Arbeitsgericht Rostock Urteil, 26. Juli 2018 - 1 Ca 458/18

published on 26/07/2018 00:00
Arbeitsgericht Rostock Urteil, 26. Juli 2018 - 1 Ca 458/18
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Gericht

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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf € 2.951,64 festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung einer Erzieherin nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber geltenden Fassung (TVöD-VKA), die in der Heimerziehung tätig ist.

2

Die im Juni 1976 geborene Klägerin schloss im Juli 1998 die Fachschulausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin erfolgreich ab. Zum 01.11.2003 nahm sie bei dem Deutschen Roten Kreuz, K. R. e. V. eine Beschäftigung als Erzieherin in der Jugendhilfe auf. Nach sechs Monaten übernahm sie zusätzlich die Funktion einer Teamleiterin. Das Arbeitsverhältnis ging zum 16.08.2016 auf die Beklagte über. Die Beklagte ist ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe, der unter der Bezeichnung "Blinkfeuer" einen Jugendhilfeverbund betreibt, zu dem verschiedene Wohngruppen gehören.

3

Die Beklagte schloss am 15.06.2017 mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft den "Tarifvertrag DRK R. gGmbH", der zum 01.08.2017 in Kraft trat und auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet. Nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages richtet sich die Eingruppierung der Beschäftigten nach dem TVöD-VKA in der jeweils geltenden Fassung. Die Beklagte ordnete die Klägerin der Entgeltgruppe S 8a der Anlage 1 zu § 12 TVöD-VKA, Teil B, Abschnitt XXIV (Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst) zu. Die Klägerin erhält darüber hinaus eine Heimzulage.

4

Die Klägerin arbeitet jeweils zur Hälfte ihrer Arbeitszeit in einer Regelwohngruppe für Kinder und Jugendliche sowie im Betreuten Wohnen für Jugendliche. Die Wohngruppen stehen ggf. auch jungen Volljährigen offen. Die Regelwohngruppe 2, in der die Klägerin tätig ist, verfügt über bis zu 10 Plätze und befindet sich in der D-Straße. Das Betreute Wohnen mit bis zu 4 Plätzen ist in der R-Straße beheimatet. Grundlage der Betreuung ist jeweils eine Leistungs-, Qualitätsentwicklungs- und Entgeltvereinbarung (LQEV) mit der Stadt R gemäß § 77 und §§ 78a ff. SGB VIII für stationäre und teilstationäre Hilfen.

5

In der LQEV für die Regelwohngruppe heißt es zur Zielgruppe:

6

"…

7

Die Regelwohngruppe ist eine heterogene und geschlechtergemischte Gruppe, in der in der Regel Kinder und Jugendliche von 0-18 Jahren betreut werden.

8

Zur Zielgruppe gehören junge Menschen, die einen zur Herkunftsfamilie ergänzenden Lern- und Lebensort benötigen, aber auch Kinder und Jugendliche, die in der eigenen Familie gefährdet sind und/oder bereits erhebliche Entwicklungsstörungen aufweisen und stationäre Erziehungshilfe benötigen oder junge Menschen, die aus anderen Gründen (Inobhutnahme) untergebracht werden müssen. Die Eltern/Personensorgeberechtigten sollten zur Zusammenarbeit im Hinblick auf die Erweiterung der elterlichen Kompetenzen bereit sein bzw. motiviert werden können. Darüber hinaus sollten die jungen Menschen in der Lage sein, sich in die Gruppe und den Gruppenalltag zu integrieren.

9

Weiterhin gehören zur Zielgruppe die unbegleiteten minderjährigen Ausländer.

10

Zur Zielgruppe zählen nicht Kinder und Jugendliche

11
· mit akuten psychotischen Störungen
12
· mit manifester Suchtproblematik
13
· mit einer Pflegestufe, die über Pflegestufe I liegt
14
· mit verfestigtem, hohen Kriminalitätspotential ohne Veränderungsbereitschaft
15
· die auf einen Rollstuhl angewiesen sind (auf Grund räumlicher Gegebenheiten)
16

…"

17

Der Betreuungsschlüssel für das pädagogische Personal beträgt in der Regelwohngruppe 1 zu 1,69 Bewohner. Als pädagogische Fachkräfte anerkannt sind Diplom- und Sozial-pädagogen, staatlich anerkannte Erzieher, Heilerzieher bzw. Heilerziehungspfleger. In der Regelwohngruppe sind neben der Klägerin vier weitere Mitarbeiter mit der Eingruppierung S 8a TVöD-VKA tätig. Die Klienten sind der Beklagten auf der Grundlage des § 34 SGB VIII in Verbindung mit § 27 SGB VIII (Kinder oder Jugendliche) bzw. § 41 SGB VIII (junge Volljährige) zugewiesen.

18

Die Regelwohngruppe bietet Hilfe zur Erziehung über Tag und Nacht (§ 34 Satz 1 SGB VIII). Die Kinder und Jugendlichen sollen durch eine Verbindung von Alltagserleben und pädagogischen Angeboten so gefördert werden, dass sie einen ihrer Entwicklung entsprechend höchstmöglichen Grad an Selbstständigkeit erreichen und individuelle Lebensperspektiven entwickeln können. Die Wohngruppe bietet ein Zuhause auf Zeit mit dem Ziel, entweder eine Rückkehr in die eigene Familie, in eine andere Familie oder eine selbstständige, unabhängige Lebensführung im eigenen Wohnraum zu ermöglichen (vgl. § 34 Satz 2 SGB VIII).

19

Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte ist es, die sozialen Kompetenzen (u. a. Selbstständigkeit, Eigenverantwortung, Akzeptanz und Wertschätzung, Gemeinschaftssinn, Kritik- und Konfliktfähigkeit) zu fördern und zu entwickeln, lebenspraktische Fähigkeiten zu vermitteln sowie Lebens- und Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Die Kinder und Jugendlichen sollen sich in der Wohngruppe geborgen fühlen und in die Alltagsprozesse einbezogen werden. Sie besuchen je nach Alter und Befähigung allgemein- oder berufsbildende Schulen, ggf. auch Förderschulen, Ausbildungsstätten oder nehmen an sonstigen, insbesondere berufsvorbereitenden, Bildungsangeboten teil. Ausländische Kinder und Jugendliche, die noch nicht über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügen, besuchen die speziell auf Flüchtlinge zugeschnittenen Kurse "Deutsch als Zweitsprache" (DaZ). Einzelne Bewohner haben zum Teil schwerwiegende Krankheiten und befinden sich deshalb in ärztlicher oder psychotherapeutischer Behandlung (z. B. Fetales Alkoholsyndrom).

20

In der LQEV für das Betreute Wohnen heißt es zur Zielgruppe:

21

"…

22
· Junge Menschen im Alter von 15-18 Jahre (Aufnahmealter)
23
· Jugendliche/junge Erwachsene aus dem stationären Kontext und/oder Jugendliche, die einen zur Herkunftsfamilie ergänzenden Lern- und Lebensort benötigen
24
· Jugendliche, deren Eltern/PSB zur Zusammenarbeit im Hinblick auf die Erweiterung ihrer elterlichen Kompetenzen bereit sind bzw. motiviert werden können
25
· Jugendliche/junge Erwachsene, die ihren Alltag weitestgehend selbstverantwortet gestalten können und über ein ausreichendes Maß an Kompetenzen zur eigenständigen Lebensgestaltung verfügen
26
· Jugendliche/junge Erwachsene, die sich im Wohnkontext unterstützen
27
· unbegleitete minderjährige Ausländer
28

…"

29

Der Betreuungsschlüssel für das pädagogische Personal beträgt im Betreuten Wohnen 1 zu 3,7 Bewohner.

30

Der Klägerin obliegen unabhängig von der jeweiligen Wohnform folgende Aufgaben (vgl. Stellenbeschreibung aus November 2017, von der Klägerin unterzeichnet am 08.01.2018):

31
· Mitwirkung bei der Entwicklung und Umsetzung der gesetzlichen Aufträge, der LQEV bzw. der pädagogischen Konzepte,
32
· Mitwirkung am Hilfeplan gemäß § 36 SGB VIII,
33
· Bindungs- und Beziehungsarbeit mit Hilfe des Bezugsbetreuersystems,
34
· Biographiearbeit,
35
· Versorgung der Klienten,
36
· Gesundheitsplanung und -erziehung (z. B. Anleitung bei der täglichen Körperpflege, Unterstützung bei dem eigenverantwortlichen Umgang mit Genuss- und Suchtmitteln, Begleitung bei Arzt- oder Therapieterminen),
37
· Erziehungs- und Entwicklungsförderung der Klienten,
38
· Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten (z. B. Unterstützung bei der individuellen Raumgestaltung, gemeinsame Einkäufe, Wäsche, Reinigung, Koch- und Haushaltstraining),
39
· Anleitung der Klienten im Umgang mit finanziellen Mitteln,
40
· Integration im sozialen, kindertageseinrichtungsbezogenen, schulischen und beruflichen Bereich,
41
· Anbindung der Klienten an kulturelle und sportliche Angebote im Sozialraum, gruppeninterne und -übergreifende Freizeitangebote,
42
· Einübung demokratischer Beteiligungsformen,
43
· Zusammenarbeit mit Ämtern, Institutionen, Kindertageseinrichtungen, Schulen, Ausbildungsbetrieben, Ärzten, Therapeuten und Vereinen; Vermittlung bei Konflikten,
44
· Krisenintervention (Kindeswohlgefährdung, Abgängigkeit der Klienten),
45
· Hilfe bei der Verselbstständigung/Wohnungssuche,
46
· bei Bedarf Nachbetreuung der Klienten über Fachleistungsstunden,
47
· Begleitung und Unterstützung der Personensorgeberechtigten, Informationsaustausch und Reflexionsgespräche, ggf. Einbeziehung bei Projekten und Veranstaltungen der Einrichtung,
48
· bei Bedarf Begleitung des Umgangs zwischen Klienten und Eltern bzw. Personensorgeberechtigten,
49
· Genogrammarbeit,
50
· enge Zusammenarbeit/Abstimmung mit der Elternfachkraft,
51
· Planung, Koordination und Organisation der Abläufe in der Wohngruppe, Mitarbeit bei der Gestaltung von Festen, Feiern und sonstigen Veranstaltungen,
52
· Verwaltung der finanziellen Mittel entsprechend Haushaltsplan, Einkäufe,
53
· Ordnung und Sauberkeit in den Räumen der Wohngruppe, Mitverantwortung für Sicherheit, Unfallschutz und Psychohygiene,
54
· Planung und Dokumentation pädagogischer Prozesse (intern über Dokumentationssoftware Daarwin, Sachstands- und Trägerberichte etc.), Information bei meldepflichtigen Krankheiten und besonderen Vorkommnissen,
55
· Teilnahme an Supervisionen, Teamberatungen und Fallbesprechungen,
56
· Mitarbeit bei der Qualitätsentwicklung und -sicherung,
57
· Fachliche Begleitung, Anleitung und Unterstützung neuer Mitarbeiter und Praktikanten,
58
· Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen, Selbststudium von Fachliteratur.
59

Darüber hinaus ist die Klägerin als Teamleiterin tätig. Damit sind folgende Aufgaben verbunden (vgl. Zusatzfunktionsbeschreibung aus November 2017, von der Klägerin unterzeichnet am 08.01.2018):

60
o Erhebung der Anwesenheit und Meldung an die Leitung,
61
o Zuarbeit für Arbeitszeugnisse und Beurteilungen,
62
o Mitarbeit in Gremien im Auftrag der Beklagten,
63
o Mitwirkung bei der Weiterentwicklung der Konzeption/LQEV,
64
o Zuarbeit zur Rechnungslegung, Datenerhebung und Investitionsplanung, Mitwirkung bei der Erstellung des Haushaltsplans,
65
o Planung und Koordination der alltäglichen Abläufe und pädagogischen Prozesse,
66
o Planung und Durchführung von Teamberatungen,
67
o Koordination der Dienstplan- und Urlaubsgestaltung,
68
o Verteilung und Festlegung von individuellen Aufgaben der Mitarbeiter im Team, um den Betriebsablauf zu gewährleisten,
69
o Meldung von Vorkommnissen mit konzeptionellen, personellen und finanziellen Konsequenzen an den Vorgesetzten, insbesondere Schadensfällen, meldepflichtigen Krankheiten etc.,
70
o effektive Gestaltung der internen Informations- und Kommunikationsstruktur,
71
o Unterweisung der Mitarbeiter, Begleitung neuer Mitarbeiter,
72
o Überwachung des Budgets und Koordination der Beschaffung von Sachmitteln,
73
o Verantwortung für die Einhaltung der relevanten Sicherheitsregelungen, des Infektionsschutzgesetzes und der Bestimmungen zur Arbeitssicherheit und zum Datenschutz,
74
o Prävention von Kindeswohlgefährdung,
75
o enge Zusammenarbeit mit der Einrichtungsleitung und der pädagogischen Leitung, Unterstützung der pädagogischen Leitung bei der Qualitätssicherung,
76
o Förderung der Teamentwicklung unter Einbeziehung der individuellen Fähigkeiten.
77

Mit Schreiben vom 02.01.2018 forderte die Klägerin von der Beklagten rückwirkend zum 01.08.2017 eine Eingruppierung nach der Entgeltgruppe S 8b des Haustarifvertrages. Die Beklagte lehnte eine Höhergruppierung mit Schreiben vom 23.10.2017 ab.

78

Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei in der Entgeltgruppe S 8b TVöD-VKA eingruppiert, da sie Aufgaben einer staatlich anerkannten Erzieherin ausübe, die zudem als besonders schwierige fachliche Tätigkeiten anzusehen seien. Die Arbeiten seien wesentlich schwieriger als zum Beispiel in einer Kindertagesstätte.

79

Sie betreue eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten im Sinne des Tarifvertrages. Unter den Jugendlichen seien solche mit Störungen im Sozialverhalten, Bindungsstörungen, Traumatisierungen, körperlicher und geistiger Behinderung (z. B. Fetales Alkoholsyndrom). Die psychischen, sozialen und emotionalen Auffälligkeiten der Jugendlichen mache die Erziehung erheblich schwerer. Bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gebe es posttraumatische Belastungsstörungen, was noch nicht bei allen diagnostiziert sei, da es zum Teil Sprachbarrieren und nicht genügend Psychologen gebe. Es seien Jugendliche in der Wohngruppe untergebracht, bei denen eine seelische Behinderung im Sinne von § 35a SGB VIII vorliege oder zu erwarten sei. Beispielsweise habe ein männlicher Bewohner Gewalt gegen andere eingesetzt und auch die Erzieher bedroht, sodass die Polizei habe gerufen werden müssen. Er befinde sich allerdings nicht mehr in der Regelwohngruppe. Ein anderer Jugendlicher sei in psychotherapeutischer Behandlung und werde voraussichtlich die Ausbildung nicht schaffen und abbrechen. Eine andere Jugendliche befinde sich derzeit wegen suizidaler Gedanken in der Diagnostik. Sie gehe in eine Tagesklinik wegen einer Anpassungsstörung und selbstverletzendem Verhalten. Vorübergehend sei ein Mädchen mit Mukoviszidose in der Wohngruppe gewesen.

80

Zudem übe die Klägerin fachliche Koordinierungstätigkeiten für mindestens vier Beschäftigte mindestens der Entgeltgruppe S 8a TVöD-VKA aus. Die fachliche Koordination bestehe darin, die Dienst- und Urlaubspläne zu schreiben, die individuellen Aufgaben der Mitarbeiter des Teams festzulegen und die alltäglichen Abläufe und pädagogischen Prozesse zu planen.

81

Im Grunde nehme sie die Tätigkeit einer Sozialarbeiterin bzw. Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung wahr, da sie den Klienten Hilfe zur besseren Lebensbewältigung gebe und die Entfaltung der Persönlichkeit unterstütze. Es gehe darum, Benachteiligungen der Klienten im gesellschaftlichen Leben auszugleichen, Belastungen zu mindern und deren eigene Kräfte zum Zweck der Problembewältigung zu stärken.

82

Die Klägerin beantragt,

83

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als weiteres Arbeitsentgelt für den Zeitraum August 2017 bis Dezember 2017 € 392,35 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 77,59 brutto seit dem 01.09.2017, aus € 81,99 brutto seit dem 01.10.2017 und aus jeweils € 77,59 brutto seit dem 01.11.2017, 01.12.2017 und 01.01.2018 zu zahlen,

84

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.01.2018 nach der Entgeltgruppe S 8b des Tarifvertrages DRK Rostocker Kinder- und Jugendhilfe gGmbH zu vergüten.

85

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin übe keine besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten im Sinne des Tarifvertrages aus. Sie sei in einer Regelwohngruppe eingesetzt. Die Betreuung erfolge nicht aufgrund von Behinderungen. Alles andere seien Mutmaßungen der Klägerin. Zwar seien die Kinder und Jugendlichen durchaus auf eine Unterstützung angewiesen, was sich schon aus der Heimunterbringung ergebe. Letztlich seien es aber "normale" junge Leute, bei denen eben eine hinreichende Unterstützung im familiären Umfeld fehle. Nur bei zwei Jugendlichen liege eine Diagnose vor, nämlich ein Fetales Alkoholsyndrom und eine Lernbehinderung. Nach § 35a SGB VIII zugewiesene Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen seien in den Regelwohngruppen gerade nicht untergebracht.

86

Die Klägerin nehme keine fachlichen Koordinierungstätigkeiten wahr. Diese Aufgabe obliege der pädagogischen Leitung. Die der Klägerin übertragene Teamleitung beziehe sich ausschließlich auf organisatorische Aufgaben, wie z. B. Koordinierung von Dienst- und Urlaubsplänen, Beschaffung von Sachmitteln etc.

87

Des Weiteren sei die Klägerin nicht als Sozialarbeiterin/-pädagogin tätig. Über solche Kenntnisse verfüge die Klägerin nicht. Das Studium der Sozialen Arbeit sei deutlich breiter aufgestellt als die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin, die mit der praktischen Umsetzung von erzieherischen Konzepten befasst sei.

88

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

89

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

90

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, ab dem 01.08.2018 nach der Entgeltgruppe S 8b der Anlage 1 zu § 12 TVöD-VKA, Teil B, Abschnitt XXIV (Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst) in Verbindung mit dem Tarifvertrag DRK R. Kinder- und Jugendhilfe gGmbH vergütet zu werden.

91

Der TVöD-VKA hat, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, den folgenden Wortlaut:

92

"…

93

§ 12
Eingruppierung

94

(1) Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerk-malen der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA). Die/Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.

95

(2) 1Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. 2Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerk-malen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. …

96

Protokollerklärung zu Absatz 2:

97

1Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der/des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf eine Sozialleistung, Betreuung einer Person oder Personengruppe, Durchführung einer Unterhaltungs- oder Instandsetzungsarbeit). 2Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. …

98

Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA)

99

100

Teil B
Besonderer Teil

101

102

XXIV.
Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst

103

104

Entgeltgruppe S 8a

105

Erzieherinnen/Erzieher, Heilerziehungspflegerinnen/Heilerziehungspfleger und Heilerzieherinnen/Heilerzieher mit staatlicher Anerkennung und jeweils entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

106

(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1, 3 und 5)

107

Entgeltgruppe S 8b

108

1. Erzieherinnen/Erzieher, Heilerziehungspflegerinnen/Heilerziehungspfleger und Heilerzieherinnen/Heilerzieher mit staatlicher Anerkennung und jeweils entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten.

109

(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1, 3, 5 und 6)

110

2. Handwerksmeisterinnen/Handwerksmeister, Industriemeisterinnen/Industrie-meister oder Gärtnermeisterinnen/Gärtnermeister als Gruppenleiterin/Gruppenleiter in Ausbildungs- oder Berufsförderungswerkstätten oder Werkstätten für behinderte Menschen.

111

(Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)

112

3. Beschäftigte in der Tätigkeit von Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung.

113

(Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)

114

115

Protokollerklärungen:

116

1. 1Die Beschäftigten – ausgenommen die in Entgeltgruppe S 4 bei Tätigkeiten der Fallgruppe 2, Entgeltgruppe S 7 und Entgeltgruppe S 8b bei Tätigkeiten der Fallgruppe 2 eingruppierten Beschäftigten – erhalten für die Dauer der Tätigkeit in einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim oder einer vergleichbaren Einrichtung (Heim) eine Zulage in Höhe von 61,36 Euro monatlich, wenn in dem Heim überwiegend behinderte Menschen im Sinne des § 2 SGB IX oder Kinder und Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht sind; sind nicht überwiegend solche Personen ständig untergebracht, beträgt die Zulage 30,68 Euro monatlich. …

117

118

3. Als entsprechende Tätigkeit von Erzieherinnen/Erziehern gilt auch die Tätigkeit in Schulkindergärten, Vorklassen oder Vermittlungsgruppen für nicht schulpflichtige Kinder und die Betreuung von über 18jährigen Personen (z.B. in Einrichtungen für behinderte Menschen im Sinne des § 2 SGB IX oder für Obdachlose).

119

120

6. Besonders schwierige fachliche Tätigkeiten sind z.B. die

121

a) Tätigkeiten in Integrationsgruppen (Erziehungsgruppen, denen besondere Aufgaben in der gemeinsamen Förderung behinderter und nicht behinderter Kinder zugewiesen sind) mit einem Anteil von mindestens einem Drittel von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung,

122

b) Tätigkeiten in Gruppen von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX oder von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten,

123

c) Tätigkeiten in Jugendzentren/Häusern der offenen Tür,

124

d) Tätigkeiten in geschlossenen (gesicherten) Gruppen,

125

e) fachlichen Koordinierungstätigkeiten für mindestens vier Beschäftigte mindestens der Entgeltgruppe S 8a,

126

f) Tätigkeiten einer Facherzieherin/eines Facherziehers mit einrichtungsüber-greifenden Aufgaben.

127

…"

128

Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD-VKA ist zunächst festzustellen, welche Arbeitsvorgänge anfallen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, welche Tätigkeitsmerkmale die einzelnen Arbeitsvorgänge erfüllen.

129

Die Darlegungs- und Beweislast trägt die Klägerin. Mit einer Eingruppierungsfeststellungsklage sind diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfalle zu beweisen, die den rechtlichen Schluss zulassen, dass die beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluss der darin vorgesehenen Qualifizierungen im geforderten zeitlichen Umfang erfüllt sind (BAG, Urteil vom 09. Dezember 2015 - 4 AZR 11/13 - Rn. 19, juris = öAT 2016, 168; BAG, Urteil vom 18. März 2015 - 4 AZR 702/12 - Rn. 35, juris = NZA-RR 2015, 427).

130

1. Arbeitsvorgänge

131

Maßgebend für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten (BAG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 4 AZR 514/16 - Rn. 34, juris = ZTR 2017, 352; BAG, Urteil vom 16. März 2016 - 4 AZR 502/14 - Rn. 35, juris = NZA 2017, 131; BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 - 4 AZR 355/13 - Rn. 16, juris = NZA-RR 2015, 644). Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden, nicht aber solche, die tariflich unterschiedlich zu bewerten sind. Dies gilt jedoch nur, wenn die unterschiedlich wertigen Arbeitsleistungen von vornherein voneinander zu trennen und tatsächlich getrennt sind. Die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Angestellte übertragen zu können, reicht dagegen nicht aus. Tatsächlich getrennt sind Arbeitsschritte dann nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist. Es ist möglich, dass die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit nur einen einzigen Arbeitsvorgang bildet (BAG, Urteil vom 27. September 2017 - 4 AZR 666/14 - Rn. 15, juris = ZTR 2018, 82; BAG, Urteil vom 17. Mai 2017 - 4 AZR 798/14 - Rn. 16, juris = ZTR 2017, 593; BAG, Urteil vom 16. März 2016 - 4 AZR 502/14 - Rn. 36, juris = NZA 2017, 131).

132

Die Betreuung einer Person oder Personengruppe ist, wie sich aus Satz 1 der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD-VKA ergibt, regelmäßig als Arbeitsvorgang zu betrachten.

133

Sind allerdings verschiedene, voneinander abgrenzbare Personenkreise zu betreuen, können unterschiedliche Arbeitsergebnisse und damit verschiedene Arbeitsvorgänge vorliegen (BAG, Urteil vom 17. Mai 2017 - 4 AZR 798/14 - Rn. 17, juris = ZTR 2017, 593; BAG, Urteil vom 19. Oktober 2016 - 4 AZR 727/14 - Rn. 16, juris = NZA-RR 2017, 259).

134

Die Tätigkeit der Klägerin besteht aus zwei Arbeitsvorgängen, und zwar zum einen die Betreuung der Klienten in der Regelwohngruppe einschließlich der Teamleitung und zum anderen der Betreuung der Klienten im Betreuten Wohnen, ebenfalls einschließlich der Teamleitung. Beide Arbeitsvorgänge haben einen Zeitanteil von 50 % bezogen auf die Arbeitszeit der Klägerin. Eine weitere Aufteilung kommt nicht in Betracht.

135

Die Aufgaben der Teamleitung bilden keinen eigenständigen Arbeitsvorgang. Die Teamleitung führt nicht zu einem abgrenzbaren Arbeitsergebnis, da sie eng mit der eigenen Betreuungstätigkeit der Klägerin verzahnt ist, die ohne eine Zusammenarbeit im Team nicht möglich ist. Dementsprechend finden sich bereits in der Stellenbeschreibung zur Betreuungstätigkeit organisatorische Aufgaben, wie z. B. Planung, Koordination und Organisation der Abläufe in der Wohngruppe, Mitarbeit bei der Planung und Gestaltung von Festen und Feiern. Die Teamleitung soll eine ordnungsgemäße Betreuung der Bewohner, die ohne eine Zusammenarbeit im Team nicht möglich ist, sicherstellen. Die Aufstellung von Dienst- und Urlaubsplänen, die Beschaffung von Sachmittel etc. sind notwendige Zusammenhangstätigkeiten, die dem Ziel untergeordnet sind, den anvertrauten Kindern und Jugendlichen zu einer eigenbestimmten, selbstständigen Lebensführung zu verhelfen.

136

Die Betreuung der Klienten in der Regelwohngruppe und im Betreuten Wohnen führt zu unterschiedlichen Arbeitsergebnissen. Die Jugendlichen im Betreuten Wohnen sind bereits deutlich selbstständiger. Dementsprechend sind die Wohn- und Lebensbedingungen dort anders ausgestaltet als in der Regelwohngruppe. Der in den LQEV vereinbarte Leistungsumfang unterscheidet sich deutlich. Hinzu kommt die räumliche Trennung des Betreuten Wohnens, die den Prozess der Verselbstständigung unterstützt.

137

2. Bewertung des Arbeitsvorgangs "Betreuung in der Regelwohngruppe"

138

Der Arbeitsvorgang "Betreuung in der Regelwohngruppe" erfüllt weder die Anforderungen der Entgeltgruppe S 8b Fallgruppe 1 TVöD-VKA noch diejenigen der Fallgruppe 3.

139

a) Staatlich anerkannte Erzieherin mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten (Fallgruppe 1)

140

Die Klägerin ist staatlich anerkannte Erzieherin und übt eine dieser Ausbildung entsprechende Tätigkeit aus. Zu den entsprechenden Tätigkeiten gehört nicht nur die Arbeit in Kindergärten, sondern auch die Betreuung von Jugendlichen und über 18jährigen Personen (Protokollerklärung Nr. 3 zur Entgeltgruppe S 8b Fallgruppe 1 TVöD-VKA).

141

Der Arbeitsvorgang "Betreuung in der Regelwohngruppe" enthält jedoch keine besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten.

142

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil vom 27. Februar 2018 - 9 AZR 238/17 - Rn. 14, juris; BAG, Urteil vom 20. September 2017 - 6 AZR 143/16 - Rn. 33, juris = ZTR 2017, 654; BAG, Urteil vom 26. April 2017 - 10 AZR 589/15 - Rn. 14, juris = NJW 2017, 3321).

143

Schwierige Tätigkeiten allein genügen nach dem Wortlaut des Tarifvertrages nicht. Es muss sich um besonders schwierige Tätigkeiten handeln. Zudem müssen die Tätigkeiten in fachlicher Hinsicht besonders schwierig sein.

144

Um besonders schwierige fachliche Tätigkeiten einer Erzieherin handelt es sich, wenn die Arbeitsaufgabe Anforderungen stellt, die deutlich über den Normalfall hinausgehen. Die Tätigkeit muss im Hinblick auf das geforderte fachliche Können oder die körperliche oder geistige Belastung das übliche Maß deutlich übersteigen (BAG, Urteil vom 22. März 1995 - 4 AZR 30/94 - Rn. 48, juris = ZTR 1995, 454; ArbG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Juli 2015 - 2 Ca 2260/14 - Rn. 59, juris).

145

Haben die Tarifvertragsparteien ein Tätigkeitsmerkmal durch Beispiele erläutert, ist das Merkmal erfüllt, wenn die Voraussetzungen eines Beispiels vorliegen. Fehlt es daran, ist auf den allgemeinen Begriff zurückzugreifen, der wiederum anhand der Maßstäbe in den Beispielstatbeständen zu bestimmen ist; die Tarifvertragsparteien haben mit den Beispielen Maß und Richtung für die Auslegung des allgemeinen Begriffs vorgegeben (BAG, Urteil vom 20. Mai 2009 - 4 AZR 184/08 - Rn. 26, juris = NZA-RR 2009, 651; BAG, Urteil vom 25. März 1998 - 4 AZR 659/96 - Rn. 40, juris = ZTR 1998, 461; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Dezember 2015 - 3 Sa 755/15 - Rn. 111, juris).

146

aa) Tätigkeiten in Gruppen von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten

147

Die Tarifvertragsparteien gehen, was die Erziehungsschwierigkeiten betrifft, von drei unterschiedlichen Kategorien aus: Kinder und Jugendliche ohne Erziehungsschwierigkeiten, solche mit Erziehungsschwierigkeiten und solche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten. In der Protokollerklärung Nr. 6 b) zur Entgeltgruppe S 8b TVöD-VKA ist nur die zuletzt genannte Gruppe angesprochen. Der Begriff "wesentlich" bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch: "von großem Gewicht", "in hohem Grad" (Duden, Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl. 2010, Stichwort "wesentlich"). Die Erziehungsschwierigkeiten müssen ein Ausmaß angenommen haben, das sich im oberen Bereich bewegt und nur noch in Einzelfällen überboten wird. Die Erziehung dieser Kinder und Jugendlichen muss eine besondere Herausforderung für den Erzieher darstellen, die nur mit speziellen pädagogischen Kenntnissen und Fähigkeiten zu bewältigen ist (vgl. BAG, Urteil vom 25. März 1998 - 4 AZR 659/96 - Rn. 51, juris = ZTR 1998, 461).

148

Eine Unterbringung im Heim lässt noch nicht den Rückschluss auf wesentliche Erziehungsschwierigkeiten bei einem Kind oder Jugendlichen zu. Die Heimunterbringung als solche ist in der Protokollerklärung nicht als Beispiel für besonders schwierige fachliche Tätigkeiten genannt. Die Tarifvertragsparteien haben stattdessen auf die gesteigerten Anforderungen bei der Erziehung abgestellt. Die Bewilligung einer Heimerziehung setzt nicht voraus, dass wesentliche Erziehungsschwierigkeiten vorliegen. Ein Personensorgeberechtigter hat nach § 27 Abs. 1 SGB VIII bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall (§ 27 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). Dabei kann es erforderlich sein, dass die Erziehung außerhalb des Elternhauses stattfindet (vgl. § 27 Abs. 2a SGB VIII). Zwar können Erziehungsschwierigkeiten bzw. wesentliche Erziehungsschwierigkeiten eine Heimerziehung erforderlich machen. Zwingend ist das jedoch nicht, da auch die Situation im Elternhaus eine Heimerziehung bedingen kann.

149

Symptome wie Überängstlichkeit, Wahrnehmungsstörungen, Sprachauffälligkeiten, Antriebshemmungen, grob- und feinmotorische Störungen, Aggressivität und Hyperaktivität lassen jedenfalls noch nicht auf eine deutliche Steigerung von Erziehungsschwierigkeiten im Sinne der Protokollerklärung schließen (BAG, Urteil vom 06. März 1996 - 4 AZR 671/94 - Rn. 36, juris = ZTR 1996, 464; ArbG Ludwigshafen, Urteil vom 29. Januar 1997 - 3 Ca 1903/96 - Rn. 62, juris = EzBAT §§ 22, 23 BAT F2 VergGr Vc Nr. 12).

150

Die der Klägerin in der Regelwohngruppe anvertrauten Jugendlichen weisen keine Erziehungsschwierigkeiten auf, die im oberen Bereich des Möglichen und Denkbaren liegen. Die Erziehung der Heimbewohner ist zwar regelmäßig schwierig und unterscheidet sich dadurch von der Erziehung normaler Kinder und Jugendlicher, wie sie beispielsweise in einer herkömmlichen Kindertagesstätte stattfindet. Diese Schwierigkeiten sind mit einer Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin und den notwendigen Fortbildungen zu bewältigen. Die Schwierigkeiten erreichen nicht einen Grad, der auf den obersten Stufen anzusiedeln ist. Kinder und Jugendliche mit solchen Defiziten werden nicht in der Regelwohngruppe untergebracht bzw. müssen die Regelwohngruppe verlassen, wenn die Erziehung derart schwierig wird, dass die herkömmliche Herangehensweise versagt. Kinder und Jugendliche mit akuten psychotischen Störungen, manifester Suchtproblematik oder verfestigtem, hohen Kriminalitätspotential gehören ausdrücklich nicht zur Zielgruppe. Die Erziehung solcher Klienten weist einen Schwierigkeitsgrad auf, der im oberen Bereich liegt und deshalb eine besondere Herausforderung für den Erzieher darstellt, die mit einer höheren Vergütung ausgeglichen werden soll. Die Betreuung solcher Klienten stellt ähnliche Anforderungen an den Erzieher wie die Tätigkeit in geschlossenen (gesicherten) Gruppen (Protokollerklärung Nr. 6 d).

151

Soweit die Kinder und Jugendlichen an Krankheiten, auch psychischen, leiden, bedürfen sie einer ärztlichen oder therapeutischen Behandlung und einer besonderen Fürsorge des Erziehers, der ein Stück weit die Rolle der Eltern als Bezugsperson übernimmt. Eine Erkrankung macht die Erziehung nicht zwangsläufig schwieriger, jedenfalls nicht in einem Grad, der im oberen Bereich liegt. Erschwert allerdings eine Krankheit die Erziehung erheblich, z. B. bei akuten psychotischen Störungen oder manifester Suchtproblematik, kann der Jugendliche in der Regelwohngruppe nicht mehr betreut werden und muss die Gruppe verlassen.

152

bb) Fachliche Koordinierungstätigkeiten

153

Der Arbeitsvorgang enthält keine fachlichen Koordinierungstätigkeiten für mindestens vier Beschäftigte mindestens der Entgeltgruppe S 8a (Protokollerklärung Nr. 6 e).

154

Die Koordinierungstätigkeiten müssen nach dem Wortlaut des Tarifvertrages fachlicher Art sein. Andere Koordinierungstätigkeiten erfüllen das Beispiel der Protokollerklärung nicht. Die Bezugnahme auf fachliche Tätigkeiten entspricht der Formulierung des allgemeinen Begriffs in der Entgeltgruppe S 8b TVöD-VKA. Eine fachliche Koordinierungstätigkeit liegt vor, wenn die Mitarbeiterin die Aufgabe hat, die im jeweiligen Bereich auftretenden fachlichen Fragen zwischen den weiteren Beschäftigten abzustimmen und in Einklang zu bringen. Dabei muss es sich um mindestens vier Beschäftigte mindestens der Entgeltgruppe S 8a TVöD-VKA, also z. B. Erzieher mit staatlicher Anerkennung, handeln. Eine solche Aufgabe erfordert besondere pädagogische Fachkenntnisse, die über diejenigen einer Erzieherin mit staatlicher Anerkennung hinausgehen, da unterschiedliche methodische Ansätze zu bewerten und zu vermitteln sind. Die fachliche Koordinatorin muss sich mit der pädagogischen Arbeit der anderen Beschäftigten auseinandersetzen und diese auf ein von ihr entwickeltes Gesamtkonzept abstimmen und ausrichten. Darüber hinaus werden Führungskompetenzen benötigt. Diese zusätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sind es, die nach Sinn und Zweck der Protokollerklärung durch ein höheres Entgelt honoriert werden sollen.

155

Die Klägerin hat als Teamleiterin verschiedene Verwaltungsaufgaben für die Regelwohngruppe zu erledigen. Die Abstimmung von fachlichen Fragen zwischen den weiteren vier Erzieherinnen und Erziehern obliegt ihr jedoch nicht. Die Erstellung der Dienst- und Urlaubspläne ist eine organisatorische Aufgabe, aber keine pädagogische Leitungstätigkeit. Das Gleiche gilt für die Meldung von besonderen Vorkommnissen, Schadensfällen oder Krankheiten, die Überwachung des Budgets, die Beschaffung von Sachmitteln, die Verantwortlichkeit für die Einhaltung von Bestimmungen der Arbeitssicherheit, des Datenschutzes usw. Für diese Aufgaben sind keine besonderen pädagogischen Fachkenntnisse erforderlich. Soweit die Klägerin ausweislich der Zusatzfunktionsbeschreibung die individuellen Aufgaben der Mitarbeiter im Team zu verteilen und festzulegen hat, geht es nicht um eine Anleitung in pädagogischen Fragen, sondern um die Gewährleistung des Betriebsablaufs. Die Koordination gemeinsamer Feste und Veranstaltungen erfordert zwar ein gewisses Organisationstalent, jedoch keine besonderen pädagogischen Fähigkeiten.

156

b) Beschäftigte in der Tätigkeit von Sozialarbeiterinnen/-pädagoginnen (Fallgruppe 3)

157

Die Klägerin ist nicht in der Tätigkeit von Sozialarbeiterinnen oder -pädagoginnen mit staatlicher Anerkennung beschäftigt (Entgeltgruppe S 8b Fallgruppe 3 TVöD-VKA).

158

Die Tätigkeit einer Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin hat ihren Schwerpunkt in der Bekämpfung von Fehlentwicklungen durch Veränderung der Menschen, ihrer Lebenslagen und Lebensqualität sowie der sie bedingenden gesellschaftlichen Strukturen und ist somit stärker konzeptionell geprägt. Die Tätigkeit einer Erzieherin beinhaltet dagegen mehr Arbeiten mit ausführenden Aufgaben fürsorgerischer und bewahrender Natur (BAG, Urteil vom 05. März 1997 - 4 AZR 373/95 - Rn. 56, juris = ZTR 1997, 368). Eine Ausübungsform des Berufes der Erzieherin ist die betreuende Tätigkeit in Heimen und Wohngruppen, häufig mit familienersetzender Funktion, wobei die Erzieherin elterliche Aufgaben übernimmt, welche die tägliche Sorge für Körperpflege, Essen und Bekleidung bis hin zur Entfaltung von körperlichen, geistigen, sozialen, gefühlsmäßigen und schöpferischen Kräften in allen Lebensbereichen umfassen (LAG Hamm, Urteil vom 16. Oktober 2003 - 11 Sa 645/02 - Rn. 90, juris).

159

Erzieher/innen für Jugend- und Heimerziehung sind für die umfassende Versorgung und pädagogische Förderung von Kindern und Jugendlichen, z. B. in Kinder- und Jugendheimen, verantwortlich. Da sie für die Kinder und Jugendlichen wichtige Bezugspersonen darstellen und soweit wie möglich die Elternrolle übernehmen, achten sie auf die schulische oder berufliche Entwicklung sowie persönliche Entfaltung der Kinder und Jugendlichen. Außerdem sorgen sie für Körperpflege, Essen und Bekleidung, regen zu Freizeitbeschäftigungen an und organisieren Ferienaufenthalte. Als Grundlage für ihre erzieherische oder förderpädagogische Arbeit beobachten und analysieren sie das Verhalten der Kinder und Jugendlichen. Sie arbeiten Erziehungs- und Hilfepläne aus, führen Einzel- und Gruppengespräche, unter anderem zur Konfliktbewältigung, und kooperieren mit Schulen, Ausbildungsstätten und Eltern. Die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen dokumentieren sie in Berichten (https://berufenet.arbeitsagentur.de).

160

Sozialarbeiter/innen bzw. Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen leisten Erziehungs- und Beratungsarbeit, z. B. in der Rehabilitation, in Einrichtungen des Strafvollzugs oder in der Jugend- und Familienhilfe. Als Bezugspersonen begleiten Sozialarbeiter/innen bzw. Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen betroffene Menschen im Alltag, intervenieren in Krisensituationen und motivieren zu Eigeninitiative. Sie unterstützen die Betroffenen dabei, Strategien für ein selbstbestimmtes Leben zu entwickeln, beraten z. B. Suchtkranke, Schuldner, Asylsuchende und Migranten/Migrantinnen oder führen Anti-Gewalt-Trainings durch. An Kindertagesstätten, Horten und Schulen übernehmen Sozialarbeiter/innen bzw. Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen pädagogische Aufgaben. Als Sachbearbeiter/innen und Planer/innen ermitteln sie den Bedarf an materieller, persönlicher und finanzieller Unterstützung und vermitteln die entsprechenden Hilfen. Sozialarbeiter/innen bzw. Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen nehmen zudem Konzeptions-, Planungs-, Organisations-, Leitungs- und Koordinierungsaufgaben wahr (https://berufenet. arbeitsagentur.de).

161

Die Tätigkeit der Klägerin in der Regelwohngruppe ist nicht die einer Sozialarbeiterin oder -pädagogin. Ihre Aufgaben sind nicht konzeptionell geprägt. Der Schwerpunkt liegt auf der Übernahme elterlicher Aufgaben, insbesondere der Betreuung und Versorgung im Hinblick auf Körperpflege, Essen und Bekleidung, Schule und Ausbildung sowie Freizeitbeschäftigung. Die Klägerin leistet keine Beratungsarbeit. Sie ist nicht auf einem typischen Arbeitsplatz einer Sozialarbeiterin tätig, sondern auf dem einer Erzieherin für Jugend- und Heimarbeit.

162

3. Bewertung des Arbeitsvorgangs "Betreuung im Betreuten Wohnen"

163

Der Arbeitsvorgang "Betreuung im Betreuten Wohnen" erfüllt ebenfalls nicht die Anforderungen der Entgeltgruppe S 8b Fallgruppe 1 bzw. Fallgruppe 3 TVöD-VKA.

164

Die Erziehungsschwierigkeiten im Betreuten Wohnen gehen jedenfalls nicht über diejenigen in der Regelwohngruppe hinaus. Vielmehr dürften diese im Betreuten Wohnen geringer sein, da hier Jugendliche und junge Erwachsene untergebracht sind, die ihren Alltag bereits weitestgehend selbstverantwortet gestalten können und über ein ausreichendes Maß an Kompetenzen zur eigenständigen Lebensgestaltung verfügen.

165

Hinsichtlich der fachlichen Koordinierungstätigkeiten und der Beschäftigung in der Tätigkeit von Sozialarbeiterinnen/-pädagoginnen gelten die Ausführungen zum Arbeitsvorgang "Betreuung in der Regelwohngruppe" entsprechend.

166

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG, § 42 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GKG.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um
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published on 27/02/2018 00:00

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17. November 2016 - 7 Sa 967/13 - aufgehoben.
published on 20/09/2017 00:00

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 12. Januar 2016 - 1 Sa 232/15 - wird zurückgewiesen.
published on 17/05/2017 00:00

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. September 2014 - 17 Sa 1250/14 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
published on 26/04/2017 00:00

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 27. August 2015 - 5 Sa 87/15 - wird zurückgewiesen.
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Annotations

Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie

1.
eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
2.
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3.
eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden.

(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.

(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.

(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.

(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.

(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.

Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie

1.
eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
2.
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3.
eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden.

(1) Der Personensorgeberechtigte und das Kind oder der Jugendliche sind vor der Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Hilfe und vor einer notwendigen Änderung von Art und Umfang der Hilfe zu beraten und auf die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen hinzuweisen. Es ist sicherzustellen, dass Beratung und Aufklärung nach Satz 1 in einer für den Personensorgeberechtigten und das Kind oder den Jugendlichen verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form erfolgen.

(2) Die Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte Hilfeart soll, wenn Hilfe voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden. Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe sollen sie zusammen mit dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen einen Hilfeplan aufstellen, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält; sie sollen regelmäßig prüfen, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist. Hat das Kind oder der Jugendliche ein oder mehrere Geschwister, so soll der Geschwisterbeziehung bei der Aufstellung und Überprüfung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe Rechnung getragen werden.

(3) Werden bei der Durchführung der Hilfe andere Personen, Dienste oder Einrichtungen tätig, so sind sie oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung zu beteiligen. Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist, sollen öffentliche Stellen, insbesondere andere Sozialleistungsträger, Rehabilitationsträger oder die Schule beteiligt werden. Gewährt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungen zur Teilhabe, sind die Vorschriften zum Verfahren bei einer Mehrheit von Rehabilitationsträgern nach dem Neunten Buch zu beachten.

(4) Erscheinen Hilfen nach § 35a erforderlich, so soll bei der Aufstellung und Änderung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe die Person, die eine Stellungnahme nach § 35a Absatz 1a abgegeben hat, beteiligt werden.

(5) Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist und dadurch der Hilfezweck nicht in Frage gestellt wird, sollen Eltern, die nicht personensorgeberechtigt sind, an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung beteiligt werden; die Entscheidung, ob, wie und in welchem Umfang deren Beteiligung erfolgt, soll im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte unter Berücksichtigung der Willensäußerung und der Interessen des Kindes oder Jugendlichen sowie der Willensäußerung des Personensorgeberechtigten getroffen werden.

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.

(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, ist der Streitwert nach § 52 Absatz 1 und 2 zu bestimmen.

(2) Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

(3) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; dies gilt nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird.