Arbeitsgericht Gelsenkirchen Urteil, 15. Juli 2015 - 2 Ca 2260/14
Gericht
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.01.2011 als Erzieherin mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten nach der Entgeltgruppe S 8 der Anlage 33 der AVR der Caritas zu vergüten.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf 9.000,00 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin nach den AVR der Caritas.
3Die Beklagte betreibt unter anderem das Kinderheim K in H.
4Die 1981 geborene Klägerin ist dort seit dem 01.08.2002 als Erzieherin beschäftigt und in der Jugendwohngruppe 5 tätig. Zielgruppe der Jugendwohngruppe 5 sind ausweislich der Leistungsbeschreibung der Beklagten mit Stand 02.11.2014 (Bl. 17f d. A.) zum einen „Kinder und Jugendliche, alters- und geschlechtsgemischt, mit erheblichen sozialen, emotionalen, psychischen und materiellen Auffälligkeiten, ab 12 Jahren“ und zum anderen „Jugendliche der Altersgruppe ab 16 Jahren bis zur Volljährigkeit, die im sozialpädagogischen Rahmen der Herkunftsgruppe (5) in zusätzlichen Räumlichkeiten (abgeteilten Wohneinheiten), individuell ausgerichtet, auf ihre Verselbständigung vorbereitet werden und auf Grund ihrer Defizite und Störungsbilder nicht den klassischen Weg über Verselbständigungsgruppen / betreutes Wohnen oder ähnliche Angebote mit niedrigerem Betreuungsschlüssel bewältigen können“.
5Die Jugendwohngruppe 5 war bis Januar 2012 und ist nunmehr erneut formal in die Gruppen 5a und 5b aufgeteilt, wobei in der Gruppe 5a die Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren und in der Gruppe 5b die Jugendlichen ab 16 bis 18 Jahren betreut werden. Die Klägerin war stets für die Gruppe der Kinder und Jugendlichen von 12-16 Jahren zuständig. Aktuell befinden sich in der jetzt so bezeichneten Gruppe 5a zehn Kinder und Jugendliche. Bei drei dieser Kinder/Jugendlichen bestehen unstreitig wesentliche Erziehungsschwierigkeiten.
6Die Tätigkeit der Klägerin besteht zu 10% aus Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben, zu 20% aus Aufgaben der Hauswirtschaft und Grundversorgung und zu 70% aus der pädagogischen Arbeit mit den zu betreuenden Kindern und Jugendlichen.
7Auf das Arbeitsverhältnis finden die AVR der Caritas Anwendung. Die Klägerin war zunächst in die Vergütungsgruppe V 6b Ziffer 2 der Anlage 2d der AVR eingruppiert. Zum 01.08.2005 erfolgte der Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe V 5c Ziffer 1 der Anlage 2d der AVR. Ab dem 01.08.2006 erhielt die Klägerin eine Vergütungsgruppenzulage. Von November 2008 bis Februar 2010 befand sich die Klägerin in Elternzeit. Zum 01. Januar 2011 wurde das Vergütungssystem geändert und die bisherige Anlage 2d der AVR von der Anlage 33 der AVR abgelöst. Die Beklagte leitete die Klägerin in die neue Entgeltgruppe S 6 über.
8Nach § 2 des Anhangs D zur Anlage 33 der AVR der Caritas „Überleitungs- und Besitzstandregelung“ werden Mitarbeiter im Sozial- und Erziehungsdienst so in das neue System übergeleitet, als ob sie seit dem Zeitpunkt, seit dem sie ununterbrochen im Geltungsbereich der AVR oder im sonstigen Bereich der katholischen Kirche tätig waren, nach Anlage 33 zu den AVR eingruppiert und eingestuft worden wären.
9Gemäß § 11 der Anlage 33 der AVR der Caritas richtet sich die Eingruppierung der Mitarbeiter im Sozial- und Erziehungsdienst nach den Tätigkeitsmerkmalen des Anhangs B dieser Anlage.
10Die Entgeltgruppen für Mitarbeiter im Sozial- und Erziehungsdienst sind im Anhang B zur Anlage 33 der AVR der Caritas unter anderem wie folgt definiert:
11„S 6
12- 1.13
Erzieher, Heilerziehungspfleger mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Mitarbeiter, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben
[…]
15S 8
16- 1.17
Erzieher, Heilerziehungspfleger mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Mitarbeiter, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten.“
Nach der Anmerkung 6 zu den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppen S 2 bis S 18 sind besonders schwierige fachliche Tätigkeiten „z. B.
19a) Tätigkeiten in Integrationsgruppen (Erziehungsgruppen, denen besondere Aufgaben in der gemeinsamen Förderung behinderter und nicht behinderter Kinder zugewiesen sind) mit einem Anteil von mindestens einem Drittel von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung,
20b) Tätigkeiten in Gruppen von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX, von Personen, die Hilfen nach § 67 SGB XII erhalten, oder von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten,
21c) Tätigkeiten in Jugendzentren/Häusern der offenen Tür,
22d) Tätigkeiten in geschlossenen (gesicherten) Gruppen,
23e) Fachlichen Koordinierungstätigkeiten für mindestens vier Mitarbeiter mindestens der Entgeltgruppe S 6,
24f) Tätigkeiten eines Facherziehers mit einrichtungsübergreifenden Aufgaben.“
25Nach Anlage 1 Ziffer I der AVR ist der Mitarbeiter in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Dabei entspricht die gesamte auszuübende Tätigkeit den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.
26In Anhang E zur Anlage 33 der AVR der Caritas ist eine Zuordnungstabelle festgehalten, wonach die Vergütungsgruppe 6b mit Aufstieg nach 5c und Vergütungsgruppenzulage nach der Anlage 2d der AVR der Entgeltgruppe S 6 des Anhangs B zur Anlage 33 der AVR und die Vergütungsgruppe 5c mit Aufstieg nach 5b nach der Anlage 2d der AVR der Entgeltgruppe S 8 des Anhangs B zur Anlage 33 der AVR zugeordnet ist.
27Mit Schreiben vom 19.06.2011, auf welches für die Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 11f d. A.) teilte der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung der Beklagten (nachfolgend MAV), der Zeuge C, der Personalabteilung der Beklagten mit, dass bei der Überleitung in die Anlage 33 AVR einige Mitarbeiter nicht ihren Tätigkeitsmerkmalen entsprechend eingruppiert worden seien und dass diese, namentlich aufgeführten, Mitarbeiter, darunter auch die Klägerin, Widerspruch gegen ihre aktuelle Eingruppierung einlegen würden. Die MAV bitte um schnellstmögliche Prüfung und Korrektur dieser Widersprüche. Eine Kopie der einzelnen Widersprüche liege dem Schreiben bei. Mit Schreiben vom 15.07.2011 (Bl. 62 d. A.) nahm der damalige Betriebsleiter der Beklagten Bezug auf das Schreiben der MAV vom 19.06.2011 und teilte der MAV mit, dass der bei der Personalabteilung angefragte Termin zur Klärung des am 19.06.2011 schriftlich eingelegten Widerspruchs zur fehlerhaften Überleitung einiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Anlage 33 AVR nicht zustande komme, da die Überleitung korrekt erfolgt sei.
28Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.03.2014, welches der Beklagten am 02.04.2014 zugegangen ist, machte die Klägerin die Eingruppierung nach der Entgeltgruppe S 8 vergeblich geltend.
29Seit April 2014 befindet sich die Klägerin erneut in Elternzeit. Die monatliche Differenz zwischen der Entgeltgruppe S 6 und der Entgeltgruppe S 8 beläuft sich bei der Klägerin auf ca. 250 Euro brutto. Zusätzlich erhielt die Klägerin bis zuletzt eine Heimzulage. Diese wird nach Anlage 1 Ziffer VIIa der AVR unter anderem Mitarbeitern der Entgeltgruppen S 2 bis S 18 in Heimen der Jugendhilfe, in denen überwiegend Kinder der Jugendliche oder junge Menschen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten ständig leben, für die Dauer ihrer Tätigkeit gezahlt.
30Mit ihrer am 09.12.2014 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 22.12.2014 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8 ab dem 01.01.2011 weiter.
31Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie einen Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe S 8 habe.
32Zum einen hätte sie bereits zum 01.08.2005 richtigerweise in die Vergütungsgruppe V 5c Ziffer 2 eingruppiert werden müssen mit der Folge eines Bewährungsaufstiegs nach vier Jahren in die Vergütungsgruppe V 5b. Schon zum 01.08.2009 hätte sie daher in die Vergütungsgruppe V 5b eingruppiert werden müssen. Bereits nach der Elternzeit im März 2010 habe sie dies reklamiert, aber keine schriftliche Stellungnahme erhalten.
33Zum anderen sei sie aber unabhängig von der vorherigen falschen Eingruppierung jedenfalls ab dem 01.01.2011 in die Entgeltgruppe S 8 einzugruppieren.
34Es handele sich bei den von ihr auszuübenden Tätigkeiten um besonders schwierige fachliche Tätigkeiten. Alle Kinder/Jugendlichen der Wohngruppe 5 würden unter erheblichen Verhaltensauffälligkeiten leiden; für solche Kinder/Jugendliche sei die Wohngruppe ja auch gerade eingerichtet. Die von ihr zu betreuenden Kinder und Jugendlichen würden nach der eigenen Leistungsbeschreibung der Beklagten erhebliche Auffälligkeiten und damit wesentliche Erziehungsschwierigkeiten aufweisen. Ihre Aufgaben seien nicht mit den Aufgaben einer „einfachen“ Erzieherin wie beispielsweise im Kindergarten vergleichbar. Sie habe es nahezu täglich mit aggressivem, aufsässigem und missachtenden Verhalten der Kinder und Jugendlichen zu tun. Hierzu führt die Klägerin beispielhaft das Verhalten der Jugendlichen B, K1 und D an. Auf die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 03.03.2015, Seite 5f (Bl. 58f d. A.), wird ergänzend Bezug genommen. Für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8 spreche auch, dass sie unstreitig die Heimzulage erhalte, die auch wesentliche Erziehungsschwierigkeiten der betreuten Kinder voraussetze.
35Des Weiteren beruft sich die Klägerin auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die in der Wohngruppe 5a tätigen Erzieher seien trotz gleicher Tätigkeit unterschiedlich eingruppiert. Sie seien jedoch alle in die Entgeltgruppe S 8 einzugruppieren. So sei der Kollege L anfangs wie sie in Vergütungsgruppe 6b eingruppiert worden; nach drei Jahren sei er dann aber, was unstreitig ist, in die Vergütungsgruppe 5b eingruppiert und zum 1.1.2011 in die Entgeltgruppe S 8 übergeleitet worden. Dieser Mitarbeiter habe bis zu seinem Wechsel in die Außenwohngruppe im Jahr 2012 die gleichen Aufgaben in der Wohngruppe 5a inne gehabt wie sie selbst. Auch die Mitarbeiter X und C1 seien in die Vergütungsgruppe 5b und dann in die Entgeltgruppe S 8 eingruppiert worden. Sie habe erst im Gütetermin erfahren, dass sie anders als andere vor der Überleitung nur in die Vergütungsgruppe 5c Ziffer 1 eingruppiert gewesen sei. Die Mitarbeiterin N, geborene T, sei in der Wohngruppe 5b tätig und nach ihrem Widerspruch zum 01.01.2011 von der Entgeltgruppe S 6 in S 8 umgruppiert worden. Die Mitarbeiterin X1 sei in der Wohngruppe 5a tätig und werde, trotz vorheriger Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 5c Ziffer 1, nun nach der Entgeltgruppe S 8 vergütet.
36Weiter behauptet die Klägerin, dass sie die Eingruppierung ab dem 01.01.2011 in die Entgeltgruppe S 6 anstelle von S 8 direkt gegenüber der Beklagten sowie gegenüber der MAV bemängelt habe. Sie habe sich wegen der Tarifumstellungen an die MAV gewandt, die individuelle Widerspruchsschreiben vorbereitet habe. Der Zeuge C habe mit dem jeweiligen Arbeitnehmer ein Gespräch geführt, in welchem dann der individuelle Widerspruch unterzeichnet worden sei. Sie, die Klägerin, sei von dem Zeugen C im Rahmen der wöchentlichen Teamsitzung angesprochen worden, und habe dann das vorbereitete Widerspruchsschreiben gelesen und eigenhändig unterzeichnet. Sie habe die MAV gleichzeitig beauftragt, ihren Widerspruch an die Beklagte weiterzuleiten. Dementsprechend habe der Zeuge C mit dem Schreiben vom 19.06.2011 alle einzelnen Widerspruchsschreiben bei der Personalabteilung der Beklagten im Hospital H am 19.06.2011 abgegeben. Der Zeuge C habe vorher alle Widerspruchsschreiben geprüft und kopiert und die Originalwidersprüche zusammen mit dem Originalanschreiben in den MAV-Ordner in dem – Bibliothek genannten - Besprechungsraum des Kinderheims K abgeheftet und dort in einen verschlossenen Schrank gelegt. Die MAV habe insoweit nicht in ihrem Namen der Eingruppierung widersprochen, sondern als Bote fungiert. Den Eingang des Schreibens vom 19.06.2011 habe die Beklagte mit Schreiben vom 15.07.2011 bestätigt. Gleichzeitig seien die Unterlagen auch in Kopie mit allen Widersprüchen der Einrichtungsleiterin H1 zur Kenntnisnahme übergeben worden.
37Die Verfallfrist des § 23 AVR der Caritas, wonach Ansprüche aus dem Dienstverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit vom Mitarbeiter oder vom Dienstgeber schriftlich geltend gemacht werden, und für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs ausreicht, sei daher gewahrt. Sie habe, nachdem sie keine schriftliche Rückmeldung erhalten habe, am 31.08.2012 um 10.30 Uhr sowie am 10.09.2012 um 13.30 Uhr mit dem Personalsachbearbeiter T telefoniert, welcher eine weitere Woche Zeit zur Überprüfung der Eingruppierung erbeten habe. Am 17.09.2012 um 13.30 Uhr sei ihr telefonisch mitgeteilt worden, dass der Mitarbeiter T krank und erst in einigen Wochen wieder zu sprechen sei. Am 08.10.2012 habe sie erneut in der Personalabteilung angerufen und mit der Mitarbeiterin I gesprochen, die erklärte, nun für sie zuständig zu sein, ihr aber noch nichts zu ihrem Anliegen sagen zu können. Am 12.11.2012 habe sie sich zudem auch noch an die Heimleiterin H1 gewandt.
38Letztlich meint die Klägerin, dass es unerheblich sei, ob ihr Widerspruch im Original oder in Kopie beigefügt gewesen sei; die Geltendmachung mittels der Kopie eines eigenhändig unterschriebenen Widerspruchs genüge dem Schriftformerfordernis des § 23 AVR der Caritas.
39Die Klägerin beantragt zuletzt,
40festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.01.2011 als Erzieherin mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten nach der Entgeltgruppe S 8 der Anlage 33 der AVR der Caritas zu vergüten.
41Die Beklagte beantragt,
42die Klage abzuweisen.
43Die Beklagte meint, dass die Voraussetzungen einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8 nicht erfüllt und von der Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt seien. Zwar würden die betreuten Jugendlichen durchaus Verhaltensauffälligkeiten aufweisen. Im Kontext der Heimerziehung handele es sich aber auch bei den von der Klägerin beschriebenen Beispielfällen nicht um besondere Schwierigkeiten, sondern um den üblichen Querschnitt der zu betreuenden Klientel. Nur einige der von der Klägerin zu betreuenden Kinder und Jugendlichen, derzeit unstreitig 3 von 10, hätten einen intensiven Betreuungsbedarf und wesentliche Erziehungsschwierigkeiten. Die besondere Schwierigkeit präge die Tätigkeit der Klägerin daher nicht. Die Klägerin hätte insoweit darlegen müssen, wieviel Zeit ihrer Tätigkeit konkret auf die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten entfalle. Die Entscheidung des BAG vom 06.03.1996, Az. 4 AZR 671/94, sei nicht einschlägig, da dort ein anderes Tarifwerk streitgegenständlich gewesen sei. Zudem könne die Aussage des BAG, dass „wesentliche Erziehungsschwierigkeiten“ ein Maß erreichen müssten, das gemäß § 27 KJHG bei dem einzelnen Kind einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung begründe, auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragen werden; ansonsten wären alle Erzieher in einem Kinderheim stets in die Entgeltgruppe S 8 einzugruppieren. Auch könne aus der Zahlung der Heimzulage nicht hergeleitet werden, dass die Klägerin in die Entgeltgruppe S 8 einzugruppieren sei. Darauf, ob die Klägerin vor dem 01.01.2011 zutreffend eingruppiert gewesen sei, komme es vorliegend nicht an.
44Die Beklagte ist des Weiteren der Auffassung, dass sich die Klägerin nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen könne. Der von der Klägerin angeführte Mitarbeiter L sei ebenso wie der Mitarbeiter X wegen der Überleitungsvorschriften von der Vergütungsgruppe 5b in die Entgeltgruppe S 8 eingruppiert worden. Zudem sei der Mitarbeiter L in einem anderen Bereich tätig und sei der Mitarbeiter X seit dem 01.01.2012 Gruppenleiter. Die Klägerin hätte darlegen müssen, was sie wann gemacht habe. Die Mitarbeiterin N sei im Verselbständigungsbereich und damit in einem anderen Bereich als die Klägerin tätig. Auch sei diese zunächst in Vergütungsgruppe 5c Ziffer 2 eingruppiert gewesen. Aufgrund des Bewährungsaufstiegs in die Vergütungsgruppe 5b Ziffer 1 sei die Überleitung in die neuen Entgeltgruppen anders vorzunehmen gewesen als bei der Klägerin. Auch die Mitarbeiterin X1 werde nur aufgrund der Überleitungsvorschriften nach der Entgeltgruppe S 8 bezahlt. Zudem sei die Mitarbeiterin C2 wie die Klägerin erst in Vergütungsgruppe 5c Ziffer 1 eingruppiert und dann in die Entgeltgruppe S 6 übergeleitet worden. Neu eingestellte Mitarbeiter mit den Aufgaben der Klägerin, wie Herr X2, würden in die Entgeltgruppe S 6 eingruppiert.
45Letztlich beruft sich die Beklagte auf den Verfall der Ansprüche nach § 23 AVR der Caritas. Eine schriftliche Geltendmachung sei erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom 31.03.2014 erfolgt. Ein Widerspruchsschreiben der Klägerin lasse sich der Personalakte nicht entnehmen und sei nicht auffindbar, weshalb bestritten werden müsse, dass ihr, der Beklagten, dieses zugegangen sei. Es sei nicht mehr nachvollziehbar, welche Anlagen dem Schreiben der MAV vom 19.06.2011 beigefügt gewesen waren. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin ein von dem Zeugen C erstelltes Widerspruchsschreiben unterzeichnet und die MAV mit der Weiterleitung des Schreibens beauftragt habe. Zudem fehle es insoweit jedenfalls an einer schriftlichen Geltendmachung. Die Überreichung einer Kopie genüge ebenso wenig wie eine telefonische/mündliche Geltendmachung.
46Über die Behauptung der Klägerin, die Kopie ihres Widerspruchsschreibens sei der Beklagten mit dem Schreiben der MAV vom 19.06.2011 zugegangen, hat die Kammer Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen C. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 15.07.2015 Bezug genommen.
47Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle verwiesen.
48E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
49Die Klage ist zulässig und begründet.
50I.
51Die Klage ist zulässig.
52Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen als Eingruppierungsfeststellungsklage keine Bedenken. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Eingruppierungsfeststellungsklagen sind allgemein üblich und nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur im Bereich des öffentlichen Dienstes, sondern auch im Bereich der Privatwirtschaft zulässig (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 25.06.2010, Az. 10 Sa 1273/09; BAG, Urteil vom 20.06.1984, Az. 4 AZR 208/82, AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 2; BAG, Urteil vom 31.01.2008, Az. 8 AZR 27/07, AP BGB § 613 a Nr. 340; BAG, Urteil vom 20.05.2009, Az. 4 AZR 315708, AP TVÜ § 17 Nr. 1 m. w. N.; BAG, Urteil vom 27.01.2011, Az. 6 AZR 578/09, juris).
53II.
54Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin ab dem 01.01.2011 nach der Entgeltgruppe S 8 der Anlage 33 der AVR der Caritas zu vergüten.
551.
56Die Tätigkeit der Klägerin in der Jugendwohngruppe 5 bzw. 5a der Beklagten stellt eine besonders schwierige fachliche Tätigkeit im Sinne des Anhangs B zur Anlage 33 der AVR der Caritas dar. Die Klägerin ist überwiegend in Gruppen von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten im Sinne der Anmerkung 6 b) zu den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppen S 2 bis S 18 tätig.
571.1
58Maßgebend ist insoweit nicht, welche Eingruppierung der Klägerin vor dem 01.01.2011 nach der damaligen Anlage 2d der AVR der Caritas zutreffend gewesen wäre, sondern allein, ob die Klägerin die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 8 nach Anhang B zur Anlage 33 der AVR der Caritas ab dem 01.01.2011 erfüllt.
59Denn § 2 Satz 1 des Anhanges D der Anlage 33 der AVR der Caritas sieht eine Neueingruppierung aller Mitarbeiter, die unter die Anlage 33 der AVR fallen, vor. Die Mitarbeiter sollen demnach so in das neue System übergeleitet werden, als ob sie seit dem Zeitpunkt, seit dem sie ununterbrochen im Geltungsbereich der AVR oder im sonstigen Bereich der katholischen Kirche tätig waren, nach der Anlage 33 zu den AVR eingruppiert bzw. eingestuft worden wären. Diese Regelung macht nur Sinn, wenn alle Mitarbeiter, die in die Anlage 33 der AVR übergeleitet werden, neu eingruppiert werden sollen. Alle Mitarbeiter sollen in der Weise neu eingruppiert werden, dass fingiert wird, dass die Anlage 33 der AVR bereits in der Vergangenheit Geltung hatte. Die Entgeltgruppe kann also nicht alleine durch Ablesen der Zuordnung der bisherigen Vergütungsgruppe der alten Anlage 2d der AVR nach Maßgabe des Anhanges E der Anlage 33 der AVR erfolgen (vgl. ArbG Arnsberg, Urteil vom 26.03.2013, Az. 2 Ca 741/12, BeckRS 2013, 69681; LAG München, Urteil vom 05.11.2013, Az. 9 Sa 372/13, juris, Rn. 78), auch wenn die Beklagte gerade dies hinsichtlich einiger Mitarbeiter praktiziert zu haben scheint, wenn sie sich darauf beruft, die Eingruppierung anderer Erzieher in die Entgeltgruppe S 8 beruhe darauf, dass diese zuvor in einer anderen Vergütungsgruppe als die Klägerin eingruppiert und daher anders überzuleiten gewesen seien.
601.2
61Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 8 nach Anhang B zur Anlage 33 der AVR der Caritas.
621.2.1
63Das Tätigkeitsmerkmal einer Entgeltgruppe ist dann erfüllt, wenn zeitlich mindestens zu 50% Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen des Merkmals erfüllen (Anlage 1 Ziffer I der AVR).
64Bei der Prüfung, ob mindestens die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der begehrten Vergütungs-gruppe entsprechen, ist von dem durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsge-richts entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen, nämlich einer unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer vernünftigen, sinnvollen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbaren und tariflich selbständig bewertbaren Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (vgl. BAG, Urteil vom 08.09.1999, Az. 4 AZR 688/98, juris; BAG, Urteil vom 13.11.1996, Az. 4 AZR 290/95, juris; LAG Hamm, Urteil vom 17.04.1997, Az. 4 Sa 1652/96, juris). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden (BAG, Urteil vom 13.11.1996, a.a.O.).
65Insoweit ist die gesamte der Klägerin übertragene Tätigkeit als ein einheitlicher Arbeitsvorgang anzusehen. Denn ihre Tätigkeit ist auf ein einheitliches Arbeitsergebnis, nämlich die Betreuung der ihr zugewiesenen Kinder und Jugendlichen gerichtet, sei es in Form der pädagogischen Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, der Versorgung der Kinder und Jugendlichen, der Beratung der Eltern, der Kooperation mit anderen Fachkräften oder der Dokumentation/Verwaltung (vgl. BAG, Urteil vom 22.03.1995, a. a. O.). Selbst wenn man die pädagogische Arbeit in Abgrenzung zur Verwaltungstätigkeit und hauswirtschaftlichen Tätigkeit als einen separaten Arbeitsvorgang ansehen würde, macht dieser unstreitig mehr als 50% der Gesamttätigkeit der Klägerin aus. Eine weitere Aufteilung nach der Betreuung einzelner Kinder/Jugendlichen ist tatsächlich nicht möglich. Die Kinder/Jugendlichen werden von der Klägerin als Gruppe betreut.
661.2.2
67Bei der Tätigkeit der Klägerin handelt es sich um eine besonders schwierige fachliche Tätigkeit im Sinne der Entgeltgruppe S 8.
68Von einer besonders schwierigen fachlichen Tätigkeit kann dann gesprochen werden, wenn sie sich von der Normal-/Grundtätigkeit eines Erziehers sehr deutlich abhebt, die Arbeitsaufgabe aufgrund der gesteigerten Anforderungen also von der Normalität nicht nur unerheblich abweicht (vgl. zum BAT, der insoweit eine identische Regelung enthält, BAG, Urteil vom 22.03.1995, Az. 4 AZR 30/94, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 295; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.04.2006, Az. 4 Sa 495/05, juris und LAG Hamm, Urteil vom 04.06.2009, Az. 16 Sa 1095/07, juris; vgl. auch Breier/Dassau/Kiefer u.a., TV-L, 58. Update 01/15 zur Vergütungsordnung für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst, Ziffer 22). Für die Auslegung der AVR geltend die gleichen Grundsätze wie sie für die Auslegung von Tarifverträgen maßgeblich sind (BAG, Urteil vom 23.09.2004, Az. 6 AZR 430/03, AP AVR Caritasverband § 1a Nr. 1).
69Das Merkmal der besonders schwierigen fachlichen Tätigkeit im Sinne der Entgeltgruppe S 8 ist in der Anmerkung 6 zu den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppen S 2 bis S 18 durch konkrete Beispiele erläutert. Wenn eines dieser Tätigkeitsmerkmale zutrifft, ist auch das Merkmal des Oberbegriffs erfüllt; wird kein Tätigkeitsbeispiel erfüllt, ist unter Berücksichtigung der Maßstäbe der Beispielstatbestände auf den allgemeinen Begriff zurückzugreifen (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.04.2006, a. a. O.; BAG, Urteil vom 22.03.1995, Az. 4 AZR 30/94, a. a. O.).
70Vorliegend ist das Beispiel nach der Anmerkung 6 b) erfüllt. Die Klägerin ist in Gruppen von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten tätig.
71Das BAG hat sich in seinem Urteil vom 06.03.1996, Az. 4 AZR 671/94, juris, mit dem Begriff der „wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten“ (im Sinne des Bundesmanteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt) befasst und ausgeführt, dass wesentliche Erziehungsschwierigkeiten ein Maß erreichen müssten, das gemäß § 27 KJHG bei dem einzelnen Kind einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung begründet. Aus Symptomen wie Überängstlichkeit, Wahrnehmungsstörungen, Sprachauffälligkeiten, Antriebshemmungen und Agressivität könne allein nicht auf die wesentliche Steigerung von Erziehungsschwierigkeiten geschlossen werden (vgl. BAG, Urteil vom 06.03.1996. a. a. O.; ArbG Ludwigshafen, Urteil vom 29.01.1997, Az 3 Ca 1903/96, juris). Die Erziehungsschwierigkeiten müssten über das Normalmaß hinausgehen und vergleichbar sein mit einer Behinderung im Sinne des § 2 SGB IX.
72Zwar wird man nicht pauschal davon ausgehen können, dass alle in einem Kinderheim betreuten Kinder und Jugendlichen wesentliche Erziehungsschwierigkeiten aufweisen und damit in einem Kinderheim tätige Erzieher stets, unabhängig von der ihnen zugeteilten Gruppe, in die Entgeltgruppe S 8 einzugruppieren wären. Denn ein Anspruch auf Hilfe zur Erziehung kann, worauf die Beklagte zurecht hingewiesen hat, nicht nur bei wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten bestehen, sondern auch dann, wenn es die Situation der Eltern bedingt, dass eine zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung zu Hause nicht gewährleistet ist.
73Allerdings ist es unstreitig, dass die von der Klägerin betreute Jugendwohngruppe gerade auf Kinder und Jugendliche mit erheblichen sozialen, emotionalen, psychischen und materiellen Auffälligkeiten ausgerichtet ist und dort regelmäßig (auch) Kinder/Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten, wenn auch in unterschiedlicher Anzahl, betreut werden.
74Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf an, ob sich in der von der Klägerin betreuten Gruppe überwiegend Kinder und Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten befinden. Maßgebend ist, dass die von der Klägerin zu betreuende Gruppe gerade für diese Zielgruppe vorgesehen ist und sich in dieser Gruppe unstreitig regelmäßig auch Kinder und Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten befinden. Darauf, ob in der Gruppe auch mal nur ein Kind mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten zu betreuen sein sollte, kommt es nicht an. Die Tätigkeit der Klägerin ist auch dann insgesamt als besonders schwierig zu qualifizieren. Denn auch bei einem oder – wie aktuell – 3 Kindern mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten muss die Klägerin in ihrer pädagogischen Arbeit darauf gesondert eingehen. Daraus resultieren in der Gruppe eine Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse, Interessen und zu lösender Probleme. Die Betreuung einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen ist daher nicht nur dann mit besonderen fachlichen Schwierigkeiten verbunden, wenn mindestens 50% dieser Kinder/Jugendlichen wesentliche Erziehungsschwierigkeiten haben, sondern schon dann, wenn sich in dieser – auf Kinder und Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten ausgerichteten - Gruppe regelmäßig mindestens ein Kind bzw. ein Jugendlicher mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten befindet. Insoweit sieht die Anmerkung 6 b) zu den Tätigkeitsmerkmalen nach Anhang B zur Anlage 33 der AVR auch gerade – anders als die Anmerkung 6a), die bei der Tätigkeit in Integrationsgruppen einen Mindestanteil von 1/3 behinderter Menschen vorgibt - nicht vor, dass ein bestimmter Anteil von Kindern/Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten gegeben sein muss.
751.3
76Ob die Klägerin ihren Anspruch auch auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen kann, kann daher dahinstehen.
772.
78Der Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe S 8 steht der Klägerin auch bereits ab dem 01.01.2011 zu. Sie hat diesen Anspruch insoweit gemäß § 23 der AVR der Caritas rechtzeitig schriftlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
79Die Vergütung ist gemäß Ziffer X der Anlage 1 der AVR der Caritas am letzten Werktag des Kalendermonats fällig. Damit war die Vergütung auf Basis der Entgeltgruppe S 8 für Januar 2011 am 31.01.2011 fällig und bis spätestens zum 31.07.2011 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend zu machen. Dies ist vorliegend geschehen.
802.1
81Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sieht es die Kammer unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen gemäß § 286 Absatz 1 ZPO, § 46 Absatz 2 ArbGG als erwiesen an, dass die Klägerin das Widerspruchsschreiben im Juni 2011 unterzeichnet und dem Zeugen C zur Weiterleitung an die Personalabteilung der Beklagten übergeben hat und dass dieser das Widerspruchsschreiben der Klägerin zusammen mit dem Anschreiben vom 19.06.2011 in der Personalabteilung der Beklagten im Juni 2011, jedenfalls vor dem 15.07.2011 abgegeben hat.
82Zwar war sich der Zeuge C bei den genauen Daten und dem genauen zeitlichen Ablauf nicht mehr sicher. So erklärte er zunächst, er habe erst im Laufe der Woche die Widerspruchsschreiben eingesammelt, dann das Anschreiben verfasst und am Freitag nach der letzten Teamsitzung alle Unterlagen in der Personalabteilung abgegeben. Nach Hinweis darauf, dass es sich bei dem 19.6.2011 – dem Datum des Anschreibens – um einen Sonntag gehandelt habe, erklärte er, dass es ihm plausibel erscheine, dass er erst das Anschreiben am 19.6.2011 verfasst habe und in der Woche drauf die Unterschriften eingesammelt habe. Diese Unsicherheit beim zeitlichen Ablauf spricht angesichts des erheblichen Zeitablaufs seitdem nicht gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage. Für den Zeugen war diese Reihenfolge damals auch nicht entscheidend. Entscheidend war für ihn, dass er alle Widerspruchsschreiben zusammen bekam und diese bis zum Fristablauf, den er mit dem 30.06.2011 annahm, bei der Personalabteilung einreichte. Der Zeuge war sich daher auch sicher, dass er die Widerspruchsschreiben in der letzten vollen Woche vor Fristablauf eingesammelt, selbst zweimal kopiert und vollständig abgegeben hat. Die Aussage des Zeugen erscheint insofern glaubhaft. Der Zeuge ist auch glaubwürdig. Er ist schon seit mehreren Jahren nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt. Anhaltspunkte, die gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen sprechen, sind nicht vorhanden.
83Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Eingang des Schreibens vom 19.06.2011 von der Beklagten mit Schreiben vom 15.06.2011 auch mit dem 19.06.2011 bestätigt wurde. Zwar dürfte dies angesichts des Umstands, dass es sich um einen Sonntag handelte, nicht korrekt sein. Die Bestätigung zeigt jedoch, dass das Schreiben vom 19.06.2011 jedenfalls am 15.07.2011 vorlag. Da in dem Schreiben vom 19.06.2011 auch explizit auf die einzelnen Widerspruchsschreiben Bezug genommen wurde und das Fehlen der Anlagen nicht moniert wurde, ist – unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme - davon auszugehen, dass diese dem Anschreiben auch tatsächlich beigefügt waren. Insofern beruft sich die Beklagte auch lediglich darauf, dass das Widerspruchsschreiben der Klägerin nicht in der Personalakte der Klägerin sei und nicht auffindbar sei. Wo das Widerspruchsschreiben letztlich von der Beklagten abgelegt wurde, ist indes nicht maßgeblich. Dass dieses nicht zur Personalakte der Klägerin genommen wurde, kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen.
842.2
85Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt die Übergabe der Kopie des eigenhändig unterzeichneten Widerspruchsschreibens zur Wahrung der Verfallfrist nach § 23 AVR der Caritas.
86Das Schriftformerfordernis des § 126 BGB findet vorliegend keine Anwendung. Zum einen handelt es sich bei den AVR der Caritas – anders als ein Tarifvertrag - nicht um ein Gesetz im Sinne des § 126 BGB. Zum anderen gelten §§125, 126 BGB nur für Willenserklärungen. Bei der Geltendmachung handelt es sich hingegen um eine einseitige, rechtsgeschäftsähnliche Handlung (BAG, Urteil vom 11.10.2000, Az. 5 AZR 313/99, NZA 2001, 231). Nach § 127 Absatz 2 Satz 1 BGB genügt zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, die telekommunikative Übermittlung. Der Text muss so zugehen, dass er dauerhaft aufbewahrt werden oder der Empfänger einen Ausdruck fertigen kann. Es genügt eine textlich verkörperte Erklärung wie dies bei einem Telefax oder einer E-Mail der Fall ist. Auf die Unterschrift wird verzichtet (BAG, Urteil vom 16.12.2009, Az. 5 AZR 888/08, juris; Schaub, Arbeitsrecht A-Z, 19. Auflage 2014, Verfallfristen). Auch der Zweck der Verfallfrist, dem Schuldner aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit eindeutig zu verstehen zu geben, dass er mit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger rechnen muss (vgl. LAG Berlin, Urteil vom 05.10.1987, Az. 9 Sa 72/87, NZA 1988, 442), ist nicht erst durch die Geltendmachung mittels Originalunterschrift gewahrt. Vielmehr reicht eine textlich verkörperte Erklärung aus, erst recht, wenn diese – wie vorliegend - eine bildliche Wiedergabe der Unterschrift enthält (BAG, Urteil vom 11.10.2000, a. a. O., zum Telefax).
87Demnach erfüllt unzweifelhaft auch die Überreichung der Kopie des von der Klägerin unterzeichneten Widerspruchsschreibens die Vorgaben des § 23 der AVR der Caritas.
882.3
89Da die MAV lediglich als Bote tätig geworden ist, kommt es auf die Frage, inwieweit die MAV Ansprüche der Arbeitnehmer in Vertretung fristwahrend geltend machen kann, nicht an.
90III.
91Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Absatz 2 ArbGG i. V. m. § 91 Absatz 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits als unterlegene Partei zu tragen.
92IV.
93Der gemäß § 61 Absatz 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert war nach § 42 Absatz 2 Satz 2 GKG mit dem 36fachen der monatlichen Differenzvergütung von 250 Euro in Ansatz zu bringen.
94V.
95Die Berufung war mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes nach § 64 Absatz 3 ArbGG nicht gesondert zuzulassen. Insbesondere liegt kein Rechtsstreit über die Auslegung eines Tarifvertrages, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk des Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, vor. Bei den AVR der Caritas handelt es sich nicht um einen Tarifvertrag im Sinne von § 64 Absatz 3 Nr. 2 b) ArbGG (vgl. BAG, Beschluss vom 23.01.2002, Az. 4 AZN 760/01, juris).
moreResultsText
Annotations
(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, sind Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind. Soweit der Bedarf durch Leistungen nach anderen Vorschriften dieses Buches oder des Achten und Neunten Buches gedeckt wird, gehen diese der Leistung nach Satz 1 vor.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat die Dienste im Zweifel in Person zu leisten. Der Anspruch auf die Dienste ist im Zweifel nicht übertragbar.
(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.
(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.
Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.
(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.
(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.
(1) Die Vorschriften des § 126, des § 126a oder des § 126b gelten im Zweifel auch für die durch Rechtsgeschäft bestimmte Form.
(2) Zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form genügt, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, die telekommunikative Übermittlung und bei einem Vertrag der Briefwechsel. Wird eine solche Form gewählt, so kann nachträglich eine dem § 126 entsprechende Beurkundung verlangt werden.
(3) Zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten elektronischen Form genügt, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, auch eine andere als die in § 126a bestimmte elektronische Signatur und bei einem Vertrag der Austausch von Angebots- und Annahmeerklärung, die jeweils mit einer elektronischen Signatur versehen sind. Wird eine solche Form gewählt, so kann nachträglich eine dem § 126a entsprechende elektronische Signierung oder, wenn diese einer der Parteien nicht möglich ist, eine dem § 126 entsprechende Beurkundung verlangt werden.
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.
(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.
(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.
(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, ist der Streitwert nach § 52 Absatz 1 und 2 zu bestimmen.
(2) Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.
(3) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; dies gilt nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.