OLG Celle: falsche Pflichtangaben - Darlehen aus 2011 widerrufbar

published on 11/09/2016 13:50
OLG Celle: falsche Pflichtangaben - Darlehen aus 2011 widerrufbar
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Wenn Banken und Sparkassen gehofft hatten, das Thema Darlehenswiderruf zu den Akten legen zu können, haben sie sich getäuscht. Denn auch bei jüngeren Immobiliendarlehen ist der Widerruf möglich, wenn die Bank eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwendet hat.

Und das dürfte den Kreditinstituten häufiger passiert sein als sie vielleicht selbst vermutet haben. Knackpunkt sind dabei häufig die Pflichtangaben in der Widerrufsbelehrung. Sind diese fehlerhaft, wurde die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt und der Widerruf ist auch noch Jahre nach Abschluss des Immobiliendarlehens möglich. Das geht auch aus einem Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 2. Dezember 2015 hervor (Az.: 3 U 108/15).

In dem konkreten Fall hatten die Verbraucher im Frühjahr 2011 einen Darlehensvertrag abgeschlossen und diesen mit einer Immobilie besichert. Der Nominalzinssatz in Höhe von 4,75 Prozent p.a. war bis zum September 2023 vereinbart. In der Widerrufsbelehrung hieß es u.a., dass die Widerrufsfrist nach Abschluss des Vertrags, aber erst, wenn der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Angabe der für die X-Bank zuständige Aufsichtsbehörde) erhalten hat. Im Mai 2014 erklärten die Verbrauscher schließlich den Widerruf und hatten mit ihrer Klage am Landgericht Verden Erfolg. In einem Hinweisbeschluss erklärte das OLG Celle, dass es den Widerruf ebenfalls als wirksam erachtet und die Berufung der Bank zurückweist.

Zur Begründung führte das OLG aus, dass nach der verwendeten Widerrufsbelehrung nicht klar ist, wann die Widerrufsfrist beginnt. Denn sie sollte erst dann in Gang gesetzt werden, wenn der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben erhalten habe. Die Angabe zu der für X-Bank zuständige Aufsichtsbehörde sei aber weder eine Pflichtangabe noch sei es ersichtlich, dass der Darlehensnehmer sie überhaupt erhalten habe. Daher habe die verwendete Belehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen und die Bank könne sich deshalb nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Denn diese trete nur ein, wenn die Bank das Muster richtig ausfüllt und die für diesen Vertrag vorgegebenen Angaben verwendet. Laut dem gültigen Muster hätten dies Angaben zur Art des Darlehens, zum Nettodarlehensbetrag und zur Vertragslaufzeit sein müssen. Von diesem Muster sei die Bank abgewichen und habe die Musterbelehrung dadurch inhaltlich überarbeitet, so dass sie sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Für den Verbraucher sei es dadurch nicht mehr möglich zu erkennen, wann die Widerrufsfrist beginnt. Die Folge ist, dass die Widerrufsfrist nie in Gang gesetzt und der Widerruf auch Jahre nach Vertragsschluss noch möglich ist.

Rechtliche Einschätzung der Kanzlei Kreutzer, München: Für Immobiliendarlehen, die zwischen November 2002 und dem 10. Juni 2010 geschlossen wurden, ist das Widerrufsrecht am 21. Juni 2016 endgültig erloschen. Allerdings haben die fehlerhaften Widerrufsbelehrungen nicht Mitte 2010 geendet. Es ist davon auszugehen, dass in vielen Belehrungen die gesetzlichen Pflichtangaben nicht korrekt sind, sodass der Widerruf auch bei etlichen Immobiliendarlehen, die nach dem 10. Juni 2010 geschlossen wurden, noch möglich ist. Angesichts der Zinsentwicklung kann auch der Widerruf dieser jüngeren Darlehen finanziell noch sehr attraktiv sein.

Bei älteren Darlehen, die noch fristgerecht widerrufen wurden, muss davon ausgegangen werden, dass die Bank den Widerruf nicht akzeptiert. Da die Rechtslage aber zumeist eindeutig ist, lässt sich der Widerruf in der Regel durchsetzen oder eine außergerichtliche Lösung mit der Bank finden.

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(1) Verbraucherdarlehensverträge sind, soweit nicht eine strengere Form vorgeschrieben ist, schriftlich abzuschließen. Der Schriftform ist genügt, wenn Antrag und Annahme durch die Vertragsparteien jeweils getrennt schriftlich erklärt werden. Die Erklärung des Darlehensgebers bedarf keiner Unterzeichnung, wenn sie mit Hilfe einer automatischen Einrichtung erstellt wird.

(2) Der Vertrag muss die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche enthalten.

(3) Nach Vertragsschluss stellt der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine Abschrift des Vertrags zur Verfügung. Ist ein Zeitpunkt für die Rückzahlung des Darlehens bestimmt, kann der Darlehensnehmer vom Darlehensgeber jederzeit einen Tilgungsplan nach Artikel 247 § 14 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche verlangen.

(4) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für die Vollmacht, die ein Darlehensnehmer zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags erteilt. Satz 1 gilt nicht für die Prozessvollmacht und eine Vollmacht, die notariell beurkundet ist.

(5) Erklärungen des Darlehensgebers, die dem Darlehensnehmer gegenüber nach Vertragsabschluss abzugeben sind, müssen auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen.

(6) Enthält der Vertrag die Angaben nach Absatz 2 nicht oder nicht vollständig, können sie nach wirksamem Vertragsschluss oder in den Fällen des § 494 Absatz 2 Satz 1 nach Gültigwerden des Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger nachgeholt werden. Hat das Fehlen von Angaben nach Absatz 2 zu Änderungen der Vertragsbedingungen gemäß § 494 Absatz 2 Satz 2 bis Absatz 6 geführt, kann die Nachholung der Angaben nur dadurch erfolgen, dass der Darlehensnehmer die nach § 494 Absatz 7 erforderliche Abschrift des Vertrags erhält. In den sonstigen Fällen muss der Darlehensnehmer spätestens im Zeitpunkt der Nachholung der Angaben eine der in § 356b Absatz 1 genannten Unterlagen erhalten. Mit der Nachholung der Angaben nach Absatz 2 ist der Darlehensnehmer auf einem dauerhaften Datenträger darauf hinzuweisen, dass die Widerrufsfrist von einem Monat nach Erhalt der nachgeholten Angaben beginnt.

(7) Die Vereinbarung eines veränderlichen Sollzinssatzes, der sich nach einem Index oder Referenzzinssatz richtet, ist nur wirksam, wenn der Index oder Referenzzinssatz objektiv, eindeutig bestimmt und für Darlehensgeber und Darlehensnehmer verfügbar und überprüfbar ist.