenzgeldrecht nicht auf das Arbeitsrecht Bezug zu nehmen, sondern auf den auch sonst vom SGB III verwendeten allgemeinen (sozialrechtlichen) Begriff des Arbeitnehmers. (Vgl. BSG, Urteil vom 23.09.1982 - 10 RAr 10/81 - SozR 2100 § 7 Nr. 7). Vorliegen muss demnach eine Beschäftigung im Sinne des § 25 SGB III. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere als Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis. Arbeitnehmer ist, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit stellt das wesentliche, das charakteristische Merkmal des Beschäftigungsverhältnisses dar. Persönliche Abhängigkeit bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Das Weisungsrecht kann allerdings besonders bei Diensten höherer Art erheblich eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert“ sein (vgl. BSG, Urteil vom 23.09.1982 - a. a. O. m. w. N.). Es darf aber nicht vollständig entfallen. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dabei ist die arbeitsvertragliche Gestaltung im Zweifelsfalle unerheblich, denn maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse, sofern diese von den vertraglichen Vereinbarungen abweichen (vgl. BSG, Urteil vom 17.05.2001 - B 12 KR 34/00 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 17). Rechtlich relevant sind in diesem Zusammenhang die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse, die im Einzelfall bei wertender Betrachtung die Qualifizierung einer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung erlauben. Die Frage, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R; Urteil vom 29.09.2011 - B 12 R 17/09 R - alle zitiert nach juris).

Bei Beachtung dieser Grundsätze ist die Entscheidung des SG im Ergebnis nicht zu beanstanden, auch wenn sich der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers nicht zweifelsfrei bestimmen lässt. In den Verfahren vor den Sozialgerichten gilt der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast. Hiernach sind die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder der Umstand, dass sich eine Tatsache nicht feststellen lässt, von dem Beteiligten zu tragen, der aus dieser Tatsache ein materielles Recht herleiten will (vgl. BSG, Urteil vom 24.10.1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6,70ff; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 103 Rn. 19a m. w. N.). Dies ist vorliegend der Kläger, der behauptet im streitgegenständlichen Zeitraum als Arbeitnehmer beschäftigt und nicht als selbstständiger Subunternehmer tätig gewesen zu sein. Die Grundsätze der objektiven Beweislast (Feststellungslast) greifen ein, wenn der Tatrichter keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung gewinnen kann („non liquet“), und sie bestimmen, zu wessen Lasten diese Unaufklärbarkeit geht (BSG, Urteil vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/009 R - SGb 2011, 37). Die objektive Beweislast kennzeichnet hierbei das Risiko, wegen des fehlenden Nachweises einer rechtlich erheblichen Tatsache in einem Prozess zu unterliegen (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1992 - 7 RAr 38/92 - BSGE 71, 256). Eine Entscheidung nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast ist allerdings erst zu treffen, wenn alle verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind und sich das Gericht dennoch keine Überzeugung in der einen oder anderen Richtung bilden kann, d. h. wenn es nach eingehender Erforschung des Sachverhalts und sorgfältiger Würdigung der erhobenen Beweise nicht gelingt, eine in tatsächlicher Hinsicht bestehende Ungewissheit zu beseitigen (st. Rspr., vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 08.09.2010 - B 11 AL 4/09 R - SGb 2010, 646f)

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen sowie aller relevanter und erreichbarer Erkenntnisquellen gibt es nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast keine hinreichenden Belege dafür, dass der Kläger als Arbeitnehmer für B. tätig war.

Vorliegend ist bereits nach den eigenen Angaben des Klägers zu bezweifeln, dass er anlässlich seiner Tätigkeit im Juni und Juli 2011 mit B. einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Schriftliche Unterlagen über den Abschluss und die Durchführung eines Arbeitsvertrages (z. B. schriftlicher Arbeitsvertrag, Lohnabrechnungen uä) gebe es nach Angaben des Klägers nicht, und nach seinem Vortrag vor dem Arbeitsgericht S. sei mit B. vereinbart gewesen, dass er als Subunternehmer tätig werde. Insoweit ist nicht einmal ein rechtsgeschäftlicher Wille der Vertragsparteien zu erkennen, eine Vertragsgrundlage für eine abhängige Beschäftigung zu schaffen, an Hand derer sich beurteilen ließe, dass ein Arbeitsverhältnis im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Untermauert werden die Zweifel in Bezug auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages auch durch den Umstand, dass der Kläger als bulgarischer Staatsangehöriger im streitgegenständlichen Zeitraum einer Arbeitsgenehmigung- EU (iSd § 284 SGB III) bedurft hätte, um als Arbeitnehmer auf dem deutschen Arbeitsmarkt tätig werden zu können. Nach Artikel 23 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht vom 25.04.2005 (ABl. Nr. L 157 S. 203, ber. ABl. 2011 Nr. L 347 S. 62) i. V. m. Anhang VI der Liste nach Artikel 23 der Beitrittsakte (Übergangsbestimmungen, Bulgarien) war nach den dortigen Nr. 2 und 13 im streitgegenständlichen Zeitraum sowohl die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Nr. 2) als auch die Dienstleistungsfreiheit für das Baugewerbe (Nr. 13) für bulgarische Staatangehörige eingeschränkt. Für den Kläger gab es daher im streitgegenständlichen Zeitraum lediglich eine legale Möglichkeit, seine Dienste im Baugewerbe auf dem deutschen (Arbeits-)Markt anzubieten, nämlich als selbstständiger Bauhandwerker im Rahmen der in Artikel 49 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) garantierten Niederlassungsfreiheit. Der Kläger hatte nach Angaben der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum weder eine Arbeitsgenehmigung- EU erteilt erhalten, noch hatte er eine solche beantragt. Gegenteiliges hat der Kläger selbst auch nicht nach einem gerichtlichen Hinweis vorgebracht, so dass es vor diesem Hintergrund nachvollziehbar erscheint, er und B. haben den Abschluss eines Arbeitsvertrages nicht gewollt. Auch wenn das in § 284 SGB III enthaltene Verbot der Beschäftigung von Ausländern ohne Arbeitsgenehmigung- EU nicht zwangsläufig eine Nichtigkeit eines ohne eine solche Genehmigung abgeschlossenen Arbeitsvertrages zur Folge hat, ist § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) jedoch dann berührt, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer von vornherein in Missbrauchsabsicht die Beschäftigung ohne Einholung der Arbeitsgenehmigung- EU durchführen wollten (vgl. Jüttner in Mutschler/Schmidt- de Caluwe/Coseriu, SGB III - Arbeitsförderung, 5. Aufl., § 284 Rn. 124). Zuletzt spricht gegen den Abschluss eines Arbeitsvertrages auch das Unterschreiten zwingender Bestimmungen zu Mindestarbeitsbedingungen für Arbeitnehmer, vorliegend die Höhe der zu zahlenden Vergütung (10,00 € je Stunde), die für Arbeitnehmer durch den Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geregelt wird (Stundenlohn bis 30.06.2011: Lohngruppe 1 - 10,90 €; Lohngruppe 2 - 12,95 €; ab 01.07.2011: Lohngruppe 1 - 11,00 € ; Lohngruppe 2 - 13,00 €; siehe www.lohn-info.de/mindestlohnbauhauptgewerbe.html).

Soweit sich kein Nachweis über den Abschluss eines Arbeitsvertrages sondern allenfalls einer über den Abschluss eines Werkvertrages erbringen lässt, die vertragliche Gestaltung aber als unerheblich anzusehen wäre, weil die maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse hiervon abweichen, führte dies zu keiner anderen Betrachtungsweise. Rechtlich relevant sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse, die im Einzelfall bei wertender Betrachtung die Qualifizierung einer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung erlauben. Der Kläger hat aber nichts vorgetragen, was eine zweifelsfreie Qualifizierung der von ihm im Zeitraum vom 15.06.2011 bis 22.07.2011(tatsächlich) ausgeübten Tätigkeit als abhängige Beschäftigung zuließe. Er hat lediglich dargelegt, er sei nach Stunden bezahlt worden, er habe die täglich vorgegebenen Arbeitszeiten einhalten müssen und er habe in Bezug auf die Ausführung der Bauleistung, die Werkzeuge sowie die Materialien den Weisungen des B. unterlegen. Diese Umstände - als wahr unterstellt - sind allein jedoch nicht geeignet zweifelsfrei einen Arbeitnehmerstatus des Klägers zu begründen, denn auch die Tätigkeit eines selbstständigen Subunternehmers kann auf Honorarbasis als Stundenvergütung vereinbart sein. Ebenso ist ein selbstständiger Bauhandwerker im Rahmen eines Werkvertrages an die Vorgaben des Bauherrn bzw. des Auftraggebers gebunden, was die Ausführung der Bauleistung und den Einsatz der verwendeten Materialien angeht. In Bezug auf den Einsatz der Werkzeuge hat der Kläger nicht einmal vorgetragen, dass diese von B. gestellt worden wären, und zuletzt ist auch die Anwesenheit eines selbstständigen Bauhandwerkers auf Anforderung eines Bauherrn nicht ungewöhnlich. Gegen eine Tätigkeit des Klägers als abhängig Beschäftigter im Rahmen eines durch einen Arbeitgeber ausgeübten Weisungsrechts in Bezug auf die Arbeitszeiten sprechen demgegenüber die teilweise massiven Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen, wie sie sich aus dem Arbeitszeitgesetz (vom 06.06.1994; BGBl. I S. 1170, 1171 - ArbZG) ergeben. Ausweislich der gegenüber dem Arbeitsgericht S. angegebenen Zeiten der Tätigkeit habe der Kläger an 15 von 31 Tagen - unter Verstoß gegen § 3 ArbZG - mehr als 10 Stunden gearbeitet, ohne dass eine Ausnahmeregelung iSd § 7 ArbZG ersichtlich wäre. Darüber hinaus legen die Tätigkeitszeiten im Zeitraum vom 27.06.2011 bis 01.07.2011 (59 Stunden innerhalb von 5 Werktagen) zumindest einen Verstoß gegen die Regelung über die Ruhezeiten nahe (§ 5 ArbZG), und zuletzt läge aufgrund der Tätigkeit am 17.07.2011 (Sonntag) ein Verstoß gegen § 9 ArbZG (Sonn- und Feiertagsruhe) vor, da nicht ersichtlich ist, dass die Voraussetzungen des § 10 ArbZG (Sonn- und Feiertagsbeschäftigung) vorlägen. Im Ergebnis sprechen daher die vom Kläger angegeben Anwesenheitszeiten, die seitens des Bauherrn angeordnet gewesen seien, eher gegen eine abhängige Beschäftigung, da diese weder legal noch durch ein Weisungsrecht des B. gedeckt gewesen wären. Soweit der Kläger vorträgt, B. habe die Hotelzimmer, in denen er, der Kläger, übernachtet habe, angemietet aber nicht bezahlt, lässt auch dies keinen Schluss auf eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers zu. Ausweislich seiner Klage vor dem Arbeitsgericht S. hat er keine Übernachtungskosten, sondern lediglich eine Auslöse dem Grunde nach als Teil des Arbeitsentgeltes geltend gemacht, so dass die Anmietung der Unterkunft durch B. als indifferentes Kriterium keinerlei Bezug zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seines Status aufweist. Auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse gibt es daher keine zweifelsfreien Nachweise für eine abhängige Beschäftigung des Klägers; zu einer weitergehenden Beweiserhebung von Amts wegen musste sich der erkennende Senat nicht gedrängt sehen, denn auch wenn der Sachvortrag des Klägers als wahr zu unterstellen ist, rechtfertigt dieser Sachverhalt keine zweifelsfreie Beurteilung dahingehend, der Kläger habe - entgegen der Vereinbarung mit B. als selbstständiger Subunternehmer für diesen tätig zu werden - eine abhängige Beschäftigung als Arbeitnehmer bei B. ausgeübt. In diesem Zusammenhang hat der Kläger - unter Bezugnahme auf das arbeitsgerichtliche Verfahren - allein dargelegt, dass andere „Arbeitnehmer“ seine Arbeitszeiten zwar bezeugen könnten. Dem brauchte der Senat jedoch nicht nachzugehen, denn nach Lage der Akten gibt es keine Hinweise auf eine ladungsfähige Anschrift dieser Zeugen und der Kläger hat auch nicht angeboten diese mitzuteilen. Zudem ist der vom Kläger vorgetragene Umfang seiner Tätigkeit als wahr zu unterstellen, und in Bezug auf die zentrale Frage des vorliegenden Verfahrens, die persönliche Abhängigkeit des Klägers, ist weder ersichtlich, ob diese Zeugen Angaben machen können, noch hat der Kläger dieses behauptet. Allein aus der Anwesenheit des Klägers auf den Baustellen, die allein durch die Zeugen im arbeitsgerichtlichen Verfahren bestätigen werden sollten, lassen sich keine Schlüsse auf eine abhängige Beschäftigung ziehen. Darüber hinaus gibt es nach Lage der Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass die im arbeitsgerichtlichen Verfahren benannten Zeugen zum wesentlichen Abgrenzungskriterium, der persönlichen Abhängigkeit, die dadurch zum Ausdruck kommen könnte, dass eine Tätigkeit für andere Auftraggeber ausgeschlossen war, Angaben machen können, insbesondere nachdem nicht einmal der Kläger selbst behauptet, die Zeugen hätten Kenntnis von seinen vertraglichen Beziehungen zu B. gehabt. In diesem Zusammenhang hat der Kläger lediglich geltend gemacht, er habe allein für B. gearbeitet, was jedoch ebenfalls keinen Schluss auf eine Arbeitnehmereigenschaft zulässt, denn auch selbstständige Bauhandwerker, sind - abhängig von der Größe des Auftrages - zumindest für begrenzte Zeiträume ausschließlich für einen Auftraggeber tätig, ohne dass aus derartigen vertraglichen Regelungen eine abhängige Beschäftigung erwachsen würde. Insoweit ist entscheidend auf die vertraglichen Bindungen abzustellen, die es einem Dienstherrn erlauben, eine Tätigkeit des Verpflichteten für einen anderen Dienstherrn auszuschließen. Soweit wie vorliegend der Kläger lediglich Angaben dazu macht, für keinen anderen Dienstherrn tätig gewesen zu sein, besagt dies nichts darüber, ob er nicht berechtigt gewesen wäre auch andere Aufträge anzunehmen, wofür allerdings bereits sein eigener Vortrag spricht, er sei „hauptsächlich“ für B. tätig gewesen.

Eine andere Beurteilung zur Frage der abhängigen Beschäftigung ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, das Arbeitsgericht S. habe seinen Arbeitsentgeltanspruch bestätigt. Lediglich soweit ein Arbeitsgericht eine Klage auf Arbeitsentgelt rechtskräftig abweist, hat diese Entscheidung Bindungswirkung und schließt - mangels eines durchsetzbaren zivilrechtlichen Anspruches - einen Anspruch auf InsG aus (vgl. BSG, Urteil vom 08.04.1992 - 10 RAr 4/91 - SozR 3-4100 § 141a Nr. 1). Demgegenüber binden arbeitsgerichtliche Urteile, mit denen eine Entgeltforderung erstritten wurde, die Beklagte bei der Prüfung des InsG nicht ohne Weiteres, sondern es obliegt ihr Umstände zu berücksichtigen, die im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht vorgebracht wurden und daher nach der dort herrschenden Dispositionsmaxime auch nicht beachtlich waren. Dies gilt sowohl für arbeitsgerichtliche Versäumnisurteile als auch für kontradiktorische Urteile. Ein rechtskräftig zugesprochener Arbeitsentgeltanspruch stellt daher nur die Obergrenze für den Anspruch auf InsG dar (vgl. BSG, Urteil vom 08.04.1992 a. a. O.). Vorliegend war es geboten, die Gesamtumstände, unabhängig von dem im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt zu beurteilen, denn der Kläger hat es dort unterlassen darauf hinzuweisen, dass ihm keine Arbeitsberechtigung- EU (iSd § 284 SGB III) erteilt war, was im Falle eines Missbrauches durch die Vertragsparteien zu einer Qualifizierung der Tätigkeit als Schwarzarbeit iSd § 1 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz - SchwarzArbG) und damit zur Nichtigkeit der vertraglichen Vereinbarungen hätte führen können. Insoweit kann der Kläger bereits nicht einmal darlegen, er habe seinen Anspruch vor dem Arbeitsgericht schlüssig begründet, denn ein wesentliches Beurteilungskriterium für die Schlüssigkeit seines Anspruches, die Frage der Erlaubnis, eine Tätigkeit aufnehmen zu dürfen oder gegebenenfalls darzulegen, aus welchen Gründen ein Arbeitsentgeltanspruch nach den Grundsätzen eines faktischen Arbeitsverhältnisses vorliege, hat der Kläger unterlassen dort vorzutragen, so dass das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichtes S. keinerlei Hinweis darauf gibt, ob zwischen B. und dem Kläger ein Arbeitsverhältnis vorgelegen hat und Arbeitsentgelt geschuldet war. Zuletzt ist auch der Hinweis des Klägers unergiebig, er habe die Entscheidung des SG, in der erstmals die Frage der Arbeitnehmereigenschaft thematisiert worden sei, zum Anlass genommen, seinen sozialversicherungsrechtlichen Status durch die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung feststellen zu lassen. Weder hat der Kläger das Ergebnis dieses Antrages mitgeteilt noch hat er ein Aktenzeichen übermittelt, unter dem das Verfahren geführt würde, so dass der erkennende Senat von Amts wegen in der Lage gewesen wäre, die dort gewonnenen Erkenntnisse im vorliegenden Rechtsstreit zu verwerten.

Nach Ausschöpfung sämtlicher erreichbarer Erkenntnisquellen, ist daher festzustellen, dass eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nachgewiesen werden kann. Die Leistungen, die der Kläger anlässlich der im Zeitraum vom 15.06.2011 bis 22.07.2011 für B. tatsächlich erbrachten Arbeiten nicht erhalten hat, sind daher nicht als insolvenzgeldfähiges Arbeitsentgelt zu qualifizieren.

Unabhängig davon erweist sich auch die Verwaltungsentscheidung der Beklagten nicht nur im Ergebnis sondern auch in der Begründung als zutreffend, sofern B., wovon die Beklagte wohl ausgeht, als Arbeitgeber iSd §§ 183ff SGB III a. F. anzusehen wäre. Es gibt nämlich keinen Beleg dafür, dass B. im Zeitpunkt der Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit zahlungsunfähig gewesen ist. Über das Vermögen des B. ist weder ein Insolvenzverfahren eröffnet worden (§ 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III), noch ist ein entsprechender Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen worden (§ 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III). Ein Insolvenzereignis im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III ist ebenfalls nicht gegeben. Die überwiegenden Anhaltspunkte sprechen für eine vollständige Betriebseinstellung im Inland zum 30.09.2011, denn nach diesem Zeitpunkt war er - nach Angaben des Klägers - für niemanden mehr auffindbar. Die Beklagte hat in der nachfolgenden Zeit auch keinerlei Hinweise darauf ermitteln können, der Kläger habe nach dem 30.09.2011 seinen Geschäftsbetrieb an anderer Stelle im Inland fortgeführt. Sie hat weder eine Geschäftsanschrift noch eine Privatanschrift des B. ermitteln können, unter der B. seinen Geschäftsbetrieb hätte weiterführen können. Mit seiner späteren Inhaftierung ist zudem belegt, dass B. aus tatsächlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, seine betriebliche Tätigkeit fortzuführen, wobei weitere Betriebstätigkeiten nach dem Verschwinden des B. zum 30.09.2011 bis zu seiner Inhaftierung auch nicht erkennbar waren. Allerdings kann ein offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommendes Insolvenzverfahren nicht festgestellt werden. Die Masselosigkeit muss dabei vor oder gleichzeitig mit der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit eintreten; spätere Masselosigkeit ist nicht ausreichend (vgl. Kühl in: Brand, SGB III, 6. Aufl., § 165 Rn. 39 m. w. N.). Masselosigkeit kann bereits angenommen werden, wenn alle äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für die Masseunzulänglichkeit sprechen (BSG, Urteil vom 04.03.1999 - B 11/10 AL 3/98 R - juris; Peters-Lange in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2009, § 183 SGB III Rn. 47; Völzke in: Hauck/Noftz, SGB III, Stand 07/2010, § 183 Rn. 65; Kühl a. a. O.). Dies kann der Fall sein, wenn unter Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt, die Betriebstätigkeit eingestellt und kein Insolvenzantrag gestellt wird (BSG, Urteil vom 23.11.1981 - 10/8b RAr 6/80 - SozR 4100 § 141b Nr. 21). Weitere Indizien können in zahlreichen arbeitsgerichtlichen Versäumnisurteilen auf Lohnzahlung, erfolglos gebliebenen Zwangsvollstreckungen, eidesstattlichen Versicherungen oder einer Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen über sechs Monate gesehen werden (vgl. dazu insgesamt Kühl a. a. O. m. w. N.). Dass ein Arbeitgeber Schulden in großer Höhe gemacht und sich abgesetzt hat, ohne sie zu begleichen, ist dagegen allein kein Grund für die Annahme einer offensichtlichen Masselosigkeit, da zwischen Zahlungsunwilligkeit und Zahlungsunfähigkeit zu unterscheiden ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1993 - 10 RAr 9/91 - SozR 3-4100 § 141b Nr. 7). Aus der Zahlungsunwilligkeit kann auch nicht auf eine offensichtliche Masselosigkeit geschlossen werden (vgl. Estelmann in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 183 Rn. 72). Lässt sich nicht aufklären, ob Zahlungsunfähigkeit oder lediglich Zahlungsunwilligkeit vorliegt, geht dies zulasten des Arbeitnehmers (vgl. BSG a. a. O.; Kühl a. a. O.; Voelzke a. a. O.).

B. war somit zum Zeitpunkt einer Betriebseinstellung am 30.09.2011 nicht nachweislich zahlungsunfähig. Der Umstand, dass nicht unerhebliche Steuerschulden vorlagen, und B. Gläubiger nicht mit Zahlungen bedient hat, lässt nicht ohne Weiteres den Schluss zu, er sei zahlungsunfähig gewesen. Das Gesamtverhalten des B., das auch der Kläger - zu Recht - als betrügerisch qualifiziert hat, lässt allenfalls den Schluss zu, dass er zahlungsunwillig war. Der Umstand, dass er trotz eidesstattlicher Versicherung ein Gewerbe aufgenommen hat, wohl aber weder Zahlungen an Gläubiger geleistet hat noch behördliche Anmeldungen (und Zahlungen) vorgenommen hat, ist allein dahingehend zu deuten, dass er - aufgrund eines bereits vorgefassten Entschlusses unabhängig von seinen finanziellen Verhältnissen - zu keinem Zeitpunkt die Absicht hatte, den Kläger für seine Tätigkeit zu bezahlen oder anderweitige Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Allein das Verhalten des B. bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass er keine Geldmittel hatte, insbesondere nachdem es keine Hinweise darauf gibt, dass B. als Generalunternehmer von seinen Auftraggebern nicht bezahlt worden wäre. Das Vorgehen des B. ist vielmehr Beleg dafür, dass es ihm ausschließlich darum ging, seine Vertragspartner zur Erbringung von Leistungen zu veranlassen, er hatte aber nie die Absicht hatte eine Gegenleistung zu erbringen, so dass die Weigerung Zahlungen an den Kläger zu erbringen nicht zweifelsfrei mit der Zahlungsunfähigkeit des B, sondern ausschließlich mit dessen Zahlungsunwilligkeit zu begründen ist. Insoweit ist daher nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zulasten des Klägers auch festzustellen, dass in Bezug auf B., sofern er als Arbeitgeber anzusehen wäre, ein Insolvenzereignis - mangels Nachweises seiner Zahlungsunfähigkeit - nicht vorliegt. Weitergehende und erfolgversprechende Möglichkeiten der Sachaufklärung durch den erkennenden Senat waren nicht ersichtlich, denn B. ist nach den Ermittlungen des SG nach Verbüßung seiner letzten Haftstrafe - wegen der Vollstreckung einer weiteren Haftstrafe - zur Festnahme ausgeschrieben und derzeit unauffindbar. Eine Befragung des B. zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen im September 2011, aufgrund derer allein die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit des B. möglich erscheinen würde, ist daher nicht möglich.

Infolge dessen war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs. 1 SGG und folgt aus dem Unterliegen des Klägers.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 134 Gesetzliches Verbot


Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

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Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7 Beschäftigung


(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. (1a) Eine B

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7a Feststellung des Erwerbsstatus


(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsste

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 25 Beschäftigte


(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung


Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz - SchwarzArbG

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 183 Qualitätsprüfung


(1) Die Agentur für Arbeit kann die Durchführung einer Maßnahme nach § 176 Absatz 2 prüfen und deren Erfolg beobachten. Sie kann insbesondere1.von dem Träger der Maßnahme sowie den Teilnehmenden Auskunft über den Verlauf der Maßnahme und den Einglied

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 3 Arbeitszeit der Arbeitnehmer


Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglic

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 284 Arbeitsgenehmigung-EU für Staatsangehörige der neuen EU-Mitgliedstaaten


(1) Soweit nach Maßgabe des Beitrittsvertrages eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union abweichende Regelungen als Übergangsregelungen von der Arbeitnehmerfreizügigkeit anzuwenden sind, dürfen Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates und ihre frei

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 7 Abweichende Regelungen


(1) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden, 1. abweichend von § 3 a) die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig u

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 5 Ruhezeit


(1) Die Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben. (2) Die Dauer der Ruhezeit des Absatzes 1 kann in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege u

Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz - SchwarzArbG 2004 | § 1 Zweck des Gesetzes


(1) Zweck des Gesetzes ist die Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung. (2) Schwarzarbeit leistet, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei 1. als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichti

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 9 Sonn- und Feiertagsruhe


(1) Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden. (2) In mehrschichtigen Betrieben mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht kann Beginn oder Ende der Sonn- und Feiertagsruhe um bis zu sechs Stunden

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 10 Sonn- und Feiertagsbeschäftigung


(1) Sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können, dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen abweichend von § 9 beschäftigt werden 1. in Not- und Rettungsdiensten sowie bei der Feuerwehr,2. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen

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Tenor I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 08.12.2014 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Sozialgericht München Endurteil, 18. März 2015 - S 5 AL 51/13

bei uns veröffentlicht am 18.03.2015

Tenor I. Die Klage gegen den Bescheid vom 30.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2013 wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand Strittig ist

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(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.

(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.

(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.

(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.

(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.

(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.

(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte

1.
zustimmt und
2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt den Zeitpunkt fest, der als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis gilt. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist.

(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.

(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.

(1) Soweit nach Maßgabe des Beitrittsvertrages eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union abweichende Regelungen als Übergangsregelungen von der Arbeitnehmerfreizügigkeit anzuwenden sind, dürfen Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur ausüben sowie von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen.

(2) Die Genehmigung wird befristet als Arbeitserlaubnis-EU erteilt, wenn nicht Anspruch auf eine unbefristete Erteilung als Arbeitsberechtigung-EU besteht. Die Genehmigung ist vor Aufnahme der Beschäftigung einzuholen.

(3) Die Arbeitserlaubnis-EU kann nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden.

(4) Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nach Absatz 1 und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und eine Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen wollen, darf eine Arbeitserlaubnis-EU nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt oder aufgrund einer Rechtsverordnung zulässig ist. Für die Beschäftigungen, die durch Rechtsverordnung zugelassen werden, ist Staatsangehörigen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Absatz 1 gegenüber Staatsangehörigen aus Drittstaaten vorrangig eine Arbeitserlaubnis-EU zu erteilen, soweit dies der EU-Beitrittsvertrag vorsieht.

(5) Die Erteilung der Arbeitsberechtigung-EU bestimmt sich nach der aufgrund des § 288 erlassenen Rechtsverordnung.

(6) Das Aufenthaltsgesetz und die aufgrund des § 42 des Aufenthaltsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen gelten entsprechend, soweit nicht eine aufgrund des § 288 erlassene Rechtsverordnung günstigere Regelungen enthält. Bei Anwendung der Vorschriften steht die Arbeitsgenehmigung-EU der Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes gleich.

(7) Ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung, der vor dem Tag, an dem der Beitrittsvertrag eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union, der Übergangsregelungen hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit vorsieht, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist, erteilt wurde, gilt als Arbeitserlaubnis-EU fort. Beschränkungen des Aufenthaltstitels hinsichtlich der Ausübung der Beschäftigung bleiben als Beschränkungen der Arbeitserlaubnis-EU bestehen. Ein vor diesem Zeitpunkt erteilter Aufenthaltstitel, der zur unbeschränkten Ausübung einer Beschäftigung berechtigt, gilt als Arbeitsberechtigung-EU fort.

(1) Die Agentur für Arbeit kann die Durchführung einer Maßnahme nach § 176 Absatz 2 prüfen und deren Erfolg beobachten. Sie kann insbesondere

1.
von dem Träger der Maßnahme sowie den Teilnehmenden Auskunft über den Verlauf der Maßnahme und den Eingliederungserfolg verlangen und
2.
die Einhaltung der Voraussetzungen für die Zulassung des Trägers und der Maßnahme prüfen, indem sie Einsicht in alle die Maßnahme betreffenden Unterlagen des Trägers nimmt.

(2) Die Agentur für Arbeit ist berechtigt, zum Zweck nach Absatz 1 Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Trägers während der Geschäfts- oder Unterrichtszeit zu betreten. Wird die Maßnahme bei einem Dritten durchgeführt, ist die Agentur für Arbeit berechtigt, die Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Dritten während dieser Zeit zu betreten. Stellt die Agentur für Arbeit bei der Prüfung der Maßnahme hinreichende Anhaltspunkte für Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften fest, soll sie die zuständige Kontrollbehörde für den Datenschutz hiervon unterrichten.

(3) Die Agentur für Arbeit kann vom Träger die Beseitigung festgestellter Mängel innerhalb einer angemessenen Frist verlangen. Die Agentur für Arbeit kann die Geltung des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins oder des Bildungsgutscheins für einen Träger ausschließen und die Entscheidung über die Förderung aufheben, wenn

1.
der Träger dem Verlangen nach Satz 1 nicht nachkommt,
2.
die Agentur für Arbeit schwerwiegende und kurzfristig nicht zu behebende Mängel festgestellt hat,
3.
die in Absatz 1 genannten Auskünfte nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erteilt werden oder
4.
die Prüfungen oder das Betreten der Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume durch die Agentur für Arbeit nicht geduldet werden.

(4) Die Agentur für Arbeit teilt der fachkundigen Stelle und der Akkreditierungsstelle die nach den Absätzen 1 bis 3 gewonnenen Erkenntnisse mit.

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des hessischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 2008 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Erstattung der überzahlten Leistungen (einschließlich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen) im Zeitraum vom 1.3.1998 bis 17.1.1999 in Höhe von insgesamt 23 446,35 DM = 11 987,93 Euro.

2

Die 1941 geborene Klägerin stand bei der Beklagten seit 4.8.1997 im Alg-Bezug (Bescheid vom 1.10.1997). In ihrem Antrag auf Alg vom 4.8.1997 hatte sie als Wohnanschrift die Adresse "H.-Straße “ in O. angegeben.

3

Ein Änderungsbescheid und ein Leistungsnachweis vom 8.1.1999 gelangten bei der Beklagten am 18.1.1999 mit dem Postvermerk "unbekannt verzogen" in den Postrücklauf. Die Beklagte stellte daraufhin die Zahlung von Alg ein. Der Bescheid vom 22.1.1999 über die Aufhebung der Bewilligung ab 18.1.1999 sowie ein weiterer Leistungsnachweis vom 26.1.1999 kamen ebenfalls mit dem Postvermerk "unbekannt verzogen" in den Postrücklauf (Retourpost vom 26.1.1999 und vom 5.2.1999).

4

Am 2.2.1999 meldete sich die Klägerin unter der Wohnanschrift "W. straße “ in O. erneut arbeitslos und beantragte die Fortzahlung von Alg, welches die Beklagte ab diesem Tag wiederbewilligte (Bescheid vom 16.2.1999). An diese Anschrift versandte die Beklagte erneut den Aufhebungsbescheid vom 22.1.1999 und den Leistungsnachweis vom 26.1.1999. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei bereits zum 1.3.1998 von der H.-Straße in die W. straße umgezogen und habe dies dem zuständigen Sachbearbeiter L. mitgeteilt. Nachdem dieser die Angaben der Klägerin auf telefonische Nachfrage der Beklagten nicht bestätigte, hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 1.3.1998 mit der Begründung auf, die Klägerin sei postalisch nicht erreichbar gewesen, und verfügte die Erstattung der überzahlten Leistungen in Höhe von 23 446,35 DM (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.1.2000, Widerspruchsbescheid vom 8.5.2000).

5

Die Klage mit der Begründung, die neue Anschrift sei dem Sachbearbeiter L. bei der Meldung am 9.4.1998 mitgeteilt worden, blieb erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 26.9.2005). Die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Auf der Grundlage des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) habe die Beklagte die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Alg zu Recht verfügt, da die Klägerin unter der von ihr benannten Anschrift "H.-Straße “ in O. ab dem 1.3.1998 nicht mehr erreichbar gewesen sei. Die Klägerin sei daher ab 1.3.1998 nicht verfügbar gewesen. Unerheblich sei, ob die Klägerin, wie sie behauptet habe, einen Postnachsendeauftrag gestellt habe. Dass sie ihren Umzug der Beklagten rechtzeitig persönlich mitgeteilt habe, lasse sich nicht feststellen. Die Zeugin P., die tatsächlich den Beratungstermin am 9.4.1998 betreut habe, habe keine Erinnerung an die Klägerin. Der von der Klägerin als Zeuge benannte Arbeitsvermittler L. habe mangels Verhandlungsfähigkeit nicht befragt werden können. Seine Vernehmung sei darüber hinaus auch entbehrlich gewesen, weil er sich, wie die Klägerin im Verhandlungstermin am 8.8.2008 angegeben habe, nach seiner Erklärung ihr gegenüber im Sommer 2007 an die damaligen Vorgänge nicht mehr habe erinnern können. Da die Pflicht zur Unterrichtung über einen Umzug allein in die Sphäre des Arbeitslosen falle, komme eine Umkehr der Beweislast in Betracht, sodass dieser eine nicht aktenkundige Unterrichtung nachweisen müsse. Dies gelte jedenfalls in den Fällen, in denen sich - wie vorliegend - über die reine Behauptung des Arbeitslosen, eine mündliche Mitteilung gemacht zu haben hinaus, keinerlei weitere Anhaltspunkte aus den Akten ergeben würden (Urteil vom 19.12.2008).

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes und von Beweislastregeln. Das LSG habe nicht auf die Vernehmung des benannten Zeugen L. verzichten dürfen. Es sei vorgetragen und unter Beweis gestellt worden, dass sie - die Klägerin - anlässlich ihrer Vorsprache am 9.4.1998 auf dem undatierten Meldeaufforderungsschreiben der Beklagten im Adressfeld handschriftlich die neue Adresse vermerkt und dieses Schreiben mit diesem Vermerk dem zuständigen Sachbearbeiter vorgelegt habe. Sie sei ihrer Verpflichtung zur Angabe vollständiger Angaben und Mitteilung ihrer Wohnsitzänderung nachgekommen. In welcher Form die Beklagte die Wohnanschriftenänderung zur Kenntnis nehme und in ihren Unterlagen vermerke, sei deren alleinige Angelegenheit und liege daher auch allein in deren Sphäre.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 19. Dezember 2008 und den Gerichtsbescheid des SG vom 26. September 2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 22. Januar 1999 und 31. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2000 aufzuheben.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

11

Ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung des Alg wegen fehlender Erreichbarkeit (hierzu unter 2) aufgehoben und die überzahlten Leistungen zurückgefordert hat, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beantworten. Insoweit hat die Klägerin in einer den Voraussetzungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG noch entsprechenden Weise zutreffend gerügt, dass das LSG die zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft und zuungunsten der Klägerin eine Beweislastumkehr angenommen hat (hierzu unter 3).

12

1. Gegenstand des Verfahrens sind der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 22.1.1999, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.1.2000 sowie der Widerspruchsbescheid vom 8.5.2000. Bei verständiger Würdigung ihres Begehrens (vgl § 123 SGG) richtete sich der Widerspruch der Klägerin gegen den Leistungsnachweis vom 26.1.1999 unmissverständlich gegen die Leistungseinstellung, die die Beklagte mit dem Aufhebungsbescheid vom 22.1.1999 verfügt hatte. Demgemäß hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Termin vom 8.9.2010 seinen Sachantrag präzisiert. Das LSG wird nach der Zurückverweisung der Sache folglich zu beachten haben, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.1.2000 über § 86 SGG idF bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 17.8.2001 (BGBl I 2144) in das Vorverfahren gegen den Bescheid vom 22.1.1999 einbezogen ist (zur weiten Auslegung und entsprechenden Anwendung der korrespondierenden Vorschrift des § 96 SGG idF bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444, auf weitere Aufhebungsbescheide, in denen "im Kern über dieselben Rechtsfragen" entschieden wurde vgl BSGE 77, 175 = SozR 3-4100 § 105 Nr 2). Die Klägerin wendet sich also mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) sowohl gegen die von der Beklagten verfügte Aufhebung der Bewilligung ab dem 18.1.1999 als auch gegen die spätere Aufhebung ab dem 1.3.1998 (bis einschließlich 1.2.1999), die von der Beklagten geltend gemachte Erstattung betreffend den Zeitraum vom 1.3.1998 bis einschließlich 17.1.1999 und zudem die Nichtzahlung von Alg im Zeitraum vom 18.1.1999 bis 1.2.1999 (zur Möglichkeit der Beschränkung des Streitgegenstands vgl BSG, Urteil vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 55/04 R).

13

2. Dem LSG ist darin zu folgen, dass Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alg-Bewilligung § 330 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) iVm § 48 Abs 1 SGB X ist. Da der angefochtene Bescheid vom 31.1.2000 lediglich weitere Leistungszeiträume betrifft und nicht etwa während des Widerspruchsverfahrens den Ausgangsbescheid zu Ungunsten der Klägerin abgeändert hat, kann offen bleiben, ob insoweit § 45 SGB X anzuwenden wäre(vgl BSGE 71, 274 = SozR 3-1500 § 85 Nr 1). Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ist der Verwaltungsakt nach § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X aufzuheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Maßgebend für die Dauerwirkung eines Verwaltungsaktes sind seine rechtlichen Wirkungen über den Zeitpunkt der Bekanntgabe bzw Bindungswirkung hinaus. Die Bewilligung von Alg enthält einen solchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (BSGE 78, 109, 111 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48 mwN). Wesentlich iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist jede für die bewilligte Leistung rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die dazu führt, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht mehr erlassen dürfte(BSGE 59, 111, 112 = SozR 1300 § 48 Nr 19; BSGE 78, 109, 111 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung in den Verhältnissen richtet sich damit nach dem für die Leistung maßgeblichen materiellen Recht.

14

a) Der Klägerin stand deshalb für die Zeit ab 1.3.1998 ein Anspruch auf Alg nicht mehr zu, wenn sie die Anspruchsvoraussetzung "arbeitslos" nach § 117 Abs 1 Nr 1 SGB III idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.3.1997, BGBl I 594, nicht mehr erfüllte. Was unter "arbeitslos" im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber in der "Begriffspyramide" der §§ 118, 119 SGB III idF des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16.12.1997, BGBl I 2970, geregelt (BSGE 88, 172, 175 = SozR 3-4300 § 119 Nr 3). Arbeitslosigkeit setzt danach neben Beschäftigungslosigkeit auch eine Beschäftigungssuche des Arbeitslosen voraus (§ 118 Abs 1 SGB III). Eine Beschäftigung sucht nach § 119 Abs 1 SGB III, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Merkmal der Verfügbarkeit ist ua die Arbeitsfähigkeit des Arbeitslosen (§ 119 Abs 2 SGB III), die ua nur dann gegeben ist, wenn der Arbeitslose den Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (§ 119 Abs 3 Nr 3 SGB III). Diese Anspruchsvoraussetzung hat der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit (jetzt Bundesagentur für Arbeit, ) durch autonome Satzung aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung der §§ 152 Nr 2, 376 Abs 1 Satz 1 SGB III idF des AFRG näher geregelt.

15

b) Nach § 1 Abs 1 Satz 1 Erreichbarkeitsanordnung vom 23.10.1997 (, ANBA 1997 S 1685) muss der Arbeitslose in der Lage sein, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen, das Arbeitsamt aufzusuchen, mit möglichen Arbeitgebern oder Trägern einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Dazu hat der Arbeitslose nach § 1 Abs 1 Satz 2 EAO sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Das ist nicht gewährleistet, wenn der Arbeitslose seinen Wohnsitz verlegt, ohne dem Arbeitsamt den Wohnsitzwechsel mitzuteilen. Die Obliegenheit eines Arbeitslosen, den Wechsel des Wohnsitzes dem Arbeitsamt mitzuteilen, ergibt sich hiernach aus § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), wonach Leistungsbezieher für die Leistung erhebliche Änderungen in den Verhältnissen dem zuständigen Leistungsträger unverzüglich mitzuteilen haben.

16

c) Ob die Klägerin dieser Obliegenheit genügt hat, lässt sich nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen nicht hinreichend sicher beurteilen. Das LSG hat ausgeführt, dass die Klägerin unter der von ihr im Leistungsantrag angegebenen Anschrift "H-Straße“ in O. ab 1.3.1998 nicht mehr erreichbar war. Zutreffend hat es dabei zunächst klargestellt, dass ein bei der Post gestellter Nachsendeauftrag nicht ausreicht, weil arbeitslose Leistungsbezieher die Obliegenheit trifft, dem zuständigen Arbeitsamt einen Wohnsitzwechsel (auch innerhalb desselben Wohnortes) persönlich und unverzüglich anzuzeigen (vgl BSGE 88, 172, 178 = SozR 3-4300 § 119 Nr 3; BSG SozR 3-4300 § 119 Nr 4) und die Klägerin im Zeitpunkt ihres Umzuges nicht zum Personenkreis der älteren Arbeitslosen zählte, die Alg unter den erleichterten Bedingungen des § 428 SGB III beziehen(vgl zu den diesbezüglich abgesenkten Anforderungen an die Verfügbarkeit BSGE 95, 43, 45 ff = SozR 4-4300 § 428 Nr 2). In tatsächlicher Hinsicht durfte sich das LSG indessen nicht davon überzeugen (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG), dass die Klägerin ihren Umzug der Beklagten nicht rechtzeitig mitgeteilt hatte. Die vom LSG zugrunde gelegten Umstände, in der Leistungsakte und in den Datenbeständen der Beklagten sei die neue Anschrift erst nach der persönlichen Vorsprache am 2.2.1999 dokumentiert worden, die von der Beklagten versandten Bescheide und Leistungsnachweise seien mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" in den Postrücklauf gelangt, das von der Klägerin vorgelegte Meldeaufforderungsschreiben sei von ihr selbst im Adressfeld abgeändert worden, die am 9.4.1998 zuständige Beraterin G. (nach Namensänderung P.) habe den Arbeitsablauf einer Beratungssituation nachvollziehbar geschildert, sich aber nicht an die Vorsprache der Klägerin erinnern können und der von der Klägerin benannte Zeuge L. sei nicht verhandlungsfähig, seine Vernehmung aber auch entbehrlich gewesen, weil er eine mündlich mitgeteilte Anschriftenänderung am 9.4.1998 nicht entgegen genommen haben könne und sich nach seinen Angaben der Klägerin gegenüber an die damaligen Vorgänge ohnehin nicht erinnern könne, tragen diese Überzeugung nicht. Das LSG hat nicht sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen ausgeschöpft, insbesondere den von der Klägerin benannten Zeugen L. nicht schriftlich vernommen.

17

3. Der in § 103 SGG festgelegte Untersuchungsgrundsatz verpflichtet die Tatsachengerichte, die entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln, weil das sozialgerichtliche Verfahren weder eine subjektive Beweisführungslast, noch eine objektive Beibringungsfrist für Beweismittel kennt(vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl. 2008, III. Kapitel, RdNr 26). Im Rahmen der Amtsermittlung sind alle verfügbaren Erkenntnisquellen auszuschöpfen, um tatsächliche Feststellungen zu dem nach den anzuwendenden Rechtsgrundlagen relevanten Tatsachenstoff treffen zu können. Im Rahmen der Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und nach dem Grundsatz der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnenden Überzeugung (§§ 103, 128 Abs 1 SGG) obliegt es den Tatsachengerichten, alle Besonderheiten des konkreten Falles in tatsächlicher Hinsicht zu erfassen und zu würdigen. Erst wenn sich nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten entscheidungserhebliche Tatsachen nicht mehr feststellen lassen, stellt sich die Frage der objektiven Beweis- bzw Feststellungslast (vgl BSGE 71, 256, 258 f = SozR 3-4100 § 119 Nr 7, S 28, S 31 mwN; BSGE 96, 238, 245 = SozR 4-4220 § 6 Nr 4; BSG, Urteil vom 21.3.2007 - B 11a AL 21/06 R). Beweisanträge binden das Gericht zwar nicht (§ 103 Satz 2 SGG), können die Amtsermittlung jedoch lenken und steuern. Erhebliche Beweisanträge dürfen deshalb nur unberücksichtigt bleiben, wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung oder schon erwiesen ist, wenn das Beweismittel unerreichbar ist oder wenn das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist (vgl BSG, Beschluss vom 16.3.2007 - B 11b AS 37/06 B; auch BFH, Urteil vom 27.7.2000 - V R 38/99; BFH, Urteil vom 4.4.2001 - VI R 209/98; BFH, Beschluss vom 19.8.2003 - IX B 36/03; BFH, Beschluss vom 4.4.2006 - VII B 196/05).

18

a) Hiernach hätte das LSG dem Beweisantrag der Klägerin nachkommen und den benannten Zeugen L. schriftlich vernehmen müssen (§ 118 SGG iVm § 373 Abs 3 Zivilprozessordnung). Denn der Zeuge war zum anberaumten mündlichen Verhandlungstermin am 19.12.2008 ausweislich des vorgelegten nervenärztliches Attests seiner ihn behandelnden Psychiaterin vom 17.11.2008 zwar bis auf weiteres verhandlungsunfähig. Es bestand aber wegen der attestierten Verhandlungsunfähigkeit keine Vernehmungsunfähigkeit im Übrigen. Zu Unrecht hat das LSG den Zeugen deshalb im Ergebnis als unerreichbares Beweismittel bewertet unabhängig davon, ob und mit welcher zeitlichen Prognose die Verhandlungsunfähigkeit durch amtsärztliches Attest hätte belegt werden müssen (vgl hierzu BGH NStZ 2003, 562) und die attestierte Dauer der Verhandlungsunfähigkeit von der Revision insoweit substanziiert angegriffen worden ist.

19

b) Das LSG durfte von der Vernehmung des Zeugen L. zu dem Beweisthema auch nicht deshalb Abstand nehmen, weil es sich um eine Ermittlung auf unzureichender Tatsachenbasis gehandelt hätte, zu der die Gerichte nicht verpflichtet sind. Die Ablehnung des Beweises für beweiserhebliche Tatsachen ist insoweit nur zulässig, wenn die Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann oder wenn die Bezeichnung der Tatsachen zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, gleichwohl aber nur auf's Geratewohl gemacht sind. Bei solchen gleichsam "ins Blaue" aufgestellten Behauptungen ist ein Beweisantrag rechtsmissbräuchlich (vgl dazu BSGE 77, 140, 144 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 12; BSGE 87, 132, 138 = SozR 3-4100 § 128 Nr 10). Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen der Vorinstanz (§ 163 SGG) waren die näheren Angaben der Klägerin zum Beweisthema allerdings nicht frei von Widersprüchen im Detail. Im Kern blieb jedoch das Beweisthema erkennbar ausreichend bezeichnet, nämlich die Angabe der Wohnsitzänderung gegenüber dem Sachbearbeiter L. bei einem der wiederholten Besuche der Klägerin im Arbeitsamt während des laufenden Alg-Bezugs. Unabhängig davon, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf gerichtliche Anfrage mehrfach schriftsätzlich an der Vernehmung des Zeugen L. festgehalten hatte, konnte das LSG hiernach umso weniger von einer weiteren Beweiserhebung absehen, als die Sitzungsprotokolle nicht ausweisen, dass es, die im Termin anwesende Klägerin im Rahmen der Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts zu den näheren Einzelheiten persönlich befragt hätte.

20

c) Wegen des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 117 SGG, hierzu zuletzt BSG SozR 4-1500 § 128 Nr 7) durfte das LSG die Vernehmung des Zeugen L. auch nicht durch die protokollierte Angabe der Klägerin ersetzen, im Sommer 2007 habe ihr der Sachbearbeiter L. mitgeteilt, sich an die Ereignisse in den Jahren 1998 und 1999 nicht mehr erinnern zu können. Ebenso verhält es sich mit der Verwertung der im Verwaltungsverfahren von der Beklagten beim Sachbearbeiter L. telefonisch eingeholten Auskunft. Gegen die Verwertung mittelbar erlangter Beweistatsachen bestehen in der Regel keine rechtlichen Bedenken, wenn nicht ein Beteiligter die unmittelbare Vernehmung des Zeugen beantragt (vgl zum Urkundenbeweis BSG, Urteil vom 17.2.1981 - 7 RAr 90/79 - nur gekürzt abgedruckt in SozR 4100 § 119 Nr 14). Das war hier indessen der Fall. Anhaltspunkte dafür, dass eine richterliche Vernehmung des Zeugen mit Hinweis auf die Wahrheitspflicht von vornherein völlig wertlos ist, bestehen nicht (vgl BSG, Urteil vom 19.11.1965 - 1 RA 101/63, nur gekürzt abgedruckt in SozR Nr 74 zu § 128 SGG). Dies gilt vor allem, weil ausweislich der vom LSG Bezug genommenen Verwaltungsakten der Beklagten zwar nicht unter dem 9.4.1998 (wie von der Klägerin angegeben), wohl aber am 12.1.1998 ein Beratungsgespräch mit L. stattgefunden hat.

21

d) Erst und nur dann, wenn sich das Tatsachengericht nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts vom Vorliegen einer entscheidungserheblichen Tatsache nicht zu überzeugen vermag, stellt sich die Frage der Beweislastverteilung (vgl BSGE 71, 256, 258 f = SozR 3-4100 § 119 Nr 7, S 28, S 31 mwN; BSGE 96, 238, 245 = SozR 4-4220 § 6 Nr 4 RdNr 33 mwN; BSG, Urteil vom 21.3.2007 - B 11a AL 21/06 R). Für den Fall der Nichterweislichkeit einer rechtzeitigen Umzugsmeldung der Klägerin weist der Senat vorsorglich daraufhin, dass entgegen der Rechtsansicht des LSG keine Umkehr der Beweislast unter Berücksichtigung der sog Sphärentheorie in Betracht zu ziehen ist.

22

Die Unerweislichkeit einer Tatsache geht grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleiten will. Während denjenigen, der sich auf einen Anspruch beruft, die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen trifft, ist derjenige, der das geltend gemachte Recht bestreitet, für die rechtsvernichtenden, rechtshindernden oder rechtshemmenden Tatsachen beweispflichtig. Die Verteilung der Beweislast bestimmt sich nach der für den Rechtsstreit maßgeblichen materiell-rechtlichen Norm (BSGE 6, 70, 72 f; BSGE 71, 256, 260 = SozR 3-4100 § 119 Nr 7, S 28, S 32 mwN).

23

Bezogen auf die hier streitentscheidende Norm des § 48 Abs 1 SGB X bedeutet dies, dass die Beweis- bzw Feststellungslast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse gegenüber denjenigen Verhältnissen, die den ursprünglichen begünstigenden Verwaltungsakt rechtfertigten, grundsätzlich die Behörde trägt(vgl BSGE 95, 57, 64 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6; BSG SozR 4-1500 § 103 Nr 5; BSG, Urteil vom 24.5.2006 - B 11a AL 49/05 R; Steinwedel in Kasseler Komm, SGB X, § 48 RdNr 22, Stand: Mai 2006; Schütze in v Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 48 RdNr 9), weil sie den Wegfall einer Anspruchsvoraussetzung geltend macht. Zu beachten ist aber, dass die Beklagte nach diesen Grundsätzen die Beweislast allein für die (negative) Tatsache der unterbliebenen Meldung zu tragen hätte.

24

Eine Beweislastumkehr ist für bestimmte Fallgestaltungen anerkannt, in denen etwa der Gegner der beweisbelasteten Partei den Beweis vereitelt oder erschwert oder die Beweisführung unmöglich ist, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich des Gegners abgespielt haben und dieser an der ihm möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht oder nicht rechtzeitig mitgewirkt hat (vgl insgesamt BSGE 95, 57, 64 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6; auch BSG SozR 4-1500 § 128 Nr 5), also etwa in Konstellationen, in denen in der persönlichen Sphäre oder in der Verantwortungssphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht mehr aufklärbar sind, dh wenn eine besondere Beweisnähe des Betroffenen vorliegt. Die in arbeitsförderungsrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Senate haben dies vor allem bei unterlassenen Angaben zu Vermögenswerten bei der Antragstellung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) angenommen (BSGE 96, 238, 245f = SozR 4-4220 § 6 Nr 4; BSG, Urteil vom 24.5.2006 - B 11a AL 49/05 R; BSG, Urteile vom 13.9.2006 - B 11a AL 13/06 R - und - B 11a AL 19/06 R; BSG, Urteil vom 21.3.2007 - B 11a AL 21/06 R; BSG, Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 10/06 R). Diese Erwägungen sind auf die vorliegende Fallgestaltung indessen nicht übertragbar. Denn die Frage der (unterbliebenen) Meldung einer für den Alg-Anspruch wesentlichen Änderung des Wohnsitzes berührt die Verantwortungssphäre des Arbeitslosen wie die der BA gleichermaßen. Die Beklagte ist - wie der vorliegende Fall zeigt - durchaus in der Lage, die Behauptung des Arbeitslosen, er habe seinen Wohnsitzwechsel rechtzeitig angezeigt, zu überprüfen. Die Beklagte kann ihre Akten und Datenbestände auf die Stichhaltigkeit dieser Behauptung sichten und Nachfragen an die zuständig gewesenen Abteilungen oder Sachbearbeiter richten. Dagegen besteht darüber hinaus weder Anlass noch Grund, der Beklagten in diesem Zusammenhang eine lückenlose Dokumentation aller Gespräche und Erklärungen mit den Leistungsempfängern bindend abzuverlangen.

25

Hiervon ausgehend steht es dem LSG im Rahmen seiner Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) frei, ohne Umkehr der Beweislast eine Meldepflichtverletzung durch die Klägerin zu bejahen, wenn es sich nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten von einer rechtzeitigen Meldung nicht zu überzeugen vermag.

26

4. Für den Fall der Meldepflichtverletzung wird das LSG die weiteren Voraussetzungen einer Aufhebung wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse mit Wirkung für die Vergangenheit erneut zu prüfen haben, nämlich die mindestens grobe Fahrlässigkeit und die Einhaltung der Jahresfrist nach §§ 48 Abs 4 Satz 1, 45 Abs 4 Satz 2 SGB X.

27

5. Das LSG wird außerdem abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

(1) Soweit nach Maßgabe des Beitrittsvertrages eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union abweichende Regelungen als Übergangsregelungen von der Arbeitnehmerfreizügigkeit anzuwenden sind, dürfen Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur ausüben sowie von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen.

(2) Die Genehmigung wird befristet als Arbeitserlaubnis-EU erteilt, wenn nicht Anspruch auf eine unbefristete Erteilung als Arbeitsberechtigung-EU besteht. Die Genehmigung ist vor Aufnahme der Beschäftigung einzuholen.

(3) Die Arbeitserlaubnis-EU kann nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden.

(4) Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nach Absatz 1 und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und eine Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen wollen, darf eine Arbeitserlaubnis-EU nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt oder aufgrund einer Rechtsverordnung zulässig ist. Für die Beschäftigungen, die durch Rechtsverordnung zugelassen werden, ist Staatsangehörigen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Absatz 1 gegenüber Staatsangehörigen aus Drittstaaten vorrangig eine Arbeitserlaubnis-EU zu erteilen, soweit dies der EU-Beitrittsvertrag vorsieht.

(5) Die Erteilung der Arbeitsberechtigung-EU bestimmt sich nach der aufgrund des § 288 erlassenen Rechtsverordnung.

(6) Das Aufenthaltsgesetz und die aufgrund des § 42 des Aufenthaltsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen gelten entsprechend, soweit nicht eine aufgrund des § 288 erlassene Rechtsverordnung günstigere Regelungen enthält. Bei Anwendung der Vorschriften steht die Arbeitsgenehmigung-EU der Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes gleich.

(7) Ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung, der vor dem Tag, an dem der Beitrittsvertrag eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union, der Übergangsregelungen hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit vorsieht, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist, erteilt wurde, gilt als Arbeitserlaubnis-EU fort. Beschränkungen des Aufenthaltstitels hinsichtlich der Ausübung der Beschäftigung bleiben als Beschränkungen der Arbeitserlaubnis-EU bestehen. Ein vor diesem Zeitpunkt erteilter Aufenthaltstitel, der zur unbeschränkten Ausübung einer Beschäftigung berechtigt, gilt als Arbeitsberechtigung-EU fort.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

(1) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden,

1.
abweichend von § 3
a)
die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt,
b)
einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen,
c)
(weggefallen)
2.
abweichend von § 4 Satz 2 die Gesamtdauer der Ruhepausen in Schichtbetrieben und Verkehrsbetrieben auf Kurzpausen von angemessener Dauer aufzuteilen,
3.
abweichend von § 5 Abs. 1 die Ruhezeit um bis zu zwei Stunden zu kürzen, wenn die Art der Arbeit dies erfordert und die Kürzung der Ruhezeit innerhalb eines festzulegenden Ausgleichszeitraums ausgeglichen wird,
4.
abweichend von § 6 Abs. 2
a)
die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich hinaus zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt,
b)
einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen,
5.
den Beginn des siebenstündigen Nachtzeitraums des § 2 Abs. 3 auf die Zeit zwischen 22 und 24 Uhr festzulegen.

(2) Sofern der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch einen entsprechenden Zeitausgleich gewährleistet wird, kann in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung ferner zugelassen werden,

1.
abweichend von § 5 Abs. 1 die Ruhezeiten bei Rufbereitschaft den Besonderheiten dieses Dienstes anzupassen, insbesondere Kürzungen der Ruhezeit infolge von Inanspruchnahmen während dieses Dienstes zu anderen Zeiten auszugleichen,
2.
die Regelungen der §§ 3, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 in der Landwirtschaft der Bestellungs- und Erntezeit sowie den Witterungseinflüssen anzupassen,
3.
die Regelungen der §§ 3, 4, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 bei der Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen der Eigenart dieser Tätigkeit und dem Wohl dieser Personen entsprechend anzupassen,
4.
die Regelungen der §§ 3, 4, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 bei Verwaltungen und Betrieben des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie bei anderen Arbeitgebern, die der Tarifbindung eines für den öffentlichen Dienst geltenden oder eines im wesentlichen inhaltsgleichen Tarifvertrags unterliegen, der Eigenart der Tätigkeit bei diesen Stellen anzupassen.

(2a) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann abweichend von den §§ 3, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 zugelassen werden, die werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über acht Stunden zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt und durch besondere Regelungen sichergestellt wird, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(3) Im Geltungsbereich eines Tarifvertrags nach Absatz 1, 2 oder 2a können abweichende tarifvertragliche Regelungen im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder, wenn ein Betriebs- oder Personalrat nicht besteht, durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer übernommen werden. Können auf Grund eines solchen Tarifvertrags abweichende Regelungen in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung getroffen werden, kann auch in Betrieben eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers davon Gebrauch gemacht werden. Eine nach Absatz 2 Nr. 4 getroffene abweichende tarifvertragliche Regelung hat zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen ihnen die Anwendung der für den öffentlichen Dienst geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen vereinbart ist und die Arbeitgeber die Kosten des Betriebs überwiegend mit Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts decken.

(4) Die Kirchen und die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften können die in Absatz 1, 2 oder 2a genannten Abweichungen in ihren Regelungen vorsehen.

(5) In einem Bereich, in dem Regelungen durch Tarifvertrag üblicherweise nicht getroffen werden, können Ausnahmen im Rahmen des Absatzes 1, 2 oder 2a durch die Aufsichtsbehörde bewilligt werden, wenn dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist und die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(6) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen im Rahmen des Absatzes 1 oder 2 zulassen, sofern dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist und die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(7) Auf Grund einer Regelung nach Absatz 2a oder den Absätzen 3 bis 5 jeweils in Verbindung mit Absatz 2a darf die Arbeitszeit nur verlängert werden, wenn der Arbeitnehmer schriftlich eingewilligt hat. Der Arbeitnehmer kann die Einwilligung mit einer Frist von sechs Monaten schriftlich widerrufen. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil dieser die Einwilligung zur Verlängerung der Arbeitszeit nicht erklärt oder die Einwilligung widerrufen hat.

(8) Werden Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 und 4, Absatz 2 Nr. 2 bis 4 oder solche Regelungen auf Grund der Absätze 3 und 4 zugelassen, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von zwölf Kalendermonaten nicht überschreiten. Erfolgt die Zulassung auf Grund des Absatzes 5, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht überschreiten.

(9) Wird die werktägliche Arbeitszeit über zwölf Stunden hinaus verlängert, muss im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung der Arbeitszeit eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden gewährt werden.

(1) Die Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben.

(2) Die Dauer der Ruhezeit des Absatzes 1 kann in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen, in Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung und Beherbergung, in Verkehrsbetrieben, beim Rundfunk sowie in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung um bis zu eine Stunde verkürzt werden, wenn jede Verkürzung der Ruhezeit innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens zwölf Stunden ausgeglichen wird.

(3) Abweichend von Absatz 1 können in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen Kürzungen der Ruhezeit durch Inanspruchnahmen während der Rufbereitschaft, die nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen, zu anderen Zeiten ausgeglichen werden.

(4) (weggefallen)

(1) Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden.

(2) In mehrschichtigen Betrieben mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht kann Beginn oder Ende der Sonn- und Feiertagsruhe um bis zu sechs Stunden vor- oder zurückverlegt werden, wenn für die auf den Beginn der Ruhezeit folgenden 24 Stunden der Betrieb ruht.

(3) Für Kraftfahrer und Beifahrer kann der Beginn der 24stündigen Sonn- und Feiertagsruhe um bis zu zwei Stunden vorverlegt werden.

(1) Sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können, dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen abweichend von § 9 beschäftigt werden

1.
in Not- und Rettungsdiensten sowie bei der Feuerwehr,
2.
zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der Funktionsfähigkeit von Gerichten und Behörden und für Zwecke der Verteidigung,
3.
in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen,
4.
in Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung und Beherbergung sowie im Haushalt,
5.
bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen, Filmvorführungen, Schaustellungen, Darbietungen und anderen ähnlichen Veranstaltungen,
6.
bei nichtgewerblichen Aktionen und Veranstaltungen der Kirchen, Religionsgesellschaften, Verbände, Vereine, Parteien und anderer ähnlicher Vereinigungen,
7.
beim Sport und in Freizeit-, Erholungs- und Vergnügungseinrichtungen, beim Fremdenverkehr sowie in Museen und wissenschaftlichen Präsenzbibliotheken,
8.
beim Rundfunk, bei der Tages- und Sportpresse, bei Nachrichtenagenturen sowie bei den der Tagesaktualität dienenden Tätigkeiten für andere Presseerzeugnisse einschließlich des Austragens, bei der Herstellung von Satz, Filmen und Druckformen für tagesaktuelle Nachrichten und Bilder, bei tagesaktuellen Aufnahmen auf Ton- und Bildträger sowie beim Transport und Kommissionieren von Presseerzeugnissen, deren Ersterscheinungstag am Montag oder am Tag nach einem Feiertag liegt,
9.
bei Messen, Ausstellungen und Märkten im Sinne des Titels IV der Gewerbeordnung sowie bei Volksfesten,
10.
in Verkehrsbetrieben sowie beim Transport und Kommissionieren von leichtverderblichen Waren im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 2 der Straßenverkehrsordnung,
11.
in den Energie- und Wasserversorgungsbetrieben sowie in Abfall- und Abwasserentsorgungsbetrieben,
12.
in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung sowie in Einrichtungen zur Behandlung und Pflege von Tieren,
13.
im Bewachungsgewerbe und bei der Bewachung von Betriebsanlagen,
14.
bei der Reinigung und Instandhaltung von Betriebseinrichtungen, soweit hierdurch der regelmäßige Fortgang des eigenen oder eines fremden Betriebs bedingt ist, bei der Vorbereitung der Wiederaufnahme des vollen werktägigen Betriebs sowie bei der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Datennetzen und Rechnersystemen,
15.
zur Verhütung des Verderbens von Naturerzeugnissen oder Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeitsergebnissen sowie bei kontinuierlich durchzuführenden Forschungsarbeiten,
16.
zur Vermeidung einer Zerstörung oder erheblichen Beschädigung der Produktionseinrichtungen.

(2) Abweichend von § 9 dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen mit den Produktionsarbeiten beschäftigt werden, wenn die infolge der Unterbrechung der Produktion nach Absatz 1 Nr. 14 zulässigen Arbeiten den Einsatz von mehr Arbeitnehmern als bei durchgehender Produktion erfordern.

(3) Abweichend von § 9 dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in Bäckereien und Konditoreien für bis zu drei Stunden mit der Herstellung und dem Austragen oder Ausfahren von Konditorwaren und an diesem Tag zum Verkauf kommenden Bäckerwaren beschäftigt werden.

(4) Sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können, dürfen Arbeitnehmer zur Durchführung des Eil- und Großbetragszahlungsverkehrs und des Geld-, Devisen-, Wertpapier- und Derivatehandels abweichend von § 9 Abs. 1 an den auf einen Werktag fallenden Feiertagen beschäftigt werden, die nicht in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Feiertage sind.

(1) Soweit nach Maßgabe des Beitrittsvertrages eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union abweichende Regelungen als Übergangsregelungen von der Arbeitnehmerfreizügigkeit anzuwenden sind, dürfen Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur ausüben sowie von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen.

(2) Die Genehmigung wird befristet als Arbeitserlaubnis-EU erteilt, wenn nicht Anspruch auf eine unbefristete Erteilung als Arbeitsberechtigung-EU besteht. Die Genehmigung ist vor Aufnahme der Beschäftigung einzuholen.

(3) Die Arbeitserlaubnis-EU kann nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden.

(4) Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nach Absatz 1 und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und eine Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen wollen, darf eine Arbeitserlaubnis-EU nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt oder aufgrund einer Rechtsverordnung zulässig ist. Für die Beschäftigungen, die durch Rechtsverordnung zugelassen werden, ist Staatsangehörigen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Absatz 1 gegenüber Staatsangehörigen aus Drittstaaten vorrangig eine Arbeitserlaubnis-EU zu erteilen, soweit dies der EU-Beitrittsvertrag vorsieht.

(5) Die Erteilung der Arbeitsberechtigung-EU bestimmt sich nach der aufgrund des § 288 erlassenen Rechtsverordnung.

(6) Das Aufenthaltsgesetz und die aufgrund des § 42 des Aufenthaltsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen gelten entsprechend, soweit nicht eine aufgrund des § 288 erlassene Rechtsverordnung günstigere Regelungen enthält. Bei Anwendung der Vorschriften steht die Arbeitsgenehmigung-EU der Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes gleich.

(7) Ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung, der vor dem Tag, an dem der Beitrittsvertrag eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union, der Übergangsregelungen hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit vorsieht, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist, erteilt wurde, gilt als Arbeitserlaubnis-EU fort. Beschränkungen des Aufenthaltstitels hinsichtlich der Ausübung der Beschäftigung bleiben als Beschränkungen der Arbeitserlaubnis-EU bestehen. Ein vor diesem Zeitpunkt erteilter Aufenthaltstitel, der zur unbeschränkten Ausübung einer Beschäftigung berechtigt, gilt als Arbeitsberechtigung-EU fort.

(1) Zweck des Gesetzes ist die Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung.

(2) Schwarzarbeit leistet, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei

1.
als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt,
2.
als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt,
3.
als Empfänger von Sozialleistungen seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden Mitteilungspflichten gegenüber dem Sozialleistungsträger nicht erfüllt,
4.
als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen seiner sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Anzeige vom Beginn des selbstständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes (§ 14 der Gewerbeordnung) nicht nachgekommen ist oder die erforderliche Reisegewerbekarte (§ 55 der Gewerbeordnung) nicht erworben hat oder
5.
als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbstständig betreibt, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 der Handwerksordnung).
Schwarzarbeit leistet auch, wer vortäuscht, eine Dienst- oder Werkleistung zu erbringen oder ausführen zu lassen, und wenn er selbst oder ein Dritter dadurch Sozialleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch zu Unrecht bezieht.

(3) Illegale Beschäftigung übt aus, wer

1.
Ausländer und Ausländerinnen als Arbeitgeber unerlaubt beschäftigt oder als Entleiher unerlaubt tätig werden lässt,
2.
als Ausländer oder Ausländerin unerlaubt eine Erwerbstätigkeit ausübt,
3.
als Arbeitgeber Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
a)
ohne erforderliche Erlaubnis nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes,
b)
entgegen den Bestimmungen nach § 1 Absatz 1 Satz 5 und 6, § 1a oder § 1b des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes oder
c)
entgegen § 6a Absatz 2 in Verbindung mit § 6a Absatz 3 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft
überlässt oder für sich tätig werden lässt,
4.
als Arbeitgeber Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigt, ohne dass die Arbeitsbedingungen nach Maßgabe des Mindestlohngesetzes, des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder des § 8 Absatz 5 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eingehalten werden,
5.
als Arbeitgeber Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen beschäftigt oder
6.
als Inhaber oder Dritter Personen entgegen § 6a Absatz 2 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft tätig werden lässt.

(4) Die Absätze 2 und 3 finden keine Anwendung für nicht nachhaltig auf Gewinn gerichtete Dienst- oder Werkleistungen, die

1.
von Angehörigen im Sinne des § 15 der Abgabenordnung oder Lebenspartnern,
2.
aus Gefälligkeit,
3.
im Wege der Nachbarschaftshilfe oder
4.
im Wege der Selbsthilfe im Sinne des § 36 Abs. 2 und 4 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 1994 (BGBl. I S. 2137) oder als Selbsthilfe im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 des Wohnraumförderungsgesetzes vom 13. September 2001 (BGBl. I S. 2376), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3076),
erbracht werden. Als nicht nachhaltig auf Gewinn gerichtet gilt insbesondere eine Tätigkeit, die gegen geringes Entgelt erbracht wird.

(1) Die Agentur für Arbeit kann die Durchführung einer Maßnahme nach § 176 Absatz 2 prüfen und deren Erfolg beobachten. Sie kann insbesondere

1.
von dem Träger der Maßnahme sowie den Teilnehmenden Auskunft über den Verlauf der Maßnahme und den Eingliederungserfolg verlangen und
2.
die Einhaltung der Voraussetzungen für die Zulassung des Trägers und der Maßnahme prüfen, indem sie Einsicht in alle die Maßnahme betreffenden Unterlagen des Trägers nimmt.

(2) Die Agentur für Arbeit ist berechtigt, zum Zweck nach Absatz 1 Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Trägers während der Geschäfts- oder Unterrichtszeit zu betreten. Wird die Maßnahme bei einem Dritten durchgeführt, ist die Agentur für Arbeit berechtigt, die Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Dritten während dieser Zeit zu betreten. Stellt die Agentur für Arbeit bei der Prüfung der Maßnahme hinreichende Anhaltspunkte für Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften fest, soll sie die zuständige Kontrollbehörde für den Datenschutz hiervon unterrichten.

(3) Die Agentur für Arbeit kann vom Träger die Beseitigung festgestellter Mängel innerhalb einer angemessenen Frist verlangen. Die Agentur für Arbeit kann die Geltung des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins oder des Bildungsgutscheins für einen Träger ausschließen und die Entscheidung über die Förderung aufheben, wenn

1.
der Träger dem Verlangen nach Satz 1 nicht nachkommt,
2.
die Agentur für Arbeit schwerwiegende und kurzfristig nicht zu behebende Mängel festgestellt hat,
3.
die in Absatz 1 genannten Auskünfte nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erteilt werden oder
4.
die Prüfungen oder das Betreten der Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume durch die Agentur für Arbeit nicht geduldet werden.

(4) Die Agentur für Arbeit teilt der fachkundigen Stelle und der Akkreditierungsstelle die nach den Absätzen 1 bis 3 gewonnenen Erkenntnisse mit.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.