Arbeitsgericht Herford Urteil, 11. Sept. 2015 - 1 Ca 551/15
Gericht
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Vergütung für den Monat Januar 2015 485,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.02.2015 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Vergütung für den Monat Februar 2015 441,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.03.2015 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Vergütung für den Monat März 2015 485,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 09.06.2015 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Vergütung für den Monat April 2015 485,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.07.2015 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Vergütung für den Monat Mai 2015 462,26 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.07.2015 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.358,56 festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die Zahlung von Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz.
3Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 26.08.2002 bei der Beklagten, die elektronische Baugruppen entwickelt und produziert, als Montagehelferin am Standort M-H beschäftigt. Sie ist Mitglied des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrats.
4Aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 05.08.2002 war die Klägerin ursprünglich am Standort F für die Beklagte tätig. Der Betriebsteil wurde geschlossen und ab dem 01.08.2010 nach M-H verlagert.
5§ 3 des Arbeitsvertrages lautet unter der Überschrift „Vergütung“:
6„Die Vergütung des Mitarbeiters erfolgt grundsätzlich im Akkordlohn.
7Der vereinbarte Grund-Stundenlohn beträgt
8EUR 6,22
9brutto.
10Der Akkordlohn ist ein Stückakkord. Die Leistungszulage errechnet sich aus der erreichten Stückzahl und beträgt bis zu 35 % des Grundlohns. Für jedes Teil (gefertigtes/montiertes) Stück wird ein Geldfaktor in EUR pro Stück ermittelt.
11Der Geldfaktor errechnet sie wie folgt: Geldfaktor = Grundlohn (EUR/Stück)
12Stückzahl 100 % (Stück/Stunde).
13Wird der Arbeitnehmer regelmäßig im Akkordlohn entlohnt und vorübergehend nicht an einem Akkordarbeitsplatz eingesetzt, so wird diese Zeit grundsätzlich im Akkorddurchschnitt bezahlt. Der Akkorddurchschnitt errechnet sich aus den Akkordstunden und der Leistungszulage/Stunde der letzten 3 Abrechnungsmonate vor dem aktuellen Abrechnungsmonat.
14Grundlohn und Leistungszulage werden in der Abrechnung getrennt ausgewiesen.“
15(Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung des Arbeitsvertrages vom 05.08.2002 Anlage K 1 Bl. 4 ff. dA verwiesen).
16Die Parteien schlossen unter dem 09.06.2010 eine Änderungsvereinbarung „Betriebsräte / Schwerbehinderte Menschen“. Danach wird die Klägerin ab dem 01.08.2010 in M-H in der Löt-Abteilung beschäftigt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieser Änderungsvereinbarung vom 09.06.2010 B. 9 dA verwiesen).
17Ergänzend zum Arbeitsvertrag haben die Parteien eine Vereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos vereinbart, wonach über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunden dem Arbeitszeitkonto zugeführt und zu wenig geleistete Stunden aus dem Arbeitszeitkonto entnommen werden, um auf die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin zu gelangen. Diese Vereinbarung konnten die Parteien nicht vorlegen.
18Die Vorgabezeit der Kollegin C der Klägerin wurde unter dem 08.12.2010 ermittelt. Danach muss die Kollegin in einem Arbeitsgang eine Schaltabdeckung des BMW Mini R60 aus Einzelteilen montieren, elektronisch prüfen, zwei Etiketten aufkleben, die Durchleuchtung prüfen, die Schaltabdeckung im PE-Beutel einschlagen und in Karton verpacken. Nach der Vorgabezeit werden am Arbeitsplatz der Kollegin 148,28 Minuten für 100 Stück benötigt. Der Berechnungsfaktor für den Lohn beläuft sich auf 0,1496 € pro Stück. Das heißt bei einer Leistung von 100 % hat die Kollegin 41,58 Stück pro Stunde zu verarbeiten. Der Berechnungsfaktor für den Lohn mit 41,58 Stück pro Stunde multipliziert ergibt den Stundenlohn von 6,22036 € pro Stunde. Bei einer Leistung von 135 % somit 56,13 Stück pro Stunde erzielt die Kollegin einen Stundenlohn von 8,397 € und bei einem Leistungsgrad von 137 %, somit 57 Stück pro Stunde einen Stundenlohn von 8,527 €. (Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Vorgabezeitermittlung vom 08.12.2010 Anlage K 3 Bl. 13 dA verwiesen).
19Circa 2012 wurde der Stundenlohn für die nicht im Akkord beschäftigten Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten von 8,40 € auf 8,50 € pro Stunden erhöht.
20Der Berechnungsfaktor für den Lohn der Klägerin blieb unverändert. In Absprache mit dem vor ca. fünf Jahren im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrat, dessen Mitglied die Klägerin ist, wurde stattdessen die maximal erzielbare Leistungszulage von 35 % auf nunmehr 37 % des Grundlohnes erhöht. Ob es sich um eine förmliche Betriebsvereinbarung handelt, konnten beide Parteien nicht beantworten.
21Aus den Entgeltabrechnungen der Klägerin ab Januar 2015 ergibt sich ein konstanter Multiplikationsfaktor pro geleisteter Akkordstunde, für aus dem Arbeitszeitkonto entnommener Akkordstunde, pro Akkorddurchschnitt bezahlter Stunde, pro Feiertagsstunde und pro Stunde des Urlaubsentgelts in Höhe von 8,52 € (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtungen der Entgeltabrechnungen Januar bis Mai 2015 (Anlage K2 Bl. 10-12 dA) verwiesen.
22Die Klägerin erhält mit ihrer Entgeltabrechnung ein Blatt „Akkord Montage Detail – Auswertung“, das für jeden Tag des Monats die Tätigkeit, die Stunden, die Menge, den Faktor, den Betrag, den Stundenlohn und weitere Daten ausweist (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Ablichtungen dieser „Akkord Montage Detail – Auswertungen“ Anlage K2 bis K4 Bl. 12-15 dA und Anlage K7 Bl 44 dA im Verfahren 1 Ca 677/15 verwiesen). Aus diesen“ Akkord Montage Detail – Auswertungen“ ergibt sich ein erzielter Stundenlohn von beispielsweise 8,55 €, 8,59 € oder 8,54 € pro Monat, der aufgrund der Vereinbarung mit dem Betriebsrat auf den Leistungsgrad 137 % und damit 8,52 € gekappt wird.
23Mit Schreiben der IG Metall vom 16.04.2015 hat die Klägerin die Zahlung eines Mindestlohnes von 8,50 Euro zzgl. eines Akkordaufschlages von 137 v.H. geltend gemacht. Dies hat die Beklagte mit Schreiben vom 30.04.2015 abgelehnt.
24Mit ihrer vom 26.05.2015 datierenden und am 27.05.2015 Tag beim erkennenden Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche auf Zahlung eines Mindestlohnes weiter. Sie meint, sie habe Anspruch auf einen Grundlohn von 8,50 Euro und eine Leistungszulage von 37 v.H. des Grundlohnes.
25Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 09.07.2015 ihre Ansprüche um den Differenzlohn für April und Mai 2015 erweitert.
26Die Klägerin meint, der Akkordzuschlag könne nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden: „Ausgangspunkt muss die Zweckbestimmung der Leistung sein. Um zu bestimmen, ob eine Zahlung des Arbeitgebers auf den Mindestlohn angerechnet werden kann, stellt sich die Frage, welchem Zweck die Zahlung dient. Leistungen sind dann anrechenbar, wenn sie in ihrer Zwecksetzung dem Mindestlohn funktional gleichwertig sind. Das bedeutet, angerechnet werden kann der Lohnbestandteil, der die arbeitsvertraglich vereinbarte, die sogenannte normale Tätigkeit des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin vergütet. Nicht anrechenbar sind Zahlungen, die nicht die Normaltätigkeit vergüten und dem Zweck nach keine Bestandteile des Grundlohnes sind. Damit sind nicht anrechenbar Zahlungen, die für zusätzliche und besondere Leistungen gezahlt werden. Dies gilt insbesondere auch für Akkordprämien. Nichts anderes kann sich ergeben, wenn der Stückakkord so definiert wird, dass von einem Mindestgrundlohn bei 100 % hiervon 6,22 € pro Stunde vereinbart wird. Dies ist nicht vergleichbar mit der Festsetzung einer höheren Stückzahl pro Zeiteinheit bei Zeitungsausträgern. Tatsächlich wird hier von einem Grundlohn von 6,22 € ausgegangen. Dieser ist auch ausgewiesen. Insoweit gehen wir davon aus, dass hier ein Grundlohn von 8,50 € pro Stunde zu zahlen ist. Erreicht die Klägerin – wie hier – die 137 %, ergibt sich ein Akkordlohn von 11,64 €. Die Differenz zu dem tatsächlich gezahlten Lohn beträgt 3,15 € pro Stunde“.
27Die Klägerin hat zuletzt beantragt:
28Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Vergütung für den Monat Januar 2015 485,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.02.2015 zu zahlen.
29Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Vergütung für den Monat Februar 2015 441,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.03.2015 zu zahlen.
30Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Vergütung für den Monat März 2015 485,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Klagezustellung zu zahlen.
31Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Vergütung für den Monat April 2015 485,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Zustellung des Schriftsatzes zu zahlen.
32Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Vergütung für den Monat Mai 2015 462,26 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Zustellung des Schriftsatzes zu zahlen.
33Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat Juni 2015 Arbeitslohn in Höhe von 2049,52 € brutto abzüglich gezahlter 1.101,44 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
34Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ordnungsgemäß Lohnabrechnungen für die Monate Januar bis Juni 2015 bei Zahlung zu erteilen.
35Die Beklagte bittet darum,
36die Klage abzuweisen.
37Sie verweist darauf, dass die Vergütung der Klägerin den gesetzlichen Mindestlohn immer um 0,02 Euro überschreitet.
38Die Beklagte verweist darauf, dass nach Auffassung der Klägerin eine einheitliche Lohngestaltung in Form einer Akkordvergütung künstlich in zwei Bestandteile aufgeteilt wird, und zwar in einen Grundlohn und einen Akkordzuschlag. Solch eine Aufteilung habe es in der Praxis nie gegeben und diese sei auch arbeitsvertraglich nicht vereinbart worden. Vielmehr stelle der „Grundstundenlohn“ gemäß § 3 Absatz 2 des Arbeitsvertrages lediglich den Geldfaktor im Rahmen der Akkordvergütung dar. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Voraussetzungen für eine wirksame Akkordlohnvereinbarung im vorliegenden Fall erfüllt sind, da die Arbeitnehmer der Beklagten bei Erbringung ihrer geschuldeten „normalen“ Arbeitsleistung in der Lage seien, einen Stundenlohn von 8,52 € brutto zu erreichen. Welchen Geldfaktor die Parteien im Rahmen des Akkordlohnes zugrunde gelegt haben (hier: 6,22 als 100 %) sei dabei irrelevant. Maßgeblich sei allein, dass unter Anwendung objektiver Kriterien bei einer normalen Arbeitsleistung der Mindestlohn erreicht wird, was vorliegend der Fall ist (unter Verweis auf ArbG Düsseldorf vom 20.04.2015 - 5 Ca 1675/15).
39Der Gesetzgeber habe nicht das Ziel verfolgt, bestehende Akkordlohnabreden, die den Arbeitnehmern eine durchschnittliche Vergütung von 8,50 € brutto gewährleisten, durch eine rein formelle Aufteilung in eine Stundenlohnabrede und einen Akkordzuschlag dahingehend zu ändern, dass den Arbeitnehmern nunmehr ein Anspruch auf eine weit überdurchschnittliche Vergütung im Verhältnis zu den Stundenlöhnen zusteht.
40Sollte die arbeitsvertragliche Vergütungsregelung entgegen der Ansicht der Beklagten mit dem Mindestlohngesetz nicht vereinbar sein, könne der Klage nicht stattgegeben werden. In diesem Fall schulde der Arbeitgeber die Vergütung, die im Wirtschaftsgebiet üblicherweise für eine vergleichbare Tätigkeit gezahlt wird (unter Verweis auf den Aufsatz von Bayreuther in: NZA 2014, 865, 866). Der übliche Lohn für die von der Klägerin verrichteten Tätigkeit als ungelernte Montagehelferin belaufe sich auf circa 8,50 €. Die weit überdurchschnittliche Vergütung von 11,54 € pro Stunde könne die Klägerin demnach selbst dann nicht verlangen, wenn sich das Gericht ihrer Rechtsauffassung dem Grunde nach anschließen sollte.
41Die Beklagte beruft sich überdies auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Sollte das Gericht der Rechtsauffassung der Beklagten folgen, hätte dies eine schwerwiegende Äquivalenzstörung im Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zur Folge. Wenn die Beklagte gewusst hätte, dass sich die durchschnittliche Akkordstundenvergütung aufgrund einer Gesetzesänderung um mehr als 35 % erhöht, wäre sie nicht bereit gewesen, eine Vergütungsvereinbarung gemäß § 3 des streitgegenständlichen Arbeitsvertrages zu treffen. Rechtsfolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sei eine Vertragsanpassung.
42Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den Protokollerklärungen der Parteien verwiesen.
43Entscheidungsgründe
44Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
45Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin für jede arbeitsvertraglich vereinbarte Stunde 137 Prozent von 8,52 Euro, somit 11,65 Euro, also weitere 3,13 € brutto pro Stunde zu zahlen. Die Klägerin unterfällt dem persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes nach § 22 Abs 1 Satz 1 MiLoG. Anspruchsgrundlage ist § 1 Abs. 1 Mindestlohngesetz (im folgenden MiLoG) i.V.m. § 611 Abs. 1 BGB. § 1 Abs. 2 Satz 1 Mindestlohngesetz definiert den Mindestlohn als Zeitlohn. Die Höhe des Mindestlohnes (sogenannter Geldfaktor) beträgt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Mindestlohngesetz ab dem 01.01.2015 8,50 € brutto je Zeitstunde. Die Zeitstunde beträgt 60 Minuten. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Mindestlohngesetz spätestens monatlich zu zahlende Mindestlohn stellt sich somit als Produkt dar, das durch die Multiplikation des Geldfaktors mit den im betreffenden Monaten geleisteten Arbeitszeitstunden (Zeitfaktor) errechnet wird (Düwell in: Düwell/Schubert, Handkommentar zum Mindestlohngesetz Baden-Baden 2015 § 1 Rdnr. 14).
46Ausweislich des Arbeitsvertrages der Parteien haben die Parteien einen Grundstundenlohn von 6,22 € vereinbart. Diese Vereinbarung ist mit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes vom 11.08.2014 unwirksam geworden. Aufgrund des Gesetzes zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohnes vom 11.08.2014 ist die Beklagte ab 01. Januar 2015 verpflichtet, der Klägerin einen Mindestlohn in Höhe von 8,50 € je Zeitstunde zu zahlen. Die gemäß § 134 BGB unwirksame arbeitsvertragliche Vereinbarung der Parteien wird somit durch die gesetzliche Rechtsfolge des Anspruchs auf einen Mindestlohn von 8,50 € pro Zeitstunde ersetzt.
47Dieser Mindestlohn ist der Klägerin auch dann zu zahlen, wenn sie Urlaubsentgelt oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhält oder wenn aufgrund der ergänzenden arbeitsvertraglichen Vereinbarung der Parteien Stunden aus dem Arbeitszeitkonto der Klägerin entnommen werden, um eine geringere tatsächliche Arbeitsleistung der Klägerin auf die arbeitsvertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin „aufzustocken“.
48Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die (in der Abrechnung arbeitsvertragswidrig nicht ausgewiesene) Akkordzulage in Höhe von 2,30 € pro Stunde, also die Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Grundlohn von 6,22 € und dem tatsächlich gezahlten Lohn von 8,52 € pro Stunde, den Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Mindestlohnes von 8,50 € pro Stunde nicht erfüllen, § 362 BGB.
49a)
50Dies ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Die gesetzliche Regelung lautet schlicht: „Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgeltes mindestens in Höhe des Mindestlohnes durch den Arbeitgeber. Die Höhe des Mindestlohnes beträgt ab 01. Januar 2015 brutto 8,50 € je Zeitstunde.“ (§ 1 Abs. 1 und 2 Mindestlohngesetz)
51Die Vereinbarung von Stück- und Akkordlöhnen bleibt nach der Regierungsbegründung gleichwohl zulässig. Voraussetzung ist, dass der Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden erreicht wird (BT-Drucksache 18/1558, 34). Das ist hier der Fall.
52Die Frage, ob ein Leistungslohn (hier in Form eines Akkordlohnes) den gesetzlichen Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers aus dem Mindestlohngesetz erfüllt, hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich geregelt. Das Mindestlohngesetz enthält keine Definition des Mindestlohns und damit auch keine Regelungen, welche Vergütungsbestandteile zum Mindestlohn zu zählen sind (so auch ArbG Berlin, Urteil vom 04. März 2015 – 54 Ca 14420/14 –, Rn. 34, juris)
53Dabei hatte der Bundesrat gebeten, im weiteren Gesetzgebungsverfahren im Rahmen von Artikel 1 § 1 Absatz 1 klarzustellen, ob und wenn ja, welche Lohnbestandteile auf das Stundengeld anzurechnen sind. In der Anfrage heißt es weiter: „… Aufgrund praktischer Erfahrungen aus der Umsetzung landesrechtlicher Regelungen vergabespezifischen Mindestentgelts und der branchenspezifischen Regelungen auf Grundlage des Bundesrechts geht der Bundesrat davon aus, dass durch die fehlende Konkretisierung die Gefahr besteht, dass durch Um- bzw. Anrechnung von Entgeltbestandteilen der Mindestlohn unterlaufen werden könnte. Daher bedarf es einer Klarstellung, dass unter anderem Zahlungen, die eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer als Ausgleich für zusätzliche Leistungen erhält, wenn sie oder er auf Verlangen ein Mehr an Arbeitsleistung oder Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen leistet, nicht auf den Mindestlohn pro Zeitstunde umgerechnet werden und zu dessen Minderung führen dürfen. … Falls eine Regelung unterbleibt, wären die Gerichte zu einer Konkretisierung gezwungen, was vor Etablierung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung eine unter Umständen jahrelange uneinheitliche Handhabung zur Folge hätte. Dies ist mit dem erklärten Gesetzeszweck einer Vereinheitlichung der Mindestarbeitsbedingungen nur schwer zu vereinbaren“ (BT-Drucksache 18/1558 Anlage 3 Seite 61 f.). Die Bundesregierung hat darauf erwidert, sie sehe keine Notwendigkeit, Ergänzungen hinsichtlich der Definition und der Bestandteile des Mindestlohnes vorzunehmen. Sie führt dazu aus: „Die Frage der Auslegung des Begriffs des Mindestentgeltsatzes und damit die Frage der Berechnung von Mindestlöhnen ist bereits durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts im Hinblick auf den Mindestentgeltsatz des Arbeitnehmerentsendegesetzes geklärt. … Nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes zur Entsenderichtlinie bestimmt sich daher auch, welche Vergütungsbestandteile in den Mindestlohn einzubeziehen sind. Vom Arbeitgeber gezahlte Zulagen müssen nach den Entscheidungen vom 14. April 2015 (C-341/02) und vom 07. November 2013 (C-522/12) als Bestandteil des Mindestlohnes anerkannt werden, wenn sie nicht das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der von ihm erhaltenen Gegenleistung verändern. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Zulage oder Zuschläge zusammen mit anderen Leistungen des Arbeitgebers ihren Zweck nach diejenige Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers entgelten sollen, die mit dem Mindestlohn zu vergüten ist (funktionale Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Leistungen).
54Die in der Stellungnahme des Bundesrates genannten Zahlungen, die eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer als Ausgleich für zusätzliche Leistungen erhält, wenn sie oder er auf Verlangen ein Mehr an Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen leistet, sind nach diesen Kriterien nicht berücksichtigungsfähig. Dies gilt etwa für Zulagen / Zuschläge, die voraussetzen, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer …
55- mehr Arbeit pro Zeiteinheit leistet (z.B. bei Akkordprämien) oder eine besondere Qualität der Arbeit (Qualitätsprämien) erbringt.
56…
57Diese zur Entsenderichtlinie aufgestellten Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes sind auf den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn zu übertragen und müssen aufgrund der gebotenen einheitlichen Auslegung für Sachverhalte mit unionsrechtlichem Bezug einerseits und reinen Inlandssachverhalten andererseits auch für Arbeitsverhältnisse vom Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit einem in Deutschland ansässigen Arbeitgeber gelten (vgl. die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18. April 2014 – 4 AZR 168/10 (A)).
58Vor diesem Hintergrund bedarf es daher aus Sicht der Bundesregierung der vom Bundesrat angeregten Klarstellung nicht. (BT-Drucksache 18/1558, Anlage 4 Seite 67).
59Die Koalitionsfraktionen haben sich im Beratungsverlauf des Ausschusses für Arbeit und Soziales die Sichtweise der Bundesregierung explizit zu Eigen gemacht und ihrer Beschlussempfehlung für das Plenum zugrunde gelegt (BT-Drucksache 18/2010 (Noll) Seite 15; anderer Ansicht wohl Bayreuther in: NZA 2014 865 (869) „Die einschlägigen Passagen sind bei genauer Betrachtung gar nicht Gegenstand der Gesetzesbegründung, vielmehr hat die Bundesregierung mit diesen „nur“ auf eine entsprechende Anfrage des Bundesrates reagiert“, dagegen zutreffend: Riechert /Nimmerjahn Kommentar zum Mindestlohngesetz 2015 § 1 Rdnr. 117).
60b)
61Der ausdrückliche Verzicht des Gesetzgebers auf die Definition, welche Lohnbestandteile auf den Mindestlohn anrechenbar sind und welche nicht, wird nicht dadurch ersetzt, dass die Bundesregierung statt entsprechender Regelungen im Gesetz ihre Vorstellungen auf einer Internetseite kommuniziert (so zutreffend: ArbG Berlin vom 04.03.2015 – 54 Ca 14420/14 Rdnr. 39). Dies betrifft bspw. die Ausführungen unter zoll.de zu Akkordzuschlägen (http://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Mindestlohn-Mindestlohngesetz/mindestlohn-mindestlohngesetz_node.html).
62c)
63Da der Gesetzeswortlaut die Frage der Anrechenbarkeit eines Akkordzuschlages auf den gesetzlichen Mindestlohn nach nach § 1 Abs. 1 und 2 Mindestlohngesetz offenlässt, ist er auszulegen.
64Die Auslegung des Mindestlohngesetzes führt nach Ansicht der Kammer dazu, dass die Leistungszulage, die sich aus dem Zweck einer Akkordvergütung ergibt, nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 und 2 Mindestlohngesetz nicht anrechenbar ist.
65aa.)Die sogenannte „grammatische“ oder „grammatikalische“ Auslegung des Gesetzes führt im vorliegenden Fall nicht weiter, weil der Gesetzgeber diese Frage explizit nicht regeln wollte.
66bb.) Die systematische Auslegung führt im vorliegenden Fall nach allgemeiner Auffassung zum Ergebnis, dass Leistungszulagen auf den gesetzlichen Mindestlohn anzurechnen sind. Die Beklagte meint unter Berufung auf die teleologische Auslegung, dem gesetzlichen Anspruch auf Zahlung eines Mindestlohnes nach dem MiLoG sei im vorliegenden Fall genüge getan. Nach dieser Ansicht widerspricht eine Differenzierung zwischen „Normalleistung“ und „Zusatzleistung“ der Idee einer allgemeinen Unterlohngrenze, die für jeden Arbeitnehmer und jedwede Tätigkeit Geltung beanspruche. In Teilen des Schrifttums wird mit Verweis auf die Existenzsicherungsfunktion des allgemeinen Mindestlohnes die Auffassung vertreten, dass sämtliche Zahlungen des Arbeitgebers auf den Mindestlohn angerechnet werden könnten, mit denen die Arbeitsleistung des Arbeitsnehmers vergütet wird (vgl. dazu nur: (vgl. dazu nur: Bayreuther, Der gesetzliche Mindestlohn in: NZA 2014, 865 (867ff.)); Jares, Was gehört zum Mindestlohn, DB 2015, 307 (309), Lembke, Das Mindestlohngesetz und seine Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Praxis in NZA 2015, 70(76), Merkel, Der gesetzliche Mindestlohn in der Praxis Eine Bestandsaufnahme in: DB 2015, 1407, weitere Nachweise bei Riechert/Nimmerjahn § 1 Rdnr. 115). Nach dieser Meinung muss der im Kalendermonat gezahlte Bruttoarbeitslohn nur jeweils die Anzahl der in diesem Monat geleisteten Bruttoarbeitsstunden multipliziert mit 8,50 € erreichen. Unerheblich sei dagegen, wie der Arbeitgeber oder die Vertragsparteien die einzelnen Leistungen bezeichnen bzw. auf welcher Basis und mit welcher Methode der dann tatsächlich an den Arbeitnehmer ausbezahlte Lohn ermittelt wurde.
67Eine Differenzierung zwischen mindestlohnrelevanten Zahlungen für die Normalleistung und Zahlungen für „Zusatzleistungen“, wie sie bei den tarifgestützten MindestMn nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz erfolgt, findet nach dieser Ansicht nicht statt. Entscheidend wäre danach nur, dass der Arbeitnehmer „unter dem Strich“ für seine Arbeitsleistung eine Vergütung – wie hier – in Höhe des Mindestlohnes erhält (so auch ArbG Düsseldorf vom 20.04.2015 – 5 Ca 1675/15 m.w. N. in Rdnr. 29).
68Nach dieser Ansicht wäre die Klägerin klaglos gestellt, weil ihre tatsächlichen Bezüge pro geleisteter Arbeitsstunde 8,50 € um 2 Cent übersteigen.
69cc.) Dagegen führt die historische Auslegung zum Ergebnis, dass Akkordzuschläge auf den gesetzlichen Mindestlohn im Sinne von § 1 Abs. 1 und 2 Mindestlohngesetz nicht angerechnet werden.
70Ein Sonderfall der historischen Auslegung ist die sogenannte „genetische Auslegung“ (Friedrich Müller). Dabei werden andere Materialien als Normtexte herangezogen, um den Sinn der auszulegenden Norm zu ermitteln. Amtliche Begründungen und Parlamentsberatungen (Gesetzesmaterialien) spielen dabei eine wichtige Rolle.
71Nach der vorstehend zitierten Antwort der Bundesregierung auf die kritischen Einwände des Bundesrates führt die historische Auslegung hier zum Ergebnis, dass Akkordzuschläge nach dem in den Gesetzesmaterialien erklärten eindeutigen Willen des Gesetzgebers auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht angerechnet werden können.
72In ihrer Stellungnahme hat die Bundesregierung darauf verwiesen, dass die zu der Entsenderichtlinie aufgestellten Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes auf den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn zu übertragen und aufgrund der gebotenen einheitlichen Auslegung für Sachverhalte mit unionsrechtlichem Bezug einerseits und reinen Inlandssachverhalten andererseits auch für die Arbeitsverhältnisse von im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit einem in Deutschland ansässigen Arbeitgeber gelten. Der nationale Gesetzgeber verweist damit auch auf die sogenannte „unionsrechts- oder richtlinienkonforme Auslegung“. Aus dem Vorrang des überstaatlichen Unionsrechts folgt die Verpflichtung aller Organe der Mitgliedstaaten, d. h. vor allem der Gerichte und Behörden, nationales Recht im Sinne der Vorgaben des EU-Rechts, also unionskonform auszulegen. Da die meisten EU-rechtlichen Vorgaben in Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft und deren Rechtsnachfolgerin, der Europäischen Union, zu finden sind, lässt sich auch der Ausdruck richtlinienkonforme Auslegung verwenden. Deutsche Gerichte haben danach deutsche Verbraucherschutz- und Arbeitnehmerschutzgesetze so auszulegen, dass Sinn und Zweck der EU-Richtlinien auf diesen Gebieten verwirklicht werden.
73Nach der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 07. November 2013 – C-522/22, Rdnr. 36 ff. ergibt zwar aus der Richtlinie 96/ 71 selbst kein Anhaltspunkt für eine inhaltliche Definition des Mindestlohnes. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes können die Zulagen und Zuschläge, die nicht durch die Rechtsvorschriften oder die Praktiken des Mitgliedsstaates als Bestandteil des Mindestlohnes definiert werden und die das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der von ihm erhaltenen Gegenleistung verändern, nicht aufgrund der Richtlinie 96/71 als derartige Bestandteile betrachtet werden (vgl. nur: ArbG Berlin a.a.O. Rdnr 35 unter Verweis auf die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vom 14.04.2005 – C-341/02; vom 12.02.2015 – C-396/13 sowie vom 14.04.2005 – C-34102, zustimmend Lindemann und Kafka, Anrechenbarkeit von Leistungen des Arbeitgebers auf den gesetzlichen Mindestlohn in: DB 2015,1664 ff).
74Folgerichtig hat das Bundesarbeitsgericht im Zusammenhang mit einer Mindestlohnklage im Abfallgewerbe klargestellt, dass die „Zulagen und Zuschläge, die durch die nationalen Rechtsvorschriften oder Praktiken des Mitgliedsstaates, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird, nicht als Bestandteil des Mindestlohnes definiert werden und in das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers auf der einen und der von ihm erbrachten Gegenleistung auf der anderen Seite verändern“, „nicht aufgrund der Bestimmungen der Richtlinie 96/71 als derartige Bestandteile betrachtet werden“ können (BAG vom 16.04.2014 – 4 AZR 802/11).
75Daraus hat das Arbeitsgericht Berlin (a.a.O. Rdnr. 37) zutreffend den Schluss gezogen, da das Mindestlohngesetz keine Regelung beinhaltet, ob und gegebenenfalls welche Entgeltbestandteile anrechenbar sind, müsse davon ausgegangen werden, dass der Mindestlohn lediglich der Vergütung der „Normal-„ Leistung dient. Somit ist festzustellen, welche Leistungen im Arbeitsverhältnis die Normalleistung vergüten. Diese sind anzurechnen. Es kommt also darauf an, ob eine Leistung im konkreten Fall das vergütet, was der Arbeitnehmer „normalerweise“ tun muss, oder ob eine Zahlung für überobligatorische Leistungen erfolgt (unter Verweis auf: Ulber, Die Erfüllung von Mindestlohnansprüchen in: RdA 2014, 176). Es wird somit keine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung vorgenommen, sondern die Arbeitgeberleistungen werden daraufhin überprüft, welcher Teil funktional mit dem Mindestentgelt verknüpft ist und welche Leistungen nicht.
76Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner durch den Europäischen Gerichtshof im Grundsatz bestätigten Rechtsprechung von der „funktionalen Gleichwertigkeit“ daher maßgeblich auf den Zweck der Leistung abgestellt (vgl. nur BAG vom 16.04.2014 – 4 AZR 802/11). Bei der Anrechnung von Leistungen auf tariflich begründete Forderungen sei darauf abzustellen, ob die vom Arbeitgeber erbrachte Leistung ihrem Zweck nach diejenige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten soll, die mit der tariflich begründeten Zahlung zu vergüten ist. Daher sei dem erkennbaren Zweck des tariflichen Mindestlohns, den der Arbeitnehmer als unmittelbare Leistung für die verrichtete Tätigkeit begehrt, der zu ermittelnde Zweck der jeweiligen Leistung des Arbeitgebers, die dieser aufgrund anderer (individual- oder kollektivrechtlicher) Regelungen erbracht hat, gegenüberzustellen. Bestehe danach - ähnlich wie bei einem Günstigkeitsvergleich mit Sachgruppenbildung nach § 4 Abs. 3 TVG - eine funktionale Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Leistungen (vgl. dazu etwa BAG 30. März 2004 - 1 AZR 85/03 - zu II 4 b bb der Gründe; 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 244: „funktional äquivalent“), sei die erbrachte Leistung auf den zu erfüllenden Anspruch anzurechnen (ausf. BAG 18. April 2012 - 4 AZR 139/10 - Rn. 28, BAGE 141, 163).(BAG, Urteil vom 16. April 2014 – 4 AZR 802/11 –, BAGE 148, 68-83, Rn. 39)
77Der Gesetzestext des Mindestlohngesetzes verhält sich nicht zur Frage, ob die Mindestlohnwirksamkeit einer Arbeitgeberleistung voraussetzt, dass sie zum einen mit der Zahlung des Mindestlohnes funktional gleichwertig und zum anderen regelmäßig, anteilig, tatsächlich und unwiderruflich gezahlt und dem Arbeitnehmer zum gesetzlichen Fälligkeitstermin zur Verfügung steht (Riechert/Nimmerjahn a.a.O. Rdnr. 100).
78Im vorliegenden Fall setzt sich die Vergütung der Klägerin aus zwei Bestandteilen zusammen, nämlich dem sogenannten „Grundlohn“ und der „Leistungszulage“. Diese sollen nach dem letzten Satz des § 3 des Arbeitsvertrages der Parteien in der Abrechnung getrennt ausgewiesen werden. Der vereinbarte Grundstundenlohn, der im Arbeitsvertrag mit 6,22 € brutto angegeben wird, bildet dabei nach der „Vorgabezeitermittlung“ vom 08.12.2010 eine Leistung von 100 % der Klägerin ab. Dabei ist der Kammer durchaus bewusst, dass es im Arbeitsverhältnis keine Leistung „mittlerer Art und Güte“ geschuldet wird, sondern sich jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer ihn oder ihr individuell mögliche Leistung abzuliefern hat. Die Vorgabezeit nach REFA besteht aus der Ausführungszeit und der Rüstzeit. Die Ausführungszeit setzt sich aus der Grundzeit, der Erholungszeit und der Verteilzeit zusammen. Die Vorgabezeit wird dem Arbeitnehmer beim Zeitakkord als Sollzeit für die ordnungsgemäße Erledigung eines Arbeitsauftrages bei Normalleistung vorgegeben.
79Über die Auffassung des Gesetzgebers, wonach die Frage der Anrechenbarkeit bereits durch die Rechtsprechung geklärt sein, mag man geteilter Ansicht sein. Gleichwohl kann nicht außer Acht gelassen werden, dass es der Wille des Gesetzgebers ist, nur eine Anrechenbarkeit von Entgeltzahlungen für die Normalleistung zuzulassen (Riechert/Nimmerjahn a.a.O.).
80Das Kriterium der funktionalen Gleichwertigkeit ist aufgrund der vorgenannten historischen Auslegung für die Anrechenbarkeit einer Arbeitgeberleistung auf den allgemeinen Mindestlohn maßgeblich. Das Mindestlohngesetz nimmt zwar vorrangig Inlandssachverhalte in den Blickpunkt. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich beim allgemeinen Mindestlohn – ebenso wie bei den tarifgestützten Branchen Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz – um einen entsenderechtlichen Mindestlohn handelt, der auch auf nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer zwingend Anwendung findet (§ 20 MiLoG). Die Vorgaben des EuGH zur Auslegung der Richtlinie 96/71/EG sind daher zu beachten. Die Vorgaben sind auch für Inlandssachverhalte maßgeblich, weil eine einheitliche Auslegung zwischen grenzüberschreitenden Sachverhalten und Inlandssachverhalten auch entsenderechtlich verboten ist (vgl. BAG vom 18.04.2012 – 4 AZR 168/10 (A)).
81Anderenfalls könnte es insbesondere zu Benachteiligungen der inländischen Arbeitgeber bzw. zu Wettbewerbsverzerrungen kommen (EuGH vom 20.05.2010 – C-352/08). Von einer Übertragung der Grundsätze auf den allgemeinen Mindestlohn ist schließlich auch der Gesetzgeber ausgegangen.
82Das Kriterium der Funktionsäquivalenz ergibt sich bei gesamtsystematischer Auslegung auch aus der Dogmatik des zivilrechtlichen Anspruchssystems. Mit der Funktionsäquivalenz von gesetzlichem Mindestlohnanspruch und arbeits- oder tarifvertraglichen Vergütungsanspruch wird letztlich nichts anders ausgedrückt, als dass es sich bei ihnen um in echter Anspruchskonkurrenz stehende Ansprüche handelt.
83Der gesetzliche Mindestlohnanspruch tritt neben den arbeits- bzw. tarifvertraglichen Vergütungsanspruch. Gesetzlicher und vertraglicher Vergütungsanspruch stehen in echter Anspruchskonkurrenz, soweit ein und derselbe Lebenssachverhalt mehrere Ansprüche auslöst, die auf dieselbe Leistung gerichtet sind. Nach dem Bundesarbeitsgericht ist eine Zahlung funktionell gleichwertig, wenn sie ihrem Zweck nach die gleiche Arbeitsleistung wie der Mindestlohn entgelten soll. Die gesetzliche Tilgungsregelung des § 366 BGB ist damit auf das Verhältnis der gesetzlichen Mindestlohnansprüche zum vertraglichen Vergütungsanspruch nicht anwendbar (vgl. dazu im Einzelnen: Riechert/Nimmerjahn a.a.O. § 1 Rdnr. 103 ff. m.w.N. in der Rechtsprechung).
84Nach der Formel der funktionalen Äquivalenz ist die vom Arbeitgeber erbrachte Leistung auf den Mindestlohn anrechenbar, wenn sie ihrem Zweck nach diejenige Arbeitsleistung des Arbeitsnehmers entgelten soll, die mit dem Mindestlohn zu vergüten ist. Gegenüberzustellen ist damit der Zweck des Mindestlohnes und der Zweck der vertraglichen Entgeltzahlung.
85Auf Grundlage der Formel der funktionalen Äquivalenz kann die Anrechenbarkeit einer Entgeltzahlung des Arbeitgebers daher nur bestimmt werden, wenn Klarheit über den Zweck des Mindestlohnes besteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes liefert die Richtlinie 96/71/EG selbst keinen Anhaltspunkt für die inhaltliche Definition des Mindestlohnes (vgl. EuGH vom 07.11.2013 – C-522/12). Aus welchen Bestandteilen sich der Mindestlohn zusammensetzt, ist deshalb grundsätzlich durch das nationale Rechtsvorschriften zu bestimmen.
86Nach dieser Ansicht können Entgeltzahlungen des Arbeitgebers, die der Entlohnung von besonderen – über die Normalleistung hinausgehenden – Leistungen dienen, nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden, da sie nicht funktional äquivalent sind (Lakies, Basiskommentar zum Mindestlohngesetz, Frankfurt/M. 2015 § 1 Rdnr. 47 unter Verweis auf Preis, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 30.06.2014, Ausschussdrucks. 18(11)148, S. 80, Düwell in: Düwell/Schubert (Hrsg.), Mindestlohngesetz Handkommentar, Baden Baden 2015, § 1 Rdnr. 44 m.w.N. in Fn. 86, zuletzt ArbG Nienburg vom 13.08.2015 Rdnr. 63, ArbG Bautzen vom 25.06.2015 – 1 Ca 1094/15 Rdnr.22, ArbG Berlin a.a.O. Rdnr. 42ff., Berndt, Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen des Mindestlohnes in: DStR 2014, 1878 (1880), Riechert/Nimmerjahn a.a.O. mit weiteren Nachweisen in Rdnr. 116, unklar Hilgenstock, Mindestlohngesetz, München 2014, Rdnr 89f. einerseits und Rdnr. 100 andererseits).
87dd.) Die Kammer schließt sich der aus der historischen Auslegung gewonnenen Auffassung an. Der Mindestlohn hat nicht nur eine existenzsichernde Funktion, ohne dabei das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zu bewerten. Der allgemeine Mindestlohn definiert ein unterstes Maß an Austauschgerechtigkeit und verhindert Arbeitsentgelte, die „jedenfalls unangemessen“ sind. Dabei muss der Arbeitnehmer keine besondere Leistung erbringen, um einen Anspruch auf den Mindestlohn zu haben.
88Im Unterschied zu den tarifgestützten Branchen und den Mindestlöhnen nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz, bei denen der – gegebenenfalls auszulegende – Mindestlohntarifvertrag vorgibt, was als mindestlohnrelevante Normalleistung des Arbeitnehmers anzusehen ist, kann ein allgemeiner Mindestlohn dies naturgemäß nicht definieren (Riechert/Nimmerjahn a.a.O. Rdnr. 118 m.w.N.). Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Differenzierung zwischen Normalleistung und Mehrleistung nicht möglich ist, wenn die Mindestlohnregelung – wie der allgemeine Mindestlohn – selbst die Normalleistung nicht definiert. Zu ermitteln ist in diesem Fall, welche Arbeitgeberleistungen im Arbeitsverhältnis die Normalleistung und welche Arbeitgeberleistungen ein Mehr an Arbeitsleistung bzw. eine Arbeit unter besonderen, erschwerten Bedingungen vergüten. Dieses richtet sich jeweils nach der zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarung (Riechert/Nimmerjahn a.a.O. m.w.N. auch der Rechtsprechung).
89Bei vereinbarten Stück- oder –wie hier – Akkordlöhnen soll es nach einer Auffassung für die Erfüllung des Mindestlohnanspruchs genügen, wenn der Stück- oder Akkordlohn so bemessen ist, dass auf seiner Grundlage „bei Normalleistung“ des Arbeitnehmers je Arbeitsstunde ein Lohn in Höhe des Mindestlohnes erreicht werden kann (so ErfK/Franzen, Mindestlohngesetz § 1 Rdnr. 9). Für den Leistungsmaßstab einer „Normalleistung“ käme es nach den allgemeinen Grundsätzen auf das individuelle Leistungsvermögen des Arbeitnehmers an.
90Diese Ansicht findet im Mindestlohngesetz keine Stütze. Der gesetzliche Mindestlohnanspruch ist gemäß § 3 Satz 1 Mindestlohngesetz insgesamt – also auch im Hinblick auf seinen Charakter als Stundenlohn – unabdingbar, so dass er durch Stücklohn- oder Akkordlohnabreden weder abgedungen noch modifiziert werden kann. Für die Erfüllung des Mindestlohnanspruchs kommt es auch bei der Vereinbarung eines Stück- oder Akkordlohnes deshalb ausschließlich darauf an, dass die im jeweiligen Monat geleisteten Arbeitsstunden zum in § 2 Mindestlohngesetz geregelten Fälligkeitstermin zum Mindestlohn vergütet werden. Insoweit bestimmt die Begründung des Regierungsentwurfs, dass geleistet sein muss, „dass der Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden erreicht wird“ (BT-Drucksache 18/1558 Seite 34). Nicht hinreichend ist damit, dass auf der Basis der Stück- bzw. Akkordvereinbarung der Arbeitnehmer bei normaler Leistung eine Arbeitsvergütung in Höhe des Mindestlohnes erreichen kann. Eine „Fair-Peace-Rate“ wie sie der Mindestlohn in dem Vereinigten Königreich für bestimmte Sachverhalte zulässt – kennt das Mindestlohngesetz nicht. Der Mindestlohn muss die geleisteten Arbeitsstunden im jeweiligen Monat erreicht werden (BAG vom 08.10.2008 – 5 AZR 8/08 Rdnr. 28).
91Daraus folgt, dass die von der Beklagten Akkordzulage nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden kann. Die Akkordzuschläge erfüllen nicht den Anspruch auf dem gesetzlichen Mindestlohn aus § 1 Abs. 1 und 2 MiLoG.
92ee.) Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass Grundlage der Akkordzuschläge nicht die vertraglich vereinbarten 6,22 Euro, sondern der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro ist. Mit Akkordzuschlägen im Bereich von 6,22 bis 8,50 Euro erfüllt die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht. Wenn 8,50 Euro die Normalleistung abdecken, können die Akkordzuschläge nur darüber liegen.
93ff.) Die Beklagte kann sich nicht auf die Störung des Austauschverhältnisses durch die Einführung eines Mindestlohnes nach dem MiLoG berufen. Eine Vertragsanpassung dahin, dass der Anspruch auf eine Vergütung von mehr als 8,53 Euro entfällt, kommt auch nicht nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Geschäftsgrundlage sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs die bei Abschluss des Vertrags zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien hierauf aufbaut (BAG 06. November 2002 - 5 AZR 330/01; BAG 28. Juni 2000 - 7 AZR 904/98.; BGH 25. Februar 1993 - VII ZR 24/92; BGH 05. Januar 1995 - IX ZR 85/94). Rechte wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergeben sich nur, wenn der von der Störung betroffenen Partei das unveränderte Festhalten an dem Vertrag nicht zugemutet werden kann. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage wird erheblich, wenn und soweit das Festhalten an der ursprünglichen Regelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde. Rechtsfolge ist grundsätzlich nur die Anpassung des Vertrags an die geänderten Verhältnisse. Die Geschäftsgrundlage gehört nicht zum Vertragsinhalt. Enthält bereits der Vertrag nach seinem gegebenenfalls durch ergänzende Auslegung zu ermittelnden Inhalt Regeln für Fehlen, Wegfall oder Änderung bestimmter Umstände, scheidet eine Anpassung gemäß § 242 BGB aus (BAG 06. November 2002 - 5 AZR 330/01; BAG 4. April 2001 - 10 AZR 181/00; BGH 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83). (vgl. zuletzt Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 27. Juli 2005 – 6 Sa 16/05 –, Rn. 53, juris). Gewerbliche Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten erhalten einen Stundenlohn von 11,64 Euro nur dann, wenn sie eine Leistung erbringen, die die Leistung der im Zeitlohn beschäftigten Arbeitnehmerinnen im Betrieb der Beklagten um 137 v.H. übersteigt. Das ist kein Ergebnis, das mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht zu vereinbaren ist.
94Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Verzug der Beklagten, §§ 286, 288 BGB.
95Somit war der Zahlungsklage in vollem Umfang stattzugeben.
96Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. den §§ 495 und 91 ZPO. Nach der letztgenannten Vorschrift trägt derjenige die Kosten, der unterlegen ist. Das ist hier die Beklagte.
97Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß § 61 Abs.1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus der Addition der Klagebeträge.
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(1) Dieses Gesetz gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Praktikantinnen und Praktikanten im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes gelten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, es sei denn, dass sie
- 1.
ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten, - 2.
ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten, - 3.
ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat, oder - 4.
an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68 bis 70 des Berufsbildungsgesetzes teilnehmen.
(2) Personen im Sinne von § 2 Absatz 1 und 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes ohne abgeschlossene Berufsausbildung gelten nicht als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes.
(3) Von diesem Gesetz nicht geregelt wird die Vergütung von zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sowie ehrenamtlich Tätigen.
(4) Für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch waren, gilt der Mindestlohn in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung nicht. Die Bundesregierung hat den gesetzgebenden Körperschaften zum 1. Juni 2016 darüber zu berichten, inwieweit die Regelung nach Satz 1 die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert hat, und eine Einschätzung darüber abzugeben, ob diese Regelung fortbestehen soll.
Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.
(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.
(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.
(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland sind verpflichtet, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns nach § 1 Absatz 2 spätestens zu dem in § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Zeitpunkt zu zahlen.
(1) Ist der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung bestimmt.
(2) Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so wird zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt.
(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.
(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.
(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.
(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn
- 1.
zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, - 2.
spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde,
(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nach § 1 Absatz 1 nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Wertguthabenvereinbarungen im Sinne des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend für eine im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergleichbare ausländische Regelung.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.
(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.
(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.