BGH zur Frage: Dürfen miteinander verheiratete Richter über den gleichen Fall in verschiedenen Instanzen entscheiden?
Das OVG musste darüber entscheiden, ob die Tatsache, dass Richter verschiedener Instanzen miteinander verheiratet sind, den „bösen Schein“ der Befangenheit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO begründet.
Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin
Rechtslage und bisherige Rechtsprechung
Ein Richter soll nach § 42 Abs. 2 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu begründen. Dabei genügt der böse Schein, mithin der bloße Eindruck mangelnder Objektivität für diese Annahme aus.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bisher eine generelle Befangenheit des Ehepartners eines Rechtsmittelrichters, der an der angefochtenen Entscheidung mitwirken sollte abgelehnt. Vielmehr forderte es konkrete Anhaltspunkte für die Annahme eines Ablehnungsgrundes.
Das Gericht befürchtete, dass eine solche generalisierende, allein auf die Tatsache des ehelichen Verhältnisses abstellende Betrachtung dazu führen könnte, dass der Anwendungsbereich des § 41 ZPO über § 42 ZPO unzulässig erweitert wird. Denn § 41 ZPO zählt die gesetzlichen Ausschlussgründe abschließend auf. Wird jedoch ein Ehepartner allein aufgrund der Tatsache, dass er mit dem Richter der Vorinstanz verheiratet ist, abgelehnt, so kommt dies nach Ansicht des BGH´s einem Ausschluss kraft Gesetzes gleich.
BGH setzt die Entscheidung die einstimmig entschieden werden muss mit der Entscheidung eines Einzelrichters gleich
Nach der Rechtsprechung des BGH´s ist der „böse Schein“ der fehlenden Unvoreingenommenheit eines abgelehnten Richters zumindest dann begründet, wenn der Ehepartner nicht lediglich als Mitglied eines Kollegialgerichts an der angefochtenen Entscheidung mitwirkt, sondern diese als Einzelrichter trifft (vgl. BGH, Beschl. v. 27.02.2020 – III ZB 61/19). Dann könnte der Ehepartner, der an der angefochtenen Entscheidung mitwirkt aus Solidarität geneigt sein, die gleiche Entscheidung zu treffen wie sein Partner in der Vorinstanz. Diese Befürchtung der Solidaritätsneigung besteht grundsätzlich nicht, wenn der betroffene Ehegatte, die Entscheidung als Mitglied eines Kollegialorgans trifft und eben nicht als Einzelrichter.
Der vorliegende Fall
In dem Fall bei dem sich der BGH-Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit selbst abgelehnt hat stritt sich die Klägerin erfolgreich mit ihrem Vertragspartner um eine Provision. Dagegen legte der Beklagte Berufung ein, die das OLG Hamburg, an dem die Ehefrau des abgelehnten Richters tätig war, einstimmig zurückgewiesen hat. Nun sollte der 1. Zivilsenat des BGH´s im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entscheiden. Bedenklich dabei war, dass der die Berufung abweisende Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO nur einstimmig gefasst werden kann. Durch die vorausgesetzte Einstimmigkeit wurde nach außen erkennbar, welche Ansicht die fragliche Richterin vertreten hat. Sie hat damit „in nach außen erkennbarer Weise die Verantwortung für die angefochtene Entscheidung mit übernommen.“
Nach Ansicht des BGH´s gleicht dieser Fall der Konstellation, in der der Ehegatte des abgelehnten Richters die angefochtene Entscheidung als Einzelrichter und eben nicht als Mitglied eines Kollegialgerichts getroffen hat. Der böse Schein der Befangenheit sei deshalb ohnehin begründet.
Aus diesem Grund meint das OVG, die Frage, ob an der Rechtsprechung zu Ehegatten weiter festgehalten werden sollte nicht beantworten zu müssen. Das sehr zum Leid vieler Kritiker der bisherigen Rechtsprechung des BGH´s, die den bösen Schein der Befangenheit bei Ehegatten immer für begründet halten. Ähnlich wie sie, sieht es auch das Bundessozialgericht (BSG). Dieses sieht in der Mitwirkung des Ehegatten an der angefochtenen Vorentscheidung, die der Ehepartner getroffen hat, immer einen Ausschlussgrund.
Verzicht auf Anruf des gemeinsamen Senats
Der BGH verzichtet indes darauf, den Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, anzurufen. Ein solcher Anruf wäre jedoch insbesondere in Hinblick auf die gegenteilige Auffassung des BSG´s – so könnte man meinen – geboten. Nach Ansicht des BGH´s liege jedoch bereits keine Abweichung von der Auffassung eines anderen Bundesgerichts vor, wenn die unterschiedlichen Auffassungen der einzelnen Gerichte zwar nicht übereinstimmen, aber zum selben Ergebnis gelangen (so auch: BGH, Beschl. v. 6. Mai 1999 - V ZB 1/99). So sei es im vorliegenden Fall.
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Annotations
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:
- 1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht; - 2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war; - 4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist; - 5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist; - 6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt; - 7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird; - 8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:
- 1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht; - 2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war; - 4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist; - 5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist; - 6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt; - 7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird; - 8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.