Arbeitsgericht Gelsenkirchen Teilurteil, 21. Jan. 2014 - 1 Ca 2158/13
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die Höhe der in den Toilettenanlagen des
Centro P in den Monaten Juli, August und September 2013 vereinnahmten Trinkgelder zu erteilen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
3. Der Gegenstandswert beträgt für dieses Teilurteil 3.000,00 Euro.
1
T a t b e s t a n d
3Die Parteien streiten über die Frage, ob der Kläger an von der Beklagten vereinnahmten Geldbeträgen zu beteiligen ist, weil es sich dabei um „Trinkgelder“ für das Reinigungs- und Aufsichtspersonal gehandelt hat.
4Der 1956 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 21.11.2005 bei der Beklagten, einem Unternehmen des Gebäudereinigungs- und Gebäudedienstleistungsgewerbes mit regelmäßig mehr als 10 Beschäftigten, als Reiniger beschäftigt. Er erzielte einen Stundenlohn in Höhe von zuletzt 9,00 € brutto, woraus im Jahr 2013 ein monatliches Einkommen in Höhe von durchschnittlich rund 1.100,00 € brutto resultierte. Das Arbeitsverhältnis endete durch die Kündigung des Klägers vom 2.9.2013 mit dem 17.9.2013. Der Kläger war, wie seine seit dem Jahr 2006 ebenfalls bei der Beklagten beschäftigte Ehefrau, die im Rahmen des parallel anhängigen Verfahrens 1 Ca 1603/13 gleichartige Ansprüche verfolgt, Mitglied des bei der Beklagten gewählten Betriebsrats.
5Der Einsatz des Klägers erfolgte ständig im Einkaufszentrum Centro P, mit deren Betreiberin die Beklagte seit Jahren in laufender Vertragsbeziehung steht. Der Beklagten obliegt dort die Reinigung der 4 öffentlichen für die Kunden und Besucher vorgehaltenen Toilettenanlagen sowie die Sauberhaltung weiterer Flächen, etwa im Cateringbereich. In den Sommermonaten 2013 bestand das von der Beklagten im Centro P eingesetzte Team aus insgesamt 12 Aufsichtspersonen, sog. „Sitzerinnen“, und 8 Reinigungskräften. Die „Sitzerinnen“, die eine Stundenvergütung von 5,20 € erhalten, führen selbst keine Reinigungstätigkeiten aus.
6Das Centro P erhebt von den Kunden/Besuchern für die Nutzung der Toilettenanlagen kein Entgelt. Gleichwohl sind in den Eingangsbereichen der 4 Toilettenanlagen auf dort vorgehaltenen Tischen Sammelteller aufgestellt, auf denen die Toilettenbesucher einen Geldbetrag hinterlassen können. Hauptaufgabe der „Sitzerinnen“ ist es, sich ständig – zumeist sitzend – an einem dieser Tische mit Sammelteller aufzuhalten, dabei stets einen sauberen weißen Kittel zu tragen, das Geld, welches die Toilettenbesucher freiwillig auf die Teller legen, regelmäßig bis auf wenige Geldstücke abzuräumen, zunächst in die eigene Kitteltasche zu stecken und je nach Aufkommen mehrmals je Schicht in einen Tresor einzulegen. Darüber hinaus haben sie die Toilettenanlagen zu kontrollieren und im Bedarfsfall das Reinigungspersonal über Funk zu rufen.
7Nach einer schriftlichen Arbeitsanweisung der Beklagten („Leitfaden“ für das Aufsichtspersonal, Stand 13.3.2013), auf die der Einzelheiten wegen Bezug genommen wird, sind die „Sitzerinnen“ ausdrücklich gehalten, Blickkontakt zu den Besuchern aufzunehmen, die dort als „Trinkgeld“ bezeichneten Geldbeträge – auch in die eigene Hand – dankend entgegen zu nehmen oder bei Bedarf zu wechseln und dabei gegenüber den Besuchern nicht zu offenbaren, dass sie selbst keine Reinigungstätigkeiten ausüben.
8Bei etwaigen Fragen der Besucher nach dem Verwendungszweck des Geldes, der bereits in den Jahren 2008/2009 unter Überschriften wie „WC-Personal muss Trinkgeld abgeben“ Gegenstand der Berichterstattung in regionalen Printmedien war, ist nach dem „Leitfaden“ auf die gemeinsamen Hinweisschilder von Centro P und der Beklagten, die nach dem Vorbringen der Beklagten im Nahbereich der Sammelteller, nach Angaben des Klägers an kaum einsehbarer Stelle hinter stets geöffneten Türen angebracht waren, zu verweisen. Nach diesen Hinweisschildern (Stand Januar 2009, Bl. 31 d. A.) fließt ein für die Benutzung der Toiletten freiwillig gegebener „Obulus“ der Beklagten zu, die selbigen „für die Reinigung und den Unterhalt der Toilettenanlagen“ verwendet, womit er „auch der Entlohnung des hierfür eingesetzten Personals“ dient.
9Hinsichtlich dieser Hinweisschilder ist unstreitig, dass selbige im Laufe des Jahres 2012 ersatzlos demontiert worden sind.
10Nach Angaben der Beklagten erfolgte dies gegen Ende 2012 im Zuge von Umbau- und Renovierungsarbeiten. Die dafür verantwortliche Centro-Betreiberin habe bereits Ersatzschilder in Auftrag gegeben. Diese waren jedenfalls zum Zeitpunkt der Güteverhandlung (28.11.2013) aber noch nicht montiert.
11Mit seiner am 22.10.2013 bei Gericht eingegangen, am 6.11.2013 zugestellten Klage macht der Kläger geltend, dass er an den in den Monaten Juli bis September 2013 über die Sammelteller im Centro P erzielten Einnahmen der Beklagten teilhaben müsse. Den Besuchern werde zielgerichtet suggeriert, dass freiwillig ein Trinkgeld für das Reinigungs- und Aufsichtspersonal gegeben werde könne. An diese mit der freiwilligen Hingabe von kleineren Geldbeträgen verbundene Zweckbestimmung sei die Beklagte gebunden.
12Trinkgeld stehe nach Maßgabe gewerbe- und steuerrechtlicher Bestimmungen allein den Arbeitnehmern zu. Die Beklagte sei aufgrund vertraglicher Nebenpflichten oder bei entsprechender Anwendung von Bestimmungen des Auftragsrechts verpflichtet, für das Personal bestimmtes Trinkgeld zweckgerecht weiterzuleiten.
13Da er nicht wissen könne, wie hoch genau die Einnahmen gewesen seien, habe die Beklagte im Rahmen einer Stufenklage zunächst Auskunft über die Höhe der Trinkgeldeinnahmen zu erteilen. Von dem Gesamtbetrag stehe ihm unter Berücksichtigung der im Centro P vorgehaltenen Personalstärke ein Anteil von 1/20 zu. Er gehe davon aus, dass an normalen Tagen bis zu eintausend, an Spitzentagen mehrere tausend Euro über die Teller erwirtschaftet werden.
14Der Kläger, die einen weiteren auf Abrechnung des Trinkgelds gerichteten Antrag im Kammertermin zurückgenommen hat, beantragt,
15- 1.16
die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, ihm Auskunft über die Höhe der in den Toilettenanlagen des Centro P vereinnahmten Trinkgelder in den Monaten Juli, August und September 2013 zu erteilen.
- 2.18
Nach erteilter Auskunft die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit der Auskunft gemäß Klageantrag zu 1. an Eides statt zu versichern,
- 3.20
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1/20 des sich aus der gemäß Klageantrag zu 1. erteilten Auskunft ergebenden Gesamtbetrages nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagte, die ein entsprechendes außergerichtliches Geltendmachungsschreiben des Klägers vom 30.9.2013 unbeantwortet ließ, hält die Klage für insgesamt unbegründet. An den über die Sammelteller erzielten Einnahmen sei der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beteiligen. Nach den Grundsätzen des Geschäftes für den, den es angeht habe vielmehr sie Eigentum an den Geldern erworben.
24Der Einsatz des Aufsichtspersonals diene dem Wohlbefinden und der Sicherheit der Toilettenbesucher und werde vom Centro P ohne eigene adäquate Gegenleistung verlangt, wofür im Gegenzug die Einnahmemöglichkeit über die Sammelteller eröffnet sei. Die dortigen „Sitzerinnen“ hätten stets in dem Wissen gehandelt, dass die vereinnahmten Geldbeträge ausschließlich ihr, der Beklagten, zufließen sollen, was als solches unstreitig ist. Genau dafür hätten diese ihre Vergütung erhalten, die – neben sonstigen Kosten – aus eben diesen Einnahmen bestritten worden sei. Es sei daher nicht nachvollziehbar, nunmehr dieses Geld zusätzlich unter dem Gesichtspunkt der Trinkgeldleistung zu beanspruchen. Dafür fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Arbeitsaufgabe des Klägers sei zudem nicht lediglich die Reinigung der Toilettenanlagen, sondern auch die Pflege sonstiger Flächen und Räume gewesen.
25Bei den Einnahmen handle es sich im Übrigen – auch nach der Vorstellung der Toilettenbesucher – nicht um ein Trinkgeld im herkömmlichen Sinne, sondern vielmehr um ein freiwilliges Nutzungsentgelt.
26Dieses stehe allein ihr als Reinigungsdienstleisterin zu, worüber man die Besucher durch die Hinweisschilder unmissverständlich aufgeklärt habe. Durch den jahrelangen Aushang der Hinweisschilder habe sich ein entsprechendes Bewusstsein der Besucher entwickelt.
27Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 21.1.2014 war, Bezug genommen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29Die zunächst mit dem Auskunftsantrag zur Entscheidung stehende Klage hat insoweit in der Sache Erfolg.
30I.
31Der vom Kläger in ein Stufenverhältnis gestellte Auskunftsantrag zu 1. ist zulässig und begründet. Die Anträge zu 2. und 3. stehen daher noch nicht zur Entscheidung an.
32Der Kläger hat einen Anspruch auf Auskunft über die Höhe der in den Monaten Juli bis September 2013 über die Sammelteller im Centro P erzielten Einnahmen gegen die Beklagte aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 107 Abs. 3 S. 2 GewO, da es sich nach der stillschweigenden Zweckbestimmung der die Geldbeträge hingebenden Personen tatsächlich um für das Personal bestimmtes Trinkgeld gehandelt hat.
33- 34
1. Der Auskunftsantrag ist als Antrag der 1. Stufe im Rahmen einer Stufenklage nach § 254 ZPO zulässig, da – wie noch auszuführen ist – dem Kläger ein noch nicht bezifferbarer Leistungsanspruch gegen die Beklagte aus dem beendeten Arbeitsverhältnis zusteht, zu dessen Konkretisierung und Durchsetzung er zunächst auf die durch die Auskunft zu erlangenden Angaben angewiesen ist.
Der Auskunftsantrag ist i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, da aus dem Klageantrag eindeutig und abgrenzbar erkennbar ist, welchen Teil ihrer Einnahmen die Beklagte bezogen auf einen genau umrissenen Zeitraum offenlegen soll.
36- 37
2. Der Antrag ist nach § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 241 Abs. 2, 242, 260 BGB und § 107 Abs. 3 S. 2 GewO begründet.
- 39
a. Das Arbeitsverhältnis als ein auf Dauer angelegtes Schuldverhältnis des Privatrechts begründet nicht lediglich gegenseitige Leistungspflichten, sondern zugleich – wie in § 241 Abs. 2 BGB ausdrücklich angesprochen – Verhaltenspflichten beider Parteien, die in der arbeitsrechtlichen Praxis unter den Oberbegriffen Fürsorge (Arbeitgeber) und Treue (Arbeitnehmer) zusammengefasst werden. Der Arbeitgeber ist danach – im Sinne einer vertraglichen Nebenpflicht – gehalten, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen. Ihm erwachsen daraus Schutz-, Sorgfalts- und Auskunftspflichten, deren Verletzung dem Arbeitnehmer klagbare Erfüllungs- und Unterlassungsansprüche vermittelt (Schaub/Koch, Arbeitsrechtshandbuch, 15. Auflage 2013, § 106, Rn 9-11 m. w. N.).
Eine in diesem Sinne umfassend begründete Fürsorgepflicht beinhaltet nach Auffassung der Kammer auch Aspekte der Vermögenssorge. Der Arbeitgeber ist deshalb unter allein schuldrechtlichen Gesichtspunkten gehalten, nach dem Willen Dritter für seine Arbeitnehmer bestimmtes, angenommenes, tatsächlich aber (zunächst) von ihm vereinnahmtes Trinkgeld i. S. d. § 107 Abs. 3 S. 2 GewO an den begünstigen Personenkreis weiterzuleiten. Die – von der Beklagten bemühte – eigentumsrechtliche Betrachtung ist insoweit irrelevant.
41Daraus folgt hier ein Anspruch des Klägers auf Teilhabe an den im fraglichen Zeitraum über die Sammelteller im Centro P erwirtschafteten Geldbeträgen, denn es handelte sich nach der die Parteien insoweit bindenden Zweckbestimmung der zuwendenden Personen um Trinkgeld i.S.d. § 107 Abs. 3 S. 2 GewO.
42Da er ausschließlich im Reinigungsdienst tätig war, hat der Kläger keinen zuverlässigen Überblick über die genaue Höhe der Einnahmen. Ein anderer Weg zur Erlangung der zur Bezifferung seiner Ansprüche benötigten Informationen steht ihm erkennbar nicht zur Verfügung. Die Beklagte ist ihm daher aus diesem Rechtsverhältnis zunächst zur Erteilung einer umfassenden und wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet.
43Ob und unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt die Beklagte ggf. berechtigt ist, etwaigen ihr mit der Sammlung und Verteilung des Trinkgelds entstehenden Aufwand vor dessen Aufteilung in Abzug zu bringen, bedarf im Zusammenhang mit dem Auskunftsbegehren keiner Entscheidung.
44- 45
b. Bei den von den Besuchern der Toilettenanlage des Centro P in dem Monaten Juli bis September 2013 hingegebenen Geldbeträgen handelte es sich um Trinkgeld für das dort eingesetzte Personal der Beklagten.
- 47
aa. Ein verpflichtendes Nutzungsentgelt bestimmter Höhe wird den Besuchern der dortigen Toilettenanlagen nach unstreitigem Parteivorbringen nicht abverlangt. Deutlich erkennbare Hinweise an die Besucher, die einen bestimmten Verwendungszweck der danach freiwillig hingegebenen Geldbeträge offenlegen und auf eine entsprechende Willensrichtung des Besucherkreises schließen lassen, waren zum fraglichen Zeitpunkt nicht vorhanden. Die zumindest seit dem Jahr 2009 angebrachten Hinweistafeln waren nach unstreitigem Parteivorbringen jedenfalls seit Ende des Jahres 2012 ersatzlos demontiert und wurden über Monate, jedenfalls über den gesamten hier fraglichen Zeitraum, nicht wieder angebracht. Die Frage nach dem genauen Standort dieser Hinweisschilder und deren Auffindbarkeit und Lesbarkeit für die Besucher bedarf hier daher keiner Aufklärung.
- 49
ab. Aus dem Umstand, dass Hinweisschilder über mehrere Jahre angebracht waren, kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf einen kollektiv verankerten dauerhaften Zweckbestimmungswillen der Besucher im Sinne der Hinweisinhalte geschlossen werden.
Selbst wenn einzelnen Besuchern der genaue Inhalt der Hinweisschilder auch nach Monaten noch erinnerlich gewesen sein sollte, was der Kammer mangels einer über den Moment der unmittelbaren Wahrnehmung und Zahlung hinausreichenden Relevanz bereits als fernliegend erscheint, kommt der Demontage der Schilder mindestens die gleiche Aussagekraft zu, wie dem Umstand, dass dort einst Hinweistafeln bestimmten Inhalts vorhanden waren. Aus der Demontage dieser Schilder ist nämlich objektiv zu folgern, dass an dem dort dargestellten Verwendungszweck – soweit dieser gedanklich noch präsent ist – nicht mehr festgehalten wird, womit sich das Vorhandensein von Hinweisschildern in der Vergangenheit, deren Auffindbarkeit und ihr genauer Inhalt vorliegend als insgesamt nicht entscheidungsrelevant darstellt.
51- 52
ac. Der Zweck der Geldleistung war danach im fraglichen Zeitraum durch die Beklagte nicht ausdrücklich in einer für die Nutzer der Toilettenanlagen erkennbaren Weise bestimmt. Ebenso vollzieht sich die Hingabe des Geldes in einer Sammelsituation wie der vorliegenden bei sozialtypischer Betrachtung regelmäßig ohne ausdrückliche Zweckbestimmung der leistenden Person. Diese will vielmehr Geldbeträge für den ihr – ggf. konkludent – offerierten Zweck zuwenden.
Es besteht kein Erfahrungssatz und auch keine allgemeine Übung dahin, dass bei einer für den Nutzer oder Begünstigten erkennbar kostenlos erbrachten Leistung – hier der Toilettennutzung – gleichwohl oder aber zusätzlich zu einem vereinbarten Entgelt freiwillig hingegebene Geldbeträge stets dem Arbeitgeber zufließen, der hinter dem erkennbar vor Ort agierenden Personal steht. Bei sozialtypischer Betrachtung ist – was § 107 Abs. 3 S. 2 GewO und Bestimmungen des Einkommenssteuerrechts aufgegriffen haben – gerade das Gegenteil der Fall. Ebenso kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Hingabe von Geldbeträgen speziell an Reinigungskräfte bei kostenloser Inanspruchnahme öffentlich zugänglicher Toilettenanlagen stets mit der Erwartung verbunden ist, das Geld diene (nur) dem Unterhalt der Anlage. In diesem Fall wäre gerade die Erhebung eines bestimmten Nutzungsentgelts typisch.
54Erst recht kann kein genereller Wille der Leistenden angenommen werden, das an Toilettenanlagen freiwillig hingegebene Geld solle für die Bezahlung zusätzlichen Personals verwendet werden, welches im Wesentlichen nur für das Einsammeln des Geldes vorgehalten wird, woran der Besucher naturgemäß kein Interesse haben kann.
55- 56
ad. Mangels ausdrücklicher Zweckbestimmung bzw. Rechtsgrundbestimmung durch Leistenden und Leistungsempfänger und der fehlenden Feststellbarkeit einer allgemeinen oder speziellen Übung in dem von der Beklagten angenommenen Sinne hat die Kammer nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Regeln (§§ 133, 157 BGB) zu beurteilen, auf welcher rechtlichen Grundlage sich die Hingabe der Geldbeträge im fraglichen Zeitraum vollzogen hat und welche Rechtsfolgen daraus entstehen.
Unter Trinkgeld ist nach der Legaldefinition des § 107 Abs. 3 S. 2 GewO ein Geldbetrag zu verstehen, den ein Dritter dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt. Die Norm schließt nicht aus, dass die dem Arbeitgeber geschuldete Leistung von einer anderen Person als dem Trinkgeldzuwender erbracht wird, wie dies hier im Verhältnis der Beklagten zur Centro P Betreiberin aus dem Reinigungsvertrag der Fall ist.
58Die Zuwendung eines Trinkgelds vollzieht sich rechtsgeschäftlich betrachtet regelmäßig auf der Grundlage einer Schenkung i. S. d. § 516 BGB (Palandt/Weidenkaff, 72. Auflage 2013, § 516 BGB, Rn. 9 m. w. N.) oder aber eines Rechtsgeschäfts eigener Art mit schenkungsrechtlicher Prägung. Eine Zuwendung von Trinkgeld setzt danach eine Willenseinigung durch den Austausch zweier sich inhaltlich entsprechender empfangsbedürftiger Willenserklärungen voraus (Angebot und Annahme), die sich konkludent, also allein durch schlüssiges Verhalten beider Seiten ergeben kann. Einer besonderen Form bedarf das unmittelbar vollzogene Schenkungsversprechen nach § 518 Abs. 2 BGB nicht.
59Von einer unmittelbar vollzogenen Trinkgeldzuwendung zugunsten der im Bereich der Toilettenanlagen eingesetzten Arbeitnehmer der Beklagten in dem geschilderten Sinne kann vorliegend ausgegangen werden.
60Die Deutung stillschweigender empfangsbedürftiger Willenserklärungen hat nach §§ 133, 157 BGB unter entscheidender Berücksichtigung der Begleitumstände im Wege der sog. normativen Auslegung zu erfolgen (Palandt/Ellenberger, 72. Auflage 2013, § 133 BGB, Rn. 7 m. w. N.). Dabei ist nicht der wirkliche Wille des Erklärenden maßgeblich. Zu ermitteln ist vielmehr, wie der Adressat der Erklärung den Willen verstehen konnte (Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Auflage 1990, § 24, Rn. 323). Richtet sich die Erklärung an eine unbestimmte Vielzahl von Personen, so ist auf die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Beteiligten des angesprochenen Personenkreises unter Berücksichtigung der erkennbaren Umstände abzustellen (Palandt/Ellenberger, 72. Auflage 2013, § 133 BGB, Rn. 12).
61Nach diesen Grundsätzen stellt sich das Aufstellen der Sammelteller vor den Toilettenanlagen des Centro P unter Berücksichtigung der konkreten Umstände als stillschweigende Aufforderung (invitatio ad offerendum) an die Toilettenbesucher zur (schenkungsweisen) Hingabe eines Trinkgelds mit damit bereits verbundener (antizipierter) Annahmeerklärung dar. Das rund um die „Sitzerinnen“ und die Sammelteller von der Beklagten – wie ihr Leitfaden vom 13.3.2013 erkennen lässt – bewusst erzeugte Gesamtbild ließ, mangels konkreter Hinweise auf einen anderen Willen (s. o.), aus der Sicht eines durchschnittlichen Toilettenbesuchers ohne besondere Kenntnisse ggf. abweichender Branchengepflogenheiten, welche die Kammer nicht unterstellen will, nur den Rückschluss zu, dass hier freiwillig ein dem Personal unmittelbar und zusätzlich zum Lohn zufließender Geldbetrag hingegeben werden konnte.
62Dabei erscheint zunächst die Wahl eines offenen Tellers als Sammelstelle für das Geld von Bedeutung, der – anders als eine Kasse oder Geldkassette – wie z. B. auch ein herumgereichter Hut suggeriert, dass hier kein Zahlungsvorgang vorgesehen ist, sondern eine Zuwendung erbeten wird.
63Der von der Beklagten vorgeschriebene weiße Kittel der „Sitzerinnen“ ordnet die Aufsichtspersonen nach objektivem Verständnis eindeutig dem Kreis des Reinigungspersonals zu. Die von der Beklagten im Leitfaden angesprochene Variante der Geldannahme mit der Hand verstärkt – so sie gewählt wird – den Eindruck einer persönlichen Zuwendung an das Personal.
64Die ständige Präsens einer „Sitzerin“ im Nahbereich des Sammeltellers und die vorgesehene persönliche Ansprache/Begrüßung der Besucher sind auf die Schaffung einer Verbindlichkeit in dem Sozialkontakt und die Herstellung einer persönlichen Verknüpfung zwischen der vermeintlichen Reinigungsperson und einer „sauberen“ Toilettenanlage gerichtet, verbunden mit einem daraus resultierendem sozialen Druck nebst Kontrolle, sich dafür durch ein Trinkgeld erkenntlich zu zeigen, weil dessen Hingabe sozialtypischen Verhaltensmustern entspricht.
65Die Umsetzung der Weisung, das erhaltene Geld ständig bis auf wenige Münzen von den Tellern zu räumen, diese also quasi leer zu halten, suggeriert, dass es vorliegend um eine geringfügige Aufbesserung des – nach allgemeiner Meinung schmalen – Lohnes im Reinigungsgewerbe geht, was die Freigiebigkeit erhöht. Das ferner vorgesehene Einstecken der Münzen in die Kitteltaschen erweckt, wird es beobachtet, der Herstellung des persönlichen Gewahrsams wegen ebenfalls den Eindruck, das Geld fließe direkt den Reinigungskräften zu.
66Dass so geschaffene Gesamtbild rundet sich dadurch ab, dass den „Sitzerinnen“ die Offenbarung des Umstands, dass sie selbst keine unmittelbare Reinigungstätigkeit ausüben, ausdrücklich untersagt und bei Rückfragen zur Verwendung des Geldes auf die Hinweisschilder zu verweisen ist, die zu lesen sich ein eiliger Besucher im Zweifel nicht die Mühe machen wird.
67Entsteht danach im Gesamtbild der Eindruck, es könne und solle – weil offen mit erkennbarer Billigung des Arbeitgebers – ein Trinkgeld gezahlt werden, liegt in der stillschweigenden Hingabe eines Geldbetrages durch die Toilettenbesucher eben eine solche Erklärung bzw. Zweckbestimmung.
68Soweit die Beklagte gerade etwas anderes wollte, sich also in Wahrheit permanent in Widerspruch mit dem selbst initiierten Erklärungsbild befand, muss dies nach § 116 S. 1 BGB außer Betracht bleiben.
69- 70
c. Der Kläger gehörte zu dem durch das Trinkgeld begünstigten Personenkreis. Die Kammer geht nach den besonderen Umständen im Centro P davon aus, dass die Toilettenbenutzer die Hingabe von Trinkgeld nicht ausschließlich mit der Erwartung verbunden haben, dieses fließe allein der jeweils am Sammeltisch befindlichen Person zu.
Die Hingabe eines Trinkgeldes kann nach den Umständen der Leistung zwar auch eine Zuwendung für eine ganz bestimmte einzelne Person sein (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9.12.2010 – 10 Sa 483/10 – zitiert nach juris). Wird die freiwillig honorierte Leistung aber erkennbar von einem Team erbracht, so steht das vereinnahmte Geld im Zweifel dem Team in seiner Gesamtheit zu. So ist es etwa in Teilen der besonders trinkgeldträchtigen Gastronomiebranche durchaus üblich, dass die Serviceleistungen differenziert nach Speisen und Getränken von unterschiedlichen Personen erbracht werden und zum Zwecke des Kassierens eine dritte Kraft in Erscheinung tritt, während weitere Beschäftigte ihren Teil an der Gesamtleistung gänzlich im Hintergrund erbringen. In einem solchen Fall kann – wie vorliegend – nicht angenommen werden, das Trinkgeld stehe nur dem zu, der es tatsächlich erhält. Angesichts der Größe und Vielzahl der im Centro P vorgehaltenen Toilettenanlagen, der langen Öffnungszeiten, des Personalwechsels z. B. bei Pausen und Schichtende und der im Hintergrund erforderlichen logistischen Begleitleistungen agiert auch dort erkennbar ein Reinigungsteam, für welches die vom Toilettenbesucher – vermeintlich zufällig – angetroffene Person lediglich stellvertretend steht.
72Die Kammer sieht angesichts des Umstands, dass der Kläger zugleich andere Flächen/Bereiche gereinigt hat, keinen Anlass, ihn von einer Teilhabe an den Trinkgeldeinnahmen auszuschließen, da er unstreitig regelmäßig zumindest auch zur Reinigung der Toilettenanlagen herangezogen worden ist.
73- 74
d. Soweit mit den „Sitzerinnen“, dem Kläger und dem übrigen Team vereinbart war und ist oder diese Personen angewiesen sind, das Trinkgeld in Gänze an die Beklagte zum Zwecke der dortigen Verwendung abzuliefern, ist dies sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und damit rechtsunwirksam.
Ein rechtsgeschäftliches Handeln oder Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Abzustellen ist dabei auf die in der Gemeinschaft anerkannten moralischen und rechtlichen Anschauungen, wobei ein durchschnittlicher Maßstab anzulegen ist. Ein Rechtsgeschäft ist unter Würdigung seines Gesamtcharakters dann als sittenwidrig zu betrachten, wenn es nach Inhalt, Beweggründen oder Zweck mit grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung unvereinbar ist. Die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB kann auch in einem Verhalten gegenüber einem Vertrags- oder Geschäftspartner begründet sein, wenn dieser als strukturell schwächere Partei vor der wirtschaftlichen oder intellektuellen Übermacht der anderen Partei zu schützen ist (Palandt/Ellenberger, 72. Auflage 2013, § 138 BGB, Rn. 24 m.w.N.).
76Gemessen an diesen Grundsätzen ist es mit dem allgemeinen Rechts- und Moralempfinden unvereinbar, von den Nutzern einer unentgeltlichen Leistung ein Trinkgeld, das nach § 107 Abs. 3 S. 2 GewO und nach allgemeinem Verständnis einer Mehrzahl von Arbeitnehmern zusteht, offensiv zu akquirieren und dabei auf die Unterstützung der vermeintlich begünstigten Beschäftigten zurückzugreifen, diese aber zugleich – für die Geber nicht erkennbar – zur vollständigen Abgabe der vereinnahmten Beträge zwecks bestimmungswidriger Verwendung der Gelder zu verpflichten.
77Die Anweisungen im Leitfaden der Beklagten vom 13.3.2013, hier ist bezeichnender Weise durchgängig von „Trinkgeld“ die Rede, lassen erkennen, dass die Beklagte gerade beabsichtigte, den wahren Verwendungszweck der Gelder gegenüber den Toilettennutzern nicht in allzu offen in Erscheinung treten zu lassen, um die eigene Einnahmesituation günstiger zu gestalten.
78Dazu hat sich die Beklagte ihrer Weisungsbefugnis und ihrer strukturellen Überlegenheit in den von persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit geprägten Arbeitsverhältnissen mit den „Sitzerinnen“ und dem Reinigungspersonal bedient und diesen Beschäftigtenkreis so um die Möglichkeit einer wirklichen Trinkgeldeinnahme gebracht.
79Das angesprochene Verhalten der Beklagten stellt sich damit in der Gesamtbetrachtung als sittenwidrig i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB dar.
80II.
81Die Kostenentscheidung bleibt aus Gründen ihrer Einheitlichkeit dem Schlussurteil vorbehalten.
82Der Gegenstandswert, den die Kammer gem. § 61 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 3, 5 ZPO im Urteil festgesetzt hat, orientiert sich an den klägerischen Schätzwerten, (120.000,00 € : 20 Beschäftigte x 50 %).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Gelsenkirchen Teilurteil, 21. Jan. 2014 - 1 Ca 2158/13
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Urteil einreichenArbeitsgericht Gelsenkirchen Teilurteil, 21. Jan. 2014 - 1 Ca 2158/13 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über die Höhe der in den Toilettenanlagen des
Centro P in den Monaten Mai und Juni 2013 vereinnahmten Trinkgelder zu erteilen.
2. Der Feststellungsantrag zu 1.) und der Zwischenzeugnisantrag werden abgewiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
4. Der Gegenstandswert dieses Teilurteils beträgt 4.100,00 Euro.
1
T a t b e s t a n d
3Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses sowie über die Frage, ob die Klägerin an von der Beklagten vereinnahmten Geldbeträgen zu beteiligen ist, weil es sich dabei um „Trinkgelder“ für das Personal gehandelt hat.
4Die 1955 geborene, verheiratete Klägerin war seit dem 16.10.2006 bei der Beklagten, einem Unternehmen des Gebäudereinigungs- und Gebäudedienstleistungsgewerbes mit regelmäßig mehr als 10 Beschäftigten, auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 13.10.2006 (Bl. 61 ff d. A.), auf den der Einzelheiten wegen Bezug genommen wird, in Teilzeit beschäftigt. Die danach vorgesehene Tätigkeit der Unterhaltsreinigerin übte die Klägerin, ihren Wünschen entsprechend, zwischenzeitlich nur für wenige Monate aus. Überwiegend, im Jahr 2013 durchgehend, war ihr die Tätigkeit einer Toilettenaufsicht (sog. „Sitzerin“) ohne unmittelbare Reinigungsaufgaben zugewiesen. Dafür erhielt die Klägerin zuletzt einen Stundenlohn in Höhe von 5,20 € brutto, woraus ein Monatseinkommen in Höhe von rund 600,00 € brutto resultierte.
5Der Einsatz der Klägerin erfolgte ständig im Einkaufszentrum Centro P, mit deren Betreiberin die Beklagte seit Jahren in laufender Vertragsbeziehung steht. Der Beklagten obliegt dort die Reinigung der 4 öffentlichen für die Kunden und Besucher vorgesehenen Toilettenanlagen sowie die Sauberhaltung weiterer Flächen im Cateringbereich. In den Sommermonaten 2013 bestand das von der Beklagten im Centro P eingesetzte Team aus insgesamt 12 sog. „Sitzerinnen“ und 8 Reinigungskräften, wobei letztere, den tariflichen Bestimmungen entsprechend, eine Stundenvergütung in Höhe von mindestens 9,00 € brutto erhielten.
6Das Centro P erhebt von den Kunden/Besuchern für die Nutzung der Toilettenanlagen kein Entgelt. Gleichwohl sind in den Eingangsbereichen der 4 Toilettenanlagen auf dort vorgehaltenen Tischen Sammelteller aufgestellt, auf denen die Toilettenbesucher einen Geldbetrag hinterlassen können. Hauptaufgabe der Klägerin war es, sich ständig – zumeist sitzend – an einem dieser Tische mit Sammelteller aufzuhalten, dabei stets einen sauberen weißen Kittel zu tragen, das Geld, welches die Toilettenbesucher freiwillig auf den Teller legen, regelmäßig bis auf wenige Geldstücke abzuräumen, zunächst in ihre Kitteltasche zu stecken und je nach Aufkommen mehrmals je Schicht in einen Tresor einzulegen. Darüber hinaus hatte sie die Toilettenanlagen zu kontrollieren und im Bedarfsfall das Reinigungspersonal über Funk zu rufen.
7Nach einer schriftlichen Arbeitsanweisung der Beklagten („Leitfaden“, für das Personal, Stand 13.3.2013, Bl. 68 ff d. A.), auf die der Einzelheiten wegen verwiesen wird, sind die „Sitzerinnen“ ausdrücklich gehalten, Blickkontakt zu den Besuchern aufzunehmen, die dort als „Trinkgeld“ bezeichneten Geldbeträge – auch in die eigene Hand – dankend entgegen zu nehmen oder bei Bedarf zu wechseln und dabei gegenüber den Besuchern nicht zu offenbaren, dass sie selbst keine Reinigungstätigkeiten ausüben.
8Bei etwaigen Fragen der Besucher nach dem Verwendungszweck des Geldes, der bereits in den Jahren 2008/2009 unter Überschriften wie „WC-Personal muss Trinkgeld abgeben“ Gegenstand der Berichterstattung in regionalen Printmedien war, ist nach dem „Leitfaden“ auf die gemeinsamen Hinweisschilder von Centro P und der Beklagten, die nach dem Vorbringen der Beklagten im Nahbereich der Sammelteller, nach Angaben der Klägerin an kaum einsehbarer Stelle hinter stets geöffneten Türen angebracht waren, zu verweisen. Nach diesen Hinweisschildern (Stand Januar 2009, Bl. 46 d. A.) fließt ein für die Benutzung der Toiletten freiwillig gegebener „Obulus“ der Beklagten zu, die selbigen „für die Reinigung und den Unterhalt der Toilettenanlagen“ verwendet, womit er „auch der Entlohnung des hierfür eingesetzten Personals“ dient.
9Hinsichtlich dieser Hinweisschilder ist unstreitig, dass selbige im Laufe des Jahres 2012 ersatzlos demontiert worden sind.
10Nach Angaben der Beklagten erfolgte dies gegen Ende 2012 im Zuge von Umbau- und Renovierungsarbeiten. Die dafür verantwortliche Centro-Betreiberin habe bereits Ersatzschilder in Auftrag gegeben. Diese waren jedenfalls zum Zeitpunkt der Güteverhandlung (19.9.2013) aber noch nicht montiert.
11Mit Schreiben vom 30.5.2013 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 30.6.2013, was ihr die Beklagte schriftlich bestätigte. Gegen Mitte Juni 2013 führte die Klägerin, die Schriftführerin des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats war, ein Gespräch mit der Personalsachbearbeiterin, der Zeugin C, und dem Geschäftsführer der Beklagten. Anlass des Gesprächs, dessen Inhalt im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist, war der Wunsch der Klägerin, das Arbeitsverhältnis nun doch – ggf. unter geänderten Beschäftigungs- oder Vertragsbedingungen – fortzusetzen. Bei dem Gespräch waren ein weiteres Betriebsratsmitglied, die Zeugin F, und der damals ebenfalls bei der Beklagten beschäftigte Ehemann der Klägerin, der Zeuge S, zugegen.
12Mit ihrer am 8.8.2013 bei Gericht eingegangen, am 15.8.2013 zugestellten Klage macht die Klägerin zunächst den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend. Im Rahmen des im Juni 2013 geführten Gesprächs sei Einigkeit erzielt worden, dass das Arbeitsverhältnis nicht mit dem 30.6.2013 enden werde. Mit dem Geschäftsführer der Beklagten sei vielmehr vereinbart worden, dass selbiges unter Abänderung des Einsatzortes und der Arbeitsaufgaben per Änderungsvertrag fortbestehen solle, was die Zeugin F und der Zeuge S bestätigen könnten. Dabei sei ein Einsatz in der Wäscherei einer Werkstatt für behinderte Menschen, der „Heimstatt E1“ in E2, abgesprochen worden. Dort habe zum Gesprächszeitpunkt Personal gefehlt.
13Entgegen dieser Vereinbarung habe sich die Beklagte jedoch mit anwaltlichem Schreiben vom 18.7.2013 zu Unrecht einer Vertragsbeendigung zum 30.6.2013 berühmt und parallel entsprechende Papiere übersandt, woraus sich ein entsprechendes Feststellungsinteresse ergebe. Die Beklagte habe zudem ein Zwischenzeugnis zu erteilen und für den Fall, dass entgegen ihrer Auffassung doch von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden müsse, jedenfalls 6 Tage Resturlaub mit einem Betrag in Höhe von 166,15 € brutto abzugelten.
14Mit unter gleichem Datum zugestellter Klageerweiterung vom 17.9.2013 macht die Klägerin darüber hinaus geltend, dass sie an den in den Monaten Mai und Juni 2013 über die Sammelteller im Centro P erzielten Einnahmen der Beklagten teilhaben müsse. Den Besuchern werde zielgerichtet suggeriert, dass freiwillig ein Trinkgeld für das Reinigungs- und Aufsichtspersonal gegeben werde könne. An diese mit der freiwilligen Hingabe von kleineren Geldbeträgen verbundene Zweckbestimmung sei die Beklagte gebunden. Trinkgeld stehe nach Maßgabe gewerbe- und steuerrechtlicher Bestimmungen allein den Arbeitnehmern zu. Die Beklagte sei aufgrund vertraglicher Nebenpflichten oder bei entsprechender Anwendung von Bestimmungen des Auftragsrechts verpflichtet, für das Personal hingegebenes Trinkgeld weiterzuleiten.
15Da sie nicht wissen könne, wie hoch genau die Einnahmen gewesen seien, habe die Beklagte im Rahmen einer Stufenklage zunächst Auskunft über die Höhe der Trinkgeldeinnahmen zu erteilen. Von dem Gesamtbetrag stehe ihr unter Berücksichtigung der im Centro P vorgehaltenen Personalstärke ein Anteil von 1/20 zu. Sie gehe davon aus, dass an normalen Tagen bis zu eintausend, an Spitzentagen mehrere tausend Euro über die Teller erwirtschaftet werden.
16Die Klägerin, die einen weiteren auf Abrechnung des Trinkgelds gerichteten Antrag im Kammertermin zurückgenommen hat, beantragt,
17- 1.18
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.6.2013 hinaus fortbesteht,
- 2.20
die Beklagte zu verurteilen, ihr ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen,
- 3.22
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1., die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 166,15 € brutto nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- 4.24
die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, ihr Auskunft über die Höhe der in den Toilettenanlagen des Centro P vereinnahmten Trinkgelder in den Monaten Mai und Juni 2013 zu erteilen.
- 5.26
Nach erteilter Auskunft die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit der Auskunft gemäß Klageantrag zu 4. an Eides statt zu versichern,
- 6.28
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1/20 des sich aus der gemäß Klageantrag zu 4. erteilten Auskunft ergebenden Gesamtbetrages nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Sie hält die Klage für insgesamt unbegründet. Das Arbeitsverhältnis habe durch die Kündigung der Klägerin vom 30.5.2013 sein Ende gefunden. Im Rahmen des im Juni 2013 geführten Gesprächs sei der Klägerin verdeutlicht worden, dass eine einseitige Kündigungsrücknahme nicht akzeptiert werde. Zwar seien das Objekt „Heimstatt E1“ und eine Einsatzmöglichkeit in der dortigen Wäscherei zur Sprache gekommen. Der Klägerin sei jedoch – was die Zeugin C bestätigen könne – erläutert worden, dass erst nach Abschluss der damals laufenden Einarbeitung einer neuen Objektleiterin abgeschätzt werden könne, ob dort Personalbedarf bestehe. Dabei sei betont worden, dass dies aktuell nicht der Fall wäre weshalb noch kein Angebot für ein neues Arbeitsverhältnis unterbreitet werden könne. Soweit die Klägerin hilfsweise Urlaubsabgeltung beanspruche, sei die Klage wegen fehlender Angaben zu Anspruchsgrund und Anspruchshöhe unschlüssig.
32An den über die Sammelteller erzielten Einnahmen sei die Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beteiligen, diese habe insbesondere kein Eigentum an den Geldern erworben.
33Der Einsatz des Aufsichtspersonals diene dem Wohlbefinden und der Sicherheit der Toilettenbesucher und werde vom Centro P ohne eigene adäquate Gegenleistung verlangt, wofür im Gegenzug die Einnahmemöglichkeit über die Sammelteller eröffnet sei. Die Klägerin habe in der Funktion der „Sitzerin“ stets in dem Wissen gehandelt, dass die vereinnahmten Geldbeträge ausschließlich ihr, der Beklagten, zufließen sollen, was als solches unstreitig ist. Hauptarbeitsaufgabe der Klägerin sei gerade die Entgegennahme des Geldes und dessen Weiterleitung gewesen. Genau dafür habe sie ihre Vergütung erhalten, die – neben sonstigen Kosten – aus eben diesen Einnahmen bestritten worden sei. Es sei geradezu widersinnig, ein Teil dieser Einnahme jetzt zusätzlich unter dem Gesichtspunkt des Trinkgelds zu beanspruchen.
34Bei den Einnahmen handle es sich zudem – auch nach der Vorstellung der Toilettenbesucher – nicht um ein Trinkgeld im herkömmlichen Sinne, sondern vielmehr um ein freiwilliges Nutzungsentgelt. Dieses stehe allein ihr als Reinigungsdienstleisterin zu, worüber man die Besucher durch die Hinweisschilder unmissverständlich aufgeklärt habe. Durch den jahrelangen Aushang der Hinweisschilder habe sich ein entsprechendes Bewusstsein der Besucher entwickelt.
35Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 21.1.2014 war, Bezug genommen.
36Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeuginnen F und C und des Zeugen S. Weges des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.01.2014 verwiesen.
37E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
38Die mit den zur Entscheidung anstehenden Anträgen zulässige Klage hat insoweit in der Sache nur zum Teil Erfolg.
39I.
40Die Klage ist mit dem Feststellungsantrag und dem Zwischenzeugnisantrag unbegründet. Der von der Klägerin in ein Stufenverhältnis gestellte Auskunftsantrag zu 4. ist hingegen zulässig und begründet. Die Anträge zu 5. und 6. stehen daher noch nicht zur Entscheidung an. Der Hilfsantrag zu 3. ist noch nicht entscheidungsreif.
41- 42
1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Auskunft über die Höhe der in den Monaten Mai und Juni 2013 über die Sammelteller im Centro P erzielten Trinkgeldeinnahmen gegen die Beklagte aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 107 Abs. 3 S. 2 GewO, da es sich nach der stillschweigenden Zweckbestimmung der die Geldbeträge hingebenden Personen um für das Personal bestimmtes Trinkgeld gehandelt hat.
- 44
a. Der Auskunftsantrag ist als Antrag der 1. Stufe im Rahmen einer Stufenklage nach § 254 ZPO zulässig, da – wie noch auszuführen ist – der Klägerin ein noch nicht bezifferbarer Leistungsanspruch gegen die Beklagte aus dem beendeten Arbeitsverhältnis zusteht, zu dessen Konkretisierung und Durchsetzung sie zunächst auf die durch die Auskunft zu erlangenden Angaben angewiesen ist. Der Auskunftsantrag ist i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, da aus dem Klageantrag eindeutig und abgrenzbar erkennbar ist, welchen Teil ihrer Einnahmen die Beklagte bezogen auf einen genau umrissenen Zeitraum offenlegen soll.
- 46
b. Der Antrag ist nach § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 241 Abs. 2, 242, 260 BGB und § 107 Abs. 3 S. 2 GewO begründet.
Das Arbeitsverhältnis als ein auf Dauer angelegtes Schuldverhältnis des Privatrechts begründet nicht lediglich gegenseitige Leistungspflichten, sondern zugleich – wie in § 241 Abs. 2 BGB ausdrücklich angesprochen – Verhaltenspflichten beider Parteien, die in der arbeitsrechtlichen Praxis unter den Oberbegriffen Fürsorge (Arbeitgeber) und Treue (Arbeitnehmer) zusammengefasst werden. Der Arbeitgeber ist danach – im Sinne einer vertraglichen Nebenpflicht – gehalten, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen.
48Ihm erwachsen daraus Schutz-, Sorgfalts- und Auskunftspflichten, deren Verletzung dem Arbeitnehmer klagbare Erfüllungs- und Unterlassungsansprüche vermittelt (Schaub/Koch, Arbeitsrechtshandbuch, 15. Auflage 2013, § 106, Rn 9-11 m. w. N.).
49Eine in diesem Sinne umfassend begründete Fürsorgepflicht beinhaltet nach Auffassung der Kammer auch Aspekte der Vermögenssorge. Der Arbeitgeber ist deshalb unter allein schuldrechtlichen Gesichtspunkten gehalten, nach dem Willen Dritter für seine Arbeitnehmer bestimmtes, angenommenes, tatsächlich aber (zunächst) von ihm vereinnahmtes Trinkgeld i. S. d. § 107 Abs. 3 S. 2 GewO an den begünstigen Personenkreis weiterzuleiten. Die – von der Beklagten bemühte – eigentumsrechtliche Betrachtung ist insoweit irrelevant.
50Daraus folgt hier ein Anspruch der Klägerin auf Teilhabe an den im fraglichen Zeitraum über die Sammelteller im Centro P erwirtschafteten Geldbeträgen, denn es handelte sich nach der die Parteien insoweit bindenden Zweckbestimmung der zuwendenden Personen um Trinkgeld i.S.d. § 107 Abs. 3 S. 2 GewO. Da die lediglich in Teilzeit und während ihrer Schichten notwendig nur an einem der 4 Sammelpunkte tätige Klägerin die genaue Höhe der Einnahmen nicht kennen kann und ihr kein anderer Weg zur Erlangung der zur Bezifferung ihrer Ansprüche benötigten Informationen zur Verfügung steht, ist ihr die Beklagte aus diesem Rechtsverhältnis zunächst zur Erteilung einer umfassenden und wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet.
51Ob und unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt die Beklagte ggf. berechtigt ist, etwaigen ihr mit der Sammlung und Verteilung des Trinkgelds entstehenden Aufwand vor dessen Aufteilung in Abzug zu bringen, bedarf im Zusammenhang mit dem Auskunftsbegehren keiner Entscheidung.
52aa. Bei den von den Besuchern der Toilettenanlage des Centro P in dem Monaten Mai und Juni 2013 hingegebenen Geldbeträgen handelte es sich um Trinkgeld für das dort eingesetzte Personal der Beklagten.
53(1) Ein verpflichtendes Nutzungsentgelt bestimmter Höhe wird den Besuchern der dortigen Toilettenanlagen nach unstreitigem Parteivorbringen nicht abverlangt. Deutlich erkennbare Hinweise an die Besucher, die einen bestimmten Verwendungszweck der danach freiwillig hingegebenen Geldbeträge offenlegen und auf eine entsprechende Willensrichtung des Besucherkreises schließen lassen, waren zum fraglichen Zeitpunkt nicht vorhanden. Die zumindest seit dem Jahr 2009 angebrachten Hinweistafeln waren nach unstreitigem Parteivorbringen jedenfalls seit Ende des Jahres 2012 ersatzlos demontiert und wurden über Monate, jedenfalls über den gesamten hier fraglichen Zeitraum, nicht wieder angebracht. Die Frage nach dem genauen Standort dieser Hinweisschilder und deren Auffindbarkeit und Lesbarkeit für die Besucher bedarf hier daher keiner Aufklärung.
54(2) Aus dem Umstand, dass Hinweisschilder über mehrere Jahre angebracht waren, kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf einen kollektiv verankerten dauerhaften Zweckbestimmungswillen der Besucher im Sinne der Hinweisinhalte geschlossen werden. Selbst wenn einzelnen Besuchern der genaue Inhalt der Hinweisschilder auch nach Monaten noch erinnerlich gewesen sein sollte, was der Kammer mangels einer über den Moment der unmittelbaren Wahrnehmung und Zahlung hinausreichenden Relevanz bereits als fernliegend erscheint, kommt der Demontage der Schilder mindestens die gleiche Aussagekraft zu, wie dem Umstand, dass dort einst Hinweistafeln bestimmten Inhalts vorhanden waren. Aus der Demontage dieser Schilder ist nämlich objektiv zu folgern, dass an dem dort dargestellten Verwendungszweck – soweit dieser gedanklich noch präsent ist – nicht mehr festgehalten wird, womit sich das Vorhandensein von Hinweisschildern in der Vergangenheit, deren Auffindbarkeit und ihr genauer Inhalt vorliegend als insgesamt nicht entscheidungsrelevant darstellt.
55(3) Der Zweck der Geldleistung war danach im fraglichen Zeitraum durch die Beklagte nicht ausdrücklich in einer für die Nutzer der Toilettenanlagen erkennbaren Weise bestimmt. Ebenso vollzieht sich die Hingabe des Geldes in einer Sammelsituation wie der vorliegenden bei sozialtypischer Betrachtung regelmäßig ohne ausdrückliche Zweckbestimmung der leistenden Person. Diese will vielmehr Geldbeträge für den ihr – ggf. konkludent – offerierten Zweck zuwenden.
56Es besteht kein Erfahrungssatz und auch keine allgemeine Übung dahin, dass bei einer für den Nutzer oder Begünstigten erkennbar kostenlos erbrachten Leistung – hier der Toilettennutzung – gleichwohl oder aber zusätzlich zu einem vereinbarten Entgelt freiwillig hingegebene Geldbeträge stets dem Arbeitgeber zufließen, der hinter dem erkennbar vor Ort agierenden Personal steht. Bei sozialtypischer Betrachtung ist gerade – was § 107 Abs. 3 S. 2 GewO und Bestimmungen des Einkommenssteuerrechts aufgegriffen haben – das Gegenteil der Fall. Ebenso kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Hingabe von Geldbeträgen speziell an Reinigungskräfte bei kostenloser Inanspruchnahme öffentlich zugänglicher Toilettenanlagen stets mit der Erwartung verbunden ist, das Geld diene (nur) dem Unterhalt der Anlage. In diesem Fall wäre gerade die Erhebung eines bestimmten Nutzungsentgelts typisch. Schon gar nicht kann ein genereller Wille der Leistenden angenommen werden, das an Toilettenanlagen freiwillig hingegebene Geld solle für die Bezahlung zusätzlichen Personals verwendet werden, welches im Wesentlichen nur für das Einsammeln des Geldes vorgehalten wird, woran der Besucher naturgemäß kein Interesse haben kann.
57(4) Mangels ausdrücklicher Zweckbestimmung bzw. Rechtsgrundbestimmung durch Leistenden und Leistungsempfänger und der fehlenden Feststellbarkeit einer allgemeinen oder speziellen Übung in dem von der Beklagten angenommenen Sinne hat die Kammer nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Regeln (§§ 133, 157 BGB) zu beurteilen, auf welcher rechtlichen Grundlage sich die Hingabe der Geldbeträge im fraglichen Zeitraum vollzogen hat und welche Rechtsfolgen daraus entstehen.
58Unter Trinkgeld ist nach der Legaldefinition des § 107 Abs. 3 S. 2 GewO ein Geldbetrag zu verstehen, den ein Dritter dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt. Die Norm schließt nicht aus, dass die dem Arbeitgeber geschuldete Leistung von einer anderen Person als dem Trinkgeldzuwender erbracht wird, wie dies hier im Verhältnis der Beklagten zur Centro P Betreiberin aus dem Reinigungsvertrag der Fall ist.
59Die Zuwendung eines Trinkgelds vollzieht sich rechtsgeschäftlich betrachtet regelmäßig auf der Grundlage einer Schenkung i. S. d. § 516 BGB (Palandt/Weidenkaff, 72. Auflage 2013, § 516 BGB, Rn. 9 m. w. N.) oder aber eines Rechtsgeschäfts eigener Art mit schenkungsrechtlicher Prägung. Eine Zuwendung von Trinkgeld setzt danach eine Willenseinigung durch den Austausch zweier sich inhaltlich entsprechender empfangsbedürftiger Willenserklärungen voraus (Angebot und Annahme), die sich konkludent, also allein durch schlüssiges Verhalten beider Seiten ergeben kann. Einer besonderen Form bedarf das unmittelbar vollzogene Schenkungsversprechen nach § 518 Abs. 2 BGB nicht.
60Von einer unmittelbar vollzogenen Trinkgeldzuwendung zugunsten der an den Toilettenanlagen eingesetzten Arbeitnehmer in dem geschilderten Sinne kann vorliegend ausgegangen werden. Die Deutung stillschweigender empfangsbedürftiger Willenserklärungen hat nach §§ 133, 157 BGB unter entscheidender Berücksichtigung der Begleitumstände im Wege der sog. normativen Auslegung zu erfolgen (Palandt/Ellenberger, 72. Auflage 2013, § 133 BGB, Rn. 7 m. w. N.). Dabei ist nicht der wirkliche Wille des Erklärenden maßgeblich. Zu ermitteln ist vielmehr, wie der Adressat der Erklärung den Willen verstehen konnte (Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Auflage 1990, § 24, Rn. 323). Richtet sich die Erklärung an eine unbestimmte Vielzahl von Personen, so ist auf die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Beteiligten des angesprochenen Personenkreises unter Berücksichtigung der erkennbaren Umstände abzustellen (Palandt/Ellenberger, 72. Auflage 2013, § 133 BGB, Rn. 12).
61Nach diesen Grundsätzen stellt sich das Aufstellen der Sammelteller vor den Toilettenanlagen des Centro P unter Berücksichtigung der konkreten Umstände als stillschweigende Aufforderung (invitatio ad offerendum) an die Toilettenbesucher zur (schenkungsweisen) Hingabe eines Trinkgelds mit damit bereits verbundener (antizipierter) Annahmeerklärung dar. Das rund um die „Sitzerin“ und den Sammelteller von der Beklagten – wie ihr Leitfaden vom 13.3.2013 erkennen lässt – bewusst erzeugte Gesamtbild ließ, mangels konkreter Hinweise auf einen anderen Willen (s. o.), aus der Sicht eines durchschnittlichen Toilettenbesuchers ohne besondere Kenntnisse ggf. abweichender Branchengepflogenheiten, welche die Kammer nicht unterstellen will, nur den Rückschluss zu, dass hier freiwillig ein dem Personal unmittelbar und zusätzlich zum Lohn zufließender Geldbetrag hingegeben werden konnte.
62Dabei erscheint zunächst die Wahl eines offenen Tellers als Sammelstelle für das Geld von Bedeutung, der – anders als eine Kasse oder Geldkassette – wie z. B. auch ein herumgereichter Hut suggeriert, dass hier kein Zahlvorgang vorgesehen, sondern eine Zuwendung erbeten wird. Der von der Beklagten vorgeschriebene weiße Kittel der „Sitzerinnen“ ordnet die Aufsichtsperson nach objektivem Verständnis eindeutig dem Kreis des Reinigungspersonals zu. Die von der Beklagten im Leitfaden angesprochene Variante der Geldannahme mit der Hand verstärkt – so sie gewählt wird – den Eindruck einer persönlichen Zuwendung an das Personal.
63Die ständige Präsens einer „Sitzerin“ im Nahbereich des Sammeltellers und die vorgesehene persönliche Ansprache/Begrüßung der Besucher sind auf die Schaffung einer Verbindlichkeit in dem Sozialkontakt und die Herstellung einer persönlichen Verknüpfung zwischen der vermeintlichen Reinigungsperson und einer „sauberen“ Toilettenanlage gerichtet, verbunden mit einem daraus resultierendem sozialen Druck nebst Kontrolle, sich dafür durch ein Trinkgeld erkenntlich zu zeigen, weil dessen Hingabe sozialtypischen Verhaltensmustern entspricht.
64Die Umsetzung der Weisung, das erhaltene Geld ständig bis auf wenige Münzen von den Tellern zu räumen, diese also quasi leer zu halten, suggeriert, dass es vorliegend um eine geringfügige Aufbesserung eines – nach allgemeiner Meinung schmalen – Lohnes geht, was die Freigiebigkeit erhöht. Das ferner vorgesehene Einstecken der Münzen in den Kitteltaschen erweckt, wird es beobachtet, der Herstellung des persönlichen Gewahrsams wegen ebenfalls den Eindruck, das Geld fließe direkt den Reinigungskräften zu.
65Dass so geschaffene Gesamtbild rundet sich dadurch ab, dass den „Sitzerinnen“ die Offenbarung des Umstands, dass sie selbst keine unmittelbare Reinigungstätigkeit ausüben, ausdrücklich untersagt und bei Rückfragen zur Verwendung des Geldes auf die Hinweisschilder zu verweisen ist, die zu lesen sich ein eiliger Besucher im Zweifel nicht die Mühe machen wird.
66Entsteht danach im Gesamtbild der Eindruck, es könne und solle – weil offen mit Billigung des Arbeitgebers – ein Trinkgeld gezahlt werden, liegt in der stillschweigenden Hingabe eines Geldbetrages durch die Toilettenbesucher eben eine solche Erklärung bzw. Zweckbestimmung. Soweit die Beklagte gerade etwas anderes wollte, sich also in Wahrheit permanent in Widerspruch mit dem selbst initiierten Erklärungsbild befand, muss dies nach § 116 S. 1 BGB außer Betracht bleiben.
67bb. Die Klägerin gehört – obwohl sie selbst gar keine unmittelbaren Reinigungstätigkeiten wahrzunehmen hatte – zu dem durch das Trinkgeld begünstigten Personenkreis. Die Kammer geht nach den besonderen Umständen im Centro P davon aus, dass die Toilettenbenutzer die Hingabe von Trinkgeld nicht ausschließlich mit der Erwartung verbunden haben, dieses fließe allein der jeweils am Sammeltisch befindlichen Person zu. Die Hingabe eines Trinkgeldes kann nach den Umständen der Leistung zwar auch eine Zuwendung für eine ganz bestimmte einzelne Person sein (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9.12.2010 – 10 Sa 483/10 – zitiert nach juris).
68Wird die freiwillig honorierte Leistung aber erkennbar von einem Team erbracht, so steht das vereinnahmte Geld im Zweifel dem Team in seiner Gesamtheit zu. So ist es etwa in Teilen der besonders trinkgeldträchtigen Gastronomiebranche durchaus üblich, dass die Serviceleistungen differenziert nach Speisen und Getränken von unterschiedlichen Personen erbracht werden und zum Zwecke des Kassierens eine dritte Kraft in Erscheinung tritt, während weitere Beschäftigte ihren Teil an der Gesamtleistung gänzlich im Hintergrund erbringen. In einem solchen Fall kann – wie vorliegend – nicht angenommen werden, das Trinkgeld stehe nur dem zu, der es tatsächlich erhält. Angesichts der Größe und Vielzahl der im Centro P vorgehaltenen Toilettenanlagen, der langen Öffnungszeiten, des Personalwechsels z. B. bei Pausen und Schichtende und der im Hintergrund erforderlichen logistischen Begleitleistungen agiert auch dort erkennbar ein Reinigungsteam, für welches die vom Toilettenbesucher – vermeintlich zufällig – angetroffene Person stellvertretend steht.
69Die Kammer sieht auch angesichts der Arbeitsaufgaben, die der Klägerin konkret oblegen haben, keinen Anlass, sie von einer Trinkgeldteilhabe auszuschließen. Die Kontrolle der Anlagen, das Auffüllen von Verbrauchsmaterial und das Herbeirufen von Reinigungskräften stellt sich als wesentlicher Beitrag zur honorierten Gesamtserviceleistung dar. Die Höhe des für ein Reinigungsteam hingegebenen Trinkgelds hängt im Übrigen, neben dem Eindruck der Sauberkeit, nicht nur unwesentlich von der Freundlichkeit und dem Auftreten der angetroffenen Personen, hier der Sitzerin, ab.
70- 71
c. Soweit mit der Klägerin und dem übrigen Team vereinbart ist oder diese Personen angewiesen sind, das Trinkgeld in Gänze an die Beklagte zum Zwecke der dortigen Verwendung abzuliefern, ist dies sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und damit rechtsunwirksam.
Ein rechtsgeschäftliches Handeln oder Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.
73Abzustellen ist dabei auf die in der Gemeinschaft anerkannten moralischen und rechtlichen Anschauungen, wobei ein durchschnittlicher Maßstab anzulegen ist. Ein Rechtsgeschäft ist unter Würdigung seines Gesamtcharakters dann als sittenwidrig zu betrachten, wenn es nach Inhalt, Beweggründen oder Zweck mit grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung unvereinbar ist. Die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB kann auch in einem Verhalten gegenüber einem Vertrags- oder Geschäftspartner begründet sein, wenn dieser als strukturell schwächere Partei vor der wirtschaftlichen oder intellektuellen Übermacht der anderen Partei zu schützen ist (Palandt/Ellenberger, 72. Auflage 2013, § 138 BGB, Rn. 24 m.w.N.).
74Gemessen an diesen Grundsätzen ist es mit dem allgemeinen Rechts- und Moralempfinden unvereinbar, von den Nutzern einer unentgeltlichen Leistung ein Trinkgeld, das nach § 107 Abs. 3 S. 2 GewO und nach allgemeinem Verständnis einer Mehrzahl von Arbeitnehmern zusteht, offensiv zu akquirieren und dabei auf die Unterstützung der vermeintlich begünstigten Beschäftigten zurückzugreifen, diese aber zugleich – für die Geber nicht erkennbar – zur vollständigen Abgabe der vereinnahmten Beträge zwecks bestimmungswidriger Verwendung der Gelder zu verpflichten. Die Anweisungen im Leitfaden der Beklagten vom 13.3.2013, hier ist bezeichnender Weise durchgängig von „Trinkgeld“ die Rede, lassen erkennen, dass die Beklagte gerade beabsichtigte, den wahren Verwendungszweck der Gelder gegenüber den Toilettennutzern nicht in allzu offen in Erscheinung treten zu lassen, um die eigene Einnahmesituation günstiger zu gestalten. Dazu hat sich die Beklagte ihrer Weisungsbefugnis und ihrer strukturellen Überlegenheit in den von persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit geprägten Arbeitsverhältnissen mit den „Sitzerinnen“ und dem Reinigungspersonal bedient und diesen Beschäftigtenkreis so um die Möglichkeit einer wirklichen Trinkgeldeinnahme gebracht.
75Das angesprochene Verhalten der Beklagten stellt sich damit in der Gesamtbetrachtung als sittenwidrig i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB dar.
76- 77
2. Der allgemeine Feststellungsantrag ist zulässig aber unbegründet, da die Kündigung der Klägerin vom 30.5.2013 das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der von den Parteien übereinstimmend angenommenen ordentlichen Kündigungsfrist – also mit dem 30.6.2013 – aufgelöst hat.
- 79
a. Der Feststellungsantrag ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Die Beklagte berühmt sich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung der Klägerin, während selbige von einem ggf. modifizierten Fortbestehen dieses Rechtsverhältnisses aufgrund einer entsprechenden, der Kündigung folgenden Willenseinigung der Parteien ausgeht, woraus ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Feststellung folgt.
- 81
b. Der Feststellungsantrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Kündigung der Klägerin vom 30.5.2013 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30.6.2013, dieses Datum betrachten die Parteien, wie aus ihrer außergerichtlichen Korrespondenz und den übermittelten Arbeitspapieren ersichtlich, übereinstimmend als den relevanten ordentlichen Kündigungstermin, aufgelöst.
Soweit die Klägerin die einvernehmliche Aufhebung der Rechtsfolgen der Kündigung bzw. den Abschluss eines neuen oder abändernden Arbeitsvertrages behauptet, ist ihr als insoweit beweisbelastete Partei die Beweisführung nicht gelungen. Bereits bei Würdigung der Angaben der hauptbeweislich benannten Zeugin F und des Zeugen S vermag die Kammer nicht festzustellen, dass es im Rahmen des im Juni 2013 geführten Gesprächs zu einer insoweit nicht formbedürftigen Willenseinigung zwischen den Parteien gekommen ist, weshalb es auf die Bekundungen der gegenbeweislich benannten Zeugin C, welche weitgehend mit der Darstellung der Beklagten korrespondieren, nicht ankommt.
83Die Zeugin F hat im Rahmen ihrer Aussage den Gesprächsverlauf zunächst im Zusammenhang und inhaltlich detailreich geschildert. Sie hat dabei bekundet, dass der Geschäftsführer der Beklagten gar nicht gewusst habe, ob in dem Objekt „Heimstatt E1“ aktuell überhaupt Personalbedarf bestehe oder nicht und ergänzend erklärt habe, dass sich die in Einarbeitung befindliche neue Objektleiterin in ca. 4 Wochen – was für beide Parteien erkennbar nach Ablauf der angenommenen Kündigungsfrist lag – mit der Frage einer dortigen Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin beschäftigen solle. Der Geschäftsführer habe außerdem angeboten, dass sich die Klägerin von diesem Einsatzort zuvor – etwa durch dortige Mitarbeit – ein Bild machen könne, um festzustellen, ob eine dortige Tätigkeit für sie überhaupt in Betracht komme. Dieser von der Zeugin bekundete Standpunkt des Geschäftsführers lässt mit seinen beiden wesentlichen Komponenten erkennen, dass die Parteien von einer abschließen Willenseinigung hinsichtlich der Aufhebung der Rechtsfolgen der Kündigung oder einer nahtlos wirksam werdenden Modifikation ihres Arbeitsvertrages noch weit entfernt waren.
84Eine ausdrückliche Aufhebung der klägerischen Kündigung vermochte die Zeugin nicht zu bestätigen. Dass sie selbst, wie im Rahmen ihrer Aussage mehrfach betont, das Gesprächsergebnis gleichwohl im Sinne einer abschließenden Willenseinigung verstanden haben will, beruht – will man keine Begünstigungstendenzen unterstellen – erkennbar auf einer rechtlichen Fehleinschätzung der Zeugin hinsichtlich der von ihr selbst geschilderten, objektiv gegenteiligen Tatsachen und ist für die Kammer ohne Belang.
85Der Zeuge S, der sich nach seinen Angaben einige Meter vom Gesprächsort entfernt, gleichwohl aber im selben Büroraum aufgehalten hat, bestätigt, dass die Hinzuziehung der neuen Objektleiterin zwecks Klärung von Einsatzmöglichkeiten nach dem Ablauf von ca. vier Wochen angesprochen worden ist, ohne jedoch dazu Einzelheiten mitbekommen haben zu wollen, was eine nicht durchgängig aufmerksame Begleitung des Gesprächsverlaufs durch den Zeugen nahelegt.
86Soweit er wiederum ausdrücklich gehört haben will, dass die Kündigung gleichwohl für „nichtig“ oder „gegenstandslos“ erklärt worden sei, was die in ihren Erinnerungen wesentlich detaillierte und differenzierte Zeugin F gerade nicht zu bestätigen vermochte, und er dies gleichwohl in den Kontext mit einem künftig noch abzuschließenden Änderungsvertrag stellt, erscheinen der Kammer die Angaben des Zeugen als in sich widersprüchlich und von unbewussten Begünstigungstendenzen zu Gunsten der Klägerin, seiner Ehefrau, geprägt, die aus seiner Nähe zum Prozessgeschehen und dessen Begleitung im ehelichen Kreis oder der Vermischung von tatsächlichen Erinnerungen und Prozessvortrag resultieren mögen.
87Die Kammer vermag ihre Überzeugungsbildung daher auf die Angaben des Zeugen S nicht zu stützen, was bei ergänzender Würdigung der Aussage F zur Abweisung des Feststellungsantrags führen muss
88- 89
3. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Klägerin aufgelöst worden ist, steht ihr ein Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses, der denknotwendig den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses voraussetzt, nicht mehr zu. Der entsprechende Klageantrag ist daher unbegründet und muss ebenfalls der Abweisung unterliegen.
II.
91Die Kostenentscheidung bleibt aus Gründen ihrer Einheitlichkeit dem Schlussurteil vorbehalten.
92Der Gegenstandswert, den die Kammer gem. § 61 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 3, 5 ZPO und § 42 Abs. 3 GKG im Urteil festgesetzt hat, bemisst sich für den Feststellungsantrag nach dem 3-fachen Monatseinkommen der Klägerin und für den Zwischenzeugnisantrag an dem hälftigen Monatseinkommen. Hinsichtlich des Auskunftsantrags hat die Kammer, orientiert an den klägerischen Schätzwerten, einen Wert von 2.000,00 € angesetzt (80.000,00 € : 20 Beschäftigte x 50 %).
(1) Das Arbeitsentgelt ist in Euro zu berechnen und auszuzahlen.
(2) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer keine Waren auf Kredit überlassen. Er darf ihm nach Vereinbarung Waren in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt überlassen, wenn die Anrechnung zu den durchschnittlichen Selbstkosten erfolgt. Die geleisteten Gegenstände müssen mittlerer Art und Güte sein, soweit nicht ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen worden ist. Der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt darf die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen.
(3) Die Zahlung eines regelmäßigen Arbeitsentgelts kann nicht für die Fälle ausgeschlossen werden, in denen der Arbeitnehmer für seine Tätigkeit von Dritten ein Trinkgeld erhält. Trinkgeld ist ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt.
Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder die eidesstattliche Versicherung abgegeben ist.
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Das Arbeitsentgelt ist in Euro zu berechnen und auszuzahlen.
(2) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer keine Waren auf Kredit überlassen. Er darf ihm nach Vereinbarung Waren in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt überlassen, wenn die Anrechnung zu den durchschnittlichen Selbstkosten erfolgt. Die geleisteten Gegenstände müssen mittlerer Art und Güte sein, soweit nicht ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen worden ist. Der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt darf die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen.
(3) Die Zahlung eines regelmäßigen Arbeitsentgelts kann nicht für die Fälle ausgeschlossen werden, in denen der Arbeitnehmer für seine Tätigkeit von Dritten ein Trinkgeld erhält. Trinkgeld ist ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Das Arbeitsentgelt ist in Euro zu berechnen und auszuzahlen.
(2) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer keine Waren auf Kredit überlassen. Er darf ihm nach Vereinbarung Waren in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt überlassen, wenn die Anrechnung zu den durchschnittlichen Selbstkosten erfolgt. Die geleisteten Gegenstände müssen mittlerer Art und Güte sein, soweit nicht ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen worden ist. Der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt darf die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen.
(3) Die Zahlung eines regelmäßigen Arbeitsentgelts kann nicht für die Fälle ausgeschlossen werden, in denen der Arbeitnehmer für seine Tätigkeit von Dritten ein Trinkgeld erhält. Trinkgeld ist ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Das Arbeitsentgelt ist in Euro zu berechnen und auszuzahlen.
(2) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer keine Waren auf Kredit überlassen. Er darf ihm nach Vereinbarung Waren in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt überlassen, wenn die Anrechnung zu den durchschnittlichen Selbstkosten erfolgt. Die geleisteten Gegenstände müssen mittlerer Art und Güte sein, soweit nicht ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen worden ist. Der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt darf die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen.
(3) Die Zahlung eines regelmäßigen Arbeitsentgelts kann nicht für die Fälle ausgeschlossen werden, in denen der Arbeitnehmer für seine Tätigkeit von Dritten ein Trinkgeld erhält. Trinkgeld ist ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt.
(1) Eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, ist Schenkung, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.
(2) Ist die Zuwendung ohne den Willen des anderen erfolgt, so kann ihn der Zuwendende unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung über die Annahme auffordern. Nach dem Ablauf der Frist gilt die Schenkung als angenommen, wenn nicht der andere sie vorher abgelehnt hat. Im Falle der Ablehnung kann die Herausgabe des Zugewendeten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gefordert werden.
(1) Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung schenkweise versprochen wird, ist die notarielle Beurkundung des Versprechens erforderlich. Das Gleiche gilt, wenn ein Schuldversprechen oder ein Schuldanerkenntnis der in den §§ 780, 781 bezeichneten Art schenkweise erteilt wird, von dem Versprechen oder der Anerkennungserklärung.
(2) Der Mangel der Form wird durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Eine Willenserklärung ist nicht deshalb nichtig, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. Die Erklärung ist nichtig, wenn sie einem anderen gegenüber abzugeben ist und dieser den Vorbehalt kennt.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 29. Juli 2010, Az.: 2 Ca 438/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier fristloser, hilfsweise ordentlicher Kündigungen des Beklagten, die Berechtigung zweier Abmahnungen sowie über die Frage, ob der Kläger berechtigt ist, bei den Gästen zu kassieren und das Trinkgeld zu behalten.
- 2
Der Kläger (geb. am … 1960) ist seit dem 05.11.1992 im Restaurant des Hotels X. als Kellner zu einem Bruttomonatsentgelt von € 1.750,00 beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag besteht nicht. Der Beklagte hat das Hotel am 01.07.2009 im Wege eines Betriebsübergangs übernommen. Er beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes.
- 3
Der Kläger war bisher berechtigt, bei den Gästen zu kassieren und das Trinkgeld zu behalten. Er erzielte nach seinen Angaben Trinkgelder von nicht unter € 500,00 monatlich. Am 21.02.2010 erteilte ihm der Beklagte die Anweisung, dass er ab sofort nicht mehr bei den Gästen kassieren dürfe, sondern nur noch die Geschäftsleitung. Das Trinkgeld solle nunmehr in einem Geldbeutel gesammelt und dann gleichmäßig unter dem Personal aufgeteilt werden. Hiermit war der Kläger nicht einverstanden. Der Beklagte erteilte ihm wegen Verstößen gegen die neue Regelung am 24.02.2010 und am 25.02.2010 eine schriftliche Abmahnung. Mit Schreiben vom 13.03.2010 und nochmals vom 30.03.2010 kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht.
- 4
Zur weiteren Darstellung des unstreitigen Sachverhalts, des streitigen Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 29.07.2010 (dort Seite 2-5 = Bl. 78-81 d.A.).
- 5
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.07.2010 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigungen des Beklagten vom 13.03.2010 und vom 30.03.2010 aufgelöst worden ist. Es hat den Beklagten weiterhin verurteilt, die Abmahnungen vom 24.02.2010 und vom 25.02.2010 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Das Arbeitsgericht hat außerdem festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, die von ihm bedienten Gäste selbst abzukassieren und das ihm gegebene Trinkgeld zu behalten.
- 6
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Beklagte sei nicht berechtigt, dem Kläger das Kassieren zu verbieten, weil er ihm damit die Chance auf ein Trinkgeld nehme. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers sei im Laufe der 17-jährigen Tätigkeit stillschweigend dahingehend eingeschränkt worden, dass der Kläger zum Abkassieren berechtigt sei. Diese Berechtigung sei zum Vertragsinhalt geworden. Der von der Rechtsprechung geforderte schutzwürdige Vertrauenstatbestand liege darin, dass der Kläger 17 Jahre lang die Möglichkeit gehabt habe, Trinkgelder zu vereinnahmen und dementsprechend seinen gesamten Lebensstandard darauf eingerichtet habe. Das Trinkgeld gehöre zwar nicht zum Arbeitsentgelt; gleichwohl habe sich das Arbeitsverhältnis aber dahin konkretisiert, dass der Kläger weiterhin kassieren dürfe. Er müsse sich nicht auf ein neues und zudem sehr vages System einlassen. Es sei ihm nicht zuzumuten, Tag für Tag mit dem übrigen Personal über die Verteilung des Trinkgeldes zu streiten. Die streitgegenständlichen Kündigungen und Abmahnungen seien deshalb unwirksam. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 5 bis 7 des Urteils (= Bl. 81-83 d.A.) Bezug genommen.
- 7
Gegen dieses Urteil, das ihm am 05.08.2010 zugestellt worden ist, hat der Beklagte mit am Montag, dem 06.09.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 17.09.2010 begründet.
- 8
Er ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Reichweite seines Direktionsrechts verkannt. Allein die Tatsache, dass der Kläger über mehrere Jahre hinweg selbst kassieren und die Trinkgelder habe vereinnahmen dürfen, stelle keinen Umstand dar, der sein Weisungsrecht entgegen der gesetzlichen Regelung in § 106 GewO so einschränke, dass er dem Kläger diese Möglichkeit auf Dauer belassen müsse. Da der zeitliche Aspekt allein nicht ausschlaggebend sei, hätte das Arbeitsgericht prüfen müssen, ob sonstige Umstände vorliegen, die dieses Vertrauen im Kläger hätte wecken können. In der Vergangenheit habe der Kläger die Trinkgelder für sich behalten, während das Küchenpersonal keine Möglichkeit gehabt habe, an den Trinkgeldern zu partizipieren. Die durch nichts belegte Behauptung des Klägers, er habe seinen gesamten Lebensstandard entsprechend eingerichtet, sei nicht geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen zu begründen. So führe nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 05.07.1996 - 10 Sa 165/96) der Umstand, dass ein Arbeitnehmer Mehreinnahmen durch Provisionen habe erzielen können, nicht dazu, dass ihm diese Erwerbschance auf Dauer belassen werden müsse. Er habe sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen ausgeübt. Sinn und Zweck seiner Anweisung sei, den regelmäßigen „Wettlauf der Kellner“ beim Abkassieren der Gäste zu vermeiden. Obwohl die Höhe des Trinkgeldes auch und vor allem von der Qualität des Essens abhänge, profitiere das Küchenpersonal davon kaum. Gerade der Kläger sei immer sehr zurückhaltend gewesen, wenn es darum gegangen sei, einen Teil des Trinkgeldes freiwillig beim Küchenpersonal abzugeben.
- 9
Das Arbeitsgericht habe sich mit den Gründen, die er zur Rechtfertigung der beiden Kündigungen vorgetragen habe, an keiner Stelle befasst. Wie bereits erstinstanzlich dargelegt, begründe er die erste Kündigung auch und insbesondere damit, dass der Kläger die Geschäftsleitung der Unterschlagung von Trinkgeldern bezichtigt habe. Des Weiteren habe der Kläger eingeräumt, wiederholt vor Gästen demonstrativ die Anweisung zum Kassieren besprochen, und den Gästen erzählt zu haben „was hier abgeht“. Neben der offen gezeigten Missachtung gegenüber der Geschäftsleitung, sei ein solches Verhalten auch geeignet, das Wohlbefinden der Gäste zu stören und den Ruf des Restaurants nachhaltig zu schädigen. Nachdem der Kläger am 13.03.2010 die Behauptung, die Geschäftsleitung habe Trinkgelder unterschlagen, wiederholt habe, habe er die zweite Kündigung vom 30.03.2010 erklärt. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 14.09.2010 (Bl. 101-108 d. A.) Bezug genommen.
- 10
Der Beklagte beantragt zweitinstanzlich,
- 11
das Urteil des Arbeitgerichts Kaiserslautern vom 29.07.2010, Az.: 2 Ca 438/10, abzuändern und die Klage abzuweisen.
- 12
Der Kläger beantragt,
- 13
die Berufung zurückzuweisen.
- 14
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung im Schriftsatz vom 22.10.2010, auf den Bezug genommen wird (Bl. 119-122 d.A.), als zutreffend. Seit Beginn seiner Tätigkeit habe er aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung mit dem ehemaligen Hotelinhaber, die von ihm bedienten Tische selbst abgerechnet und das Trinkgeld für sich behalten. Das Trinkgeld sei in der Abrechnung (aus August 2001) auch als Arbeitsvergütung aufgeführt worden. Im Gegensatz zum Küchenpersonal erhalte er keine Zuschläge für Nacht- oder Sonntagsarbeit. Auf Nachfrage habe ihm der Beklagte erklärt, er erhalte diese Zuschläge nicht, weil er das Trinkgeld habe. Das Trinkgeld stelle einen erheblichen Teil seiner Einkünfte dar. Wegen der verbindlich getroffenen und jahrelang fortgelebten Vereinbarung mit dem früheren Inhaber, habe er von der Geltendmachung einer Lohnerhöhung abgesehen. Der Beklagte beschäftige neben ihm keine weitere Servicekraft. Er beschäftige im Service lediglich Auszubildende und den Restaurantleiter. Er habe den Beklagten weder verleumdet, beleidigt noch einer Straftat bezichtigt. Er habe lediglich deutlich darauf hingewiesen, dass er mit der geänderten Trinkgeldregelung nicht einverstanden sei.
- 15
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
- 16
Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.
II.
- 17
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die zwei Kündigungen des Beklagten vom 13.03.2010 und vom 30.03.2010 weder außerordentlich noch ordentlich aufgelöst worden. Das Arbeitsgericht hat weiterhin zutreffend erkannt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die zwei Abmahnungen vom 24.02.2010 und vom 25.02.2010 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Schließlich hat das Arbeitsgericht auch zutreffend festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, die von ihm bedienten Gäste abzukassieren und das ihm gegebene Trinkgeld zu behalten. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung bleiben erfolglos.
- 18
1. Der Beklagte durfte dem Kläger mit Arbeitsanweisung vom 21.02.2010 im Wege des Direktionsrechts nicht verbieten, bei den von ihm bedienten Kunden selbst zu kassieren und das ihm gegebene Trinkgeld zu behalten. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt.
- 19
Der Arbeitgeber kann nach § 106 Satz 1 GewO gegenüber allen Arbeitnehmern Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Das Weisungsrecht betrifft insbesondere die Konkretisierung der Hauptleistungspflicht. Der Arbeitgeber darf in Ausübung seines Weisungsrechts grundsätzlich bestimmen, welche Art von Leistungen der Arbeitnehmer zu erbringen hat. Es ermöglicht dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer bestimmte Aufgaben zuzuweisen oder auch zu entziehen. Stets muss der Arbeitgeber bei Weisungen billiges Ermessen walten lassen (vgl. unter vielen: BAG Urteil vom 23.06.2009 - 2 AZR 606/03 - NZA 2009, 1011, m.w.N.).
- 20
Die Berufung weist zutreffend darauf hin, dass allein der Umstand, dass der Kläger seit Beginn seiner Tätigkeit als Kellner im November 1992 und damit während der Dauer von 17 Jahren bei den von ihm bedienten Gäste selbst kassieren durfte, die Berechtigung des Beklagten nach § 106 Abs. 1 GewO nicht ausschließt, dem Kläger diese Aufgabe zu entziehen. Dies hat das Arbeitsgericht auch nicht angenommen, sondern im Gegenteil darauf hingewiesen, dass allein daraus, dass eine betriebliche Regelung über einen längeren Zeitraum hinweg beibehalten wird, ein Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf den Willen des Arbeitgebers schließen kann, diese Regelung auch künftig unverändert beizubehalten. Eine Änderung der ursprünglich vereinbarten Rechte und Pflichten durch sogenannte Konkretisierung in einen einseitig nicht veränderlichen Vertragsinhalt tritt nicht allein dadurch ein, dass der Arbeitnehmer längere Zeit in derselben Weise eingesetzt wurde. Zum reinen Zeitablauf müssen besondere Umstände hinzutreten, die erkennen lassen, dass der Arbeitnehmer nur noch verpflichtet sein soll, seine Arbeit unverändert zu erbringen (vgl. unter vielen: BAG Urteil vom 15.09.2009 - 9 AZR 575/08 - AP Nr. 7 zu § 106 GewO, m.w.N.).
- 21
Die Berufungskammer teilt die Ansicht des Arbeitsgerichts, das solche besonderen Umstände im vorliegenden Fall gegeben sind, weil dem Kläger mit dem Entzug der Kassiertätigkeit die Chance genommen wird, von den Gästen Trinkgelder zu erhalten. Durch diese Trinkgelder erzielt der Kläger - nach seinem unbestrittenen Vorbringen - erhebliche Netto-Einkünfte in Höhe von monatlich € 500,00, die ihm der Beklagte nicht einseitig entziehen darf.
- 22
Nach der Legaldefinition in § 107 Abs. 3 Satz 2 GewO ist Trinkgeld ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt. Nach § 3 Nr. 51 EStG in der seit 2002 geltenden Fassung (Gesetz zur Steuerfreistellung von Arbeitnehmertrinkgeldern vom 08.08.2002, BGBl I 2002, 3111) sind Trinkgelder in unbegrenzter Höhe steuerfrei, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist. Erhält das Bedienungspersonal vom Gast neben dem Rechnungsbetrag freiwillig ein Trinkgeld, so steht ihm dieses unmittelbar zu (vgl. ErfK/ Preis, 11. Aufl., § 611 BGB Rn. 511). Der Beklagte ist deshalb nicht berechtigt, einseitig zu bestimmen, dass das Trinkgeld von der Geschäftsleitung zu kassieren und anschließend unter dem Personal zu verteilen ist.
- 23
Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, ist vom Trinkgeld zu unterscheiden das Bedienungsgeld. Kellner und andere Hotelangestellte erhalten häufig außer einem festen Garantielohn ein Bedienungsgeld, das als Bedienungszuschlag vom Gast erhoben und dem Arbeitnehmer überlassen wird. Es ist auf den Garantielohn anzurechnen. Dabei steht das Bedienungsgeld dem Arbeitgeber (dem Wirt) zu, der Arbeitnehmer kassiert es nur ein und hat es grundsätzlich abzuführen. Ihm steht dann ein Lohnanspruch gegen den Wirt als seinem Arbeitgeber zu. Das Bedienungsgeld ist eine Schuld des Arbeitgebers. Dagegen geht das Trinkgeld (als „Geschenk“ des Gastes) in der Regel unmittelbar in das Eigentum des Arbeitnehmers über (Neumann in Landmann/ Rohmer, GewO, Stand Februar 2003, § 107 Rn. 53).
- 24
Trinkgelder gehören arbeitsrechtlich nicht zum Arbeitsentgelt, weil sie als persönliche Zuwendung aus einer bestimmten Motivationslage freiwillig von Dritten erbracht werden. Sie gehören nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts daher für Zeiten des Urlaubs, der Arbeitsunfähigkeit und der Betriebsratstätigkeit nicht zum vom Arbeitgeber fortzuzahlenden Arbeitsentgelt (BAG Urteil vom 28.06.1995 - 7 AZR 1001/94 - NZA 1996, 252). In Übereinstimmung damit versteht auch der Bundesfinanzhof unter Trinkgeld eine freiwillige und typischerweise persönliche Zuwendung an den Bedachten als eine Art honorierende Anerkennung seiner dem Leistenden gegenüber erwiesenen Mühewaltung in Form eines kleineren Geldgeschenks. Dem Begriff des Trinkgeldes ist als Zeichen der besonderen Honorierung einer Dienstleistung über das vereinbarte Entgelt hinaus ein Mindestmaß an persönlicher Beziehung zwischen Trinkgeldgeber und Trinkgeldnehmer grundsätzlich immanent. Charakteristisch dafür ist, dass in einem nicht unbedingt rechtlichen, jedenfalls aber tatsächlichen Sinne Geldfluss und honorierte Leistung korrespondierend einander gegenüberstehen. Das Trinkgeld und die damit "belohnte" Dienstleistung kommen dem Arbeitnehmer und dem Kunden unmittelbar zugute. Der Trinkgeldempfänger steht faktisch in einer doppelten Leistungsbeziehung und erhält entsprechend dazu auch doppeltes Entgelt, nämlich das Arbeitsentgelt seitens seines Arbeitgebers und das Trinkgeld seitens des Kunden (BFH Urteil vom 18.12.2008 - VI R 49/06 - DB 2009, 207, m.w.N.).
- 25
Angesichts dieser Sach- und Rechtslage kann der Beklagte nicht einseitig bestimmen, dass der Kläger das Trinkgeld, das ihm die Gäste persönlich zuwenden, in eine Gemeinschaftskasse einzahlt und anschließend mit dem übrigen Personal teilt. Er kann die von ihm gewünschte Aufteilung des Trinkgeldes unter dem Personal nicht - gewissermaßen durch die Hintertür - dadurch erzwingen, dass er dem Kläger nicht mehr erlaubt, selbst bei den Gästen zu kassieren. Soweit sich der Beklagte auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 05.07.1996 (10 Sa 165/96 - NZA 1997, 1113) beruft, ist der dort geschilderte Sachverhalt nicht mit dem vorliegenden vergleichbar. Dabei ging es um einen Kundenberater, der durch den Verkauf von Zusatzleistungen (Versicherungs- und Bausparverträge) erhebliche Mehreinnahmen durch Provisionen erzielen konnte. Bei den Provisionen handelt es sich im Unterschied zum vorliegenden Fall um Arbeitsentgelt, nicht um Trinkgelder, die dem Arbeitnehmer von Dritten gegeben werden.
- 26
2. Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass der Kläger gegen den Beklagten Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 24.02.2010 und vom 25.02.2010 aus seiner Personalakte hat.
- 27
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen (BAG Urteil vom 23.06.2009 - 2 AZR 606/08 - NZA 2009, 1011, m.w.N.). Im vorliegenden Fall sind die streitgegenständlichen Abmahnungen zu Unrecht erfolgt. Der Kläger hat dadurch, dass er der Anweisung des Beklagten zum Nichtkassieren bei den Gästen und zum Abführen des Trinkgeldes nicht in der gewünschten Weise folgte, keine Vertragspflicht verletzt. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen (unter 1.) verwiesen werden.
- 28
3. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die zwei außerordentlichen Kündigungen des Beklagten vom 13.03.2010 und vom 30.03.2010 noch durch die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen rechtswirksam beendet worden ist. Da schon kein ausreichender verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG gegeben ist, liegt erst Recht kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vor.
- 29
Allein der Umstand, dass der Kläger die Anweisung des Beklagten vom 21.02.2010 zum Nichtkassieren bei den Gästen und zum Abführen des Trinkgeldes nicht befolgte, rechtfertigt den Ausspruch der Kündigungen nach den obigen Ausführungen (unter 1.) nicht.
- 30
Der Beklagte begründet die erste Kündigung vom 13.03.2010 damit, dass der Kläger die Geschäftsleitung der Unterschlagung von Trinkgeldern bezichtigt habe. Konkret hat der Beklagte erstinstanzlich vorgetragen, der Kläger habe gegenüber dem Restaurantleiter eingeräumt, dass er am 24.02.2010 an einem Tisch € 5,00 Trinkgeld erhalten und für sich abgezweigt habe. Weil der Kläger keine Anstalten gemacht habe, diesen Trinkgeldbetrag zurückzugeben, habe der Restaurantleiter am 28.02.2010 Frau W. - die Freundin des Beklagten und Mitglied der Geschäftsleitung - über diesen Vorfall informiert. In einem anschließenden Gespräch mit Frau W. und dem Restaurantleiter habe der Kläger behauptet, es werde zu wenig Trinkgeld verteilt; er bekomme also nicht das ihm zustehende Trinkgeld. Des Weiteren habe er eingeräumt, wiederholt vor Gästen demonstrativ die Anweisung zum Kassieren besprochen und den Gästen erzählt zu haben, „was hier so abgeht“. Der Beklagte begründet die zweite Kündigung vom 30.03.2010 damit, dass der Kläger bei Aushändigung der ersten Kündigung am 13.03.2010 gegenüber Frau W. die Behauptung wiederholt habe, die Geschäftsleitung unterschlage Trinkgelder. Daraufhin habe er vorsorglich nochmals fristlos gekündigt.
- 31
Dieses Vorbringen des Beklagten rechtfertigt den Ausspruch der beiden fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigungen nicht. Wie bereits ausgeführt, durfte der Kläger das Trinkgeld, das ihm die Gäste freiwillig gegeben haben, behalten. Ihm kann daher nicht vorgeworfen werden, er habe am 24.02.2010 € 5,00 Trinkgeld für sich „abgezweigt“. Da der Kläger nicht verpflichtet war, das ihm von den Gästen gegebene Trinkgeld „gerecht mit dem übrigen Personal“ zu teilen, hat er seine arbeitsvertraglichen Pflichten auch nicht dadurch verletzt, dass er auf die Vorhaltung des Restaurantleiters keine Anstalten gemacht hat, das Trinkgeld zurückzugeben. Es gehörte ihm.
- 32
Wenn der Kläger im Gespräch vom 28.02.2010 gegenüber dem Restaurantleiter und Frau W. behauptet haben sollte, es werde „zu wenig Trinkgeld verteilt“, ist dieser Vorwurf ebenfalls nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Der Beklagte hat weder erst- noch zweitinstanzlich in irgendeiner Weise erklärt, was er sich unter einer „gerechten“ Verteilung des Trinkgeldes vorstellt, insbesondere wie er den begünstigten Personenkreis und den Verteilungsschlüssel festgelegt hat. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass der Kläger der Einführung des intransparenten Systems zur Verteilung der Trinkgelder mit Misstrauen begegnete, zumal auch nicht nachprüfbar ist, wieviel Trinkgeld die Geschäftsleitung beim Kassieren tatsächlich einnimmt. Wenn der Kläger dem Beklagten bzw. Frau W. im Kontext der Auseinandersetzung über diese Trinkgeldregelung im Personalgespräch vom 28.02.2010 und bei Aushändigung des ersten Kündigungsschreibens am 13.03.2010 vorgeworfen haben sollte, „es werde zu wenig Trinkgeld verteilt“ bzw. „er bekomme nicht das ihm zustehende Trinkgeld“, muss sich die Geschäftsleitung nach Lage der Dinge diese Äußerungen gefallen lassen. Die Deutung der kritischen Äußerungen als Vorwurf der Unterschlagung bzw. als persönliche Verunglimpfung der Geschäftsleitung wird dem Kontext in dem sie stehen nicht gerecht (vgl. zur Auslegung von Äußerungen auf der Deutungsebene: BVerfG Beschluss vom 16.10.1998 - 1 BvR 590/96 - NJW 1999, 2262).
- 33
Auch der weitere Vorwurf, der Kläger habe eingeräumt, wiederholt vor Gästen demonstrativ die Anweisung zum Kassieren besprochen und den Gästen erzählt zu haben „was hier so abgeht“, rechtfertigt den Ausspruch der Kündigungen nicht. Selbst wenn der Kläger seine Rücksichtnahme- und Loyalitätspflichten gegenüber dem Beklagten verletzt haben sollte, weil er seine tiefe Unzufriedenheit mit der Trinkgeldregelung vor den Gästen ausgebreitet hat, hätte nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Ausspruch einer Abmahnung genügt (BAG Urteil vom 12.01.2006 - 2 AZR 21/05 - NZA 2006, 917). Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren. Abgestellt auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs war hier zu erwarten, dass sich der Kläger eine Abmahnung hätte zur Warnung dienen lassen, um die Gäste in Zukunft nicht mit innerbetrieblichen Querelen zu behelligen.
III.
- 34
Nach alledem war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
- 35
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Das Arbeitsentgelt ist in Euro zu berechnen und auszuzahlen.
(2) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer keine Waren auf Kredit überlassen. Er darf ihm nach Vereinbarung Waren in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt überlassen, wenn die Anrechnung zu den durchschnittlichen Selbstkosten erfolgt. Die geleisteten Gegenstände müssen mittlerer Art und Güte sein, soweit nicht ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen worden ist. Der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt darf die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen.
(3) Die Zahlung eines regelmäßigen Arbeitsentgelts kann nicht für die Fälle ausgeschlossen werden, in denen der Arbeitnehmer für seine Tätigkeit von Dritten ein Trinkgeld erhält. Trinkgeld ist ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.
(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.
(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.