Insolvenzrecht: BGH: Insolvenzanfechtung rückständiger Lohnforderungen

published on 17/03/2009 17:58
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Rechtsanwalt für Insolvenzrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Der BGH hat am 19. Februar 2009 (Az: IX ZR 62/08) folgendes entschieden: Weiß ein Arbeitnehmer, dem der Arbeitgeber in der Krise noch Zahlungen auf rückständige Lohnforderungen erbringt, dass der Arbeitgeber außerdem noch anderen Arbeitnehmern Lohn schuldig ist, rechtfertigt allein diese Kenntnis nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung des Arbeitgebers. Ist der Gläubiger ein Arbeitnehmer des Schuldners ohne Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens, trifft ihn in der ihm bekannten Krise insoweit keine Erkundigungspflicht.


Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Gläubigerantrag vom 2. August 2004 am 14. Oktober 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des W. S. (fortan: Schuldner). Dieser betrieb unter der Firma E. ein Unternehmen mit ca. 40 Arbeitnehmern. Der Beklagte war bei ihm bis Mitte August 2004 als Elektroinstallateur beschäftigt. Ab Herbst 2003 geriet der Schuldner mit den Lohn- und Gehaltszahlungen zunehmend in Rückstand. Spätestens ab Mai 2004 war er zahlungsunfähig. Der Beklagte erhielt den restlichen Lohn für den Monat Februar 2004 sowie anteiligen Lohn für den Monat März 2004, insgesamt 1.500 €, am 14. Mai 2004, den restlichen Lohn für März 2004 sowie Lohn für April 2004, insgesamt 2.350,03 €, am 27. Juli 2004.

Der Rechtsvorgänger des Klägers im Amt des Insolvenzverwalters hat beide Zahlungen vor dem Arbeitsgericht als kongruente Deckung angefochten. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Amtsgericht verwiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, bei der Anfechtungsbefugnis handele es sich um ein mit dem Amt des Insolvenzverwalters verbundenes eigen-ständiges Recht. Dessen Ausübung erfolge nicht in Rechtsnachfolge des Arbeitgebers, dem ein solches Recht nie zugestanden habe, sondern ausschließlich in der Funktion des Verwalters der Gläubigerinteressen. Daraus ergebe sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Das Amtsgericht hat die Anfechtung der Zahlung aus Mai 2004 als unbegründet angesehen, der Klage hinsichtlich der Zahlung vom 27. Juli 2004 hingegen stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seine Klage ergänzend auf die Vorsatzanfechtung gestützt. Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der zugelassenen Revision.


Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der vom Kläger erhobene insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch (§ 143 InsO), soweit er auf die Zahlung des Schuldners vom 27. Juli 2004 gestützt wird. Hierzu meint das Berufungsgericht: Der Anfechtungstatbestand der kongruenten Deckung (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 InsO) liege nicht vor. Er erfordere neben den hier gegebenen objektiven Voraussetzungen, dass dem Anfechtungsgegner bei Erhalt der Leistung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt gewesen sei. Unmittelbare positive Kenntnis habe der Beklagte unstreitig nicht gehabt. An einer positiven Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen ließen (§ 130 Abs. 2 InsO), fehle es ebenfalls.

Hierfür genüge allerdings die Kenntnis von Tatsachen, an welche die Berufs- und Geschäftskreise des Anfechtungsgegners mit ihrer Verkehrserfahrung die Erwartung knüpften, der Schuldner werde seine fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht erbringen können. Wichtiges Indiz für die Zahlungsunfähigkeit sei die Zahlungseinstellung. Sie mache die Zahlungsunfähigkeit nach außen erkennbar. Diese sei dem Anfechtungsgegner bekannt, wenn er wisse, dass ein Schuldner von seinen als fällig eingeforderten Geldschulden einen nicht unwesentlichen Teil nicht erfüllen könne und auch keine konkrete Aussicht bestehe, hierfür ausreichende Geldmittel in den nächsten drei Wochen zu erlangen.

Dem Beklagten seien indes bei Gesamtschau aller Umstände Ende Juli 2004 keine ausreichenden Tatsachen bekannt gewesen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen ließen. Die dem Beklagten bekannten Lohnrückstände - auch diejenigen gegenüber den übrigen Beschäftigten - seien allein kein hinreichendes Indiz, wenn dem Arbeitnehmer die Grundlage für die Beurteilung fehle, ob die Ansprüche einen wesentlichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten ausmachten. Träten bei Lohnzahlungen Verzögerungen ein, könnten Arbeitnehmer zunächst von vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten oder Zahlungsstockungen ausgehen. Dies komme auch dem Beklagten zugute. Weitere Umstände, die ein anderes Bild ergäben, seien im Streitfall nicht hinzugetreten. Von den übrigen Verbindlichkeiten des Schuldners, wie sie aus der von dem Kläger im Anfechtungsprozess eingereichten Forderungsaufstellung ersichtlich seien, habe der Beklagte keine Kenntnis gehabt.

Die von dem Kläger in den Prozess eingeführten Presseveröffentlichungen von Juni 2004 erwähnten die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht ausdrücklich. In dem Artikel vom 3. Juni 2004 werde nur wegen ausstehender Zahlungen eines wichtigen Auftraggebers, der Krankenhausstiftung "St. J. ", pauschal von einer Gefährdung von Arbeitsplätzen unter anderem in dem Unternehmen des Schuldners gesprochen. In der Presseveröffentlichung vom 10. Juni 2004 werde sodann von einer "Teillösung" durch Zahlung einer Liquiditätshilfe sowie angekündigter beschleunigter Prüfung der Schlussrechnung durch die Krankenhausstiftung berichtet. In dem Artikel vom 11. Juni 2004 sei dann davon die Rede gewesen, dass die Mitarbeiter des Schuldners vorerst "aufatmen" könnten, weil es eine Zwischenlösung gebe. Bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung habe es keine weiteren Presse-mitteilungen mehr gegeben, so dass die Presseberichterstattung insgesamt nicht den Schluss rechtfertige, die angekündigte Zwischenlösung habe sich zerschlagen.
Eine Erkundigungspflicht treffe den Beklagten, der als Elektroinstallateur keinen Einblick in die Geschäftsunterlagen des Schuldners gehabt habe, nicht. Soweit der Kläger behauptet, der Beklagte habe aufgrund seiner Teilnahme an den wöchentlichen Arbeitsberatungen "über die Situation Bescheid" gewusst, fehle es an einem für eine Beweisaufnahme geeigneten konkreten Vortrag, welche Informationen der Schuldner bei dieser Gelegenheit an die Arbeitnehmer weitergegeben habe. Die bloße Behauptung, dass dort die wirtschaftliche Situation mit den Arbeitnehmern "diskutiert" worden sei, reiche als Grundlage für die Vernehmung der angebotenen Zeugen nicht aus.

Für eine Anfechtung der Lohnzahlungen nach § 133 Abs. 1 InsO fehle es bereits an einem Vortrag zu dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und der Kenntnis des Beklagten.

Aus den Gründen des Verkehrsschutzes wird der Gläubiger der Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO erst ausgesetzt, wenn er die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im maßgeblichen Zeitpunkt (§ 140 InsO) kennt.

Kennt der Gläubiger die Zahlungseinstellung, ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO auch seine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit anzunehmen. Denn die dort formulierte Vermutung gilt auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts (BGHZ 149, 178, 184; BGH, Urt. v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03). Kenntnis bedeutet im Allgemeinen ein für sicher gehaltenes Wissen. Der Gläubiger kennt die Zahlungsunfähigkeit oder die Zahlungseinstellung als komplexe Rechtsbegriffe nur, wenn er die Liquidität oder das Zahlungsverhalten des Schuldners wenigstens laienhaft bewerten kann. Nach § 130 Abs. 2 InsO steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Was mit dieser Regelung gemeint ist, erschließt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift nur lückenhaft (vgl. BGHZ 149, 178, 185). Sicher ist nur, dass diese Formulierung, anders als noch der Regierungsentwurf (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 32), die grob fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht genügen lassen will. In dem Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages heißt es zu der beschlossenen Fassung, im Interesse der Rechtssicherheit dürfe die Anfechtbarkeit von Geschäften, bei denen der Vertragspartner des Schuldners nichts anderes als die geschuldete Leistung erhalte, nicht zu weit ausgedehnt werden; zudem sei der "unscharfe Begriff" der groben Fahrlässigkeit zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 12/7302 S. 173 zu § 145 Abs. 1, 2). Vorausgesetzt wird demgemäß, dass der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dann vermag er sich nicht mit Erfolg darauf zu berufen, dass er den an sich zwingenden Schluss von den Tatsachen auf den Rechtsbegriff selbst nicht gezogen habe (vgl. BGHZ 149, 178, 185).

Die Kenntnis einzelner Tatsachen, die für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit sprechen, kann deshalb nicht genügen, wenn sie nur die ungewisse Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit befürchten lassen. Der zwingende Schluss aus den Indiztatsachen auf die Zahlungsunfähigkeit kann vielmehr nur gezogen werden, wenn sich ein redlich Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen kann, der Schuldner sei zahlungsunfähig. Mischen sich in die Vorstellungen des Gläubigers - wenngleich möglicherweise irrtümlich - Tatsachen, die bei einer Gesamtbetrachtung den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht zwingend nahe legen, fehlt dem Gläubiger die entsprechende Kenntnis. Bewertet er hingegen das ihm vollständig bekannte Tatsachenbild, das objektiv die Annahme der Zahlungsunfähigkeit gebietet, falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen habe.

Das Berufungsgericht hat weder die dem Beklagten bekannten Lohnrückstände noch die der Zahlung vorausgegangene Presseberichterstattung für die Annahme ausreichen lassen, der Beklagte habe Tatsachen gekannt, die den Schluss, der Schuldner habe sich nur im Stadium einer Zahlungsstockung befunden, nicht mehr zugelassen hätten. Dies hält sich im Rahmen einer tatrichterlich vertretbaren Würdigung.

Der Beklagte kannte allerdings im Juli 2004 die Höhe seiner eigenen Forderungen von mehreren Monatslöhnen und wusste, dass der Schuldner zumindest gegenüber einem Großteil der übrigen Beschäftigten seit Herbst 2003 mit der Erfüllung von Lohn- und Gehaltszahlungen ebenfalls - in unterschiedlichem Umfang - in Rückstand geraten war. Nach der Rechtsprechung des Senats, auf die sich die Revision ausdrücklich bezieht, deutet gerade die Nichtzahlung von Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen, die typischerweise nur dann nicht bei Fälligkeit ausgeglichen werden, wenn die erforderlichen Geldmittel hierfür nicht vorhanden sind, auf die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens hin (BGHZ 149, 178, 187; BGH, Beschl. v. 13. Juni 2006 - IX ZB 238/05; Urt. v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, aaO S. 2224).

Diese Rechtsprechung betrifft allerdings institutionelle Gläubiger oder Gläubiger mit "Insiderkenntnissen". Demgegenüber wird der Überblick eines Arbeitnehmers, insbesondere wenn er weder in der Finanzbuchhaltung des Unternehmens eingesetzt ist noch Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrzunehmen hat, in aller Regel begrenzt sein und nur Schlussfolgerungen allgemeiner Art wie diejenige auf Zahlungsschwierigkeiten, Zahlungsstockungen oder eine Tendenz zum Vermögensverfall zulassen. Die Vorschrift des § 130 Abs. 2 InsO verlangt hingegen Kenntnisse von den konkreten Umständen, die ein eindeutiges Urteil über die Liquiditätsgesamtlage des Unternehmens ermöglichen. Andernfalls erfasste die Vorschrift entgegen dem zu respektierenden Willen des Gesetzgebers auch Fahrlässigkeitstatbestände.

Danach verschaffte die vom Berufungsgericht festgestellte Kenntnis von den Lohnrückständen dem Beklagten nicht den erforderlichen Gesamtüberblick über die Liquiditäts- oder Zahlungslage des schuldnerischen Unternehmens. Insbesondere war für ihn nicht erkennbar, ob die Lohnrückstände gegenüber allen Arbeitnehmern gleich ausgeprägt waren und welchen Anteil die Lohnrückstände an den insgesamt fälligen und eingeforderten Geldschulden hatten. Dies ist aber für die Annahme zwingend auf Zahlungsunfähigkeit schließen lassender Tatsachen erforderlich, weil der Gläubiger wissen muss, dass der Schuldner von seinen als fällig eingeforderten Verbindlichkeiten einen nicht unwesentlichen Teil derzeit nicht erfüllen kann und auch keine konkreten Aussichten hat, hierfür ausreichende und verwendbare Geldmittel in den nächsten drei Wochen zu erlangen (vgl. BGHZ 163, 134, 144 f; BGH, Urt. v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, aaO S. 2223).
Dass der Beklagte von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen wusste, hat das Amtsgericht nicht feststellen können; Gegenteiliges lässt sich auch dem Berufungsurteil nicht entnehmen. Das Berufungsgericht erwähnt im Gegenteil den Vortrag des Beklagten, er sei im maßgebenden Zeitraum als Elektroinstallateur auf verschiedenen großen Baustellen ununterbrochen eingesetzt gewesen und deshalb von einer guten Auftragslage ausgegangen. Materiallieferungen seien wie üblich auf Rechnung erfolgt. Ferner seien sogar Neueinstellungen vorgenommen worden. Die Belieferung auf Rechnung und die Neueinstellungen hat der Kläger zwar bestritten. Davon unberührt bleibt jedoch, dass der Beklagte - etwa vom Hörensagen - überzeugt gewesen sein kann, dass es sich so verhielt, wie von ihm angegeben. Dass auf den Baustellen immer ausreichend Material vorhanden gewesen sei, hat der Kläger nicht in Abrede gestellt.

Entgegen der Auffassung der Revision kommt es auf den unter Beweis gestellten Verlauf der wöchentlichen Arbeitsberatungen im zeitlichen Zusammenhang mit der angefochtenen Lohnzahlung nicht an. Der Kläger hat hierzu in den Tatsacheninstanzen behauptet, aus den Arbeitsberatungen habe der Beklagte nicht nur von den beträchtlichen Zahlungsrückständen gegenüber der gesamten Belegschaft erfahren, sondern auch Kenntnis von den Außenständen des Schuldners von über 1 Mio. € erhalten. Dies kann als wahr unterstellt werden. Eine zweifelsfreie Bewertung dahin, dass der Schuldner sich bereits im Zustand der Zahlungsunfähigkeit bewege, ließ diese Angabe aus Sicht des Beklagten nicht zu. Etwas anderes gälte etwa dann, wenn der Schuldner auf einer Betriebsversammlung den anwesenden Beschäftigten den sicheren Eindruck vermittelt hätte, er sei nicht zahlungsfähig. Einen derartigen Verlauf einer Betriebsversammlung oder Arbeitsberatung in Anwesenheit des Beklagten hat das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht. Dies wird von der Revision in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht gerügt. Ein solcher Verlauf wäre auch sehr ungewöhnlich. Erfahrungsgemäß wird die Unternehmensleitung, sofern sie die Belegschaft nicht auf einen unmittelbar bevorstehenden eigenen Insolvenzantrag vorbereiten will, bestrebt sein, trotz der unübersehbaren Schwierigkeiten im Unternehmen eine positive Grundstimmung zu vermitteln.

Rechtsfehlerfrei ist auch die weitere Begründung des Berufungsgerichts, aus der Presseberichterstattung über die Abwicklung des Bauvorhabens "Krankenhausstiftung" ergäben sich keine Umstände, nach denen die Schlussfolgerung auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zwingend sei. Allerdings können, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, redaktionelle Presseberichte, die keine amtlichen Verlautbarungen enthalten, durchaus Umstände sein, die den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit begründen (BGH, Urt. v. 19. Juli 2001 - IX ZR 36/99). Dies gilt insbesondere, wenn nach ihrem Inhalt - beispielsweise einem Bericht über gesperrte Kreditlinien oder vorübergehende Maßnahmen zur Sicherung der Kredite der Banken - der notwendige kurzfristige Sanierungserfolg des Unternehmens in Frage steht. Nach der Rechtsprechung des Senats können derartige Berichte für einen Großgläubiger wie das Finanzamt oder die Sozialkasse eine Beobachtungs- und Erkundigungspflicht auslösen (vgl. BGH, Urt. v. 19. Juli 2001 - IX ZR 36/99, aaO S. 1643).
Derartige Pflichten treffen den Beklagten als Arbeitnehmer hingegen nicht. Zum einen gehört er nicht zum Kreis der institutionellen Gläubiger, die schon im fiskalischen Allgemeininteresse oder im Interesse der Versichertengemeinschaft die weitere Entwicklung eines krisenbehafteten Unternehmens zu verfolgen haben. Zum anderen hat der Senat die Erkundigungspflicht in der genannten Entscheidung im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO bejaht. Nach jener Vorschrift reichte es aus, dass die Zahlungsunfähigkeit dem Gläubiger den Umständen nach bekannt sein musste. Dies deutete auf grobe Fahrlässigkeit hin. Gegenüber diesem Maßstab enthält § 130 Abs. 2 InsO erhöhte Anforderungen, die - jedenfalls für einen außenstehenden Kleingläubiger - jede Erkundigungspflicht nach Tatsachen ausschließen.

Die Presseberichte selbst hat das Berufungsgericht rechtlich unangreifbar gewürdigt. Insbesondere der die Berichtsfolge abschließende Artikel vom 11. Juni 2004, nach dem die Arbeitnehmer des Schuldners "aufatmen" könnten, weil die von dem Auftraggeber in Rechnung gestellten zusätzlichen Kosten von 1,1 Mio. € wegen der durch einen Dritten verursachten Bauverzögerung mit Hochdruck geprüft würden und aus Kulanz vorab eine Liquiditätsbeihilfe gewährt werde, ließ Raum für die Annahme des Beklagten, der nachträgliche Ausgleich seiner Forderungen sei möglich geworden, weil die positive Prognose des Presseartikels eingetreten sei.

Frei von Rechtsfehlern hat das Berufungsgericht die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO verneint. Insoweit fehlt es jedenfalls an der hierfür erforderlichen Kenntnis des Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird diese Kenntnis vermutet, wenn der Anfechtungsgegner bei Vornahme der Handlung wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Der Beklagte ist jedoch bei Erhalt der Lohnzahlung unwiderlegt davon ausgegangen, die Krankenhausstiftung sei ihren Zahlungspflichten nachgekommen, so dass sich die finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners erledigt hätten. Die Vermutungsregelung greift unter diesen Voraussetzungen nicht ein. Der Beklagte hatte von einem - unterstellten - Benachteiligungsvorsatz des Schuldners keine Kenntnis.


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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 62/08 Verkündet am:
19. Februar 2009
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Weiß ein Arbeitnehmer, dem der Arbeitgeber in der Krise noch Zahlungen
auf rückständige Lohnforderungen erbringt, dass der Arbeitgeber außerdem
noch anderen Arbeitnehmern Lohn schuldig ist, rechtfertigt allein diese
Kenntnis nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung
des Arbeitgebers.

b) Ist der Gläubiger ein Arbeitnehmer des Schuldners ohne Einblick in die Liquiditäts
- oder Zahlungslage des Unternehmens, trifft ihn in der ihm bekannten
Krise insoweit keine Erkundigungspflicht.
BGH, Urteil vom 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - LG Mühlhausen
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Februar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die
Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Fischer und Grupp

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 27. März 2008 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Gläubigerantrag vom 2. August 2004 am 14. Oktober 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des W. S. (fortan: Schuldner). Dieser betrieb unter der Firma E. ein Unternehmen mit ca. 40 Arbeitnehmern. Der Beklagte war bei ihm bis Mitte August 2004 als Elektroinstallateur beschäftigt. Ab Herbst 2003 geriet der Schuldner mit den Lohn- und Gehaltszahlungen zunehmend in Rückstand. Spätestens ab Mai 2004 war er zahlungsunfähig. Der Beklagte erhielt den restlichen Lohn für den Monat Februar 2004 sowie anteiligen Lohn für den Monat März 2004, insgesamt 1.500 €, am 14. Mai 2004, den restlichen Lohn für März 2004 sowie Lohn für April 2004, insgesamt 2.350,03 €, am 27. Juli 2004.
2
Der Rechtsvorgänger des Klägers im Amt des Insolvenzverwalters hat beide Zahlungen vor dem Arbeitsgericht als kongruente Deckung angefochten. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Amtsgericht verwiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, bei der Anfechtungsbefugnis handele es sich um ein mit dem Amt des Insolvenzverwalters verbundenes eigenständiges Recht. Dessen Ausübung erfolge nicht in Rechtsnachfolge des Arbeitgebers , dem ein solches Recht nie zugestanden habe, sondern ausschließlich in der Funktion des Verwalters der Gläubigerinteressen. Daraus ergebe sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Das Amtsgericht hat die Anfechtung der Zahlung aus Mai 2004 als unbegründet angesehen, der Klage hinsichtlich der Zahlung vom 27. Juli 2004 hingegen stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seine Klage ergänzend auf die Vorsatzanfechtung gestützt. Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:


3
Die zulässige Revision ist unbegründet.

I.


4
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist der Senat an den von den Vorinstanzen angenommenen Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 17a Abs. 5 GVG gebunden (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juli 2004 - III ZB 2/04, NJW-RR 2005, 142, 143; Hk-ZPO/Rathmann, 2. Aufl. § 17a GVG Rn. 17; Zöl- ler/Lückemann, ZPO 27. Aufl. § 17a GVG Rn. 18). Er hat deshalb nicht nachzuprüfen , ob die Vorinstanzen ihre Zuständigkeit mit Recht angenommen haben.

II.


5
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der vom Kläger erhobene insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch (§ 143 InsO), soweit er auf die Zahlung des Schuldners vom 27. Juli 2004 gestützt wird. Hierzu meint das Berufungsgericht : Der Anfechtungstatbestand der kongruenten Deckung (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 InsO) liege nicht vor. Er erfordere neben den hier gegebenen objektiven Voraussetzungen, dass dem Anfechtungsgegner bei Erhalt der Leistung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt gewesen sei. Unmittelbare positive Kenntnis habe der Beklagte unstreitig nicht gehabt. An einer positiven Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen ließen (§ 130 Abs. 2 InsO), fehle es ebenfalls.
6
Hierfür genüge allerdings die Kenntnis von Tatsachen, an welche die Berufs - und Geschäftskreise des Anfechtungsgegners mit ihrer Verkehrserfahrung die Erwartung knüpften, der Schuldner werde seine fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht erbringen können. Wichtiges Indiz für die Zahlungsunfähigkeit sei die Zahlungseinstellung. Sie mache die Zahlungsunfähigkeit nach außen erkennbar. Diese sei dem Anfechtungsgegner bekannt, wenn er wisse, dass ein Schuldner von seinen als fällig eingeforderten Geldschulden einen nicht unwesentlichen Teil nicht erfüllen könne und auch keine konkrete Aussicht bestehe, hierfür ausreichende Geldmittel in den nächsten drei Wochen zu erlangen.
7
Dem Beklagten seien indes bei Gesamtschau aller Umstände Ende Juli 2004 keine ausreichenden Tatsachen bekannt gewesen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen ließen. Die dem Beklagten bekannten Lohnrückstände - auch diejenigen gegenüber den übrigen Beschäftigten - seien allein kein hinreichendes Indiz, wenn dem Arbeitnehmer die Grundlage für die Beurteilung fehle, ob die Ansprüche einen wesentlichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten ausmachten. Träten bei Lohnzahlungen Verzögerungen ein, könnten Arbeitnehmer zunächst von vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten oder Zahlungsstockungen ausgehen. Dies komme auch dem Beklagten zugute. Weitere Umstände, die ein anderes Bild ergäben, seien im Streitfall nicht hinzugetreten. Von den übrigen Verbindlichkeiten des Schuldners , wie sie aus der von dem Kläger im Anfechtungsprozess eingereichten Forderungsaufstellung ersichtlich seien, habe der Beklagte keine Kenntnis gehabt.
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Die von dem Kläger in den Prozess eingeführten Presseveröffentlichungen von Juni 2004 erwähnten die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht ausdrücklich. In dem Artikel vom 3. Juni 2004 werde nur wegen ausstehender Zahlungen eines wichtigen Auftraggebers, der Krankenhausstiftung "St. J. ", pauschal von einer Gefährdung von Arbeitsplätzen unter anderem in dem Unternehmen des Schuldners gesprochen. In der Presseveröffentlichung vom 10. Juni 2004 werde sodann von einer "Teillösung" durch Zahlung einer Liquiditätshilfe sowie angekündigter beschleunigter Prüfung der Schlussrechnung durch die Krankenhausstiftung berichtet. In dem Artikel vom 11. Juni 2004 sei dann davon die Rede gewesen, dass die Mitarbeiter des Schuldners vorerst "aufatmen" könnten, weil es eine Zwischenlösung gebe. Bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung habe es keine weiteren Pressemitteilungen mehr gegeben, so dass die Presseberichterstattung insgesamt nicht den Schluss rechtfertige, die angekündigte Zwischenlösung habe sich zerschlagen.
9
Eine Erkundigungspflicht treffe den Beklagten, der als Elektroinstallateur keinen Einblick in die Geschäftsunterlagen des Schuldners gehabt habe, nicht. Soweit der Kläger behauptet, der Beklagte habe aufgrund seiner Teilnahme an den wöchentlichen Arbeitsberatungen "über die Situation Bescheid" gewusst, fehle es an einem für eine Beweisaufnahme geeigneten konkreten Vortrag, welche Informationen der Schuldner bei dieser Gelegenheit an die Arbeitnehmer weitergegeben habe. Die bloße Behauptung, dass dort die wirtschaftliche Situation mit den Arbeitnehmern "diskutiert" worden sei, reiche als Grundlage für die Vernehmung der angebotenen Zeugen nicht aus.
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Für eine Anfechtung der Lohnzahlungen nach § 133 Abs. 1 InsO fehle es bereits an einem Vortrag zu dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und der Kenntnis des Beklagten.
11
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
12
a) Aus den Gründen des Verkehrsschutzes wird der Gläubiger der Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO erst ausgesetzt, wenn er die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im maßgeblichen Zeitpunkt (§ 140 InsO) kennt. Dies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.
13
aa) Kennt der Gläubiger die Zahlungseinstellung, ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO auch seine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit anzunehmen. Denn die dort formulierte Vermutung gilt auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts (BGHZ 149, 178, 184; BGH, Urt. v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2223; MünchKomm-ZPO/Kirchhof, 2. Aufl. § 130 Rn. 31). Kenntnis bedeutet im Allgemeinen ein für sicher gehaltenes Wissen. Der Gläubiger kennt die Zahlungsunfähigkeit oder die Zahlungseinstellung als komplexe Rechtsbegriffe nur, wenn er die Liquidität oder das Zahlungsverhalten des Schuldners wenigstens laienhaft bewerten kann. Nach § 130 Abs. 2 InsO steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Was mit dieser Regelung gemeint ist, erschließt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift nur lückenhaft (vgl. BGHZ 149, 178, 185). Sicher ist nur, dass diese Formulierung, anders als noch der Regierungsentwurf (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 32), die grob fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht genügen lassen will. In dem Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages heißt es zu der beschlossenen Fassung , im Interesse der Rechtssicherheit dürfe die Anfechtbarkeit von Geschäften , bei denen der Vertragspartner des Schuldners nichts anderes als die geschuldete Leistung erhalte, nicht zu weit ausgedehnt werden; zudem sei der "unscharfe Begriff" der groben Fahrlässigkeit zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 12/7302 S. 173 zu § 145 Abs. 1, 2). Vorausgesetzt wird demgemäß, dass der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dann vermag er sich nicht mit Erfolg darauf zu berufen, dass er den an sich zwingenden Schluss von den Tatsachen auf den Rechtsbegriff selbst nicht gezogen habe (vgl. BGHZ 149, 178, 185; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl. § 130 Rn. 25; Jaeger /Henckel, InsO § 130 Rn. 121; FK-InsO/Dauernheim, 5. Aufl. § 130 Rn. 34).
14
Die Kenntnis einzelner Tatsachen, die für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit sprechen, kann deshalb nicht genügen, wenn sie nur die ungewisse Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit befürchten lassen (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 130 Rn. 33). Der zwingende Schluss aus den Indiztatsachen auf die Zahlungsunfähigkeit kann vielmehr nur gezogen werden, wenn sich ein redlich Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen kann, der Schuldner sei zahlungsunfähig (Jaeger/ Henckel, aaO § 130 Rn. 121; HK-InsO/Kreft, aaO § 130 Rn. 29; vgl. auch BGHZ 133, 246, 250, zu § 990 BGB). Mischen sich in die Vorstellungen des Gläubigers - wenngleich möglicherweise irrtümlich - Tatsachen, die bei einer Gesamtbetrachtung den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht zwingend nahe legen, fehlt dem Gläubiger die entsprechende Kenntnis. Bewertet er hingegen das ihm vollständig bekannte Tatsachenbild, das objektiv die Annahme der Zahlungsunfähigkeit gebietet, falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen habe (BGHZ 149, 178, 185; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 130 Rn. 34).
15
bb) Das Berufungsgericht hat weder die dem Beklagten bekannten Lohnrückstände noch die der Zahlung vorausgegangene Presseberichterstattung für die Annahme ausreichen lassen, der Beklagte habe Tatsachen gekannt, die den Schluss, der Schuldner habe sich nur im Stadium einer Zahlungsstockung befunden, nicht mehr zugelassen hätten. Dies hält sich im Rahmen einer tatrichterlich vertretbaren Würdigung.
16
(1) Der Beklagte kannte allerdings im Juli 2004 die Höhe seiner eigenen Forderungen von mehreren Monatslöhnen und wusste, dass der Schuldner zumindest gegenüber einem Großteil der übrigen Beschäftigten seit Herbst 2003 mit der Erfüllung von Lohn- und Gehaltszahlungen ebenfalls - in unterschiedlichem Umfang - in Rückstand geraten war. Nach der Rechtsprechung des Senats , auf die sich die Revision ausdrücklich bezieht, deutet gerade die Nichtzahlung von Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen, die typischerweise nur dann nicht bei Fälligkeit ausgeglichen werden, wenn die erforderlichen Geldmittel hierfür nicht vorhanden sind, auf die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens hin (BGHZ 149, 178, 187; BGH, Beschl. v. 13. Juni 2006 - IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457, 1458; Urt. v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, aaO S. 2224).
17
Diese Rechtsprechung betrifft allerdings institutionelle Gläubiger oder Gläubiger mit "Insiderkenntnissen". Demgegenüber wird der Überblick eines Arbeitnehmers, insbesondere wenn er weder in der Finanzbuchhaltung des Unternehmens eingesetzt ist noch Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrzunehmen hat, in aller Regel begrenzt sein und nur Schlussfolgerungen allgemeiner Art wie diejenige auf Zahlungsschwierigkeiten, Zahlungsstockungen oder eine Tendenz zum Vermögensverfall zulassen (vgl. MünchKommInsO /Kirchhof, aaO § 130 Rn. 35; Bork ZIP 2007, 2337, 2338; a.A. Zwanziger BB 2007, 42, 45). Die Vorschrift des § 130 Abs. 2 InsO verlangt hingegen Kenntnisse von den konkreten Umständen, die ein eindeutiges Urteil über die Liquiditätsgesamtlage des Unternehmens ermöglichen. Andernfalls erfasste die Vorschrift entgegen dem zu respektierenden Willen des Gesetzgebers auch Fahrlässigkeitstatbestände.
18
Danach verschaffte die vom Berufungsgericht festgestellte Kenntnis von den Lohnrückständen dem Beklagten nicht den erforderlichen Gesamtüberblick über die Liquiditäts- oder Zahlungslage des schuldnerischen Unternehmens. Insbesondere war für ihn nicht erkennbar, ob die Lohnrückstände gegenüber allen Arbeitnehmern gleich ausgeprägt waren und welchen Anteil die Lohnrück- stände an den insgesamt fälligen und eingeforderten Geldschulden hatten. Dies ist aber für die Annahme zwingend auf Zahlungsunfähigkeit schließen lassender Tatsachen erforderlich, weil der Gläubiger wissen muss, dass der Schuldner von seinen als fällig eingeforderten Verbindlichkeiten einen nicht unwesentlichen Teil derzeit nicht erfüllen kann und auch keine konkreten Aussichten hat, hierfür ausreichende und verwendbare Geldmittel in den nächsten drei Wochen zu erlangen (vgl. BGHZ 163, 134, 144 f; BGH, Urt. v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, aaO S. 2223).
19
Dass der Beklagte von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen wusste, hat das Amtsgericht nicht feststellen können; Gegenteiliges lässt sich auch dem Berufungsurteil nicht entnehmen. Das Berufungsgericht erwähnt im Gegenteil den Vortrag des Beklagten, er sei im maßgebenden Zeitraum als Elektroinstallateur auf verschiedenen großen Baustellen ununterbrochen eingesetzt gewesen und deshalb von einer guten Auftragslage ausgegangen. Materiallieferungen seien wie üblich auf Rechnung erfolgt. Ferner seien sogar Neueinstellungen vorgenommen worden. Die Belieferung auf Rechnung und die Neueinstellungen hat der Kläger zwar bestritten. Davon unberührt bleibt jedoch, dass der Beklagte - etwa vom Hörensagen - überzeugt gewesen sein kann, dass es sich so verhielt, wie von ihm angegeben. Dass auf den Baustellen immer ausreichend Material vorhanden gewesen sei, hat der Kläger nicht in Abrede gestellt.
20
(2) Entgegen der Auffassung der Revision kommt es auf den unter Beweis gestellten Verlauf der wöchentlichen Arbeitsberatungen im zeitlichen Zusammenhang mit der angefochtenen Lohnzahlung nicht an. Der Kläger hat hierzu in den Tatsacheninstanzen behauptet, aus den Arbeitsberatungen habe der Beklagte nicht nur von den beträchtlichen Zahlungsrückständen gegenüber der gesamten Belegschaft erfahren, sondern auch Kenntnis von den Außenständen des Schuldners von über 1 Mio. € erhalten. Dies kann als wahr unterstellt werden. Eine zweifelsfreie Bewertung dahin, dass der Schuldner sich bereits im Zustand der Zahlungsunfähigkeit bewege, ließ diese Angabe aus Sicht des Beklagten nicht zu. Etwas anderes gälte etwa dann, wenn der Schuldner auf einer Betriebsversammlung den anwesenden Beschäftigten den sicheren Eindruck vermittelt hätte, er sei nicht zahlungsfähig. Einen derartigen Verlauf einer Betriebsversammlung oder Arbeitsberatung in Anwesenheit des Beklagten hat das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht. Dies wird von der Revision in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht gerügt. Ein solcher Verlauf wäre auch sehr ungewöhnlich. Erfahrungsgemäß wird die Unternehmensleitung, sofern sie die Belegschaft nicht auf einen unmittelbar bevorstehenden eigenen Insolvenzantrag vorbereiten will, bestrebt sein, trotz der unübersehbaren Schwierigkeiten im Unternehmen eine positive Grundstimmung zu vermitteln.
21
(3) Rechtsfehlerfrei ist auch die weitere Begründung des Berufungsgerichts , aus der Presseberichterstattung über die Abwicklung des Bauvorhabens "Krankenhausstiftung" ergäben sich keine Umstände, nach denen die Schlussfolgerung auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zwingend sei. Allerdings können, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, redaktionelle Presseberichte , die keine amtlichen Verlautbarungen enthalten, durchaus Umstände sein, die den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit begründen (BGH, Urt. v. 19. Juli 2001 - IX ZR 36/99, ZIP 2001, 1641, 1642). Dies gilt insbesondere, wenn nach ihrem Inhalt - beispielsweise einem Bericht über gesperrte Kreditlinien oder vorübergehende Maßnahmen zur Sicherung der Kredite der Banken - der notwendige kurzfristige Sanierungserfolg des Unternehmens in Frage steht. Nach der Rechtsprechung des Senats können derartige Berichte für einen Großgläubiger wie das Finanzamt oder die Sozialkasse eine Beobachtungs- und Erkun- digungspflicht auslösen (vgl. BGH, Urt. v. 19. Juli 2001 - IX ZR 36/99, aaO S. 1643).
22
Derartige Pflichten treffen den Beklagten als Arbeitnehmer hingegen nicht. Zum einen gehört er nicht zum Kreis der institutionellen Gläubiger, die schon im fiskalischen Allgemeininteresse oder im Interesse der Versichertengemeinschaft die weitere Entwicklung eines krisenbehafteten Unternehmens zu verfolgen haben. Zum anderen hat der Senat die Erkundigungspflicht in der genannten Entscheidung im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO bejaht. Nach jener Vorschrift reichte es aus, dass die Zahlungsunfähigkeit dem Gläubiger den Umständen nach bekannt sein musste. Dies deutete auf grobe Fahrlässigkeit hin (vgl. Jaeger/Henckel, aaO § 130 Rn. 121; K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 10 GesO Anm. 2d). Gegenüber diesem Maßstab enthält § 130 Abs. 2 InsO erhöhte Anforderungen, die - jedenfalls für einen außenstehenden Kleingläubiger - jede Erkundigungspflicht nach Tatsachen ausschließen (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 130 Rn. 34).
23
Die Presseberichte selbst hat das Berufungsgericht rechtlich unangreifbar gewürdigt. Insbesondere der die Berichtsfolge abschließende Artikel vom 11. Juni 2004, nach dem die Arbeitnehmer des Schuldners "aufatmen" könnten, weil die von dem Auftraggeber in Rechnung gestellten zusätzlichen Kosten von 1,1 Mio. € wegen der durch einen Dritten verursachten Bauverzögerung mit Hochdruck geprüft würden und aus Kulanz vorab eine Liquiditätsbeihilfe gewährt werde, ließ Raum für die Annahme des Beklagten, der nachträgliche Ausgleich seiner Forderungen sei möglich geworden, weil die positive Prognose des Presseartikels eingetreten sei.
24
b) Frei von Rechtsfehlern hat das Berufungsgericht die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO verneint. Insoweit fehlt es jedenfalls an der hierfür erforderlichen Kenntnis des Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird diese Kenntnis vermutet, wenn der Anfechtungsgegner bei Vornahme der Handlung wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Der Beklagte ist jedoch bei Erhalt der Lohnzahlung unwiderlegt davon ausgegangen , die Krankenhausstiftung sei ihren Zahlungspflichten nachgekommen, so dass sich die finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners erledigt hätten. Die Vermutungsregelung greift unter diesen Voraussetzungen nicht ein. Der Beklagte hatte von einem - unterstellten - Benachteiligungsvorsatz des Schuldners keine Kenntnis.
Ganter Raebel Kayser
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
AG Nordhausen, Entscheidung vom 20.09.2007 - 27 C 482/07 -
LG Mühlhausen, Entscheidung vom 27.03.2008 - 1 S 181/07 -

(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.

(2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Ist der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Rechtsänderung gestellt worden, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, daß dieser Antrag an die Stelle des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung tritt.

(3) Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 238/05
vom
13. Juni 2006
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Befindet sich der Schuldner mit fälligen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen von
mehr als sechs Monaten im Rückstand, hat der Gläubiger den Insolvenzgrund der
Zahlungsunfähigkeit in der Regel glaubhaft gemacht.

b) Nach Antragstellung eingehende Teilzahlungen stellen die Zulässigkeit des Gläubigerantrags
unter dem Gesichtspunkt des Insolvenzgrundes nur in Frage, wenn
mit ihnen die geschuldeten Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger im Allgemeinen
wieder aufgenommen worden sind.
BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 - IX ZB 238/05 - LG Darmstadt
AG Darmstadt
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Cierniak
am 13. Juni 2006

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der weiteren Beteiligten werden der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 24. August 2005 und der Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 12. Oktober 2004 aufgehoben.
Die Sache wird - auch zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren - an das Amtsgericht Darmstadt zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 6.367,92 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die beteiligte Krankenkasse beantragte wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge für die Monate Februar 2004 bis einschließlich August 2004 sowie Zwangsvollstreckungskosten, Säumniszuschlägen und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 7.440,90 € am 20. September 2004 die Eröffnung des In- solvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Zur Glaubhaftmachung legte sie einen vollstreckbaren Auszug aus dem Heberegister vor, der die Ansprüche nach Hauptforderung, Säumniszuschlägen sowie Kosten und Gebühren aufschlüsselt. Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2004 teilte sie dem Insolvenzgericht mit, der Schuldner habe eine Teilzahlung von 1.152,25 € erbracht. Der Rückstand belaufe sich jetzt noch auf 6.367,92 €.
2
Das Amtsgericht hat den Insolvenzantrag mangels Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes als unzulässig verworfen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt die Krankenkasse die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

II.


3
Das statthafte (§ 6 Abs. 1, §§ 7, 34 Abs. 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässige (§ 574 Nr. 2 ZPO) Rechtsmittel führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht. Nach den bislang getroffenen Feststellungen bestehen gegen die Zulässigkeit des Gläubigerantrags gemäß § 14 Abs. 1 InsO keine Bedenken. Das Insolvenzgericht hätte somit zur Hauptprüfung (vgl. HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 14 Rn. 40) übergehen müssen.
4
1. Die Vorinstanzen haben das rechtliche Interesse der Krankenkasse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ebenso als glaubhaft angesehen wie die geltend gemachte Forderung. Sie meinen jedoch, der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) sei nicht wahrscheinlich, weil die Krankenkasse weder eine Fruchtlosigkeitsbescheinigung des mit Vollstreckungsmaßnahmen beauftragten Gerichtsvollziehers noch das Protokoll einer eidesstattlichen Versicherung des Schuldners vorgelegt habe. Die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen über mehrere Monate hinweg sei lediglich ein Indiz im Rahmen einer von dem Insolvenzgericht vorzunehmenden Gesamtschau über die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit. Auch in Ansehung der Strafdrohung des § 266a StGB lasse sich kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts aufstellen , dass ein Schuldner aus liquiden Mitteln Sozialversicherungsbeiträge im Zweifel vorrangig bediene. Die von der Krankenkasse vertretene Privilegierung öffentlich-rechtlicher Gläubiger finde in § 14 InsO keine Stütze. Die Teilzahlung des Schuldners belege im Gegenteil, dass die Nichtzahlung mehrerer Sozialversicherungsbeiträge allein die Zahlungsunfähigkeit nicht indiziere. Ursache könne auch eine bloße Zahlungsstockung sein. Die von der Krankenkasse angeführte Senatsentscheidung vom 10. Juli 2003 (IX ZR 89/02, WM 2003, 1776) sei im vorliegenden Zusammenhang unergiebig.
5
2. Diese Begründung ist nicht tragfähig; sie überspannt die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes. Ist der Schuldner, wovon die Vorinstanzen in Übereinstimmung mit der Aktenlage ausgegangen sind, mit fälligen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen von insgesamt mehr als sechs Monaten im Rückstand, hat der antragstellende Gläubiger den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit in der Regel im Sinne von § 294 ZPO glaubhaft gemacht. Ob es sich bei dem Antragsteller um eine öffentlich-rechtlich organisierte Krankenkasse oder um einen privaten Gläubiger handelt, ist hierbei unerheblich.
6
a) Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit ist im Insolvenzrecht (§§ 17, 129 ff InsO, § 64 GmbHG) einheitlich zu verstehen (vgl. BGH, Urt. v. 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04, WM 2005, 1468, 1469, z.V.b. in BGHZ 163, 134). Nach den hierzu vom Senat entwickelten Grundsätzen liegt keine Zahlungsstockung, sondern Zahlungsunfähigkeit im Rechtssinne vor, wenn die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners 10 vom Hundert überschreitet, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist (vgl. BGH, Urt. v. 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04, aaO S. 1469 ff). Die Zahlungsunfähigkeit kann, wie § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO verdeutlicht, nicht nur im Wege der Ermittlung der Unterdeckung für einen bestimmten Zeitraum, sondern auch mit Hilfe von Indiztatsachen festgestellt werden (vgl. BGH, Urt. v. 9. Januar 2003 - IX ZR 175/02, WM 2003, 400, 402). Nach der Rechtsprechung des Senats stellt bei Anwendung dieser Methode die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ein starkes Indiz dar, welches für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit spricht, weil diese Forderungen in der Regel wegen der drohenden Strafbarkeit gemäß § 266a StGB bis zuletzt bedient werden (BGHZ 149, 178, 187; BGH, Urt. v. 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02, WM 2003, 1776, 1778; ebenso: OLG Dresden ZInsO 2000, 560, 561; OLG Celle NZI 2000, 214, 216; zustimmend : Braun/Kind, InsO, 2. Aufl. § 14 Rn. 23; FK-InsO/Schmerbach, 4. Aufl. § 14 Rn. 77; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 14 Rn. 17; MünchKomm-InsO/Schmahl, § 14 Rn. 34; Pape in Kübler/Prütting, InsO § 14 Rn. 52). Die strafbewehrte Sanktion lässt das Vorliegen einer bloßen Zahlungsunwilligkeit als unwahrscheinlich erscheinen, insbesondere bei einer monatelangen Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Fehlen gegenläufige Indizien, die etwa in einem Bestreiten der nichterfüllten Forderungen des Sozialversicherungsträgers liegen können, reicht dieses starke Indiz für sich genommen aus, um den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit jedenfalls als wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Dies ist in dieser Phase des Eröffnungsverfahrens ausreichend.

7
b) Im vorliegenden Fall betrug der Beitragsrückstand der teilweise strafbewehrten Forderungen sogar sieben Monate. Von substantiierten Einwendungen des Schuldners ist nichts bekannt. Bei dieser Sachlage ist jedenfalls wahrscheinlich , wenn nicht sogar zwingend (vgl. BGHZ 149, 178, 188), dass der Schuldner zahlungsunfähig ist. Für eine vom Landgericht geforderte "Gesamtschau" , zu der es sich ohne Beibringung weiterer Mittel der Glaubhaftmachung wie z.B. Fruchtlosigkeitsbescheinigungen des Gerichtsvollziehers oder Offenbarungsversicherungen des Schuldners außer Stande gesehen hat, ist kein Raum.
8
Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang verwertete Teilzahlung des Schuldners, die offenbar nach Antragstellung erfolgt ist, stellt kein gegenläufiges Indiz dar, das geeignet ist, die Wahrscheinlichkeit eines Insolvenzgrundes zu entkräften. Eine einmal nach außen in Erscheinung getretene Zahlungsunfähigkeit wirkt grundsätzlich fort. Diese Wirkung kann nur dadurch wieder beseitigt werden, dass die geschuldeten Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger im Allgemeinen wieder aufgenommen werden (vgl. BGHZ 149, 100, 109; 149, 178, 188). Davon kann im Streitfall keine Rede sein.

III.


9
Eine eigene abschließende Entscheidung über den Eröffnungsantrag der Krankenkasse ist dem Senat nicht möglich; daher ist die Sache zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
10
Die Zurückverweisung erfolgt an das Insolvenzgericht, weil schon dieses der Begründetheit des Insolvenzantrags hätte nachgehen müssen (vgl. BGHZ 160, 176, 185).
Fischer Ganter Raebel
Kayser Cierniak
Vorinstanzen:
AG Darmstadt, Entscheidung vom 12.10.2004 - 9 IN 965/04 -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 24.08.2005 - 23 T 262/04 -

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.