Arbeitsgericht Gelsenkirchen Urteil, 24. Nov. 2015 - 5 Ca 1444/15
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird auf 11.975,40 festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Der 1972 geborene Kläger war seit dem 15.7.1999 bei der Beklagten als Gärtner und Straßenreiniger zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 2.993,85 € bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 39 Stunden wöchentlich beschäftigt. Der Kläger ist verheiratet und hat keine Kinder. In der eigenbetriebsähnlichen Einrichtung der Beklagten „H“, in der regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt werden, war der Kläger zuletzt eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (TVöD-V) Anwendung. Mit Datum 15.7.1999 unterzeichnete der Kläger eine Erklärung zur Verfassungstreue (Bl. 44 f. d.A.).
3Hintergrund der streitgegenständlichen Kündigung sind Äußerungen, die der Kläger auf der Internetplattform „Facebook“ getätigt haben soll. Am 26.7.2015 um 19:27 Uhr wurde bei Facebook unter dem Account „X H1 (X1)“ folgender Inhalt gepostet:
4„So langsam reicht es mit den nicht deutschen. Wir müssen uns wehren. Sie kommen rein bekommen soziale Zuschläge und so was und für das deutsche Volk kommt nichts an. Ich maloche jeden Tag bis zur Rente und was bekomme ich fast nicht. Die kommen und bekommen Geld und das finde ich scheiße. Alle die mit so welchen Leuten zusammen sind sprich Ausländer sollten zusammen geschlagen werden und die Kinder die da raus endstehen sollten erschlagen werden. wehr eine deutsche frau hat und die mit ein Ausländer zusammen ist sollte geächtet werden und an den Pranger gebracht werden“
5Weiterhin wies der Facebook-Account weitere Äußerungen auf. Diese waren im Einzelnen:
6- 26.7.2015, 14:17 Uhr:
7„Mein Hass könnt ihr haben oder eins auf den kopf mit den guten alten Eisenstangen bis zur Grenze“
8- 20.7.2015, 10:03 Uhr:
9„Das Deutschland von heute muss sich für nichts mehr entschuldigen.“
10- 8.7.2015, 12:01 Uhr:
11„Deutschland Unser Land Unsere Sitten Unsere Kultur Unsere Heimat Unsere Bräuche Unsere Gesetze Wem das nicht passt, dem wünschen wir eine gute Rückreise in seine Heimat!“
12- 28.6.2015:
13„erhebt euch wir lassen uns zu viel gefallen deutsche schlagt zurück geht auf die Straße holt euch das pack“
14- 22.6.2015:
15„Der Erstschlag Wirt kommen deutsche wehrt euch“
16Wegen der weiteren Einzelheiten der Äußerungen, insbesondere hinsichtlich beigefügter Bilder und Fotos, wird auf Bl. 46 ff. d.A. verwiesen. Auf dem Facebook-Account „X H1 (X1)“ wurde die Beklagte als Arbeitgeberin ausdrücklich bezeichnet. Die vorgenannten Äußerungen waren nicht an einen abgrenzbaren Empfängerkreis gerichtet, sondern konnten von jedem Facebook-Nutzer eingesehen werden.
17Der Kläger wurde am 31.7.2015 darüber informiert, dass ein Gespräch mit dem Personalrat bevorstehe. Am 3.8.2015 wurde er für diesen Tag vom Personalrat zu einem Gespräch eingeladen. In diesem Rahmen wurde der dem Kläger zur Last gelegte Sachverhalt mitgeteilt und ihm Ausdrucke der vorgenannten Äußerungen bei Facebook vorgelegt. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass die Beklagte eine fristlose Kündigung aussprechen und der Personalrat dieser zustimmen werde. Der Kläger wies in dem Gespräch darauf hin, dass sein Facebook-Account eventuell durch Dritte geknackt worden sei; nur so könne er sich dies erklären.
18Der Kläger erstattete unter dem 3.8.2015 um 16:20 Uhr eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Vorwurfs übler Nachrede (§ 186 StGB) und des Ausspähens von Daten (§ 202a StGB) beim Polizeipräsidium H2. In einem Aktenvermerk des Polizeipräsidiums H2 (Bl. 87 d.A.) wurde festgehalten, dass die dem Kläger vorgeworfenen Äußerungen bei Facebook unter dem Account „XH1 G“ nicht aufgefunden werden konnten. Anhand eines Abgleichs der von der Beklagten gesicherten Daten des Facebook-Accounts sowohl unter dem Profil „X H1“ als auch unter dem Profil „XH1 G“ konnten allerdings Einträge gefunden wurden, die nach Einschätzung des PP H2 eine Volksverhetzung gemäß § 130 StGB verwirklichen. Der Kläger wurde nach dem Inhalt des Aktenvermerks sodann als Beschuldigter erfasst, da der Verdacht entstand, er habe nach der Kündigung durch die Beklagte seinen Facebook-Account geändert, um durch die Erstattung einer Anzeige bei der Polizei seiner Kündigung entgegenzuwirken. Das daraufhin gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft Essen am 17.9.2015 gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt.
19Die dem Kläger zur Last gelegten Äußerungen waren ursprünglich veröffentlicht auf dem Facebook-Account „X H1“. Dieser Account existierte am Nachmittag des 28.7.2015 jedoch nicht mehr. Ab diesem Zeitpunkt konnte durch die Beklagte allein der Account „XH1 G (X1)“ gefunden werden. Dieser Account enthielt ebenfalls die ursprünglich unter dem Account „X H1“ veröffentlichten und dem Kläger zur Last gelegten Äußerungen. Dieser wurde zuletzt durch die Beklagte am 30.7.2015 für die Personalratsanhörung eingesehen und ausgedruckt. Am 3.8.2015 stellten drei Mitarbeiter der Beklagten fest, dass nur noch der Facebook-Account „XH1 G“ existierte. Dieser enthielt keine Angaben mehr über den Arbeitgeber, noch waren die dem Kläger zur Last gelegten fremdenfeindlichen Äußerungen dort vorhanden. Die Facebook-Accounts „X H1“, „XH1 G (X1)“ und „XH1 G“ wiesen dieselben Facebook-Freunde auf.
20Der Personalrat der Beklagten wurde mit Schreiben vom 30.7.2015 zur beabsichtigten Kündigung des Klägers angehört (Bl. 248 ff. d.A.). Darin teilte die Beklagte mit, dass der Kläger aufgrund der o.g. ausländerfeindlichen, rassistischen und rechtsradikalen öffentlichen Äußerungen und Sympathiebekundungen für die Beklagte nicht mehr tragbar sei. Erschwerend komme nach dem Anhörungsschreiben hinzu, dass der Kläger sich explizit als Mitarbeiter der Beklagten darstelle und seit dem 28.7.2015 nachmittags den Facebook-Account auch nicht mehr unter dem Pseudonym „X H1“, sondern unter seinem vollen Namen betreibe, und damit seine Gesinnung öffentlich mache. Mit Schreiben vom 4.8.2015, dem Kläger zugegangen am selben Tag, kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist mit Wirkung zum 31.3.2016.
21Der Kläger erhielt am 17.8. und 24.8.2015 eine sogenannte Anmeldungswarnung von Facebook, da jemand sich kürzlich über einen neuen Browser oder ein neues Gerät in der Nähe von J und K (Finnland) am 24.8.2015 um 13:26 Uhr und am 24.8.2015 um 11:35 Uhr bei Facebook anmeldete.
22Mit seiner am 21.8.2015 beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen erhobenen Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Er macht das Fehlen eines wichtigen Grundes, die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung und die Nichteinhaltung der Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB geltend. Ferner rügt er die ordnungsgemäße Anhörung des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates zu der Kündigung. Der Kläger behauptet, dass die streitgegenständlichen Äußerungen bei Facebook nicht von ihm herrühren. Zutreffend sei, dass der Kläger einen Facebook-Account habe, der die Bezeichnung „XH1 G“ trage und zweizeilig geschrieben werde. Bei dem von der Beklagten bezeichneten Account handele es sich demgegenüber nicht um denjenigen des Klägers, da ersterer anders geschrieben werde und insbesondere den Zusatz „(X1)“ enthalte. Diese Bezeichnung habe der Kläger jedoch zu keiner Zeit geführt. Vielmehr habe er sowohl am 27.7., 28.7. und 3.8.2015 den Account „XH1 G“ in zweizeiliger Schreibweise geführt.
23Der Kläger behauptet, ein Dritter habe seinen Facebook-Account geknackt oder kopiert. Hierauf deuteten die unterschiedlichen Schreibweisen der Accounts sowie der Umstand hin, dass der Kläger am 24.8.2015 weder in J noch in K (Finnland) gewesen sei. Er behauptet, Hacker hätten seine sogenannte IP-Adresse geknackt, um diesen Vorgang durchzuführen. Der Kläger sei Opfer eines Cyberkriminellen geworden. Es sei allgemein bekannt, dass Hacker Daten einer Vielzahl von Facebooknutzern geknackt hätten, um diese bewusst zu schädigen oder Missbrauch zu betreiben. Aufgrund der Vielzahl und Komplexität sei die Polizei nicht mehr Herr der Lage.
24Der Kläger behauptet, die streitgegenständliche Äußerung vom 8.7.2015 um 12:01 Uhr nicht getätigt zu haben, da er zu dieser Zeit gearbeitet habe (Baumschnitt-Arbeiten) und nicht im Internet gewesen sei. Für die Arbeit seien hohe Konzentration und beide Hände erforderlich gewesen. Auch habe der Kläger während dieser Zeit kein Smartphone benutzt. Der Kläger behauptet, dass keiner seiner Facebook-Freunde die rassistischen Bilder gesehen habe. Diese hätten entgegen des sonst üblichen Ablaufs keine Meldung seitens Facebook erhalten, dass der Kläger die Bilder auf seiner Seite heruntergeladen habe. Auf Nachfrage hätten die Facebook-Freunde mitgeteilt, keine Meldungen von Facebook erhalten und keine rassistischen Äußerungen auf der Seite des Klägers entdeckt zu haben. Ferner, so behauptet der Kläger, hätten die Personen ihn in diesem Fall auch darauf angesprochen und „zur Rede gestellt“.
25Der Kläger behauptet, er habe nach dem Gespräch mit dem Personalrat am 3.8.2015 keine Gelegenheit dazu gehabt, seinen Facebook-Account zu löschen oder umzubenennen bzw. inhaltliche Änderungen daran vorzunehmen. Er habe an diesem Tag erst um 16:20 Uhr einen Computer zur Verfügung gehabt. Er behauptet, technisch sei es erst nach drei Monaten möglich, eine Änderung des Account-Namens vorzunehmen. Er habe zu keiner Zeit einer Frau U über Facebook eine Freundschaftsanfrage gesendet. Bei Frau U handelt es sich um die Lebensgefährtin des Klägers. Auch habe er an die weiteren von der Beklagten benannten Facebook-Freunde keine Freundschaftsanfragen gerichtet. Jedoch sind dem Kläger diese Personen bekannt. Er behauptet, er habe nur deshalb im Zeitraum 22.6.-27.7.2015 keine Anmeldungswarnungen von Facebook erhalten, da er in diesem Zeitraum noch keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen habe. Der Kläger bestreitet, dass die jeweiligen URL-Nummern der Accounts „X H1“, „XH1 G (X1)“ und „XH1 G“ (zweizeilig) identisch seien. Es sei andernfalls von einer „Dublette“ auszugehen.
26Der Kläger beantragt,
27- 28
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 4.8.2015 beendet wird,
- 29
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht,
- 30
3. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/ oder zu 2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Gärtner- und Straßenreiniger weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Sie behauptet, der Kläger habe durch seine Äußerungen bei Facebook mit rassistischen Parolen gehetzt und zu rechtswidrigen Straftaten aufgefordert durch unbedingte Gewaltanwendung. Der Kläger rufe sogar zum Mord an Kindern mit mindestens einem ausländischen Elternteil auf. Die Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit des Klägers seien sehr hoch. Besonders schwer wiege dabei der Umstand, dass der Kläger die Äußerungen in der Öffentlichkeit des Internets zu einer Zeit getätigt habe, in der aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen die Stimmung in einem Teil der Gesellschaft kritisch gegenüber Flüchtlingen sei. Die Beklagte behauptet, der Kläger heize die die Stimmung bewusst und gewollt auf und schüre dadurch Hass gegenüber Ausländern. Durch die Benennung der Beklagten als Arbeitgeberin werde deren Ruf beschädigt. Erschwerend komme nach Auffassung der Beklagten hinzu, dass der Kläger als Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes durch Unterzeichnung der Erklärung zur Verfassungstreue vom 15.7.1999 ausdrücklich bekannt habe. Gegen diese Pflicht habe der Kläger verstoßen, indem er volksverhetzende Äußerungen getätigt habe.
34Die Beklagte behauptet, erstmals am 27.7.2015 auf die Äußerungen bei Facebook aufmerksam geworden zu sein. An diesem Tag sei der Oberbürgermeister der Stadt H2 um 13:42 Uhr per E-Mail auf die Äußerungen auf der Facebook-Seite von „X H1“ hingewiesen worden. Den Hinweis auf diese Äußerungen habe sie auch von einem Bürger erhalten, der diese zufällig gelesen habe. Die Beklagte bestreitet, dass der Account „XH1 G“ bei Facebook bereits am Vormittag des 28.7.2015 existiert habe. Die Behauptung des Klägers, sein Account sei gehackt oder kopiert worden, sei als Schutzbehauptung zu werten. Die Beklagte trägt vor, dass sowohl am 27.7.2015 der damalige Betriebsleiter Dr. T, sowie am 28.7.2015 die Mitarbeiter B und E aus der Personalabteilung eine Recherche bei Facebook durchgeführt und dabei den Namen „XH1 G“ eingegeben hätten. Daraufhin seien lediglich das Profil eines XH1 G aus Süddeutschland und der Name „X H1“ erschienen. Letzterer sei eindeutig dem Kläger zuzuordnen gewesen, da das Geburtsdatum, der Wohnort H2-I1, und die Arbeitgeberin (Stadt H2 und H) angegeben waren. Der Account „X H1“ enthielt dabei die dem Kläger zur Last gelegten Äußerungen.
35Die Beklagte behauptet, es sei technisch nicht möglich, den Account „XH1 G“ vollständig mitsamt der Liste der Facebook-Freunde zu kopieren. Vielmehr habe der Kläger seinen ursprünglichen Account „X H1“ im Verlauf des 28.7.2015 umbenannt in „XH1 G (X1)“ und kurz darauf vor dem 3.8.2015 wiederum umbenannt in „XH1 G“. Hierfür spräche der Umstand, dass es technisch nicht möglich sei, Original-Posts mit identischer Datums- und Uhrzeitangabe zu kopieren. Bei den Accounts „X H1“ und „XH1 G“ seien jedoch identische Datums- und Uhrzeitangaben wie in dem angeblich einzigen Facebook-Account des Klägers vorhanden. So seien insbesondere Fotos, die den Kläger während der Arbeit zeigen, unter dem Account „X H1“ am 17.7.2015 um 12:57 Uhr hochgeladen worden. Dieselben Fotos wurden am gleichen Tag zur selben Uhrzeit ebenfalls in dem Account „XH1 G“ hochgeladen. In entsprechender Weise verhalte es sich bei Facebook-Inhalten beider Accounts vom 26.7.2015 um 19:27 Uhr und 26.7.2015 um 11:56 Uhr. In beiden Fällen sei der Facebook-Beitrag von der Nutzerin U mit „gefällt mir“ markiert worden. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe, nachdem er am 31.7.2015 Kenntnis von einem Personalgespräch erhalten habe, die fremdenfeindlichen Inhalte von seinem Facebook-Account gelöscht und diesen in „XH1 G“ umbenannt. Die Beklagte behauptet, die vom Kläger vorgetragenen Anmeldungswarnungen von Facebook könnten nicht als Indiz dafür dienen, dass sein Account geknackt worden sei, da die beiden Warnungen vom 17. und 24.8.2015 datieren, also zeitlich nach den streitgegenständlichen Posts im Zeitraum vom 22.6. bis 27.7.2015. Zudem hätte der Kläger durch Nutzung eines sogenannten Proxyservers einen Zugriff auf seinen Facebook-Account von J und K vortäuschen können. Auch sei das Hochladen von Posts bei Facebook während der Arbeitszeit und Pausen möglich, da dies allein ca. eine Minute in Anspruch nehme. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze sowie der Prozessakte Bezug genommen.
36E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
37I.
38Die zulässige Klage ist unbegründet.
391.
40Das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis wurde durch außerordentliche Kündigung der Beklagten mit Wirkung zum 4.8.2015 beendet.
41Mit seiner am 21.8.2015 erhobenen Klage hat der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 S. 1 KSchG, da er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erhoben hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.
42Der bei der Beklagten bestehende Personalrat ist vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden gemäß § 74 Abs. 2, 3, § 43 LPVG NRW durch Anhörungsschreiben vom 30.7.2015. Gründe nach denen die Anhörung des Personalrats nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, sind nicht ersichtlich. Der Personalrat hat der beabsichtigten Kündigung zugestimmt.
43Die Kündigung ist fristgerecht erklärt worden gemäß § 626 Abs. 2 BGB. Danach kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, nachdem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Zwischen dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung am 27.7.2015 und dem Zugang der Kündigung am 4.8.2015 liegen weniger als zwei Wochen. Der Kläger hat nicht dazu vorgetragen, aus welchem Grund die Frist zum Ausspruch der Kündigung nicht gewahrt sei.
44Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses besteht ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Danach kann das Arbeitsverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund ist zweistufig zu prüfen. Zunächst ist maßgeblich, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen Kündigungsgrund zu bilden. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (ständige Rechtsprechung des BAG, z.B. Urteil vom 09.06.2011 - 2 AZR 381/10 - NZA 2011, 1027). Im Falle von dem Arbeitnehmer vorgeworfenen strafbaren Handlungen kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Bewertung an. Entscheidend ist die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses (BAG 20.8.1997 NZA 1997, 1340; 1.7.1999 AP BBiG § 15 Nr. 11). Für eine Kündigung kommt dabei nicht nur die Verletzung vertraglicher Hauptpflichten, sondern auch die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten in Betracht. § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet jeden Vertragspartner zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils.
45Nach den vorstehenden Grundsätzen erweist sich die außerordentliche Kündigung vom 4.8.2015 als rechtmäßig. Die dem Kläger vorgeworfenen Äußerungen, Ausländer sollten „zusammen geschlagen werden und die Kinder die daraus entstehen sollten erschlagen werden“, sowie die „Ächtung“ und Stellung „an den Pranger“ von Personen, die mit Ausländern zusammen sind, stellen eine schwerwiegende Nebenpflichtverletzung im Arbeitsverhältnis dar. Gleiches gilt insbesondere für die Äußerungen, Personen „mit den guten alten Eisenstangen bis zur Grenze“ zu schlagen sowie die Aufforderung: „schlagt zurück geht auf die Straße holt euch das pack“. Diese Äußerungen weisen eine ersichtlich rechtsradikale Gesinnung auf, die dem verhaltensbedingten Bereich zuzuordnen sind. Durch die vorbeschriebenen Äußerungen wird die Missachtung gegenüber Ausländern und Inländern, die mit Ausländern verbunden sind, kundgetan und diese Personen herabgewürdigt. Aus diesem Grund sind diese Äußerungen auch nicht vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Dieses Grundrecht findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen und dem Recht der persönlichen Ehre (BAG NZA 1996, 873). Ein Arbeitnehmer hat in seiner politischen Meinungsäußerung Zurückhaltung zu üben. Dies gilt jedenfalls und ohne Einschränkung für die Äußerung rechtsextremer Ansichten und entspricht der Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber. Es liegt auf der Hand, dass die Äußerung extremer politischer Auffassungen durch einen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst dem Ruf des Arbeitgebers abträglich sein kann. Insoweit kommt es nicht entscheidend darauf an, ob durch die Äußerungen bei Facebook der Straftatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) erfüllt ist.
46Die Kammer ist der Überzeugung, dass die streitgegenständlichen Äußerungen auf Facebook im Zeitraum 22.6. - 26.7.2015 vom Kläger stammen. Im Hinblick auf die von der Beklagten dokumentierten Äußerungen auf den Facebook-Accounts „X H1“ und „XH1 G“, die die rechtsextremen Inhalte aufweisen, genügt das pauschale Bestreiten des Klägers, Urheber dieser Äußerungen zu sein, nicht. Die bloße Möglichkeit des Hackings bzw. der Kopie seines Accounts durch einen Dritten ersetzt keinen substantiierten Tatsachenvortrag. Der Kläger hat nicht dazu vorgetragen, in welcher konkreten Art und Weise ein Dritter Zugriff auf seinen Facebook-Account genommen haben soll. Es bleibt offen, ob ein Angriff von außen auf den Account des Klägers überhaupt stattgefunden hat. Entsprechende Recherchen beim Internetunternehmen Facebook wurden durch den Kläger mangels entgegenstehender Hinweise nicht angestellt. Der Vortrag, wonach es allgemein bekannt sei, dass Hacker in Facebook-Accounts eindringen, ist nicht substantiiert. Es sind von ihm keinerlei Indizien dafür vorgetragen worden, dass es zu einem solchen Eindringen gekommen sei. Weder hat der Kläger vorgetragen, zu den streitgegenständlichen Zeitpunkten die Äußerungen aus tatsächlichen Gründen nicht abgegeben haben zu können. Allein für den 8.7.2015 teilt er mit, an einer Äußerung auf Facebook während der Arbeit gehindert gewesen zu sein. Zu dem Vorbringen der Beklagten, eine Äußerung bei Facebook sei dennoch etwa mittels mobiler Geräte innerhalb von nur einer Minute möglich und dies auch während Baumschnittarbeiten, hat der Kläger keine Stellung genommen. Auch hat der Kläger keine Begründung dafür mitgeteilt, dass die Accounts „X H1“, „XH1 G (X1)“ und „XH1 G“ dieselben Äußerungen („Posts“) zu denselben Zeiten enthalten und auch in allen Fällen dieselben „Facebook-Freunde“ festgestellt werden konnten. Die gespeicherten und ausgedruckten Inhalte dieser Facebook-Accounts wurden von der Beklagten schriftsätzlich vorgebracht, jedoch hierzu vom Kläger nicht im Einzelnen Stellung bezogen.
47Im Rahmen des vom Kläger eingeleiteten Strafverfahrens gegen Unbekannt wurden dem Polizeipräsidium H2 durch die Beklagte die elektronisch gesicherten Abläufe der Accounts „X H1“ und „XH1 G“ (sog. Screenshots) zur Verfügung gestellt. Diese gingen zeitlich zurück bis zum 29.4.2015. Der Kläger konnte diesbezüglich nicht mitteilen, weshalb ihm ein angebliches Hacking seines Accounts seit dieser Zeit nicht auffiel, obwohl er teilweise mehrere Beiträge täglich bei Facebook postete. Da die Beklagte keinen Einblick in die Einstellungen des Facebook-Accounts des Klägers nehmen kann, durfte sie davon ausgehen, dass der ursprünglich als „X H1“ bezeichnete Account dem Kläger zuzuordnen ist. Dies ist deshalb anzunehmen, da dort Fotos vom Kläger in Person, persönliche Daten wie Geburtsdatum und Wohnort und die Bezeichnung der Beklagten als Arbeitgeberin vorhanden waren. Zwar kann es möglich sein, dass ein unbefugter Dritter zum Schein einen Account bei Facebook anlegt, in dem er Fotos vom Kläger und weitere Inhalte veröffentlicht. Es ist jedoch nicht erklärlich, warum ein solcher ursprünglich fremder Account sodann mit selben Inhalt umbenannt wird und sodann nach einer weiteren Umbenennung in den vom Kläger betriebenen Account „XH1 G“ mündet, der mit Ausnahme der ausländerfeindlichen Äußerungen weitreichende Parallelen zum ursprünglich angeblich fremden Account aufweist. So konnte der Kläger sich nicht dazu erklären, warum auf den Accounts zum Teil dieselben Nachrichten und Fotos zur selben Uhrzeit am selben Tag veröffentlicht wurden. Dem Kläger ist nicht darin zu folgen, dass es ohne Umstände möglich sei, einen Account in identischer Weise zu kopieren. Der diesbezügliche Vortrag ist unsubstantiiert. Sofern der Kläger behauptet, er habe auch schon vor dem 3.8.2015 ausschließlich einen Account mit dem Namen „XH1 G“ in zweizeiliger Schreibweise geführt, hat er einen entsprechenden Nachweis nicht erbracht. Dieser wäre jedoch etwa durch Nachweis der persönlichen bei Facebook hinterlegten Daten möglich gewesen.
48Die Behauptung, keiner der Facebook-Freunde des Klägers sei auf die streitgegenständlichen Äußerungen aufmerksam geworden und habe auch keine diesbezüglichen Meldungen erhalten, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Bereits nach klägerischem Vortrag hängt die fehlende Kenntnisnahme eines „Facebook-Freundes“ von einer bestimmten Äußerung nicht unmittelbar von dem Bestand der Äußerung selbst ab. Vielmehr kommt es darauf an, ob dieser Facebook-Freund auch tatsächlich die Äußerungen des Klägers verfolgt und damit auf die Internetgewohnheiten der „Facebook-Freunde“. Sollten diese etwa gar nicht die Internetseite Facebook zu einem bestimmten Zeitpunkt besuchen, erhalten sie auch keine Kenntnis von dortigen Äußerungen des Klägers. Dies sagt aber nichts darüber aus, ob diese Äußerungen tatsächlich dort abgegeben wurden oder nicht.
49Die Anmeldewarnungen vom 24.8.2015 stützen den klägerischen Vortrag nicht, da diese erst nach den streitgegenständlichen Äußerungen bei Facebook generiert wurden und damit bereits keinen Bezug zu den dem Kläger vorgeworfenen Äußerungen haben. Sofern der Kläger behauptet, er habe zuvor keine Anmeldungswarnungen erhalten, da er zu dieser Zeit noch keine Sicherheitsmaßnahmen ergriffen habe, ist der Vortrag nicht substantiiert. Es bleibt offen, was der Kläger unter solchen Sicherheitsmaßnahmen im Einzelnen versteht und in welcher Weise er diese nach der Mitteilung der Beklagten über die festgestellten Äußerungen bei Facebook ergriffen haben will. Hinsichtlich der Vorlage sogenannter URL-Nummern ist der klägerische Vortrag nicht hinreichend bestimmt. Es wird nicht mitgeteilt, welchen Beweiswert diese haben können und was konkret unter einer „Dublette“ zu verstehen ist.
50Für die Eignung zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung ist ohne Bedeutung, dass der Kläger die ehrverletzenden Äußerungen nicht in verbaler Form, sondern auf einer Internetseite getätigt hat. Die Lesbarkeit im Netz sowohl für den Beklagten selbst, aber auch für Dritte hat die gleiche Wertigkeit wie eine entsprechende verbale Äußerung. Es gibt keinen Freiraum, im Internet ehrkränkende Äußerungen über andere abgeben zu können.
512.
52Im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung sind unter anderem das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, auch im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und ihre wirtschaftlichen Folgen, eine mögliche Wiederholungsgefahr, der Grad des Verschuldens sowie die Dauer des Vertragsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 10.11.2005, EzA BGB 2002 § 626 Nr. EZA BGB2002 § 17, BAG, 09.06. 2011, a. a. O.).
53Danach überwiegt das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Fortsetzungsinteresse des Klägers. Zwar kommt der Ausspruch einer Abmahnung als milderes Mittel in Betracht. Einer Abmahnung bedurfte es vor Ausspruch der Kündigung jedoch nicht. Eine Abmahnung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts immer dann vor Ausspruch der Kündigung erforderlich, wenn es um ein steuerbares Verhalten geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (BAG, 04.06.1997, EzA BGB § 626 Nr. EZA BGB § 168). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das künftige Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Vertragsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen daher regelmäßig eine Abmahnung voraus (BAG 24.03.2011, DB 2011, DB Jahr 2011 Seite 1865). Sie dient zugleich der Objektivierung der negativen Prognose. Besonders schwere Verstöße gegen vertragliche Pflichten bedürfen hingegen keiner Abmahnung, weil von vornherein nicht mit der Billigung des Verhaltens gerechnet werden kann und das Bewusstsein bestehen muss, dass das Vertragsverhältnis aufs Spiel gesetzt wird (BAG, 12.07.1984, EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. EZA BETRVG1972 § 57), wenn es sich um schwere Pflichtverletzungen handelt, deren Rechtswidrigkeit ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Vertragspartner offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011, DB 2011, DB Jahr 2011 Seite 1865).
54Um eine solche schwerwiegende Pflichtverletzung handelt es sich vorliegend, weil durch die Äußerungen Ausländer in heftiger Weise diffamiert werden, bei der der Kläger von vornherein nicht davon ausgehen durfte, dass die Beklagte eine solche Verhaltensweise auch nur im Einzelfall duldet. Es ist nicht entscheidend, dass der Kläger die Beklagte nicht selbst mit den Äußerungen diffamiert hat. Das Gebot zur politischen Zurückhaltung und insbesondere des Unterlassens rassistischer Äußerungen stellt eine Nebenpflicht im Arbeitsverhältnis dar. Da die Beklagte als Arbeitgeberin in dem Facebook-Account des Klägers ausdrücklich genannt wurde, wurde sie mit den Äußerungen des Klägers auch in Verbindung gebracht. Dabei ist umso schwerwiegender, dass diese zunächst keine Möglichkeit zur Abwehr hat. Im Hinblick auf die vom Kläger unterzeichnete Erklärung zur Verfassungstreue musste ihm in besonderer Weise bewusst sein, dass die Äußerung von rassistischen Inhalten von der Beklagten nicht toleriert wird. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Äußerungen bei Facebook öffentlich abgegeben, und damit einem nicht definierbaren Kreis potentieller Empfänger zugänglich gemacht wurde. Zu Gunsten des Klägers ist zwar zu berücksichtigen die Betriebszugehörigkeit seit dem 15.7.1999 und die bislang bestehende Beanstandungsfreiheit des Arbeitsverhältnisses. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Kläger tarifvertraglich ordentlich nicht kündbar ist. Diese Umstände lassen das klägerische Verhalten in Gestalt der Äußerung massiv ausländerfeindlicher Inhalte aber nicht weniger schwerwiegend erscheinen und führen nicht zu einer überwiegenden Schutzwürdigkeit. Es sind keine Anzeichen dafür ersichtlich, dass eine Wiederholung gleichartiger Äußerungen durch den Kläger in Zukunft nicht zu erwarten ist. Der eingetretene Vertrauensverlust der Beklagten als öffentlicher Arbeitgeberin überwiegt gegenüber dem Bestandsinteresse des Klägers. Als milderes Mittel gegenüber der außerordentlichen fristlosen Kündigung kommt auch nicht die außerordentliche Kündigungsfrist mit sozialer Auslauffrist in Betracht. Der Kläger durfte von vornherein nicht davon ausgehen, dass die Beklagte eine solche Verhaltensweise auch nur im Einzelfall duldet. Die Fortführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf einer sozialen Auslauffrist ist der Beklagten nicht zumutbar.
553.
56Das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis wurde durch außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 4.8.2015 beendet. Der Kläger hat demgemäß keinen Anspruch auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit fortbesteht und auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Gärtner und Straßenreiniger.
57II.
58Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 91 Abs. 1 ZPO dem Kläger als unterlegener Partei aufzuerlegen. Der Streitwert wurde nach § 61 Abs. 1 ArbGG, § 45 Abs. 1 S. 1 GKG im Urteil festgesetzt und entspricht einem Vierteljahresverdienst für den Kündigungsschutzantrag und einem Monatseinkommen für den Weiterbeschäftigungsantrag.
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Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Daten im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden.
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
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gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder - 2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
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einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der - a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt, - b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder - c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
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einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.
(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).
(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.
(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.
(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.
(3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. Januar 2010 - 9 Sa 1913/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.
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Die Klägerin war bei der Beklagten seit September 2001 als Verwaltungsfachangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 15. Oktober 1991 (MDK-T) Anwendung. Die Beklagte rechnete der Klägerin nach § 14 MDK-T eine Vorbeschäftigungszeit seit Januar 1991 an. Die Klägerin war deshalb gem. § 34 Abs. 1 MDK-T nur noch aus wichtigem Grund kündbar.
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Bei der Beklagten besteht eine Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit. Die Mitarbeiter, die an der Gleitzeit teilnehmen, können danach in der Zeit von 06:00 Uhr bis 22:00 Uhr Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen. Nach Nr. VII der Dienstvereinbarung sind von jedem Mitarbeiter Beginn und Ende der Anwesenheitszeit minutengenau zu dokumentieren. Dies geschieht durch Eingabe in ein elektronisches Zeiterfassungssystem mit Hilfe des PCs am Arbeitsplatz. Nach § 12 Abs. 9 MDK-T beginnt und endet die Arbeitszeit „an der Arbeitsstelle“. Unter Nr. IX der Dienstvereinbarung heißt es zu „Unregelmäßigkeiten und Missbrauch“:
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„Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die in dieser Dienstvereinbarung und den Verwaltungsanordnungen enthaltenen Grundsätze und Bestimmungen nicht einhalten, können mit Zustimmung der Personalvertretung von der GLAZ ausgeschlossen werden.
Jedes bewusste Unterlassen der Zeiterfassung oder jede sonstige Manipulation des Zeiterfassungsverfahrens stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die mit dieser Vereinbarung getroffenen Regelungen dar. Der Missbrauch hat grundsätzlich disziplinarische bzw. arbeitsrechtliche Maßnahmen zur Folge.“
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Mit Schreiben vom 17. Juni 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin wegen „Arbeitszeitbetrugs“ im Zeitraum vom 26. Mai bis 2. Juni 2008, zumindest wegen eines entsprechenden Verdachts außerordentlich.
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Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Arbeitszeit beginne jeweils bereits dann, wenn sie die Parkplatzeinfahrt durchfahren habe. Sie hat behauptet, es habe keine Anweisung bestanden, dass maßgeblich die Uhr im Eingangsbereich sei. Sie habe häufig viel Zeit mit der Suche nach einem Parkplatz verbracht, für 50 Mitarbeiter hätten nur 27 Parkplätze zur Verfügung gestanden.
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Die Klägerin hat - soweit noch von Interesse - beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 17. Juni 2008 nicht beendet wird;
2.
im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verwaltungsangestellte weiterzubeschäftigen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat in den Rechtsstreit weitere fehlerhafte Arbeitszeitabrechnungen der Klägerin für den 3. und 4. Juni 2008 eingeführt. Sie hat behauptet, die Klägerin habe an der gleitenden Arbeitszeit teilgenommen und an insgesamt sieben Arbeitstagen jeweils mindestens 13 Minuten, an einigen Tagen sogar mehr als 20 Minuten als Arbeitszeiten dokumentiert, obwohl sie noch nicht im Betrieb gewesen sei oder den Betrieb bereits verlassen hätte.
-
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. Juni 2008 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.
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I. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. Juni 2008 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst.
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-
1. Ein wichtiger Grund iSv. § 34 Abs. 1 MDK-T, § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.
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a) Das Arbeitsverhältnis eines nach § 34 Abs. 1 MDK-T ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers kann nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Der Begriff des wichtigen Grundes iSv. § 34 Abs. 1 MDK-T ist inhaltsgleich mit dem des § 626 Abs. 1 BGB(BAG 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 16, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16). Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, NZA 2010, 1227; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist nur gegeben, wenn das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung die Feststellung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist. Bei einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer ist dabei auf die „fiktive“ Kündigungsfrist abzustellen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 827/06 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 24).
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b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Verhalten der Klägerin rechtfertige an sich eine außerordentliche Kündigung.
- 14
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aa) Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen (BAG 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264). Dies gilt für einen vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare (vgl. BAG 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - aaO). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch (BAG 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 832/98 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 51 = EzA BGB § 123 Nr. 53). Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit der am Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar (BAG 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - aaO). Nicht anders zu bewerten ist es, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die geleistete Arbeitszeit mit Hilfe des Arbeitsplatzrechners in einer elektronischen Zeiterfassung zu dokumentieren, und er hierbei vorsätzlich falsche Angaben macht. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB).
- 15
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bb) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Klägerin habe für den 26., 27., 28. und 29. Mai, sowie den 2., 3. und 4. Juni 2008 jeweils mindestens 13 Minuten, einmal 28 Minuten - insgesamt 135 Minuten - vorsätzlich fehlerhaft zu Lasten der Beklagten als Arbeitszeiten in der Zeiterfassung dokumentiert. Angesichts der nicht unerheblichen Abweichungen zwischen den angegebenen Arbeitszeiten und dem tatsächlichen Betreten des Dienstgebäudes könne es sich bei den Falschangaben nicht nur um fahrlässiges Handeln oder ein Versehen gehandelt haben. Die Klägerin habe im Zeitraum der Beobachtung täglich und damit systematisch fehlerhafte Angaben gemacht. Dabei sei zu ihren Gunsten berücksichtigt, dass die Uhr im Eingangsbereich im Einzelfall um einige Minuten falsch gegangen sein könnte. Ihr Vorbringen zu einer rechtlichen Information von dritter Seite über Beginn und Ende der zu dokumentierenden Anwesenheitszeit sei nicht geeignet, ihren Vorsatz in Frage zu stellen. So erklärten sich die Arbeitszeitdifferenzen von 15 bis zu 28 Minuten selbst dann nicht, wenn man mit der Klägerin das Durchfahren der Parkplatzeinfahrt zu Tagesbeginn und -ende als maßgeblich zugrunde lege.
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cc) Gegen diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie sind damit für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die Bewertung des Fehlverhaltens der Klägerin als vorsätzlich lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Sie liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung iSv. § 286 ZPO. Das Revisionsgericht kann bezüglich der Feststellung innerer Tatsachen nur prüfen, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21, NZA 2011, 571; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 27 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17). Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden. Zwar war in der Dienstvereinbarung keine Definition enthalten, wann die zu dokumentierende Anwesenheitszeit beginnt bzw. endet, und auch der Begriff der „Arbeitsstelle“ in § 12 Abs. 9 MDK-T ist auslegungsfähig. Hierauf kam es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts aber nicht an, da die Angaben der Klägerin selbst bei weitest möglichem Begriffsverständnis nicht zu erklären seien.
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c) Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, eine Abmahnung sei im Streitfall entbehrlich gewesen, und seine weitere Interessenabwägung sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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aa) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, NZA 2010, 1227). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, NZA 2011, 571; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 29, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33 mwN, aaO).
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bb) Eine Abmahnung war demnach im Streitfall entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht schon deswegen entbehrlich, weil das Fehlverhalten der Klägerin den Vertrauensbereich betrifft. Seine Entscheidung erweist sich im Ergebnis aber als richtig, da eine Hinnahme des Fehlverhaltens durch die Beklagte offensichtlich - auch für die Klägerin erkennbar - ausgeschlossen war.
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Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu Lasten der Beklagten an mehreren Tagen hintereinander systematisch und vorsätzlich um jeweils mindestens 13 Minuten - insgesamt 135 Minuten - falsche Arbeitszeiten angegeben und damit in beträchtlichem Umfang über die erbrachte Arbeitszeit zu täuschen versucht. Dieses auf Heimlichkeit angelegte, vorsätzliche und systematische Fehlverhalten wiegt besonders schwer. Soweit sich die Klägerin darauf berufen hat, andere Mitarbeiter hätten sie ohne Weiteres beobachten können, wenn sie noch in ihrem Pkw saß, um zu rauchen oder auf ihre Tochter zu warten, ändert dies nichts daran, dass ihre Falschangaben bei der Arbeitszeiterfassung nicht offen erfolgten. Aus den angegeben Arbeitszeiten als solchen ließ sich nicht ersehen, dass sie nicht korrekt waren. Die für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage erscheint angesichts dessen auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht mehr wiederherstellbar. Eine Hinnahme des vorsätzlichen und systematischen Fehlverhaltens durch die Beklagte war - auch für die Klägerin erkennbar - aufgrund der Schwere ihrer Pflichtverletzung unabhängig von einer Wiederholungsgefahr ausgeschlossen.
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cc) Auch im Übrigen hält die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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(1) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, NZA 2010, 1227; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 39).
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(2) Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung und des durch sie bewirkten Vertrauensverlusts war es der Beklagten nicht zumutbar, die Klägerin auch nur bis zum Ablauf einer „fiktiven“ Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Die längste ordentliche Kündigungsfrist hätte nach § 33 MDK-T zwölf Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres betragen. Auch die langjährige unbeanstandete Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut 17 Jahren, ihr Alter sowie die von ihr angegebene Unterhaltspflicht für eine Person führen angesichts des mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruchs nicht zu einer Interessenabwägung zu ihren Gunsten. Die Klägerin hat nicht nur einmal in etwa nur geringem Umfang, sondern an sieben Arbeitstagen hintereinander systematisch und vorsätzlich ihre Arbeitszeit im Umfang von jeweils 13 bis 28 Minuten zu Lasten der Beklagten falsch angegeben. Die Störung des Vertrauensverhältnisses durch ihren Täuschungsversuch wiegt besonders schwer, und zwar unabhängig davon, ob eine Wiederholungsgefahr dadurch ausgeschlossen werden könnte, dass die Klägerin aus der Gleitzeit herausgenommen würde. Das Verschulden der Klägerin ist so erheblich, dass es der Beklagten nicht zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der fiktiven Kündigungsfrist fortzusetzen. Aus Nr. IX der Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit lässt sich nicht etwa die Abrede entnehmen, ein Missbrauch könne allenfalls zu einer Herausnahme des Arbeitnehmers aus der gleitenden Arbeitszeit führen. Dort ist vielmehr für diesen Fall ausdrücklich auf die Möglichkeit arbeitsrechtlicher Schritte hingewiesen.
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2. Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt und den Personalrat ordnungsgemäß angehört. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
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II. Der Weiterbeschäftigungsantrag für die Dauer des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Der Rechtsstreit ist abgeschlossen.
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III. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
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Kreft
Koch
Rachor
Torsten Falke
Roeckl
(1) Ausbildende dürfen Auszubildende vor einem vor 9 Uhr beginnenden Berufsschulunterricht nicht beschäftigen. Sie haben Auszubildende freizustellen
- 1.
für die Teilnahme am Berufsschulunterricht, - 2.
an einem Berufsschultag mit mehr als fünf Unterrichtsstunden von mindestens je 45 Minuten, einmal in der Woche, - 3.
in Berufsschulwochen mit einem planmäßigen Blockunterricht von mindestens 25 Stunden an mindestens fünf Tagen, - 4.
für die Teilnahme an Prüfungen und Ausbildungsmaßnahmen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher oder vertraglicher Bestimmungen außerhalb der Ausbildungsstätte durchzuführen sind, und - 5.
an dem Arbeitstag, der der schriftlichen Abschlussprüfung unmittelbar vorangeht.
(2) Auf die Ausbildungszeit der Auszubildenden werden angerechnet
- 1.
die Berufsschulunterrichtszeit einschließlich der Pausen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1, - 2.
Berufsschultage nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit, - 3.
Berufsschulwochen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 mit der durchschnittlichen wöchentlichen Ausbildungszeit, - 4.
die Freistellung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 mit der Zeit der Teilnahme einschließlich der Pausen und - 5.
die Freistellung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit.
(3) Für Auszubildende unter 18 Jahren gilt das Jugendarbeitsschutzgesetz.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
- 1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder - 2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der - a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt, - b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder - c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
- 2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.
(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).
(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.
(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Die Vollmacht ist auch bei dem Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern sich nicht aus diesem ein anderes ergibt. Auf die Erklärung des Widerrufs findet die Vorschrift des § 167 Abs. 1 entsprechende Anwendung.
(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn
- 1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat, - 2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt, - 3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann, - 4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder - 5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.
(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.
(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn
- 1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder - 2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder - 3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.
(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.
(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.
Die Mitgliedschaft im Konzernbetriebsrat endet mit dem Erlöschen der Mitgliedschaft im Gesamtbetriebsrat, durch Amtsniederlegung, durch Ausschluss aus dem Konzernbetriebsrat aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung oder Abberufung durch den Gesamtbetriebsrat.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.
(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.
(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.
(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.
(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.
(3) Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.
(4) Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.