Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 30. Juli 2015 - W 3 K 15.144

bei uns veröffentlicht am30.07.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

I.

Der schwerbehinderte Kläger begehrt die Übernahme der Anschaffungskosten für Zusatzausstattungen seines Kraftfahrzeugs und die Verpflichtung des Beklagten zur Beseitigung von diesem Begehren entgegenstehenden Entscheidungen des Beklagten.

Am 16. Juni 2008 stellte der Kläger beim Zentrum B. Familie und Soziales (ZBFS) Region Unterfranken einen Antrag auf Gewährung von Hilfen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs und dessen behinderungsbedingter Zusatzausstattung. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war der Kläger als Betriebsprüfer im Rahmen der mobilen Telearbeit beim Finanzamt ... beschäftigt. Ausweislich der Bestätigung des Leiters des Finanzamts ... vom 13. Juni 2008 war der Kläger zur Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit auf die Benutzung seines privateigenen Fahrzeugs angewiesen; ein Dienstfahrzeug könne nicht zur Verfügung gestellt werden.

Im Rahmen des Antragsverfahrens wurde unter anderem eine arbeitsmedizinische Stellungnahme des betriebsärztlichen Dienstes Nordbayern für den Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 17. März 2008 vorgelegt. Darin heißt es, am „Arbeitsplatz-Auto“ sei aus medizinischer Sicht eine besondere Ausstattung (Sitz, Lenkrad, Tempomat, Einparkhilfe, Beleuchtung und Spiegel) erforderlich, um dem Kläger seine Tätigkeit als Betriebsprüfer mit häufiger Reisetätigkeit weiterhin zu ermöglichen und zu erleichtern. In einer weiteren Bescheinigung des betriebsärztlichen Dienstes vom 26. Juni 2008 wurde mitgeteilt, dass der Kläger zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit auf ein Fahrzeug angewiesen sei. Aufgrund seiner Behinderung sei er nicht in der Lage, die benötigten Akten im Außendienst, die in der Regel mehr als 40 kg wögen, mit öffentlichen Mitteln zu befördern. Ausweislich der Bescheinigung seines Hausarztes vom 27. Juni 2008 sei der Kläger aufgrund von Blasenentleerungsstörungen (rezidivierende Harnverhalte, Paruresis, Reizblase, chronische Cystitis und Pollakisurie) und damit verbundenen Panikattacken insbesondere bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder in der Nähe von Menschenansammlungen (Massenveranstaltungen) nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2008 erteilte der Beklagte dem Kläger eine Genehmigung zum vorzeitigen Beginn der Maßnahme „Zuschuss zur behindertengerechten Kfz-/Arbeitsplatzausstattung gem. §§ 7 u. 9 KfzHV i. V. m. § 25 SchwbAV“.

Aufgrund eines am 12. Juni 2008 vor dem Sozialgericht Würzburg geschlossenen Vergleichs wurde dem Kläger mit Bescheid des ZBFS Region Unterfranken - Versorgungsamt - vom 24. Juni 2008 ein Grad der Behinderung (GdB) ab 30. Dezember 2004 von 50 bescheinigt. In dem Bescheid wird außerdem festgestellt, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen B, G, aG, Bl, H, RF, 1.Kl., GI nach Art und Ausmaß der Behinderung nicht vorliegen. Folgende Gesundheitsstörungen wurden festgestellt:

1. Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes, der linken Hand nach Verletzung linker Unterarm mit Sehnen-, Muskel- und Nervenverletzung, Funktionsbehinderung der rechten Hand nach Mittelhandknochenfraktur,

2. Rosacea,

3. Neurasthenie, Somatisierungsstörungen, Spannungskopfschmerzen,

4. Harnblasenentleerungsstörung

5. Funktionsbehinderung und Fehlhaltung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und Nervenwurzelreizerscheinungen,

6. Belastungsinsuffizienz der Kniegelenke,

7. Rezidivierende Bronchitis.

Mit Bescheid vom 15. Juli 2008 wurden dem Kläger 2.660,00 Euro zur Anschaffung eines BMW 318d Touring aus Mitteln der Ausgleichsabgabe nach § 102 Abs. 3 Nr. 1b SGB IX i. V. m. § 20 SchwbAV bewilligt.

In der fachtechnischen Stellungnahme vom 22. Juli 2008 zum Antrag des Klägers wurden die folgenden vom Kläger begehrten Zusatzausstattungen als behinderungsbedingt befürwortet:

1. Lordosenstütze wegen der Funktionseinschränkung der Wirbelsäule,

2. Sitzheizung wegen der Blasenentleerungsstörung,

3. Lenkrad wegen des eingeschränkten Faustschlusses,

4. Klimaautomatik wegen der Einschränkung der Hände.

Folgende Zusatzausstattungen wurden in der vorgenannten Stellungnahme als nicht nachvollziehbar und daher nicht zu berücksichtigen eingestuft:

5. Leichtmetallräder,

6. Lenkradfernbedienung,

7. Klimakomfort-Frontscheibe,

8. Sportsitze,

9. Teilelektrische Sitzverstellung,

10. Verschiebbare Armauflage,

11. Tempomat,

12. Handyvorbereitung,

13. Radio Professional.

Über folgende Ausstattungen war ausweislich der fachtechnischen Stellungnahme keine zweifelsfreie Aussage möglich:

14. Xenon-Scheinwerfer,

15. Scheinwerferreinigungsanlage,

16. Kurvenlicht,

17. Lichtpaket,

18. Automatisch abblendende Spiegel mit Bordsteinfunktion,

19. Nebelscheinwerfer,

20. Regen- und Fahrlichtsensor,

21. Akustische Einparkhilfe.

Zur Verwendung von Xenonscheinwerfern wurde ausgeführt, diese sei bei ungünstigen Wetterlagen wie Schneefall oder Nebel wegen höherer Rückstreuung eindeutig benachteiligt gegenüber herkömmlichen Scheinwerfern. Wegen der weiteren Begründung der fachtechnischen Stellungnahme wird auf diese Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 23. Juli 2008 wurde dem Kläger ein Zuschuss in Höhe von bis zu 1.830,00 Euro zur Deckung der Kosten für eine Lordosenstütze, eine Sitzheizung, ein M-Lederlenkrad mit dickem Spezialgriff und dickerem Aeroleder und eine Klima-Automatik mit Pollenfilter bewilligt. Eine Entscheidung über die Förderung der Zusatzausstattungen Xenon-Licht, adaptives Kurvenlicht, Nebelscheinwerfer, Lichtpaket, Innen- und Außenspiegel automatisch abblendend, Park Distance Control, Regen- und Fahrlichtsensor wurde einem gesonderten Bescheid vorbehalten. Eine Kostenübernahme für folgende Zusatzausstattungen wurde abgelehnt: Leichtmetallräder, Lenkradfernbedienung, Klimakomfort-Frontscheibe, Sportsitze, teilelektrische Sitzverstellung, Armauflage verschiebbar, Tempomat, Handyvorbereitung, Radio Professional.

In einer versorgungsamtsärztlichen Stellungnahme zum Antrag des Klägers vom 19. Juni 2008 auf Neufeststellung nach § 69 SGB IX nach Aktenlage vom 22. Juli 2008 heißt es, bei einem korrigierten Visus von 0,9 bzw. 0,8 ergebe die Visusminderung für sich allein keinen GdB. Lediglich die augenärztlich bescheinigte Nachtblindheit und hochgradige Blendempfindlichkeit könne mit einem GdB von 10 in den Bescheid aufgenommen werden, ohne dass sich am Gesamt-GdB etwas ändere. Die übliche Lichtausstattung neuer Fahrzeuge sei so gut, dass eine verbesserte Beleuchtung (z. B. mit Xenon-Licht) aus ärztlicher Sicht nicht erforderlich sei. Automatisch abblendende Spiegel seien sicher eine sinnvolle Ausstattung bei gegebener hochgradiger Blendempfindlichkeit. Eine Einparkhilfe sei aus ärztlicher Sicht nicht erforderlich. Der Kläger sei nicht so stark in seiner Mobilität eingeschränkt, dass er nicht den Kopf oder den Oberkörper bewegen könne, um entsprechend einzuparken.

Daraufhin wurde mit Bescheid des ZBFS Region Unterfranken - Versorgungsamt - vom 28. Juli 2008 als weitere Gesundheitsstörungen eine Einschränkung der Dunkeladaption und eine ausgeprägte Blendempfindlichkeit (Einzel-GdB von 10) festgestellt. Eine Erhöhung des Gesamt-GdB wurde abgelehnt und festgestellt, dass der korrigierte Visus für sich allein keinen GdB ergebe. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Merkzeichen lägen weiterhin nicht vor.

Nach telefonischer Auskunft der Augenärztin des Klägers vom 12. August 2008 an das ZBFS wird Xenon-Licht durchaus kritisch und teilweise kontrovers beurteilt, gerade auch im Hinblick auf Blendempfindlichkeit. Untersuchungen, die einen Vorteil des Xenon-Lichts belegen würden, seien ihr nicht bekannt.

Mit ergänzender versorgungsamtsärztlicher Stellungnahme vom 13. August 2008 wurde nochmals bestätigt, dass die Zusatzausstattungen, deren Kosten bislang nicht übernommen worden seien, der Komfortsteigerung dienen mögen, aber aus medizinischer Sicht nicht notwendig seien. Auf die Begründung der Stellungnahme wird Bezug genommen.

In der Bescheinigung des Hausarztes des Klägers vom 27. August 2008 wird ausgeführt, es bestünden insbesondere auch Defizite bei Dreh- und Greifbewegungen, die durch technische Hilfen im Fahrzeug, z. B. Tempomat, Abstandswarner (Park Distance Control), griffverstärktes Lenkrad mit Fernbedienung/Handbremse/Schalthebel, Außenspiegel mit Bordsteinfunktion, verstellbare Armauflage, beheizbare und elektrisch einstellbare Sitze mit Lordosenstütze und verstärktem Seitenhalt bzw. Oberschenkelstütze, wirksam kompensiert werden könnten. Die elektrische Verstellbarkeit der Sitze ermögliche die aus ärztlicher Sicht gewünschte regelmäßige Veränderung der Sitzlage bei Bedarf gerade bei längerer Fahrt. Aufgrund des beiderseitig eingeschränkten Faustschlusses und der weiteren Erkrankungen der oberen Extremitäten sei es dem Kläger nicht mehr möglich, die Sitzhöheneinstellung durch manuelles Hochziehen oder Abstützen am Lenkrad vorzunehmen. Die beim Kläger festgestellte Migräne, die Rosacea und das CRPS in den Händen reagierten insbesondere auch symptomverstärkend auf Sonneneinstrahlung und extreme Temperaturen.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2008 erläuterte der Kläger im Hinblick auf die Zusatzausstattung des Kraftfahrzeugs mit Leichtmetallrädern, die Serienbereifung Sommer werde stets in der Runflat-Technologie (Notlauftechnologie) ausgeliefert. Die Winterbereifung werde aber in der Regel aus Kostengründen und aufgrund der kleinen Auswahl an Reifen überwiegend in normaler Ausführung ohne Notlaufeigenschaft dazugekauft. Ein Radwechsel und auch bereits die Entfernung von Radkappen bei Stahlfelgen sei aufgrund der Behinderungen des Klägers mit üblichem Werkzeug ein Problem für diesen. Es werde daher beabsichtigt, Winterreifen mit Alufelgen ohne Radkappen in Runflat-Technologie zu kaufen, und um Prüfung gebeten, ob die Mehrkosten für die Winterräder in Runflat-Technologie und/oder behinderungsgerechtes Werkzeug für den Radwechsel gefördert werden können. Zur Lenkradfernbedienung und Handy-Vorbereitung wurde ausgeführt, diese seien berufsbezogen notwendig, weil der Kläger im Außendienst ohne Handy nicht erreichbar sei. Der Dienstherr beteilige sich an einer Flatrate für Festnetz und Handy. Ein Handy werde derzeit nur für Datenverbindungen (BP-Handy) vom Dienstherrn gestellt. Die Klima-Komfortscheibe verhindere wiederum eine extensive Sonneneinstrahlung. Die Sportsitze mit teilelektrischer Sitzverstellung seien erforderlich, weil sie die Wirbelsäule durch entsprechenden Seitenhalt unterstützten und entlasteten. Ein orthopädischer Sitz mit elektrischen Funktionen und Sitz-Airbag zum nachträglichen Einbau wäre sicherlich wesentlich kostenintensiver gewesen und durch die erforderliche Anpassung an das Bussystem des Fahrzeugs kaum besser integrierbar gewesen. Die teilelektrische Verstellung ermögliche eine gefahrlose Veränderung der kompletten Sitzgeometrie auch während der Fahrt und entlaste durch den Lagewechsel die Wirbelsäule. Eine Sitzhöhenverstellung ohne elektrischen Stellmotor sei nur mit intaktem Faustschluss und Belastbarkeit der Arme, der Wirbelsäule und der Schulter möglich, weil man sich am Lenkrad hochziehen müsse. Die Sitzneigung könne serienmäßig nur manuell mit viel grober Kraft verstellt werden. Zum Schutz der besonders belasteten höheren Sitzflanken müssten zudem maßgefertigte Schonbezüge angeschafft werden; Serien-Schonbezüge gebe es hierfür nicht. Die CRPS im rechten Arm und die Wirbelsäulenerkrankungen benötigten zur Linderung der Schmerzen immer wieder Lagewechsel und Entlastung. Die verschiebbare Armauflage in Verbindung mit den elektrischen Sportsitzen ermögliche die genaue Anpassung für eine entlastende Sitzhaltung, weil diese die Abstützung näher am Lenkrad ermögliche. Der Tempomat entlaste die Wirbelsäule und die Kniegelenke, da die verkrampfte Haltung durch das unveränderte Betätigen des Gaspedals bei längerer Fahrt zumindest zeitweise aufgegeben werden könne. Es werde um entsprechende Erhöhung des bereits bewilligten Zuschusses gebeten.

Mit Schreiben vom 4. August 2008 bat der Kläger um formlose Überprüfung des Bescheids vom 28. Juli 2008. Ein förmlicher Widerspruch solle hiermit nur insoweit erhoben sein, als er erforderlich sei. Mit weiterem Schreiben vom 4. August 2008 bat der Kläger um Berücksichtigung auch der Überführungs- und Zulassungskosten. Ferner wurde unter anderem ausgeführt, dass Xenon-Licht je nach Fahrzeugalter eine doppelt bis dreifach bessere Ausleuchtung als das übliche H7-Licht ermögliche. Das Xenon-Licht werde zudem in Verbindung mit anderen Funktionen (adaptives Kurvenlicht, Nebelscheinwerfer, automatische Leuchtweitenregulierung) erworben, die zum Teil nur als Kombination orderbar seien.

Mit Ergänzungsbescheid vom 29. August 2008 wurde dem Kläger ein Zuschuss in Höhe von bis zu 340,00 Euro zur Deckung der Kosten für automatisch abblendende Innen- und Außenspiegel bewilligt. Eine Kostenübernahme wurde abgelehnt für die Zusatzausstattungen Xenon-Licht, adaptives Kurvenlicht, Nebelscheinwerfer, Lichtpaket, Park Distance Control, Regen- und Fahrlichtsensor. Zur Begründung der Ablehnung wurde ausgeführt, eine etwaige Komfortsteigerung reiche nicht aus, um die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bezuschussung zu erfüllen. Die abgelehnte Zusatzausstattung sei nicht notwendig, um trotz der anerkannten Behinderungen das Auto sicher zur Arbeitsstelle bewegen zu können.

Mit auf 28. August 2008 datiertem Schreiben, eingegangen beim ZBFS am 3. September 2008, erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. August 2008 „und alle Vorbescheide“. Es wurde gebeten, bereits die Schreiben vom 28. Juli 2008 und vom 4. August 2008 als Widersprüche zu behandeln. Vorsorglich werde auch die Wiedersetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Bescheide seien ohne Darstellung der Berechnungen und ohne nachvollziehbare, vollständige Begründungen/ärztliche Gutachten ergangen. Auch seien die auf die behinderungsbedingten Zusatzausstattungen entfallenden Aufwendungen für Überführung und Zulassung des Fahrzeugs nicht berücksichtigt worden. Die Aufpreise für bereits bewilligte Zusatzausstattungen (Lenkrad, Multifunktions-Lenkrad, Seitenspiegel und Innenspiegel abblendend) seien nicht vollständig berücksichtigt worden, da nur die Aufpreise zu den Paketen, nicht jedoch der im Paket enthaltene Aufpreis berücksichtigt worden seien. Zusätzlich zu den bisher bewilligten Zusatzausstattungen seien auch folgende zu fördern: Tempomat, Abstandswarner (Park Distance Control), Außenspiegel mit Bordsteinfunktion, verstellbare Armauflage, beheizbare und elektrisch einstellbare Sitze mit Lordosenstütze und verstärktem Seitenhalt bzw. Oberschenkelstütze, Klima-Frontscheibe. Zum Antrag auf Förderung einer Freisprecheinrichtung mit SOS-Notruffunktion im Fahrzeug sei bisher keine eindeutige Stellungnahme abgegeben worden. Die Beleuchtungseinrichtung sei behinderungsbedingt erforderlich.

Mit per Fax am 22. Juni 2009 beim ZBFS - Integrationsamt - eingegangenem Schreiben nahm der Kläger den Widerspruch gegen den Bescheid des ZBFS Region Unterfranken vom 15. Juli 2008 über die Grundförderung in Höhe von 2.660,00 Euro zurück. Der Rechtsbehelf gegen die Bescheide und Mitteilungen über die Förderung der behinderungsbedingten Zusatzausstattung werde weiterhin aufrechterhalten. Es werde gebeten, die Aufwendungen für die bereits anerkannten behinderungsbedingten Zusatzausstattungen in vollständiger Höhe zu fördern. Ferner werde gebeten, die Mehraufwendungen für orthopädische Sitze mit Lordosenstütze einschließlich teilelektrischer Verstellung und Sitzheizung zu fördern.

Mit Widerspruchsbescheid des ZBFS - Integrationsamt - vom 19. Oktober 2009, zugestellt am 21. Oktober 2009, wurden die Widersprüche gegen die Bescheide vom 15. Juli 2008, vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 zurückgewiesen. Zugleich wurde eine Förderung der Kosten für die Beschaffung folgender Ausstattungspositionen bzw. folgender Maßnahmen abgelehnt: Außenspiegel mit Bordsteinfunktion, Winterbereifung mit Runflat-Technik auf Spezialfelgen, elektrischer Wagenheber mit Elektroschlagschrauber, Schonbezüge, Fahrzeugüberführung, Kfz-Schilder, amtliche Kraftfahrzeugzulassung, Unkosten der Fahrt nach München zwecks Selbstabholung des BMW.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2010, beim ZBFS Region Unterfranken am 29. Januar 2010 eingegangen, ließ der Kläger beantragen, den Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 nach § 44 SGB X aufzuheben. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Ermessen sei fehlerhaft ausgeübt worden, insbesondere werde auf das fehlende rechtliche Gehör und unzutreffende Feststellungen verwiesen. Die Förderung der Aufwendungen für den orthopädischen Autositz und die anteilige Förderung der Pakete sei nicht geprüft worden. Auch die anteiligen Paketpreise seien förderfähig. Es liege auch keine Überförderung im Hinblick auf den Einbau sowohl eines behindertengerechten Fahrersitzes als auch eines behindertengerechten Beifahrersitzes vor, weil der Autohersteller die Autositze nur paarweise anbiete. Die Nachrüstung eines behindertengerechten „Recaro-Sitzes“, der sich in Form und Funktion nicht von dem gewählten Seriensportsitz unterscheide, wäre erheblich teurer gewesen. Mangels rechtzeitiger Hinweise habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt Gelegenheit gehabt, andere Dispositionen zu ergreifen. Der Kläger zweifle an, dass das Integrationsamt seine Erkrankung und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen einschätzen könne. Zudem stelle sich die Frage, ob die versorgungsärztlichen Feststellungen derzeit vollständig seien. Darüber hinaus wurde auf die jüngste Diagnose der Universitätsklinik Erlangen (Psoriasis-Arthritis) verwiesen. Jedenfalls ließen die vom Versorgungsamt festgestellten Behinderungen im Bereich der Wirbelsäule bereits für sich die Förderung eines behindertengerechten Fahrzeugsitzes sinnvoll erscheinen. Es sei für den Kläger auch nicht nachvollziehbar, weshalb er nicht gegenüber nicht behinderten Beamten im Außendienst begünstigt werden dürfe. Es handele sich um einen Nachteilsausgleich für Behinderte, nicht um eine Begünstigung. Darüber hinaus werde im Widerspruchsbescheid auch auf Ausstattungen eingegangen, die nicht Gegenstand des Rechtsbehelfsantrags gewesen seien.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde der Befundbericht einer neurochirurgischen Gemeinschaftspraxis vom 2. März 2010 vorgelegt, der folgende Diagnosen enthält: C6-Radikulopathie rechts bei BS-Protrusion und Foramenstenose HW 5/6 rechts, Protrusion medial HW4/5, Z. n. Sudeok-Syndrom rechts, Psoriasis.

Mit Bescheid vom 31. März 2010 wurde der Antrag des Klägers auf Aufhebung der Bescheide vom 15. Juli 2008, vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 abgelehnt.

Mit Schreiben vom 15. April 2010 ließ der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 31. März 2010 erheben. Zur Begründung wurde auf das Schreiben vom 28. Januar 2010 verwiesen. Mit gesondertem Schriftsatz wurde ergänzend ausgeführt, es sei fraglich, ob der Verfasser der fachtechnischen Stellungnahme als Nichtmediziner beurteilen könne, welche Zusatzausstattung im Pkw behinderungsbedingt erforderlich sei. Zudem sei eine Ausstattung des Pkw mit einem behinderungsgerechten Sitz auch auf der Beifahrerseite erforderlich gewesen, da der Kläger das Fahrzeug auch als Beifahrer nutze. Bei den als „Sportsitzen“ bezeichneten Sitzen handele es sich regelmäßig um orthopädische Sitze, die den Körper besonders gut stützten und mit pneumatisch-elektrisch verstellbaren und heizbaren Luftpolstern in der Rückenlehne und an den Seiten der Sitzfläche versehen seien. Die Sitzflächen seien nach vorne verlängerbar, damit die Beine optimal entlastet würden. Die Sportsitze bei BMW seien baugleich mit wesentlich teureren orthopädischen Nachrüstsitzen. Der Chefarzt der Frankenlandklinik Bad Windsheim habe dem Kläger im Jahr 2010 attestiert, dass ein orthopädischer Sitz im Pkw und am Arbeitsplatz medizinisch notwendig sei. Die Feststellung der Behörde, eine verstellbare Armauflage am Fahrersitz werde auf der rechten Seite nicht benötigt, weil nur die linke Schulter geschädigt sei, treffe nicht zu. Beide Seiten der Schulter des Klägers seien seit Jahren geschädigt. Mit Bescheid vom 6. September 2010 habe das Integrationsamt auf Antrag der Dienststelle einen orthopädischen Sitz und einen höhenverstellbaren Tisch mit verstärkter Hebevorrichtung am Heimarbeitsplatz gefördert. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb dann nicht auch die Zusatzausstattung des Fahrzeugs, mit dem der Kläger ständig Fahrten zu Dienstorten bestreite, gefördert werde.

Mit Änderungsbescheid des Versorgungsamts vom 17. Februar 2011 wurde für die beim Kläger vorliegende Behinderung ein GdB ab 31. Dezember 2010 von 60 anerkannt und festgestellt, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, aG, B, Bl, H, RF, 1.Kl., GI nach Art und Ausmaß der Behinderung nicht vorliegen. Neben den bereits mit Bescheid vom 24. Juni 2008 festgestellten Gesundheitsstörungen wurden Bandscheibenschäden, eine Funktionsbehinderung auch der rechten Schultergelenke, ein Schulter-Arm-Syndrom sowie Belastungseinschränkungen der Hüftgelenke anerkannt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2013, zugestellt am 13. März 2013, wies der Widerspruchsausschuss beim ZBFS Soziales - Integrationsamt - den Widerspruch gegen den Bescheid vom 31. März 2010 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ausführungen des Klägers nicht zuträfen; jedenfalls handele es sich nicht um neue Tatsachen, die eine Durchbrechung der Bestandskraft der angegriffenen Bescheide nach § 44 SGB X rechtfertigen und eine neue Prüfung erfordern würden. Die Ausführungen zum Gesundheitszustand des Klägers im Jahr 2010 seien nicht entscheidungserheblich, da im Rahmen der Förderentscheidung des Integrationsamtes nur im Entscheidungszeitpunkt bereits durch das Versorgungsamt festgestellte Behinderungen beachtet würden. Die Förderung eines orthopädischen Schreibtischstuhls entfalte keine Bindungswirkung für die vorliegend in Rede stehende Förderung, da beide Entscheidungen unabhängig voneinander zu treffen seien. Auch seien die Belastungen für den Körper am Schreibtisch und im Fahrzeug nicht miteinander vergleichbar. Ferner habe der fehlende Zusammenhang zu der beantragten Leistung bezüglich einzelner Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Bescheids. Im Übrigen hielten die angegriffenen Entscheidungen auch einer sachlichen Überprüfung stand. Auf die Ausführungen in den entsprechenden Bescheiden werde verwiesen.

II.

Am 15. April 2013, einem Montag, erhob der Kläger Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 11. März 2013. Er ließ beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Zentrums Bayern Familie und Soziales - Region Unterfranken - vom 31. März 2010 und des Widerspruchsbescheids des Widerspruchsausschusses beim Zentrum B. Familie und Soziales - Integrationsamt - vom 11. März 2013 zu verpflichten, unter insoweitiger Aufhebung der Bescheide vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 sowie des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2009 dem Kläger die bislang versagten Zusatzausstattungen für sein Kraftfahrzeug zu bewilligen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünden Zweifel, ob der Widerspruchsausschuss in der streitbefangenen Sache sein Ermessen pflichtgemäß und unter sachgerechter Würdigung aller Umstände ausgeübt habe. Zudem gebe es in der umfangreichen Behördenakte ärztliche Berichte, die ergäben, dass die Zusatzausstattung erforderlich sei.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Eine Klageerwiderung erfolgte nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten, die Gegenstand des Verfahrens waren, sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 30. Juli 2015 Bezug genommen. Die Akten der Verfahren W 3 K 14.289 und W 3 K 15.379 wurden beigezogen.

Gründe

Die Klage, mit der der Kläger letztlich die Übernahme der Kosten für eine besondere Zusatzausstattung seines Kraftfahrzeugs durch den Beklagten erreichen möchte, soweit diese mit Bescheiden vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 sowie mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 abgelehnt worden ist, ist zulässig.

Insbesondere ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 und Alt. 2 VwGO statthafte Klageart, wenn ein Kläger - wie hier - eine Leistungsbewilligung durch den Beklagten unter Rücknahme früherer ablehnender Bescheide nach § 44 SGB X sowie unter Aufhebung eines den Aufhebungsanspruch nach § 44 SGB X ablehnenden Bescheids begehrt. Das Gericht hat dann auf die Anfechtungsklage hin über die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs auf Rücknahme zu entscheiden; auf die damit verbundene Verpflichtungsklage hin wird die Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des früheren Verwaltungsakts und auf eine weitere Verpflichtungsklage hin die Pflicht zur Hilfegewährung ausgeurteilt. Dagegen kann in solchen Fällen nicht unmittelbar ohne Verpflichtungsantrag bezüglich der Rücknahme früherer ablehnender Bescheide auf Leistung oder Verpflichtung zur Leistungsbewilligung geklagt werden, weil sich aus § 44 SGB X nichts dafür ergibt, dass die gesetzlich vorgesehene und vom Beklagten zu treffende Rücknahmeentscheidung durch das Gericht ersetzt werden darf (vgl. BayLSG, U. v. 22.4.2015 - L 8 AS 764/13 - juris Rn. 27 zur kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach dem SGG). Nachdem der Kläger hier Hilfen aus der Ausgleichsabgabe begehrt, um deren Bewilligung nach bestandskräftiger Ablehnung mit Bescheiden vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 im Wege des Verfahrens nach § 44 SGB X gestritten wird, erreicht der Kläger sein Klageziel mit der Anfechtung des (eine Rücknahme nach § 44 SGB X ablehnenden) Bescheids vom 31. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2013 und der Verpflichtung des Beklagten, die Bescheide vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 sowie den Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzunehmen und ihm die begehrten Hilfen zu gewähren.

Die Klage ist auch fristgemäß erhoben worden. Der Widerspruchsbescheid vom 11. März 2013 wurde ausweislich des in der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses am 13. März 2013 zugestellt. Da der 13. April 2013 auf einen Sonnabend fiel, lief die Klagefrist somit gemäß § 74 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO, § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB erst am 15. April 2013 und somit erst am Tag der Klageerhebung ab.

Die Klage ist allerdings unbegründet. Der Bescheid vom 31. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2013 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Rücknahme der Bescheide vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009, noch einen Anspruch auf die Übernahme von Kosten durch den Beklagten für Zusatzausstattungen des Kraftfahrzeugs des Klägers, soweit diese mit den vorgenannten Bescheiden abgelehnt wurde.

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Aufhebung der Bescheide vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 sowie des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 ist § 44 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Satz 2). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).

Bei den Bescheiden vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 sowie dem Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 handelt es sich um nicht begünstigende, unanfechtbare Verwaltungsakte im Sinne des § 44 SGB X. Auch ist die Frist des § 44 Abs. 4 SGB X, wonach Leistungen längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht werden, noch nicht abgelaufen. Dies ergibt sich daraus, dass bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, nach § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X an die Stelle der Rücknahme der Antrag auf Rücknahme tritt, wenn die Rücknahme - wie hier - auf Antrag erfolgt bzw. erfolgen würde. Somit ist für den Beginn der Frist nach § 44 Abs. 4 Satz 1 bis 3 SGB X der Beginn des Jahres maßgeblich, in dem der Antrag gestellt wurde, hier also der Beginn des Jahres 2010 (Antragstellung am 29. Januar 2010). Damit fallen die vom Kläger ursprünglich im Jahr 2008 beantragten Leistungen in den vorgenannten Vier-Jahres-Zeitraum, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind. Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 44 SGB X wären also frühere Ablehnungsbescheide zurückzunehmen und rückwirkend Leistungen an den Kläger zu erbringen, so dass eine materielle Prüfung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erfolgen hat, um das Bestehen eines Rücknahmeanspruchs des Klägers in der Sache zu prüfen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur eine eingeschränkte Überprüfung von bestandskräftigen Verwaltungsentscheidungen erlaubt. Dies ist auf den Grundsatz zurückzuführen, dass ein Verwaltungsakt bestandskräftig und damit für die Beteiligten in der Sache (endgültig) bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Sie schafft Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt grundsätzlich ausgeschlossen ist. Für den durch einen Verwaltungsakt Beschwerten, insbesondere den Adressaten nicht begünstigender Verwaltungsakte, ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, weil er die Möglichkeit hat, sich im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe innerhalb der jeweiligen Rechtsbehelfsfristen gegen den Verwaltungsakt zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit insbesondere auch gerichtlich überprüfen zu lassen. Versäumt er dies, ist es ihm grundsätzlich zuzumuten, die getroffene, bestandskräftig gewordene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen zu müssen, sofern sie nicht nichtig ist.

Die Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sieht eine Ausnahme von diesen Grundsätzen vor, indem sie ermöglicht, unter bestimmten Voraussetzungen im Interesse der materiellen Gerechtigkeit die Bestandskraft unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener Verwaltungsakte zu durchbrechen. Es ist jedoch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte vollständig auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese beliebig oft zu erneuten Sachprüfungen und -entscheidungen (deren Ergebnis wegen der bereits getroffenen Entscheidung in der Regel absehbar sind) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand zu schützen (BayLSG, B. v. 9.3.2015 - L 15 VJ 2/15 B - juris Rn. 30).

Um dem dargestellten Sinn und Zweck des § 44 SGB X gerecht zu werden, ist daher im Rahmen der Überprüfung bestandskräftiger Verwaltungsakte am Maßstab der vorgenannten Vorschrift streng zwischen den beiden Tatbestandsalternativen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu unterscheiden:

Die erste Alternative des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X (unrichtige Rechtsanwendung) ist als eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zu verstehen, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt (BayLSG, B. v. 9.3.2015 - L 15 VJ 2/15 B - juris Rn. 31). Eine solche rein rechtliche Überprüfung beinhaltet gerade keine vollständige Überprüfung des Sachverhalts einschließlich einer neuen Ermittlung von Tatsachen und neu einzuholender Sachgutachten. Es ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist (BayLSG, B. v. 9.3.2015 - L 15 VJ 2/15 B - juris Rn. 31). Dies folgt aus der Systematik des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Diese Vorschrift differenziert zwischen einer unrichtigen Rechtsanwendung einerseits (Satz 1 Alt. 1) und einem unrichtig zugrunde gelegten Sachverhalt andererseits (Satz 1 Alt. 2). Dies zeigt, dass nicht in jedem Fall eine vollständige Überprüfung der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung unter allen in Betracht kommenden sowohl rechtlichen als auch sachlichen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Bereits im Rahmen der ersten Tatbestandsalternative eine umfassende Überprüfung und Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts durchzuführen, stünde im Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel voraussetzt. Die zweite Tatbestandsalternative, die spezielle Regelungen für die Überprüfung der einem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Sachfragen trifft, hätte keinen eigenständigen Anwendungsbereich und wäre damit praktisch überflüssig, wenn bereits im Rahmen der ersten Tatbestandsalternative eine Überprüfung auch der Sach- und nicht allein der Rechtsfragen stattfinden würde. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zugrunde lagen, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen der Behörde zutreffend getroffen wurden (BayLSG, B. v. 9.3.2015 - L 15 VJ 2/15 B - juris Rn. 32).

Nur für die zweite Alternative des § 44 Abs. Satz 1 SGB X kommt es also auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel an (BayLSG, B. v. 9.3.2015 - L 15 VJ 2/15 B - juris Rn. 33). Ergibt sich nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen (BayLSG, B. v. 9.3.2015 - L 15 VJ 2/15 B - juris Rn. 34). Nur wenn ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, ist die Behörde nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2 SGB X dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung früherer Entscheidungen erneut zu entscheiden (BayLSG, B. v. 9.3.2015 - L 15 VJ 2/15 B - juris Rn. 35).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat der Kläger keinen Anspruch auf Rücknahme der Bescheide vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009. Eine solche Rücknahme hat der Beklagte vielmehr zu Recht mit Bescheid vom 31. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2013 abgelehnt. Denn bei Erlass der Bescheide vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 ist, soweit diese Bescheide Streitgegenstand und im Rahmen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X überprüfbar sind, weder das Recht unrichtig angewandt worden (erste Tatbestandsalternative des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X), noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (zweite Tatbestandsalternative).

Soweit sich der Kläger auf neue Tatsachen beruft, insbesondere darauf, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe, mit Bescheid des Versorgungsamts vom 17. Februar 2011 weitere Behinderungen anerkannt worden seien und er inzwischen versetzt worden sei, handelt es sich nicht um Umstände, die geeignet wären, die zweite Tatbestandsalternative des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X (Zugrundelegung eines unrichtigen Sachverhalts bei Erlass der Bescheide vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009) zu erfüllen. Es handelt sich hierbei um Umstände, die erst nach Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung, des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009, eingetreten sind. Da es für die Rechtmäßigkeit der vorgenannten Verwaltungsakte und damit für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme für die streitgegenständliche Zusatzausstattung seines Kraftfahrzeugs auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung und somit den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 ankommt, waren die nunmehr vom Kläger vorgebrachten neuen Tatsachen für die früheren Entscheidungen nicht erheblich.

Dies gilt insbesondere auch für die vom Kläger nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass der Bescheide vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 führte, behaupteten weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen, die im ursprünglichen Verwaltungsverfahren in den Jahren 2008 und 2009 nicht berücksichtigt wurden (und mangels Vortrags und Vorliegens nicht berücksichtigt werden konnten). Dem Kläger ist es nicht gelungen, substantiiert darzulegen, dass er bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 an den nunmehr nachträglich vorgetragenen Gesundheitsstörungen litt. Sowohl seinen eigenen Ausführungen (insbesondere bezüglich inzwischen durchgeführter operativer Eingriffe) als auch den von ihm vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen ist lediglich zu entnehmen, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers im Jahr 2010 verschlechterte. Dementsprechend hat auch das Versorgungsamt mit Bescheid vom 17. Februar 2011 erst ab 31. Dezember 2010 weitere (als Behinderung einzustufende) Gesundheitsstörungen des Klägers anerkannt und den Gesamt-GdB von 50 auf 60 erhöht.

Selbst wenn jedoch die vom Kläger nachträglich vorgetragenen Gesundheitsbeeinträchtigungen bereits in den Jahren 2008 und 2009 bestanden haben sollten, haben sie demnach jedenfalls nicht den Grad einer Behinderung erreicht. Für die Bewilligung von Leistungen an Schwerbehinderte, die - wie hier - gerade aufgrund und zum Zwecke des Ausgleichs ihrer Behinderung erfolgen, kommt es jedoch auf Art und Ausmaß der Behinderung des betroffenen Schwerbehinderten im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt an, nicht auf das etwaige Vorliegen weiterer, nicht im Zusammenhang mit der Behinderung stehender Gesundheitsbeeinträchtigungen. Bei den Ausführungen des Klägers zu seinem Gesundheitszustand handelt es sich somit ebenso wie bei seinen tatsächlichen Ausführungen zu seiner Versetzung um Umstände, die erst nach Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung, des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009, eingetreten sind. Solche nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt eingetretenen Änderungen der Sachlage vermögen - wie bereits ausgeführt - nicht, den bei Erlass eines Verwaltungsakts zugrunde gelegten Sachverhalt als unrichtig im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 SGB X erscheinen zu lassen, zumal die vom Kläger geltend gemachten Änderungen für die Behörde zum Zeitpunkt des Erlasses ihrer vorgenannten Entscheidungen vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und vom 19. Oktober 2009 nicht einmal vorhersehbar waren.

Darüber hinaus ist bei Erlass der Entscheidungen vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und vom 19. Oktober 2009 auch das Recht nicht unrichtig im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB X angewandt worden.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der Kläger begehrte mit Antrag vom 15. Juni 2008 einen Zuschuss zur Anschaffung eines Kraftfahrzeugs sowie die Übernahme der Kosten für die von ihm als behinderungsbedingt geltend gemachte Zusatzausstattung dieses Kraftfahrzeugs. Nachdem ihm bereits mit Bescheid vom 15. Juli 2008 ein Zuschuss zur Anschaffung eines Kraftfahrzeugs bewilligt worden war und sich der Aufhebungsantrag des Klägers vom 28. Januar 2010 allein auf die Kostenübernahme für Zusatzausstattungen des Kraftfahrzeugs bezog, ist Gegenstand des Verfahrens nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X (wie auch Gegenstand des Klageverfahrens) lediglich noch die Übernahme der Kosten für die Zusatzausstattung, soweit diese mit Bescheiden vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 abgelehnt wurde. Dies betrifft die Kosten für die Zusatzausstattungen Leichtmetallräder, Lenkradfernbedienung, Klimakomfort-Frontscheibe, Sportsitze, teilelektrische Sitzverstellung, Armauflage verschiebbar, Tempomat, Handyvorbereitung, Radio Professional, Xenon-Licht, adaptives Kurvenlicht, Nebelscheinwerfer, Lichtpaket, Park Distance Control, Regen- und Fahrlichtsensor, Außenspiegel mit Bordsteinfunktion, Winterbereifung mit Runflat-Technologie auf Spezialfelgen, elektrische Wagenheber und Elektro-Schlagschrauber, Schonbezüge, die Kosten der Fahrzeugüberführung, der Nummernschilder für das Fahrzeug, der amtlichen Kraftfahrzeugzulassung und die Kosten der Selbstabholung des Fahrzeugs in München.

Als Anspruchsgrundlage für dieses Begehren des Klägers kommen § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IX i. V. m. der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung - SchwbAV - vom 28. März 1988 (BGBl I S. 484), zuletzt geändert durch Art. 7 Gesetz vom 22. Dezember 2008 (BGBl I S. 2959), und der Verordnung über Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation (Kraftfahrzeughilfe-Verordnung) - KfzHV - vom 28. September 1987 (BGBl I S. 2251), zuletzt geändert durch Art. 117 Gesetz vom 23. Dezember 2003 (BGBl I S. 2848), in Betracht.

Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB IX gehören begleitende Hilfen im Arbeitsleben für schwerbehinderte Menschen zum Aufgabenbereich des Integrationsamts. Nach Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Vorschrift kann das Integrationsamt auch Geldleistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben an schwerbehinderte Menschen erbringen, insbesondere für technische Arbeitshilfen (Buchst. a), zum Erreichen des Arbeitsplatzes (Buchst. b) und in besonderen Lebenslagen (Buchst. f). Diese Leistungen werden in der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung konkretisiert. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SchwbAV können folgende Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben an schwerbehinderte Menschen erbracht werden: (a) Leistungen für technische Arbeitshilfen (§ 19), (b) Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes (§ 20), (c) Leistungen zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen Existenz (§ 21), (d) Leistungen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung (§ 22), (f) Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten (§ 24) und (g) Leistungen in besonderen Lebenslagen (§ 25). § 17 Abs. 1a und Abs. 1b SchwbAV gewähren schwerbehinderten Menschen darüber hinaus Ansprüche auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz und auf Übernahme der Kosten einer Berufsbegleitung nach § 38a Abs. 3 SGB IX. Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 SchwbAV können andere als die in Absatz 1 bis 1b genannten Leistungen, die der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben nicht oder nur mittelbar dienen, nicht erbracht werden.

Leistungsvoraussetzung ist nach § 18 Abs. 1 Satz 1 SchwbAV, dass Leistungen für denselben Zweck nicht von einem Rehabilitationsträger, vom Arbeitgeber oder von anderer Seite zu erbringen sind oder, auch wenn auf sie ein Rechtsanspruch nicht besteht, erbracht werden. Nach Abs. 2 der Vorschrift können Leistungen an schwerbehinderte Menschen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben erbracht werden, 1. wenn die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt oder durch die Leistungen ermöglicht, erleichtert oder gesichert werden kann und 2. wenn es dem schwerbehinderten Menschen wegen des behinderungsbedingten Bedarfs nicht zuzumuten ist, die erforderlichen Mittel selbst aufzubringen. In den übrigen Fällen sind seine Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen.

Die Voraussetzungen für spezifische Leistungsarten sind im Anschluss an die soeben dargestellten allgemeinen Voraussetzungen in den §§ 19 ff. SchwbAV niedergelegt, wobei als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren auf Kostenübernahme der Zusatzausstattung § 19, § 20 i. V. m. der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung und § 25 SchwbAV (jeweils i. V. m. § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IX) in Betracht kommen.

Nach § 19 Satz 1 SchwbAV können für die Beschaffung technischer Arbeitshilfen, ihre Wartung, Instandsetzung und die Ausbildung des schwerbehinderten Menschen im Gebrauch die Kosten bis zur vollen Höhe übernommen werden.

Nach § 20 SchwbAV können schwerbehinderte Menschen Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung vom 28. September 1987 erhalten. Die Kraftfahrzeughilfe umfasst Leistungen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs, für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung und zur Erlangung einer Fahrerlaubnis (§ 2 KfzHV). Zur Vermeidung besonderer Härten können auch andere Leistungen erbracht werden (§ 9 KfzHV). An persönlichen Voraussetzungen muss der behinderte Mensch infolge der Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sein, um seinen Arbeitsort zu erreichen und er muss ein Kraftfahrzeug führen können oder es muss gewährleistet sein, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt (§ 3 KfzHV). Gemäß § 6 KfzHV erfolgt die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs in der Regel als einkommensabhängiger Zuschuss, der nach Maßgabe des § 5 KfzHV betragsmäßig begrenzt ist. Für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung erforderlich ist, ihren Einbau, ihre technische Überprüfung und die Wiederherstellung ihrer technischen Funktionsfähigkeit werden die Kosten in vollem Umfang übernommen (§ 7 KfzHV). Andere Leistungen als die in der Kraftfahrzeughilfeverordnung vorgesehenen kommen wegen der ausschließlichen Bezugnahme in § 20 SchwbAV nicht in Betracht (Spiolek in GK-SGB IX, § 102 Rn. 67; VGH BW, 23.9.1981, BehindR 1983, 64). Schließlich dient die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs weder dazu, dem Schwerbehinderten allgemein zu größerer Mobilität zu verhelfen, noch dazu, generell seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Sie ist ausschließlich beschränkt auf die Hilfe zum Erreichen des Arbeitsplatzes (VG Augsburg, U. v. 25.10.2011 - Au 3 K 11.480 - juris Rn. 22).

Andere Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben als die in den §§ 19 bis 24 geregelten Leistungen können nach § 25 an schwerbehinderte Menschen erbracht werden, wenn und soweit sie unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern.

Gemessen an diesen rechtlichen Gegebenheiten ergibt eine Überprüfung der Bescheide vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 sowie des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 nach Maßgabe des § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB X nicht, dass die Übernahme der Kosten für die streitgegenständlichen Zusatzausstattungen zu Unrecht abgelehnt worden wäre.

Gemeinsam ist allen vorgenannten Anspruchsgrundlagen, dass sie einen Zusammenhang zwischen der begehrten Hilfe - hier der begehrten, aber nicht geförderten Zusatzausstattung - und der Schwerbehinderung dergestalt voraussetzen, dass die Zusatzausstattung behinderungsbedingt erforderlich sein muss, also die Zusatzausstattung die Teilhabe des Klägers am Arbeitsleben, soweit diese durch seine Schwerbehinderung eingeschränkt wird, ermöglicht, erleichtert oder sichert. Die Bescheide vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 sowie der Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 stützen sich jedoch nach ihrer hier allein gebotenen gerichtlichen Überprüfung in den Schranken des § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB X rechtsfehlerfrei gerade darauf, dass die begehrte Zusatzausstattung, soweit ihre Kosten nicht übernommen wurden, nicht behinderungsbedingt erforderlich ist.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Frage, ob eine Zusatzausstattung behinderungsbedingt erforderlich ist oder nicht, im Rahmen des Verfahrens nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB X nur eingeschränkt überprüfbar ist, da es sich um eine Sach-, keine Rechtsfrage handelt. Im Rahmen einer Überprüfung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB X sind jedoch - wie bereits ausgeführt - die tatsächlichen Feststellungen, wie sie den bestandskräftigen Bescheiden zugrunde lagen, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und es ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu überprüfen, ob diese Tatsachen rechtlich zutreffend beurteilt und in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bewertet worden sind, sprich, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen der Behörde zutreffend getroffen wurden. Dies ist hier der Fall.

Der Beklagte ist - auf Grundlage des seinerzeit ermittelten und den Bescheiden vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und dem Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 zugrunde gelegten Sachverhalts - in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass die vom Kläger begehrten Zusatzausstattungen, soweit die Übernahme ihrer Kosten mit den vorgenannten Bescheiden abgelehnt wurde, nicht behinderungsbedingt erforderlich war.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

Dass und inwieweit die Kosten der Fahrzeugüberführung und -zulassung (einschließlich der Kfz-Nummernschilder, der amtlichen Kraftfahrzeugzulassung und der Selbstabholung des Kraftfahrzeugs in M.) und die Ausstattung des Kraftfahrzeugs mit einer Handyvorbereitung einschließlich hiermit zwingend verbundenem Radio Professional und der Lenkradfernbedienung auf die Behinderung des Klägers zurückzuführen sind, ist vom Kläger nicht substantiiert dargelegt worden und auch sonst nicht ersichtlich. Zur Begründung der Notwendigkeit einer Handyvorbereitung einschließlich Radio Professional und Lenkradfernbedienung (insbesondere für Handy und Radio) wurde klägerseits im Wesentlichen ausgeführt, dass diese berufsbezogen notwendig seien, weil der Kläger im Außendienst ohne Handy nicht erreichbar sei. Dass der Kläger das Handy aufgrund seiner Behinderung (und nicht allein aus verkehrstechnischen, verkehrsrechtlichen oder Komfortgründen) nur mittels der vorgenannten begehrten Zusatzausstattung nutzen könne und es erforderlich sei, das Handy auch während des Fahrvorgangs selbst nutzen zu können, wurde dagegen nicht substantiiert dargelegt. Schon deshalb wurde die Übernahme dieser Kosten durch den Beklagten rechtsfehlerfrei als nicht behinderungsbedingt erforderlich abgelehnt. Es kann daher dahinstehen, inwieweit bezogen auf die im Zusammenhang mit der Fahrzeugüberführung und -zulassung angefallenen Kosten eine Kostenübernahme auch deshalb ausscheidet, weil diese frühestens mit Schreiben vom 23. Juli 2008, beim ZBFS eingegangen am 28. Juli 2008, und damit nach Beschaffung der vorgenannten Maßnahmen (Leistungsdatum für die Fahrzeuglieferung laut Rechnung des Autohändlers am 21. Juli 2008, Leistung der Zulassungsgebühr laut Quittung des Landratsamts ... am 18. Juli 2008 und Erwerb der Nummernschilder laut Quittung des Verkäufers am 16. Juli 2008) beantragt wurde, obwohl Anträge auf Leistungen wie die streitgegenständlichen grundsätzlich vor der Beschaffung der begehrten Leistung zu stellen sind und kein atypischer Fall vorliegt, der eine Abweichung von diesem Grundsatz erlauben würde.

Auch soweit die Übernahme von Kosten für besondere Beleuchtungsausstattungen (Lichtpaket, Xenon-Licht, adaptives Kurvenlicht, Nebelscheinwerfer, Regen- und Fahrlichtsensor) abgelehnt wurde, ist der Beklagte auf Grundlage des seinerzeit festgestellten Sachverhalts rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass diese nicht behinderungsbedingt erforderlich sind. Zwar leidet der Kläger ausweislich der ärztlichen Stellungnahme vom 22. Juli 2008 und des Bescheids des Versorgungsamts vom 28. Juli 2008 an einer Einschränkung der Dunkeladaption (Nachtblindheit) und einer ausgeprägten Blendempfindlichkeit, die als Behinderungen anerkannt sind (Bescheid des Versorgungsamts vom 28. Juli 2008). Auch hat der Kläger mit Schreiben vom 4. August 2008 ausgeführt, dass Xenon-Licht je nach Fahrzeugalter eine doppelt bis dreifach bessere Ausleuchtung als das übliche H7-Licht ermögliche. Zudem werde das Xenon-Licht in Verbindung mit anderen Funktionen (adaptives Kurvenlicht, Nebelscheinwerfer, automatische Leuchtweitenregulierung) erworben, die zum Teil nur als Kombination orderbar seien. Dies vermag jedoch die ärztliche Stellungnahme des Versorgungsamts nach Aktenlage vom 22. Juli 2008 (im Folgenden: ärztliche Stellungnahme vom 22. Juli 2008) und die telefonische Auskunft der Augenärztin des Klägers vom 12. August 2008 sowie die ergänzende versorgungsamtsärztliche Stellungnahme vom 13. August 2008 nicht zu erschüttern, wonach die übliche Lichtausstattung neuer Fahrzeuge so gut sei, dass eine verbesserte Beleuchtung aus ärztlicher Sicht nicht erforderlich sei und Xenon-Licht durchaus kritisch und teilweise kontrovers beurteilt werde, und zwar gerade auch im Hinblick auf Blendempfindlichkeit. Untersuchungen, die einen Vorteil des Xenon-Licht belegen würden, seien nicht bekannt. Auch in der fachtechnischen Stellungnahme vom 22. Juli 2008 heißt es, die Verwendung von Xenon-Licht sei bei ungünstigen Wetterlagen wie Schneefall oder Nebel wegen höherer Rückstreuung eindeutig benachteiligt gegenüber herkömmlichen Scheinwerfern. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegen getreten. Auch sonst drängen sich keine Zweifel an der Richtigkeit dieser fachlichen Einschätzungen auf. Auf Grundlage dieser fachlichen Stellungnahmen ist der Beklagte daher rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass die abgelehnten besonderen Beleuchtungsausstattungen nicht behinderungsbedingt erforderlich im vorstehend dargestellten Sinne waren und es zur Beurteilung dieser Frage auch keiner Einholung weiterer Gutachten bedurfte.

Entsprechendes gilt für andere Zusatzausstattungen, für die eine Kostenübernahme mit Bescheiden vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und vom 19. Oktober 2009 abgelehnt wurde. Zwar heißt es in der arbeitsmedizinischen Stellungnahme des betriebsärztlichen Dienstes Nordbayern zur Beschaffung besonderer Arbeitsmittel vom 17. März 2008, am „Arbeitsplatz-Auto“ sei aus medizinischer Sicht eine besondere Ausstattung (Sitz, Lenkrad, Tempomat, Einparkhilfe, Beleuchtung und Spiegel) erforderlich, um dem Kläger die Tätigkeit als Betriebsprüfer mit häufiger Reisetätigkeit weiterhin zu ermöglichen und zu erleichtern. Auch legte der Kläger seinerzeit im Verwaltungsverfahren eine Bescheinigung seines Hausarztes vom 27. August 2008 vor, in der ausgeführt wird, dass beim Kläger insbesondere auch Defizite bei Dreh- und Greifbewegungen bestünden, die durch technische Hilfen im Fahrzeug, z. B. Tempomat, Abstandswarner (Park Distance Control), griffverstärktes Lenkrad mit Fernbedienung/Handbremse/Schalthebel, Außenspiegel mit Bordsteinfunktion, verstellbare Armauflage, beheizbare und elektrisch einstellbare Sitze mit Lordosenstütze und verstärktem Seitenhalt bzw. Oberschenkelstütze, wirksam kompensiert werden könnten. Außerdem ermögliche die elektrische Verstellbarkeit der Sitze die aus ärztlicher Sicht gewünschte regelmäßige Veränderung der Sitzposition bei Bedarf gerade bei längerer Fahrt. Aufgrund des beiderseitig eingeschränkten Faustschlusses und der weiteren Erkrankungen der oberen Extremitäten sei es dem Kläger nicht mehr möglich, die Sitzhöheneinstellung durch manuelles Hochziehen oder Abstützen am Lenkrad vorzunehmen. Die beim Kläger festgestellte Migräne, die Rosacea und das CRPS in den Händen reagierten insbesondere auch symptomverstärkend auf Sonneneinstrahlung und extreme Temperaturen. Demgegenüber heißt es jedoch in der ärztlichen Stellungnahme vom 22. Juli 2008, dass eine Einparkhilfe aus ärztlicher Sicht nicht erforderlich sei; der Kläger sei nicht so stark in seiner Mobilität eingeschränkt, dass er nicht den Kopf oder den Oberkörper bewegen könne, um entsprechend einzuparken. In der fachtechnischen Stellungnahme vom 22. Juli 2008 heißt es, die Ausstattung mit unter anderem Leichtmetallrädern, Lenkradfernbedienung, Klimakomfort-Frontscheibe, Sportsitzen, teilelektrischer Sitzverstellung, verschiebbarer Armauflage und Tempomat aus behinderungsbedingten Gründen sei nicht nachvollziehbar. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass Leichtmetallräder nicht oder nur unwesentlich leichter seien als Stahlräder, so dass bei einer Reifenpanne keine Erleichterung beim Räderwechsel bestehe. Ein zusätzlicher Nutzen der Klimakomfort-Frontscheibe zur vorhandenen Klimaanlage sei aus technischer Sicht vernachlässigbar. Sportsitze mit optimiertem Seitenhalt bei sportlicher Fahrweise seien nicht behinderungsbedingt erforderlich, sondern lediglich die Lordosenstütze (wegen der Funktionseinschränkung der Wirbelsäule). Die Begründung für die Notwendigkeit einer teilelektrischen Sitzverstellung erscheine nicht plausibel, da wesentliche Teile der Verstellbarkeit manuell verblieben. Eine nichtverschiebbare Armauflage rechts zwischen den Sitzen sei serienmäßig vorhanden, außerdem bestünden Funktionseinschränkungen an der linken Schulter Da die gesundheitlichen Voraussetzungen für ein Merkzeichen G oder aG nicht vorlägen, sei die Ausstattung mit einem Tempomat wegen der Belastungseinschränkungen am Knie als nicht behinderungsbedingt anzusehen. In der ergänzenden versorgungsamtsärztlichen Stellungnahme vom 13. August 2008 heißt es, die Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule sei nicht so ausgeprägt, dass man damit eine Einparkhilfe begründen könne. Ebenso wenig könnten die zeitweise auftretenden Spannungskopfschmerzen als Begründung für eine Einparkhilfe herangezogen werden. Auch das räumliche Sehen des Klägers sei nur leicht beeinträchtigt, so dass die Einparkhilfe auch unter diesem Gesichtspunkt nicht behinderungsbedingt erforderlich sei. Nach Rücksprache mit der Augenärztin sei erst bei einem - beim Kläger nicht vorliegenden - Visus von 0,2 von einer funktionellen Beeinträchtigung auszugehen. Auch für die multiplen weiteren Zusatzausstattungen, die vom Kläger beantragt worden seien, bestehe keine medizinische Notwendigkeit. Es handele sich um technische Möglichkeiten, die lediglich den Komfort in einem Auto erhöhen würden.

Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte unter Berücksichtigung all dieser Stellungnahmen der Einschätzung der ärztlichen Stellungnahme vom 22. Juli 2008 und der fachtechnischen Stellungnahme vom selben Tag folgte und die vorgenannten Zusatzausstattungen als nicht behinderungsbedingt erforderlich ansah. Auch bedurfte es hierzu keiner Einholung weiterer Stellungnahmen oder Gutachten, weil sich der Sachverhalt und die notwendigen fachlichen Einschätzungen bereits in ausreichendem Maße aus den vorgenannten Beurteilungen ergaben. Insbesondere lässt sich der arbeitsmedizinischen Stellungnahme des betriebsärztlichen Dienstes Nordbayern vom 17. März 2008 weder eine substantiierte, nachvollziehbare Begründung für die als erforderlich bezeichnete besondere Ausstattung (Sitz, Lenkrad, Tempomat, Einparkhilfe, Beleuchtung und Spiegel) entnehmen, noch wird dargelegt, was mit besonderer Ausstattung von Sitz, Lenkrad, Beleuchtung und Spiegel gemeint ist. In der Bescheinigung des Hausarztes des Klägers vom 27. August 2008 werden zwar einzelne Zusatzausstattungen, für die eine Kostenübernahme abgelehnt wurde, als geeignete Maßnahmen zur Kompensation behinderungsbedingter Einschränkungen des Klägers oder zumindest aus ärztlicher Sicht wünschenswert dargestellt (Tempomat, Abstandswarner (Park Distance Control), Lenkrad mit Fernbedienung, Außenspiegel mit Bordsteinfunktion, verstellbare Armauflage, elektrisch einstellbare Sitze mit (allerdings geförderter) Lordosenstütze und verstärktem Seitenhalt bzw. Oberschenkelstütze). Jedoch vermag diese Stellungnahme die nachvollziehbaren und in sich widerspruchsfreien ärztlichen und fachtechnischen Beurteilungen vom 22. Juli 2008 nicht zu erschüttern oder gar zu widerlegen, weil sie sich mit den darin aufgestellten Aussagen inhaltlich nicht hinreichend substantiiert auseinandersetzt. So geht aus der ärztlichen Bescheinigung vom 27. August 2008 zum Beispiel nicht eindeutig hervor, ob Sitze aufgrund der Behinderungen des Klägers kumulativ über Lordosenstütze, verstärkten Seitenhalt und Oberschenkelstütze verfügen sollten oder eine (ausreichende) Kompensation behinderungsbedingter Einschränkungen des Klägers bereits durch eine oder einen Teil dieser Ausstattungen erreicht wird, wofür die Verwendung des Begriffs „bzw.“ sprechen würde. Dies stünde auch im Einklang mit der fachtechnischen Stellungnahme vom 22. Juli 2008, wonach bei Einbau einer Lordosenstütze keine weitere besondere Ausstattung zur Kompensation von Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule des Klägers erforderlich sei. Auch verhält sich nur die fachtechnische Stellungnahme zur Frage der behinderungsbedingten Erforderlichkeit zum Beispiel der Leichtmetallräder. Dies gilt auch für die teilelektrische Sitzverstellung, da sich die Bescheinigung vom 27. August 2008 auf eine elektrische und damit nicht bloß teilelektrische Verstellbarkeit von Sitzen bezieht. Jedenfalls erscheint die Bescheinigung vom 27. August 2008 im Hinblick auf die insofern fehlende Differenziertheit insoweit nicht hinreichend substantiiert und bestimmt genug, um Zweifel an der fachtechnischen Einschätzung aufkommen zu lassen, wonach jedenfalls die vom Kläger begehrte nur teilweise elektrische Sitzverstellung behinderungsbedingte Einschränkungen des Klägers aus fachtechnischer Sicht weder vollständig noch zumindest teilweise (im Sinne einer nicht nur völlig unerheblichen Erleichterung) zu kompensieren vermag, weil wesentliche Teile der Verstellbarkeit manuell verblieben. Darüber hinaus erscheint die Begründung der Bescheinigung vom 27. August 2008 mangels näherer diesbezüglicher Erläuterungen insofern nicht nachvollziehbar, als ausgeführt wird, Defizite bei Dreh- und Greifbewegungen könnten (unter anderem) durch eine verstellbare (statt einer serienmäßig vorhandenen nicht verstellbaren) Armauflage und einen Tempomat kompensiert werden. Somit ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte der Einschätzung der ärztlichen Stellungnahme vom 22. Juli 2008 und der fachtechnischen Stellungnahme vom selben Tag sowie der ergänzenden ärztlichen Stellungnahme vom 13. August 2008 folgte und die Übernahme der Kosten für die Ausstattung mit Park Distance Control, Leichtmetallrädern, Klimakomfort-Frontscheibe, Sportsitzen, teilelektrischer Sitzverstellung, Armauflage verschiebbar, Tempomat und Außenspiegeln mit Bordsteinfunktion ablehnte.

Aus diesen Gründen wurde auf Grundlage der den Bescheiden vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und vom 19. Oktober 2009 zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen schließlich auch die Übernahme der Kosten für eine Winterbereifung mit Runflat-Technologie auf Spezialfelgen, elektrische Wagenheber und Elektroschlagschrauber sowie Schonbezüge (für die wie bereits dargestellt rechtsfehlerfrei nicht geförderten Sportsitze) in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt, ohne dass es weitergehender Sachverhaltsermittlungen, etwa der Einholung weiterer medizinischer oder fachtechnischer Gutachten, bedurft hätte. Darüber hinaus schied eine Übernahme der Kosten jedenfalls für die Schonbezüge auch deshalb aus, weil diese frühestens mit Schreiben vom 23. Juli 2008, beim ZBFS eingegangen am 28. Juli 2008, und damit ausweislich des vorgenannten Schreibens vom 23. Juli 2008, wonach (nicht vorgelegte) Rechnungen hierüber bereits erfolgt seien, nach ihrer Beschaffung beantragt wurden, obwohl Anträge auf solche Leistungen - wie bereits ausgeführt - grundsätzlich vor ihrer Beschaffung zu stellen sind und kein atypischer Fall vorliegt, der eine Abweichung von diesem Grundsatz erlauben würde.

Nach alledem ist der Beklagte auf Grundlage der seinerzeitigen - an dieser Stelle nicht durch das Gericht zu überprüfenden - tatsächlichen Feststellungen rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass der erforderliche Zusammenhang zwischen der streitgegenständlichen Zusatzausstattung und der Behinderung des Klägers fehlte. Daher hat er die Kostenübernahme für diese Zusatzausstattung - soweit dies im Rahmen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X durch das Gericht zu überprüfen war - zu Recht abgelehnt, unabhängig davon, ob als Anspruchsgrundlage § 102 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX i. V. m. § 19 oder i. V. m. § 20 oder i. V. m. § 25 SchwbAV heranzuziehen war. Welche dieser Vorschriften als Anspruchsgrundlage für eine Kostenübernahme heranzuziehen gewesen wäre, kann daher dahinstehen. Auf die vom Kläger in seinem Antrag nach § 44 Abs. 1 SGB X aufgeworfene Frage, ob der Beklagte sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat, kommt es deshalb ebenfalls nicht an. Eine Ermessensausübung fand nicht statt und hatte auch nicht stattzufinden, da der Anspruch des Klägers bereits auf der Tatbestandsseite an der - nach der allein gebotenen gerichtlichen Überprüfung gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB X rechtsfehlerfrei verneinten - Voraussetzung der behinderungsbedingten Erforderlichkeit der Zusatzausstattung scheiterte.

Ferner ist eine unrichtige Rechtsanwendung im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB X auch nicht darin zu erkennen, dass im Widerspruchsbescheid erstmals über die Kostenübernahme einzelner Zusatzausstattungen entschieden wurde. Dies betrifft die Zusatzausstattungen Außenspiegel mit Bordsteinfunktion, Winterbereifung mit Runflat-Technologie auf Spezialfelgen, elektrischer Wagenheber, Elektroschlagschrauber, Schonbezüge, die Kosten der Fahrzeugüberführung, der Nummernschilder, der amtlichen Kraftfahrzeugzulassung und die Kosten der Selbstabholung, deren Kostenübernahme vom Kläger - mit Ausnahme der Außenspiegel mit Bordsteinfunktion - erst mit Schreiben vom 28. Juli 2008 und vom 4. August 2008 beantragt wurde. Seitens des Integrationsamts wurde versäumt, eine Ausgangsentscheidung hierüber zu treffen. Macht der Kläger die Kostenübernahme - wie hier - auch insoweit zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens (vgl. Widerspruchsbegründung des Klägers, Bl. 144 ff. der Behördenakte), ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Widerspruchsbehörde den in der Versäumnis der Ausgangsbehörde liegenden Rechtsfehler dadurch beseitigt, dass sie - wie hier der Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt - im Widerspruchsbescheid über die noch nicht entschiedenen Fragen selbst (erstmals) entscheidet. Insbesondere ist sie in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden nicht verpflichtet, die Sache an die Ausgangsbehörde zur Entscheidung zurückzuverweisen.

Somit hat der Beklagte das Recht bei Erlass der Bescheide vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 sowie des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 nicht unrichtig im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB X angewandt. Da - wie bereits ausgeführt - bei Erlass der Entscheidungen auch kein unrichtiger Sachverhalt im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 SGB X zugrunde gelegt wurde, kommt eine Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme dieser Entscheidungen nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht in Betracht.

Es ist auch keine andere Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Beseitigung bzw. Verpflichtung des Beklagten zur Beseitigung der Bescheide vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 erkennbar. Daher hat der Beklagte die (Teil-) Rücknahme der vorgenannten Bescheide zu Recht mit Bescheid vom 31. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2013 abgelehnt; eine Rechtsverletzung des Klägers ist insoweit nicht erkennbar. Aus diesen Gründen hat der Antrag des Klägers auf Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung der Bescheide vom 23. Juli 2008, vom 29. August 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 keinen Erfolg.

Darüber hinaus hat auch der weitere Antrag des Klägers auf Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Kosten für die streitgegenständlichen Zusatzausstattungen seines Kraftfahrzeugs keinen Erfolg. Einer entsprechenden Verpflichtung des Beklagten steht die Bestandskraft der Bescheide vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 sowie des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 entgegen. Diese sind weder nichtig, noch zu beseitigen. Denn eine Beseitigung durch die Behörde (§ 44 SGB X), ggf. nach entsprechender Verpflichtung durch das Gericht, kommt aus den bereits dargestellten Gründen nicht in Betracht und eine Beseitigung - auf Klage hin - unmittelbar durch das Gericht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) scheidet schon deshalb aus, weil versäumt wurde, einen entsprechenden Klageantrag innerhalb der hierfür maßgeblichen Klagefrist (§ 74 Abs. 1 VwGO) zu stellen, und ist jedenfalls im vorliegenden Verfahren nicht möglich.

Nach alledem erweist sich die angefochtene Ablehnungsentscheidung vom 31. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2013 als rechtmäßig. Ein Anspruch des Klägers auf Aufhebung der Bescheide vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 sowie des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 besteht ebenso wenig wie ein Anspruch des Klägers auf die von ihm begehrte Übernahme von Zusatzausstattungskosten, über die bereits mit Bescheiden vom 23. Juli 2008 und vom 29. August 2008 sowie mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 ablehnend entschieden worden ist.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 30. Juli 2015 - W 3 K 15.144 zitiert 29 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 187 Fristbeginn


(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. (2) Ist der Beginn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 74


(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erho

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Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 222 Fristberechnung


(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 57


(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit der Eröffnung oder Verkündung. (2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 22

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 69 Kontinuität der Bemessungsgrundlage


Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnun

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 102 Leistungen der Eingliederungshilfe


(1) Die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen1.Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,2.Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,3.Leistungen zur Teilhabe an Bildung und4.Leistungen zur Sozialen Teilhabe. (2) Leistungen nach Absatz 1 Nu

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(1) Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben können erbracht werden 1. an schwerbehinderte Menschen a) für technische Arbeitshilfen (§ 19),b) zum Erreichen des Arbeitsplatzes (§ 20),c) zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen beruflich

Kraftfahrzeughilfe-Verordnung - KfzHV | § 6 Art und Höhe der Förderung


(1) Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs wird in der Regel als Zuschuß geleistet. Der Zuschuß richtet sich nach dem Einkommen des behinderten Menschen nach Maßgabe der folgenden Tabelle: EinkommenZuschußbis zu v.H. der monatlichen Bezugsgröße n

Kraftfahrzeughilfe-Verordnung - KfzHV | § 3 Persönliche Voraussetzungen


(1) Die Leistungen setzen voraus, daß 1. der behinderte Mensch infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen Leistung der

Kraftfahrzeughilfe-Verordnung - KfzHV | § 5 Bemessungsbetrag


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(1) Die Kraftfahrzeughilfe umfaßt Leistungen 1. zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs,2. für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung,3. zur Erlangung einer Fahrerlaubnis. (2) Die Leistungen werden als Zuschüsse und nach Maßgabe des § 9 als Dar

Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung - SchwbAV 1988 | § 18 Leistungsvoraussetzungen


(1) Leistungen nach § 17 Abs. 1 bis 1b dürfen nur erbracht werden, soweit Leistungen für denselben Zweck nicht von einem Rehabilitationsträger, vom Arbeitgeber oder von anderer Seite zu erbringen sind oder, auch wenn auf sie ein Rechtsanspruch nicht

Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung - SchwbAV 1988 | § 19 Technische Arbeitshilfen


Für die Beschaffung technischer Arbeitshilfen, ihre Wartung, Instandsetzung und die Ausbildung des schwerbehinderten Menschen im Gebrauch können die Kosten bis zur vollen Höhe übernommen werden. Gleiches gilt für die Ersatzbeschaffung und die Beschaf

Kraftfahrzeughilfe-Verordnung - KfzHV | § 7 Behinderungsbedingte Zusatzausstattung


Für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung erforderlich ist, ihren Einbau, ihre technische Überprüfung und die Wiederherstellung ihrer technischen Funktionsfähigkeit werden die Kosten in vollem Umfang übernommen. Dies gilt auch für eine Zu

Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung - SchwbAV 1988 | § 25 Hilfen in besonderen Lebenslagen


Andere Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben als die in den §§ 19 bis 24 geregelten Leistungen können an schwerbehinderte Menschen erbracht werden, wenn und soweit sie unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung erforderli

Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung - SchwbAV 1988 | § 20 Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes


Schwerbehinderte Menschen können Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung vom 28. September 1987 (BGBl. I S. 2251) erhalten.

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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 30. Juli 2015 - W 3 K 15.144 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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(1) Die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen

1.
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3.
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4.
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(2) Leistungen nach Absatz 1 Nummer 1 bis 3 gehen den Leistungen nach Absatz 1 Nummer 4 vor.

Schwerbehinderte Menschen können Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung vom 28. September 1987 (BGBl. I S. 2251) erhalten.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Gründe

Leitsatz:

in dem Rechtsstreit

A., A-Straße, A-Stadt

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Proz.-Bev.: Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt - -

gegen

Jobcenter des Landkreises ..., vertreten durch den Geschäftsführer, ...

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

Der 8. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung in München am 22. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht Schneider, die Richterin am Bayer. Landessozialgericht Rohrmoser und den Richter am Bayer. Landessozialgericht Bielitz sowie die ehrenamtlichen Richter B. und W. für Recht erkannt:

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

II.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Rückforderung in Höhe von 3033,35 € nach § 44 SGB X.

Die Klägerin bezog seit August 2008 zusammen mit ihrer 2008 geborenen Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von mtl. insgesamt ca. 1000,- € in getrennter Trägerschaft (Regelleistungen von der Bundesagentur, Kosten der Unterkunft und Heizung vom Landkreis München).

Mit Bildungsgutschein vom 17.08.2009 erklärte sich der Rechtsvorgänger des Beklagten dazu bereit, die Kosten für eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme zur Büroassistentin zu übernehmen und die Lehrgangskosten an den Träger zu erstatten. Daraufhin schloss die Klägerin einen Schulungsvertrag mit einem Bildungsträger (im Folgenden Träger), den dieser zuvor schon am 11.08.2009 unterschrieben hatte. Unter § 8 Lehrgangskosten heißt es: „Die Lehrgangsgebühren in Höhe von Euro 3033,35 (einschließlich Lernmittel, Arbeitskleidung, Prüfungsgebühren, Prüfungsstücke) sind in monatlichen Teilbeträgen an den Bildungsträger zu überweisen. Im Falle der Förderung des Teilnehmers nach dem SGB II/III und bei entsprechender Vereinbarung mit der Agentur für Arbeit können die Gebühren durch die Agentur für Arbeit dem Bildungsträger direkt überwiesen werden.“ Die Maßnahme dauerte vom 21.09.2009 bis zum 18.12.2009.

Mit Bescheid vom 25.09.2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin die Fahrtkosten für die Gesamtdauer der Weiterbildung in monatlichen Raten in Höhe von 130 € in Höhe von insgesamt 390 €. Es wurde weiter geregelt, dass die Kosten des Lehrgangs direkt an den Bildungsträger überwiesen würden.

Am 01.12.2009 mahnte der Träger die Lehrgangsgebühren in Höhe von 3033,35 € beim Beklagten an. Der Beklagte ordnete daraufhin mit Daueranordnung vom 03.12.2009 die Zahlung von drei Raten zu 1011,11 € bzw. 1011,13 € an den Bildungsträger an, bezeichnete diesen als Zahlungsempfänger und fügte in der Zahlungsanweisung versehentlich die Kontonummer und die Bankleitzahl der Klägerin ein.

Am 31.03.2010 mahnte der Träger erneut die Zahlung der Lehrgangsgebühren. Der Beklagte überwies diese in Höhe von 3033,35 € am 10.05.2010 daraufhin an den Träger.

Mit Erstattungsbescheid vom 03.05.2010 nach § 50 Abs. 2 SGB X forderte der Beklagte den irrtümlich überwiesenen Betrag in Höhe von 3033,35 € von der Klägerin zurück. Die Klägerin habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihr das Geld für die Lehrgangskosten zustehe. Ihr sei bekannt gewesen, dass die Überweisung an sie fehlerhaft gewesen sei. Eine vorherige Anhörung war nicht erfolgt. Gegen den Bescheid erhob die Klägerin keinen Widerspruch.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.06.2010 stellte die Klägerin einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X. Im Dezember 2009 seien 3030,30 € in mehreren Beträgen auf das Konto der Klägerin gezahlt worden. Diese habe sich gewundert und per Mail den Beklagten kontaktiert. Dieser habe darauf nicht reagiert. Nach weiteren drei Wochen des Zuwartens, habe die Klägerin mit dem überwiesenen Geld ihre Schulden abbezahlt. Sie habe weder durch Täuschung, Drohung oder anderweitige Unregelmäßigkeiten das überwiesene Geld erlangt.

Mit Bescheid vom 15.07.2010 lehnte der Beklagte eine Änderung der bisherigen Entscheidung mit der Begründung ab, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei.

Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 26.07.2010 Widerspruch. Sie habe die Zahlung in mehreren Beträgen im Dezember 2009 erhalten und nach ergebnisloser Nachfrage per E-Mail beim Beklagten verbraucht. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Mail sei nicht eingegangen. Der Klägerin habe schon allein aufgrund der Verschlüsselung der Zahlung, die sie aus dem Bildungsgutschein gekannt habe, klar sein müssen, dass die Zahlung der Lehrgangskosten für den Träger bestimmt gewesen sei.

Am 10.01.2011 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben Sie habe sich nach Erhalt der ca. 3000 € beim Beklagten gemeldet und nachgefragt, ob ihr dieser Betrag zustehe. Da keine weitere Reaktion des Beklagten erfolgt sei, habe sie den Betrag zur Begleichung ihrer Schulden verwendet und sei damit entreichert. Der Aufforderung des SG, die behauptete E-Mail an den Beklagten beizubringen, ist die Klägerin nicht nachgekommen.

Mit Urteil vom 16.Oktober 2013 hat das SG die Klage abgewiesen, weil die zulässige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X unbegründet sei. Der Beklagte habe es zutreffend abgelehnt, im Wege einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X den Bescheid vom 03.05.2010 aufzuheben. Der bestandskräftige Verwaltungsakt des Beklagten enthalte eine rechtmäßige Erstattungsforderung und sei in der Höhe nicht zu beanstanden.

Der Erstattungsbescheid sei formell rechtmäßig. Die fehlende Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X sei durch das durchgeführte Widerspruchsverfahren nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt worden. Im Übrigen habe die Klägerin selbst den Beklagten auf die Zahlung hingewiesen (in der behaupteten E-Mail); der Tatbestand der Zahlung als solcher sei zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Überdies habe sich der Beklagte mit dem inhaltlichen Vortrag der Klägerin im Rahmen der Widerspruchsbegründung auseinandergesetzt.

Der Erstattungsbescheid sei auch materiell rechtmäßig und entspreche § 40 SGB II, § 50 Abs. 2, 3 SGB X, § 45 SGB X und § 330 Abs. 2 SGB III. Der Beklagte habe an die Klägerin die umstrittenen 3033,35 € durch Überweisung auf deren Konto geleistet, obwohl kein Rechtsgrund in Form eines Verwaltungsaktes bestanden habe. In den vorherigen Bewilligungen sei klargestellt worden, dass die Lehrgangskosten direkt an den Träger gezahlt würden. Durch die Zahlung des Beklagten ohne Verwaltungsakt sei keine privatrechtliche Beziehung zwischen den Beteiligten begründet worden. Das sozialrechtliche Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten sei nicht beendet gewesen.

§ 50 Abs. 2 SGB X ziele gerade auf solche Fallgestaltungen ab, in denen ein das Rechtsverhältnis regelnder Verwaltungsakt fehle, aber bestimmte Rechtsbeziehungen zwischen leistender Behörde und Leistungsempfänger bestünden.

Auch § 45 SGB X stehe dem Erstattungsanspruch des Beklagten nicht entgegen, weil sich die Klägerin wegen § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit seien erfüllt. Denn die Klägerin habe die Rechtswidrigkeit der Zahlungen des Beklagten i. S. des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X aufgrund der vorherigen Mitteilung des Beklagten, dass die Lehrgangskosten direkt an den Träger gezahlt würden, gekannt. Nach eigenem Vortrag sei ihr die Rechtswidrigkeit der Zahlungen bewusst gewesen und sie habe den Beklagten, nach Feststellung der Zahlungseingänge auf ihrem Konto, per Mail informiert. Es sei der Klägerin, bei einem monatlichen Leistungsbezug (zusammen mit der Tochter) von ca. 1000,- € klar, dass sie keinen Anspruch auf weitere ca. 3000,- € gehabt habe. Jedenfalls sei eindeutig, dass dieser Betrag nicht zur Zahlung für Schulden genutzt werden könne; allenfalls wäre eine Weiterleitung an den Träger nachvollziehbar gewesen.

Mit der am 15.11.2013 zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhobenen Berufung gegen das am 23.10.2013 zugestellte Urteil des SG vom 16.Oktober 2013 verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter und begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 03.05.2010 nach § 44 SGB X. Die Klägerin habe auf die Rechtmäßigkeit der Zahlung vertraut, nachdem der Beklagte auf ihre Nachfrage per E-Mail nicht reagiert habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Oktober 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 03.05.2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält die Berufung für unbegründet. Der Klägerin sei mehrfach mitgeteilt worden, dass die Lehrgangskosten direkt an den Bildungsträger gezahlt würden. Die behauptete Nachfrage sei nicht aktenkundig. Im Übrigen sei die Klägerin auch schon deswegen bösgläubig gewesen, weil sie üblicherweise nur 1000 € Grundsicherungsleistungen monatlich für sich und ihre Tochter erhalten habe. Der Zufluss von über 3000 € im Dezember 2009 habe ihr auffallen müssen.

Der Senat hat die Klägerin mehrfach ergebnislos zur Vorlage der behaupteten E-Mail an den Beklagten und zur Vorlage der (ungeschwärzten) Kontoauszüge für Oktober bis Dezember 2009 aufgefordert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Sie ist aber unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Aufhebung des rechtmäßigen, nicht begünstigenden Erstattungsbescheides vom 03.05.2010 nach den §§ 40 Abs.1 S. 1 SGB II, 44 Abs. 1 SGB X hat.

1.

Statthafte Klageart ist für die Klägerin die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 S.1 SGG, weil die Klägerin einen Aufhebungsanspruch nach § 44 SGB X geltend macht. Das Gericht hat auf die Anfechtungsklage über die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs auf Rücknahme zu entscheiden; auf die damit verbundene Verpflichtungsklage wird die Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des früheren Verwaltungsaktes und ggfs. auf eine weitere Verpflichtungsklage die Pflicht zur Neufeststellung ausgeurteilt, sofern nicht diese zweite Verpflichtungsklage entsprechend § 54 Abs. 4 SGG durch eine allgemeine Leistungsklage konsumiert wird. Begehrt der Kläger eine Leistungsgewährung durch den Beklagten unter Rücknahme des früheren ablehnenden Bescheides, ist daher eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig. In solchen Fällen kann nicht unmittelbar ohne Verpflichtungsantrag auf Leistung geklagt werden, weil sich aus § 44 SGB X nichts dafür ergibt, dass die gesetzlich vorgesehene und vom Beklagten zu treffende Rücknahmeentscheidung durch das Gericht ersetzt werden darf. Das Gericht hat den Antrag des Klägers im Zweifel in diesem Sinne auszulegen (Keller in Meyer- Ladewig, SGG Kommentar, 11. Auflage § 54 Rn. 20 c). Nachdem die Klägerin hier eine fehlgeleitete Zahlung ohne Verwaltungsakt bezogen hat, um deren Rückforderung nach § 50 Abs. 2 SGB X durch Verwaltungsakt vom 03.05.2010 im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X gestritten wird, erreicht die Klägerin ihr Klageziel mit der Anfechtung des Bescheides vom 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2010 und der Verpflichtung des Beklagten, den Bescheid vom 03.05.2010 nach § 44 Abs. 1 SGB X aufzuheben.

2.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2010 (§ 95 SGG). Die Klägerin begehrt den Erlass eines Aufhebungsbescheides nach § 44 SGB X hinsichtlich des Erstattungsbescheides vom 03.05.2010.

3.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Aufhebung des Erstattungsbescheides nach § 50 Abs. 2 SGB X vom 03.05.2010 nach § 40 Abs. 1 SGB II, § 330 Abs. 1 SGB III, 44 Abs. 1 SGB X zu, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X nicht vorliegen. Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Der nicht begünstigende Erstattungsbescheid vom 03.05.2010 ist formell und materiell rechtmäßig.

a.

Auf die Rücknahme von Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen ist § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X entsprechend anzuwenden. Zwar umfasst der Wortlaut des § 44 Abs. 1 S.1 SGB X („Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.“) nur die Fälle der Nichterbringung von Sozialleistungen (§ 11 SGB I) und der zu Unrecht erfolgten Beitragserhebung.

Zumindest entsprechend gilt Abs. 1 auch für alle Fälle, in denen Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten wurden und der Bürger sie nachträglich einfordert, insbesondere wenn er sich gegen einen Aufhebungs- (Rücknahme-) und/oder Rückforderungsbescheid wendet (BSG SozR 3 - 1300 § 44 Nr. 19 S 34 f im Anschluss an BVerwGE 87, 103 = NVwZ 1991, 522; BSG SozR 3 - 1300 § 44 Nr. 21 S 40; anders noch BSG SozR 1300 § 44 Nr. 22; hierzu BSG SozR 3 - 4100 § 101 Nr. 10; S; KassKomm Steinwedel § 44 Rn. 4; Schütze in von Wulffen SGB X Kommentar, 7. Auflage, § 44 Rn. 14,16, Eicher/Greiser in Eicher, SGB II Kommentar, 3. Auflage § 40 Rn. 26).

b.

Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass die Rückerstattung der auf das Konto der Klägerin fehlgeleiteten Lehrgangskosten in Höhe von 3033,35 € materiell rechtmäßig nach § 50 Abs. 2 SGB X verlangt wurde.

Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlagen für den angefochtenen Bescheid nach § 40 SGB II, § 50 Abs. 2, 3 SGB X, § 45 SGB X und § 330 Abs. 2 SGB III sind erfüllt.

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II gilt für das Verfahren nach dem SGB II das SGB X. Zudem sind entsprechend anwendbar die Vorschriften des SGB III über die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Abs. 1, 2, 3 SGB III; § 40 Abs. 1 S.2 Nr. 1 SGB II a. F., ab 01.04.2011: § 40 Abs. 2 Nrn. 2, 3 SGB II). Der vorliegend einschlägige § 50 Abs. 2 SGB X lautet: „Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.“ Des Weiteren regelt § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X: „Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen.“

Die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind erfüllt, weil von dem Beklagten an die Klägerin die umstrittenen 3033,35 € durch Überweisung auf deren Konto am 03.12.2009 geleistet wurden und für diese Leistung aufgrund des zuvor erfolgten Bewilligungsbescheides kein Rechtsgrund in Form eines Verwaltungsaktes bestand.

Dazu stellt der Senat fest, dass der Klägerin am 17.08.2009 ein Bildungsgutschein erteilt worden ist. Diesen Gutschein hat die Klägerin ausweislich ihrer Unterschrift am 23.08.2009 zur Kenntnis genommen und gleichzeitig mit dem Merkblatt Grundsicherung für Arbeitssuchende bzw. Förderung der beruflichen Weiterbildung erhalten. In dem Bildungsgutschein sagte der Beklagte unter Bezugnahme auf § 16 Abs. 1 SGB II und § 80 SGB III zu, die Lehrgangskosten an den Träger in Höhe der zugelassenen Kosten bei Vorlage des Gutscheins vor Teilnahmebeginn zu erstatten.

Schließlich wird weiter festgestellt, dass der Beklagte in einem weiteren Bescheid vom 25.09.2009 der Klägerin Fahrtkosten bewilligte und in diesem Bescheid nochmals mitteilte, dass die Kosten des Lehrgangs direkt an den Bildungsträger überwiesen würden. Unter den Hinweisen ist dort auch vermerkt, dass die Überweisungen verschlüsselt seien und es wurde der Schlüssel für Lehrgangskosten und anderes mit 6519 bzw. 6508/6518 bezeichnet. Aus der vorgelegten Weiterbildungsakte lässt sich schließlich für den Senat die Überweisung von drei Teilbeträgen in Höhe von 1011,13 € und zweimal 1.011,11 € auf das Konto der Klägerin (Nr. 4571339) entnehmen. Dort ist unter dem Datum 03.12.2009 ein Datenauszug abgeheftet, wonach entsprechende Zahlungsvorgänge am 03.12.2009 angeordnet/verfügt sind. Die Gesamtsumme von 3.033,35 € ist an den Bildungsträger (Konto Nr. 478670850) am 10.05.2010 überwiesen worden.

Auf den von der Klägerin vorgelegten Kopien von Kontoauszügen für Dezember 2009 im Rahmen des Antrags auf weitere Bewilligung vom 17.12.2009 mit Eingang vom 23.12.2009 waren die Kontonummern zwar geschwärzt, aber noch als Nummer 4571339, zum Beispiel aus der nicht unkenntlich gemachten IBAN Nummer, erkennbar.

Ebenfalls geschwärzt waren einzelne Zahlungsvorgänge der Kontoauszugnummern 91ff. so insbesondere zwischen dem 02.12. und 08.12.2009; die Schwärzungen erfolgten auch unter der Rubrik Gutschriften, wobei eine geschwärzte Gutschrift eine Wertstellung vom 08.12.2009 hatte. Dasselbe war der Fall auf dem Kontoauszug Nummer 92 Blatt 1 für eine Buchung zwischen dem 12.12. und 14.12.2009. Zuvor war der Übertrag auf dem Kontoauszug 91 Blatt 2 vom 14.12.2009 geschwärzt, ließ jedoch einen fünfstelligen Betrag noch erkennen.

Aus der erst auf Aufforderung des Senats vorgelegten Leistungsakte des Beklagten ergibt sich für den späteren Weiterbewilligungszeitraum ab August 2010 ein identischer Antrag auf weitere Bewilligung, dem in Kopie Kontoauszüge beigegeben waren. Diesem Antrag entnimmt der Senat, dass die Klägerin für den späteren Weiterbewilligungsantrag keinerlei Rechnungspositionen unkenntlich gemacht hat.

Aus diesen Tatsachen schlussfolgert der Senat, dass der Klägerin vom Beklagten eine Summe von 3.033,35 € zwischen dem 02.12. und 08.12.2009 überwiesen worden ist. Weiter ist aus dem Bildungsgutschein vom 17.08.2009 sowie der Regelung über die Fahrtkosten vom 25.09.2009 eine Verpflichtung des Beklagten zu entnehmen, die Lehrgangskosten direkt an den Bildungsträger zu erstatten. Damit ist eine fehlgeleitete Zahlung an die Klägerin festzustellen.

Die Zahlung des Beklagten ohne Verwaltungsakt machte die Transaktion nicht zu einer privatrechtlichen Angelegenheit zwischen den Beteiligten. Die Zahlung behielt vielmehr ihre öffentlich-rechtliche Zielrichtung. § 50 Abs. 2 SGB X zielt gerade auf solche Fallgestaltungen ab, in denen ein das Rechtsverhältnis regelnder Verwaltungsakt fehlt, aber bestimmte Rechtsbeziehungen zwischen der leistenden Behörde und dem Leistungsempfänger bestehen (vgl. Merten in Hauck/Noftz, SGB X, K § 50 Rn. 15 ff). Für diese Auslegung spricht zudem § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X, der nicht nur für die Fallkonstellation nach § 50 Abs. 1 SGB X, sondern auch für die nach § 50 Abs. 2 SGB X eine Festsetzung der zu erstattenden Leistung durch Verwaltungsakt anordnet (BSG, Urteil vom 22. August 2012 - B 14 AS 165/11 R -).

Auch § 45 SGB X steht dem Erstattungsanspruch des Beklagten nicht entgegen. § 45 SGB X lautet, soweit vorliegend maßgeblich, in Abs. 2 Satz 1: „Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist.“ Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder Vermögensdispositionen getroffen hat, die nicht oder nur mit unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht werden können. Nach Satz 3 gilt jedoch: „Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit ...

3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.“

Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird nur in den zuletzt wiedergegebenen Fällen des Satzes 3 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Aus der „entsprechenden“ Geltung des § 45 SGB X folgt, dass in den Fällen einer Leistung ohne Verwaltungsakt nach § 50 Abs. 2 SGB X an die Stelle des Verwaltungsaktes die Leistung oder vorliegend die Überweisung tritt (BSG a. a. O.)

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit, die bei einem Erstattungsbegehren, das typischerweise immer Leistungen in der Vergangenheit betrifft, gegeben sein müssen, sind erfüllt.

Die Klägerin hat in Folge grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (bzw. hier in entsprechender Anwendung der Vermögensverfügung) nicht gekannt. Vom Umstand der Fehlleitung der Zahlungen des Beklagten hatte die Klägerin gewusst. Nicht anders sind die Manipulationen an den Kopien der Kontoauszüge (wie sie der Senat oben bereits festgestellt hat) erklärbar. Zumal die Klägerin in einer späteren Bewilligungsperiode derartige Schwärzungen unterlassen hat. Schließlich musste es der Klägerin in die Augen springen, dass nicht sie die Bildungskosten in Empfang nehmen sollte, sondern der Bildungsträger. Das ist in mehreren Regelungen des Beklagten so festgelegt worden. Insbesondere hat die Klägerin aber mit ihrer Unterschrift vom 23.08.2009 die Kenntnis vom Inhalt des Bildungsgutscheins bestätigt. Weil sie sich dennoch nicht beim Beklagten erkundigt hat, ob die Zahlungen rechtmäßig waren, bzw. nicht dessen Antwort zu ihrer E-Mail abgewartet hat, hat die Klägerin grob fahrlässig gehandelt. Hierbei ist nicht nur objektiv festzustellen, dass bei einem derartigen Sachverhalt bei jedem vernünftigen Leistungsempfänger massive Zweifel aufkommen. Auch in subjektiver Sicht sind diese Zweifel bei der Klägerin persönlich vorhanden gewesen. Dies schließt der Senat aus ihrem Vorbringen, dass sie sich mit einem E-Mail an den Beklagten gewandt habe. Ein Verhalten, wonach dann nach kurzer Zeit das zugewandte Geld bereits weiter transferiert worden ist, ist nicht mit üblichen Sorgfaltspflichten vereinbar. Diese hätten es erfordert, dass die Klägerin erneut beim Beklagten nachfragt, zumal sie einen Weiterbewilligungsantrag am 17.12.2009 ausgefüllt und abgegeben hatte. Darin befanden sich auch umfassende Fragebogenkataloge zur Einkommenssituation. Dennoch hat die Klägerin bereits zwischen dem 11.12. und 14.12.2009 über die zu Unrecht zugeflossen Zahlung weiter verfügt. Denn anders lassen sich die vorgelegten Kontoauszüge nicht interpretieren, wenn der jeweilige Übertrag und die Schwärzung bei den Vorgängen zwischen dem 11.12.2009 und dem 14.12.2009 gewürdigt werden.

Gerade nach dem eigenen Vortrag der Klägerin war ihr die Rechtmäßigkeit der Zahlungen zweifelhaft und sie hat den Beklagten, nach Feststellung der Zahlungseingänge auf ihrem Konto, angeblich per E-Mail hierüber informiert. Diese E-Mail hat die Klägerin allerdings weder selbst vorgelegt, noch befindet sie sich in den Verwaltungsakten des Beklagten.

Es hätte der Klägerin bei einem monatlichen Leistungsbezug (zusammen mit der Tochter) von ca. 1000,- € klar sein können, dass sie keinen Anspruch auf weitere ca. 3000,- € für die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme hatte. Im Übrigen kannte sie aus dem Bewilligungsbescheid vom 25.09.2009 auch die entsprechenden Zahlungskürzel für die Überweisungen der Fahrtkosten und der Lehrgangskosten. Der Klägerin wäre es daher sogar aus der Zusammenschau des von ihr trotz mehrfacher Aufforderung nur mit teilweisen Schwärzungen vorgelegten Kontoauszuges für Dezember 2009 und des Bewilligungsbescheides möglich gewesen, zu erkennen, dass es sich bei den überwiesenen 3033,35 € um die Lehrgangskosten handelte. Zudem hatte sie sich in dem Lehrgangs-/Schulungsvertrag vom 21.09.2009 gegenüber dem Bildungsträger verpflichtet, die Lehrgangskosten in Höhe von 3033,35 € selbst an den Bildungsträger zu zahlen. Daher war ihr auch hieraus die Summe bekannt. Die Fehlüberweisung des Beklagten hätte leicht den Lehrgangskosten zugeordnet werden können.

Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass es für die Klägerin eindeutig erkennbar war, dass dieser Betrag nicht zur Zahlung für Schulden genutzt werden durfte. Allenfalls wäre noch eine Weiterleitung an den Träger nachvollziehbar gewesen. Die Zweifel an dem Behalten-Dürfen des irrtümlich überwiesenen Geldes hat die Klägerin selbst eingeräumt, indem sie von einer (nicht nachgewiesenen) E-Mail an den Beklagten berichtet hat. Sie hat allerdings ihre Zweifel am Behalten-Dürfen des Geldes nicht ausgeräumt und nicht erneut beim Beklagten nachgefragt, als dieser nicht auf die von ihr behauptete E-Mail reagiert hat. Damit hat sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und sich grob fahrlässig verhalten.

Die auch bei einer Rückforderung nach § 50 Abs. 2 SGB X zu beachtende Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S.2 SGB X (Schütze in von Wulffen, a. a. O.. § 50 Rn. 24) wurde vom Beklagten eingehalten. Dieser erlangte im März 2010 Kenntnis von der Fehlüberweisung an die Klägerin im Dezember 2009 und erließ daraufhin am 03.05.2010 den Erstattungsbescheid nach § 50 Abs. 2 SGB X, der bestandskräftig wurde, weil er nicht mit Widerspruch angegriffen wurde (§ 77 SGG).

Das eigentlich nach § 50 Abs. 2 SGB X i. V. m. § 45 Abs. 1, 2 SGB X auszuübende Rücknahmeermessen war vom Beklagten wegen § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II a. F., § 330 Abs. 2 SGB III nicht auszuüben (Schütze a. a. O. § 50 Rn. 25).

c.

Im Ergebnis ist dem SG auch darin zuzustimmen, dass der Erstattungsbescheid vom 05.03.2010 auch formell rechtmäßig war.

Auch bei einer Erstattung nach § 50 Abs. 2 SGB X ist eine Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderlich (BSG SozR 1300, § 45 Nr. 12; Schütze a. a. O.. § 50 Rn. 25).

Die Klägerin hatte im Dezember 2009 3033,35 € durch eine fehlgeleitete Zahlung erlangt und damit ohne Verwaltungsakt eine rechtswidrige Zuwendung erhalten, die eine nach

§ 24 SGB X geschützte Rechtsposition darstellt (so auch von Wulffen, in von Wulffen SGB X Kommentar, 7. Auflage, § 24 Rn. 4). Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs. 1 SGB X).

Der Beklagte hat die Klägerin vor Erlass des Erstattungsbescheides vom 03.05.2010 nicht angehört. Zu dem Bescheid vom 03.05.2010 gab es auch kein Widerspruchsverfahren, durch das eine Heilung bzw. Nachholung der unterlassenen Anhörung hätte erfolgen können. Zutreffend hat das SG zwar ausgeführt, dass eine fehlende Anhörung grundsätzlich durch ein durchgeführtes Widerspruchsverfahren geheilt werden kann (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X; Schütze a. a. O., § 41 Rn. 15). Dabei hat das SG aber verkannt, dass es hier nur ein Widerspruchsverfahren im Rahmen des streitgegenständlichen Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X (Bescheid vom 15.07.2010, Widerspruchsbescheid vom 10.12.2010) gab. In diesem konnte die fehlende Anhörung hinsichtlich des Erstattungsbescheides nicht mehr geheilt werden.

Auf die fehlende Anhörung kann aber die Aufhebungsentscheidung nach § 44 SGB X nicht gestützt werden, weil die Anhörung nach § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X entbehrlich war (siehe dazu aa.) und die formelle Rechtswidrigkeit des bestandskräftigen Bescheides für die Aufhebung ohnehin nicht genügt, wenn die Sozialleistung nach materiellem Recht nicht zustand (siehe dazu bb).

aa.

Nach § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X bedarf es einer besonderen Anhörung nicht, wenn die Verwaltung bei ihrer Entscheidung von den tatsächlichen Angaben des Beteiligten ausgeht und nicht zu dessen Ungunsten davon abweichen will. Dem Zweck des rechtlichen Gehörs, auf das Verfahren Einfluss nehmen zu können, ist bereits dadurch Genüge getan, dass der Beteiligte in seinem Antrag oder in seiner Erklärung tatsächliche Angaben machen konnte. Voraussetzung für das Absehen von der Anhörung ist jedoch, dass die Verwaltung der Entscheidung ausschließlich die vom Beteiligten vorgebrachten und nicht darüber hinaus weitere Tatsachen zugrunde legt. Aus dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie besteht keine Notwendigkeit, dem Beteiligten die Möglichkeit einzuräumen, diese Tatsachen erneut vorzutragen, zumal sich dadurch seine Position nicht verbessert (Bonk/Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG § 28 Rz. 55). Dasselbe gilt, wenn die Behörde zugunsten des Beteiligten von seinen Angaben abweicht. In diesem Fall ist die Anhörung als bereits geschehen zu betrachten (BT-Drucks. 7/910, 52; Grünewald in Obermayer, Kommentar zum VwVfG § 28 Rz. 49). Will die Verwaltung weitere Tatsachen einbeziehen oder von den mitgeteilten Tatsachen zuungunsten des Beteiligten abweichen, ist eine Anhörung geboten, um nicht eine Überraschungsentscheidung zu treffen, mit der der Beteiligte nicht ohne weiteres rechnen konnte. Darauf, ob die Entscheidung dann den Beteiligten begünstigt oder nicht, kommt es nicht an. Die Vorschrift ist im Interesse des Anspruchs auf rechtliches Gehör zugunsten des Beteiligten einschränkend auszulegen. Sie ist daher nur dann anzuwenden, wenn die Möglichkeit auszuschließen ist, dass eine Anhörung neue Gesichtspunkte ergibt, die eine für den Beteiligten günstigere Entscheidung rechtfertigen könnten (Krasney in Kasseler Kommentar, § 24 Rz. 37, Vogelgesang in: Hauck/Noftz, SGB X K § 24 SGB X, Rn. 27).

Hier hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten vor Erlass des Erstattungsbescheides vom 03.05.2010 nach ihrem eigenen mehrfachen Vortrag (im Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vom 15.06.2010, in der Widerspruchsbegründung vom 13.08.2010, in der Klageschrift vom 10.01.2011, in der Berufungsschrift vom 23.12.2013 und im Berufungsschriftsatz vom 20.06.2014) in einer E-Mail Angaben zu den Vorgängen im Dezember 2009 gemacht. Sie hat nach eigenen Angaben bekundet, dass sie die Fehlüberweisung im Dezember 2009 erhalten und sich darüber gewundert hat.

Auch wenn sich die von der Klägerin behauptete Mail vom Dezember 2009 weder in der Verwaltungsakte des Beklagten befindet, noch von der Klägerin vorgelegt wurde, bezweifelt der Senat nach den mehrfachen inhaltsgleichen und widerspruchsfreien Bekundungen der Klägerin nicht, dass sie eine solche E-Mail an den Beklagten geschickt hat. Damit bedurfte es vor Erlass des Erstattungsbescheides vom 03.05.2010 nach § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X keiner Anhörung, weil der Beklagte von diesen tatsächlichen Angaben der Klägerin (Geld erhalten und gewundert, dass es überwiesen wurde) nicht zuungunsten der Klägerin abgewichen ist.

bb.

Im Übrigen bestünde selbst dann, wenn eine Anhörung nach § 24 SGB X erforderlich gewesen wäre, kein Anspruch auf Aufhebung des dann formell rechtswidrigen Erstattungsbescheides vom 03.05.2010 nach § 44 SGB X, weil der Betroffene durch die Rücknahme nicht eine Rechtsposition erlangen darf, die nach materiellem Recht (siehe oben 3b) ausgeschlossen ist (Baumeister in juris-PK SGB X § 44, Rn. 111).

Insbesondere darf ein Betroffener nicht über § 44 SGB X die (Wieder-) Einräumung einer ihm materiell nicht zustehenden Position erlangen (s. BSG SozR 1300 § 44 Nr. 38 Ls. 2). Dementsprechend besteht weitgehend Einigkeit, dass Verstöße gegen die Anhörungspflicht (BSG SozR 1200 § 34 Nr. 18; SozR 3 - 1300 § 44 Nr. 21 S 45) oder reine Formverstöße (BSG SozR 3 - 1300 a. a. O.; sa § 42) im Rahmen des § 44 SGB X unbeachtlich sind (so: Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X Rn. 40, 41; Eicher/Greiser in Eicher, SGB II Kommentar, 3. Auflage, § 40 Rn. 26, dazu jedoch kritisch Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 44 SGB X Rn. 111).

Der Beklagte hat daher mit dem Bescheid vom 15.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2010 zu Recht die Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 03.05.2010 abgelehnt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 225 und 226 der Zivilprozeßordnung.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

I.

Der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 19. Dezember 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Kosten für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Herrn Prof. Dr. S. vom 25. Oktober 1999 werden auf die Staatskasse übernommen.

III.

Dem Beschwerdeführer sind die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

I.

In dem am Sozialgericht (SG) Augsburg unter dem Aktenzeichen S 11 VJ 1/97 anhängig gewesenen Rechtsstreit des Klägers und jetzigen Beschwerdeführers (im Folgenden: Beschwerdeführer) begehrte dieser die Anerkennung eines Impfschadens im Wege einer Entscheidung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Der Beklagte hatte dies mit Hinweis auf die Bestandskraft einer früheren negativen Entscheidung zur Anerkennung als Impfschaden abgelehnt (Bescheid vom 03.03.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.08.1997).

Zunächst erstellte der Neurologe und Psychiater Dr. H. unter dem Datum vom 04.02.1998 ein Gutachten, in dem er zu der Einschätzung kam, dass ein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen der beim Beschwerdeführer vorliegenden Hirnschädigung und der vom Beschwerdeführer als dafür ursächlich betrachteten Impfung nicht bestehe.

Nachdem das SG mit Schreiben vom 13.02.1998 mit Blick auf die negative Einschätzung des Sachverständigen die Klagerücknahme nahe gelegt hatte, wurde auf Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Kinderarzt Prof. Dr. S. mit einer weiteren Begutachtung beauftragt. Dieser kam in seinem Gutachten vom 25.10.1999 ebenfalls zu der Einschätzung, dass ein Impfschaden nicht vorliege.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2000 wies das SG die Klage ab. Es stützte sich dabei auf die „überzeugenden Gutachten seiner Sachverständigen Dr. H. und Prof. Dr. S.“ und bezeichnete beide Gutachten als in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Die Urteilsgründe entsprechen weitgehend den Ausführungen des gemäß § 109 SGG beauftragten Sachverständigen.

In dem sich anschließenden Berufungsverfahren (Aktenzeichen des Bayer Landessozialgerichts - LSG -: zunächst L 15 VJ 1/00, dann nach zwischenzeitlichem Ruhen L 15 VJ 1/10) wies der Berichterstatter des Bayer. LSG mit Schreiben vom 22.09.2014 darauf hin, dass der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 03.03.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.08.1997 den Überprüfungsantrag mit Hinweis auf die Bestandskraft der früheren Entscheidung und die Tatsache, dass im Überprüfungsverfahren keine neuen Tatsachen vorgetragen worden seien, zurückgewiesen habe, ohne erneut in die inhaltliche Prüfung der Kausalität eingestiegen zu sein. Dieser Aspekt sei in der Folge nicht ausreichend berücksichtigt worden; hierin liege aber das Kernproblem dieses Falls. Wenn sich das SG im angefochtenen Verfahren inhaltlich mit der medizinischen Frage der Kausalität befasst habe, gehe dies über den dem Gericht zustehenden Prüfungsrahmen hinaus. Das SG hätte diese Frage nicht prüfen dürfen. Wenn es dies trotzdem gemacht habe, erweitere dies nicht den Prüfungsumfang für das Berufungsgericht. Dass bislang im Berufungsverfahren ebenso wie beim SG in der Sache ermittelt worden sei, sei mit Blick auf die Verfahrensdauer und möglicherweise dadurch geweckte Hoffnungen bedauerlich.

Im Erörterungstermin vom 06.11.2014 wies Berichterstatter nochmals darauf hin, dass in diesem Verfahren keinerlei Ermittlungen zur Frage der Kausalität durch das SG erfolgen hätten dürfen. Anschließend ist vom Beschwerdeführer die Berufungsrücknahme erklärt worden.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 24.11.2014 hat der Beschwerdeführer beantragt, die Kosten für das Gutachten gemäß § 109 SGG auf die Staatskasse zu übernehmen. Diese Kosten seien auch dann durch die Staatskasse zu tragen, wenn das Gutachten zwar für den Ausgang des Rechtsstreits nicht von Bedeutung gewesen sei, die Einholung des Gutachtens aber auf einer verfahrensrechtlich unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht beruht habe. Dies sei ausweislich der Hinweise des Bayer. LSG im Schreiben vom 22.09.2014 und dem Protokoll aus der Sitzung vom 06.11.2014 der Fall.

Mit Beschluss vom 19.12.2014 hat das SG den Antrag auf Kostenübernahme auf die Staatskasse abgelehnt und dies wie folgt begründet: Das Gutachten gemäß § 109 SGG habe die Sachaufklärung wohl auch aus Klägersicht nicht wesentlich gefördert. Ob das SG in die Sachverhaltsermittlung einsteigen hätte dürfen, könne für die Entscheidung über die Kosten nach § 109 SGG dahinstehen. Denn das SG habe den Antrag des rechtsanwaltlich vertretenen Beschwerdeführers nicht angeregt oder darauf hingewiesen. Einer der Ablehnungsgründe nach § 109 Abs. 2 SGG liege nicht vor. Dass das SG dem nach Ansicht des Bayer. LSG nicht zielführenden Antrag des Beschwerdeführers stattgegeben habe, sei unschädlich. Denn es sei unerheblich, ob der Antrag aus verständigen Gründen gestellt worden sei. Zwar könne die Übernahme der Gutachterkosten angezeigt sein, wenn das Gericht im Zusammenhang mit der Beweiserhebung fehlerhaft gehandelt habe. Gründe hierfür seien jedoch nicht ersichtlich. Abschließend hat das SG darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Kostenerstattung zudem nach so langer Zeit verwirkt bzw. verjährt sein könnte.

Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 10.02.2015 Beschwerde eingelegt und diese ausführlich begründet.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Entscheidung des SG, die Kosten des Gutachtens gemäß § 109 SGG nicht auf die Staatskasse zu übernehmen, ist aufzuheben. Die Kosten für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten sind in vollem Umfang auf die Staatskasse zu übernehmen.

Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des (potentiell) Versorgungsberechtigten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann - wie dies im vorliegenden Fall auch erfolgt ist - gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten dafür vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts auch endgültig trägt. Eine „andere Entscheidung“ in diesem Sinn hat der Beschwerdeführer beim SG beantragt.

1. Kriterien für die Entscheidung über die Kostenübernahme

Die Entscheidung darüber, ob die Kosten eines gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse zu übernehmen sind, ist eine Ermessensentscheidung (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109, Rdnr. 16) des Gerichts, das das Gutachten angefordert hat (vgl. Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 18). Bei der Entscheidung über die Kostenübernahme auf die Staatskasse ist zu berücksichtigen, ob das Gutachten die Sachaufklärung objektiv wesentlich gefördert und somit Bedeutung für die gerichtliche Entscheidung oder den Ausgang des Verfahrens gewonnen hat (vgl. Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 16a). Entscheidend ist dabei, ob durch das Gutachten neue beweiserhebliche Gesichtspunkte zu Tage getreten sind oder die Beurteilung auf eine wesentlich breitere und für das Gericht und die Beteiligten überzeugendere Grundlage gestellt worden ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 07.04.2014, Az.: L 15 SB 198/13 B). Dabei genügt es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. Beschlüsse vom 28.09.2012, Az.: L 15 SB 293/11 B, und vom 26.04.2013, Az.: L 15 SB 168/12 B) nicht, dass ein Gutachten „die Aufklärung des Sachverhalts in objektiv sinnvoller Weise gefördert“ hat oder dass durch das Gutachten „entscheidungserhebliche Punkte des Sachverhalts weiter aufgeklärt werden“, wie manchmal formuliert wird (vgl. Kühl, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 109, Rdnr. 11, mit Verweis auf den Beschluss des Bayer. LSG vom 29.04.1964, Az.: L 18/Ko 60/63). Denn diese Voraussetzungen sind bei medizinischen Gutachten so gut wie immer gegeben. Nur eine wesentliche Förderung der Sachaufklärung kann zu einer Kostenübernahme führen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 21.10.2013, Az.: L 15 VK 13/13 B; Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 16a).

Geht das Hauptsacheverfahren in die Berufung, darf bei der Bewertung, ob das in der ersten Instanz eingeholte Gutachten gemäß § 109 SGG die Sachaufklärung objektiv wesentlich gefördert und somit Bedeutung für die gerichtliche Entscheidung oder den Ausgang des Verfahrens gewonnen hat, nicht allein auf das erstinstanzliche Verfahren abgestellt werden. Vielmehr ist das gesamte Verfahren, also auch das Berufungsverfahren in die Erwägungen einzubeziehen (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 13.08.2013, Az.: L 15 SB 153/13 B; Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 16a).

Nicht entscheidend ist, ob das Gutachten den Rechtsstreit in einem für den Antragsteller günstigen Sinn beeinflusst hat. Kein maßgeblicher Gesichtspunkt für eine Ermessensausübung im Sinn eines Antragsstellers ist es auch, wenn dieser nach Bestätigung der Ergebnisse, wie sie schon der von Amts wegen bestellte Sachverständige festgestellt hat, durch den gemäß § 109 SGG benannten Gutachter die Klage oder Berufung zurücknimmt. Denn mit der Kostenübernahme auf die Staatskasse bzw. der Ablehnung der Kostenübernahme darf keine Belohnung bzw. Sanktionierung eines bestimmten prozessualen Verhaltens erfolgen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 04.02.2013, Az. L 15 SB 8/12 B).

Eine nur teilweise Kostenübernahme ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber bei einem einheitlichen Streitgegenstand regelmäßig nicht sachgerecht (vgl. Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 16a). Sie wird daher überhaupt nur in seltenen Fällen in Betracht gezogen werden können (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 08.08.2013, Az.: L 15 SB 146/13 B). Denkbar ist dies bei einem teilbaren Streitgegenstand (z. B. Höhe des Grads der Behinderung einerseits und Merkzeichen andererseits), wenn das Gutachten gemäß § 109 SGG nur für einen Teil des Streitgegenstands neue Erkenntnisse gebracht bzw. nur diesbezüglich zur Erledigung geführt hat, nicht aber für den anderen Teil des Streitgegenstands.

Auch kann über den Umfang der Kostenübernahme auf die Staatskasse keine Sanktionierung der Qualität eines Gutachtens in dem Sinn erfolgen, dass der Antragsteller die Kosten soweit selbst zu tragen hätte, als die Ausführungen des Sachverständigen bei der Erledigung nicht als zutreffende Bewertung zugrunde gelegt worden sind (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 08.08.2013, Az.: L 15 SB 146/13 B). Denn entscheidend ist allein, ob das Gutachten die Sachaufklärung objektiv wesentlich gefördert hat. Entscheidend ist daher auch nicht die alleinige Sichtweise des antragstellenden Beteiligten.

Ausnahmsweise kommt über die genannten Voraussetzungen hinaus eine Kostenübernahme auf die Staatskasse dann in Betracht, wenn das Gutachten für das Verfahren zwar nicht entscheidungserheblich geworden ist, dem Gutachtensauftrag gemäß § 109 SGG aber eine verfahrensrechtlich unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht vorausgegangen ist (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27.03.1985, Az.: L 3 Sb 65/84; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: L 9 B 146/03 KR; Beschluss des Senats vom 14.11.2012, Az.: L 15 SB 33/09).

Kommt es auf die Fragen, zu denen der gemäß § 109 SGG benannte Arzt Stellung nehmen soll, überhaupt nicht an, ist also von vornherein klar, dass ein Gutachten gemäß § 109 SGG keine entscheidungserheblichen Erkenntnisse liefern kann, hätte das Gericht die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG ablehnen oder zumindest den Antragsteller auf seine Bedenken hinsichtlich der fehlenden Entscheidungserheblichkeit hinweisen und damit dem Antragsteller die Gelegenheit geben müssen, sich zu überlegen, ob er wegen der ihm nunmehr bekannten Bedenken des Gerichts seinen Antrag gemäß § 109 SGG nicht besser zurückzieht (vgl. Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 16a). Macht dies das Gericht nicht, ist von einer verfahrensrechtlich objektiv unrichtigen Sachbehandlung auszugehen. Wird in einer solchen Konstellation der verfahrensrechtlich objektiv unrichtigen Sachbehandlung ein Gutachten gemäß § 109 SGG eingeholt, rechtfertigt dies regelmäßig eine Übernahme der Kosten für das Gutachten auf die Staatskasse, weil andernfalls der Antragsteller ein Kostenrisiko zu tragen hätte, das nicht vom Inhalt des eingeholten Gutachtens abhängt (vgl. Beschluss des Senats vom 14.11.2012, Az.: L 15 SB 33/09; Niesel, Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 6. Aufl. 2012, Rdnr. 273).

2. Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren

Der Senat hat mit Beschluss vom 19.12.2012, Az.: L 15 SB 123/12 B, - mit ausführlicher Begründung, umfassenden Erwägungen zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen und ausführlicher Auseinandersetzung mit anderslautender Rechtsprechung - erläutert, dass der Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren gemäß § 109 SGG - wie auch in anderen Beschwerdeverfahren - nicht insofern beschränkt ist, als nur eine eingeschränkte Nachprüfbarkeit durch das Beschwerdegericht dahingehend eröffnet wäre, ob die Voraussetzungen und die Grenzen des Ermessens richtig bestimmt und eingehalten worden sind. Vielmehr geht er von einer vollen Überprüfung und einer eigenen Ermessensentscheidung des Beschwerdegerichts aus. Im Rahmen der Beschwerdeentscheidung ist die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergegangen (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 21.10.2013, Az.: L 15 VK 13/13 B).

3. Entscheidung im vorliegenden Fall

Die Kosten für das Gutachten gemäß § 109 SGG sind auf die Staatskasse zu übernehmen, da dem Gutachten eine verfahrensrechtlich objektiv unrichtige Sachbehandlung durch das SG vorausgegangen ist.

3.1. Keine Entscheidungsrelevanz der im Gutachten gemäß § 109 SGG behandelten Fragestellung

Im vorliegenden Fall ist es überhaupt nicht auf die medizinisch zu beurteilende Frage der Kausalität zwischen Impfung und Gesundheitsschaden angekommen. Denn Streitgegenstand im Hauptsacheverfahren ist eine Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X gewesen, bei der eine erneute Prüfung mangels Vortrags neuer Tatsachen und unter Hinweis auf die Bestandskraft einer früheren Entscheidung vom dortigen Beklagten abgelehnt worden war.

Bei der Überprüfung derartiger Entscheidungen ist Folgendes zu beachten:

Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 77 SGG, wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.

Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).

Nicht Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese immer wieder zu Sachentscheidungen (deren Ergebnis wegen der bereits getroffenen Entscheidung absehbar ist) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand, der nicht nur Personal bindet, sondern auch Kosten verursacht, zu schützen.

Bei der oben genannten ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.

Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Systematik der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Denn mit der Differenzierung zwischen den aufgezeigten zwei Alternativen (unrichtige Rechtsanwendung einerseits und ursprünglich unrichtig zugrunde gelegter Sachverhalt andererseits) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass nicht in jedem Fall eine völlige Überprüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Verwaltung nicht durch aussichtslose Überprüfungsanträge, die beliebig oft wiederholt werden können, immer wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.1991, Az.: 9b RAr 7/90). Würde hingegen bereits im Rahmen der ersten Alternative eine umfassende Sachprüfung, d. h. mit einer umfassenden Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts, vorausgesetzt, so stünde dies im Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, für die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel vorausgesetzt wird. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zugrunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind. In dem Verfahren erfolgt eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit, zu der von Seiten des Antragstellers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss.

Für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).

Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen.

Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).

Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zugunsten des Antragstellers hinwegzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02; ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12).

Diesen Prüfungsmaßstab, den der Senat beispielsweise im Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, ausführlich dargestellt hat, hat das BSG, dessen Rechtsprechung zu § 44 SGB X nicht immer einheitlich ist (vgl. vorgenanntes Urteil des Senats vom 18.03.2013, dort Ziff. 3.3.1. der Gründe), ausdrücklich bestätigt, wenn es im Anschluss an das vorgenannte Urteil des Senats mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B, Folgendes ausgeführt hat:

„... Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG scheidet ebenfalls aus. ... Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG ... zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanz hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert.“

Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben hätte das SG keinerlei Ermittlungen hinsichtlich der Kausalität zwischen der Impfung und dem als Impfschaden geltend gemachten Gesundheitsschaden anstellen dürfen. Denn der Beklagte hatte eine erneute Sachprüfung mit Hinweis darauf, dass keine neuen Tatsachen vorgetragen worden seien, abgelehnt und sich auf die Bestandskraft seiner früheren, rechtskräftigen und ablehnenden Entscheidung berufen. Das SG hätte daher die Klage bereits nach Feststellung der Tatsache, dass der Beschwerdeführer zum Überprüfungsantrag keinerlei neuen Tatsachen vorgetragen hatte und dass die bestandskräftig gewordene Entscheidung, die bis hin zum BSG Bestand gehabt hatte, zutreffend war, abweisen müssen.

3.2. Verfahrensrechtlich objektiv unrichtige Sachbehandlung durch das SG

Das SG hat die Einholung des Gutachtens gemäß § 109 SGG weder abgelehnt noch zumindest den Beschwerdeführer vor Auftragserteilung darauf hingewiesen, dass dieses Gutachten nicht von Entscheidungsrelevanz werden könne. Dazu wäre es aber verfahrensrechtlich gehalten gewesen.

Das SG hätte die Einholung des Gutachtens gemäß § 109 SGG bei rechtlich zuzutreffender Würdigung des Sach- und Rechtsstands ablehnen können.

Der Senat kann dem SG nicht folgen, wenn dieses davon ausgeht, dass ein Ablehnungsgrund nach § 109 Abs. 2 SGG nicht gegeben gewesen wäre, und damit zum Ausdruck bringen will, dass es für das SG keine Möglichkeit gegeben hätte, dem Antrag gemäß § 109 SGG nicht zu folgen. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann ein Antrag gemäß § 109 SGG auch dann abgelehnt werden, wenn es auf die Frage, zu der der gemäß § 109 SGG benannte Arzt Stellung nehmen soll, überhaupt nicht ankommt (vgl. BSG, Urteile vom 14.03.1956, Az.: 9 RV 226/54, und vom 20.04.2010, Az.: B 1/3 KR 22/08; Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 10a.).

Das SG hat den Beschwerdeführer vor Erteilung des Gutachtensauftrags gemäß § 109 SGG nicht darauf hingewiesen, dass das Gutachten gemäß § 109 SGG nicht von rechtlicher Bedeutung für die zu treffende Entscheidung des Gerichts im Rahmen des Klageverfahrens sein könne, obwohl dies für das Gericht objektiv erkennbar gewesen wäre.

Sofern das SG im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen hat, dass das SG im Klageverfahren den Antrag des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers gemäß § 109 SGG nicht angeregt oder auf diese Möglichkeit nicht aufmerksam gemacht habe, kann damit die Ablehnung einer Kostenübernahme nicht begründet werden. Der Senat sieht grundsätzlich keinen Anlass, eine Kostenübernahme wegen objektiv unrichtiger Sachbehandlung von einem expliziten und unrichtigen Hinweis des Gerichts auf § 109 SGG abhängig zu machen. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - das SG durch die zuvor erfolgte Einholung eines Gutachtens von Amts wegen dem Beschwerdeführer den falschen Eindruck vermittelt hat, dass die vom Sachverständigen zu beantwortenden Fragen im Klageverfahren entscheidungserheblich wären, und den Beschwerdeführer dadurch dazu veranlasst hat, zur Wahrung seiner prozessualen Rechte und Möglichkeiten einen Antrag gemäß § 109 SGG zu stellen. Insofern liegt schon in der Einholung eines Gutachtens gemäß § 106 SGG eine objektiv unrichtige Sachbehandlung des Gerichts, die Anlass zu einem Antrag gemäß § 109 SGG gegeben hat.

3.3. Keine Verjährung oder Verwirkung

Daran, dass der Antrag auf Kostenübernahme gemäß § 109 SGG nicht verjährt oder verwirkt ist, bestehen nicht die geringsten Zweifel.

Eine Ausschlussfrist für diesen Antrag und damit faktisch eine Verjährung eines Kostenübernahmeanspruchs sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor (vgl. Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 16).

Wenn das SG auf den Gesichtspunkt der Verwirkung hinweist und damit zu erkennen gibt, dass ein Antragsrecht auf Kostenübernahme nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (entsprechend § 242 Bürgerliches Gesetzbuch) im extremen Ausnahmefall rechtsmissbräuchlich und damit verwirkt sein könnte, kann davon jedenfalls in der vorliegenden Konstellation keinesfalls ausgegangen werden. Es ist zwar richtig, dass die Einholung des Gutachtens gemäß § 109 SGG, für das jetzt die Kostenübernahme auf die Staatskasse begehrt wird, mehr als eineinhalb Jahrzehnte zurückliegt. Damit beginnt aber noch keine Verwirkungsfrist für den Kostenübernahmeantrag zu laufen. Denn zu berücksichtigen ist, dass bei der Entscheidung über die Kostenübernahme auch die Erkenntnisse einzufließen haben, die sich erst im anschließenden Berufungsverfahren ergeben haben (vgl. oben Ziff. 1.). Da das Verfahren in der Berufungsinstanz erst Ende letzten Jahres beendet worden ist und ein fundiert begründeter Kostenübernahmeantrag daher frühestens im November 2014 möglich war, liegt eine Verwirkung fern.

Es bestehen daher keine Zweifel daran, dass die Kosten des Gutachtens des Prof. Dr. S. auf die Staatskasse zu übernehmen sind.

Lediglich der Vollständigkeit halber, ohne dass dies für die Entscheidung noch von Bedeutung wäre, weist der Senat darauf hin, dass - jedenfalls aus Sicht des SG bei Erlass des Gerichtsbescheids vom 20.01.2000 - davon auszugehen wäre, dass das Gutachten gemäß § 109 SGG die Sachaufklärung objektiv wesentlich gefördert hat. Nicht von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass - worauf das SG im angefochtenen Beschluss hinweist - aus Sicht des Beschwerdeführers von einer wesentlichen Sachaufklärung nicht ausgegangen worden sein dürfte, was das SG ersichtlich darauf stützt, dass der Beschwerdeführer selbst versucht hat, eine gerichtliche Verwertung dieses für ihn negativen Gutachtens zu verhindern. Denn auf eine rein klägerische Sicht darf nicht abgestellt werden. Vielmehr ist, jedenfalls im Fall einer gerichtlichen Entscheidung, bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Sachaufklärung darauf abzustellen, ob das Gericht selbst durch das Gutachten gemäß § 109 SGG wesentliche neue Erkenntnisse gewonnen hat. Davon wäre im vorliegenden Fall auszugehen. Das SG hat sich in den kurzen allgemeinen Ausführungen in den Entscheidungsgründen seines Gerichtsbescheids vom 20.01.2000 gleichermaßen auf das Gutachten gemäß § 106 SGG als auch auf das gemäß § 109 SGG gestützt, was noch keinen Hinweis auf wesentlich neue Erkenntnisse des Gutachtens gemäß § 109 SGG liefert. Sofern aber daran anschließend in den Gründen des Gerichtsbescheids detaillierte Erläuterungen gegeben werden, sind diese Begründungen wortwörtlich dem Gutachten gemäß § 109 SGG entnommen und so oder in ähnlicher Weise im Gutachten gemäß § 106 SGG nicht enthalten. So finden sich die Formulierungen von Seite 9 des Gutachtens (dort ab Zeile drei bis zur viertletzten Zeile) exakt wieder auf Seite 6 des Gerichtsbescheids (dort erste bis letzte Zeile). Ganz offensichtlich war also das Gutachten gemäß § 109 SGG für das SG die wesentliche Entscheidungsgrundlage, nicht aber das Gutachten gemäß § 106 SGG.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG (vgl. Beschlüsse des Senats vom 09.02.2009, Az.: L 15 SB 12/09 B, und vom 12.03.2012, Az.: L 15 SB 22/12 B).

Diese Entscheidung ist gemäß § 177 SGG endgültig.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

I.

Der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 19. Dezember 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Kosten für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Herrn Prof. Dr. S. vom 25. Oktober 1999 werden auf die Staatskasse übernommen.

III.

Dem Beschwerdeführer sind die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

I.

In dem am Sozialgericht (SG) Augsburg unter dem Aktenzeichen S 11 VJ 1/97 anhängig gewesenen Rechtsstreit des Klägers und jetzigen Beschwerdeführers (im Folgenden: Beschwerdeführer) begehrte dieser die Anerkennung eines Impfschadens im Wege einer Entscheidung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Der Beklagte hatte dies mit Hinweis auf die Bestandskraft einer früheren negativen Entscheidung zur Anerkennung als Impfschaden abgelehnt (Bescheid vom 03.03.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.08.1997).

Zunächst erstellte der Neurologe und Psychiater Dr. H. unter dem Datum vom 04.02.1998 ein Gutachten, in dem er zu der Einschätzung kam, dass ein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen der beim Beschwerdeführer vorliegenden Hirnschädigung und der vom Beschwerdeführer als dafür ursächlich betrachteten Impfung nicht bestehe.

Nachdem das SG mit Schreiben vom 13.02.1998 mit Blick auf die negative Einschätzung des Sachverständigen die Klagerücknahme nahe gelegt hatte, wurde auf Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Kinderarzt Prof. Dr. S. mit einer weiteren Begutachtung beauftragt. Dieser kam in seinem Gutachten vom 25.10.1999 ebenfalls zu der Einschätzung, dass ein Impfschaden nicht vorliege.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2000 wies das SG die Klage ab. Es stützte sich dabei auf die „überzeugenden Gutachten seiner Sachverständigen Dr. H. und Prof. Dr. S.“ und bezeichnete beide Gutachten als in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Die Urteilsgründe entsprechen weitgehend den Ausführungen des gemäß § 109 SGG beauftragten Sachverständigen.

In dem sich anschließenden Berufungsverfahren (Aktenzeichen des Bayer Landessozialgerichts - LSG -: zunächst L 15 VJ 1/00, dann nach zwischenzeitlichem Ruhen L 15 VJ 1/10) wies der Berichterstatter des Bayer. LSG mit Schreiben vom 22.09.2014 darauf hin, dass der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 03.03.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.08.1997 den Überprüfungsantrag mit Hinweis auf die Bestandskraft der früheren Entscheidung und die Tatsache, dass im Überprüfungsverfahren keine neuen Tatsachen vorgetragen worden seien, zurückgewiesen habe, ohne erneut in die inhaltliche Prüfung der Kausalität eingestiegen zu sein. Dieser Aspekt sei in der Folge nicht ausreichend berücksichtigt worden; hierin liege aber das Kernproblem dieses Falls. Wenn sich das SG im angefochtenen Verfahren inhaltlich mit der medizinischen Frage der Kausalität befasst habe, gehe dies über den dem Gericht zustehenden Prüfungsrahmen hinaus. Das SG hätte diese Frage nicht prüfen dürfen. Wenn es dies trotzdem gemacht habe, erweitere dies nicht den Prüfungsumfang für das Berufungsgericht. Dass bislang im Berufungsverfahren ebenso wie beim SG in der Sache ermittelt worden sei, sei mit Blick auf die Verfahrensdauer und möglicherweise dadurch geweckte Hoffnungen bedauerlich.

Im Erörterungstermin vom 06.11.2014 wies Berichterstatter nochmals darauf hin, dass in diesem Verfahren keinerlei Ermittlungen zur Frage der Kausalität durch das SG erfolgen hätten dürfen. Anschließend ist vom Beschwerdeführer die Berufungsrücknahme erklärt worden.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 24.11.2014 hat der Beschwerdeführer beantragt, die Kosten für das Gutachten gemäß § 109 SGG auf die Staatskasse zu übernehmen. Diese Kosten seien auch dann durch die Staatskasse zu tragen, wenn das Gutachten zwar für den Ausgang des Rechtsstreits nicht von Bedeutung gewesen sei, die Einholung des Gutachtens aber auf einer verfahrensrechtlich unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht beruht habe. Dies sei ausweislich der Hinweise des Bayer. LSG im Schreiben vom 22.09.2014 und dem Protokoll aus der Sitzung vom 06.11.2014 der Fall.

Mit Beschluss vom 19.12.2014 hat das SG den Antrag auf Kostenübernahme auf die Staatskasse abgelehnt und dies wie folgt begründet: Das Gutachten gemäß § 109 SGG habe die Sachaufklärung wohl auch aus Klägersicht nicht wesentlich gefördert. Ob das SG in die Sachverhaltsermittlung einsteigen hätte dürfen, könne für die Entscheidung über die Kosten nach § 109 SGG dahinstehen. Denn das SG habe den Antrag des rechtsanwaltlich vertretenen Beschwerdeführers nicht angeregt oder darauf hingewiesen. Einer der Ablehnungsgründe nach § 109 Abs. 2 SGG liege nicht vor. Dass das SG dem nach Ansicht des Bayer. LSG nicht zielführenden Antrag des Beschwerdeführers stattgegeben habe, sei unschädlich. Denn es sei unerheblich, ob der Antrag aus verständigen Gründen gestellt worden sei. Zwar könne die Übernahme der Gutachterkosten angezeigt sein, wenn das Gericht im Zusammenhang mit der Beweiserhebung fehlerhaft gehandelt habe. Gründe hierfür seien jedoch nicht ersichtlich. Abschließend hat das SG darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Kostenerstattung zudem nach so langer Zeit verwirkt bzw. verjährt sein könnte.

Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 10.02.2015 Beschwerde eingelegt und diese ausführlich begründet.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Entscheidung des SG, die Kosten des Gutachtens gemäß § 109 SGG nicht auf die Staatskasse zu übernehmen, ist aufzuheben. Die Kosten für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten sind in vollem Umfang auf die Staatskasse zu übernehmen.

Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des (potentiell) Versorgungsberechtigten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann - wie dies im vorliegenden Fall auch erfolgt ist - gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten dafür vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts auch endgültig trägt. Eine „andere Entscheidung“ in diesem Sinn hat der Beschwerdeführer beim SG beantragt.

1. Kriterien für die Entscheidung über die Kostenübernahme

Die Entscheidung darüber, ob die Kosten eines gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse zu übernehmen sind, ist eine Ermessensentscheidung (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109, Rdnr. 16) des Gerichts, das das Gutachten angefordert hat (vgl. Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 18). Bei der Entscheidung über die Kostenübernahme auf die Staatskasse ist zu berücksichtigen, ob das Gutachten die Sachaufklärung objektiv wesentlich gefördert und somit Bedeutung für die gerichtliche Entscheidung oder den Ausgang des Verfahrens gewonnen hat (vgl. Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 16a). Entscheidend ist dabei, ob durch das Gutachten neue beweiserhebliche Gesichtspunkte zu Tage getreten sind oder die Beurteilung auf eine wesentlich breitere und für das Gericht und die Beteiligten überzeugendere Grundlage gestellt worden ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 07.04.2014, Az.: L 15 SB 198/13 B). Dabei genügt es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. Beschlüsse vom 28.09.2012, Az.: L 15 SB 293/11 B, und vom 26.04.2013, Az.: L 15 SB 168/12 B) nicht, dass ein Gutachten „die Aufklärung des Sachverhalts in objektiv sinnvoller Weise gefördert“ hat oder dass durch das Gutachten „entscheidungserhebliche Punkte des Sachverhalts weiter aufgeklärt werden“, wie manchmal formuliert wird (vgl. Kühl, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 109, Rdnr. 11, mit Verweis auf den Beschluss des Bayer. LSG vom 29.04.1964, Az.: L 18/Ko 60/63). Denn diese Voraussetzungen sind bei medizinischen Gutachten so gut wie immer gegeben. Nur eine wesentliche Förderung der Sachaufklärung kann zu einer Kostenübernahme führen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 21.10.2013, Az.: L 15 VK 13/13 B; Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 16a).

Geht das Hauptsacheverfahren in die Berufung, darf bei der Bewertung, ob das in der ersten Instanz eingeholte Gutachten gemäß § 109 SGG die Sachaufklärung objektiv wesentlich gefördert und somit Bedeutung für die gerichtliche Entscheidung oder den Ausgang des Verfahrens gewonnen hat, nicht allein auf das erstinstanzliche Verfahren abgestellt werden. Vielmehr ist das gesamte Verfahren, also auch das Berufungsverfahren in die Erwägungen einzubeziehen (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 13.08.2013, Az.: L 15 SB 153/13 B; Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 16a).

Nicht entscheidend ist, ob das Gutachten den Rechtsstreit in einem für den Antragsteller günstigen Sinn beeinflusst hat. Kein maßgeblicher Gesichtspunkt für eine Ermessensausübung im Sinn eines Antragsstellers ist es auch, wenn dieser nach Bestätigung der Ergebnisse, wie sie schon der von Amts wegen bestellte Sachverständige festgestellt hat, durch den gemäß § 109 SGG benannten Gutachter die Klage oder Berufung zurücknimmt. Denn mit der Kostenübernahme auf die Staatskasse bzw. der Ablehnung der Kostenübernahme darf keine Belohnung bzw. Sanktionierung eines bestimmten prozessualen Verhaltens erfolgen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 04.02.2013, Az. L 15 SB 8/12 B).

Eine nur teilweise Kostenübernahme ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber bei einem einheitlichen Streitgegenstand regelmäßig nicht sachgerecht (vgl. Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 16a). Sie wird daher überhaupt nur in seltenen Fällen in Betracht gezogen werden können (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 08.08.2013, Az.: L 15 SB 146/13 B). Denkbar ist dies bei einem teilbaren Streitgegenstand (z. B. Höhe des Grads der Behinderung einerseits und Merkzeichen andererseits), wenn das Gutachten gemäß § 109 SGG nur für einen Teil des Streitgegenstands neue Erkenntnisse gebracht bzw. nur diesbezüglich zur Erledigung geführt hat, nicht aber für den anderen Teil des Streitgegenstands.

Auch kann über den Umfang der Kostenübernahme auf die Staatskasse keine Sanktionierung der Qualität eines Gutachtens in dem Sinn erfolgen, dass der Antragsteller die Kosten soweit selbst zu tragen hätte, als die Ausführungen des Sachverständigen bei der Erledigung nicht als zutreffende Bewertung zugrunde gelegt worden sind (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 08.08.2013, Az.: L 15 SB 146/13 B). Denn entscheidend ist allein, ob das Gutachten die Sachaufklärung objektiv wesentlich gefördert hat. Entscheidend ist daher auch nicht die alleinige Sichtweise des antragstellenden Beteiligten.

Ausnahmsweise kommt über die genannten Voraussetzungen hinaus eine Kostenübernahme auf die Staatskasse dann in Betracht, wenn das Gutachten für das Verfahren zwar nicht entscheidungserheblich geworden ist, dem Gutachtensauftrag gemäß § 109 SGG aber eine verfahrensrechtlich unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht vorausgegangen ist (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27.03.1985, Az.: L 3 Sb 65/84; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: L 9 B 146/03 KR; Beschluss des Senats vom 14.11.2012, Az.: L 15 SB 33/09).

Kommt es auf die Fragen, zu denen der gemäß § 109 SGG benannte Arzt Stellung nehmen soll, überhaupt nicht an, ist also von vornherein klar, dass ein Gutachten gemäß § 109 SGG keine entscheidungserheblichen Erkenntnisse liefern kann, hätte das Gericht die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG ablehnen oder zumindest den Antragsteller auf seine Bedenken hinsichtlich der fehlenden Entscheidungserheblichkeit hinweisen und damit dem Antragsteller die Gelegenheit geben müssen, sich zu überlegen, ob er wegen der ihm nunmehr bekannten Bedenken des Gerichts seinen Antrag gemäß § 109 SGG nicht besser zurückzieht (vgl. Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 16a). Macht dies das Gericht nicht, ist von einer verfahrensrechtlich objektiv unrichtigen Sachbehandlung auszugehen. Wird in einer solchen Konstellation der verfahrensrechtlich objektiv unrichtigen Sachbehandlung ein Gutachten gemäß § 109 SGG eingeholt, rechtfertigt dies regelmäßig eine Übernahme der Kosten für das Gutachten auf die Staatskasse, weil andernfalls der Antragsteller ein Kostenrisiko zu tragen hätte, das nicht vom Inhalt des eingeholten Gutachtens abhängt (vgl. Beschluss des Senats vom 14.11.2012, Az.: L 15 SB 33/09; Niesel, Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 6. Aufl. 2012, Rdnr. 273).

2. Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren

Der Senat hat mit Beschluss vom 19.12.2012, Az.: L 15 SB 123/12 B, - mit ausführlicher Begründung, umfassenden Erwägungen zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen und ausführlicher Auseinandersetzung mit anderslautender Rechtsprechung - erläutert, dass der Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren gemäß § 109 SGG - wie auch in anderen Beschwerdeverfahren - nicht insofern beschränkt ist, als nur eine eingeschränkte Nachprüfbarkeit durch das Beschwerdegericht dahingehend eröffnet wäre, ob die Voraussetzungen und die Grenzen des Ermessens richtig bestimmt und eingehalten worden sind. Vielmehr geht er von einer vollen Überprüfung und einer eigenen Ermessensentscheidung des Beschwerdegerichts aus. Im Rahmen der Beschwerdeentscheidung ist die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergegangen (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 21.10.2013, Az.: L 15 VK 13/13 B).

3. Entscheidung im vorliegenden Fall

Die Kosten für das Gutachten gemäß § 109 SGG sind auf die Staatskasse zu übernehmen, da dem Gutachten eine verfahrensrechtlich objektiv unrichtige Sachbehandlung durch das SG vorausgegangen ist.

3.1. Keine Entscheidungsrelevanz der im Gutachten gemäß § 109 SGG behandelten Fragestellung

Im vorliegenden Fall ist es überhaupt nicht auf die medizinisch zu beurteilende Frage der Kausalität zwischen Impfung und Gesundheitsschaden angekommen. Denn Streitgegenstand im Hauptsacheverfahren ist eine Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X gewesen, bei der eine erneute Prüfung mangels Vortrags neuer Tatsachen und unter Hinweis auf die Bestandskraft einer früheren Entscheidung vom dortigen Beklagten abgelehnt worden war.

Bei der Überprüfung derartiger Entscheidungen ist Folgendes zu beachten:

Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 77 SGG, wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.

Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).

Nicht Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese immer wieder zu Sachentscheidungen (deren Ergebnis wegen der bereits getroffenen Entscheidung absehbar ist) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand, der nicht nur Personal bindet, sondern auch Kosten verursacht, zu schützen.

Bei der oben genannten ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.

Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Systematik der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Denn mit der Differenzierung zwischen den aufgezeigten zwei Alternativen (unrichtige Rechtsanwendung einerseits und ursprünglich unrichtig zugrunde gelegter Sachverhalt andererseits) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass nicht in jedem Fall eine völlige Überprüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Verwaltung nicht durch aussichtslose Überprüfungsanträge, die beliebig oft wiederholt werden können, immer wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.1991, Az.: 9b RAr 7/90). Würde hingegen bereits im Rahmen der ersten Alternative eine umfassende Sachprüfung, d. h. mit einer umfassenden Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts, vorausgesetzt, so stünde dies im Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, für die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel vorausgesetzt wird. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zugrunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind. In dem Verfahren erfolgt eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit, zu der von Seiten des Antragstellers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss.

Für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).

Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen.

Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).

Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zugunsten des Antragstellers hinwegzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02; ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12).

Diesen Prüfungsmaßstab, den der Senat beispielsweise im Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, ausführlich dargestellt hat, hat das BSG, dessen Rechtsprechung zu § 44 SGB X nicht immer einheitlich ist (vgl. vorgenanntes Urteil des Senats vom 18.03.2013, dort Ziff. 3.3.1. der Gründe), ausdrücklich bestätigt, wenn es im Anschluss an das vorgenannte Urteil des Senats mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B, Folgendes ausgeführt hat:

„... Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG scheidet ebenfalls aus. ... Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG ... zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanz hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert.“

Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben hätte das SG keinerlei Ermittlungen hinsichtlich der Kausalität zwischen der Impfung und dem als Impfschaden geltend gemachten Gesundheitsschaden anstellen dürfen. Denn der Beklagte hatte eine erneute Sachprüfung mit Hinweis darauf, dass keine neuen Tatsachen vorgetragen worden seien, abgelehnt und sich auf die Bestandskraft seiner früheren, rechtskräftigen und ablehnenden Entscheidung berufen. Das SG hätte daher die Klage bereits nach Feststellung der Tatsache, dass der Beschwerdeführer zum Überprüfungsantrag keinerlei neuen Tatsachen vorgetragen hatte und dass die bestandskräftig gewordene Entscheidung, die bis hin zum BSG Bestand gehabt hatte, zutreffend war, abweisen müssen.

3.2. Verfahrensrechtlich objektiv unrichtige Sachbehandlung durch das SG

Das SG hat die Einholung des Gutachtens gemäß § 109 SGG weder abgelehnt noch zumindest den Beschwerdeführer vor Auftragserteilung darauf hingewiesen, dass dieses Gutachten nicht von Entscheidungsrelevanz werden könne. Dazu wäre es aber verfahrensrechtlich gehalten gewesen.

Das SG hätte die Einholung des Gutachtens gemäß § 109 SGG bei rechtlich zuzutreffender Würdigung des Sach- und Rechtsstands ablehnen können.

Der Senat kann dem SG nicht folgen, wenn dieses davon ausgeht, dass ein Ablehnungsgrund nach § 109 Abs. 2 SGG nicht gegeben gewesen wäre, und damit zum Ausdruck bringen will, dass es für das SG keine Möglichkeit gegeben hätte, dem Antrag gemäß § 109 SGG nicht zu folgen. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann ein Antrag gemäß § 109 SGG auch dann abgelehnt werden, wenn es auf die Frage, zu der der gemäß § 109 SGG benannte Arzt Stellung nehmen soll, überhaupt nicht ankommt (vgl. BSG, Urteile vom 14.03.1956, Az.: 9 RV 226/54, und vom 20.04.2010, Az.: B 1/3 KR 22/08; Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 10a.).

Das SG hat den Beschwerdeführer vor Erteilung des Gutachtensauftrags gemäß § 109 SGG nicht darauf hingewiesen, dass das Gutachten gemäß § 109 SGG nicht von rechtlicher Bedeutung für die zu treffende Entscheidung des Gerichts im Rahmen des Klageverfahrens sein könne, obwohl dies für das Gericht objektiv erkennbar gewesen wäre.

Sofern das SG im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen hat, dass das SG im Klageverfahren den Antrag des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers gemäß § 109 SGG nicht angeregt oder auf diese Möglichkeit nicht aufmerksam gemacht habe, kann damit die Ablehnung einer Kostenübernahme nicht begründet werden. Der Senat sieht grundsätzlich keinen Anlass, eine Kostenübernahme wegen objektiv unrichtiger Sachbehandlung von einem expliziten und unrichtigen Hinweis des Gerichts auf § 109 SGG abhängig zu machen. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - das SG durch die zuvor erfolgte Einholung eines Gutachtens von Amts wegen dem Beschwerdeführer den falschen Eindruck vermittelt hat, dass die vom Sachverständigen zu beantwortenden Fragen im Klageverfahren entscheidungserheblich wären, und den Beschwerdeführer dadurch dazu veranlasst hat, zur Wahrung seiner prozessualen Rechte und Möglichkeiten einen Antrag gemäß § 109 SGG zu stellen. Insofern liegt schon in der Einholung eines Gutachtens gemäß § 106 SGG eine objektiv unrichtige Sachbehandlung des Gerichts, die Anlass zu einem Antrag gemäß § 109 SGG gegeben hat.

3.3. Keine Verjährung oder Verwirkung

Daran, dass der Antrag auf Kostenübernahme gemäß § 109 SGG nicht verjährt oder verwirkt ist, bestehen nicht die geringsten Zweifel.

Eine Ausschlussfrist für diesen Antrag und damit faktisch eine Verjährung eines Kostenübernahmeanspruchs sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor (vgl. Keller, a. a. O., § 109, Rdnr. 16).

Wenn das SG auf den Gesichtspunkt der Verwirkung hinweist und damit zu erkennen gibt, dass ein Antragsrecht auf Kostenübernahme nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (entsprechend § 242 Bürgerliches Gesetzbuch) im extremen Ausnahmefall rechtsmissbräuchlich und damit verwirkt sein könnte, kann davon jedenfalls in der vorliegenden Konstellation keinesfalls ausgegangen werden. Es ist zwar richtig, dass die Einholung des Gutachtens gemäß § 109 SGG, für das jetzt die Kostenübernahme auf die Staatskasse begehrt wird, mehr als eineinhalb Jahrzehnte zurückliegt. Damit beginnt aber noch keine Verwirkungsfrist für den Kostenübernahmeantrag zu laufen. Denn zu berücksichtigen ist, dass bei der Entscheidung über die Kostenübernahme auch die Erkenntnisse einzufließen haben, die sich erst im anschließenden Berufungsverfahren ergeben haben (vgl. oben Ziff. 1.). Da das Verfahren in der Berufungsinstanz erst Ende letzten Jahres beendet worden ist und ein fundiert begründeter Kostenübernahmeantrag daher frühestens im November 2014 möglich war, liegt eine Verwirkung fern.

Es bestehen daher keine Zweifel daran, dass die Kosten des Gutachtens des Prof. Dr. S. auf die Staatskasse zu übernehmen sind.

Lediglich der Vollständigkeit halber, ohne dass dies für die Entscheidung noch von Bedeutung wäre, weist der Senat darauf hin, dass - jedenfalls aus Sicht des SG bei Erlass des Gerichtsbescheids vom 20.01.2000 - davon auszugehen wäre, dass das Gutachten gemäß § 109 SGG die Sachaufklärung objektiv wesentlich gefördert hat. Nicht von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass - worauf das SG im angefochtenen Beschluss hinweist - aus Sicht des Beschwerdeführers von einer wesentlichen Sachaufklärung nicht ausgegangen worden sein dürfte, was das SG ersichtlich darauf stützt, dass der Beschwerdeführer selbst versucht hat, eine gerichtliche Verwertung dieses für ihn negativen Gutachtens zu verhindern. Denn auf eine rein klägerische Sicht darf nicht abgestellt werden. Vielmehr ist, jedenfalls im Fall einer gerichtlichen Entscheidung, bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Sachaufklärung darauf abzustellen, ob das Gericht selbst durch das Gutachten gemäß § 109 SGG wesentliche neue Erkenntnisse gewonnen hat. Davon wäre im vorliegenden Fall auszugehen. Das SG hat sich in den kurzen allgemeinen Ausführungen in den Entscheidungsgründen seines Gerichtsbescheids vom 20.01.2000 gleichermaßen auf das Gutachten gemäß § 106 SGG als auch auf das gemäß § 109 SGG gestützt, was noch keinen Hinweis auf wesentlich neue Erkenntnisse des Gutachtens gemäß § 109 SGG liefert. Sofern aber daran anschließend in den Gründen des Gerichtsbescheids detaillierte Erläuterungen gegeben werden, sind diese Begründungen wortwörtlich dem Gutachten gemäß § 109 SGG entnommen und so oder in ähnlicher Weise im Gutachten gemäß § 106 SGG nicht enthalten. So finden sich die Formulierungen von Seite 9 des Gutachtens (dort ab Zeile drei bis zur viertletzten Zeile) exakt wieder auf Seite 6 des Gerichtsbescheids (dort erste bis letzte Zeile). Ganz offensichtlich war also das Gutachten gemäß § 109 SGG für das SG die wesentliche Entscheidungsgrundlage, nicht aber das Gutachten gemäß § 106 SGG.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG (vgl. Beschlüsse des Senats vom 09.02.2009, Az.: L 15 SB 12/09 B, und vom 12.03.2012, Az.: L 15 SB 22/12 B).

Diese Entscheidung ist gemäß § 177 SGG endgültig.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen

1.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
2.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
3.
Leistungen zur Teilhabe an Bildung und
4.
Leistungen zur Sozialen Teilhabe.

(2) Leistungen nach Absatz 1 Nummer 1 bis 3 gehen den Leistungen nach Absatz 1 Nummer 4 vor.

(1) Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben können erbracht werden

1.
an schwerbehinderte Menschen
a)
für technische Arbeitshilfen (§ 19),
b)
zum Erreichen des Arbeitsplatzes (§ 20),
c)
zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz (§ 21),
d)
zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung (§ 22),
e)
(weggefallen)
f)
zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten (§ 24) und
g)
in besonderen Lebenslagen (§ 25),
2.
an Arbeitgeber
a)
zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen (§ 26),
b)
für Zuschüsse zu den Gebühren bei der Berufsausbildung besonders betroffener schwerbehinderter Jugendlicher und junger Erwachsener (§ 26a),
c)
für Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener (§ 26 b),
d)
für Prämien zur Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (§ 26c) und
e)
bei außergewöhnlichen Belastungen (§ 27),
3.
an Träger von Integrationsfachdiensten zu den Kosten ihrer Inanspruchnahme (§ 27a) einschließlich freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen zu den Kosten einer psychosozialen Betreuung schwerbehinderter Menschen (§ 28) sowie an Träger von Inklusionsbetrieben (§ 28a),
4.
zur Durchführung von Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen (§ 29).
Daneben können solche Leistungen unter besonderen Umständen an Träger sonstiger Maßnahmen erbracht werden, die dazu dienen und geeignet sind, die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Aufnahme, Ausübung oder Sicherung einer möglichst dauerhaften Beschäftigung) zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern.

(1a) Schwerbehinderte Menschen haben im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz.

(1b) Schwerbehinderte Menschen haben im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Berufsbegleitung nach § 55 Absatz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch.

(2) Andere als die in Absatz 1 bis 1b genannten Leistungen, die der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben nicht oder nur mittelbar dienen, können nicht erbracht werden. Insbesondere können medizinische Maßnahmen sowie Urlaubs- und Freizeitmaßnahmen nicht gefördert werden.

(1) Leistungen nach § 17 Abs. 1 bis 1b dürfen nur erbracht werden, soweit Leistungen für denselben Zweck nicht von einem Rehabilitationsträger, vom Arbeitgeber oder von anderer Seite zu erbringen sind oder, auch wenn auf sie ein Rechtsanspruch nicht besteht, erbracht werden. Der Nachrang der Träger der Sozialhilfe gemäß § 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und das Verbot der Aufstockung von Leistungen der Rehabilitationsträger durch Leistungen der Integrationsämter (§ 185 Absatz 6 Satz 2 letzter Halbsatz des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) und die Möglichkeit der Integrationsämter, Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben vorläufig zu erbringen (§ 185 Absatz 7 Satz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch), bleiben unberührt.

(2) Leistungen an schwerbehinderte Menschen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben können erbracht werden,

1.
wenn die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt und durch die Leistungen ermöglicht, erleichtert oder gesichert werden kann und
2.
wenn es dem schwerbehinderten Menschen wegen des behinderungsbedingten Bedarfs nicht zuzumuten ist, die erforderlichen Mittel selbst aufzubringen. In den übrigen Fällen sind seine Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen.

(3) Die Leistungen können als einmalige oder laufende Leistungen erbracht werden. Laufende Leistungen können in der Regel nur befristet erbracht werden. Leistungen können wiederholt erbracht werden.

Andere Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben als die in den §§ 19 bis 24 geregelten Leistungen können an schwerbehinderte Menschen erbracht werden, wenn und soweit sie unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern.

(1) Die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen

1.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
2.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
3.
Leistungen zur Teilhabe an Bildung und
4.
Leistungen zur Sozialen Teilhabe.

(2) Leistungen nach Absatz 1 Nummer 1 bis 3 gehen den Leistungen nach Absatz 1 Nummer 4 vor.

Für die Beschaffung technischer Arbeitshilfen, ihre Wartung, Instandsetzung und die Ausbildung des schwerbehinderten Menschen im Gebrauch können die Kosten bis zur vollen Höhe übernommen werden. Gleiches gilt für die Ersatzbeschaffung und die Beschaffung zur Anpassung an die technische Weiterentwicklung.

Schwerbehinderte Menschen können Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung vom 28. September 1987 (BGBl. I S. 2251) erhalten.

(1) Die Kraftfahrzeughilfe umfaßt Leistungen

1.
zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs,
2.
für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung,
3.
zur Erlangung einer Fahrerlaubnis.

(2) Die Leistungen werden als Zuschüsse und nach Maßgabe des § 9 als Darlehen erbracht.

(1) Zur Vermeidung besonderer Härten können Leistungen auch abweichend von § 2 Abs. 1, §§ 6 und 8 Abs. 1 erbracht werden, soweit dies

1.
notwendig ist, um Leistungen der Kraftfahrzeughilfe von seiten eines anderen Leistungsträgers nicht erforderlich werden zu lassen, oder
2.
unter den Voraussetzungen des § 3 zur Aufnahme oder Fortsetzung einer beruflichen Tätigkeit unumgänglich ist.
Im Rahmen von Satz 1 Nr. 2 kann auch ein Zuschuß für die Beförderung des behinderten Menschen, insbesondere durch Beförderungsdienste, geleistet werden, wenn
1.
der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug nicht selbst führen kann und auch nicht gewährleistet ist, daß ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt (§ 3 Abs. 1 Nr. 2), oder
2.
die Übernahme der Beförderungskosten anstelle von Kraftfahrzeughilfen wirtschaftlicher und für den behinderten Menschen zumutbar ist;
dabei ist zu berücksichtigen, was der behinderte Mensch als Kraftfahrzeughalter bei Anwendung des § 6 für die Anschaffung und die berufliche Nutzung des Kraftfahrzeugs aus eigenen Mitteln aufzubringen hätte.

(2) Leistungen nach Absatz 1 Satz 1 können als Darlehen erbracht werden, wenn die dort genannten Ziele auch durch ein Darlehen erreicht werden können; das Darlehen darf zusammen mit einem Zuschuß nach § 6 den nach § 5 maßgebenden Bemessungsbetrag nicht übersteigen. Das Darlehen ist unverzinslich und spätestens innerhalb von fünf Jahren zu tilgen; es können bis zu zwei tilgungsfreie Jahre eingeräumt werden. Auf die Rückzahlung des Darlehens kann unter den in Absatz 1 Satz 1 genannten Voraussetzungen verzichtet werden.

(1) Die Leistungen setzen voraus, daß

1.
der behinderte Mensch infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung zu erreichen, und
2.
der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug führen kann oder gewährleistet ist, daß ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt.

(2) Absatz 1 gilt auch für in Heimarbeit Beschäftigte im Sinne des § 12 Abs. 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, wenn das Kraftfahrzeug wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist, um beim Auftraggeber die Ware abzuholen oder die Arbeitsergebnisse abzuliefern.

(3) Ist der behinderte Mensch zur Berufsausübung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nicht nur vorübergehend auf ein Kraftfahrzeug angewiesen, wird Kraftfahrzeughilfe geleistet, wenn infolge seiner Behinderung nur auf diese Weise die Teilhabe am Arbeitsleben dauerhaft gesichert werden kann und die Übernahme der Kosten durch den Arbeitgeber nicht üblich oder nicht zumutbar ist.

(4) Sofern nach den für den Träger geltenden besonderen Vorschriften Kraftfahrzeughilfe für behinderte Menschen, die nicht Arbeitnehmer sind, in Betracht kommt, sind die Absätze 1 und 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs wird in der Regel als Zuschuß geleistet. Der Zuschuß richtet sich nach dem Einkommen des behinderten Menschen nach Maßgabe der folgenden Tabelle:

EinkommenZuschuß
bis zu v.H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuchin v.H des Bemessungsbetrags nach § 5
40100
4588
5076
5564
6052
6540
7028
7516

Die Beträge nach Satz 2 sind jeweils auf volle 5 Euro aufzurunden.

(2) Von dem Einkommen des behinderten Menschen ist für jeden von ihm unterhaltenen Familienangehörigen ein Betrag von 12 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch abzusetzen; Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Einkommen im Sinne der Absätze 1 und 2 sind das monatliche Netto-Arbeitsentgelt, Netto-Arbeitseinkommen und vergleichbare Lohnersatzleistungen des behinderten Menschen. Die Ermittlung des Einkommens richtet sich nach den für den zuständigen Träger maßgeblichen Regelungen.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für die Hilfe zur erneuten Beschaffung eines Kraftfahrzeugs. Die Hilfe soll nicht vor Ablauf von fünf Jahren seit der Beschaffung des zuletzt geförderten Fahrzeugs geleistet werden.

(1) Die Beschaffung eines Kraftfahrzeugs wird bis zu einem Betrag in Höhe des Kaufpreises, höchstens jedoch bis zu einem Betrag von 22 000 Euro gefördert. Die Kosten einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung bleiben bei der Ermittlung unberücksichtigt.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 wird im Einzelfall ein höherer Betrag zugrundegelegt, wenn Art oder Schwere der Behinderung ein Kraftfahrzeug mit höherem Kaufpreis zwingend erfordert.

(3) Zuschüsse öffentlich-rechtlicher Stellen zu dem Kraftfahrzeug, auf die ein vorrangiger Anspruch besteht oder die vorrangig nach pflichtgemäßem Ermessen zu leisten sind, und der Verkehrswert eines Altwagens sind von dem Betrag nach Absatz 1 oder 2 abzusetzen.

Für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung erforderlich ist, ihren Einbau, ihre technische Überprüfung und die Wiederherstellung ihrer technischen Funktionsfähigkeit werden die Kosten in vollem Umfang übernommen. Dies gilt auch für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung eines Dritten erforderlich ist, der für den behinderten Menschen das Kraftfahrzeug führt (§ 3 Abs. 1 Nr. 2). Zuschüsse öffentlich-rechtlicher Stellen, auf die ein vorrangiger Anspruch besteht oder die vorrangig nach pflichtgemäßem Ermessen zu leisten sind, sind anzurechnen.

Schwerbehinderte Menschen können Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung vom 28. September 1987 (BGBl. I S. 2251) erhalten.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen

1.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
2.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
3.
Leistungen zur Teilhabe an Bildung und
4.
Leistungen zur Sozialen Teilhabe.

(2) Leistungen nach Absatz 1 Nummer 1 bis 3 gehen den Leistungen nach Absatz 1 Nummer 4 vor.

Andere Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben als die in den §§ 19 bis 24 geregelten Leistungen können an schwerbehinderte Menschen erbracht werden, wenn und soweit sie unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.