Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2017 - IV ZR 93/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:230817BIVZR93.17.0
bei uns veröffentlicht am23.08.2017
vorgehend
Landgericht München I, 14 HKO 25260/13, 05.08.2016
Oberlandesgericht München, 7 U 3659/16, 13.02.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 93/17
vom
23. August 2017
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Von einer Gesellschaft, die einen Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union
oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
unterhält, kann Prozesskostensicherheit gemäß §§ 110 ff. ZPO nicht verlangt
werden (im Anschluss an BGH, Urteil vom 1. Juli 2002 - II ZR 380/00, BGHZ 151,
204).
BGH, Beschluss vom 23. August 2017 - IV ZR 93/17 - OLG München
LG München I
ECLI:DE:BGH:2017:230817BIVZR93.17.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann und die Richterin Dr. Bußmann
am 23. August 2017

beschlossen:
Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 4. Juli 2017 erhobene Einrede der mangelnden Prozesskostensicherheit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren und möglicher anschließender Revision sowie ihr Antrag auf Anordnung weiterer Sicherheitsleistung werden zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die Klägerin ist eine auf den S. ansässige Ltd., die gegen die Beklagte als Mitversicherer einen Anspruch aus einer Yachtkaskoversicherung verfolgt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.
2
Durch Zwischenurteil vom 6. November 2014 hat das Landgericht der Klägerin eine Prozesskostensicherheit aufgegeben, die nur die Kosten der ersten beiden Instanzen abdeckte. Im vorliegenden Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Beklagte nunmehr die Anord- nung einer ergänzenden Prozesskostensicherheit für die Kosten der dritten Instanz.
3
Die Klägerin tritt diesem Antrag mit der Behauptung entgegen, dass sie jedenfalls seit 2014 einen Verwaltungssitz am Wohnsitz ihres gesetzlichen Vertreters in Österreich unterhalte. Dagegen unterhalte sie auf den S. keine Geschäftsräume.
4
II. Die Einrede der mangelnden Prozesskostensicherheit ist unbegründet. Zwar kommt die Anordnung einer weiteren Prozesskostensicherheit nach § 112 Abs. 3 ZPO in Betracht, wenn die geleistete Sicherheit nicht ausreicht. Die Klägerin ist aber bereits dem Grunde nach nicht zur Sicherheitsleistung gemäß § 110 ZPO verpflichtet.
5
1. Insoweit hat der Senat selbständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO (noch) gegeben sind. Dem steht entgegen der Auffassung der Beklagten keine Bindungswirkung des Zwischenurteils des Landgerichts entgegen, weil darin über eine Prozesskostensicherheit , die auch die dritte Instanz abdeckt, nicht entschieden worden ist (vgl. auch BGH, Zwischenurteil vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 148, wo die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO in einem gleichgelagerten Fall ebenfalls selbständig geprüft worden sind).
6
2. Von einer Gesellschaft, die einen Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unterhält, kann Prozesskostensicherheit gemäß §§ 110 ff. ZPO nicht verlangt werden.
7
a) Als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 110 ZPO ist bei Kapitalgesellschaften deren Sitz anzusehen (BGH, Zwischenurteil vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 148 unter 2a, juris Rn. 9). Umstritten und in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bisher nicht abschließend geklärt ist allerdings, ob insoweit auf den Gründungssitz oder den Verwaltungssitz abzustellen ist. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage zuletzt in zwei Entscheidungen ausdrücklich offen gelassen (BGH, Zwischenurteil vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03 aaO; Urteil vom 21. Juni 2016 - X ZR 41/15 ZIP 2016, 1703 Rn. 12 ff.).
8
aa) In einem früheren Urteil hatte der Bundesgerichtshof allerdings bereits ausgeführt, dass die Anwendbarkeit des § 110 ZPO jedenfalls bei einem Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union ausscheide (Urteil vom 1. Juli 2002 - II ZR 380/00, BGHZ 151, 204 unter III, juris Rn. 12). Auch die herrschende Auffassung in der Rechtsprechung der Instanzgerichte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. Februar 2015 - 2 U 57/14, juris Rn. 20; OLG München IPrax 2011, 267; OLG Karlsruhe NJW-RR 2008, 944; LG Berlin ZIP 2010, 903 f. juris Rn. 19) und in der Literatur (Stein/Jonas/Muthorst, ZPO 23. Aufl. § 110 Rn. 9; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 75. Aufl. § 110 Rn. 4; Zöller/Herget, ZPO 31. Aufl. § 110 Rn. 2; Musielak/Voit/Foerste, ZPO 14. Aufl. § 110 Rn. 4; MünchKomm-ZPO/Schulz, 5. Aufl. § 110 Rn. 13; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht 7. Aufl. Rn. 2004 d; Schütze, IPrax 2014, 272, 273 m.w.N. in Fn. 9; ders. IPrax 2011, 245, 246) stellt generell auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ab.
9
bb) Anderer Auffassung ist - außer dem Landgericht im hiesigen Rechtsstreit - das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht. Nach dessen Ansicht soll es auf den Gründungssitz ankommen, weil die Ge- sellschaft ohne größeren Aufwand ihren Verwaltungssitz verlegen und sich hierdurch dem Vollstreckungszugriff im Falle des Unterliegens entziehen könnte (OLG Schleswig IPrax 2014,289, juris Rn. 16).
10
b) Zutreffend ist jedenfalls für die Fälle, in denen die Gesellschaft einen Verwaltungssitz in der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, die erstgenannte Auffassung.
11
Für die Anknüpfung an den Verwaltungssitz spricht bereits die Parallele zwischen dem Verwaltungssitz und dem "gewöhnlichen Aufenthalt" , auf den der Wortlaut des § 110 Abs. 1 ZPO für natürliche Personen abstellt. Darüber hinaus besteht der Sinn und Zweck der Vorschrift darin, den obsiegenden Beklagten vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Kostenerstattungsanspruchs zu bewahren, die typischerweise bei einer Vollstreckung außerhalb der Europäischen Union oder des Gebietes der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und damit außerhalb der Anwendungsbereiche der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie der für vor dem 10. Januar 2015 eingeleitete Verfahren noch maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 und des Luganer Übereinkommens auftreten (BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 - X ZR 41/15, ZIP 2016, 1703 Rn. 20; BT-Drucks. 13/10871 S. 17). Für die Durchsetzbarkeit des Kostenerstattungsanspruchs kommt es aber eher auf den Verwaltungssitz als auf den Gründungs- oder satzungsmäßigen Sitz einer Gesellschaft an, weil sich das Betriebsvermögen der Gesellschaft regelmäßig an ihrem Verwaltungssitz befindet, wo die Geschäfte geführt werden; der statutarische Sitz kann eine "leere Hülle" sein. Darauf, dass im Einzelfall auch eine Vollstreckung am Verwaltungssitz gefährdet sein kann, kommt es nicht an, weil dieses Risiko nicht höher als bei inländischen Klägern ist (zutreffend Schütze, IPRax 2014, 272, 273).
12
Europarechtliche Gründe stehen einer Anknüpfung an den Verwaltungssitz jedenfalls bei Gesellschaften mit Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nicht entgegen, weil diese Anknüpfung gerade dazu führt, dass diese Gesellschaften keine Prozesskostensicherheit zu leisten haben und damit nicht anders als inländische Gesellschaften behandelt werden.
13
Ob an den Verwaltungssitz auch dann anzuknüpfen wäre, wenn eine innerhalb der Europäischen Union gegründete Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in ein Land verlegt, das weder der Europäischen Union noch einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum angehört, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden.
14
3. Für den Streitfall ist zugrunde zu legen, dass die Klägerin ihren Verwaltungssitz in Österreich hat.
15
a) Maßgebend dafür, wo eine juristische Person ihren Verwaltungssitz hat, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGH, Urteile vom 21. Juni 2016 - X ZR 41/15, ZIP 2016, 1703 Rn. 15; vom 15. März 2010 - II ZR 27/09, ZIP 2010, 1003 Rn. 16; vom 21. März 1986 - V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 un- ter II, juris Rn. 9; Beschlüsse vom 10. November 2009 - VI ZB 25/09, VersR 2010, 275 Rn. 8; vom 10. März 2009 - VIII ZB 105/07, ZIP 2009, 987 Rn. 11; vom 21. Januar 2009 - Xa ARZ 273/08, juris Rn. 18). Hat die Gesellschaft nur einen organschaftlichen Vertreter und unterhält sie an keinem anderen Ort Geschäftsräume, in denen dieser tätig ist, ist danach für ihren Verwaltungssitz der Aufenthaltsort ihres einzigen organschaftlichen Vertreters maßgebend.
16
b) So liegt es nach dem Vorbringen der Klägerin hier. Diese hat schlüssig dargelegt, dass sich ihr Verwaltungssitz in Österreich und damit innerhalb der Europäischen Union befindet, indem sie vorgetragen hat, dass ihr einziger organschaftlicher Vertreter ("sole director") in Österreich wohnt sowie dass sie auf den S. keine Geschäftsräume unterhält, weil alleiniger Gesellschaftszweck Erwerb und Halten der streitgegenständlichen Yacht sei und sie über keinen anderweitigen Geschäftsbetrieb verfüge.
17
Für ihre gegenteilige Behauptung, dass sich der Verwaltungssitz der Klägerin nicht in der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum befindet, ist die Beklagte beweispflichtig (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2005 - III ZB 73/05, NJW-RR 2006, 710, juris Rn. 13; Stein/Jonas/Muthorst , 23. Aufl. § 110 Rn. 46; Zöller/Herget, 31. Aufl. § 110 Rn. 7), weil dies eine Voraussetzung der für sie günstigen Bestimmung des § 110 Abs. 1 ZPO ist. Insoweit fehlt es jedoch an einem ausreichend substantiierten Vorbringen unter Beweisantritt.

Mayen Felsch Harsdorf-Gebhardt
Lehmann Dr. Bußmann

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 05.08.2016- 14 HKO 25260/13 -
OLG München, Entscheidung vom 13.02.2017- 7 U 3659/16 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2017 - IV ZR 93/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2017 - IV ZR 93/17

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2017 - IV ZR 93/17 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 110 Prozesskostensicherheit


(1) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherhe

Zivilprozessordnung - ZPO | § 112 Höhe der Prozesskostensicherheit


(1) Die Höhe der zu leistenden Sicherheit wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt. (2) Bei der Festsetzung ist derjenige Betrag der Prozesskosten zugrunde zu legen, den der Beklagte wahrscheinlich aufzuwenden haben wird. Die dem Bek

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2017 - IV ZR 93/17 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2017 - IV ZR 93/17 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2009 - VI ZB 25/09

bei uns veröffentlicht am 10.11.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 25/09 vom 10. November 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GVG (a.F.) § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b G

Bundesgerichtshof Urteil, 01. Juli 2002 - II ZR 380/00

bei uns veröffentlicht am 01.07.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 380/00 Verkündet am: 1. Juli 2002 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. März 2009 - VIII ZB 105/07

bei uns veröffentlicht am 10.03.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZB 105/07 vom 10. März 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; ZPO § 17 Abs. 1 a) Die - mit Wirkung zum 1. September 2009 aufgehobene - Vorsch

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2005 - III ZB 73/05

bei uns veröffentlicht am 21.12.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 73/05 vom 21. Dezember 2005 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 109 Abs. 1, § 110 Abs. 1 Das Verfahren nach § 109 ZPO ist eröffnet, wenn der Kläger, dem durch Zwischenurt

Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2010 - II ZR 27/09

bei uns veröffentlicht am 15.03.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 27/09 Verkündet am: 15. März 2010 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2016 - X ZR 41/15

bei uns veröffentlicht am 21.06.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 41/15 Verkündet am: 21. Juni 2016 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2017 - IV ZR 93/17.

Landgericht München I Zwischenurteil, 17. Jan. 2019 - 7 O 3277/18

bei uns veröffentlicht am 17.01.2019

Tenor 1. Der Antrag der Beklagten auf Leistung von Prozesskostensicherheit durch die Klägerin wird zurückgewiesen. 2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Tatbestand Die Kläge

Oberlandesgericht München Zwischenurteil, 22. Feb. 2018 - 6 U 2594/17

bei uns veröffentlicht am 22.02.2018

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Zwischenurteil des Landgerichts München I vom 04.05.2017 (Az. 7 O 16818/16) in Ziff. 1. aufgehoben. 2. Der Klägerin wird aufgegeben, den Beklagten wegen der Prozesskosten eine Sich

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2018 - XI ZR 549/17

bei uns veröffentlicht am 23.10.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZR 549/17 vom 23. Oktober 2018 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 110 Abs. 2 Nr. 1 Der Ausnahmetatbestand des § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, dass aufgrund völkerrechtlicher Ve

Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 24. Jan. 2018 - 6 U 56/17

bei uns veröffentlicht am 24.01.2018

Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Zwischenurteil des Landgerichts Mannheim vom 31. März 2017 - 7 O 135/16 - wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Das Urteil ist wegen der Ko

Referenzen

(1) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit.

(2) Diese Verpflichtung tritt nicht ein:

1.
wenn auf Grund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann;
2.
wenn die Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten an den Beklagten auf Grund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt würde;
3.
wenn der Kläger im Inland ein zur Deckung der Prozesskosten hinreichendes Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen besitzt;
4.
bei Widerklagen;
5.
bei Klagen, die auf Grund einer öffentlichen Aufforderung erhoben werden.

(1) Die Höhe der zu leistenden Sicherheit wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt.

(2) Bei der Festsetzung ist derjenige Betrag der Prozesskosten zugrunde zu legen, den der Beklagte wahrscheinlich aufzuwenden haben wird. Die dem Beklagten durch eine Widerklage erwachsenden Kosten sind hierbei nicht zu berücksichtigen.

(3) Ergibt sich im Laufe des Rechtsstreits, dass die geleistete Sicherheit nicht hinreicht, so kann der Beklagte die Leistung einer weiteren Sicherheit verlangen, sofern nicht ein zur Deckung ausreichender Teil des erhobenen Anspruchs unbestritten ist.

(1) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit.

(2) Diese Verpflichtung tritt nicht ein:

1.
wenn auf Grund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann;
2.
wenn die Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten an den Beklagten auf Grund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt würde;
3.
wenn der Kläger im Inland ein zur Deckung der Prozesskosten hinreichendes Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen besitzt;
4.
bei Widerklagen;
5.
bei Klagen, die auf Grund einer öffentlichen Aufforderung erhoben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 380/00 Verkündet am:
1. Juli 2002
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Verlegt eine ausländische Gesellschaft, die entsprechend ihrem Statut nach
dem Recht des Gründungsstaates als rechtsfähige Gesellschaft ähnlich einer
Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts zu behandeln wäre,
ihren Verwaltungssitz nach Deutschland, so ist sie nach deutschem Recht jedenfalls
eine rechtsfähige Personengesellschaft und damit vor den deutschen
Gerichten aktiv und passiv parteifähig.
BGH, Urteil vom 1. Juli 2002 - II ZR 380/00 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 1. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und
die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Kraemer und die Richterin
Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. März 2000 aufgehoben.
Die Anschlußberufung des Beklagten gegen das Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 25. November 1998 wird zurückgewiesen.
Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaftserklärung vom 17. Juni 1993 in Anspruch. Sie hat vorgetragen, sie sei eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ("Limited Company") nach dem Recht der Kanalinsel J., auf der sie am 11. Oktober 1966 ordnungsgemäß gegründet worden sei und ihren satzungsmäßigen und tatsächlichen Verwaltungssitz habe. Sie sei daher auch in Deutschland rechts- und parteifähig. Der Beklagte ist der Ansicht, der Klägerin fehle die Rechts- und Parteifähigkeit, weil sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Portugal oder Deutschland habe, ohne daß sie sich nach dem Recht dieser Staaten neu gegründet und die Eintragung ins Handelsregister veranlaßt habe.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Klägerin der Nachweis ihrer Parteifähigkeit nicht gelungen sei. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und die Klägerin zugleich auf die Anschlußberufung hin in Abänderung und Ergänzung des landgerichtlichen Urteils zur Leistung von Prozeßkostensicherheit in Höhe von 20.000,00 DM für den Beklagten verurteilt. Hiergegen und gegen die Klageabweisung richtet sich die Revision.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Anschlußberufung wird zurückgewiesen. Im übrigen wird die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
I. Das Berufungsgericht begründet seine Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Landgericht damit, der Klägerin obliege angesichts des Bestreitens des Beklagten der Beweis dafür, daß sich ihr tatsächlicher Verwaltungssitz auf J. befinde. Denn die Parteifähigkeit richte sich nach der Sitztheorie und damit nach dem Personalstatut der Gesellschaft. Den entsprechenden Beweis habe die Klägerin nicht zu führen vermocht. Dem Beklagten stehe nach § 110 ZPO ein Anspruch auf Prozeßkostensicherheit auch für die erste Instanz zu. Beides hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
II. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht im Hinblick auf einen möglichen Verwaltungssitz der Klägerin in Deutschland oder Portugal deren Parteifähigkeit.
1. Der Klägerin könnte das Recht, ihre Ansprüche vor deutschen Gerichten geltend zu machen, auch dann nicht versagt werden, wenn sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland hätte und nach der hier überwiegend vertretenen Sitztheorie (BGHZ 53, 181, 183; 78, 318, 334; 97, 269, 271; BGH, Urt. v. 8. Oktober 1991 - XI ZR 64/90, ZIP 1991, 1582; Beschl. v. 30. März 2000 - VII ZR 370/98, DB 2000, 1114; BFH, BStBl. II 1992, 263, 720; BayObLG, NJW-RR 1993, 43; Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht , 13. Aufl. Rdn. 24) nicht entsprechend ihrem Gründungsstatut als Gesellschaft mit beschränkter Haftung ("Limited Company") nach dem auf der Kanalinsel J. geltenden Recht zu behandeln wäre. Denn dann wäre sie in Deutschland jedenfalls eine rechtsfähige Personengesellschaft (§ 14 Abs. 2 BGB) und damit vor deutschen Gerichten aktiv und passiv parteifähig. Dies gilt nach der neueren Rechtsprechung des Senats, die das Berufungsgericht noch nicht berücksichtigen konnte, auch für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Urt. v. 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, ZIP 2001, 330; Beschl. v. 18. Februar 2002 - II ZR 331/00, ZIP 2002, 614).

a) Eine Behandlung der ausländischen Gesellschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird in der Literatur schon seit längerem als mögliche Alternative zur Anwendung der Sitz- oder Gründungstheorie diskutiert (vgl. Rehbinder , IPrax 1985, 32; Zimmer, BB 2000, 1361, 1363 m.w.N.). Ihr wurde bisher entgegengehalten, daß sie zu erheblichen Problemen im Prozeß- und Zwangs- vollstreckungsrecht führen würde, etwa weil zur Aufrechnung gestellte Gegenansprüche sich nicht gegen die Gesellschafter in gesamthänderischer Verbundenheit richten würden, sondern in aller Regel gegen die ausländische Gesellschaft als - nach Gründungsrecht - juristische Person (Rehbinder aaO). Würden nach teilweiser oder gänzlicher Klageabweisung Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die klagende ausländische Gesellschaft notwendig, entstünde das Problem, daß ein Titel gegen die Gesellschafter als Gesellschaft bürgerlichen Rechts existieren würde, im Zweifel aber in Vermögensgegenstände vollstreckt werden müsse, die nominell im Eigentum der ausländischen Gesellschaft als juristischer Person stehen oder in Konten, die auf deren Namen errichtet sind. Eine Titelumschreibung auf die ausländische Gesellschaft nach § 727 ZPO würde mangels Rechtsnachfolge schon begrifflich ausscheiden, aber auch deshalb, weil die Rechtsnachfolge nach Rechtshängigkeit eingetreten sein muß (Zöller-Stöber, ZPO 21. Aufl. 1999 § 727 Rdn. 19).

b) Diese Einwände sind mit der neuen Rechtsprechung des Senats zur Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts entfallen. Die ausländische Gesellschaft kann, ohne nach deutschem Recht juristische Person zu sein, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts klagen, so daß auch Gegenansprüche und Einreden oder Einwendungen unproblematisch geltend gemacht werden können und aus einem Titel gegen sie vollstreckt werden kann, ohne daß sich die Frage einer Umschreibung stellt. Ferner kann sie wirksam Verträge abschließen und Eigentum erwerben.
Damit entfallen zugleich die Bedenken, daß nach ausländischem Recht wirksam gegründete Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt haben, durch die Weigerung, ihre Rechts- und Parteifähigkeit anzuerkennen , in einem durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls nicht geforderten und damit unverhältnismäßigen Umfang ihres rechtlichen Besitzstan- des und ihrer Klagemöglichkeiten beraubt werden könnten, was angesichts der Vielzahl der von solchen Gesellschaften tatsächlich getätigten Geschäfte, des von ihnen vollzogenen Erwerbs von Immobilien- und Mobiliareigentums und der auch für sie bestehenden Notwendigkeit, im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Wahrung ihrer Rechte um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen, weder durch die Notwendigkeit eines wirksamen Gläubigerschutzes noch durch das Gebot der Rechtssicherheit zur rechtfertigen wäre. Dementsprechend hat sich die Rechtsprechung auch schon vor den Grundsatzentscheidungen des Senats vom 29. Januar 2001 und 18. Februar 2002 genötigt gesehen, die passive Parteifähigkeit der ausländischen Gesellschaft anzuerkennen (OLG Nürnberg, IPrax 1985, 342; dazu Rehbinder, IPrax 1985, 324; BGHZ 97, 269, 271). Zu Recht weist die Revision aber auch auf weitere Widersprüche der Rechtspraxis hin: So werden etwa die Bankbürgschaften, die die Klägerin zur Abwehr der Vollstreckung und zur Stellung der Prozeßkostensicherheit beigebracht hat, von den Instanzgerichten wie dem Beklagten akzeptiert, obwohl die in Deutschland abgeschlossenen Bürgschaftsverträge bei fehlender Rechtsfähigkeit der Klägerin nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts eigentlich nichtig wären.
2. Das Berufungsgericht ist dem unter Beweis gestellten Vortrag des Beklagten , die Klägerin habe ihren Verwaltungssitz in Portugal oder in Deutschland nicht nachgegangen, sondern hat die Frage offengelassen. Diese Frage könnte jedoch nur dann offenbleiben, wenn die im Falle ihres Sitzes in Deutschland rechts- und parteifähige Klägerin dies auch im Falle ihres Sitzes in Portugal wäre. Insoweit hat das Berufungsgericht indes keinerlei Feststellungen getroffen. Seiner Entscheidung ist nicht zu entnehmen, um welche Art von Gesellschaft es sich nach portugiesischem Recht handeln könnte und welche Konsequenzen hieraus für den vorliegenden Fall gezogen werden müßten. III. Mit Erfolg greift die Revision schließlich die Verurteilung zur Zahlung von Prozeßkostensicherheit nach § 110 ZPO an.
Hat die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in Portugal oder Deutschland, scheidet die Anwendbarkeit des § 110 ZPO ohnehin aus.
Aber auch dann, wenn sie als Gesellschaft nach dem Recht der Insel J. zu behandeln wäre, kann von ihr Prozeßkostensicherheit nach § 110 ZPO nicht verlangt werden. Richtig ist zwar, daß die frühere Fassung des § 110 ZPO nur dann gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 6 (jetzt: Art. 12) EGV verstieß, wenn eine inländische Prozeßpartei von der Verpflichtung zur Leistung von Prozeßkostensicherheit frei war und die Klage eine der Grundfreiheiten berührte (EuGH NJW 1996, 3407; 1998, 2127), so daß angesichts der eingeschränkten Geltung der Grundfreiheiten für J. nach Art. 299 Abs. 6 lit. c EGV i.V.m. dem Protokoll Nr. 3 zu der BeitrA 1972 (BGBl. II S. 1338) der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 110 ZPO möglicherweise J. von der Befreiung für Mitgliedstaaten der Europäischen Union hätte ausnehmen können. Gerade dies ist jedoch nicht erfolgt, so daß die Begründung des Berufungsgerichts , Art. 6 (jetzt Art. 12) EGV gelte im Verhältnis zu J. nicht, zwar in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH stehen mag, nicht aber mit dem klaren Wortlaut des § 110 ZPO, der ohne Einschränkung für den Bereich der Europäischen Union eine Prozeßkostensicherheit nicht vorsieht und damit weiter reicht als die Vorgaben, die der EuGH gemacht hat. Da J. als Bestandteil des Vereinigten Königreiches, wenn auch unter Beachtung seines verfassungsrechtlichen Sonderstatus zur Europäischen Union gehört, sieht auch die Kommentarliteratur eine nur teilweise Geltung der Befreiungsvorschrift des § 110 ZPO für Großbritannien nicht vor, sondern geht von einer uneingeschränkten Geltung aus (MünchKomm./Belz, ZPO 2. Aufl. § 110 Rdn. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 60. Aufl. Anh. zu § 110 Rdn. 11; Schütze, RiW 1999, S. 10).
Die Verurteilung der Klägerin zur Leistung von Prozeßkostensicherheit erfolgte daher unabhängig davon, wo sie ihren Verwaltungssitz hat, zu Unrecht.
IV. Soweit die Klägerin auf die Anschlußberufung hin zur Leistung von Prozeßkostensicherheit verurteilt wurde, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.). Im übrigen war der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es Gelegenheit hat, die oben unter II. 2. erörterten, bisher fehlenden Feststellungen nachzuholen und sich bei Bejahung der Zulässigkeit der Klage mit deren Begründetheit - erforderlichenfalls nach weiterem Sachvortrag der Parteien - auseinanderzusetzen.
Röhricht Hesselberger Goette
Kraemer Münke

(1) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit.

(2) Diese Verpflichtung tritt nicht ein:

1.
wenn auf Grund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann;
2.
wenn die Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten an den Beklagten auf Grund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt würde;
3.
wenn der Kläger im Inland ein zur Deckung der Prozesskosten hinreichendes Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen besitzt;
4.
bei Widerklagen;
5.
bei Klagen, die auf Grund einer öffentlichen Aufforderung erhoben werden.

20
(1) Sinn und Zweck der Prozesskostensicherheit ist es, den obsiegenden Beklagten vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Kostenerstattungsanspruchs zu bewahren, die typischerweise bei einer Vollstreckung außerhalb der Europäischen Union oder des Gebietes der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und damit außerhalb der Anwendungsbereiche der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil - und Handelssachen (Brüssel-Ia-VO) bzw. der für vor dem 10. Januar 2015 eingeleitete Verfahren noch maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (Brüssel -I-VO) und des Luganer Übereinkommens auftreten (vgl. BT-Drucks.
16
cc) Nach dem gem. Art. 53 LugÜ anwendbaren deutschen internationalen Privatrecht und der dort geltenden Sitztheorie beurteilt sich der Sitz einer juristischen Person nach dem Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes (BGHZ97, 269, 271 m.w.Nachw.; BGHZ178, 192 Tz.21; MünchKommZPO/Gottwald 2. Aufl. Art. 53 EuGVÜ Rdn. 6). Maßgebend dafür ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane , also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGHZ 97, 269, 272).
8
Der allgemeine Gerichtsstand der Klägerin wird gemäß § 17 Abs. 1 ZPO durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Darunter ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane zu verstehen, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGHZ 97, 269, 272; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 17 Rn. 15; Zöller /Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 17 Rn. 10). Danach kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Klageerhebung jedenfalls auch einen inländischen Verwaltungssitz hatte.
11
Der Ort, wo die Verwaltung geführt wird, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGHZ 97, 269, 272; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 17 Rdnr. 15; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 17 Rdnr. 10).
13
dd) Schließlich steht die vom Beschwerdegericht gesehene Gefahr divergierender Entscheidungen des Rechtspflegers und des Prozessgerichts mit den hiermit verbundenen Auswirkungen auf das Verfahren zur Hauptsache dem Verfahren nach § 109 ZPO nicht entgegen. Grundsätzlich gilt, dass das Verfahren zur Hauptsache nach Stellung der Sicherheit durch den Kläger durchzuführen ist. Die Prüfung des Antrags nach § 109 Abs. 1 ZPO berührt das Verfahren zur Hauptsache nicht. Bei richtiger Behandlung eines solchen Antrags, insbesondere durch Bildung eines Sonderhefts für die hiervon betroffenen Vorgänge , ist der Fortgang des Verfahrens zur Hauptsache ungestört. Die Befürchtung , es könne nach einem erfolgreichen Verfahren nach § 109 ZPO zu einem erneuten Streit über die Prozesskostenvorschusspflicht nach § 110 ZPO kommen - gegebenenfalls, wie das Beschwerdegericht andeutet, durch wiederholte divergierende Entscheidungen -, ist eher theoretischer Natur. Im anhängigen Verfahren nach § 109 ZPO geht es nicht um eine Überprüfung des landgerichtlichen Zwischenurteils, sondern um die Frage, ob der Kläger nach Aufhebung des Haftbefehls einen gewöhnlichen Aufenthalt in M. begründet hat. Hierfür trägt der Kläger die Beweislast (vgl. MünchKommZPO-Belz, § 109 Rn. 11; Stein/Jonas/Bork, § 109 Rn. 12). Sollte sich dies herausstellen, ist nicht ersichtlich , weshalb ohne eine Änderung der maßgebenden Verhältnisse dem beklagten Land, das für das erneute Verlangen nach § 110 Abs. 1 ZPO beweispflichtig wäre (vgl. Musielak/Foerste, § 110 Rn. 9; Zöller/Herget, § 110 Rn. 7), erneut ein Anspruch auf Stellung einer Prozesskostensicherheit zustehen sollte, noch weniger , weshalb es unter solchen Umständen sogleich wieder einen entsprechenden Antrag stellen würde. Für ein Zurückbehaltungsrecht des beklagten Landes, wie die Beschwerdeerwiderung dies geltend macht, ist daher kein Raum. Soweit hinter der Entscheidung des Beschwerdegerichts die Vorstellung stehen sollte, das von einem Rechtspfleger geführte Verfahren dürfe nicht zu einer vom Prozessgericht abweichenden Entscheidung führen, werden die Selbständigkeit dieses Verfahrens und die mit ihm verbundenen Verfahrensgarantien nicht hinreichend berücksichtigt.

(1) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit.

(2) Diese Verpflichtung tritt nicht ein:

1.
wenn auf Grund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann;
2.
wenn die Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten an den Beklagten auf Grund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt würde;
3.
wenn der Kläger im Inland ein zur Deckung der Prozesskosten hinreichendes Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen besitzt;
4.
bei Widerklagen;
5.
bei Klagen, die auf Grund einer öffentlichen Aufforderung erhoben werden.