Kommentar zu Zivilprozessordnung - ZPO | § 110 Prozesskostensicherheit von Dirk Streifler

originally published: 19.12.2025 16:42, updated: 19.12.2025 18:48
Kommentar zu Zivilprozessordnung - ZPO | § 110 Prozesskostensicherheit von Dirk Streifler
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ZPO Kommentar von Dirk Streifler

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 110 Prozesskostensicherheit

Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

§ 110 ZPO verpflichtet bestimmte Kläger, auf Verlangen des Beklagten Sicherheit wegen dessen Prozesskosten zu leisten. Betroffen sind Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt (und bei juristischen Personen: den maßgeblichen Sitz/Verwaltungssitz) außerhalb der EU/EWR haben. Hintergrund ist nicht „Misstrauen gegen Ausländer“, sondern das Vollstreckungsrisiko: Ein in Deutschland obsiegender Beklagter soll seinen Kostenerstattungsanspruch nicht nur auf dem Papier haben.

Seit der Reform Ende der 1990er‑Jahre knüpft § 110 ZPO nicht mehr an die Staatsangehörigkeit, sondern an den gewöhnlichen Aufenthalt an. Die klassische „Ausländersicherheit“ trifft damit im Extremfall auch deutsche Kläger, wenn ihr Lebensmittelpunkt im Drittstaat liegt. Im internationalen Sprachgebrauch begegnet einem das Thema oft als security for costs – die Mechanik ist ähnlich, die Ausnahmen sind bei uns nur stärker „vertragsgetrieben“.

§ 110 Abs. 2 ZPO enthält wichtige Ausnahmen: insbesondere, wenn völkerrechtliche Verträge eine Sicherheitsleistung verbieten (Nr. 1) oder die Vollstreckung von Kostenentscheidungen im Aufenthaltsstaat sichern (Nr. 2), außerdem bei inländischem Grundvermögen (Nr. 3) und bei Widerklagen (Nr. 4). Die aktuelle Rechtsprechung des BGH schärft den Anwendungsbereich weiter – etwa zu Brexit‑Konstellationen (BGH, Beschl. v. 27.09.2022 – VI ZR 68/21; BGH, Urt. v. 21.12.2023 – IX ZR 143/22) und zur entsprechenden Anwendung im Vollstreckbarerklärungsverfahren für Schiedssprüche (BGH, Beschl. v. 12.01.2023 – I ZB 33/22).

Der folgende Kommentar orientiert sich am Aufbau klassischer ZPO‑Kommentare, soll aber auch für rechtsinteressierte Laien lesbar bleiben. Deshalb finden sich neben Systematik und Streitständen auch typische Praxisfragen, Folgen und kurze FAQs.

Merksatz: Wer Sicherheit will, muss früh dran sein. Und wer sie leisten muss, braucht einen Plan – bevor das Gericht eine kurze Frist setzt.

1. Stellung der Norm, Systematik, Zweck

Rn. 1
§ 110 ZPO steht im 1. Buch der ZPO („Allgemeine Vorschriften“), Abschnitt „Parteien“, und gehört systematisch zu den Vorschriften über Sicherheitsleistungen (§§ 108–113 ZPO). Er regelt eine besondere, prozessuale Sicherheitsleistung für die Kostenerstattungsansprüche des Beklagten und knüpft an die Person des Klägers an.

Rn. 2
Die Norm verfolgt einen typisierenden Schutzgedanken: Der in Deutschland obsiegende Beklagte soll nicht auf einem Kostenerstattungsanspruch „sitzen bleiben“, dessen Vollstreckung im Drittstaat ungewiss oder mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Das ist auch in der Gesetzesbegründung (BT‑Drs. 13/10871) ausdrücklich so angelegt.

Rn. 3
Die Reform 1998 hat die frühere „Ausländersicherheit“ von der Staatsangehörigkeit entkoppelt und auf den gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt, um unionsrechtliche Diskriminierungen zu vermeiden. Kläger aus EU/EWR‑Staaten werden durch das Unionsrecht geschützt und sind von der Pflicht ausgenommen.

Rn. 4
§ 110 Abs. 2 ZPO enthält eine enumerative Liste von Ausnahmegründen (völkerrechtliche Verträge, gesicherte Vollstreckung im Aufenthaltsstaat, inländisches Grundvermögen, Widerklage, Klagen nach öffentlicher Aufforderung). Diese Ausnahmen konkretisieren, wann der Beklagte aus Sicht des Gesetzgebers keinen zusätzlichen Schutz mehr braucht.

Rn. 5
§ 110 greift nur, wenn der Beklagte sich darauf beruft. Die Einrede der mangelnden Prozesskostensicherheit ist eine verzichtbare Zulässigkeitseinrede, die grundsätzlich früh erhoben werden muss.

Rn. 6
Rechtsdogmatisch ist § 110 ZPO eine „kostengerichtete“ Prozessvoraussetzung: Die Klage bleibt zulässig, wenn die Sicherheit fristgerecht geleistet wird; wird sie nicht geleistet, kommt es zu prozessualen Sanktionen nach § 113 ZPO (Klage gilt als zurückgenommen, Rechtsmittel werden verworfen).

Rn. 7
Für die Praxis ist wichtig: § 110 ZPO ist kein „Abwehrinstrument“ gegen unliebsame Klagen aus dem Ausland um jeden Preis. Ist die Vollstreckung der Kostenentscheidung im Aufenthaltsstaat des Klägers gesichert, entfällt die Sicherungspflicht – etwa bei Anwendbarkeit der Brüssel‑Ia‑VO, des Lugano‑Übereinkommens oder des Brexit‑Abkommens.

2. Persönlicher Anwendungsbereich

Rn. 8
Kläger i.S.d. § 110 Abs. 1 ZPO ist die Partei, die in erster Instanz klagend auftritt. An dieser Zuordnung ändert sich im Rechtsmittelverfahren nichts: Der Kläger bleibt Kläger, auch wenn er in der Berufung oder Revision als „Rechtsmittelbeklagter“ bezeichnet wird.

Rn. 9
Die Rechtsprechung überträgt diesen Klägerbegriff auf Antragsverfahren mit klageähnlicher Struktur. Der BGH hat mit Beschluss vom 12.01.2023 – I ZB 33/22 entschieden, dass im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung in- und ausländischer Schiedssprüche der Antragsteller einem Kläger i.S.d. § 110 Abs. 1 ZPO gleichsteht.

Rn. 10
Die Sicherungspflicht trifft natürliche Personen, juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften gleichermaßen. Bei natürlichen Personen ist auf den gewöhnlichen Aufenthalt abzustellen, bei juristischen Personen auf den Unternehmenssitz (dazu sogleich).

Rn. 11
„Gewöhnlicher Aufenthalt“ ist der tatsächliche Lebensmittelpunkt; entscheidend sind Dauer und Schwerpunkt der Bindungen, nicht lediglich eine Meldeadresse. In der Literatur werden als Richtwert mindestens sechs Monate angenommen.

Rn. 12
Bei juristischen Personen ist – nach h.M. und Rechtsprechung – auf den tatsächlichen Verwaltungssitz abzustellen, also den Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.

Rn. 13
Der BGH hat in der Entscheidung „Prozesskostensicherheit“ (Urteil vom 21.06.2016 – X ZR 41/15) klargestellt, dass es für die Befreiung genügt, wenn satzungsmäßiger und tatsächlicher Verwaltungssitz in EU/EWR liegen; die Frage, welcher Anknüpfungspunkt maßgeblich ist, konnte er offenlassen, weil in keinem Szenario ein Drittstaatensitz im Raum stand.

Rn. 14
Die Rechtsprechung der Instanzgerichte (etwa OLG München, Urteil vom 22.02.2018 – 6 U 2594/17) arbeitet mit der oben genannten Definition des Verwaltungssitzes und grenzt diesen von bloßen Briefkasten‑Sitzen ab. Entscheidend ist, wo die Geschäftsführung tatsächlich tätig wird, nicht wo die Holding sitzt.

Rn. 15
Zur Darlegungs- und Beweislast: Der Beklagte, der Sicherung verlangt, muss grundsätzlich darlegen und beweisen, dass der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. Sitz außerhalb von EU/EWR hat. Kommt der Kläger einer sekundären Darlegungslast nach (z.B. durch Vorlage von Registerauszügen, Mietverträgen, Organisationsunterlagen), gelten wieder die üblichen Beweislastregeln.

Rn. 16
Für die Befreiungstatbestände des § 110 Abs. 2 ZPO trägt dagegen grundsätzlich der Kläger die Darlegungs- und Beweislast, etwa für das Vorliegen völkerrechtlicher Verträge oder inländischen Grundvermögens.

Rn. 17
In der Praxis führt das häufig zu einem „Ping‑Pong“ aus Vortrag und Gegen­vortrag über Sitz, Struktur und Vermögenslage des klagenden Unternehmens. Wer als ausländischer Kläger in Deutschland klagen will, sollte diese Fragen vorab klären und belegen können – sonst droht ein teurer Stillstand des Verfahrens.

Rn. 18
Für Kläger mit EU/EWR‑Sitz ist die Lage deutlich entspannter: Von einer Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz innerhalb der EU/EWR hat, kann Prozesskostensicherheit nicht verlangt werden (BGH, Beschluss vom 23.08.2017 – IV ZR 93/17).

3. Sachlicher Anwendungsbereich

Rn. 19
§ 110 ZPO gilt für streitige Zivilverfahren im Erkenntnisverfahren aller Instanzen. Erfasst werden also Klagen vor Amts‑ und Landgerichten ebenso wie Berufung, Revision, Nichtzulassungsbeschwerde und entsprechende Rechtsmittelverfahren.

Rn. 20
Der BGH hat die Vorschriften der §§ 110 ff. ZPO auf Verfahren zur Vollstreckbarerklärung inländischer und ausländischer Schiedssprüche entsprechend angewendet (BGH, Beschluss vom 12.01.2023 – I ZB 33/22). Der Antragsteller steht dort einem Kläger gleich.

Rn. 21
Für einstweilige Verfügungen und Arreste ist streitig, ob § 110 ZPO Anwendung findet. Teile der Literatur verneinen dies wegen der besonderen Eilbedürftigkeit; Teile befürworten zumindest eine eingeschränkte Anwendung. Eine höchstrichterliche Klärung für alle Konstellationen steht noch aus; einzelne OLG‑Entscheidungen bejahen die Einrede aber auch im einstweiligen Rechtsschutz.

Rn. 22
Nicht einschlägig ist § 110 ZPO in Verfahren ohne klageähnliche Struktur (z.B. überwiegend in selbständigen Beschwerdeverfahren), soweit die Rechtsprechung keine Analogie bejaht.

Rn. 23
Spezialgesetze (PatG, MarkenG, VwGO, SGG etc.) verweisen teilweise ausdrücklich auf §§ 110 ff. ZPO oder übernehmen das Institut in eigener Fassung; insoweit gelten die nachfolgenden Grundsätze entsprechend.

4. Tatbestandsvoraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO

Rn. 24
Die Verpflichtung zur Prozesskostensicherheit besteht, wenn

  1. der Kläger i.S.d. § 110 auftritt,

  2. er seinen gewöhnlichen Aufenthalt / Sitz nicht in einem EU/EWR‑Staat hat,

  3. kein Ausnahmetatbestand nach § 110 Abs. 2 ZPO greift und

  4. der Beklagte rechtzeitig Sicherheit verlangt und die Einrede erhebt.

Rn. 25
Die Einrede der mangelnden Prozesskostensicherheit ist eine verzichtbare Rüge der Zulässigkeit. Sie muss grundsätzlich vor der ersten mündlichen Verhandlung zur Hauptsache erhoben werden; im schriftlichen Vorverfahren gehört sie in die Klageerwiderung (§ 282 Abs. 3, § 532 ZPO; vgl. BGH, Beschl. v. 01.03.2021 – X ZR 54/19).

Rn. 26
In höheren Instanzen ist die Einrede nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sicherungspflicht erst dort eintreten oder wenn sie in den Vorinstanzen ohne Verschulden nicht erhoben wurde (BGH, Beschluss vom 27.09.2022 – VI ZR 68/21).

Rn. 27
§ 111 ZPO ermöglicht es, Prozesskostensicherheit auch dann zu verlangen, wenn die Sicherungsvoraussetzungen erst im Laufe des Prozesses eintreten (z.B. Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in einen Drittstaat). Der BGH betont insoweit, dass nachträgliche Tatsachen zu berücksichtigen sind.

Rn. 28
Die Rechtsprechung stellt klar, dass über die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung nur einmal entschieden werden soll. Die Einrede kann daher nicht beliebig in jeder Instanz erneut „aufgerollt“ werden. Das dient der Verfahrensökonomie und verhindert taktische Überraschungen.

Rn. 29
Hinsichtlich der Höhe der Sicherheit wird auf die voraussichtlichen Prozesskosten der Beklagtenseite abgestellt (Gerichts- und Anwaltskosten) in den typischerweise in Betracht kommenden Instanzen. Das Gericht entscheidet nach billigem Ermessen (§ 112 ZPO).

Rn. 30
In der Praxis bedeutet das: Wer als Beklagter an Prozesskostensicherheit denkt, sollte die voraussichtlichen Kosten realistisch kalkulieren und konkret beantragen. Zu hoch angesetzte Sicherheitsbeträge werden korrigiert, können aber die Glaubwürdigkeit der Einrede beeinträchtigen.

Rn. 31
Die Form der Sicherheit bestimmt sich nach § 108 ZPO (Bargeld, Bankbürgschaft etc.). Wichtig ist, dass der Beklagte im Obsiegensfall tatsächlich Zugriff auf die Sicherheit erhält.

Rn. 32
Die Anordnung erfolgt in der Praxis durch Beschluss oder Zwischenurteil. Zwischenurteile sind regelmäßig nicht isoliert anfechtbar und werden erst mit dem Endurteil überprüft (BGH, Beschluss vom 21.12.2005 – III ZB 73/05).

Rn. 33
Wenn sich die Verhältnisse des Klägers später ändern (z.B. Umzug in die EU, Erwerb eines inländischen Grundstücks), kann nach § 109 ZPO die Rückgabe der Sicherheit verlangt werden. Der BGH hat die Anwendung von § 109 ZPO auch für nach § 110 angeordnete Sicherheiten bestätigt.

Rn. 34
Für Mandanten heißt das: Prozesskostensicherheit ist kein „Schicksal für alle Ewigkeit“. Wenn sich die Ausgangslage relevant verändert, sollte aktiv geprüft werden, ob ein Rückgabeantrag sinnvoll ist.

Rn. 35
Leistet der Kläger die ordnungsgemäß angeordnete Sicherheit nicht fristgerecht, greifen § 113 ZPO: Die Klage gilt als zurückgenommen; Rechtsmittel des Klägers werden verworfen. Das ist eine harte Sanktion – in der Praxis aber kein theoretisches Gespenst, sondern gelebter Alltag.

5. Ausnahmen nach § 110 Abs. 2 ZPO

Rn. 36
§ 110 Abs. 2 ZPO zählt fünf Fallgruppen auf, in denen die Sicherungspflicht entfällt:

  1. völkerrechtliche Verträge mit Sicherheitsverbot (Nr. 1),

  2. völkerrechtliche Verträge, die die Vollstreckung sichern (Nr. 2),

  3. hinreichendes inländisches Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen (Nr. 3),

  4. Widerklagen (Nr. 4),

  5. Klagen aufgrund öffentlicher Aufforderung (Nr. 5).

Rn. 37 (Nr. 1 – Sicherheitsverbot)
Völkerrechtliche Verträge im Sinne der Nr. 1 sind insbesondere solche, die die Erhebung einer Sicherheit ausdrücklich untersagen. Ein Beispiel ist das Europäische Niederlassungsabkommen vom 13.12.1955 (im Folgenden: EuNiederlAbk). Der BGH hat im Beschluss vom 27.09.2022 – VI ZR 68/21 – für Kläger mit britischer Staatsangehörigkeit (und gewöhnlichem Aufenthalt im Vereinigten Königreich) nach dem Brexit die Befreiung über Art. 9 Abs. 1 EuNiederlAbk i.V.m. § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bestätigt.

Rn. 38 (Nr. 2 – Vollstreckungsverträge)
§ 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO greift, wenn die Kostenentscheidung auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages im Aufenthaltsstaat des Klägers vollstreckt werden kann. Typische Beispiele sind das Lugano‑Übereinkommen und – in Übergangsfällen des Brexit – die Brüssel‑Ia‑Verordnung (VO (EU) Nr. 1215/2012) i.V.m. Art. 67 Abs. 2 Brexit‑Abkommen. Der BGH (Urt. v. 21.12.2023 – IX ZR 143/22) qualifiziert das Brexit‑Abkommen als völkerrechtlichen Vertrag i.S.v. § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Rn. 39
Für Kläger mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz führt das Lugano‑Übereinkommen regelmäßig zur Befreiung nach Nr. 2, weil auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse als „Entscheidungen“ im Sinne des Übereinkommens gelten.

Rn. 40 (Nr. 3 – inländisches Grundvermögen)
Nr. 3 setzt ein zur Deckung der Prozesskosten hinreichendes inländisches Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen voraus. „Hinreichend“ ist das Vermögen, wenn bei realistischer Betrachtung die zu erwartenden Kosten bei einer Zwangsvollstreckung gedeckt wären. Die Rechtsprechung verlangt keine werthaltigen Objekte im Gerichtsbezirk, aber eine praktikable Vollstreckungsmöglichkeit im Inland.

Rn. 41
Die Darlegungslast liegt beim Kläger: Grundbuchauszüge, Verkehrswertgutachten, Angaben zur Belastungssituation etc. sollten vorgelegt werden. Für eine Beratungspraxis mit internationaler Klientel gehört diese Prüfung vor Klageerhebung zur Standard‑Checkliste.

Rn. 42 (Nr. 4 – Widerklagen)
Für Widerklagen besteht grundsätzlich keine Sicherungspflicht. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass der Widerkläger durch den Angriff des Klägers zum Gegenangriff veranlasst wird (BT‑Drs. 13/10871, S. 18).

Rn. 43
Der BGH hat diese Privilegierung in der Schiedsrechtsprechung ausdrücklich aufgegriffen: In BGH, Beschluss vom 12.01.2023 – I ZB 33/22, stellt der Senat klar, dass der Antragsteller, der im Vollstreckbarerklärungsverfahren zugleich Widerklage erhebt, als Widerkläger nach § 110 Abs. 2 Nr. 4 ZPO von der Sicherungspflicht befreit ist.

Rn. 44
Die Begründung des BGH: Wer einen inländischen Beklagten in Deutschland verklagt, akzeptiert das Risiko einer erschwerten Vollstreckung im Ausland. Dann ist er weniger schutzwürdig, wenn der Beklagte seinerseits im Wege der Widerklage Ansprüche verfolgt – auch im Schiedsverfahren.

Rn. 45 (Nr. 5 – öffentliche Aufforderung)
Klagen auf Grund öffentlicher Aufforderungen (häufig in spezialgesetzlichen Konstellationen, etwa im Kapitalmarktbereich) sind von der Sicherungspflicht ausgenommen, um die vom Gesetzgeber gewollte Rechtsverfolgung nicht zu behindern.

Rn. 46
In der Praxis spielen Nr. 1–3 und (im Schieds‑ und Widerklagekontext) Nr. 4 die Hauptrolle; Nr. 5 hat eher Ausnahmecharakter.

Rn. 47
In der Praxis wird bei Klägern aus Staaten mit erheblichen politischen Spannungen gelegentlich diskutiert, ob und wie weit bestehende Vollstreckungsregime „faktisch“ noch tragen. Maßgeblich ist jedoch nicht die politische Großwetterlage, sondern die Rechtslage: Gilt ein völkerrechtlicher Vertrag fort und ermöglicht er die Vollstreckung von Kostenentscheidungen bzw. verbietet er eine Sicherheitsleistung, greift § 110 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO – andernfalls nicht.

Rn. 48
Für die Beratung bedeutet das: Die Prüfung von Befreiungstatbeständen ist nicht nur Formalie, sondern kann die Prozessfinanzierung entscheiden – und eröffnet mitunter Verhandlungsspielräume (z.B. Vergleich gegen Verzicht auf Einrede).

6. Verfahren, Fristen und Sanktionen (§§ 111–113 ZPO)

Rn. 49
Der Beklagte muss die Einrede rechtzeitig erheben (s.o. Rn. 25 ff.) und zugleich die Anordnung von Prozesskostensicherheit beantragen. Das Gericht entscheidet dann über das „Ob“ und die Höhe der Sicherheit.

Rn. 50
Die Entscheidung ergeht meist durch Beschluss oder Zwischenurteil. Ein Zwischenurteil ist regelmäßig nicht isoliert anfechtbar; Fehler werden erst mit dem Endurteil überprüft. Für Fragen der Rückgabe der Sicherheit verweist der BGH auf § 109 ZPO (Beschluss vom 21.12.2005 – III ZB 73/05).

Rn. 51
§ 112 ZPO erlaubt die Anordnung ergänzender Sicherheit, wenn sich im Laufe des Verfahrens zeigt, dass die ursprüngliche Sicherheit nicht ausreicht (z.B. durch Erweiterung des Streitstoffs oder Eintritt höherer Instanzen). Ein aktuelles Beispiel für eine weitere Prozesskostensicherheit nach § 112 Abs. 3 ZPO ist BGH, Beschl. v. 16.01.2024 – XI ZR 49/23 (weitere Sicherheit wegen der Kosten dritter Instanz/Nichtzulassungsbeschwerde).

Rn. 52
§ 113 ZPO verpflichtet das Gericht, dem Kläger eine Frist zur Leistung der Sicherheit zu setzen. Wird die Sicherheit bis zur Entscheidung nicht geleistet, gilt die Klage als zurückgenommen bzw. ein Rechtsmittel des Klägers als verworfen – allerdings nur auf entsprechenden Antrag des Beklagten.

Rn. 53
Praktisch sollte der Beklagte daher nicht nur die Einrede erheben, sondern im Blick behalten, ob die Sicherheit fristgerecht eingeht – und ggf. rechtzeitig den Antrag auf Feststellung der Rücknahme bzw. Verwerfung stellen.

Rn. 54
Aus Klägerperspektive ist die Frist zur Sicherheitsleistung „brandgefährlich“: Wer hier nicht sauber organisiert ist (Bankbürgschaft, Hinterlegung, Nachweis gegenüber Gericht), riskiert, dass über die materiell‑rechtlichen Ansprüche nie entschieden wird.

Rn. 55
Ändern sich die Umstände später so, dass die Sicherungspflicht entfällt (z.B. Umzug in die EU, Erwerb inländischen Grundvermögens), kann das Verfahren nach § 109 ZPO zur Rückgabe der Sicherheit beschritten werden. Der BGH erkennt ausdrücklich an, dass nachträgliche Tatsachen hier zu berücksichtigen sind.

Rn. 56
In meiner Praxis hat es sich bewährt, solche Änderungen aktiv zu dokumentieren (Meldebescheinigungen, Grundbuchauszüge etc.) und frühzeitig mit dem Gericht und der Gegenseite zu kommunizieren, statt darauf zu hoffen, dass die Sicherheitsfrage „von selbst“ verschwindet.

7. Europarechtliche und völkerrechtliche Bezüge (insb. Brexit)

Rn. 57
Für Kläger mit Bezug zum Vereinigten Königreich nach dem Brexit ist entscheidend, ob noch EU‑Recht über Übergangsregelungen (Art. 67 Brexit‑Abkommen) fortgilt oder ob nur noch völkerrechtliche Verträge (Europäisches Niederlassungsabkommen, ggf. LugÜ) greifen.

Rn. 58
Der BGH (Beschluss vom 27.09.2022 – VI ZR 68/21) hat die Einrede der mangelnden Prozesskostensicherheit in der Nichtzulassungsbeschwerde als verspätet angesehen und zugleich klargestellt, dass Kläger mit britischer Staatsangehörigkeit über Art. 9 EuNiederlAbk nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO privilegiert sind – unabhängig von Gegenseitigkeit.

Rn. 59
Im Urteil vom 21.12.2023 – IX ZR 143/22 – bejaht der BGH zudem die Einordnung des Brexit‑Abkommens als völkerrechtlichen Vertrag i.S.v. § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Kostenfestsetzungsbeschlüsse deutscher Gerichte können danach unter den dortigen Voraussetzungen weiterhin im Vereinigten Königreich vollstreckt werden.

Rn. 60
Für Kläger aus der Schweiz kommt regelmäßig eine Befreiung nach § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO i.V.m. dem Lugano‑Übereinkommen in Betracht. Der BGH betont, dass auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse „Entscheidungen“ im Sinne des LugÜ sind.

Rn. 61
Im Ergebnis ist § 110 ZPO heute stark „vernetzt“ mit europäischem und völkerrechtlichem Vollstreckungsrecht. Bei jeder internationalen Konstellation ist daher zuerst zu fragen: Gibt es ein einschlägiges Abkommen, das die Kostenvollstreckung sichert oder eine Sicherheitsleistung untersagt?

Rn. 62
Aktuelle Diskussionen – etwa zur Behandlung russischer Kläger vor dem Hintergrund des Ukraine‑Krieges – zeigen, dass politische Spannungen allein die Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge nicht suspendieren. Die Rechtsprechung bleibt hier bislang bemerkenswert nüchtern.

8. Typische Streitpunkte und Rechtsprechung

Rn. 63 – Streitpunkt: Sitz von Gesellschaften
Streit gibt es häufig zur Frage, ob bei juristischen Personen auf den satzungsmäßigen Sitz oder den tatsächlichen Verwaltungssitz abzustellen ist. Der BGH lässt diese Frage in X ZR 41/15 offen, weil in beiden Varianten ein EU‑Sitz vorlag; die Instanzrechtsprechung (u.a. OLG München 6 U 2594/17) stellt überwiegend auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ab.

Rn. 64
In der Tendenz gilt: Ein reiner Briefkasten‑Sitz in der EU reicht nicht, wenn das operative Geschäft ausschließlich von Drittstaaten aus geführt wird. Umgekehrt kann ein EU‑Verwaltungssitz die Sicherungspflicht ausschließen, auch wenn die Konzernmutter außerhalb der EU sitzt.

Rn. 65 – Streitpunkt: Zeitpunkt der Einrede
Ein weiterer Dauerbrenner betrifft die Frage, bis wann die Einrede der mangelnden Prozesskostensicherheit erhoben werden kann. Der BGH verlangt grundsätzlich eine Erhebung vor der ersten Verhandlung zur Hauptsache, und zwar „für alle Rechtszüge“ (BGH, Beschl. v. 01.03.2021 – X ZR 54/19). In höheren Instanzen ist sie nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sicherungspflicht erst dort eintreten oder die Verspätung entschuldbar ist (BGH, Beschl. v. 27.09.2022 – VI ZR 68/21).

Rn. 66
In der Praxis versuchen Parteien immer wieder, die Einrede „nachzuschieben“, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Klägers ändert oder neue politische Konstellationen (Brexit, Sanktionen) auftreten. Die Gerichte sind hier sehr streng.

Rn. 67 – Streitpunkt: Sicherheitsfreiheit aufgrund von Abkommen
Nicht selten wird darüber gestritten, ob ein konkreter völkerrechtlicher Vertrag die Vollstreckung von Kostentiteln sichert oder eine Sicherheitsleistung verbietet. Die Brexit‑Konstellationen zeigen das besonders plastisch: BGH, Beschl. v. 27.09.2022 – VI ZR 68/21 (Sicherheitsverbot über Art. 9 Abs. 1 EuNiederlAbk) und BGH, Urt. v. 21.12.2023 – IX ZR 143/22 (Brexit‑Abkommen als Vertrag i.S.d. § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) illustrieren die Abgrenzung zwischen Nr. 1 und Nr. 2.

Rn. 68
Die Rechtsprechung tendiert dazu, den Schutzbereich eher großzügig zu fassen, solange der Vollstreckungszugriff ernsthaft gesichert ist. Das ist aus Sicht des Zugangs zum Recht für Kläger nachvollziehbar – für Beklagte bedeutet es, dass die Einrede sorgfältig vorbereitet sein muss.

Rn. 69 – Streitpunkt: Schiedsverfahren
Mit BGH, Beschl. v. 12.01.2023 – I ZB 33/22 hat der BGH eine frühere, restriktive Linie aufgegeben und die §§ 110 ff. ZPO auf Vollstreckbarerklärungsverfahren für Schiedssprüche entsprechend angewendet. Zugleich hat er klargestellt, dass der Antragsteller, der zugleich Widerklage erhebt, als Widerkläger nach § 110 Abs. 2 Nr. 4 ZPO privilegiert ist.

Rn. 70
Damit ist klar: Internationale Schiedsverfahren sind kein „Ausweg“ aus der Prozesskostensicherheit. Wer einen Schiedsspruch in Deutschland vollstrecken will, muss mit entsprechenden Sicherungsanordnungen rechnen, wenn er seinen Aufenthalt im Drittstaat hat.

Rn. 71 – Streitpunkt: Anwendbarkeit im einstweiligen Rechtsschutz
Uneinigkeit besteht weiterhin bei der Anwendung des § 110 ZPO im einstweiligen Rechtsschutz. Teile der Rechtsprechung bejahen die Einrede auch im Verfügungsverfahren, andere lehnen sie mit Hinweis auf das Beschleunigungsgebot ab. Eine höchstrichterliche Klärung steht hier noch aus.

Rn. 72
Für die Praxis bedeutet das: In einstweiligen Verfahren sollte die Einrede jedenfalls geprüft und – abhängig von der Spruchpraxis des angerufenen Gerichts – überlegt erhoben werden.

9. Praxisfolgen und strategische Hinweise

Rn. 73
Für Beklagte mit Sitz in Deutschland oder EU/EWR ist § 110 ZPO ein wichtiges Instrument, um sich vor „Papiersiegen“ gegen Kläger aus Drittstaaten zu schützen. Die Einrede sollte früh und substantiiert erhoben werden; bloße Vermutungen zur Auslandsansässigkeit reichen nicht.

Rn. 74
Für Kläger mit Drittstaatenbezug ist § 110 ZPO vor allem ein Kosten‑ und Liquiditätsrisiko. Insbesondere in technischen Großverfahren (Patente, internationale Handelsstreitigkeiten) können die Sicherheitsbeträge schnell sechsstellige Größenordnungen erreichen.

Rn. 75
In der Mandatsarbeit hat es sich bewährt, vor Klageerhebung systematisch zu prüfen:

  • gewöhnlicher Aufenthalt/Sitz,

  • Anwendbarkeit von EU‑Verordnungen und völkerrechtlichen Verträgen,

  • inländisches Grundvermögen,

  • mögliche Widerklageszenarien.

Rn. 76
Wer als ausländischer Kläger gut vorbereitet in ein deutsches Verfahren geht, kann das Risiko von Prozesskostensicherheit oft begrenzen oder ganz vermeiden.

Rn. 77
Aus Sicht eines Beklagten lohnt es sich, die Prozessökonomie im Blick zu behalten: Die Einrede ist kein Selbstzweck. Sie ist vor allem dann sinnvoll, wenn das Vollstreckungsrisiko real erscheint und die zu erwartenden Kosten erheblich sind. In kleineren Verfahren kann der „Verhandlungswert“ der Einrede wichtiger sein als die tatsächliche Sicherheitsleistung.

Rn. 78
Als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im internationalen Zivilprozessrecht und Schiedsrecht übernehme ich regelmäßig Mandate in genau diesen Konstellationen – sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite. Häufig lassen sich durch frühzeitige Klärung der Prozesskostensicherheitsfrage unnötige Verzögerungen und Kosten vermeiden.

10. FAQ zu § 110 ZPO

Rn. 79 – Muss jeder ausländische Kläger Sicherheit leisten?
Nein. Entscheidend ist nicht die Staatsangehörigkeit, sondern der gewöhnliche Aufenthalt bzw. Sitz. Kläger aus EU/EWR‑Staaten sind generell privilegiert. Drittstaaten‑Kläger können über völkerrechtliche Verträge oder inländisches Vermögen ebenfalls befreit sein.

Rn. 80 – Kann die Einrede auch noch in der Berufung erhoben werden?
Nur ausnahmsweise. In höheren Instanzen ist die Einrede nach der Rechtsprechung des BGH nur zulässig, wenn die Sicherungsvoraussetzungen erst in dieser Instanz eingetreten sind oder die Verspätung entschuldbar ist (BGH, Beschl. v. 27.09.2022 – VI ZR 68/21).

Rn. 81 – Was passiert, wenn die Sicherheit nicht rechtzeitig geleistet wird?
Wird eine nach § 110 angeordnete Sicherheit trotz Fristsetzung nicht geleistet, gilt die Klage als zurückgenommen bzw. ein Rechtsmittel des Klägers als verworfen (§ 113 ZPO). Das Gericht prüft dann nicht mehr in der Sache.

Rn. 82 – Kann eine einmal geleistete Sicherheit zurückgefordert werden?
Ja. Wenn die Voraussetzungen der Sicherungspflicht nachträglich wegfallen (z.B. Umzug in die EU, Erwerb inländischen Grundvermögens, neue Abkommen), kann nach § 109 ZPO die Rückgabe der Sicherheit verlangt werden. Der BGH hat dies für Prozesskostensicherheiten ausdrücklich anerkannt (III ZB 73/05).

Rn. 83 – Gilt § 110 ZPO auch im Schiedsverfahren?
In Schiedsverfahren selbst nicht, wohl aber in gerichtlichen Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen. Der BGH (Beschl. v. 12.01.2023 – I ZB 33/22) wendet §§ 110 ff. ZPO dort analog an und stellt den Antragsteller einem Kläger gleich.

Rn. 84 – Spielt der Brexit für § 110 ZPO eine Rolle?
Ja. Durch den Brexit sind Kläger mit gewöhnlichem Aufenthalt im Vereinigten Königreich grundsätzlich Drittstaaten‑Kläger. Sie können aber über das Europäische Niederlassungsabkommen (Nr. 1) und – je nach Übergangskonstellation – über Art. 67 Brexit‑Abkommen i.V.m. der Brüssel‑Ia‑VO (Nr. 2) privilegiert sein. Der BGH hat dies näher konkretisiert (BGH, Beschl. v. 27.09.2022 – VI ZR 68/21; BGH, Urt. v. 21.12.2023 – IX ZR 143/22).

11. Ausblick

Rn. 85
§ 110 ZPO bleibt ein Spannungsfeld zwischen Zugang zum Recht für ausländische Kläger und Schutz der inländischen Beklagten vor Vollstreckungsrisiken. Mit der fortschreitenden Vernetzung der Vollstreckungsregime (Brüssel‑Ia‑VO, LugÜ, Brexit‑Abkommen, künftige Abkommen) wird der Anwendungsbereich tendenziell eher enger werden – jedenfalls für „klassische“ Industriestaaten.

Rn. 86
Gleichzeitig gewinnen Drittstaatenverfahren mit unsicheren Vollstreckungsaussichten an Bedeutung (etwa in bestimmten Emerging Markets). Hier wird § 110 ZPO aus Sicht der Beklagten weiter eine wichtige Rolle spielen.

Rn. 87
Die jüngere Rechtsprechung des BGH – insbesondere I ZB 33/22 (Schiedsverfahren) und IX ZR 143/22 (Brexit) – zeigt, dass der Senat bereit ist, die Norm flexibel, aber konsequent am Schutzzweck auszurichten. Weitere Entscheidungen zu Krisenstaaten und Sanktionsregimen sind zu erwarten.

Rn. 88
Für die anwaltliche Praxis gilt: Prozesskostensicherheit ist kein „Nebenschauplatz“, sondern kann über die strategische Ausrichtung des gesamten Verfahrens entscheiden. Wer hier sauber arbeitet, erspart sich und seinen Mandanten später teure Überraschungen – etwa dann, wenn das Gericht kurz vor der mündlichen Verhandlung eine sechsstellige Sicherheitsleistung anordnet.

Rn. 89
Wenn Sie ein Verfahren mit Auslandsbezug planen – sei es als Kläger oder als Beklagter –, sollten Fragen der Prozesskostensicherheit von Anfang an mitgedacht werden. Gerne unterstütze ich Sie dabei, die Risiken einzuordnen, Befreiungstatbestände zu prüfen und die richtige prozessuale Strategie zu finden.

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published on 22.02.2018 00:00

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Zwischenurteil des Landgerichts München I vom 04.05.2017 (Az. 7 O 16818/16) in Ziff. 1. aufgehoben. 2. Der Klägerin wird aufgegeben, den Beklagten wegen der Prozesskosten eine Sich
published on 21.06.2016 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 41/15 Verkündet am: 21. Juni 2016 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
published on 21.12.2005 00:00

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published on 23.08.2017 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 93/17 vom 23. August 2017 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 110 Abs. 1 Von einer Gesellschaft, die einen Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates
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05.02.2025 11:31

In Gerichtsverfahren kommt es häufig vor, dass Originaldokumente in einer Fremdsprache abgefasst sind und für die Verwendung in Deutschland ins Deutsche übersetzt werden müssen. Die Zivilprozessordnung (ZPO) sieht für diese Fälle vor, dass das Gericht die Vorlage einer Übersetzung anordnen kann. Diese beglaubigte Übersetzung muss von einem Übersetzer angefertigt werden, der nach den landesrechtlichen Vorschriften für solche Sprachübertragungen ermächtigt oder öffentlich bestellt ist. Für eine Ermächtigung müssen bestimmte Qualifikationskriterien erfüllt sein. Doch welche Fähigkeiten muss ein juristischer Fachübersetzer oder Justiz-Dolmetscher genau mitbringen und wie ist die Ausbildung geregelt?
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Das OVG musste darüber entscheiden, ob die Tatsache, dass Richter verschiedener Instanzen miteinander verheiratet sind, den „bösen Schein“ der Befangenheit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO begründet. Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwält
Artikel zu Zivilprozessrecht

Annotations

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 41/15 Verkündet am:
21. Juni 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Prozesskostensicherheit

a) Hat eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder
eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
errichtete Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz in diesem Mitgliedoder
Vertragsstaat, ist sie jedenfalls dann nicht verpflichtet, auf Verlangen
des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten, wenn sämtliche
Orte, an die zur Bestimmung des tatsächlichen Verwaltungssitzes angeknüpft
werden könnte, ebenfalls in der Europäischen Union oder dem Europäischen
Wirtschaftsraum liegen.

b) Der aufgrund neuer, in ihrem Einflussbereich eingetretener tatsächlicher Umstände
obsiegenden Partei können Kosten des Rechtsmittelverfahrens nur
dann auferlegt werden, wenn sie dadurch gegen ihre Prozessförderungspflicht
verstoßen hat, dass sie diese Umstände nicht bereits in einem früheren
Rechtszug herbeigeführt hat.
BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 - X ZR 41/15 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
ECLI:DE:BGH:2016:210616UXZR41.15.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Dr. Bacher, die Richterin Schuster, den Richter Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Februar 2015 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin, die die Beklagte wegen Patentverletzung in Anspruch nimmt, Sicherheit wegen der Prozesskosten zu leisten hat.
2
Die Klägerin ist Tochter einer US-amerikanischen Muttergesellschaft mit Sitz in Reno (Nevada) und im irischen Handelsregister als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach irischem Recht eingetragen. Im Jahr 2012 verkaufte die Muttergesellschaft das operative Geschäft der Klägerin. Im Jahr darauf erwarb sie ein etwa 1000 Schutzrechte umfassendes Patentportfolio, das sie im Februar 2014 auf die Klägerin übertrug. Diese ist seither mit der Verwaltung, Lizenzierung und - soweit erforderlich - klageweisen Durchsetzung des Patentportfolios , zu dem auch das Klagepatent gehört, in Europa und Korea betraut.
3
Als satzungsmäßiger Sitz der Klägerin ist die Adresse einer Rechtsanwaltskanzlei in Dublin registriert. Als Geschäftssitz hat die Klägerin vor dem Landgericht eine hiervon abweichende Adresse in Dublin angegeben, wo sie ein Büro bei einem Office-Dienstleister angemietet hatte, der für die Mieter Lieferungen und Postsendungen annimmt. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Klägerin einen Mietvertrag über Geschäftsräume unter der im Urteilsrubrum angegebenen Adresse in Dublin abgeschlossen.
4
Das vertretungsberechtigte Organ der Klägerin (board of directors) besteht aus den Geschäftsführern S. S. und P. R. . Der Geschäftsführer S. arbeitet hauptsächlich in einem in seiner Privatwohnung in Turku (Finnland) eingerichteten Büro. Er ist gleichzeitig Vizepräsident der Muttergesellschaft der Klägerin und bei dieser für den Bereich Lizenzen und Standards zuständig. Der Geschäftsführer R. , der seinen Wohnsitz in Dublin hat und seit dem 24. Juni 2014 bei der Klägerin beschäftigt ist, war für diese zunächst als unternehmensinterner Rechtsberater (legal counsel) tätig. Ende 2014 wurde er anstelle des bisherigen zweiten Geschäftsführers der Klägerin E. V. , der als in Reno ansässiges Mitglied des Vorstands der Muttergesellschaft bei der Klägerin tatsächlich keine Geschäftsführungsaufgaben wahrgenommen hatte , zum Geschäftsführer (director) der Klägerin bestellt. Seit August 2014 beschäftigt die Klägerin in Dublin außerdem eine Buchhalterin.
5
Das Landgericht hat den Antrag der Beklagten, der Klägerin die Leistung einer Prozesskostensicherheit aufzugeben, mit Zwischenurteil zurückgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
7
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
8
Die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Klägerin, Sicherheit wegen der Prozesskosten zu leisten, seien nicht gegeben. Nachdem die gesetzliche Regelung hierfür an den gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers anknüpfe, komme es dementsprechend bei einer juristischen Person wie der Klägerin auf den Sitz des Unternehmens an. Prozesskostensicherheit sei danach nur zu leisten , wenn sich der Sitz des klagenden Unternehmens nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) befinde, wobei nicht der satzungsmäßige , sondern der tatsächliche Verwaltungssitz maßgebend sei. Dieser sei an dem Ort anzunehmen, an dem zum einen die Möglichkeit für Zustellungen an den Kläger gegeben sei und zum anderen der geschäftsführende Entscheidungsträger des Klägers tätig werde. Die Existenz einer zustellungsfähigen Anschrift in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens sei eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Annahme eines Verwaltungssitzes in einem dieser Staaten. Auch wenn die Prozesskostensicherheit nicht davor schütze, dass der Vollstreckungszugriff mangels werthaltiger Vollstreckungsobjekte des Klägers scheitere, verknüpfe das Gesetz - in einer rein typisierenden Betrachtung - mit dem tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung doch die angenommene Anwesenheit von Vermögenswerten, die dem obsiegenden Beklagten bei der Realisierung seines Kostenerstattungsanspruchs als Vollstreckungsobjekt dienen könnten. Ließe man bereits eine Zustellmöglichkeit für die Annahme eines Ver- waltungssitzes ausreichen, wäre nicht einmal die theoretische Aussicht auf ein Zugriffsobjekt für eine Zwangsvollstreckung in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum gegeben und der Beklagte wäre von vorneherein auf eine Zwangsvollstreckung außerhalb Europas angewiesen. Umgekehrt könne ein Verwaltungssitz auch nicht an der Wirkungsstätte des Geschäftsführers angenommen werden, wenn dort keine Zustellmöglichkeit bestehe, so wenn der Geschäftsführer beispielsweise in seiner privaten Unterkunft ein Büro unterhalte. Fielen der Ort der Zustellmöglichkeit und der Tätigkeitsort des geschäftsführenden Entscheidungsträgers auseinander, lasse sich kein tatsächlicher Verwaltungssitz ausmachen. In diesem Fall sei der Kläger, auch wenn sich beide Orte in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum befänden, ebenso zur Leistung von Prozesskostensicherheit verpflichtet, wie wenn er seinen Verwaltungssitz in einem Drittstaat hätte. Seien mehrere Geschäftsführer vorhanden, die das operative Geschäft gemeinschaftlich oder arbeitsteilig erledigten, genüge es, wenn der Tätigkeitsort nur eines von ihnen mit dem Zustellungsort zusammenfalle. Dadurch sei dem Zweck der Prozesskostensicherheit gedient, weil zu erwarten sei, dass sich dort, wo auch nur einer von mehreren Geschäftsführern residiere und die Voraussetzungen für eine Zustellmöglichkeit gegeben seien, typischerweise Vermögenswerte befänden, die als Vollstreckungsobjekte für den Beklagten taugten. Unerheblich sei, welches Gewicht die Beiträge des am Zustellungsort residierenden Geschäftsführers im Vergleich zu denen eines oder mehrerer weiterer Mitgeschäftsführer hätten; es genüge, dass der Geschäftsführer am Zustellungsort überhaupt in das operative Geschäft des Klägers verantwortlich eingebunden sei.
9
Die Klägerin habe ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Dublin, weil dort Zustellungen an die Klägerin wirksam vorgenommen werden könnten und - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - der Mitgeschäftsführer R. an diesem Ort das operative Geschäft der Klägerin verantwortlich und weisungsfrei betreibe.
10
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO für eine Verpflichtung der Klägerin zur Leistung von Prozesskostensicherheit nicht vorliegen.
11
1. Nach dieser Bestimmung müssen Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit leisten. Bei einer juristischen Person wie der Klägerin richtet sich - wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist - die Verpflichtung zur Leistung von Prozesskostensicherheit dementsprechend danach, ob sich der Sitz des Unternehmens in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens befindet.
12
2. Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob es für die Verpflichtung zur Prozesskostensicherheit, wie das Berufungsgericht angenommen hat, nicht auf den satzungsmäßigen, sondern auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ankommt. Denn sowohl als satzungsmäßiger wie auch als tatsächlicher Verwaltungssitz der Klägerin kommt nur ein Ort in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union in Betracht.
13
a) Ob im Rahmen des § 110 Abs. 1 ZPO auf den satzungsmäßigen Sitz oder auf den tatsächlichen Verwaltungssitz abzustellen ist, ist vom Bundesgerichtshof bisher offen gelassen worden. In den zu beurteilenden Fällen war die Frage nicht entscheidungserheblich, weil sich entweder sowohl der satzungsmäßige Sitz als auch der Verwaltungssitz des Klägers in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union befanden (BGH, Urteil vom 1. Juli 2002 - II ZR 380/00, BGHZ 151, 204, 208 f.) oder die als Unternehmenssitz in Betracht kommenden Orte sämtlich in Drittstaaten belegen waren (BGH, Zwischenurteil vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 148, 149).
14
b) Auch im Streitfall kann diese Frage offen bleiben, da die Klägerin in keinem denkbaren Fall zur Leistung von Prozesskostensicherheit verpflichtet ist. Stellt man auf den satzungsmäßigen Sitz ab, kann von der Klägerin Prozesskostensicherheit nicht verlangt werden, weil dieser in Dublin und damit in einem Unionsmitgliedstaat liegt. Sieht man den Verwaltungssitz als maßgeblich an, ist eine Pflicht der Klägerin zur Leistung von Prozesskostensicherheit ebenfalls zu verneinen, da ein Verwaltungssitz außerhalb der Europäischen Union im Streitfall nicht in Betracht kommt.
15
aa) Maßgebend dafür, wo eine Gesellschaft ihren Verwaltungssitz hat, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane , also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGH, Urteil vom 21. März 1986 - V ZR 10/85, BGHZ 97, 269, 272; Beschluss vom 10. März 2009 - VIII ZB 105/07, NJW 2009, 1610).
16
bb) Im Streitfall liegen alle entscheidenden Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Verwaltungssitzes im Bereich der Europäischen Union.
17
(1) Die Klägerin hat die Führung ihrer Geschäfte zweiGeschäftsführern übertragen, wobei der Geschäftsführer S. seine Tätigkeit vornehmlich in Turku ausübt und der Geschäftsführer R. in Dublin tätig ist. Die Geschäftsführertätigkeit für die Klägerin wird danach ausschließlich in Irland und Finnland und damit in Mitgliedstaaten der Europäischen Union wahrgenommen, so dass unabhängig davon, wie das Verhältnis und die Beiträge der Geschäftsführer S.
und R. zueinander zu bewerten sind, die Klägerin jedenfalls keinen Verwaltungssitz außerhalb der Union hat.
18
(2) Zustellungen an die Klägerin können zumindest in ihren Büroräumen in Dublin und damit ebenfalls in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union vorgenommen werden.
19
cc) Unter diesen Umständen ist es weder - wie die Revision meint - erforderlich , zunächst den Schwerpunkt der Geschäftsführertätigkeit festzustellen und danach den effektiven Verwaltungssitz der Klägerin zu bestimmen, noch kommt es - wie das Berufungsgericht angenommen hat - darauf an, ob die Zustellungsmöglichkeit gerade an dem Ort besteht, an dem ein geschäftsführender Entscheidungsträger der Klägerin seine Tätigkeit ausübt. Dementsprechend spielt auch weder eine Rolle, wie die Beiträge der beiden Geschäftsführer der Klägerin im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, noch, ob am Tätigkeitsort des Geschäftsführers S. in Turku die Möglichkeit besteht, der Klägerin Schriftstücke zuzustellen.
20
(1) Sinn und Zweck der Prozesskostensicherheit ist es, den obsiegenden Beklagten vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Kostenerstattungsanspruchs zu bewahren, die typischerweise bei einer Vollstreckung außerhalb der Europäischen Union oder des Gebietes der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und damit außerhalb der Anwendungsbereiche der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil - und Handelssachen (Brüssel-Ia-VO) bzw. der für vor dem 10. Januar 2015 eingeleitete Verfahren noch maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (Brüssel -I-VO) und des Luganer Übereinkommens auftreten (vgl. BT-Drucks.
13/10871 S. 17). Dieser Zweck wird nicht gefährdet, wenn Unternehmenssitz und Zustellmöglichkeit nicht an einem Ort zusammenkommen, sondern sich an unterschiedlichen Orten innerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums befinden, sei es in unterschiedlichen Mitglied- oder Vertragsstaaten oder an unterschiedlichen Orten innerhalb desselben Staates. Dementsprechend kommt es auch dann, wenn - wie im Streitfall - die Geschäftsführung von mehreren Geschäftsführern an unterschiedlichen Orten wahrgenommen wird, nicht darauf an, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen, solange sich sämtliche Tätigkeitsorte der Geschäftsführer in der Union oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums befinden.
21
(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten erfordert der Wortlaut des § 110 Abs. 1 ZPO keine andere Beurteilung. Zwar ist dort vom gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rede. Angesichts des Zwecks des § 110 Abs. 1 ZPO, den Beklagten vor den Schwierigkeiten einer Vollstreckung in einem Drittstaat zu bewahren, ist dies jedoch nicht dahin zu verstehen, dass alle relevanten Anknüpfungspunkte in einem einzigen Mitgliedstaat gegeben sein müssten. Entscheidend ist vielmehr, dass sich Unternehmenssitz und Zustellmöglichkeit auf dem Gebiet der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums befinden und kein Ort in einem Drittstaat als möglicher Unternehmenssitz in Betracht kommt.
22
III. Als in den Rechtsmittelinstanzen unterlegene Partei hat die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht davon abgesehen hat, die Kosten des Berufungsverfahrens in entsprechender Anwendung von § 97 Abs. 2 ZPO der Klägerin aufzuerlegen.
23
1. Nach § 97 Abs. 2 ZPO hat die obsiegende Partei die Kosten der Berufungsinstanz zu tragen, wenn sie aufgrund eines neuen Vorbringens obsiegt hat, das sie schon in der ersten Instanz hätte geltend machen können. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift kommt - wie auch die Revision nicht in Frage stellt - nicht in Betracht, da die Veränderung in der Geschäftsleitung der Klägerin, die dieser nach der Begründung des Berufungsurteils zum Erfolg verholfen hat, erst im Berufungsverfahren eingetreten ist und daher im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht vorgetragen werden konnte.
24
2. Aber auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheidet entgegen der Auffassung der Revision aus.
25
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bringt § 97 Abs. 2 ZPO einen allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck und ist daher entsprechend anwendbar, wenn eine Partei erst in der Rechtsmittelinstanz infolge eines in der Rechtsmittelinstanz eingetretenen Umstands obsiegt, der nicht dem Bereich der Gegenpartei, sondern ihrem Bereich zuzurechnen ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1959 - IV ZR 103/59, BGHZ 31, 342, 350).
26
b) Für einen Umstand in diesem Sinne genügt jedoch nicht jedes tatsächliche Geschehen, das sich im Einflussbereich einer Partei ereignet. § 97 Abs. 2 ZPO liegt vielmehr der Gedanke zugrunde, dass derjenige mit den Kosten des Rechtsmittelverfahrens belastet werden soll, der ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel unter Verstoß gegen seine Prozessförderungspflicht verspätet geltend macht und damit den Prozess nachlässig führt (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2005 - VIII ZR 174/04, NJW-RR 2005, 866, 867). In dem Fall, der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 1959 (BGHZ 31, 342) zugrunde lag, konnte der Umstand, der zum Obsiegen des Klägers in der Rechtsmittelinstanz führte (Beitritt des Staatsanwalts als Streitgenosse), nur eintreten, weil der Kläger zuvor die Frist zur Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes seiner Frau versäumt hatte und nach der damaligen Rechtslage dadurch erst die Voraussetzung dafür entstanden war, dass der Staatsanwalt dem Verfahren beitreten und seinerseits das Anfechtungsrecht ausüben konnte.
27
c) Im Streitfall kann der Klägerin nicht vorgehalten werden, den Prozess nachlässig geführt zu haben. Aus der Prozessförderungspflicht einer Partei lassen sich keine Anforderungen an die personelle Besetzung ihres Vertretungsorgans ableiten. Im Übrigen wäre es der Beklagten unbenommen gewesen, nach dem Wechsel in der Geschäftsführung der Klägerin den Zwischenstreit über die Prozesskostensicherheit für erledigt zu erklären. Meier-Beck Bacher Schuster Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 29.07.2014 - 4b O 54/14 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.02.2015 - I-2 U 56/14 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 93/17
vom
23. August 2017
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Von einer Gesellschaft, die einen Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union
oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
unterhält, kann Prozesskostensicherheit gemäß §§ 110 ff. ZPO nicht verlangt
werden (im Anschluss an BGH, Urteil vom 1. Juli 2002 - II ZR 380/00, BGHZ 151,
204).
BGH, Beschluss vom 23. August 2017 - IV ZR 93/17 - OLG München
LG München I
ECLI:DE:BGH:2017:230817BIVZR93.17.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann und die Richterin Dr. Bußmann
am 23. August 2017

beschlossen:
Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 4. Juli 2017 erhobene Einrede der mangelnden Prozesskostensicherheit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren und möglicher anschließender Revision sowie ihr Antrag auf Anordnung weiterer Sicherheitsleistung werden zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die Klägerin ist eine auf den S. ansässige Ltd., die gegen die Beklagte als Mitversicherer einen Anspruch aus einer Yachtkaskoversicherung verfolgt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.
2
Durch Zwischenurteil vom 6. November 2014 hat das Landgericht der Klägerin eine Prozesskostensicherheit aufgegeben, die nur die Kosten der ersten beiden Instanzen abdeckte. Im vorliegenden Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Beklagte nunmehr die Anord- nung einer ergänzenden Prozesskostensicherheit für die Kosten der dritten Instanz.
3
Die Klägerin tritt diesem Antrag mit der Behauptung entgegen, dass sie jedenfalls seit 2014 einen Verwaltungssitz am Wohnsitz ihres gesetzlichen Vertreters in Österreich unterhalte. Dagegen unterhalte sie auf den S. keine Geschäftsräume.
4
II. Die Einrede der mangelnden Prozesskostensicherheit ist unbegründet. Zwar kommt die Anordnung einer weiteren Prozesskostensicherheit nach § 112 Abs. 3 ZPO in Betracht, wenn die geleistete Sicherheit nicht ausreicht. Die Klägerin ist aber bereits dem Grunde nach nicht zur Sicherheitsleistung gemäß § 110 ZPO verpflichtet.
5
1. Insoweit hat der Senat selbständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO (noch) gegeben sind. Dem steht entgegen der Auffassung der Beklagten keine Bindungswirkung des Zwischenurteils des Landgerichts entgegen, weil darin über eine Prozesskostensicherheit , die auch die dritte Instanz abdeckt, nicht entschieden worden ist (vgl. auch BGH, Zwischenurteil vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 148, wo die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO in einem gleichgelagerten Fall ebenfalls selbständig geprüft worden sind).
6
2. Von einer Gesellschaft, die einen Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unterhält, kann Prozesskostensicherheit gemäß §§ 110 ff. ZPO nicht verlangt werden.
7
a) Als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 110 ZPO ist bei Kapitalgesellschaften deren Sitz anzusehen (BGH, Zwischenurteil vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 148 unter 2a, juris Rn. 9). Umstritten und in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bisher nicht abschließend geklärt ist allerdings, ob insoweit auf den Gründungssitz oder den Verwaltungssitz abzustellen ist. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage zuletzt in zwei Entscheidungen ausdrücklich offen gelassen (BGH, Zwischenurteil vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03 aaO; Urteil vom 21. Juni 2016 - X ZR 41/15 ZIP 2016, 1703 Rn. 12 ff.).
8
aa) In einem früheren Urteil hatte der Bundesgerichtshof allerdings bereits ausgeführt, dass die Anwendbarkeit des § 110 ZPO jedenfalls bei einem Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union ausscheide (Urteil vom 1. Juli 2002 - II ZR 380/00, BGHZ 151, 204 unter III, juris Rn. 12). Auch die herrschende Auffassung in der Rechtsprechung der Instanzgerichte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. Februar 2015 - 2 U 57/14, juris Rn. 20; OLG München IPrax 2011, 267; OLG Karlsruhe NJW-RR 2008, 944; LG Berlin ZIP 2010, 903 f. juris Rn. 19) und in der Literatur (Stein/Jonas/Muthorst, ZPO 23. Aufl. § 110 Rn. 9; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 75. Aufl. § 110 Rn. 4; Zöller/Herget, ZPO 31. Aufl. § 110 Rn. 2; Musielak/Voit/Foerste, ZPO 14. Aufl. § 110 Rn. 4; MünchKomm-ZPO/Schulz, 5. Aufl. § 110 Rn. 13; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht 7. Aufl. Rn. 2004 d; Schütze, IPrax 2014, 272, 273 m.w.N. in Fn. 9; ders. IPrax 2011, 245, 246) stellt generell auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ab.
9
bb) Anderer Auffassung ist - außer dem Landgericht im hiesigen Rechtsstreit - das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht. Nach dessen Ansicht soll es auf den Gründungssitz ankommen, weil die Ge- sellschaft ohne größeren Aufwand ihren Verwaltungssitz verlegen und sich hierdurch dem Vollstreckungszugriff im Falle des Unterliegens entziehen könnte (OLG Schleswig IPrax 2014,289, juris Rn. 16).
10
b) Zutreffend ist jedenfalls für die Fälle, in denen die Gesellschaft einen Verwaltungssitz in der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, die erstgenannte Auffassung.
11
Für die Anknüpfung an den Verwaltungssitz spricht bereits die Parallele zwischen dem Verwaltungssitz und dem "gewöhnlichen Aufenthalt" , auf den der Wortlaut des § 110 Abs. 1 ZPO für natürliche Personen abstellt. Darüber hinaus besteht der Sinn und Zweck der Vorschrift darin, den obsiegenden Beklagten vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Kostenerstattungsanspruchs zu bewahren, die typischerweise bei einer Vollstreckung außerhalb der Europäischen Union oder des Gebietes der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und damit außerhalb der Anwendungsbereiche der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie der für vor dem 10. Januar 2015 eingeleitete Verfahren noch maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 und des Luganer Übereinkommens auftreten (BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 - X ZR 41/15, ZIP 2016, 1703 Rn. 20; BT-Drucks. 13/10871 S. 17). Für die Durchsetzbarkeit des Kostenerstattungsanspruchs kommt es aber eher auf den Verwaltungssitz als auf den Gründungs- oder satzungsmäßigen Sitz einer Gesellschaft an, weil sich das Betriebsvermögen der Gesellschaft regelmäßig an ihrem Verwaltungssitz befindet, wo die Geschäfte geführt werden; der statutarische Sitz kann eine "leere Hülle" sein. Darauf, dass im Einzelfall auch eine Vollstreckung am Verwaltungssitz gefährdet sein kann, kommt es nicht an, weil dieses Risiko nicht höher als bei inländischen Klägern ist (zutreffend Schütze, IPRax 2014, 272, 273).
12
Europarechtliche Gründe stehen einer Anknüpfung an den Verwaltungssitz jedenfalls bei Gesellschaften mit Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nicht entgegen, weil diese Anknüpfung gerade dazu führt, dass diese Gesellschaften keine Prozesskostensicherheit zu leisten haben und damit nicht anders als inländische Gesellschaften behandelt werden.
13
Ob an den Verwaltungssitz auch dann anzuknüpfen wäre, wenn eine innerhalb der Europäischen Union gegründete Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in ein Land verlegt, das weder der Europäischen Union noch einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum angehört, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden.
14
3. Für den Streitfall ist zugrunde zu legen, dass die Klägerin ihren Verwaltungssitz in Österreich hat.
15
a) Maßgebend dafür, wo eine juristische Person ihren Verwaltungssitz hat, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGH, Urteile vom 21. Juni 2016 - X ZR 41/15, ZIP 2016, 1703 Rn. 15; vom 15. März 2010 - II ZR 27/09, ZIP 2010, 1003 Rn. 16; vom 21. März 1986 - V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 un- ter II, juris Rn. 9; Beschlüsse vom 10. November 2009 - VI ZB 25/09, VersR 2010, 275 Rn. 8; vom 10. März 2009 - VIII ZB 105/07, ZIP 2009, 987 Rn. 11; vom 21. Januar 2009 - Xa ARZ 273/08, juris Rn. 18). Hat die Gesellschaft nur einen organschaftlichen Vertreter und unterhält sie an keinem anderen Ort Geschäftsräume, in denen dieser tätig ist, ist danach für ihren Verwaltungssitz der Aufenthaltsort ihres einzigen organschaftlichen Vertreters maßgebend.
16
b) So liegt es nach dem Vorbringen der Klägerin hier. Diese hat schlüssig dargelegt, dass sich ihr Verwaltungssitz in Österreich und damit innerhalb der Europäischen Union befindet, indem sie vorgetragen hat, dass ihr einziger organschaftlicher Vertreter ("sole director") in Österreich wohnt sowie dass sie auf den S. keine Geschäftsräume unterhält, weil alleiniger Gesellschaftszweck Erwerb und Halten der streitgegenständlichen Yacht sei und sie über keinen anderweitigen Geschäftsbetrieb verfüge.
17
Für ihre gegenteilige Behauptung, dass sich der Verwaltungssitz der Klägerin nicht in der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum befindet, ist die Beklagte beweispflichtig (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2005 - III ZB 73/05, NJW-RR 2006, 710, juris Rn. 13; Stein/Jonas/Muthorst , 23. Aufl. § 110 Rn. 46; Zöller/Herget, 31. Aufl. § 110 Rn. 7), weil dies eine Voraussetzung der für sie günstigen Bestimmung des § 110 Abs. 1 ZPO ist. Insoweit fehlt es jedoch an einem ausreichend substantiierten Vorbringen unter Beweisantritt.

Mayen Felsch Harsdorf-Gebhardt
Lehmann Dr. Bußmann

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 05.08.2016- 14 HKO 25260/13 -
OLG München, Entscheidung vom 13.02.2017- 7 U 3659/16 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 73/05
vom
21. Dezember 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das Verfahren nach § 109 ZPO ist eröffnet, wenn der Kläger, dem durch Zwischenurteil
die Stellung einer Prozesskostensicherheit nach § 110 Abs. 1
ZPO aufgegeben worden ist, geltend macht, seine Pflicht sei entfallen, weil
er nunmehr seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen
Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den
Europäischen Wirtschaftsraum habe.
BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2005 - III ZB 73/05 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Dezember 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr
und Galke

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2005 - 12 W 125/04 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 110.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger - nach der übereinstimmenden Angabe in seiner Klage und in seiner Rechtsbeschwerdeschrift mit Aufenthalt in Beirut/Libanon - nimmt das beklagte Land auf Feststellung der Ersatzpflicht wegen eines behaupteten Fehlverhaltens von Betriebsprüfern des Finanzamts in Anspruch. Auf Verlangen des beklagten Landes ist dem Kläger durch Zwischenurteil des Landgerichts vom 2. Oktober 2003 die Stellung einer Prozesskostensicherheit nach § 110 Abs. 1 ZPO in Höhe von 110.000 € aufgegeben worden. Eine entsprechende Sicherheit hat der Kläger in Form einer Prozessbürgschaft der Sparkasse D. gestellt. In dem Verfahren vor dem Landgericht hatte der Kläger zuvor geltend gemacht, sein Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt befinde sich in M. /Spanien. Dort habe er sich von 1997 bis 2000 weit überwiegend aufgehalten. Lediglich ein gegen ihn verhängter internationaler Haftbefehl hindere ihn derzeit, dorthin zurückzukehren. Demgegenüber ist das Landgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, der Lebensmittelpunkt sei zwar nicht schon durch das Bestehen des Haftbefehls als solchen, dessen Aufhebung oder Außervollzugsetzung nicht absehbar sei, wohl aber durch dessen mit den Jahren fortwirkende Verdrängungswirkung zunehmend von M. und damit weg aus dem Gebiet der Europäischen Union verlagert worden.
2
Nach Aufhebung des Haftbefehls durch Beschluss vom 1. März 2004 hat der Kläger unter Beweisantritt vorgetragen, er habe zumindest jetzt einen gewöhnlichen Aufenthalt in M. begründet, und nach § 109 Abs. 1 ZPO beantragt , eine Frist zu bestimmen, binnen der das beklagte Land die Prozesskostensicherheit zurückzugeben habe. Das Landgericht (Rechtspflegerin) hat diesen Antrag zurückgewiesen. Zwar könne der Kläger nach § 109 Abs. 1 ZPO die Aufhebung der Sicherheit verlangen, wenn deren Veranlassung nachträglich wegfalle. Hier bestehe aber die Gefahr einer fruchtlosen Zwangsvollstreckung nach Abschluss des Verfahrens fort. Der bloße nachträgliche Aufenthalt des Klägers in einem der in § 110 Abs. 1 ZPO erwähnten Staaten begründe den Wegfall der Veranlassung der Prozesskostensicherheit nicht. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.


3
Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
4
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Rechtspflegerin habe über den Antrag nach § 109 Abs. 1 ZPO nicht in der Sache entscheiden dürfen. Denn die Anordnung der Prozesskostensicherheit durch Zwischenurteil des Landgerichts könne nicht im Wege des Verfahrens nach § 109 ZPO rückgängig gemacht werden. Das Zwischenurteil selbst sei nicht selbständig anfechtbar. Würden selbständige Rechtsmittel hiergegen zugelassen, könnte das zu einer unter prozessökonomischen Gesichtspunkten nicht hinnehmbaren beträchtlichen Erschwerung und Verlängerung des Verfahrens führen. Deswegen sei es auch nicht zulässig, die Abänderung der Anordnung einer Prozesskostensicherheit im Verfahren der für (sonstige) prozessuale Sicherheitsleistungen geltenden Bestimmung des § 109 ZPO vorzunehmen. Hierdurch würde das Verfahren zur Hauptsache noch stärker beeinträchtigt, wenn man bedenke, dass der Gesetzgeber Entscheidungen nach § 109 ZPO gemäß § 20 Nr. 3 RPflG dem Rechtspfleger übertragen habe, der der vom Prozessgericht bejahten Hürde für die Zulässigkeit der Klage während des laufenden Hauptverfahrens - wenn auch aufgrund neuer Tatsachen - "den Boden entziehen" könne. Anschließend komme wieder ein Antrag der Beklagtenseite nach § 110 ZPO in Betracht. Die darin liegende Gefahr wiederholter divergierender Entscheidungen von Prozessgericht und Rechtspfleger über eine für die Zulässigkeit der Klage wesentliche Voraussetzung erscheine nicht hinnehmbar. Das gelte jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - über die Frage, ob die Veranlassung für ei- ne Sicherheitsleistung weggefallen sei, nicht ohne weiteres anhand unstreitiger oder offenkundiger Tatsachen entschieden werden könne.
5
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
6
a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass das Zwischenurteil des Landgerichts, mit dem dem Kläger eine Sicherheitsleistung aufgegeben wurde, nicht selbständig anfechtbar ist, weil es nicht - wie es für seine Anfechtbarkeit nach § 280 ZPO erforderlich wäre - über die Zulässigkeit der Klage befindet, sondern die Entscheidung hierüber noch offen lässt und gemäß § 113 Satz 2 ZPO einem nachfolgenden Verfahrensabschnitt vorbehält (vgl. BGHZ 102, 232, 234 ff). Da es in der ersten Instanz noch zu keiner Sachentscheidung gekommen ist, kann der Kläger daher zur Zeit die Anordnung der von ihm gestellten Sicherheitsleistung im Rechtsmittelweg nicht überprüfen lassen (vgl. BGHZ aaO S. 236).
7
b) Hieraus folgt indessen nicht, dass der Kläger einen - wie hier mangels Feststellungen für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellen ist - möglichen Wegfall der Voraussetzungen, unter denen das beklagte Land eine Sicherstellung wegen der Prozesskosten verlangen kann, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache hinnehmen müsste. Wie § 111 ZPO zu entnehmen ist, kann die Berechtigung, eine Sicherheitsleistung zu verlangen, zu einem späteren Zeitpunkt eintreten, sei es, dass erstmals die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthalts außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums vorliegen, sei es, dass Befreiungen nach § 110 Abs. 2 ZPO in Wegfall geraten. Es kann sich auch nach § 112 Abs. 3 ZPO die Situation ergeben, dass eine einmal geleistete Sicherheit nicht ausreicht und der Kläger auf Verlangen eine weitere Sicherheit zu leisten hat (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 - III ZR 451/04 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Für die jeweils umgekehrte Situation kann im Grundsatz nichts anderes gelten. Für ein selbständiges Klageverfahren auf Rückgabe der Sicherheit, die das Verfahren zur Hauptsache unberührt lässt (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - IX ZR 120/93 - NJW 1994, 1351), ist dies ohne weiteres anzunehmen. Seine prozessuale Durchführung steht nur unter dem Vorbehalt, dass der Kläger grundsätzlich gehalten ist, das einfachere Verfahren nach § 109 ZPO zur Rückerlangung der Sicherheit zu wählen (vgl. Wieczorek /Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl. 1994, § 109 Rn. 7; Musielak/Foerste, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 109 Rn. 2; MünchKommZPO-Belz, 2. Aufl. 2000, § 109 Rn. 4; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 109 Rn. 4; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 109 Rn. 1).
8
c) Nach Auffassung des Senats ist auch das Verfahren nach § 109 ZPO zulässig, um dem Anliegen des Klägers zu entsprechen.
9
Soweit aa) das Beschwerdegericht seine Entscheidung darauf stützt, § 109 ZPO betreffe nur Verfahren für sonstige prozessuale Sicherheitsleistungen , kann ihm nicht gefolgt werden. Im Grundsatz hat die nach § 110 ZPO verlangte Sicherheitsleistung bezogen auf die Prozesskosten dieselbe Aufgabe wie eine sonstige prozessuale Sicherheitsleistung. Es ist daher einhellige Meinung, dass das Verfahren nach § 109 ZPO auch in Fällen des § 110 ZPO anwendbar ist, etwa wenn der Kläger nach rechtskräftiger Verurteilung des Beklagten in die Prozesskosten geltend macht, die Veranlassung für die Sicherheitsleistung sei weggefallen (vgl. OLG Stuttgart MDR 1985, 1033; Zöller/Herget, § 109 Rn. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl. 2005, § 109 Rn. 9; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27.Aufl. 2005, §109 Rn.1a; Musielak/Foerste, § 109 Rn. 7; MünchKommZPO-Belz, § 110 Rn. 6).

10
bb) Für die Anwendung des § 109 ZPO ist es entscheidend, ob die Veranlassung für eine Sicherheitsleistung weggefallen ist. Dies ist nach dem jeweiligen Zweck der Sicherheitsleistung zu bestimmen, mit der ein Schwebezustand überbrückt werden soll. Nimmt man allein in den Blick, dass der Zweck der Sicherheitsleistung nach § 110 ZPO darin besteht, einen möglichen Kostenerstattungsanspruch der beklagten Partei zu sichern, besteht der Schwebezustand fort, weil in der Hauptsache noch keine Entscheidung ergangen ist. Das Begehren des Klägers, den Schwebezustand gleichwohl zu beenden, beruht aber auf der Überlegung, infolge einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse fehle es an einer rechtlichen Grundlage, für einen möglichen Kostenerstattungsanspruch überhaupt eine Sicherstellung verlangen zu dürfen. Auch dann bestehe für eine Sicherheitsleistung keine Veranlassung mehr.
11
Der Senat sieht keinen Anlass, eine solche Fallkonstellation aus dem Anwendungsbereich des § 109 ZPO auszunehmen. Das Verfahren nach § 109 ZPO soll die Rückgabe der Sicherheit erleichtern und beschleunigen (vgl. RGZ 156, 164, 167; Wieczorek/Schütze/Steiner, § 109 Rn. 4; Thomas/Putzo/ Hüßtege, § 109 Rn. 1; Musielak/Foerste, § 109 Rn. 1; MünchKommZPO-Belz, § 109 Rn. 3; Stein/Jonas/Bork, § 109 Rn. 4). Der Bundesgerichtshof hat daher auch keine Bedenken gesehen, dieses Verfahren auf die Rückgabe einer einzelnen Sicherheitsleistung anzuwenden, wenn an deren Stelle aufgrund eines abändernden Beschlusses nach § 108 ZPO eine andere Sicherheit getreten ist (vgl. Urteil vom 24. Februar 1994 - IX ZR 120/93 - NJW 1994, 1351 f). Darüber hinaus hat die obergerichtliche Rechtsprechung das erleichterte Verfahren nach § 109 ZPO auch in Fällen für anwendbar gehalten, in denen die Pflicht, eine Sicherheit zu leisten, infolge eines Abkommens (vgl. OLG Karlsruhe JW 1928, 1238) oder wegen einer bekannt gewordenen Befreiung von der Kostensicher- heit (vgl. OLG Hamburg WM 1991, 925) nachträglich weggefallen ist. Dieser Auffassung ist das Schrifttum weitgehend gefolgt (vgl. Hk-ZPO/Wöstmann, 2006, § 110 Rn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 110 Rn. 4; Stein/Jonas/ Bork, § 111 Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 109 Rn. 9 - Wegfall der Sicherungspflicht -; Musielak/Foerste, § 109 Rn. 7 - Entstehung eines Befreiungsgrundes -; für eine entsprechende Anwendung von § 111 ZPO MünchKommZPO-Belz, § 111 Rn. 14; Wieczorek/Schütze, § 111 Rn. 10). Auch der Senat hielte es für nicht angemessen, Fälle dieser Art grundsätzlich auf den Klageweg zu verweisen, zumal dann auch für dieses Verfahren ein belastender und verzögernder Streit über die Prozesskostenvorschusspflicht vorprogrammiert wäre. Andererseits wäre der im Schrifttum vereinzelt vorgeschlagene Weg einer entsprechenden Anwendung von § 111 ZPO nicht ohne Rechtsfortbildung gangbar, für die angesichts des zur Verfügung stehenden Verfahrens nach § 109 ZPO kein Bedürfnis besteht.
12
cc) Dass das Verfahren nach § 109 ZPO nach § 20 Nr. 3 RPflG dem Rechtspfleger zugewiesen ist, spricht nicht entscheidend gegen seine Anwendung auf die hier vorliegende Fallkonstellation. Der Beschwerdeerwiderung ist zwar darin zuzustimmen, dass sich der Wegfall der Veranlassung für eine Sicherheitsleistung im Allgemeinen ohne einen besonderen Aufwand feststellen lässt, weil er - etwa bei nachträglichem Eintritt von Befreiungsvoraussetzungen nach § 110 Abs. 2 ZPO - mehr oder weniger offenkundig ist. Dem Rechtspfleger , der nach § 4 Abs. 1 RPflG in den Grenzen des Absatzes 2 alle Maßnahmen trifft, die zur Erledigung des ihm übertragenen Geschäfts erforderlich sind, ist die Erhebung von Beweisen aber nicht verschlossen (vgl. Arnold/MeyerStolte /Herrmann, RPflG, 6. Aufl. 2002, § 4 Rn. 11; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 10. Aufl. 2004, § 4 RPflG Rn. 3), wobei auch insoweit kein Anwaltszwang besteht (§ 13 RPflG). Dass das nach Maßgabe des § 109 Abs. 4 ZPO zuständige Beschwerdegericht die erforderlichen Beweise erheben kann, steht außer Frage.
13
dd) Schließlich steht die vom Beschwerdegericht gesehene Gefahr divergierender Entscheidungen des Rechtspflegers und des Prozessgerichts mit den hiermit verbundenen Auswirkungen auf das Verfahren zur Hauptsache dem Verfahren nach § 109 ZPO nicht entgegen. Grundsätzlich gilt, dass das Verfahren zur Hauptsache nach Stellung der Sicherheit durch den Kläger durchzuführen ist. Die Prüfung des Antrags nach § 109 Abs. 1 ZPO berührt das Verfahren zur Hauptsache nicht. Bei richtiger Behandlung eines solchen Antrags, insbesondere durch Bildung eines Sonderhefts für die hiervon betroffenen Vorgänge , ist der Fortgang des Verfahrens zur Hauptsache ungestört. Die Befürchtung , es könne nach einem erfolgreichen Verfahren nach § 109 ZPO zu einem erneuten Streit über die Prozesskostenvorschusspflicht nach § 110 ZPO kommen - gegebenenfalls, wie das Beschwerdegericht andeutet, durch wiederholte divergierende Entscheidungen -, ist eher theoretischer Natur. Im anhängigen Verfahren nach § 109 ZPO geht es nicht um eine Überprüfung des landgerichtlichen Zwischenurteils, sondern um die Frage, ob der Kläger nach Aufhebung des Haftbefehls einen gewöhnlichen Aufenthalt in M. begründet hat. Hierfür trägt der Kläger die Beweislast (vgl. MünchKommZPO-Belz, § 109 Rn. 11; Stein/Jonas/Bork, § 109 Rn. 12). Sollte sich dies herausstellen, ist nicht ersichtlich , weshalb ohne eine Änderung der maßgebenden Verhältnisse dem beklagten Land, das für das erneute Verlangen nach § 110 Abs. 1 ZPO beweispflichtig wäre (vgl. Musielak/Foerste, § 110 Rn. 9; Zöller/Herget, § 110 Rn. 7), erneut ein Anspruch auf Stellung einer Prozesskostensicherheit zustehen sollte, noch weniger , weshalb es unter solchen Umständen sogleich wieder einen entsprechenden Antrag stellen würde. Für ein Zurückbehaltungsrecht des beklagten Landes, wie die Beschwerdeerwiderung dies geltend macht, ist daher kein Raum. Soweit hinter der Entscheidung des Beschwerdegerichts die Vorstellung stehen sollte, das von einem Rechtspfleger geführte Verfahren dürfe nicht zu einer vom Prozessgericht abweichenden Entscheidung führen, werden die Selbständigkeit dieses Verfahrens und die mit ihm verbundenen Verfahrensgarantien nicht hinreichend berücksichtigt.
14
3. Im weiteren Verfahren muss daher geprüft werden, ob der Kläger jetzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 22.07.2004 - 2 O 4/04 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 03.05.2005 - 12 W 125/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 41/15 Verkündet am:
21. Juni 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Prozesskostensicherheit

a) Hat eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder
eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
errichtete Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz in diesem Mitgliedoder
Vertragsstaat, ist sie jedenfalls dann nicht verpflichtet, auf Verlangen
des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten, wenn sämtliche
Orte, an die zur Bestimmung des tatsächlichen Verwaltungssitzes angeknüpft
werden könnte, ebenfalls in der Europäischen Union oder dem Europäischen
Wirtschaftsraum liegen.

b) Der aufgrund neuer, in ihrem Einflussbereich eingetretener tatsächlicher Umstände
obsiegenden Partei können Kosten des Rechtsmittelverfahrens nur
dann auferlegt werden, wenn sie dadurch gegen ihre Prozessförderungspflicht
verstoßen hat, dass sie diese Umstände nicht bereits in einem früheren
Rechtszug herbeigeführt hat.
BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 - X ZR 41/15 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
ECLI:DE:BGH:2016:210616UXZR41.15.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Dr. Bacher, die Richterin Schuster, den Richter Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Februar 2015 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin, die die Beklagte wegen Patentverletzung in Anspruch nimmt, Sicherheit wegen der Prozesskosten zu leisten hat.
2
Die Klägerin ist Tochter einer US-amerikanischen Muttergesellschaft mit Sitz in Reno (Nevada) und im irischen Handelsregister als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach irischem Recht eingetragen. Im Jahr 2012 verkaufte die Muttergesellschaft das operative Geschäft der Klägerin. Im Jahr darauf erwarb sie ein etwa 1000 Schutzrechte umfassendes Patentportfolio, das sie im Februar 2014 auf die Klägerin übertrug. Diese ist seither mit der Verwaltung, Lizenzierung und - soweit erforderlich - klageweisen Durchsetzung des Patentportfolios , zu dem auch das Klagepatent gehört, in Europa und Korea betraut.
3
Als satzungsmäßiger Sitz der Klägerin ist die Adresse einer Rechtsanwaltskanzlei in Dublin registriert. Als Geschäftssitz hat die Klägerin vor dem Landgericht eine hiervon abweichende Adresse in Dublin angegeben, wo sie ein Büro bei einem Office-Dienstleister angemietet hatte, der für die Mieter Lieferungen und Postsendungen annimmt. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Klägerin einen Mietvertrag über Geschäftsräume unter der im Urteilsrubrum angegebenen Adresse in Dublin abgeschlossen.
4
Das vertretungsberechtigte Organ der Klägerin (board of directors) besteht aus den Geschäftsführern S. S. und P. R. . Der Geschäftsführer S. arbeitet hauptsächlich in einem in seiner Privatwohnung in Turku (Finnland) eingerichteten Büro. Er ist gleichzeitig Vizepräsident der Muttergesellschaft der Klägerin und bei dieser für den Bereich Lizenzen und Standards zuständig. Der Geschäftsführer R. , der seinen Wohnsitz in Dublin hat und seit dem 24. Juni 2014 bei der Klägerin beschäftigt ist, war für diese zunächst als unternehmensinterner Rechtsberater (legal counsel) tätig. Ende 2014 wurde er anstelle des bisherigen zweiten Geschäftsführers der Klägerin E. V. , der als in Reno ansässiges Mitglied des Vorstands der Muttergesellschaft bei der Klägerin tatsächlich keine Geschäftsführungsaufgaben wahrgenommen hatte , zum Geschäftsführer (director) der Klägerin bestellt. Seit August 2014 beschäftigt die Klägerin in Dublin außerdem eine Buchhalterin.
5
Das Landgericht hat den Antrag der Beklagten, der Klägerin die Leistung einer Prozesskostensicherheit aufzugeben, mit Zwischenurteil zurückgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
7
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
8
Die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Klägerin, Sicherheit wegen der Prozesskosten zu leisten, seien nicht gegeben. Nachdem die gesetzliche Regelung hierfür an den gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers anknüpfe, komme es dementsprechend bei einer juristischen Person wie der Klägerin auf den Sitz des Unternehmens an. Prozesskostensicherheit sei danach nur zu leisten , wenn sich der Sitz des klagenden Unternehmens nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) befinde, wobei nicht der satzungsmäßige , sondern der tatsächliche Verwaltungssitz maßgebend sei. Dieser sei an dem Ort anzunehmen, an dem zum einen die Möglichkeit für Zustellungen an den Kläger gegeben sei und zum anderen der geschäftsführende Entscheidungsträger des Klägers tätig werde. Die Existenz einer zustellungsfähigen Anschrift in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens sei eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Annahme eines Verwaltungssitzes in einem dieser Staaten. Auch wenn die Prozesskostensicherheit nicht davor schütze, dass der Vollstreckungszugriff mangels werthaltiger Vollstreckungsobjekte des Klägers scheitere, verknüpfe das Gesetz - in einer rein typisierenden Betrachtung - mit dem tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung doch die angenommene Anwesenheit von Vermögenswerten, die dem obsiegenden Beklagten bei der Realisierung seines Kostenerstattungsanspruchs als Vollstreckungsobjekt dienen könnten. Ließe man bereits eine Zustellmöglichkeit für die Annahme eines Ver- waltungssitzes ausreichen, wäre nicht einmal die theoretische Aussicht auf ein Zugriffsobjekt für eine Zwangsvollstreckung in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum gegeben und der Beklagte wäre von vorneherein auf eine Zwangsvollstreckung außerhalb Europas angewiesen. Umgekehrt könne ein Verwaltungssitz auch nicht an der Wirkungsstätte des Geschäftsführers angenommen werden, wenn dort keine Zustellmöglichkeit bestehe, so wenn der Geschäftsführer beispielsweise in seiner privaten Unterkunft ein Büro unterhalte. Fielen der Ort der Zustellmöglichkeit und der Tätigkeitsort des geschäftsführenden Entscheidungsträgers auseinander, lasse sich kein tatsächlicher Verwaltungssitz ausmachen. In diesem Fall sei der Kläger, auch wenn sich beide Orte in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum befänden, ebenso zur Leistung von Prozesskostensicherheit verpflichtet, wie wenn er seinen Verwaltungssitz in einem Drittstaat hätte. Seien mehrere Geschäftsführer vorhanden, die das operative Geschäft gemeinschaftlich oder arbeitsteilig erledigten, genüge es, wenn der Tätigkeitsort nur eines von ihnen mit dem Zustellungsort zusammenfalle. Dadurch sei dem Zweck der Prozesskostensicherheit gedient, weil zu erwarten sei, dass sich dort, wo auch nur einer von mehreren Geschäftsführern residiere und die Voraussetzungen für eine Zustellmöglichkeit gegeben seien, typischerweise Vermögenswerte befänden, die als Vollstreckungsobjekte für den Beklagten taugten. Unerheblich sei, welches Gewicht die Beiträge des am Zustellungsort residierenden Geschäftsführers im Vergleich zu denen eines oder mehrerer weiterer Mitgeschäftsführer hätten; es genüge, dass der Geschäftsführer am Zustellungsort überhaupt in das operative Geschäft des Klägers verantwortlich eingebunden sei.
9
Die Klägerin habe ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Dublin, weil dort Zustellungen an die Klägerin wirksam vorgenommen werden könnten und - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - der Mitgeschäftsführer R. an diesem Ort das operative Geschäft der Klägerin verantwortlich und weisungsfrei betreibe.
10
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO für eine Verpflichtung der Klägerin zur Leistung von Prozesskostensicherheit nicht vorliegen.
11
1. Nach dieser Bestimmung müssen Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit leisten. Bei einer juristischen Person wie der Klägerin richtet sich - wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist - die Verpflichtung zur Leistung von Prozesskostensicherheit dementsprechend danach, ob sich der Sitz des Unternehmens in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens befindet.
12
2. Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob es für die Verpflichtung zur Prozesskostensicherheit, wie das Berufungsgericht angenommen hat, nicht auf den satzungsmäßigen, sondern auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ankommt. Denn sowohl als satzungsmäßiger wie auch als tatsächlicher Verwaltungssitz der Klägerin kommt nur ein Ort in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union in Betracht.
13
a) Ob im Rahmen des § 110 Abs. 1 ZPO auf den satzungsmäßigen Sitz oder auf den tatsächlichen Verwaltungssitz abzustellen ist, ist vom Bundesgerichtshof bisher offen gelassen worden. In den zu beurteilenden Fällen war die Frage nicht entscheidungserheblich, weil sich entweder sowohl der satzungsmäßige Sitz als auch der Verwaltungssitz des Klägers in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union befanden (BGH, Urteil vom 1. Juli 2002 - II ZR 380/00, BGHZ 151, 204, 208 f.) oder die als Unternehmenssitz in Betracht kommenden Orte sämtlich in Drittstaaten belegen waren (BGH, Zwischenurteil vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 148, 149).
14
b) Auch im Streitfall kann diese Frage offen bleiben, da die Klägerin in keinem denkbaren Fall zur Leistung von Prozesskostensicherheit verpflichtet ist. Stellt man auf den satzungsmäßigen Sitz ab, kann von der Klägerin Prozesskostensicherheit nicht verlangt werden, weil dieser in Dublin und damit in einem Unionsmitgliedstaat liegt. Sieht man den Verwaltungssitz als maßgeblich an, ist eine Pflicht der Klägerin zur Leistung von Prozesskostensicherheit ebenfalls zu verneinen, da ein Verwaltungssitz außerhalb der Europäischen Union im Streitfall nicht in Betracht kommt.
15
aa) Maßgebend dafür, wo eine Gesellschaft ihren Verwaltungssitz hat, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane , also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGH, Urteil vom 21. März 1986 - V ZR 10/85, BGHZ 97, 269, 272; Beschluss vom 10. März 2009 - VIII ZB 105/07, NJW 2009, 1610).
16
bb) Im Streitfall liegen alle entscheidenden Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Verwaltungssitzes im Bereich der Europäischen Union.
17
(1) Die Klägerin hat die Führung ihrer Geschäfte zweiGeschäftsführern übertragen, wobei der Geschäftsführer S. seine Tätigkeit vornehmlich in Turku ausübt und der Geschäftsführer R. in Dublin tätig ist. Die Geschäftsführertätigkeit für die Klägerin wird danach ausschließlich in Irland und Finnland und damit in Mitgliedstaaten der Europäischen Union wahrgenommen, so dass unabhängig davon, wie das Verhältnis und die Beiträge der Geschäftsführer S.
und R. zueinander zu bewerten sind, die Klägerin jedenfalls keinen Verwaltungssitz außerhalb der Union hat.
18
(2) Zustellungen an die Klägerin können zumindest in ihren Büroräumen in Dublin und damit ebenfalls in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union vorgenommen werden.
19
cc) Unter diesen Umständen ist es weder - wie die Revision meint - erforderlich , zunächst den Schwerpunkt der Geschäftsführertätigkeit festzustellen und danach den effektiven Verwaltungssitz der Klägerin zu bestimmen, noch kommt es - wie das Berufungsgericht angenommen hat - darauf an, ob die Zustellungsmöglichkeit gerade an dem Ort besteht, an dem ein geschäftsführender Entscheidungsträger der Klägerin seine Tätigkeit ausübt. Dementsprechend spielt auch weder eine Rolle, wie die Beiträge der beiden Geschäftsführer der Klägerin im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, noch, ob am Tätigkeitsort des Geschäftsführers S. in Turku die Möglichkeit besteht, der Klägerin Schriftstücke zuzustellen.
20
(1) Sinn und Zweck der Prozesskostensicherheit ist es, den obsiegenden Beklagten vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Kostenerstattungsanspruchs zu bewahren, die typischerweise bei einer Vollstreckung außerhalb der Europäischen Union oder des Gebietes der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und damit außerhalb der Anwendungsbereiche der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil - und Handelssachen (Brüssel-Ia-VO) bzw. der für vor dem 10. Januar 2015 eingeleitete Verfahren noch maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (Brüssel -I-VO) und des Luganer Übereinkommens auftreten (vgl. BT-Drucks.
13/10871 S. 17). Dieser Zweck wird nicht gefährdet, wenn Unternehmenssitz und Zustellmöglichkeit nicht an einem Ort zusammenkommen, sondern sich an unterschiedlichen Orten innerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums befinden, sei es in unterschiedlichen Mitglied- oder Vertragsstaaten oder an unterschiedlichen Orten innerhalb desselben Staates. Dementsprechend kommt es auch dann, wenn - wie im Streitfall - die Geschäftsführung von mehreren Geschäftsführern an unterschiedlichen Orten wahrgenommen wird, nicht darauf an, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen, solange sich sämtliche Tätigkeitsorte der Geschäftsführer in der Union oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums befinden.
21
(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten erfordert der Wortlaut des § 110 Abs. 1 ZPO keine andere Beurteilung. Zwar ist dort vom gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rede. Angesichts des Zwecks des § 110 Abs. 1 ZPO, den Beklagten vor den Schwierigkeiten einer Vollstreckung in einem Drittstaat zu bewahren, ist dies jedoch nicht dahin zu verstehen, dass alle relevanten Anknüpfungspunkte in einem einzigen Mitgliedstaat gegeben sein müssten. Entscheidend ist vielmehr, dass sich Unternehmenssitz und Zustellmöglichkeit auf dem Gebiet der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums befinden und kein Ort in einem Drittstaat als möglicher Unternehmenssitz in Betracht kommt.
22
III. Als in den Rechtsmittelinstanzen unterlegene Partei hat die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht davon abgesehen hat, die Kosten des Berufungsverfahrens in entsprechender Anwendung von § 97 Abs. 2 ZPO der Klägerin aufzuerlegen.
23
1. Nach § 97 Abs. 2 ZPO hat die obsiegende Partei die Kosten der Berufungsinstanz zu tragen, wenn sie aufgrund eines neuen Vorbringens obsiegt hat, das sie schon in der ersten Instanz hätte geltend machen können. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift kommt - wie auch die Revision nicht in Frage stellt - nicht in Betracht, da die Veränderung in der Geschäftsleitung der Klägerin, die dieser nach der Begründung des Berufungsurteils zum Erfolg verholfen hat, erst im Berufungsverfahren eingetreten ist und daher im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht vorgetragen werden konnte.
24
2. Aber auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheidet entgegen der Auffassung der Revision aus.
25
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bringt § 97 Abs. 2 ZPO einen allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck und ist daher entsprechend anwendbar, wenn eine Partei erst in der Rechtsmittelinstanz infolge eines in der Rechtsmittelinstanz eingetretenen Umstands obsiegt, der nicht dem Bereich der Gegenpartei, sondern ihrem Bereich zuzurechnen ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1959 - IV ZR 103/59, BGHZ 31, 342, 350).
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b) Für einen Umstand in diesem Sinne genügt jedoch nicht jedes tatsächliche Geschehen, das sich im Einflussbereich einer Partei ereignet. § 97 Abs. 2 ZPO liegt vielmehr der Gedanke zugrunde, dass derjenige mit den Kosten des Rechtsmittelverfahrens belastet werden soll, der ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel unter Verstoß gegen seine Prozessförderungspflicht verspätet geltend macht und damit den Prozess nachlässig führt (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2005 - VIII ZR 174/04, NJW-RR 2005, 866, 867). In dem Fall, der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 1959 (BGHZ 31, 342) zugrunde lag, konnte der Umstand, der zum Obsiegen des Klägers in der Rechtsmittelinstanz führte (Beitritt des Staatsanwalts als Streitgenosse), nur eintreten, weil der Kläger zuvor die Frist zur Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes seiner Frau versäumt hatte und nach der damaligen Rechtslage dadurch erst die Voraussetzung dafür entstanden war, dass der Staatsanwalt dem Verfahren beitreten und seinerseits das Anfechtungsrecht ausüben konnte.
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c) Im Streitfall kann der Klägerin nicht vorgehalten werden, den Prozess nachlässig geführt zu haben. Aus der Prozessförderungspflicht einer Partei lassen sich keine Anforderungen an die personelle Besetzung ihres Vertretungsorgans ableiten. Im Übrigen wäre es der Beklagten unbenommen gewesen, nach dem Wechsel in der Geschäftsführung der Klägerin den Zwischenstreit über die Prozesskostensicherheit für erledigt zu erklären. Meier-Beck Bacher Schuster Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 29.07.2014 - 4b O 54/14 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.02.2015 - I-2 U 56/14 -

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Zwischenurteil des Landgerichts München I vom 04.05.2017 (Az. 7 O 16818/16) in Ziff. 1. aufgehoben.

2. Der Klägerin wird aufgegeben, den Beklagten wegen der Prozesskosten eine Sicherheit in Höhe von 105.000,- € zu leisten.

3. Zur Beibringung der Sicherheit wird der Klägerin eine Frist bis zum 06.04.2018 gesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents 1 206 831 „Modem für ein drahtloses lokales Netzwerk“ in Anspruch, wobei die Parteien im vorliegenden Zwischenstreit darüber streiten, ob die Klägerin gemäß § 110 ZPO zur Leistung einer Prozesskostensicherheit verpflichtet ist.

Die Klägerin ist eine am 03.05.2016 gegründete GmbH mit satzungsmäßigem Sitz in Berlin und dem im Handelsregister eingetragenen Unternehmensgegenstand „Errichtung einer europäischen Präsenz für Vertrieb und Verkauf von drahtlosen Produkten, welche das geistige Eigentum der Gesellschaft nutzen und Lizenztätigkeiten in Europa“ (vgl. Handelsregisterauszug, Anlage FBD BK 5). Die Klägerin wurde am 10.05.2016 zunächst unter dem Namen „S.-A. … GmbH“ im Handelsregister eingetragen. Die Änderung ihres Firmennamens in „P. V. GmbH“ wurde am 09.06.2016 eingetragen. Die Klägerin ist ausschließliche und allein verfügungsberechtigte Inhaberin des deutschen Teils des Klagepatents, nachdem ihr dieses von ihrer amerikanischen Muttergesellschaft, der P.V. Inc., am 01.06.2016 übertragen wurde (die Umschreibung im Register erfolgte am 07.06.2016, Anlage K 8). Das operative Geschäft der Klägerin wird von dem in den USA ansässigen Mitgeschäftsführer der Klägerin, Herrn J. L. P., geführt, wobei nach Behauptung der Klägerin Akte der Geschäftsführung von dem Mitgeschäftsführer Thomas K., der am satzungsmäßigen Sitz der Klägerin in Berlin Wohn- und Geschäftsräume unterhält, in Deutschland umgesetzt werden. Beide Geschäftsführer der Klägerin sind alleinvertretungsberechtigt (vgl. Handelsregisterauszug, Anlage FBD BK 5).

Das Landgericht München I hat mit Zwischenurteil vom 04.05.2017 (Az.: 7 O 16818/16) den Antrag der Beklagten zurückgewiesen, der Klägerin aufzugeben, Prozesskostensicherheit zu leisten.

Zur Begründung führt das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, Folgendes aus:

Die Voraussetzungen des § 110 ZPO lägen nicht vor. Der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin liege nicht außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union. Bei (Kapital-)Gesellschaften trete an die Stelle des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des § 110 Abs. 1 ZPO der tatsächliche Verwaltungssitz, nicht der satzungsmäßige Sitz. Dies gelte jedenfalls dann, wenn am satzungsmäßen Sitz keine zustellfähige Adresse vorhanden sei. Die Anknüpfung an den tatsächlichen Verwaltungssitz entspreche der Intention des Gesetzgebers, die Prozesskostensicherheit nicht mehr von der Staatsangehörigkeit des Klägers, sondern nur noch von den aus seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort folgenden Schwierigkeiten der Anerkennung und Vollstreckung eines Kostentitels abhängig zu machen. Der Beklagte solle lediglich vor den typischen Schwierigkeiten bei der Anerkennung und Vollstreckung geschützt werden, die dadurch entstünden, dass er seinen Anspruch auf Kostenerstattung im Ausland realisieren müsse. Der tatsächliche Verwaltungssitz sei „der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden“ (BGH GRUR 2016, 1204, 1205 - Prozesskostensicherheit). Dass ein Verwaltungssitz der Klägerin in diesem Sinne nicht in Deutschland vorhanden wäre, hätten die Beklagten nicht nachgewiesen.

Insbesondere stehe nicht fest, dass Zustellungen am registermäßigen Sitz der Klägerin nicht bewirkt werden könnten. Das Vorhandensein eines Briefkastens für die Klägerin und eines Klingelschildes ihres Mitgeschäftsführers Kober spreche vielmehr für eine Erreichbarkeit der Klägerin an ihrem Sitz.

Des Weiteren stehe auch nicht fest, dass die Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv außerhalb der Europäischen Union in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt würden. Der Mitgeschäftsführer der Klägerin K. habe in der mündlichen Verhandlung vielmehr ausgeführt, dass er formale Akte der Geschäftsführung in Deutschland vornehme. Darüber hinaus setze er Entscheidungen in Deutschland um. So habe er den Klägervertreter mit der Klageerhebung beauftragt und bevollmächtigt. Damit seien unwiderlegt Entscheidungen der Unternehmensleitung im Inland in Geschäftsführungsakte umgesetzt worden.

Gegen die den Beklagten am 30.06.2017 zugestellte Entscheidung haben diese mit Schriftsatz vom 31.07.2017 (Bl. 375/376 d. A.) Berufung eingelegt, die sie nach entsprechender Fristverlängerung (vgl. Bl. 383 d. A.) mit Schriftsatz vom 13.09.2017 (Bl. 384/404 d. A.) begründet haben.

Die Beklagten führen zur Begründung ihrer Berufung unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Folgendes aus:

Der Klägerin sei das Klagepatent durch ihre Muttergesellschaft, der P. V. Inc., lediglich zum Zwecke der Führung des hiesigen Rechtsstreits und eines vorher initiierten Parallelverfahrens gegen LG E. übertragen worden. Die Klägerin besitze außer den beiden ihr zur Führung von Prozessen in Deutschland übertragenen Patenten keine Vermögenswerte. Sie sei ausschließlich zum Zweck der Umgehung des § 110 ZPO gegründet worden. Sie weise weder eine Außenpräsenz, noch eine Geschäftstätigkeit auf. Das operative Geschäft, welches sich seit der Gründung der Klägerin in der Führung von Patentverletzungsverfahren in Deutschland zum Zwecke der Erzwingung von Lizenzzahlungen erschöpfe, werde ausschließlich durch den in Florida, USA, wohnhaften Herrn J. L. P., gleichzeitig CEO und Mitgründer der P. Vision Inc., geleitet, der alleine die unternehmerischen Entscheidungen fälle. Der weitere „Mit-Geschäftsführer“, Herr Thomas K., erfülle lediglich untergeordnete formale Aufgaben, stelle seine Wohnung als Satzungssitz der Klägerin zur Verfügung und diene insgesamt als Strohmann, um der Klägerin den Anschein eines in Deutschland tätigen (Übergangs-)Geschäftsführers zu verleihen.

Die Klägerin habe keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Sinne des § 110 ZPO. Das Landgericht habe insbesondere die Anforderungen an den tatsächlichen Verwaltungssitz als „gewöhnlicher Aufenthalt“ juristischer Personen verkannt. Unter dem tatsächlichen Verwaltungssitz, auf den bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts einer juristischen Person im Sinne von § 110 ZPO nach ganz herrschender Meinung abzustellen sei, sei letztlich der Ort zu verstehen, an dem die tatsächlich maßgeblich tätigen Organe einer Gesellschaft ihre Entscheidungen träfen. Zwar habe der Bundesgerichtshof selbst das Abstellen auf den tatsächlichen Verwaltungssitz bisher - mangels Entscheidungserheblichkeit - offen gelassen (vgl. BGH GRUR 2016, 1205 - Prozesskostensicherheit). Die Ratio des § 110 ZPO, nämlich die Überlegung, dass mit dem Aufenthaltsort des der Zwangsvollstreckung unterliegenden Klägers typischerweise Vermögenswerte verbunden seien, die als Objekte einer Vollstreckung in Betracht kommen könnten, zwinge jedoch zu einem solchen Verständnis. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts komme es zur Bestimmung des tatsächlichen Verwaltungssitzes nicht allein darauf an, ob an der entsprechenden Adresse Zustellungen bewirkt werden könnten. Zwar sei die Zustellmöglichkeit ein notwendiges, aber gerade kein hinreichendes Kriterium. Der tatsächliche Verwaltungssitz werde definiert als der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt würden. Es sei daher der Schwerpunkt der effektiven Verwaltungstätigkeit zu ermitteln. Der Ort, an dem gänzlich untergeordnete reine Verwaltungsaufgaben wie Buchführung und Steuerangelegenheiten bearbeitet würden, sei hingegen unerheblich. Im Falle einer GmbH sei ausgehend von diesen Grundsätzen, solange auch eine inländische Zustellmöglichkeit gegeben sei, auf den Tätigkeitsort der Geschäftsführung als Schwerpunkt der effektiven Verwaltungstätigkeit abzustellen. Der Tätigkeitsort der Geschäftsführung befinde sich dort, wo diese die operative Tätigkeit der Gesellschaft entfalte, also die Verwaltungsorgane überwiegend tätig würden, indem sie dort ihre Entscheidungen träfen und die Geschäfte der juristischen Person bestimmten. Dieses Verständnis werde bestätigt durch die Auslegung des Begriffs des Verwaltungssitzes in anderen Normen wie §§ 17 Abs. 1 S. 2, 24 BGB, Art. 54 AEUV, 64 EuGVVO und Art. 3 EuInsVO.

Die gesamte „Geschäftstätigkeit“ der Klägerin (die sich auf die Führung von Patentverletzungsklagen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränke) werde aus den USA heraus geführt, indem Herr J. L. P. dort die maßgeblichen Entscheidungen treffe. Ein Verwaltungssitz in Deutschland sei nicht gegeben. Die Klägerin weise keinerlei Außenpräsenz oder Geschäftstätigkeit außer dem Führen der Patentstreitverfahren auf. Ihren ersten Satzungssitz habe die Klägerin zunächst in der B. Straße 28, c/o N. LLP, . München, mithin in den Kanzleiräumen ihrer Prozessbevollmächtigten gehabt. Eigene Geschäftsräume unterhalte sie aber auch an ihrem jetzigen Satzungssitz weiterhin nicht. Die Wohnung des Herrn Thomas K., in der er mit mindestens zwei weiteren Personen wohne, diene allenfalls als Zustellungsadresse für mindestens fünf unterschiedliche Gesellschaften. Die Klägerin habe auch keinen Mietvertrag über Räume abgeschlossen, die ihr als Büro dienen könnten. In der mündlichen Verhandlung habe Herr K. entsprechend beschrieben, dass sich „sein“ Büro in Berlin befinde. Auch die fehlende geschäftliche (Außen-)Präsenz der formellen Klägerin halte weiterhin an. Es sei bezeichnend, dass sich für diese auch nach nunmehr über einem Jahr nach Gründung weder eine Webseite noch Einträge in Telefonbüchern finden ließen. Über die üblichen Quellen ließen sich weder eine Telefonnummer, noch eine Faxnummer oder eine E-Mail-Adresse ausfindig machen, unter der sie oder Herr Thomas K. in seiner Eigenschaft als „Geschäftsführer“ zu erreichen wären (vgl. Anlagenkonvolut FBD 2). Auch halte die P. Vision Inc. weiterhin auf ihrer Webseite keinerlei Hinweise auf ihre deutsche Tochtergesellschaft bereit. Vielmehr verweise sie für Lizenzfragen ausschließlich auf eine amerikanische Telefonnummer und ein englisches Kontaktformular (vgl. Anlage FBD 3). Für Lizenzfragen sei damit offenkundig ausschließlich die Muttergesellschaft der Klägerin zuständig, auch wenn Herr K. in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung behauptet habe, dass er zum Abschluss von Lizenzverträgen bevollmächtigt sei. Dieses könne nur dahingehend verstanden werden, dass er nicht kraft Stellung originär berechtigt sei, sondern einer Bevollmächtigung durch Dritte, d. h. des tatsächlichen Geschäftsführers, Jeffrey P., bedürfe.

Die Klägerin weise auch weiterhin keinerlei eigene Geschäftstätigkeit auf. Sie stelle weder in Deutschland Produkte her, noch importiere oder vertreibe sie solche in Deutschland oder anderswo. Sie habe auch keine Angestellten. Hinsichtlich der erhobenen Klagen führe die Muttergesellschaft und faktische Klägerin, die P. Vision Inc., die Geschäfte und halte die Fäden fest in der Hand. Auch die Bezahlung der hiesigen Prozessbevollmächtigten erfolge durch die P. Vision Inc., denn die Klägerin besitze hierzu schon nicht die finanziellen Mittel.

Dass die einzige „Geschäftstätigkeit“ inklusive der Prozesstaktik von der P. Vision Inc. vorgegeben und implementiert werde und sämtliche (Lenkungs)-Entscheidungen durch den eigentlichen Geschäftsführer der Klägerin, den in den USA wohnhaften J. L. P., getroffen würden, sei auch durch die Einlassung des Herrn K. in der mündlichen Verhandlung eindeutig bestätigt worden. Dies belegten auch die Abläufe des Parallelverfahrens gegen LG Electronics vor dem Landgericht München I (Az.: 7 O 9376/16) und der Klageerweiterung vom 10.02.2017 (nach Abtrennung nunmehr anhängig vor dem Landgericht München I unter dem Az.: 7 O 2147/17) sowie die von der P. Vision Inc. zu den Rechtsstreitigkeiten veröffentlichen Pressemitteilungen (vgl. Anlagen FBD 33, FBD 4), die eine Nennung der Klägerin oder des Herrn Thomas K. vermissen ließen. So würden auch die Schriftsätze der Klägerin in sämtlichen Verfahren mit Herrn J. L. P., dem faktisch einzigen und damit maßgeblichen Geschäftsführer der Klägerin, vor der Einreichung abgestimmt. Da es derzeit die alleinige Geschäftstätigkeit der Klägerin darstelle, mit den ihr durch P. Vision Inc. übertragenen Patenten durch Klageeinreichungen den Abschluss von Lizenzverträgen zu erzwingen, werde die einzige tatsächliche Geschäftstätigkeit aus den USA heraus gesteuert. Die tatsächliche Funktion des Herrn K. hingegen sei die eines Angestellten, der entsprechend den Weisungen von Herrn P. bzw. der P. Vision Inc. die formalen Dokumente unterschreibe, um den Anschein einer Geschäftstätigkeit in Deutschland zu erwecken. Er sei in keinerlei geschäftliche Entscheidungen eingebunden oder dürfe diese gar alleine treffen. Seine Tätigkeit sei die einer reinen Ausführungsperson, ohne irgendeine tatsächliche geschäftliche Aufgabe oder Entscheidungsbefugnis.

Der tatsächliche Verwaltungsort der Klägerin liege damit am Tätigkeitsort des Herrn J. L. P., mithin am Sitz der Muttergesellschaft, der P.Vision Inc. in Florida, USA, und nicht am satzungsgemäßen Sitz der hier vorgeschobenen Zweckgesellschaft der Klägerin.

Somit stehe fest, dass die Klägerin zur Leistung einer Prozesskostensicherheit verpflichtet sei. Bei der Bemessung der Höhe der Sicherheitsleistung seien die gerichtlichen Kosten der Beklagten bis zur Entscheidung über eine etwaige Nichtzulassungsbeschwerde zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung des auf 750.000,- € festgesetzten Streitwerts ergebe sich eine Sicherheitsleistung in Höhe von mindestens 102.248,40 €.

Selbst wenn man zu dem Ergebnis kommen würde, dass der Wohnort des Strohmann „Geschäftsführers“ Herrn Thomas K. einen tatsächlichen Verwaltungssitz der Klägerin darstelle, weil Herr K. in seiner Wohnung ihm vorgegebene Aufträge erfülle und Schriftstücke unterschreibe, so wäre diese Konstruktion jedenfalls rechtsmissbräuchlich. Denn es könne nach dem vorliegenden Sachverhalt kein Zweifel daran bestehen, dass die Gründung der Klägerin und die Übertragung des Klagepatents an dieselbe lediglich dem Zweck dienten, § 110 ZPO zu umgehen. Durch das Vorschieben der Klägerin handele die P. Vision Inc. rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB, was der Klägerin zuzurechnen sei. Im Ergebnis sei die Klägerin nichts anderes als eine gewillkürte Prozessstandschafterin der P.Vision Inc.. Für solche Fälle sei es allgemein anerkannt, dass dies nicht zu einem Entfallen der Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit führen könne. Es sei ferner in Fällen wie dem hiesigen, in dem statt einer Prozessstandschaft eine andere Gesellschaft zur Prozessführung vorgeschoben werde, anerkannt, dass dann ein Kläger aufgrund des Gedankens der Unbeachtlichkeit absichtlicher Gesetzesumgehung dennoch auf Antrag der Beklagten zur Leistung einer Sicherheit verpflichtet sei. Die rechtsmissbräuchliche Nutzung einer formellen Rechtsposition durch die hinter der Klägerin stehende eigentlich wirtschaftlich interessierte ausländische Person gebiete zumindest eine analoge Anwendung des § 110 ZPO.

Die Beklagten beantragen,

Das am 4. Mai 2017 verkündete Zwischenurteil des Landgerichts München I (Az.: 7 O 16818/16) wird abgeändert und der Klägerin gemäß § 110 ZPO aufgegeben, der Beklagten innerhalb einer vom erkennenden Gericht zu bestimmenden Frist die Prozesskostensicherheit in Höhe von jedenfalls € 102.248,40 zu leisten.

Die Klägerin beantragt,

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin führt hierzu Folgendes aus:

Die Berufung sei bereits unzulässig, denn das Zwischenurteil des Landgerichts sei nicht separat anfechtbar. Die separate Anfechtbarkeit von Zwischenurteilen gemäß § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO sei eine Ausnahme für solche Zwischenurteile, welche eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage enthielten. Die allgemein vertretene Auffassung, dass ein Kläger, der im Wege eines Zwischenurteils zur Leistung von Prozesskostensicherheit gemäß § 110 Abs. 1 ZPO verurteilt werde, dieses Zwischenurteil nicht separat anfechten könne, werde damit begründet, dass ein solches Zwischenurteil keine Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage enthalte. Für ein Zwischenurteil, das eine Pflicht des Klägers zur Leistung von Prozesskostensicherheit verneine, könne nichts anderes gelten. Weder die Anordnung, noch die Ablehnung einer Prozesskostensicherheit enthalte eine implizierte Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage. Es bleibe richtigerweise bei dem Grundsatz, dass Zwischenurteile, für die § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gelte, nur gemeinsam mit der Schlussentscheidung angegriffen werden könnten.

Die Berufung sei in jedem Falle unbegründet. Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin an ihrem Satzungssitz eine zustellungsfähige Adresse unterhalte, an der ihr Geschäftsführer zu normalen Geschäftszeiten üblicherweise anzutreffen sei. Das Landgericht habe auch zu Recht festgestellt, dass der tatsächliche Verwaltungssitz der Klägerin im Inland liege. Die mündliche Verhandlung habe ergeben, dass der Geschäftsführer der Klägerin, Herr K., in Deutschland Entscheidungen der Geschäftsleitung umsetze (vgl. LGU, Seite 5). Die Beklagten hätten unstreitig gestellt, dass Herr K. die Erhebung der vorliegenden Klage in Auftrag gegeben habe.

Es entspreche herrschender Meinung, dass das Merkmal des gewöhnlichen Aufenthalts im europäischen Inland im Sinne des § 110 Abs. 1 ZPO für eine juristische Person erfüllt sei, wenn sie im europäischen Inland eine zustellungsfähige Adresse und Geschäftsräume unterhalte. Dies sei überzeugend, denn anders als § 17 Abs. 1 ZPO, der ohnehin nur Inlandssachverhalte betreffe und zugunsten eines Klägers einen einfach zu bestimmenden Gerichtsstand festlege, solle § 110 ZPO einen Beklagten vor den Schwierigkeiten der Einleitung einer Auslandsvollstreckung bewahren. Ob ein Kläger Vermögen im europäischen Inland besitze und wo er welchen Anteil seiner Geschäftstätigkeit entfalte, sei für § 110 Abs. 1 ZPO zunächst einmal gleichgültig. Wichtig sei die formale Möglichkeit der Einleitung einer Zwangsvollstreckung durch Zustellung, nicht deren wirtschaftlicher Erfolg. Das Landgericht habe zutreffend angenommen, dass die darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten das Fehlen einer zustellungsfähigen Adresse der Klägerin nicht substantiiert hätten. Das Landgericht habe zu Recht nicht darauf abgestellt, welche Aufgaben Herr K. in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin im Einzelnen übernehme und wie die Beiträge der beiden Geschäftsführer der Klägerin im Verhältnis zueinander zu bewerten seien. Dies sei nach der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unerheblich (BGH GRUR 2016, 1204, Rn. 19 - Prozesskostensicherheit).

Das Landgericht habe darüber hinaus rechtsfehlerfrei festgehalten, dass jedenfalls dann, wenn - wie hier nicht - am satzungsgemäßen Sitz keine zustellungsfähige Adresse vorhanden wäre, auf den Verwaltungssitz der Klägerin abzustellen wäre. In seiner jüngsten Rechtsprechung vertrete der Bundesgerichtshof die Auffassung, dass die Anwendung des § 110 Abs. 1 ZPO jedenfalls bei einem Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union ausscheide (BGH, Beschluss vom 23.08.2017, IV ZR 93/17, BeckRS 2017, 126173 Rn. 8, 10). Notwendige Voraussetzung der Ablehnung einer Prozesskostensicherheitspflicht sei ein Verwaltungssitz im europäischen Inland nach wie vor aber nicht, wie auch die Instanz-Rechtsprechung anerkenne.

Jedenfalls gehe der Berufungsangriff der Beklagten deshalb ins Leere, weil das Landgericht einen Verwaltungssitz der Klägerin im europäischen Inland geprüft und rechtsfehlerfrei bejaht habe. Das Landgericht habe rechtsfehlerfrei angenommen, dass ein tatsächlicher Verwaltungssitz an dem Ort gegeben sei, an dem grundlegende Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt würden. Dass die umgesetzten Entscheidungen der Unternehmensleitung auch in Deutschland getroffen würden, sei nicht notwendig. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlange ausdrücklich lediglich die Umsetzung von grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung, nicht auch deren Fassung. Herr K. als Geschäftsführer der Klägerin setze am satzungsmäßigen Sitz der Klägerin in Berlin Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte um. Die mündliche Verhandlung habe ergeben, dass Herr K. Akte der Geschäftsführung in Deutschland vornehme und darüber hinaus Entscheidungen der Unternehmensleitung in Deutschland umsetze (vgl. LGU, Seite 5). Insbesondere habe Herr K. in seiner Funktion als Geschäftsführer der Klägerin die Erhebung der vorliegenden Klage in Auftrag gegeben. Dem seien die Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten. Dass Herr K. die Entscheidung, das Klagepatent in Deutschland durchzusetzen, in konkrete Geschäftsführungsakte in Deutschland umsetze, sei deshalb unstreitig. Mehr sei für die Annahme eines Verwaltungssitzes in Deutschland im Rahmen des § 110 Abs. 1 ZPO gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erforderlich. Das Landgericht habe deshalb -streng genommen obiter - ohne Rechtsfehler angenommen, dass sich der Verwaltungssitz der Klägerin im europäischen Inland befinde.

Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass Herr K. nicht nur die Durchsetzung des Klagepatents, sondern auch den weltweiten Produktstart eines WLAN-Repeaters der Klägerin für Deutschland betreue, was der Beklagten aus der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2017 in dem anhängigen Parallelverfahren vor dem Landgericht München I (7 O 2141/17) bekannt sei.

Die weiteren von der Beklagten angeführten Umstände hätten gemein, dass sie in § 110 Abs. 1 ZPO weder ausdrücklich noch impliziert Niederschlag fänden und nicht geeignet seien, eine Prozesskostensicherheitspflicht der Klägerin zu begründen.

Die seitens der Beklagten angeführten Vorschriften des § 24 BGB, des Art. 54 AEUV, 64 EuGVVO und Art. 3 EuInsVO habe das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht erwähnt. Es handele sich bei der Klägerin nicht um einen Verein, Insolvenzrecht sei nicht berührt und es handele sich bei § 110 Abs. 1 ZPO weder um unionsrechtlich harmonisiertes Recht, noch sei ersichtlich, dass die Einheit der Rechtsordnung es angesichts der angeführten Normen verlange, von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Prozesskostensicherheitspflicht nach deutschem Zivilprozessrecht abzuweichen.

Den Beklagten stehe auch kein Rechtsmissbrauchseinwand zu, aus dem eine Pflicht der Klägerin zur Leistung von Prozesskostensicherheit hergeleitet werden könne. Die Klägerin sei die Inhaberin des Klagepatents und setze dieses im eigenen Namen durch. Dass sie eine USamerikanische Muttergesellschaft habe, begründe keinen Missbrauchsvorwurf. Dies gelte insbesondere, nachdem das Klagepatent in Deutschland verwertet werden solle, weil eine Patentverletzung in Deutschland durch eine inländische Beklagte vorliege. Die Klägerin verfüge sowohl über Geschäftsräume als auch über Mitarbeiter in Deutschland und sie sei auch nicht anlässlich des hiesigen Verfahrens gegründet worden. Die Klägerin setze das Klagepatent erstens im Rahmen weiterer Verfahren gegen Dritte durch und betreue zweitens den Produktstart des WLAN-Repeaters der Klägerin in Deutschland.

Die Beklagten erwidern hierauf, das Zwischenurteil des Landgerichts, welches die gem. § 110 ZPO erhobene Einrede verwerfe, sei gem. § 280 Abs. 2 S. 2 ZPO selbstständig anfechtbar, da zugleich auf die Zulässigkeit der Klage erkannt werde, nachdem § 110 ZPO eine die Zulässigkeit der Klage betreffende Rüge i.S.d. § 282 Abs. 3 ZPO begründe.

Anders als die Klägerin es versuche darzustellen, vertrete die absolut herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung, so jüngst auch der BGH (vgl. Beschluss vom 23.08.2017, Az. IV ZR 93/17, NJW-RR 2017, 1320), die Ansicht, dass maßgeblich für die Verpflichtung zur Prozesskostensicherheit der tatsächliche Verwaltungssitz sein müsse. Auch habe der BGH mit Urteil vom 21.06.2016 (Az. X ZR 41/15, GRUR 2016, 1204) lediglich festgestellt, dass es nicht auf das Verhältnis der Beiträge von an unterschiedlichen Orten tätigen Geschäftsführern ankomme, wenn sich sämtliche Tätigkeitsorte - wie vorliegend nicht - in der Europäischen Union oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums befänden. Da sich vorliegend der Tätigkeitsort des tatsächlichen Geschäftsführers der Klägerin in den USA befinde, sei aber entscheidend, in welchem Verhältnis beide Geschäftsführer mit Blick auf die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung und deren Umsetzung zueinander stünden. Die Klägerin habe weder substantiierten Vortrag geliefert, der eine geschäftsführende Tätigkeit des Herrn K. belegen könne, noch hätte sie die von den Beklagten vorgebrachten Anhaltspunkte für deren Fehlen widerlegt. Der erstmalige verspätete Versuch der Klägerin in der Berufungserwiderung, Herrn K. eine Rolle bei dem Produktstart eines WLAN-Repeaters der Klägerin in Deutschland zuzuschreiben, gehe ebenso fehl. Es sei bezeichnend, dass sie keine konkreten Aufgaben, Tätigkeiten, Entscheidungen oder Maßnahmen des Herrn K. vortragen könne, was nur den Schluss zulasse, dass es sich - wenn überhaupt - um untergeordnete verwaltende Tätigkeiten handele, während die maßgeblichen Entscheidungen weiterhin durch Herrn P. getroffen und veranlasst würden. Dies erkläre auch, weshalb die Klägerin von „ihrem“ Produkt spreche, obwohl Hersteller die P. Vision Inc. sei und der WLAN-Repeater weder in Deutschland erhältlich sei, noch eine Markteinführung soweit ersichtlich kurzfristig bevorstehe. Es werde bestritten, dass Herr K. für die vorliegende Beurteilung relevante Tätigkeiten und/oder Entscheidungen vornehme.

Ergänzend wird auf die von den Prozessbevollmächtigten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 22.02.2018 (Bl. 444/ 449 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß §§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 517 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 520 Abs. 2, Abs. 3 ZPO begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klägerin ist gem. § 110 Abs. 1 ZPO zur Leistung einer Prozesskostensicherheit verpflichtet.

1. Die Statthaftigkeit der Berufung gegen das den Antrag auf Prozesskostensicherheitsleistung zurückweisende Zwischenurteil des Landgerichts folgt aus § 280 Abs. 2 S. 1 ZPO. Denn ein die Prozesskostensicherheitseinrede nach § 110 ZPO verwerfendes Zwischenurteil stellt - anders als ein Zwischenurteil, durch das der Einrede stattgegeben und die Sicherheitsleistung angeordnet wird (vgl. BGH NJW 1988, 1733; BGH NJW-RR 2006, 710 Rn. 6) - eine selbständig anfechtbare Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage dar im Sinne von § 280 Abs. 1, S. 1 Abs. 2 S. 1 ZPO (vgl. BGH NJW 1988, 1733; BGH NJW-RR 2006, 710 Rn. 6; Musielak/Voit/Foerste, 14. Aufl. 2017, ZPO § 110 Rn. 9; BeckOK ZPO/Jaspersen, 26. Ed. 15.9.2017, ZPO § 110 Rn. 35; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 110 Rn. 5; MüKoZPO/Schulz, 5. Aufl. 2016, ZPO § 113 Rn. 10; Kühnen, 10. Aufl., E. II. 2 Rn. 19; Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl. 2017, § 113 Rn. 4).

2. Die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Klägerin, den Beklagten auf ihre Einrede hin Prozesskostensicherheit zu leisten, sind gem. § 110 Abs. 1 ZPO vorliegend gegeben.

a) Nach § 110 Abs. 1 ZPO (ein Ausnahmetatbestand nach § 110 Abs. 2 ZPO greift hier nicht ein) muss eine Klagepartei, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit leisten.

Als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 110 Abs. 1 ZPO ist bei Kapitalgesellschaften deren Sitz anzusehen (BGH NJW-RR 2017, 1320; BGH GRUR 2016, 1204 Rn. 11 - Prozesskostensicherheit). Die Klägerin hat ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland (Berlin), streitig ist zwischen den Parteien, ob ihr Verwaltungssitz ebenfalls in Deutschland oder in den USA liegt. Die Frage, ob im Rahmen des § 110 Abs. 1 ZPO auf den satzungsmäßigen Sitz oder auf den tatsächlichen Verwaltungssitz abzustellen ist, wenn der Kläger als juristische Person des Privatrechts innerhalb der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nur einen satzungsmäßigen Sitz, aber keinen Verwaltungssitz unterhält, ist umstritten und höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt. Teilweise wird hierzu vertreten, es komme auf den tatsächlichen Verwaltungssitz an, jedenfalls wenn am satzungsmäßigen Sitz im Inland weder Geschäftsräume noch eine zustellungsfähige Anschrift unterhalten werden (OLG Karlsruhe NJW-RR 2008, 944, 945; OLG Düsseldorf, Teilurteil vom 20.12.2012, Az. I-2 U 34/10, BeckRS 2013, 10184; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 110 Rn. 2; MüKoZPO/Schulz, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 110 Rn. 13; Musielak/Voit/Foerste, 14. Aufl. 2017, ZPO § 110 Rn. 4). Weitergehender sind das OLG München (Urt. v. 24.6.2010 - 29 U 3381/09, BeckRS 2010, 18320) und das OLG Düsseldorf (Urt. vom 25.02.2015, Az. 2 U 57/14, BeckRS 2015, 06726) davon ausgegangen, dass bei (Kapital-)Gesellschaften an die Stelle des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des § 110 Abs. 1 ZPO der tatsächliche Verwaltungssitz und nicht der satzungsmäßige Sitz tritt (ebenso Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl. 2018, E. II. 2 Rn. 16).

Der Bundesgerichtshof hatte diese Konstellation bisher nicht zu entscheiden und hat sie daher offen gelassen (vgl. BGH GRUR 2016, 1204 Rn. 12-14 - Prozesskostensicherheit; BGH NJW-RR 2017, 1320, 1321). Er hat bislang nur festgestellt, dass die Anwendbarkeit des § 110 ZPO jedenfalls bei Vorhandensein eines Verwaltungssitzes innerhalb der Europäischen Union ausscheidet (BGH NJW-RR 2017, 1320; BGH NZG 2002, 1009, 1010).

b) Auf diese Frage kommt es im Streitfall an, denn die Klägerin hat nach den zugrundeliegenden Feststellungen zwar ihren statutarischen Sitz in Deutschland, ihr Verwaltungssitz liegt aber nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.

(1.)

Maßgebend dafür, wo eine Gesellschaft ihren Verwaltungssitz hat, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGH NJW-RR 2017, 1320, 1321; BGH GRUR 2016, 1204 Rn. 15 - Prozesskostensicherheit). Dies setzt eine gewisse organisatorische Verfestigung einschließlich des Vorhandenseins von Räumlichkeiten voraus, in denen die Geschäftsführungsorgane ihre Tätigkeit für das Unternehmen tatsächlich ausüben und sich an die Gesellschaft gerichtete Postsendungen wirksam zustellen lassen (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 25.2.2015 - 2 U 56/14, BeckRS 2016, 09830 Rn. 17; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl. 2018, E. II. 2 Rn. 17). Eine „effektive Umsetzung der grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung in laufende Geschäftsführungsakte“ im Sinne der Definition des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW-RR 2017, 1320, 1321; BGH GRUR 2016, 1204 Rn. 15 - Prozesskostensicherheit) erfordert dabei die Vornahme von Handlungen, die den Geschäftszweck und die Tätigkeit des Unternehmens inhaltlich beeinflussen und typischerweise auf der Ebene der Unternehmensleitung erfolgen. Eine bloß formale Ausführung von Entscheidungen, die anderenorts getroffen werden, stellt sich nicht als „effektive Umsetzung“ grundlegender Entscheidungen der Unternehmensleitung dar.

Wird die Geschäftsführung von mehreren Geschäftsführern an unterschiedlichen Orten wahrgenommen, kommt es nicht darauf an, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen, solange sich sämtliche Tätigkeitsorte der Geschäftsführer in der Europäischen Union oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums befinden (BGH GRUR 2016, 1204 Rn. 20 - Prozesskostensicherheit). Umgekehrt bedeutet das -übertragen auf den vorliegenden Fall -, wenn sich der Tätigkeitsort eines der zwei Geschäftsführer nicht in der Europäischen Union oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums befindet, kommt es darauf an, in welchem Verhältnis beide Geschäftsführer mit Blick auf die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung und deren Umsetzung zueinander stehen.

(3.)

Darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass die Klägerin in der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum ohne gewöhnlichen Aufenthalt ist im Sinne von § 110 Abs. 1 ZPO, sind die Beklagten (MüKoZPO/Schulz, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 110 Rn. 42; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 110 Rn. 7; Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl. 2017 § 110 Rn. 2). An die Vortragslast der Beklagten dürfen allerdings keine überspannten Anforderungen gestellt werden, denn sie haben keine eigenen Kenntnisse über die interne Organisationsstruktur der Klägerin und können diese auch allenfalls indiziell ermitteln. Der Klägerin ist die erforderliche Aufklärung hingegen ohne weiteres möglich und auch zumutbar. Es genügt deshalb, dass die Beklagten plausible Anhaltspunkte aufzeigen, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nicht in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum hat (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.03.2017, Az. I-15 U 67/16, BeckRS 2017, 113388 Rn. 42). Anschließend trifft die Klägerin eine sekundäre Darlegungslast, im Rahmen des Zumutbaren die behaupteten Tatsachen unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände substantiiert zu bestreiten. Kommt sie dieser Obliegenheit nach, hat die Beklagte als beweisbelasteten Partei den Nachweis ihrer Behauptung zu führen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.03.2017, Az. I-15 U 67/16, BeckRS 2017, 113388 Rn. 42).

Die Beklagten haben als Anhaltspunkt für einen fehlenden Verwaltungssitz der Klägerin in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum vorgetragen: Die Klägerin besitze außer den beiden ihr zur Führung von Prozessen in Deutschland übertragenen Patenten keine Vermögenswerte. Sie weise weder eine Außenpräsenz, noch eine Geschäftstätigkeit auf. Über die üblichen Quellen ließen sich weder eine Webseite, noch eine Telefonnummer, noch eine Faxnummer oder eine E-Mail-Adresse ausfindig machen, unter der sie oder Herr Thomas K. in seiner Eigenschaft als „Geschäftsführer“ zu erreichen wären (vgl. Anlagenkonvolut FBD 2). Auch halte die P. Vision Inc. weiterhin auf ihrer Webseite keinerlei Hinweise auf die Klägerin als ihre deutsche Tochtergesellschaft bereit. Vielmehr verweise sie für Lizenzfragen ausschließlich auf eine amerikanische Telefonnummer und ein englischsprachiges Kontaktformular (vgl. Anlage FBD 3). Das operative Geschäft, welches sich seit der Gründung der Klägerin auf die Führung von Patentverletzungsverfahren in Deutschland zum Zwecke der Erzwingung von Lizenzzahlungen erschöpfe, werde ausschließlich durch den in Florida, USA, wohnhaften Herrn J. L. P., gleichzeitig CEO und Mitgründer der Muttergesellschaft P.Vision Inc., geleitet, der alleine die unternehmerischen Entscheidungen fälle. Die Wohnung des Herrn Thomas K., in der er mit mindestens zwei weiteren Personen wohne, diene allenfalls als Zustellungsadresse für mindestens fünf unterschiedliche Gesellschaften.

(5.)

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das operative Geschäft der Klägerin von den USA aus durch den weiteren Mitgeschäftsführer J. L. P. geführt wird (vgl. auch LGU, Seite 3). Ebenfalls unstreitig ist zwischen den Parteien, dass die Entscheidung, dass wegen des Klagepatents (und des weiteren der Klägerin zustehenden Patents) in Deutschland Verletzungsklagen erhoben wurden, nicht von dem in Deutschland ansässigen Geschäftsführer der Klägerin Thomas K., sondern von dem weiteren Geschäftsführer und zugleich CEO der Muttergesellschaft P.Vision Inc. in den USA getroffen wurde. Soweit das Landgericht es hat ausreichen lassen, dass die Klägerin in Deutschland eine Zustellanschrift besitzt und dass Herr Kober formale Akte der Geschäftsführung in Deutschland vornimmt und den Klägervertreter mit der Klageerhebung beauftragt hat (vgl. LGU, Seite 5), kann dem nicht gefolgt werden. Zwar mag es nicht darauf ankommen, ob und in welchem Maße ein innerhalb der EU/des EWR residierender Geschäftsführer seine geschäftlichen Entscheidungen und Handlungen für den Kläger eigenverantwortlich trifft oder aber in Absprache, ggf. sogar nach konkreten Weisungen einer auswärtigen Muttergesellschaft vorzunehmen hat, sofern die Unternehmensverwaltung durch den Aufenthaltsort seiner Entscheidungen bestimmt wird (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl., E. II. 2 Rn. 19). Vorliegend handelt der Mitgeschäftsführer K. aber auf die Weisungen des für das operative Geschäft verantwortlichen weiteren Geschäftsführers P., der von den USA aus agiert. Das Handeln des Herrn K. in Deutschland, der nach dem Vortrag des Klägervertreters im Termin zur mündlichen Verhandlung als „berufsmäßiger Geschäftsführer“ für verschiedene Gesellschaften agiert, bezieht sich demgegenüber nach dem festgestellten Sachverhalt auf rein formale Tätigkeiten. Dazu gehören auch die von Herrn Kober im Rahmen seiner erstinstanzlichen Anhörung angeführten Dienstleistungen wie die Erstellung des Jahresabschlusses oder der Steuererklärung (vgl. Sitzungsprotokoll vom 04.05.2017, Seite 3, Bl. 343 d. A.). Dass damit in Bezug auf die klägerische Tätigkeit maßgebliche strukturelle Entscheidungen verbunden gewesen wären, hat die Klägerin nicht dargelegt. Auch das lediglich pauschale Vorbringen der Klägerin, wonach Herr K. auch den weltweiten Produktstart eines WLAN-Repeaters der Klägerin für Deutschland betreue, genügt insoweit nicht. Es fehlen jegliche Ausführungen dazu, welche Handlungen Herr K. diesbezüglich wann und gegenüber wem mit welchem Ergebnis vorgenommen haben soll. Dass der benannte WLAN-Repeater in Deutschland bislang nicht angeboten wird, hat die Klägerin ebenso wenig in Abrede gestellt, wie den Vortrag der Beklagten, wonach die Klägerin in Deutschland über keinerlei Außenauftritt verfügt, der es Dritten ermöglichen würde, diese zu kontaktieren. Jegliche Verlautbarungen über die gegenständlichen Patente oder etwaige Produkte erfolgten bisher allein durch die Muttergesellschaft der Klägerin, ohne dass die Klägerin dabei in Erscheinung treten würde. Auch soweit Herrn K. im Rahmen der erstinstanzlichen Anhörung ausgeführt hat (vgl. Sitzungsprotokoll vom 04.05.2017, Seite 3, Bl. 343 d. A.), er sei bevollmächtigt und bereit, Lizenzverträge abzuschließen, fehlt jeglicher substantiierter Sachvortrag dazu, dass derartige Lizenzvertragsabschlüsse konkret erfolgt sind oder auch nur im Raum stünden und diesbezügliche Tätigkeiten entfaltet worden wären.

Insgesamt hat die Klägerin keinen substantiierten Sachvortrag erbracht, der geeignet wäre, die von Beklagtenseite vorgetragenen und unstreitigen Tatsachen, die das Fehlen eines Verwaltungssitzes der Klägerin in Deutschland nahe legen, zu entkräften.

c) Das Vorhandensein eines bloßen satzungsmäßigen Sitzes der Klägerin in Deutschland (Berlin) genügt nicht, um die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO zu verneinen.

Der Bundesgerichtshof hat zur Begründung seiner Beurteilung, wonach die Anwendbarkeit des § 110 Abs. 1 ZPO jedenfalls bei Vorhandensein eines Verwaltungssitzes innerhalb der Europäischen Union ausscheidet (BGH NJW-RR 2017, 1320), ausgeführt, für die Anknüpfung an den Verwaltungssitz spreche bereits die Parallele zwischen dem Verwaltungssitz und dem „gewöhnlichen Aufenthalt“, auf den der Wortlaut des § 110 Abs. 1 ZPO für natürliche Personen abstelle. Darüber hinaus bestehe der Sinn und Zweck der Vorschrift darin, den obsiegenden Beklagten vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Kostenerstattungsanspruchs zu bewahren, die typischerweise bei einer Vollstreckung außerhalb der Europäischen Union oder des Gebietes der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auftreten. Für die Durchsetzbarkeit des Kostenerstattungsanspruchs komme es aber eher auf den Verwaltungssitz als auf den Gründungs- oder satzungsmäßigen Sitz einer Gesellschaft an, weil sich das Betriebsvermögen der Gesellschaft regelmäßig an ihrem Verwaltungssitz befinde, wo die Geschäfte geführt werden; der statutarische Sitz könne eine „leere Hülle“ sein. Darauf, dass im Einzelfall auch eine Vollstreckung am Verwaltungssitz gefährdet sein kann, komme es nicht an, weil dieses Risiko nicht höher als bei inländischen Klägern sei (BGH NJW-RR 2017, 1320, 1321).

Vor dem Hintergrund dieser vom Bundesgerichtshof ausgeführten Argumentation muss aber umgekehrt, wenn die Klägerin innerhalb der Europäischen Union bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum keinen Verwaltungssitz vorweisen kann, § 110 Abs. 1 ZPO zur Anwendung gelangen. Denn dann greift unter Zugrundelegung der Ausführungen des Bundesgerichtshofs der Normzweck des § 110 Abs. 1 ZPO ein, wonach der obsiegende Beklagte vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Kostenerstattungsanspruchs zu bewahren ist, die typischerweise bei einer Vollstreckung außerhalb der Europäischen Union oder des Gebietes der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auftreten, wobei sich das Betriebsvermögen der Gesellschaft regelmäßig an ihrem Verwaltungssitz befindet und der statutarische Sitz nur eine „leere Hülle“ sein kann. Der Verwaltungssitz einer juristischen Person - also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden - entspricht auch in tatsächlicher Hinsicht dem bei natürlichen Personen maßgeblichen „gewöhnlichen Aufenthalt“ im Sinne des Ortes, wo eine Person ihren faktischen Lebensmittelpunkt hat. Die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach der allgemeine Gerichtsstand einer juristischen Person grundsätzlich durch den satzungsmäßigen und nicht durch ihren tatsächlichen Verwaltungssitz bestimmt wird, steht dem nicht entgegen. § 17 ZPO regelt nur Inlandssachverhalte im Rahmen der Frage des allgemeinen Gerichtsstandes und hat einen gänzlich anderen Normzweck als § 110 ZPO. Während § 17 ZPO dazu dienen soll, einer klagenden Partei einen möglichst einfach zu bestimmenden Gerichtsstand zu verschaffen, liegt die Ratio des § 110 ZPO darin, die beklagte Partei, die ihren Kostenerstattungsanspruch durchsetzen möchte, vor Schwierigkeiten der Auslandsvollstreckung zu bewahren (vgl. auch OLG Düsseldorf Teilurteil v. 20.12.2012 - I-2 U 34/10, BeckRS 2013, 10184).

3. Die Höhe der Sicherheitsleistung richtet sich gem. § 112 Abs. 2 Satz 1 ZPO grundsätzlich nach den bereits aufgewendeten und den voraussichtlich noch aufzuwendenden gerichtlichen und außergerichtlichen Prozesskosten, die der beklagten Partei in allen Instanzen voraussichtlich erwachsen. Die Beklagtenseite hat diese voraussichtlich anfallenden Kosten auf 102.248,40 EUR beziffert (vgl. Berufungsbegründung Seite 18), was der Größenordnung nach angemessen, jedenfalls nicht überhöht erscheint und von Klageseite auch nicht in Zweifel gezogen wurde.

Die Fristbestimmung folgt aus § 113 S. 1 ZPO.

5. Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da mit dem die Prozesskostensicherheitsleistung anordnenden Zwischenurteil nicht über die Zulässigkeit der Klage i.S.v. § 280 Abs. 1 Satz 1 ZPO entschieden wird, so dass § 280 Abs. 2 S. 1 ZPO insoweit nicht einschlägig ist (vgl. BGH NJW-RR 2006, 710 Tz. 6; BGH NJW 1988, 1733).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 73/05
vom
21. Dezember 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das Verfahren nach § 109 ZPO ist eröffnet, wenn der Kläger, dem durch Zwischenurteil
die Stellung einer Prozesskostensicherheit nach § 110 Abs. 1
ZPO aufgegeben worden ist, geltend macht, seine Pflicht sei entfallen, weil
er nunmehr seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen
Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den
Europäischen Wirtschaftsraum habe.
BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2005 - III ZB 73/05 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Dezember 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr
und Galke

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2005 - 12 W 125/04 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 110.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger - nach der übereinstimmenden Angabe in seiner Klage und in seiner Rechtsbeschwerdeschrift mit Aufenthalt in Beirut/Libanon - nimmt das beklagte Land auf Feststellung der Ersatzpflicht wegen eines behaupteten Fehlverhaltens von Betriebsprüfern des Finanzamts in Anspruch. Auf Verlangen des beklagten Landes ist dem Kläger durch Zwischenurteil des Landgerichts vom 2. Oktober 2003 die Stellung einer Prozesskostensicherheit nach § 110 Abs. 1 ZPO in Höhe von 110.000 € aufgegeben worden. Eine entsprechende Sicherheit hat der Kläger in Form einer Prozessbürgschaft der Sparkasse D. gestellt. In dem Verfahren vor dem Landgericht hatte der Kläger zuvor geltend gemacht, sein Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt befinde sich in M. /Spanien. Dort habe er sich von 1997 bis 2000 weit überwiegend aufgehalten. Lediglich ein gegen ihn verhängter internationaler Haftbefehl hindere ihn derzeit, dorthin zurückzukehren. Demgegenüber ist das Landgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, der Lebensmittelpunkt sei zwar nicht schon durch das Bestehen des Haftbefehls als solchen, dessen Aufhebung oder Außervollzugsetzung nicht absehbar sei, wohl aber durch dessen mit den Jahren fortwirkende Verdrängungswirkung zunehmend von M. und damit weg aus dem Gebiet der Europäischen Union verlagert worden.
2
Nach Aufhebung des Haftbefehls durch Beschluss vom 1. März 2004 hat der Kläger unter Beweisantritt vorgetragen, er habe zumindest jetzt einen gewöhnlichen Aufenthalt in M. begründet, und nach § 109 Abs. 1 ZPO beantragt , eine Frist zu bestimmen, binnen der das beklagte Land die Prozesskostensicherheit zurückzugeben habe. Das Landgericht (Rechtspflegerin) hat diesen Antrag zurückgewiesen. Zwar könne der Kläger nach § 109 Abs. 1 ZPO die Aufhebung der Sicherheit verlangen, wenn deren Veranlassung nachträglich wegfalle. Hier bestehe aber die Gefahr einer fruchtlosen Zwangsvollstreckung nach Abschluss des Verfahrens fort. Der bloße nachträgliche Aufenthalt des Klägers in einem der in § 110 Abs. 1 ZPO erwähnten Staaten begründe den Wegfall der Veranlassung der Prozesskostensicherheit nicht. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.


3
Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
4
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Rechtspflegerin habe über den Antrag nach § 109 Abs. 1 ZPO nicht in der Sache entscheiden dürfen. Denn die Anordnung der Prozesskostensicherheit durch Zwischenurteil des Landgerichts könne nicht im Wege des Verfahrens nach § 109 ZPO rückgängig gemacht werden. Das Zwischenurteil selbst sei nicht selbständig anfechtbar. Würden selbständige Rechtsmittel hiergegen zugelassen, könnte das zu einer unter prozessökonomischen Gesichtspunkten nicht hinnehmbaren beträchtlichen Erschwerung und Verlängerung des Verfahrens führen. Deswegen sei es auch nicht zulässig, die Abänderung der Anordnung einer Prozesskostensicherheit im Verfahren der für (sonstige) prozessuale Sicherheitsleistungen geltenden Bestimmung des § 109 ZPO vorzunehmen. Hierdurch würde das Verfahren zur Hauptsache noch stärker beeinträchtigt, wenn man bedenke, dass der Gesetzgeber Entscheidungen nach § 109 ZPO gemäß § 20 Nr. 3 RPflG dem Rechtspfleger übertragen habe, der der vom Prozessgericht bejahten Hürde für die Zulässigkeit der Klage während des laufenden Hauptverfahrens - wenn auch aufgrund neuer Tatsachen - "den Boden entziehen" könne. Anschließend komme wieder ein Antrag der Beklagtenseite nach § 110 ZPO in Betracht. Die darin liegende Gefahr wiederholter divergierender Entscheidungen von Prozessgericht und Rechtspfleger über eine für die Zulässigkeit der Klage wesentliche Voraussetzung erscheine nicht hinnehmbar. Das gelte jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - über die Frage, ob die Veranlassung für ei- ne Sicherheitsleistung weggefallen sei, nicht ohne weiteres anhand unstreitiger oder offenkundiger Tatsachen entschieden werden könne.
5
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
6
a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass das Zwischenurteil des Landgerichts, mit dem dem Kläger eine Sicherheitsleistung aufgegeben wurde, nicht selbständig anfechtbar ist, weil es nicht - wie es für seine Anfechtbarkeit nach § 280 ZPO erforderlich wäre - über die Zulässigkeit der Klage befindet, sondern die Entscheidung hierüber noch offen lässt und gemäß § 113 Satz 2 ZPO einem nachfolgenden Verfahrensabschnitt vorbehält (vgl. BGHZ 102, 232, 234 ff). Da es in der ersten Instanz noch zu keiner Sachentscheidung gekommen ist, kann der Kläger daher zur Zeit die Anordnung der von ihm gestellten Sicherheitsleistung im Rechtsmittelweg nicht überprüfen lassen (vgl. BGHZ aaO S. 236).
7
b) Hieraus folgt indessen nicht, dass der Kläger einen - wie hier mangels Feststellungen für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellen ist - möglichen Wegfall der Voraussetzungen, unter denen das beklagte Land eine Sicherstellung wegen der Prozesskosten verlangen kann, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache hinnehmen müsste. Wie § 111 ZPO zu entnehmen ist, kann die Berechtigung, eine Sicherheitsleistung zu verlangen, zu einem späteren Zeitpunkt eintreten, sei es, dass erstmals die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthalts außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums vorliegen, sei es, dass Befreiungen nach § 110 Abs. 2 ZPO in Wegfall geraten. Es kann sich auch nach § 112 Abs. 3 ZPO die Situation ergeben, dass eine einmal geleistete Sicherheit nicht ausreicht und der Kläger auf Verlangen eine weitere Sicherheit zu leisten hat (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 - III ZR 451/04 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Für die jeweils umgekehrte Situation kann im Grundsatz nichts anderes gelten. Für ein selbständiges Klageverfahren auf Rückgabe der Sicherheit, die das Verfahren zur Hauptsache unberührt lässt (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - IX ZR 120/93 - NJW 1994, 1351), ist dies ohne weiteres anzunehmen. Seine prozessuale Durchführung steht nur unter dem Vorbehalt, dass der Kläger grundsätzlich gehalten ist, das einfachere Verfahren nach § 109 ZPO zur Rückerlangung der Sicherheit zu wählen (vgl. Wieczorek /Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl. 1994, § 109 Rn. 7; Musielak/Foerste, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 109 Rn. 2; MünchKommZPO-Belz, 2. Aufl. 2000, § 109 Rn. 4; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 109 Rn. 4; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 109 Rn. 1).
8
c) Nach Auffassung des Senats ist auch das Verfahren nach § 109 ZPO zulässig, um dem Anliegen des Klägers zu entsprechen.
9
Soweit aa) das Beschwerdegericht seine Entscheidung darauf stützt, § 109 ZPO betreffe nur Verfahren für sonstige prozessuale Sicherheitsleistungen , kann ihm nicht gefolgt werden. Im Grundsatz hat die nach § 110 ZPO verlangte Sicherheitsleistung bezogen auf die Prozesskosten dieselbe Aufgabe wie eine sonstige prozessuale Sicherheitsleistung. Es ist daher einhellige Meinung, dass das Verfahren nach § 109 ZPO auch in Fällen des § 110 ZPO anwendbar ist, etwa wenn der Kläger nach rechtskräftiger Verurteilung des Beklagten in die Prozesskosten geltend macht, die Veranlassung für die Sicherheitsleistung sei weggefallen (vgl. OLG Stuttgart MDR 1985, 1033; Zöller/Herget, § 109 Rn. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl. 2005, § 109 Rn. 9; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27.Aufl. 2005, §109 Rn.1a; Musielak/Foerste, § 109 Rn. 7; MünchKommZPO-Belz, § 110 Rn. 6).

10
bb) Für die Anwendung des § 109 ZPO ist es entscheidend, ob die Veranlassung für eine Sicherheitsleistung weggefallen ist. Dies ist nach dem jeweiligen Zweck der Sicherheitsleistung zu bestimmen, mit der ein Schwebezustand überbrückt werden soll. Nimmt man allein in den Blick, dass der Zweck der Sicherheitsleistung nach § 110 ZPO darin besteht, einen möglichen Kostenerstattungsanspruch der beklagten Partei zu sichern, besteht der Schwebezustand fort, weil in der Hauptsache noch keine Entscheidung ergangen ist. Das Begehren des Klägers, den Schwebezustand gleichwohl zu beenden, beruht aber auf der Überlegung, infolge einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse fehle es an einer rechtlichen Grundlage, für einen möglichen Kostenerstattungsanspruch überhaupt eine Sicherstellung verlangen zu dürfen. Auch dann bestehe für eine Sicherheitsleistung keine Veranlassung mehr.
11
Der Senat sieht keinen Anlass, eine solche Fallkonstellation aus dem Anwendungsbereich des § 109 ZPO auszunehmen. Das Verfahren nach § 109 ZPO soll die Rückgabe der Sicherheit erleichtern und beschleunigen (vgl. RGZ 156, 164, 167; Wieczorek/Schütze/Steiner, § 109 Rn. 4; Thomas/Putzo/ Hüßtege, § 109 Rn. 1; Musielak/Foerste, § 109 Rn. 1; MünchKommZPO-Belz, § 109 Rn. 3; Stein/Jonas/Bork, § 109 Rn. 4). Der Bundesgerichtshof hat daher auch keine Bedenken gesehen, dieses Verfahren auf die Rückgabe einer einzelnen Sicherheitsleistung anzuwenden, wenn an deren Stelle aufgrund eines abändernden Beschlusses nach § 108 ZPO eine andere Sicherheit getreten ist (vgl. Urteil vom 24. Februar 1994 - IX ZR 120/93 - NJW 1994, 1351 f). Darüber hinaus hat die obergerichtliche Rechtsprechung das erleichterte Verfahren nach § 109 ZPO auch in Fällen für anwendbar gehalten, in denen die Pflicht, eine Sicherheit zu leisten, infolge eines Abkommens (vgl. OLG Karlsruhe JW 1928, 1238) oder wegen einer bekannt gewordenen Befreiung von der Kostensicher- heit (vgl. OLG Hamburg WM 1991, 925) nachträglich weggefallen ist. Dieser Auffassung ist das Schrifttum weitgehend gefolgt (vgl. Hk-ZPO/Wöstmann, 2006, § 110 Rn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 110 Rn. 4; Stein/Jonas/ Bork, § 111 Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 109 Rn. 9 - Wegfall der Sicherungspflicht -; Musielak/Foerste, § 109 Rn. 7 - Entstehung eines Befreiungsgrundes -; für eine entsprechende Anwendung von § 111 ZPO MünchKommZPO-Belz, § 111 Rn. 14; Wieczorek/Schütze, § 111 Rn. 10). Auch der Senat hielte es für nicht angemessen, Fälle dieser Art grundsätzlich auf den Klageweg zu verweisen, zumal dann auch für dieses Verfahren ein belastender und verzögernder Streit über die Prozesskostenvorschusspflicht vorprogrammiert wäre. Andererseits wäre der im Schrifttum vereinzelt vorgeschlagene Weg einer entsprechenden Anwendung von § 111 ZPO nicht ohne Rechtsfortbildung gangbar, für die angesichts des zur Verfügung stehenden Verfahrens nach § 109 ZPO kein Bedürfnis besteht.
12
cc) Dass das Verfahren nach § 109 ZPO nach § 20 Nr. 3 RPflG dem Rechtspfleger zugewiesen ist, spricht nicht entscheidend gegen seine Anwendung auf die hier vorliegende Fallkonstellation. Der Beschwerdeerwiderung ist zwar darin zuzustimmen, dass sich der Wegfall der Veranlassung für eine Sicherheitsleistung im Allgemeinen ohne einen besonderen Aufwand feststellen lässt, weil er - etwa bei nachträglichem Eintritt von Befreiungsvoraussetzungen nach § 110 Abs. 2 ZPO - mehr oder weniger offenkundig ist. Dem Rechtspfleger , der nach § 4 Abs. 1 RPflG in den Grenzen des Absatzes 2 alle Maßnahmen trifft, die zur Erledigung des ihm übertragenen Geschäfts erforderlich sind, ist die Erhebung von Beweisen aber nicht verschlossen (vgl. Arnold/MeyerStolte /Herrmann, RPflG, 6. Aufl. 2002, § 4 Rn. 11; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 10. Aufl. 2004, § 4 RPflG Rn. 3), wobei auch insoweit kein Anwaltszwang besteht (§ 13 RPflG). Dass das nach Maßgabe des § 109 Abs. 4 ZPO zuständige Beschwerdegericht die erforderlichen Beweise erheben kann, steht außer Frage.
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dd) Schließlich steht die vom Beschwerdegericht gesehene Gefahr divergierender Entscheidungen des Rechtspflegers und des Prozessgerichts mit den hiermit verbundenen Auswirkungen auf das Verfahren zur Hauptsache dem Verfahren nach § 109 ZPO nicht entgegen. Grundsätzlich gilt, dass das Verfahren zur Hauptsache nach Stellung der Sicherheit durch den Kläger durchzuführen ist. Die Prüfung des Antrags nach § 109 Abs. 1 ZPO berührt das Verfahren zur Hauptsache nicht. Bei richtiger Behandlung eines solchen Antrags, insbesondere durch Bildung eines Sonderhefts für die hiervon betroffenen Vorgänge , ist der Fortgang des Verfahrens zur Hauptsache ungestört. Die Befürchtung , es könne nach einem erfolgreichen Verfahren nach § 109 ZPO zu einem erneuten Streit über die Prozesskostenvorschusspflicht nach § 110 ZPO kommen - gegebenenfalls, wie das Beschwerdegericht andeutet, durch wiederholte divergierende Entscheidungen -, ist eher theoretischer Natur. Im anhängigen Verfahren nach § 109 ZPO geht es nicht um eine Überprüfung des landgerichtlichen Zwischenurteils, sondern um die Frage, ob der Kläger nach Aufhebung des Haftbefehls einen gewöhnlichen Aufenthalt in M. begründet hat. Hierfür trägt der Kläger die Beweislast (vgl. MünchKommZPO-Belz, § 109 Rn. 11; Stein/Jonas/Bork, § 109 Rn. 12). Sollte sich dies herausstellen, ist nicht ersichtlich , weshalb ohne eine Änderung der maßgebenden Verhältnisse dem beklagten Land, das für das erneute Verlangen nach § 110 Abs. 1 ZPO beweispflichtig wäre (vgl. Musielak/Foerste, § 110 Rn. 9; Zöller/Herget, § 110 Rn. 7), erneut ein Anspruch auf Stellung einer Prozesskostensicherheit zustehen sollte, noch weniger , weshalb es unter solchen Umständen sogleich wieder einen entsprechenden Antrag stellen würde. Für ein Zurückbehaltungsrecht des beklagten Landes, wie die Beschwerdeerwiderung dies geltend macht, ist daher kein Raum. Soweit hinter der Entscheidung des Beschwerdegerichts die Vorstellung stehen sollte, das von einem Rechtspfleger geführte Verfahren dürfe nicht zu einer vom Prozessgericht abweichenden Entscheidung führen, werden die Selbständigkeit dieses Verfahrens und die mit ihm verbundenen Verfahrensgarantien nicht hinreichend berücksichtigt.
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3. Im weiteren Verfahren muss daher geprüft werden, ob der Kläger jetzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat.
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Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 22.07.2004 - 2 O 4/04 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 03.05.2005 - 12 W 125/04 -