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| Die Parteien streiten im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung über eine Weiterbeschäftigung des Verfügungsklägers als Leiter der Organisationseinheit „xx“ am Standort N. |
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| Der Verfügungskläger wurde am 00.00.0000 geboren, ist verheiratet und hat 2 unterhaltsberechtigte Kinder. Er war von August 1994 bis Oktober 2001 bei der Verfügungsbeklagten zunächst als Versuchsingenieur, später als Leiter der Versuchsgruppe N. und zuletzt als Mitglied des Führungsentwicklungskreises tätig. Im Oktober 2001 wechselte er zur X. AG, wo er bis 30.06.2011 als Team-, Projekt- und Abteilungsleiter in den Bereichen Nutzfahrzeuge und Motorsport tätig war. Seit 01.07.2011 ist er wieder bei der Verfügungsbeklagten tätig und befindet sich in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis. Seit März 2012 ist er allein verantwortlicher Leiter der Organisationseinheit „Entwicklung Dieselmotoren“ am Standort N.. Diese Organisationseinheit übt im XX-Konzern eine Konzernfunktion aus und entwickelt Dieselmotoren mit 6 und mehr Zylindern für den gesamten XX-Konzern. Hierarchisch befindet sich die Position des Klägers in der OE 2 in der 2. Ebene unterhalb des Vorstands (Vorstand, OE 1, OE 2). Seit 01.07.2011 hat der Verfügungskläger Handlungsvollmacht gemäß § 54 HGB. Einschließlich fester und variabler Vergütungsbestandteile betrug sein Jahresgehalt zuletzt Euro x brutto. |
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| Ziff. 6 des Arbeitsvertrages vom 07.03.2011 nimmt auf die „Vertragsbedingungen für den oberen Managementkreis“ Bezug. Nach Ziff. 9.2 dieser Vertragsbedingungen ist das Unternehmen berechtigt, den Verfügungskläger bei Ausspruch einer Kündigung unter Weiterzahlung seines Entgelts bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beurlauben. |
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| Mit Schreiben vom 25.11.2015 fasste die Verfügungsbeklagte die mit dem Verfügungskläger geführten Gespräche zusammen (Bl. 126 der Akte). Danach wurde der Verfügungskläger mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres von der Arbeit freigestellt. Die Verfügungsbeklagte sagte zu, dass der Verfügungskläger weiterhin die vertraglich geschuldete monatliche Vergütung entsprechend den Regelungen des Arbeitsvertrags ausgezahlt erhält. Das Schreiben ist von 2 Mitarbeitern der Verfügungsbeklagten unterschrieben. Der Verfügungskläger unterzeichnete mit dem Zusatz „erhalten“. Der Verfügungskläger ist seit diesem Zeitpunkt durchgehend freigestellt. |
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| Im Zusammenhang mit der so genannten „Dieselgate-Affäre“ aufgrund manipulierter Motorensoftware beauftragte der Aufsichtsrat des XX-Konzerns die Rechtsanwaltskanzlei J. D. mit der umfassenden Aufklärung des Sachverhalts. Der Generalstaatsanwalt von New York hat mit einer Klageschrift vom 19.07.2016 eine Klage gegen die Verfügungsbeklagte und andere Unternehmen des XX-Konzerns beim „Supreme Court“ des Staates New York erhoben. |
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| Ein Hauptsacheverfahren gegen die Freistellung hat der Verfügungskläger bislang nicht eingeleitet. |
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| Der Verfügungskläger trägt vor, am 15.11.2015 habe der Personalvorstand der Verfügungsbeklagten ihn angerufen und ihm zu seiner vollkommenen Überraschung mitgeteilt, dass der Vorstand entschieden habe, 2 Mitarbeiter als Konsequenz der Vorwürfe gegen die von Y verantworteten ZZ-Motoren, darunter den Verfügungskläger, zu beurlauben. In einem Gespräch am 30.11.2015 habe der Vorstandsvorsitzende der Verfügungsbeklagten eingeräumt, dass man nichts gegen ihn in der Hand habe und ihm keinerlei konkreten Vorwurf mache. Die Freistellung sei in erster Linie auf Druck des Mutterkonzerns XX AG erfolgt. In der Folgezeit sei der Verfügungskläger viermal von der Kanzlei J.D. befragt worden. Mit Anwaltsschreiben vom 29.12.2015 habe der Verfügungskläger zum Ausdruck gebracht, dass er bis maximal Januar 2016 die weiteren Entwicklungen abzuwarten bereit sei. Am 22.02. 2016 habe der Personalvorstand den Verfügungskläger erneut angerufen und betont, dass auch weiterhin keinerlei negative Erkenntnisse ihm gegenüber aufgetaucht seien. Der Vorstand habe einstimmig die Rückkehr des Verfügungsklägers vorbehaltlich der Zustimmung der Aufsichtsräte der Verfügungsbeklagten und der XX AG zum 01.04.2016 beschlossen. Die Verfügungsbeklagte hoffe auf seine Rückkehr, da eine höherrangige Stelle für ihn in Betracht komme. Dies hätten auch Gespräche mit dem Chefsyndikus und dem Entwicklungsvorstand an diesem Tag ergeben. Am 04.05.2016 habe der Personalvorstand dem Verfügungskläger mitgeteilt, dass J. D. nunmehr einen Zwischenbericht vorgelegt habe und empfehle, die Freistellung vorläufig aufrechtzuerhalten, da die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien. Vermutlich bleibe die Freistellung daher vorläufig aufrechterhalten. Der Vorstand wolle den Verfügungskläger zurückhaben, da man nichts gegen ihn in der Hand habe und keinen konkreten Vorwurf erhebe. |
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| Der Verfügungskläger habe zunächst nur gerüchteweise vernommen, dass seine bisherige Stelle als Leiter „XX“ kurzfristig aufgelöst worden sei bzw. kurzfristig aufgelöst werde. Nunmehr ergebe sich aus einem E-Mail vom 06.07.2016 als Mitarbeiterinformation zur Veränderung am Standort N., dass die Entwicklung V-Otto Motoren und V-Dieselmotoren als eine Organisationseinheit unter der Leitung von J. K. fusioniert würden. Die Verfügungsbeklagte plane somit nicht mehr mit dem Verfügungskläger. |
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| Der Verfügungsanspruch ergebe sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers. Er sei als Ingenieur in der Motorenentwicklung auf eine Teilhabe am kontinuierlichen Fortgang der technischen Entwicklungen und am Austausch mit seinen Kollegen in besonderem Maße angewiesen. Jeder weitere Tag der Beschäftigungslosigkeit entwertete sein Know-how überproportional. Insbesondere werfe ihm die Verfügungsbeklagte im Zusammenhang mit der Dieselgate-Affäre keine Verstöße vor. Das liege auf der Hand, da der Verfügungskläger in dem Zeitraum, in dem die Motorensoftware entwickelt worden sei, nicht bei der Verfügungsbeklagten beschäftigt gewesen sei. Auch die Anklage des Generalstaatsanwalts von New York führe andere Personen auf, nicht aber den Verfügungskläger. |
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| Der Verfügungsgrund beruhe darauf, dass die rechtlichen Interessen des Verfügungsklägers schwerwiegend beeinträchtigt würden. Die Abkoppelung seit mehr als 7 Monate von seinem bisherigen Aufgabenbereich und den technischen Entwicklungen nehme massiven Einfluss auf sein technisches Wissen. Als Ingenieur sei er in besonderem Maße darauf angewiesen, an den kontinuierlichen technischen Entwicklungen teilzunehmen, um nicht seine Anschlussfähigkeit zu verlieren. Die Verfügungsbeklagte habe den Verfügungskläger mehrfach mit Versprechungen im Hinblick auf eine Rückkehr nebst einer dann avisierten Beförderung hingehalten. Der Verfügungskläger habe mehrfach im guten Willen und im guten Glauben zugewartet. Der Verfügungsgrund ergebe sich auch besonders deutlich aus dem Umstand, dass die Verfügungsbeklagte nunmehr sich dazu entschlossen habe, die Position des Verfügungsklägers im Unternehmen aufzulösen. Sie versuche damit in treuwidriger Weise, irreversible Fakten zu schaffen. Dem Verfügungskläger sei nicht zuzumuten, diesem Handeln bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens tatenlos zuzusehen. |
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| 1. Die Antragsgegnerin wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, den Antragsteller nach Maßgabe des Anstellungsvertrages vom 07.03.2011 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache als Leiter der Organisationseinheit „XX“ am Standort N. weiter zu beschäftigen. |
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| 2. Der Antragsgegnerin wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von Euro 250.000 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Antragsgegnerin zu vollziehen ist. |
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| Die Verfügungsbeklagte beantragt: |
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| Zurückweisung der Anträge. |
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| Die Verfügungsbeklagte trägt vor, es seien weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund gegeben. Die Manipulation der Dieselmotoren sei bereits im Jahr 2014 bekannt geworden. Die Frage eines möglichen pflichtwidrigen Verhaltens des Verfügungsklägers oder anderer Personen könne nicht mit dem lapidaren Hinweis entkräftet werden, er habe zwischen 2004 und 2009 nicht für die Y AG oder den XX-Konzern gearbeitet. Nachdem die US-amerikanischen Behörden ihre Verfahren eröffnet hätten, hätten sich die Verfügungsbeklagte und die Y AG dazu entschieden, die in Schlüsselpositionen mit den Fällen befassten Manager zunächst von ihren Aufgaben zu entbinden. Damit sei kein Schuldvorwurf verbunden. Die vorläufige Freistellung der führenden Manager habe vielmehr den Hintergrund, dass eine lückenlose Aufklärung der einzelnen Vorgänge ermöglicht werden solle, ohne dass die Gefahr bestehe oder der Anschein erweckt würde, Erkenntnisse würden zurückgehalten bzw. mit Blick auf Geschäftsergebnisse oder handelnde Person unterdrückt, verfälscht oder in einem anderen Licht dargestellt. Dieses Vorgehen sei insbesondere vor den in den USA drohenden drakonischen Strafzahlungen von zentraler Bedeutung. Die amerikanischen Behörden verlangten bedingungslose Kooperation, zu der auch gehöre, dass schon der Eindruck vermieden werde, dass Personen, die mutmaßlich an einem Verstoß beteiligt sein könnten, weiterhin Einfluss auf die Ermittlungen nehmen könnten. All dies habe es erforderlich gemacht, neben dem Verfügungskläger am Standort N. einen weiteren führenden Ingenieur von der Erbringung der Arbeitsleistung vorläufig freizustellen. Dieses Erfordernis gelte noch aktuell: Im Interesse der Verfügungsbeklagten als auch des XX-Konzerns müsse insgesamt sichergestellt werden, dass die Aufarbeitung sämtlicher Fragen ohne Ansehen der Person und unabhängig von persönlichen Interessen einzelner Mitarbeiter erfolge und eine Einflussnahme auf die Untersuchung in jedem Fall ausgeschlossen sei. |
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| In dem Gespräch mit dem Personalvorstand am 20. 11. 2015 sei der Verfügungskläger mit seiner vorläufigen Freistellung einverstanden gewesen und habe Verständnis für diese Haltung gezeigt. Das Schreiben vom 15.11.2015 sei als Freistellungsvereinbarung zu werten. Diese Freistellung sei noch weiter erforderlich, da die Verfügungsbeklagte den vorläufigen Abschlussbericht der Rechtsanwaltskanzlei J. D. abwarten müsse und derzeit noch nicht absehen könne, welche Erkenntnisse in Bezug auf den Verfügungskläger bzw. die von ihm geführte Abteilung im Zusammenhang mit der Aufklärung der Abgasmanipulationen enthalten sein würden. Die Verfügungsbeklagte habe keinerlei Einfluss auf die Geschwindigkeit und Dauer der Ermittlungen. Es sei nicht zutreffend, dass dem Verfügungskläger verbindlich in Aussicht gestellt worden sei, dass er ab dem 01.04.2016 an seinen Arbeitsplatz zurückkehren könne. Es möge sein, dass von Vertretern der Verfügungsbeklagten diese Hoffnung geäußert worden sei. Eine verbindliche Aufhebung der Freistellungsvereinbarung sei aber nicht erfolgt. Die Freistellung sei an die Dauer der Untersuchungen von J. D. gekoppelt. |
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| Ein Verfügungsanspruch liege zum einen deshalb nicht vor, da sich der Verfügungskläger mit der Freistellung einverstanden erklärt habe. Zum anderen habe die Verfügungsbeklagte ein überwiegendes Interesse an der Freistellung. Die Verfügungsbeklagte sei der Öffentlichkeit, dem Mutterkonzern und den US-Behörden gegenüber zur lückenlosen und unbedingten Aufklärung der Dieselaffäre verpflichtet. Dies mache es erforderlich, den Verfügungskläger für den Zeitraum der laufenden Ermittlungen von der Arbeit freizustellen. Dem Verfügungskläger als Mitglied des oberen Managements sei eine Rücksichtnahme auf die Interessen der Verfügungsbeklagten zuzumuten, die über das hinausgehe, was von einem Tarifangestellten zu erwarten sei. Ferner habe der Verfügungskläger seinen Beschäftigungsanspruch materiell verwirkt. Die Verfügungsbeklagte habe aus der Zeitdauer schließen können, dass der Verfügungskläger seinen Beschäftigungsanspruch nicht mehr geltend mache, bis die Untersuchungen von J. D. abgeschlossen seien. Aufgrund der arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel habe der Verfügungskläger keinen Anspruch auf den beantragten Arbeitsplatz. |
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| Ein Verfügungsgrund liege nicht vor. Der Verfügungskläger sei seit einem Zeitraum von 8 Monaten einvernehmlich und ohne Widerspruch freigestellt gewesen. Er hätte in dieser Zeit ohne weiteres ein ordentliches Erkenntnisverfahren durchführen können. Es sei nicht einzusehen, weshalb er acht Monate lang einen angeblich rechtswidrigen Zustand habe hinnehmen können, um jetzt in einem Eilverfahren die Freistellung anzugreifen. Die vom Verfügungskläger angeführten Umstrukturierungen in der technischen Entwicklung seien durch andere Themen ausgelöst, aber weder beschlossen noch umgesetzt worden. Solle es eine solche neue Struktur tatsächlich geben, käme diese frühestens im Jahr 2017 zum Tragen, zu einem Zeitpunkt also, zu dem auch die Verfügungsbeklagte davon ausgehe, dass die Freistellung längst beendet sei. |
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| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt der zwischen Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen Bezug genommen. |
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