Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 22. März 2019 - W 10 K 17.33732

bei uns veröffentlicht am22.03.2019

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzes und weiter hilfsweise die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes hinsichtlich Nigerias.

1. Der Kläger wurde nach eigenen Angaben am … … 1977 in Benin City in Nigeria geboren, ist Volkszugehöriger der Bini und gehört der religiösen Pfingstbewegung an. Er verließ nach eigenen Angaben am 3. September 2014 sein Herkunftsland und reiste über Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich am 7. Oktober 2014 in das Bundesgebiet ein.

Am 12. April 2016 beantragte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) Asyl.

In der persönlichen Anhörung am 28. September 2016 gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe nach dem Tod seines Vaters im Jahr 2013 seinen Namen geändert. Im Herkunftsland lebten seine drei Schwestern sowie ein Onkel väterlicherseits. Er habe 12 Jahre lang die Schule besucht und das Abitur abgeschlossen. Danach habe er drei Jahre lang Soziale Arbeit studiert, jedoch aufgrund seiner mentalen Erkrankung keinen Abschluss erworben. Bis zum Jahr 2010 habe er dann für einen Rechtsanwalt gearbeitet und anschließend bei einem Sportwettenbüro in Benin City.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe im Jahr 2013 seine Freundin S* … …, mit der er seit dem Jahr 2005 zusammen gewesen sei, im Schlaf erschossen. Er sei dann nackt auf die Straße gegangen und sehr glücklich gewesen. Er habe aber nicht gewusst, was er tue. Sein Vater und andere Menschen hätten ihn zum Nervenarzt geschickt. Dort habe er sich zwei Wochen lang aufgehalten. Die Familie seiner Freundin habe ihm Rache angekündigt und gesagt, er müsse auch sterben. Da sie nach ihm gesucht hätten, sei er nach Lagos geflohen. Er sei auch polizeilich gesucht worden. Er sei vom Krankenhaus aus geflohen. Angehörige seiner Freundin hätten dann an seiner Stelle seinen Vater getötet. Der Kläger habe dann ein Visum für Frankreich beantragt und dieses auch erhalten. Sein Leben sei in Nigeria nicht sicher gewesen. Er sei auch in Abuja gewesen und habe dort einen neuen Pass mit seinem geänderten Namen beantragt. Er habe ein gutes Leben gehabt und Geld verdient, aber dieser Vorfall sei sein Problem gewesen. Er sei seit 2003 in nervenärztlicher Behandlung gewesen, was seine Freundin nicht gewusst habe. Er habe die Behandlung jedoch im Jahr 2005 einmal unterbrochen. Er habe Spritzen und auch Tabletten erhalten. Die Polizei sei auch bei ihm zu Hause gewesen, er habe sich jedoch zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus befunden. Sein Vater habe den Polizisten nicht gesagt, wo sich der Kläger aufhalte. Der Mord an seiner Freundin sei am 18. September 2013 geschehen. Das Visum habe er in der französischen Botschaft in Lagos beantragt. Es habe drei Wochen nach dem Antrag im Juli 2014 gedauert. In der Zwischenzeit habe er sich in einem Hotel versteckt. Er habe nicht gearbeitet. Auf Frage, weshalb er nicht schon früher ausgereist sei, erklärte der Kläger, sein Onkel habe ihm geraten, zu warten. Sein Anwalt habe ihm das Geld von seinem Vater gegeben. Er habe vor der Beerdigung auf „Idin-Egbe“ gewartet. In der Zeit, in der er sich versteckt habe, habe nur seine Schwester einmal mit ihm gesprochen und ihm mitgeteilt, dass Leute nach ihm suchten. Den anderen Namen habe er aus Sicherheitsgründen angenommen. Auf Vorhalt, dass die Namensänderung ja auch in der Zeitung veröffentlicht worden sei, gab der Kläger an, die Polizei könnte das gewusst haben. Er sei nie direkt persönlich bedroht worden. Er habe auch nie sonstige Probleme mit Behörden, der Polizei oder sonstigen Gruppierungen gehabt.

Der Kläger legte eine eidesstattliche Versicherung seiner Schwester vor, welche sein Geburtsdatum, den Geburtsort sowie die fehlende Registrierung bestätigt, sowie die Urkunde der Namensänderung, datierend vom 8. August 2014 und ein Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 10. April 2006 an die Universität von Benin City betreffend eine Beurlaubung vom Studium aus gesundheitlichen Gründen. In der Bundesamtsakte befindet sich des Weiteren ein Ausschnitt aus dem Nigerian Observer vom 15. August 2014 mit der Bekanntmachung der Namensänderung des Klägers (Bl. 46 der BA-Akte). Eine ebenfalls in der Bundesamtsakte befindliche Kopie des Reisepasses des Klägers enthält ein Schengen-Visum für den Kläger mit dem Geltungszeitraum 22. Juli 2014 bis 21. Oktober 2014.

Des Weiteren befindet sich in der Akte ein an den behandelnden Nervenarzt in Deutschland gerichtetes schriftliches Attest des Psychiatric Hospital Uselu, Benin City, vom 10. Juni 2016, aus welchem hervorgeht, dass der Kläger sich dort erstmals am 19. September 2014 (sic!), handschriftlich korrigiert auf „2013“, und letztmalig am 28. August 2014 vorgestellt habe. Bei der Erstvorstellung sei er schlaflos, argwöhnisch, sehr gesprächig und sowohl körperlich als auch verbal aggressiv gewesen. Der Kläger habe von einer früheren Episode im Jahr 2003 berichtet. Bei der letztgenannten Vorstellung sei er seelisch stabil gewesen, die Medikation sei damals Olanzapin 10mg gewesen (Bl. 55 der BA-Akte).

Ein gegen den Kläger von der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Totschlags wurde mit Verfügung vom 6. Februar 2017 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, nachdem der Kläger sich in Untersuchungshaft über seinen Verteidiger dahingehend eingelassen hatte, es treffe nicht zu, dass er in Nigeria eine Freundin namens S* … … gehabt und diese erschossen habe. Seine entsprechenden Angaben in der persönlichen Anhörung beim Bundesamt seien frei erfunden gewesen. Er habe sich bewusst wahrheitswidrig der Tötung seiner Freundin bezichtigt, um nicht abgeschoben zu werden. Er habe gedacht, dass er in Deutschland bleiben könne und hier Asyl erhalte. Anderweitige Anhaltspunkte für die Begehung der vorgetäuschten Straftat ergaben sich im Ermittlungsverfahren nicht. Ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen Vortäuschens einer Straftat gemäß § 145d Abs. 1 Ziffer 1 StGB wurde gegen den Kläger eingeleitet (Bl. 59 ff. der BA-Akte).

Anlässlich einer Vorsprache bei der Zentralen Ausländerbehörde Unterfranken am 22. Februar 2017 räumte der Kläger ebenfalls ein, die Tötung seiner Freundin durch einen Kopfschuss frei erfunden zu haben, um sich davon Vorteile im Asylverfahren zu verschaffen. In Wahrheit sei sein Vater bei einer Secret Society gewesen. Nach seinem Tod hätten sie dem Toten Körperteile abgeschnitten und diese weitergegeben. Die Secret Society sei eine Gruppierung, bei der sein Vater Mitglied gewesen sei. Der Kläger habe auch Mitglied werden sollen, habe das jedoch nicht gewollt. Er habe Angst gehabt. Damit er fliehen könne, habe er behauptet, seine Freundin umgebracht zu haben. Sein Vater sei im Oktober 2013 gestorben. Den genauen Tag wisse er nicht. Zur Namensänderung habe er sich nach dem Tod seines Vaters entschlossen. Im Februar 2014 habe er den Reisepass auf seinen neuen Namen erhalten.

Mit rechtskräftig gewordenem Strafbefehl des Amtsgerichts A* … vom 9. März 2017 wurde der Kläger wegen Vortäuschens einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten auf Bewährung verurteilt.

Mit Bescheid vom 20. April 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1 des Bescheides), auf Asylanerkennung (Ziffer 2) sowie auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 3) ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4) und forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Nigeria zur Ausreise auf (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, gegen die vom Kläger beschriebene Flucht spreche u.a. die Visabeantragung bei einer europäischen Auslandsvertretung und die Ausstellung des Reisepasses nur wenige Wochen vor der angeblichen Flucht bzw. Ausreise. Es dränge sich der Eindruck auf, dass der Kläger eine gezielt und länger geplante Ausreise zur Emigration vorgenommen habe. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger in Nigeria nach eigenen Angaben eine gute wirtschaftliche Grundlage gehabt und studiert habe, erscheine es unglaubhaft, dass er diese offenbar sichere Existenz und seine gesamte Familie aufgrund nur unzureichender Informationen aufgegeben und sich einer höchst ungewissen Zukunft ausgesetzt haben wolle. Aus denselben Gründen lägen auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht vor. Auch zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die geltend gemachten Umstände gingen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner hinzunehmen hätten, die in vergleichbarer Situation lebten. Der Kläger habe keine individuellen Gefahren geltend gemacht. Er sei erwerbsfähig und es sei ihm auch gelungen, für sich in Nigeria eine Lebensgrundlage zu schaffen. Der Kläger habe zwar vorgetragen, in seiner Heimat wegen psychischer Probleme behandelt worden zu sein, konkrete Ausführungen über seine psychischen Beeinträchtigungen habe er jedoch nicht vorgetragen und auch keine entsprechenden fachärztlichen Atteste vorgelegt. Auf die Gründe des Bescheides wird im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

2. Am 2. Mai 2017 ließ der Kläger Klage erheben, die er mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2017 im Wesentlichen wie folgt begründete: Der Kläger leide an einer seelischen Krankheit (Psychose). Bei einer solchen Erkrankung seien Störungen des Denkens und der Wahrnehmung führend. Besonders charakteristisch seien Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Warnsymptome träten häufig in Form von Verfolgungswahn oder Beziehungswahn auf, bei denen der Betroffene Wahrnehmungen fälschlicherweise auf sich beziehe. Manche Betroffene hätten den Eindruck, dass die Umwelt nicht mehr real sei oder sie selber nicht die Person seien, die sie zu sein schienen, ferner dass die eigenen Gedanken auch von anderen wahrgenommen oder beeinflusst werden könnten (sog. Ich-Störungen). Die Denkstörungen zeigten sich häufig in der Form von Problemen im formalen Denkablauf, was als Unkonzentriertheit oder Verwirrtheit erscheinen möge. Häufig begleiteten Stimmungsschwankungen die psychotischen Symptome. Gerade dies führe dazu, dass der betroffene Kläger dies zunächst nicht realisiert habe. Des Weiteren sei die Kostenübernahme der Behandlung durch das Sozialamt problematisch gewesen. Am 3. November 2016 sei zunächst eine paranoide Schizophrenie, am 27. Januar 2017 dann eine bipolare affektive Störung diagnostiziert worden. Am 1. April 2017 sei neben einer Schizophrenie auch ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2 diagnostiziert worden. Mit Bescheid des Zentrums Bayern, Familie und Soziales vom 16. November 2017 sei als Grad der Behinderung 70% festgesetzt worden. Wie die Beklagte in ihrem Bescheid selbst ausführe, existiere in Nigeria kein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern es gebe allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht würden, aber nicht adäquat behandelt werden könnten. Schätzungen zufolge lebten rund 65% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze von 1 US-Dollar pro Tag, weshalb aufwendigere Behandlungsmethoden oder Medikamente, wie z.B. Insulin, von einem Großteil der Bevölkerung nicht finanziert werden könnten. Menschen mit Typ 2 Diabetes hätten ein erhöhtes Risiko für Herz- und Gefäßkrankheiten, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Probleme mit der Durchblutung der Beine und Füße (periphere arterielle Verschlusskrankheit, pAVK). Sie zählten zu den makrovaskulären Komplikationen des Diabetes. Das bedeute, dass die großen Blutgefäße betroffen seien. Dieses Risiko sei besonders bei einem zu hohen Blutdruck erhöht. Wenn das Blut über lange Jahre zu viel Zucker enthalte, könnten auch die kleinen Blutgefäße der Augen, Nerven und Nieren geschädigt werden. Der Gesundheitszustand würde sich rapide verschlechtern, wenn der Kläger in Nigeria keinen Zugang zu einer regelmäßigen Insulineinnahme habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. April 2017, Az.: …, zugestellt am 27. April 2016 (sic!), zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen von § 60 AufenthG vorliegen,

hilfsweise, dass die Voraussetzungen von § 60 Abs. 2 bis 5 und Abs. 5 AufenthG vorliegen.

3. Für die Beklagte beantragt das Bundesamt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2017 ausgeführt, die psychische Erkrankung sei bereits erfolgreich im Heimatland des Klägers behandelt worden. Es wurde aus dem von der Schwester des Klägers angeforderten ärztlichen Attest vom 10. Juni 2016 des Herrn Dr. I* … vom Psychiatrischen Krankenhaus in Benin zitiert. Daraus gehe hervor, dass der Kläger zuletzt am 28. August 2014 vorstellig geworden sei. Er sei mental stabil gewesen. Zur Behandlung habe er Olanzapin erhalten. Die weiter behaupteten Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 usw. seien bislang nicht fachärztlich belegt worden.

4. Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2018 wurde ein Medikationsplan für den Kläger vorgelegt, aus dem die Behandlung mit Insulin sowie Olanzapin hervorgeht. Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2018 ließ der Kläger erwidern, die seelische Erkrankung sei im Heimatland nicht ausreichend behandelt worden. Der Kläger sei stabilisiert und auf seinen Wunsch hin entlassen worden, damit er sich an seinem Wohnort in Behandlung begeben könne.

5. Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 25. Mai 2018, dass die im Feststellungsbescheid lediglich genannten Diagnosen nicht zu einer Abhilfeentscheidung führen könnten. Auf die bisherigen Stellungnahmen wurde verwiesen.

6. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2018 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit Schreiben vom 11. Februar 2019 setzte das Gericht dem Kläger eine Frist zur Vorlage weiterer fachärztlicher Atteste bis zum 15. März 2019.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. März 2019 legte der Kläger einen weiteren Medikamentenplan vor und machte Ausführungen zur Medikation, den damit verbundenen Kosten (monatlich 222,82 EUR) und der Zugänglichkeit der erforderlichen medizinischen Versorgung für den Kläger in Nigeria.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlungen auf die Protokolle vom 1. Februar und 22. März 2019.

Gründe

Die zulässige Klage, über die das Gericht auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandeln und entscheiden darf (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet.

Der Kläger hat weder Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter und Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes, noch auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote und Herabsetzung der Frist des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist daher insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Dem steht bereits entgegen, dass der Kläger aus mehreren sicheren Drittstaaten im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist (§ 26a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG).

2. Dem Kläger steht auch die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG nicht zu.

Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065, S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Die §§ 3 ff. AsylG setzen die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie - QRL, Amtsblatt-Nr. L 337, S. 9) im deutschen Recht um.

a) Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl. 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Die für eine Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsschutzes nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG relevanten Merkmale (Verfolgungsgründe) sind in § 3b Abs. 1 AsylG näher definiert. Gemäß § 3b Abs. 2 AsylG ist es bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Maßgeblich für die Beurteilung, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb des Heimatlandes befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der dem Maßstab des „real risk“, den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bei der Prüfung des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) anwendet (vgl. EGMR, U.v. 28.2.2008 - 37201/06, NVwZ 2008, 1330 Rn. 125 ff.; U.v. 23.2.2012 - 27765/09, NVwZ 2012, 809 Rn. 114), entspricht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist die Furcht des Ausländers begründet, wenn bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris Rn. 32; U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 14; VGH Baden-Württemberg, U.v. 3.11.2016 - A 9 S 303/15 -, juris Rn. 32 ff.; Niedersächsisches OVG, U.v. 21.9.2015 - 9 LB 20/14 -, juris Rn. 30).

Wurde der betroffene Ausländer bereits verfolgt oder hat er einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten bzw. war er von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht und weisen diese Handlungen und Bedrohungen eine Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund auf, greift zu dessen Gunsten die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Qualifikationsrichtlinie - QRL, Amtsblatt-Nr. L 337, S.9), wonach die Vorverfolgung bzw. Vorschädigung einen ernsthaften Hinweis darstellt, dass sich die Handlungen und Bedrohungen im Falle einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 15). Die Vorschrift privilegiert den betroffenen Ausländer durch eine widerlegliche Vermutung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Eine Widerlegung der Vermutung ist möglich, wenn stichhaltige Gründe gegen eine Wiederholung sprechen. Durch Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte davon befreit, stichhaltige Gründe dafür vorzubringen, dass sich die Bedrohungen erneut realisieren, wenn er in sein Heimatland zurückkehrt.

Dem Ausländer obliegt gleichwohl die Pflicht, seine Gründe für die Verfolgung schlüssig vorzutragen. Das bedeutet, dass ein in sich stimmiger Sachverhalt geschildert werden muss, aus dem sich bei Wahrunterstellung und verständiger Würdigung ergibt, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung droht. Dies beinhaltet auch, dass der Ausländer die in seine Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse, die geeignet sind, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen, wiedergeben muss (vgl. OVG Nordrhein - Westfalen, U.v. 2.7.2013 - A 9 S 303/15 -, juris Rn. 59 f. mit Verweis auf BVerwG, B.v. vom 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, InfAuslR 1989, 349 (juris Rn. 3 f.); B.v. 26.10.1989 - 9 B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38 (juris Rn. 8); B.v. 3.8.1990 - 9 B 45.90 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 225 (juris Rn. 2)).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen steht dem Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu, weil er auf zumutbaren internen Schutz bzw. auf eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG zu verweisen ist. Danach wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Der von dem Kläger zunächst in der Anhörung beim Bundesamt vorgetragene Sachverhalt der Tötung seiner Freundin und der daraus resultierenden Gefahren der Strafverfolgung, gegebenenfalls der Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe, ist nicht glaubhaft. Der Kläger hat selbst vor dem Bundesamt sowie im Zuge des gegen ihn im Bundesgebiet eingeleiteten Strafverfahrens eingeräumt, dass er diesen Sachverhalt erfunden habe, um sich Vorteile im Asylverfahren verschaffen.

Soweit der Kläger nunmehr vorträgt, er befürchte landesweite Verfolgung durch eine Geheimgesellschaft, welche versucht habe, ihn als Nachfolger seines verstorbenen Vaters zu rekrutieren, führt auch dieser Vortrag nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Zum einen hat das Gericht bereits erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieses Vortrags, da der Kläger ihn ohne ersichtlichen Grund zunächst verschwiegen und sein Asylbegehren mit einem völlig anderen, wie sich herausstellte frei erfundenen Vortrag zu begründen versuchte. Erst nachdem er erkannte, dass er sich mit dem ursprünglichen Vortrag einer Strafverfolgung auch im Bundesgebiet aussetzte, hat er diesen Vortrag widerrufen und stattdessen die Bedrohung durch die Geheimgesellschaft vorgetragen. Davon war in der ursprünglichen Anhörung beim Bundesamt jedoch keine Rede. Bereits dieser Umstand spricht gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrags, weil er zeigt, dass der Kläger bereit ist, seinen Vortrag situationsgerecht anzupassen.

Unabhängig davon teilt das Gericht jedoch nicht die Einschätzung des Klägers, er sei einer landesweiten Verfolgung durch die Geheimgesellschaft in Nigeria ausgesetzt. Dem Kläger steht in anderen Landesteilen Nigerias eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative (interner Schutz) i.S.d. § 3e Abs. 1 AsylG zur Verfügung. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln über die Lage im Bundesstaat Nigeria sowie einschlägiger Rechtsprechung besteht grundsätzlich in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Das Risiko, von potentiellen Verfolgern landesweit aufgefunden zu werden, ist gering, zumal Nigeria etwa 190 Millionen Einwohner hat, eine Fläche von 925.000 Quadratkilometer aufweist und dabei nicht über ein funktionsfähiges Meldesystem verfügt (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Nigeria, Stand: 7.8.2017, S. 49, 61). Die Freizügigkeit ist nicht eingeschränkt. Nach Art. 41 der Verfassung der Bundesrepublik Nigeria von 1999 steht es jedem Nigerianer frei, sich überall in Nigeria niederzulassen (vgl. VG Minden, U.v. 14.3.2017 - 10 K 2413/16.A - juris Rn. 15). Allerdings kann die Umsiedlung bzw. Niederlassung in einem anderen Landesteil mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich einzelne Personen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage, ethnischem Ressentiment und der Bedeutung familiärer Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es für viele Menschen schwer, an Orten ohne ein bestehendes soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: Oktober 2018, S. 16).

Von dem Kläger ist jedoch vernünftigerweise zu erwarten, dass er sich in einem anderen Landesteil Nigerias niederlässt. Der Kläger ist nach seinen eigenen, nicht weiter überprüfbaren Angaben im Bundesstaat Edo im südwestlichen Nigeria geboren und hat sich noch nie in einem anderen Landesteil aufgehalten. Dennoch würde ihm zumindest in einer nigerianischen Großstadt, beispielsweise in der Hauptstadt Lagos nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch die Geheimgesellschaft droht. Es ist dem Kläger auch zumutbar, sich dort niederzulassen, auch wenn er dort ohne nähere Ortskenntnisse zurechtkommen müsste. In Anbetracht der persönlichen Situation des Klägers geht das Gericht nicht davon aus, dass es diesen im Falle der Rückkehr nach Nigeria nicht möglich wäre, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Zum einen hat der Kläger eine gute Schulbildung (12 Jahre Schulbesuch mit dem Abschluss Abitur) und verfügt über Berufserfahrung als Rechtsanwaltsgehilfe sowie aufgrund seiner früheren Tätigkeit in einem Sportwettbüro. Zum anderen wäre der Kläger nach der Einschätzung des Gerichtes auch nicht völlig auf sich alleine gestellt, weshalb ihm trotz seiner depressiven Erkrankung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Leben unter unzumutbaren Bedingungen droht. Denn der Kläger verfügt noch über familiären Rückhalt in Nigeria. Dort leben eigenen Angaben zufolge noch ein Onkel sowie drei Schwestern, mit denen er auch noch in Kontakt steht. Dass diese Familienangehörigen auch bereit sind, den Kläger zu unterstützen, hat sich bereits dadurch gezeigt, dass eine seiner Schwestern ihm Unterlagen aus Nigeria hat zukommen lassen, insbesondere das Attest des Psychiatrischen Krankenhauses in Benin City. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass die noch lebenden Familienangehörigen den Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria auch weiter unterstützen würden. Außerdem ist der Kläger der Landessprache Englisch mächtig, dass er sich im Alltagsleben verständigen kann, was sich schon daran zeigt, dass die Anhörung beim Bundesamt in dieser Sprache ohne Probleme durchgeführt werden konnte. Es ist somit nicht ersichtlich, dass es dem Kläger gegebenenfalls mit familiärer Unterstützung nicht möglich sein wird, in einem anderen Landesteil Nigerias seinen Lebensunterhalt - wenn auch auf niedrigem Niveau - zu sichern.

Der Kläger hat in Nigeria auch keine landesweite Verfolgung wegen seiner Religionszugehörigkeit oder durch Anschläge von Islamisten (z.B. der islamistischen Terrororganisation Boko Haram) zu befürchten. Derartige Anschläge finden nicht landesweit statt, sondern hauptsächlich im Norden und Nordosten Nigerias, während es im Süden nur zu vereinzelten Anschlägen kommt (vgl. etwa Lagebericht, a.a.O., S. 5 und S. 10; OVG NRW, B.v. 14.7.2015 - 11 A 2515/14.A, B.v. 27.4.2015 - 11 A 2087/14.A - jeweils juris m.w.N.; VG Würzburg, U.v. 5.10.2018 - W 4 K 17.32551 - juris; VG München, U.v. 9.11.2018 - M 21 K 17.42545 - juris Rn. 29). Verfolgte Personen können, wie zahlreiche durch Islamisten wie die Terrorgruppe Boko Haram bedrohte Christen, in andere Landesteile umziehen. Sie sind dabei keinen besonderen Einschränkungen unterworfen. Zudem dominiert im Südwesten Nigerias, anders als z.B. im stark muslimisch geprägten Norden des Landes, keine bestimmte Religion. Zwar sind viele der dort lebenden Menschen Moslems oder praktizieren traditionelle Religionen. Daneben bekennt sich aber auch eine große Zahl der dort lebenden Menschen zum Christentum (vgl. dazu VG Minden, U.v. 14.3.2017 - 10 K 2413/16.A - juris Rn. 17 m.w.N.). Der Kläger würde somit als Christ zumindest im Südwesten Nigerias, der für ihn auch tatsächlich erreichbar sein wird, keiner religiösen Minderheit angehören. Es ist nicht ersichtlich, dass er dort aufgrund seiner Religionszugehörigkeit diskriminiert würde oder in anderer Weise gefährdet wäre. In den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln, vor allem in dem Bericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Bundesrepublik Nigeria finden sich zudem keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass für Christen im Südwesten des Landes in absehbarer Zeit eine ähnlich bedrohliche Situation entstehen könnte wie in anderen Landesteilen. Die südwestlichen Bundesstaaten sind bislang von den regelmäßig im Norden bzw. Nordosten Nigerias vorkommenden Angriffen der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram ebenso weitgehend verschont geblieben wie von (sonstigen) religiös motivierten Auseinandersetzungen größeren Ausmaßes. In der Region gibt es seit Jahrhunderten ein friedliches Zusammenleben zwischen Christen und Moslems. Mischehen zwischen Angehörigen beider Religionen sind häufig (vgl. zu allem VG Minden, U.v. 14.3.2017 - 10 K 2413/16.A - Rn. 20 ff.; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, a.a.O., S. 13 f.; EASO, Country of Origin Report, Nigeria - Country Focus, June 2017, S. 53).

3. Dem Kläger steht des Weiteren die begehrte Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG nicht zu.

a) § 4 Abs. 1 AsylG setzt die Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 304 v. 30.9.2004, S. 2 - 2, ABl. L 304 v. 30.9.2004, S. 12 - 23) - Qualifikationsrichtlinie a.F. (QRL), jetzt Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, ber. ABl. 2017 L 167 S. 58) -, insbesondere deren Art. 15 ff. im deutschen Recht um. Diese bilden nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes - zu den Vorläuferregelungen des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG - einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14/10 - DVBl. 2011, 1565 f.; BayVGH, U.v. 20.1.2012 - 13a B 11.30427 - juris). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

b) Dem Kläger droht in Nigeria nicht die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe wegen der angeblichen Tötung seiner Freundin (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG). Denn er hat im Zuge des Asyl- und Strafverfahrens eingeräumt, dass er seinen diesbezüglichen Vortrag frei erfunden hat, um sich Vorteile im Asylverfahren zu verschaffen.

c) Dem Kläger droht im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit die Gefahr eines ernsthaften Schadens durch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2.) zum internen Schutz gemäß § 3e AsylG verwiesen, der gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG auch im Rahmen der Zuerkennung des subsidiären Schutzes Anwendung findet.

4. Außerdem steht dem Kläger kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG zu.

a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Aus § 60 Abs. 5 AufenthG folgt, dass ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes besteht, wenn dem Kläger im Zielstaat der Abschiebung eine solche verbotene Behandlung mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit (real risk) droht.

(1) Wie ausgeführt, droht dem Kläger jedenfalls keine landesweite Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung im Sinne des Art. 3 EMRK. Vielmehr steht ihm in anderen Landesteilen Nigerias eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, welche nicht nur gemäß §§ 3e, 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes, sondern auch der Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG entgegensteht (BayVGH, U.v. 17.7.2018 - 20 B 17.31659 - juris Rn. 36; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 60 AufenthG Rn. 2). Auf die Ausführungen hierzu unter 2.) wird verwiesen.

(2) Des Weiteren folgt aus der EMRK kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (vgl. BVerwG; U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 Nr. 8319/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich - NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - juris Rn. 17 f.). Von einer derart ernsthaften Versorgungslage in Nigeria kann jedoch keine Rede sein. Nigerias Haupteinnahmequelle stammt mit etwa 80% der Gesamteinnahmen aus der Öl- und Gasförderung. Zudem sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet. Die Industrie (Zentren im Südwesten, Südosten und Norden) leidet an Energiemangel und an Defiziten bei der Infrastruktur. Weiterhin leben ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum. Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner betrug im Jahr 2016 nach Angaben der Weltbank 2.178,00 US-Dollar, ist aber ungleichmäßig zwischen einer kleinen Elite und der Masse der Bevölkerung verteilt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 23). Im Gegensatz zum Nordosten Nigerias, wo wegen der anhaltenden Sicherheitsgefährdungen eine humanitäre Krisenlage besteht und etwa 5,2 Millionen Menschen zeitweise auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen waren (vgl. Lagebericht, a.a.O., S. 10/11), ist daher die wirtschaftliche Lage im Südwesten des Landes wesentlich entspannter. Somit ist zwar die wirtschaftliche und soziale Lage in Nigeria insgesamt schwierig und den vorhandenen sozialen Netzwerken sowie familiären Bindungen kommt eine hohe Bedeutung bei der Sicherung des Lebensunterhalts zu (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts, a.a.O., S. 18). Das erkennende Gericht hat aber, wie ausgeführt, keine durchgreifenden Zweifel daran, dass dem Kläger im Anschluss an eine Rückkehr in die Bundesrepublik Nigeria gegebenenfalls mit familiärer Unterstützung die Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz möglich sein wird. Erforderlich und ausreichend ist insoweit, dass er durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt Notwendige erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, die nicht den überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - NVwZ 2007, 590; OVG NRW, U.v. 17.11.2008 - 11 A 4395/04.A - juris Rn. 47). Es ist nicht feststellbar, dass der Kläger eine diesen Anforderungen genügende Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nicht vorfinden bzw. nicht nutzen können wird. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2.) verwiesen, um eine nochmalige Wiederholung zu vermeiden.

b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

(1) Hinsichtlich krankheitsbedingter Gefahren für Leib oder Leben werden die Voraussetzungen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes durch die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG konkretisiert. Danach liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Dabei ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Des Weiteren liegt eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Die Sätze 2 bis 4 des § 60 Abs. 7 AufenthG wurden durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I, S. 390 - sogenanntes Asylpaket II), in Kraft getreten am 17. März 2016, neu gefasst. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/7538, S. 18) können lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern. Damit gibt der Gesetzgeber im Wesentlichen den Stand der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der bis zum In-Kraft-Treten der Neuregelung geltenden Fassung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG a.F. wieder (vgl. Koch in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 19. Edition 15.8.2016, § 60 AufenthG Rn. 40). Danach ist erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 - juris Rn. 15). Letzteres hat der Ausländer durch die Vorlage eines aussagekräftigen (fach-)ärztlichen Attestes glaubhaft zu machen.

An die Substantiierung von Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet sind dabei wegen der erhöhten Missbrauchsgefahr strenge Anforderungen zu stellen. Nach ständiger Rechtsprechung muss daher ein solches fachärztliches Attest gewissen Mindestanforderungen genügen. Dazu gehört, dass sich aus dem Attest nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Diagnose gelangt ist und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss geben über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben (BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 8.07 - juris Rn. 15; U.v. 11.9.2007 - 10 C 17.07 - juris Rn. 15). Ein solches Attest hat der Kläger trotz gerichtlicher Aufforderung mit Fristsetzung bis zur mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 2 AsylG) nicht vorgelegt. Vorgelegt wurden vielmehr lediglich Medikationspläne, aus welchen lediglich hervorgeht, dass der Kläger neben Medikamenten zur Behandlung seines Diabetes mellitus und der Folgeerkrankungen auch Medikamente zur Behandlung von Krankheitsformen des psychiatrischen Fachgebietes einzunehmen hat.

Des Weiteren geht das Gericht davon aus, dass dem Kläger in Anbetracht seiner persönlichen Umstände, insbesondere des vorhandenen familiären Rückhalts, eine dem maßgeblichen Standard in seinem Herkunftsland (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG) entsprechende Behandlung seiner Erkrankungen zugänglich wäre und dass er sich auch die notwendigen Medikamente beschaffen könnte.

Zwar liegt das nigerianische Gesundheitssystem nach manchen Stellungnahmen sogar noch unter dem afrikanischen Durchschnitt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nigeria: Behandlung von psychischen Erkrankungen, Auskunft der Länderanalyse, 10.11.2017, S. 2 ff.), wenngleich in den letzten Jahren deutliche Fortschritte erzielt worden sein sollen, welches insbesondere auf die Zunahme der Anzahl privater Praxen und Kliniken mit gut ausgebildeten Ärzten zurückgeführt wird (Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand 10.12.2018, S. 22). Signifikant für den schlechten Versorgungsstandard ist, dass Nigeria im Jahr 2015 in der weltweiten Bewertung der Gesundheitssysteme durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den viertletzten Platz (197 von 200) einnahm (Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O.) Zum einen bestehen hinsichtlich der Zugänglichkeit der Versorgung große Unterschiede zwischen vermögenden und weniger vermögenden Personen, zum anderen erhalten die meisten Personen - selbst bei Zahlungsfähigkeit - nicht die benötigten Gesundheitsdienstleistungen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O.). Das staatliche Gesundheitssystem ist bei einem jährlichen Anteil von fünf bis sechs Prozent des Staatshaushaltes (Stand 2015) chronisch unterfinanziert, weshalb Korruption dort weit verbreitet ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O., S. 3 ff.). Des Weiteren können Streiks in öffentlichen Krankenhäusern die Versorgung zusätzlich einschränken (Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O., S. 4). Nigeria kennt keinen umfassenden Krankenversicherungsschutz, welcher die erforderliche medizinische Versorgung auch im Falle von Erwerbs- bzw. Vermögenslosigkeit abdeckt. Die bestehende allgemeine Kranken- und Rentenversicherung greift nur für Beschäftigte im sog. formellen Sektor (d.h. demjenigen Teil der Volkswirtschaft, welcher im Gegensatz zur informellen Wirtschaft durch formalisierte Beschäftigungsverhältnisse geprägt ist, also statistisch - im Bruttoinlandsprodukt - und steuermäßig erfasst wird und in den Geldkreislauf eingebunden ist). Die meisten Nigerianerinnen und Nigerianer arbeiten hingegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor (Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, a.a.O.; Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O., S. 4 ff.), weshalb ihnen eine Krankenversicherung nicht zugänglich ist. Leistungen der Krankenversicherung kommen damit nur etwa 10% der Bevölkerung Nigerias zugute (Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, a.a.O.). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor, allerdings in der Regel unter europäischem Standard. Es bestehen sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden. Auch in staatlichen Krankenhäusern müssen die Behandlungen jedoch selbst bezahlt werden (Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, a.a.O.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O., S. 4 ff.).

Hinsichtlich der Versorgung psychisch Kranker ergibt sich aus den Erkenntnisquellen zunächst, dass der Anteil der Psychiater/innen an der Gesamtzahl der Ärzte in Nigeria gering ist. Demnach kam im Jahr 2014 ein Psychiater auf eine Million Menschen (Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O., S. 8). Der Zugang psychisch kranker Personen zur medizinischen Versorgung und die Verbesserung der geistigen Gesundheit werden durch die Wahrnehmung solcher Erkrankungen in der nigerianischen Gesellschaft erheblich erschwert. Psychisch Kranke werden stigmatisiert, weil derartige Erkrankungen auf den Einfluss übernatürlicher Kräfte bzw. darüber verfügender Wesen wie Hexen oder Geister zurückgeführt oder als gottgegeben angesehen werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O.). Demzufolge werden psychisch Kranke pauschal als gefährlich, verdächtig, instabil, unzuverlässig und selbstmordgefährdet wahrgenommen (Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O.). Behandlungen durch traditionelle und religiöse Heiler sind üblich und werden von Betroffenen teils aus Unwissen, teils wegen der hohen Kosten einer professionellen Behandlung bevorzugt (Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O., S. 9). Grundsätzlich können psychische Erkrankungen sowohl in öffentlichen als auch privaten Gesundheitseinrichtungen, beispielsweise im „Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba“ in Lagos als erster Anlaufstelle für Rückkehrer, behandelt werden (Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, a.a.O. S. 22; Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O.). Auch in staatlichen Krankenhäusern müssen die Behandlungen jedoch selbst bezahlt werden. Ein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen existiert in Nigeria nicht, öffentliche Krankenhäuser sind allenfalls „Verwahranstalten auf sehr niedrigem Niveau“, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, aber nicht adäquat behandelt werden (Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria a.a.O.). Nach einer einschlägigen Studie werden in Nigeria lediglich sechs Prozent aller Personen, die an einer Depression erkranken, im ersten Jahr nach Beginn der Krankheit behandelt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nigeria: Psychiatrische Versorgung, 22.1.2014, S. 6). Psychische Krankheiten sind oftmals langwierig und die betroffenen Personen sind auf eine regelmäßige und langdauernde Behandlung angewiesen. Dies gilt insbesondere bei chronischen Erkrankungen. Die staatliche Krankenversicherung deckt Kosten für psychiatrische Behandlungen nicht ab (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nigeria: Behandlung von psychischen Erkrankungen, 10.11.2017, S. 10). Psychopharmaka sollen nach Informationen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a.a.O., S. 10) nur in privaten Apotheken erhältlich sein.

Auch die Medikamentenversorgung ist nicht frei von Mängeln. Zwar gibt es in Nigeria fast alle geläufigen Medikamente zu kaufen, die Qualität der auf dem freien Markt verfügbaren Produkte ist jedoch zweifelhaft, da viele Fälschungen im Umlauf sind. Entscheidend ist jedoch wie auch bei der sonstigen medizinischen Versorgung, ob der Patient die benötigten Medikamente bezahlen kann (Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, a.a.O.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O. S. 3, 4). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient muss sich daher, auch im Krankenhaus, die erforderlichen Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O.).

In Anbetracht der persönlichen Umstände des Klägers ist jedoch davon auszugehen, dass dieser sich gegebenenfalls mit Unterstützung seiner Familienangehörigen die notwendigen Medikamente beschaffen könnte. Die Diabetes Mellitus Typ 2 ist in Nigeria eine weit verbreitete Krankheit, die wohl schon als Volkskrankheit bezeichnet werden kann (so ausdrücklich VG München, U.v. 23.11.2018 - M 21 K 17.42562 - juris). Sie ist, einschließlich erforderlicher Laborkontrollen, in Nigeria behandelbar (VG München, U.v. 31.1.2013 - M 21 K 11.30051 - juris; VG Oldenburg, U.v. 1.12.2015 - 3 A 444/11 - juris; VG Augsburg, U.v. 5.12.2017 - Au 7 K 17.35152 - juris). Wegen seiner psychischen Erkrankung wurde der Kläger bereits einmal vor seiner Ausreise aus Nigeria in einem Krankenhaus in Benin City erfolgreich behandelt, wie aus der vorgelegten Bescheinigung des Psychiatric Hospital Uselu, Benin City, vom 10. Juni 2016 hervorgeht. Nach den vorstehenden Erkenntnissen über die medizinische Versorgung psychisch Kranker in Nigeria muss der Kläger folglich in der Lage gewesen sein, diese Behandlung selbst zum finanzieren, bzw. es müssen Familienangehörige oder Dritte dafür aufgekommen sein. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dies im Falle der Rückkehr des Klägers gegebenenfalls nicht mehr der Fall sein sollte.

(2) Ein Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger auch nicht aus einer extremen Gefahrenlage in Nigeria.

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein und in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.

Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung stellen die nach den eingeführten Erkenntnisquellen problematische Sicherheitslage in Teilen des Bundesstaates Nigeria sowie die unzureichende Versorgungslage in Nigeria allgemeine Gefahren dar, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Nigeria erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1 m.w.N. = juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alledem BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 - BVerwGE 137, 226 = juris). Eine derart extreme Gefahrenlage liegt für den Kläger in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen nicht vor. Wie ausgeführt, hat das Gericht keine Zweifel daran, dass es dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria, gegebenenfalls mit familiärer Unterstützung, möglich sein wird, sich jedenfalls eine bescheidene wirtschaftliche Existenz aufzubauen.

5. Liegen nach alledem keine Abschiebungsverbote vor, bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung Nigeria im Hinblick auf §§ 34 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.

6. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Änderung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 AufenthG. Er hat keine persönlichen Bindungen im Bundesgebiet vorgetragen, aus denen sich die Unangemessenheit der von der Beklagten gesetzten Frist ergeben könnte.

7. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16a


(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3a Verfolgungshandlungen


(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3e Interner Schutz


(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3b Verfolgungsgründe


(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen: 1. der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;2. der Begrif

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3d Akteure, die Schutz bieten können


(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden 1. vom Staat oder2. von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,sofern sie willens und in d

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 26a Sichere Drittstaaten


(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 1 Geltungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen: 1. Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder2. internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vo

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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 22. März 2019 - W 10 K 17.33732 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 22. März 2019 - W 10 K 17.33732 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht München Urteil, 09. Nov. 2018 - M 21 K 17.42545

bei uns veröffentlicht am 09.11.2018

Tenor I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Tatbestand Der Kläger, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnac

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 17. Juli 2018 - 20 B 17.31659

bei uns veröffentlicht am 17.07.2018

Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. September 2017 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2014 - 13a B 14.30284

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Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 3 und Aufhebung von Nummer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. Septe

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 05. Dez. 2017 - Au 7 K 17.35152

bei uns veröffentlicht am 05.12.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen die Ablehnung ihre

Verwaltungsgericht München Urteil, 23. Nov. 2018 - M 21 K 17.42562

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Tatbestand Die Klägerin, die bislang

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 03. Nov. 2016 - A 9 S 303/15

bei uns veröffentlicht am 03.11.2016

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. April 2014 - A 1 K 2662/13 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.Die Rev

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 14. Juli 2015 - 11 A 2515/14.A

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Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1G r ü n d e : 2Der Antrag hat keinen Erfolg. 31. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) w

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 08. Sept. 2011 - 10 C 14/10

bei uns veröffentlicht am 08.09.2011

Tatbestand 1 Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren. 2

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(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:

1.
Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder
2.
internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; § 104 Absatz 9 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht für heimatlose Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 243-1, veröffentlichten bereinigten Fassung in der jeweils geltenden Fassung.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. April 2014 - A 1 K 2662/13 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Der nach seinen Angaben am ...1995 in El Aaiún (Laâyoune; Ajun) geborene Kläger stammt aus dem von Marokko verwalteten Territorium Westsahara und gehört der Volksgruppe der Saharaui (Sahraoui) an. Er ist ledig, muslimischen Glaubens und spricht Arabisch sowie etwas Spanisch und Deutsch. Vor seiner Ausreise lebte er in El Aaiún. Er wurde nach seiner auf dem Landweg erfolgten Einreise nach Deutschland im Herbst 2011 behördlich erfasst.
Am 07.12.2011 beantragte er seine Anerkennung als Asylberechtigter. Bei der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 18.04.2013 gab er an, er habe bis zur Ausreise im Dezember 2010 in seinem Geburtsort gelebt, wo er auch sechs Jahre lang die Schule besucht habe. Auf einem Platz bei seiner Heimatstadt (Camp Kdemizi) habe eine Art Dauerdemo stattgefunden. Sie hätten dort ausharren wollen, bis ihre Rechte vom marokkanischen Staat anerkannt würden. Ihr Vorbild seien die Aufstände in den anderen arabischen Staaten wie Tunesien und Ägypten gewesen. Über Mundpropaganda seien die Jugendlichen mit ihren Freunden und Bekannten zusammen gekommen und hätten ihr Zelt dort im Lager aufgeschlagen. Es seien etwa 800 Personen gewesen. Sie hätten Transparente hochgehalten, auf denen sie ihr Recht auf Schulausbildung, arbeitsgerechte Bezahlung und anderes gefordert hätten. Wenn man kein Geld habe, könne man seine Kinder nicht zur Schule schicken. Es herrsche auch viel Korruption. Wenn eine Versammlung länger als 40 Tage dauere, seien die Vereinten Nationen beziehungsweise deren Hilfsorganisationen für die Verwaltung solcher Lager zuständig. Aus diesem Grund hätten die marokkanischen Behörden alles daran gesetzt, ihre Versammlung vorher aufzulösen. Gegen 4 Uhr morgens seien sie von den Sicherheitskräften im Lager angegriffen worden. Diese hätten das ganze Lager umzingelt und nur eine Lücke gelassen, um in Richtung Stadt zu fliehen. Sie hätten Wasserwerfer eingesetzt und die Demonstranten mit Schlagstöcken malträtiert. Für den marokkanischen Staat sei die Lage sehr unangenehm gewesen, da mehrere Fernsehsender da gewesen seien, wie zum Beispiel Al Djazeera oder das spanische Fernsehen. Die Regierung habe das Lager um jeden Preis auflösen wollen. Sie hätten nicht kontrollieren, sondern Leute verhaften und vertreiben wollen, und das sei ihnen gelungen. Die Demonstranten seien gefilmt worden, und viele Häuser seien danach durchsucht worden. Bei ihm zu Hause seien sie auch gewesen. Die Polizei habe ihr Lager vor dem Camp aufgeschlagen und habe die Demonstranten beobachtet. Zwei Tage vor dem Eingriff sei ein 14 Jahre altes Kind im Lager getötet worden. Der Junge sei von einem Polizisten erschossen worden, mit dem er Streit gehabt habe. Zu dem Streit sei es gekommen, weil die marokkanischen Sicherheitskräfte die Leute nie respektierten, und das habe sich der Junge nicht gefallen lassen. Es sei daraufhin zu Tumulten gekommen, weil die Menge aufgebracht gewesen sei; das Ganze sei auch gefilmt worden. Viele seien getötet, andere verhaftet worden und wiederum andere hätten fliehen können, so wie er. Er sei zuerst nach Hause gegangen, und als es hell geworden sei, habe er seine Koffer gepackt und sei nach Mauretanien gefahren. Dort habe er sich fünf Monate lang bei einem Onkel in Nouakchott aufgehalten; danach sei er drei Monate lang bei seinem Bruder in Annaba in Algerien gewesen. Von dort aus sei er über Tunesien mit dem Frachtschiff nach Italien gefahren. Sein Bruder habe ihm bei der Ausreise geholfen. Das Geld dafür habe er von seinen Geschwistern erhalten. Wenn er zurückkehren würde, müsse er zunächst wegen der Teilnahme an dem Lager ins Gefängnis, da die Aktion der Regierung Probleme bereitet habe. Viele seiner Freunde seien zurzeit im Gefängnis.
Mit Bescheid vom 19.07.2013 lehnte das Bundesamt (1.) den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab und stellte (2.) fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Außerdem stellte es (3.) fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Der Kläger wurde (4.) zur Ausreise aufgefordert, ihm wurde die Abschiebung nach Marokko angedroht. Das Bundesamt führte aus, die Voraussetzungen für eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG lägen nicht vor. Bei Würdigung des gesamten Vorbringens seien dem Sachverhalt (jedoch) weder glaubhafte noch greifbare Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass sich der Kläger aufgrund einer beachtlichen Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes aufhalte. Gemäß § 30 Abs. 2 AsylVfG sei ein Asylantrag insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalls (wie hier) offensichtlich sei, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation oder einer kriegerischen Auseinandersetzung zu entgehen im Bundesgebiet aufhalte.
Am 02.08.2013 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und seinen bisherigen Vortrag ergänzt und vertieft.
Mit Beschluss vom 29.11.2013 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid vom 19.07.2013 angeordnet.
Mit Urteil vom 23.04.2014 hat das Verwaltungsgericht - nach Anhörung des Klägers durch den Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2014 - den Bescheid des Bundesamtes vom 19.07.2013 hinsichtlich Nr. 2 bis 4 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger befinde sich aufgrund erlittener beziehungsweise bei einer Rückkehr nach Westsahara nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließender Verfolgungshandlungen in Form von physischer Gewalt und möglicherweise unverhältnismäßiger Strafverfolgung oder Bestrafung, die anknüpfe an seine politische Grundhaltung zugunsten oppositioneller Bestrebungen gegenüber der Besatzungsmacht Marokko, außerhalb seines Herkunftslandes. Das Gericht sehe keinen Anlass, an den insgesamt schlüssigen und vor dem Hintergrund der öffentlichen Berichterstattung über die Vorfälle in der Westsahara auch nachvollziehbaren Angaben des Klägers zu zweifeln. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschieberelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: April 2013) vom 23.06.2013 habe Marokko 1975 nach dem Abzug der spanischen Kolonialmacht das südlich angrenzende Territorium der Westsahara besetzt, das nach marokkanischer Auffassung nunmehr Teil des eigenen Staatsgebietes sei. Etwa 80.000 Saharauis (Einwohner der Westsahara, zu denen sich der Kläger zähle) seien daraufhin 1976 nach Algerien (Tindouf) geflüchtet, hätten dort eine Exilregierung gegründet und mit Unterstützung Algeriens und Libyens bis 1991 einen Guerillakrieg gegen die marokkanischen Streitkräfte geführt. Am 06.09.1991 hätten Marokko und die Befreiungsbewegung Frente Polisario, vermittelt durch die UNO, einen Waffenstillstand geschlossen. Seitdem gebe es keinen offenen bewaffneten Konflikt mehr. Im weit überwiegenden Teil der Westsahara übe Marokko die effektive Staatsgewalt aus. Die Vereinten Nationen hätten sich bislang ohne Erfolg bemüht, die Parteien zu einer Einigung über die Zukunft des Gebietes zu bewegen (vgl. zur Geschichte und politischen Situation in Westsahara auch informativ die Vorbemerkung zu einer Großen Anfrage von Abgeordneten des Bundestags in BT-Drs. 17/13602). Saharauis genössen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Mit Ausnahme von Polisario-Angehörigen und Personen, die sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einsetzten, könnten sie Pässe erhalten und das Land verlassen. Auch Kontakte zu westlichen politischen Beobachtern und Botschaftsvertretern seien ihnen möglich. Die Behörden überwachten die politische Betätigung von Saharauis allerdings schärfer als die anderer marokkanischer Staatsangehöriger. Sympathisanten der Polisario beziehungsweise politisch aktive Unterstützer der Unabhängigkeit der Westsahara würden immer wieder schikaniert; Polizei und paramilitärische Einheiten gingen weiterhin scharf gegen Personen vor, die der Unterstützung der Unabhängigkeit des Territoriums oder der Polisario verdächtigt würden. Die Menschenrechtslage in der Westsahara bleibe undurchsichtig. Da es sich bei diesem Thema um ein Tabuthema handle, komme es anlässlich politischer Aktivitäten auch immer wieder zu einem robusten Vorgehen der Sicherheitskräfte. So seien unter anderem im Zusammenhang mit dem Besuch des persönlichen Gesandten des Generalsekretärs der UNO, Christopher Ross, in Laâyoune seitens politischer Aktivisten Vorwürfe über ein gewaltsames Vorgehen der Sicherheitskräfte erhoben worden. Zugleich habe Ross aber mit allen gewünschten Gesprächspartnern - auch mit Polisario-Aktivisten - Gespräche führen können. Auch an Juan Méndez, den Sonderberichterstatter der UNO für Folter, seien vor und während seines Besuches in Laâyoune eine Vielzahl von Fällen und Anfragen herangetragen worden. Deren Bewertung stehe noch aus und bleibe unter anderem seinem Abschlussbericht, der voraussichtlich im März 2013 vorliegen werde, vorbehalten. Auch die Bundesregierung spreche in ihrer Antwort auf die bereits erwähnte Große Anfrage davon, dass die allgemeine Menschenrechtslage und insbesondere konkrete Einzelfälle gegenüber der marokkanischen Regierung regelmäßig angesprochen würden, auch zusammen mit EU-Partnern. Im Februar 2013 habe der Regionalbeauftragte für Nah- und Mittelost und Maghreb im Auswärtigen Amt die Westsahara besucht. In dessen Gesprächen mit saharauischen Nichtregierungsorganisationen im Bereich der Menschenrechte hätten diese Einschränkungen im Bereich der Vereins- und Demonstrationsfreiheit sowie exzessive Gewalt von Seiten der Sicherheitskräfte kritisiert. Zu dem vom Kläger angesprochenen Prozess vor einem Militärgericht in Salé habe die Bundesregierung geäußert, dass die deutsche Botschaft in Rabat den Prozess beobachtet habe und hierzu mit Menschenrechtsorganisationen in Kontakt stehe. Die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte habe ihre Besorgnis über die Verhandlung vor einem Militärgericht ausgedrückt. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) habe außerdem bemängelt, dass die Vorwürfe der Angeklagten, sie seien gefoltert worden, nie untersucht worden seien. Die Bundesregierung teile die von den Vereinten Nationen geäußerten Kritikpunkte und habe sie in hochrangigen bilateralen Gesprächen mit Marokko angesprochen. Vor diesem Hintergrund sei die Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung bei einer Rückkehr des Klägers nicht mit der - für ihn als vorverfolgt ausgereisten Flüchtling erforderlichen - hinreichenden Sicherheit auszuschließen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 26.05.2014 die Zulassung der Berufung beantragt und zur Begründung ausgeführt, das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhe auf einer Abweichung von der übergeordneten Rechtsprechung. Es stellt eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - und vom 01.06.2011 - 10 C 10.10 -) dar, wenn ein Gericht - wie geschehen - beim Flüchtlingsstatus (noch) den herabgestuften und nicht den Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anwende. Das Urteil des Verwaltungsgericht beruhe auch auf der Abweichung. Es bestünden stichhaltige Gründe, die für eine Widerlegung der Wiederholungsträchtigkeit der vom Verwaltungsgericht festgestellten Vorverfolgungssituation sprächen. Die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie betreffe den inneren Zusammenhang zwischen der früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung und der befürchteten künftigen. Einen solchen belegten daher keine Quellenaussagen, die sich - wie die hier vom Verwaltungsgericht allein angeführten - ausschließlich zur allgemeinen Situation in einem Land verhielten.
Zudem dürfte der seit den für die Ausreise maßgeblichen Ereignissen verstrichene Zeitraum - jedenfalls im Rahmen einer Gesamtbetrachtung - Gewicht haben. Wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose seien Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukomme.
10 
In die gebotene Rückkehrprognose werde außerdem einzufließen haben, dass es sich den Schilderungen nach um ein „Einmalereignis“ gehandelt habe, das zum Ausreiseentschluss geführt habe. Ein in individualisierbarer Weise besonderes Auftreten des Klägers im Rahmen der Teilnahme im Camp Kdemizi sei weder gerichtlich festgestellt noch evident und vom Kläger für sich auch nicht in Anspruch genommen worden. Auskünfte dazu, dass ein Rückkehrer, der dort einfacher Teilnehmer gewesen sei, bei heutiger Rückkehr deswegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit noch staatliche Konsequenzen zu erwarten hätte, fehlten. Auch anderweitig habe das Verwaltungsgericht nicht konkret auf die Person des Klägers bezogen festgestellt, dass er etwa ausweislich einer konkret und gezielt ihm geltenden Suche oder gar eines ergangenen Haftbefehls staatlicherseits gesucht worden wäre.
11 
Die Erkenntnisquellen ließen keine durchgreifenden Umstände für die Ansicht erkennen, dass zurückkehrende Saharauis grundsätzlich gegenüber anderen Rückkehrern nach Marokko einer gesteigerten Gefährdung ausgesetzt wären. Saharauis genössen innerhalb Marokkos nicht nur uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Auch hinsichtlich der Behandlung bei Rückkehrern zeigten sich keine maßgeblichen Anhaltspunkte für eine ihnen gegenüber selektiv regelmäßig andere Vorgehensweise. Das Stellen eines Asylantrags im Ausland sei nicht strafbar und werde nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet. Aus den letzten Jahren seien keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre. Es lägen derzeit auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass im Hinblick auf zurückkehrende politische Aktivisten wie denen der Bewegung „20. Februar" oder auch Salafisten Ausnahmen gemacht würden.
12 
Mit Beschluss vom 11.02.2015 hat der Senat die Berufung wegen Divergenz zugelassen (A 9 S 1094/14).
13 
Am 26.02.2015 hat die Beklagte die Berufung unter Bezugnahme auf ihr Zulassungsvorbringen begründet.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.04.2014 - A 1 K 2662/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 2 AufenthG zu gewähren,
weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen,
und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19.07.2013 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
18 
Zur Begründung verweist der Kläger auf seine bisherigen Angaben und hebt hervor, er habe 15 Tage lang an dem Protestcamp teilgenommen, bevor es geräumt worden sei. Hierbei sei das Camp von Sicherheitskräften umzingelt worden. Anschließend seien die Demonstranten mit Wasserwerfern und Schlagstöcken auseinandergetrieben worden. Im Rahmen der Räumung sei es zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch die marokkanischen Sicherheitskräfte gekommen. Zahlreiche Teilnehmer der Camps seien schwer verletzt oder getötet worden. Amnesty International gebe im Bericht vom 20.12.2010 die Vorfälle vom November 2010 wieder. Nach den Demonstrationen und deren Auflösung sei es zu einer Verhaftungswelle gekommen. Bei den Inhaftierten seien zahlreiche Fälle von Folter und Misshandlung dokumentiert worden. Ein marokkanisches Militärgericht habe hohe Strafen gegen die „24 von Gdeim Izik“ verhängt. Acht Angeklagte seien zu lebenslanger, vier zu 30 Jahren und acht weitere zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht habe es als erwiesen angesehen, dass die Verurteilten als Täter oder Komplizen und Mitglieder einer kriminellen Bande schuldig am Tod von elf „marokkanischen Besatzern“ gewesen seien. Er befürchte, bei einer Rückkehr nach Marokko aufgrund seiner aktiven Teilnahme an den Protestcamps verhaftet zu werden. Viele seiner Freunde und Bekannten, die an dem Protestcamp teilgenommen hätten, seien zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden.
19 
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung des Senats persönlich angehört worden. Insoweit wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 03.11.2016 verwiesen.
20 
Dem Senat liegen die Akte des Bundesamts sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf diese Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die in das Verfahren eingeführten Auskünfte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
22 
Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (III.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (IV.).
I.
23 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl I S. 1939) geänderte Asylgesetz.
24 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl I S. 3474), wie folgt zu verstehen und entsprechend in der mündlichen Verhandlung gestellt worden (vgl. zum Folgenden auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.10.2016 - A 10 S 332/12 -, juris):
25 
Der auf die Verpflichtung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
26 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete erste Hilfsantrag ist nunmehr als Antrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25).
27 
Der auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG „weiter hilfsweise“ gestellte Hilfsantrag kann ohne Änderung weiterverfolgt werden; die Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
28 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
29 
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
30 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 -, juris Rn. 24 a.E.).
31 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., - juris Rn. 26 m.w.N.).
32 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., juris Rn. 27 ff.). Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z.B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen.
33 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
34 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
35 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
36 
Gemessen an diesen Grundsätzen ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen. Der Kläger befindet sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes. Der Senat konnte aufgrund des bisherigen Ablaufs des Asylverfahrens und insbesondere aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des in ihr von seiner Person gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung davon gewinnen, dass die nach seinem Vorbringen fluchtauslösende Teilnahme an einem Protestcamp im Jahre 2010 der Wahrheit entspricht. Selbst wenn man indes als wahr unterstellt, dass der Kläger seinen Angaben entsprechend an dem Protestcamp teilgenommen hat, würden die dann zugrunde zu legenden Tatsachen nach der Überzeugung des Senats keine Verfolgungsgefahr im oben genannten Sinne begründen.
37 
An der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen schon deshalb erhebliche Zweifel, weil seine Angaben zum zeitlichen Geschehensablauf nicht nachvollziehbar, sondern gänzlich widersprüchlich sind. Bereits die beim Bundesamt gemachten Angaben sind nicht miteinander vereinbar. So soll das Protestcamp vom 13. bis zum 27. oder 28.11.2010 stattgefunden haben. Nach der gewaltsamen Auflösung des Lagers will der Kläger nach einer Übernachtung zu Hause unmittelbar nach Mauretanien ausgereist sein. Andererseits gab er auch an, erst im Dezember 2010 seine Heimatstadt verlassen zu haben. Sein Erscheinen in Deutschland Ende Oktober 2011 erklärte er vor dem Bundesamt damit, dass er sich nach seiner Flucht fünf Monate in Mauretanien, drei Monate in Algerien, eine Woche in Tunesien und 15 Tage in Italien aufgehalten habe. Von sämtlichen Zeitangaben wich der Kläger bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung, zum Teil in gravierendem Maße, ab. So behauptete er nunmehr, das Lager habe am 11.11.2010 (bzw. nach seiner Richtigstellung auf eine weitere Frage am 01.11.2010) begonnen und ungefähr zehn Tage gedauert. Er sei eine bis zwei Wochen in Mauretanien gewesen, dann ungefähr einen Monat in Algerien, zwei Wochen in Tunesien. Von Tunesien nach Deutschland habe es insgesamt ungefähr 15 Tage gedauert. Auf den Vorhalt des Vorsitzenden, dass er doch angeblich erst im Herbst 2011 nach Deutschland gekommen sei, also erst fast ein Jahr nach dem Lager, hat er lediglich geäußert, es sei schon lange her und er wisse es nicht mehr. Die Ungereimtheiten des Vortrags sind so offensichtlich, dass sie kaum auflösbar erscheinen. Der Kläger ließ auch auf Vorhalt keinen Beitrag zur Auflösung der Widersprüche erkennen.
38 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal sprechen auch die Angaben des Klägers zu seinen angeblichen Erlebnissen im Protestlager vor und nach dem Eingreifen der Sicherheitskräfte. Die Glaubhaftmachung der Fluchtgründe setzt eine schlüssige, nachprüfbare Darlegung voraus. Der Asylsuchende muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Jedenfalls in Bezug auf die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse hat er eine Schilderung abzugeben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Urteil vom 24.03.1987 - 9 C 321.85 -, NVwZ 1987, 701, m.w.N.). Daran fehlt es hier. Der Kläger machte lediglich sehr oberflächliche und stereotype Angaben, vermittelte aber nicht den Eindruck einer persönlichen Betroffenheit.
39 
Hinzu kommt, dass sich die dem Senat vorliegenden, veröffentlichten Erkenntnisse zu dem Protestlager auch nicht mit den Angaben des Klägers decken. Danach wurde das Protestlager bereits im Oktober 2010 eine längere Zeit betrieben, ehe es am 8./9. November 2010 gestürmt und geräumt wurde. In einer Information des Bundesamtes - Informationszentrum Asyl und Migration - heißt es zu den Vorkommnissen: „Zwischen dem 8. und 9. November 2010 kam es zu Zusammenstößen zwischen marokkanischen Sicherheitskräften und sahrauischen Zivilisten in Gdeim Izik, einem Wüstengebiet 16 km von Al Aaiun entfernt, wo 20.000 Sahrauis friedlich für eine Verbesserung ihrer sozialen und ökonomischen Situation demonstrierten. Dabei wurden 4.500 Menschen verletzt, 2.000 festgenommen“ (Bundesamt, Informationszentrum Asyl und Migration, Der Westsaharakonflikt, Juni 2014). In Presseberichten war auch von bis zu 14.000 Protestcamp-Teilnehmern (taz vom 23.10.2010), geschätzten 15.000 Bewohnern des Zeltlagers (NZZ vom 05.11.2010) beziehungsweise mehr als 10.000 demonstrierenden Saharauis (FAZ vom 10.11.2010) die Rede. Die Zeltstadt sei zunächst von marokkanischen Truppen umstellt worden, die Zugang und Versorgung kontrolliert hätten (FAZ vom 10.11.2010). Ein Jugendlicher sei getötet worden, nachdem das Fahrzeug, dessen Insasse er gewesen sei, an einem Kontrollpunkt nicht angehalten habe (FAZ vom 10.11.2010). Mit einer großangelegten Operation hätten marokkanische Sicherheitskräfte das Lager schließlich unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern angegriffen und zum Teil niedergebrannt. Die Saharauis hätten mit Molotowcocktails und Schlagstöcken geantwortet. Polizisten seien erstochen, gesteinigt oder verbrannt worden (FAZ vom 10.11.2010). Die Zahl der ums Leben gekommenen Sicherheitskräfte wurde später mit acht beziffert, während die Polisario von mindestens elf getöteten Saharauis sprach (FAZ vom 11.11.2010). Die Sicherheitskräfte versuchten durch Ausgangssperren, Zugangssperren für ausländische Journalisten sowie Repressalien gegen die Anführer der Demonstranten die Lage zu „stabilisieren“ (FAZ vom 11.11.2010). Das Protestlager fand ausgehend von diesen Angaben in einem anderen Zeitraum als vom Kläger angegeben und mit einer wesentlich größeren Teilnehmerzahl als der vom Kläger angenommenen (800) statt.
40 
Selbst wenn man unterstellt, dass die Angaben des Klägers zutreffen, er habe an dem Protestcamp teilgenommen, würde dies keine Gefahr der politischen Verfolgung begründen. Angesichts der Tatsache, dass das Protestlager tausende Teilnehmer hatten, darunter - so auch der Kläger in seiner Anhörung - ganze Familien mit kleinen Kindern, erscheint es wirklichkeitsfremd, dass der marokkanische Staat ein Interesse daran haben könnte, jeden Teilnehmer aufzuspüren und mit Sanktionen zu belegen. Unabhängig davon ist auch die Annahme, alle Teilnehmer seien fotografiert oder gefilmt worden und dadurch polizeilich identifiziert, nicht haltbar. Bei der Räumung des Lagers setzten die Sicherheitskräfte Gewalt ein, wobei es nach den vorliegenden Berichten auch darum ging, gewaltsamen Widerstand zu brechen. Der Senat geht ferner davon aus, dass saharauische Aktivisten, soweit sie sich bei dem Lager als Anführer exponierten oder als gewalttätig auffielen, vom marokkanischen Staat belangt wurden, wobei neben Verhaftungen auch Verurteilungen und Misshandlungen stattgefunden haben dürften (vgl. Amnesty International, Rights Trampled - Protests, Violence and repression in Western Sahara, MDE 29/019/2010, wo u.a. von bis zu 200 Verhafteten die Rede ist). Eine Bedrohung des Klägers lässt sich daraus indes nicht ableiten. Bereits beim Bundesamt hat er selbst angegeben, sich friedlich verhalten und keine Probleme gemacht zu haben. Zudem war er zum Zeitpunkt, als das Lager gestürmt wurde, erst 15 Jahre alt. Es gibt keinen tragfähigen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger unter diesen Umständen in das Blickfeld möglicher Verfolger geraten sein könnte. Dies gilt umso mehr, als dem Vortrag des Klägers nicht geglaubt werden kann, Sicherheitskräfte hätten die Wohnung seiner Eltern auf der Suche nach ihm oder seinem Bruder aufgesucht. Diese beim Bundesamt gemachte Angabe hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch nicht wiederholt. Die Behauptung, sein älterer Bruder habe ebenfalls am Protestlager teilgenommen, erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Senat auf die ausdrückliche Befragung nach anderen Verwandten im Camp zunächst lediglich angab, es sei noch ein Cousin im Lager gewesen. Erst auf den in einem anderen Zusammenhang erfolgten Vorhalt, er habe seinen Bruder bisher nicht erwähnt, korrigierte sich der Kläger dahingehend, dass auch der Bruder im Lager gewesen und sogar noch immer flüchtig sei. Der Kläger erweckte auch an dieser Stelle in hohem Maße den Eindruck der Unglaubwürdigkeit. Auch fiel auf, dass er sich vom Konkreten auf die allgemeine Aussage verlegte, es seien „alle jungen Männer“ damals da gewesen. Die Schilderungen des Klägers waren auch sonst so farblos und unbeteiligt, dass ihnen kein Glauben geschenkt werden kann.
41 
Eine Verfolgungsgefahr für den Kläger lässt sich auch nicht aus den allgemeinen Verhältnissen betreffend Saharauis in Marokko ableiten. Hierzu lässt sich dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschieberelevante Lage im Königreich Marokko vom 25.01.2016, Stand: Dezember 2015, - soweit hier von Bedeutung - entnehmen:
42 
„Meinungs- und Pressefreiheit sind ausgeprägt und werden in Anspruch genommen. Allerdings bestehen rechtliche Einschränkungen: Die Überschreitung „roter Linien“ (Person und Rolle des Königs, Islam als Staatsreligion, territoriale Integrität (Westsahara)) wird strafrechtlich geahndet. Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinsfreiheit betreffen insbesondere diese Bereiche (Lagebericht, S. 4). … Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Insbesondere gibt es keine Berichte zu extralegalen Tötungen, Verschwinden von Personen oder willkürlichen Verhaftungen. Offiziell und rechtlich gibt es keine politischen Gefangenen in Marokko (Lagebericht, S. 7). Mit Sanktionen für sich und teilweise auch seine Angehörigen muss jedoch rechnen, wer bei den verfassungsrechtlich geschützten und strafrechtlich bewehrten Tabuthemen Rolle der Monarchie, Islam als Staatsreligion und territoriale Integrität (gemeint ist die Zugehörigkeit der völkerrechtlich umstrittenen Westsahara zu Marokko) die offizielle Linie in Frage stellt. Marokkanische NROen sind der Auffassung, dass Strafverfahren zu anderen Tatbeständen (z.B. Ehebruch, Steuervergehen) oftmals nur als Deckmantel zur Verfolgung oder Einschüchterung politisch Andersdenkender sowie kritischer Journalisten dienen (Lagebericht, S. 8). … Kundgebungen in der Westsahara, die die Zugehörigkeit des Gebiets zu Marokko in Frage stellen, werden immer aufgelöst, auch unter Gewaltanwendung gegenüber den Demonstranten. NROen, die im Verdacht stehen, sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einzusetzen, haben generell einen schwierigen Stand (Lagebericht, S. 9). … Nach dem Abzug der spanischen Kolonialmacht besetzte Marokko 1975 das südlich angrenzende Territorium der Westsahara, das nach marokkanischer Auffassung Teil des Staatsgebietes ist. Etwa 80.000 Sahraouis (Einwohner der Westsahara) flüchteten daraufhin 1976 nach Algerien (Tindouf), gründeten dort eine Exilregierung und führten mit Unterstützung Algeriens und Libyens bis 1991 einen Guerillakrieg gegen die marokkanischen Streitkräfte. Am 6. September 1991 schlossen Marokko und die Befreiungsbewegung Frente Polisario einen durch die VN vermittelten Waffenstillstand. Seitdem gibt es keinen offenen bewaffneten Konflikt mehr. Im weit überwiegenden Teil der Westsahara übt Marokko die effektive Staatsgewalt aus. Die Vereinten Nationen bemühen sich bislang ohne Erfolg, die Parteien zu einer Einigung über die Zukunft des Gebietes zu bewegen. Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Mit Ausnahme von Polisario-Angehörigen und Personen, die sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einsetzen, können sie Pässe erhalten und das Land verlassen. Auch Kontakte zu westlichen politischen Beobachtern und Botschaftsvertretern sind möglich. Die Behörden überwachen die politische Betätigung von Sahraouis allerdings enger als die anderer marokkanischer Staatsangehöriger. Sympathisanten der Polisario bzw. politisch aktive Unterstützer der Unabhängigkeit der Westsahara werden immer wieder schikaniert. Polizei und paramilitärische Einheiten gehen unvermindert gegen Personen vor, die der Unterstützung der Unabhängigkeit des Territoriums oder der Polisario verdächtigt werden (Lagebericht, S. 16).“
43 
Diesen Angaben entnimmt der Senat, dass lediglich exponierte Verfechter einer unabhängigen Westsahara - unter Umständen auch asylrelevanten - Repressionen durch den marokkanischen Staat ausgesetzt sein können. Zu diesem Personenkreis zählt der Kläger aber nicht.
44 
Zur Behandlung von Rückkehrern ist bekannt, dass das Stellen eines Asylantrags im Ausland nicht strafbar ist und nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet wird. Den Behörden ist bekannt, dass Asylanträge auch dazu dienen, eine längerfristige Aufenthaltsmöglichkeit im Ausland zu erlangen. Aus den letzten Jahren sind keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil oder staatlichen Repressionsmaßnahmen wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre (Lagebericht, S. 22). Auch die Stellung des Asylantrags löst somit für den Kläger keine Verfolgungsgefahr aus.
III.
45 
Der Kläger hat auch nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in seiner Heimat ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
IV.
46 
Schließlich hat der Kläger auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
V.
47 
Die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung und Fristsetzung in der durch die erfolgreiche Inanspruchnahme des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gesetzlich (§ 37 Abs. 2 AsylG) auf 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens verlängerte Ausreisefrist ist bezüglich des Klägers nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Grundlage in § 34 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 59 AufenthG.
VI.
48 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
49 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
21 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
22 
Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (III.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (IV.).
I.
23 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl I S. 1939) geänderte Asylgesetz.
24 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl I S. 3474), wie folgt zu verstehen und entsprechend in der mündlichen Verhandlung gestellt worden (vgl. zum Folgenden auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.10.2016 - A 10 S 332/12 -, juris):
25 
Der auf die Verpflichtung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
26 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete erste Hilfsantrag ist nunmehr als Antrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25).
27 
Der auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG „weiter hilfsweise“ gestellte Hilfsantrag kann ohne Änderung weiterverfolgt werden; die Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
28 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
29 
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
30 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 -, juris Rn. 24 a.E.).
31 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., - juris Rn. 26 m.w.N.).
32 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., juris Rn. 27 ff.). Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z.B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen.
33 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
34 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
35 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
36 
Gemessen an diesen Grundsätzen ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen. Der Kläger befindet sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes. Der Senat konnte aufgrund des bisherigen Ablaufs des Asylverfahrens und insbesondere aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des in ihr von seiner Person gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung davon gewinnen, dass die nach seinem Vorbringen fluchtauslösende Teilnahme an einem Protestcamp im Jahre 2010 der Wahrheit entspricht. Selbst wenn man indes als wahr unterstellt, dass der Kläger seinen Angaben entsprechend an dem Protestcamp teilgenommen hat, würden die dann zugrunde zu legenden Tatsachen nach der Überzeugung des Senats keine Verfolgungsgefahr im oben genannten Sinne begründen.
37 
An der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen schon deshalb erhebliche Zweifel, weil seine Angaben zum zeitlichen Geschehensablauf nicht nachvollziehbar, sondern gänzlich widersprüchlich sind. Bereits die beim Bundesamt gemachten Angaben sind nicht miteinander vereinbar. So soll das Protestcamp vom 13. bis zum 27. oder 28.11.2010 stattgefunden haben. Nach der gewaltsamen Auflösung des Lagers will der Kläger nach einer Übernachtung zu Hause unmittelbar nach Mauretanien ausgereist sein. Andererseits gab er auch an, erst im Dezember 2010 seine Heimatstadt verlassen zu haben. Sein Erscheinen in Deutschland Ende Oktober 2011 erklärte er vor dem Bundesamt damit, dass er sich nach seiner Flucht fünf Monate in Mauretanien, drei Monate in Algerien, eine Woche in Tunesien und 15 Tage in Italien aufgehalten habe. Von sämtlichen Zeitangaben wich der Kläger bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung, zum Teil in gravierendem Maße, ab. So behauptete er nunmehr, das Lager habe am 11.11.2010 (bzw. nach seiner Richtigstellung auf eine weitere Frage am 01.11.2010) begonnen und ungefähr zehn Tage gedauert. Er sei eine bis zwei Wochen in Mauretanien gewesen, dann ungefähr einen Monat in Algerien, zwei Wochen in Tunesien. Von Tunesien nach Deutschland habe es insgesamt ungefähr 15 Tage gedauert. Auf den Vorhalt des Vorsitzenden, dass er doch angeblich erst im Herbst 2011 nach Deutschland gekommen sei, also erst fast ein Jahr nach dem Lager, hat er lediglich geäußert, es sei schon lange her und er wisse es nicht mehr. Die Ungereimtheiten des Vortrags sind so offensichtlich, dass sie kaum auflösbar erscheinen. Der Kläger ließ auch auf Vorhalt keinen Beitrag zur Auflösung der Widersprüche erkennen.
38 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal sprechen auch die Angaben des Klägers zu seinen angeblichen Erlebnissen im Protestlager vor und nach dem Eingreifen der Sicherheitskräfte. Die Glaubhaftmachung der Fluchtgründe setzt eine schlüssige, nachprüfbare Darlegung voraus. Der Asylsuchende muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Jedenfalls in Bezug auf die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse hat er eine Schilderung abzugeben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Urteil vom 24.03.1987 - 9 C 321.85 -, NVwZ 1987, 701, m.w.N.). Daran fehlt es hier. Der Kläger machte lediglich sehr oberflächliche und stereotype Angaben, vermittelte aber nicht den Eindruck einer persönlichen Betroffenheit.
39 
Hinzu kommt, dass sich die dem Senat vorliegenden, veröffentlichten Erkenntnisse zu dem Protestlager auch nicht mit den Angaben des Klägers decken. Danach wurde das Protestlager bereits im Oktober 2010 eine längere Zeit betrieben, ehe es am 8./9. November 2010 gestürmt und geräumt wurde. In einer Information des Bundesamtes - Informationszentrum Asyl und Migration - heißt es zu den Vorkommnissen: „Zwischen dem 8. und 9. November 2010 kam es zu Zusammenstößen zwischen marokkanischen Sicherheitskräften und sahrauischen Zivilisten in Gdeim Izik, einem Wüstengebiet 16 km von Al Aaiun entfernt, wo 20.000 Sahrauis friedlich für eine Verbesserung ihrer sozialen und ökonomischen Situation demonstrierten. Dabei wurden 4.500 Menschen verletzt, 2.000 festgenommen“ (Bundesamt, Informationszentrum Asyl und Migration, Der Westsaharakonflikt, Juni 2014). In Presseberichten war auch von bis zu 14.000 Protestcamp-Teilnehmern (taz vom 23.10.2010), geschätzten 15.000 Bewohnern des Zeltlagers (NZZ vom 05.11.2010) beziehungsweise mehr als 10.000 demonstrierenden Saharauis (FAZ vom 10.11.2010) die Rede. Die Zeltstadt sei zunächst von marokkanischen Truppen umstellt worden, die Zugang und Versorgung kontrolliert hätten (FAZ vom 10.11.2010). Ein Jugendlicher sei getötet worden, nachdem das Fahrzeug, dessen Insasse er gewesen sei, an einem Kontrollpunkt nicht angehalten habe (FAZ vom 10.11.2010). Mit einer großangelegten Operation hätten marokkanische Sicherheitskräfte das Lager schließlich unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern angegriffen und zum Teil niedergebrannt. Die Saharauis hätten mit Molotowcocktails und Schlagstöcken geantwortet. Polizisten seien erstochen, gesteinigt oder verbrannt worden (FAZ vom 10.11.2010). Die Zahl der ums Leben gekommenen Sicherheitskräfte wurde später mit acht beziffert, während die Polisario von mindestens elf getöteten Saharauis sprach (FAZ vom 11.11.2010). Die Sicherheitskräfte versuchten durch Ausgangssperren, Zugangssperren für ausländische Journalisten sowie Repressalien gegen die Anführer der Demonstranten die Lage zu „stabilisieren“ (FAZ vom 11.11.2010). Das Protestlager fand ausgehend von diesen Angaben in einem anderen Zeitraum als vom Kläger angegeben und mit einer wesentlich größeren Teilnehmerzahl als der vom Kläger angenommenen (800) statt.
40 
Selbst wenn man unterstellt, dass die Angaben des Klägers zutreffen, er habe an dem Protestcamp teilgenommen, würde dies keine Gefahr der politischen Verfolgung begründen. Angesichts der Tatsache, dass das Protestlager tausende Teilnehmer hatten, darunter - so auch der Kläger in seiner Anhörung - ganze Familien mit kleinen Kindern, erscheint es wirklichkeitsfremd, dass der marokkanische Staat ein Interesse daran haben könnte, jeden Teilnehmer aufzuspüren und mit Sanktionen zu belegen. Unabhängig davon ist auch die Annahme, alle Teilnehmer seien fotografiert oder gefilmt worden und dadurch polizeilich identifiziert, nicht haltbar. Bei der Räumung des Lagers setzten die Sicherheitskräfte Gewalt ein, wobei es nach den vorliegenden Berichten auch darum ging, gewaltsamen Widerstand zu brechen. Der Senat geht ferner davon aus, dass saharauische Aktivisten, soweit sie sich bei dem Lager als Anführer exponierten oder als gewalttätig auffielen, vom marokkanischen Staat belangt wurden, wobei neben Verhaftungen auch Verurteilungen und Misshandlungen stattgefunden haben dürften (vgl. Amnesty International, Rights Trampled - Protests, Violence and repression in Western Sahara, MDE 29/019/2010, wo u.a. von bis zu 200 Verhafteten die Rede ist). Eine Bedrohung des Klägers lässt sich daraus indes nicht ableiten. Bereits beim Bundesamt hat er selbst angegeben, sich friedlich verhalten und keine Probleme gemacht zu haben. Zudem war er zum Zeitpunkt, als das Lager gestürmt wurde, erst 15 Jahre alt. Es gibt keinen tragfähigen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger unter diesen Umständen in das Blickfeld möglicher Verfolger geraten sein könnte. Dies gilt umso mehr, als dem Vortrag des Klägers nicht geglaubt werden kann, Sicherheitskräfte hätten die Wohnung seiner Eltern auf der Suche nach ihm oder seinem Bruder aufgesucht. Diese beim Bundesamt gemachte Angabe hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch nicht wiederholt. Die Behauptung, sein älterer Bruder habe ebenfalls am Protestlager teilgenommen, erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Senat auf die ausdrückliche Befragung nach anderen Verwandten im Camp zunächst lediglich angab, es sei noch ein Cousin im Lager gewesen. Erst auf den in einem anderen Zusammenhang erfolgten Vorhalt, er habe seinen Bruder bisher nicht erwähnt, korrigierte sich der Kläger dahingehend, dass auch der Bruder im Lager gewesen und sogar noch immer flüchtig sei. Der Kläger erweckte auch an dieser Stelle in hohem Maße den Eindruck der Unglaubwürdigkeit. Auch fiel auf, dass er sich vom Konkreten auf die allgemeine Aussage verlegte, es seien „alle jungen Männer“ damals da gewesen. Die Schilderungen des Klägers waren auch sonst so farblos und unbeteiligt, dass ihnen kein Glauben geschenkt werden kann.
41 
Eine Verfolgungsgefahr für den Kläger lässt sich auch nicht aus den allgemeinen Verhältnissen betreffend Saharauis in Marokko ableiten. Hierzu lässt sich dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschieberelevante Lage im Königreich Marokko vom 25.01.2016, Stand: Dezember 2015, - soweit hier von Bedeutung - entnehmen:
42 
„Meinungs- und Pressefreiheit sind ausgeprägt und werden in Anspruch genommen. Allerdings bestehen rechtliche Einschränkungen: Die Überschreitung „roter Linien“ (Person und Rolle des Königs, Islam als Staatsreligion, territoriale Integrität (Westsahara)) wird strafrechtlich geahndet. Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinsfreiheit betreffen insbesondere diese Bereiche (Lagebericht, S. 4). … Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Insbesondere gibt es keine Berichte zu extralegalen Tötungen, Verschwinden von Personen oder willkürlichen Verhaftungen. Offiziell und rechtlich gibt es keine politischen Gefangenen in Marokko (Lagebericht, S. 7). Mit Sanktionen für sich und teilweise auch seine Angehörigen muss jedoch rechnen, wer bei den verfassungsrechtlich geschützten und strafrechtlich bewehrten Tabuthemen Rolle der Monarchie, Islam als Staatsreligion und territoriale Integrität (gemeint ist die Zugehörigkeit der völkerrechtlich umstrittenen Westsahara zu Marokko) die offizielle Linie in Frage stellt. Marokkanische NROen sind der Auffassung, dass Strafverfahren zu anderen Tatbeständen (z.B. Ehebruch, Steuervergehen) oftmals nur als Deckmantel zur Verfolgung oder Einschüchterung politisch Andersdenkender sowie kritischer Journalisten dienen (Lagebericht, S. 8). … Kundgebungen in der Westsahara, die die Zugehörigkeit des Gebiets zu Marokko in Frage stellen, werden immer aufgelöst, auch unter Gewaltanwendung gegenüber den Demonstranten. NROen, die im Verdacht stehen, sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einzusetzen, haben generell einen schwierigen Stand (Lagebericht, S. 9). … Nach dem Abzug der spanischen Kolonialmacht besetzte Marokko 1975 das südlich angrenzende Territorium der Westsahara, das nach marokkanischer Auffassung Teil des Staatsgebietes ist. Etwa 80.000 Sahraouis (Einwohner der Westsahara) flüchteten daraufhin 1976 nach Algerien (Tindouf), gründeten dort eine Exilregierung und führten mit Unterstützung Algeriens und Libyens bis 1991 einen Guerillakrieg gegen die marokkanischen Streitkräfte. Am 6. September 1991 schlossen Marokko und die Befreiungsbewegung Frente Polisario einen durch die VN vermittelten Waffenstillstand. Seitdem gibt es keinen offenen bewaffneten Konflikt mehr. Im weit überwiegenden Teil der Westsahara übt Marokko die effektive Staatsgewalt aus. Die Vereinten Nationen bemühen sich bislang ohne Erfolg, die Parteien zu einer Einigung über die Zukunft des Gebietes zu bewegen. Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Mit Ausnahme von Polisario-Angehörigen und Personen, die sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einsetzen, können sie Pässe erhalten und das Land verlassen. Auch Kontakte zu westlichen politischen Beobachtern und Botschaftsvertretern sind möglich. Die Behörden überwachen die politische Betätigung von Sahraouis allerdings enger als die anderer marokkanischer Staatsangehöriger. Sympathisanten der Polisario bzw. politisch aktive Unterstützer der Unabhängigkeit der Westsahara werden immer wieder schikaniert. Polizei und paramilitärische Einheiten gehen unvermindert gegen Personen vor, die der Unterstützung der Unabhängigkeit des Territoriums oder der Polisario verdächtigt werden (Lagebericht, S. 16).“
43 
Diesen Angaben entnimmt der Senat, dass lediglich exponierte Verfechter einer unabhängigen Westsahara - unter Umständen auch asylrelevanten - Repressionen durch den marokkanischen Staat ausgesetzt sein können. Zu diesem Personenkreis zählt der Kläger aber nicht.
44 
Zur Behandlung von Rückkehrern ist bekannt, dass das Stellen eines Asylantrags im Ausland nicht strafbar ist und nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet wird. Den Behörden ist bekannt, dass Asylanträge auch dazu dienen, eine längerfristige Aufenthaltsmöglichkeit im Ausland zu erlangen. Aus den letzten Jahren sind keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil oder staatlichen Repressionsmaßnahmen wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre (Lagebericht, S. 22). Auch die Stellung des Asylantrags löst somit für den Kläger keine Verfolgungsgefahr aus.
III.
45 
Der Kläger hat auch nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in seiner Heimat ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
IV.
46 
Schließlich hat der Kläger auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
V.
47 
Die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung und Fristsetzung in der durch die erfolgreiche Inanspruchnahme des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gesetzlich (§ 37 Abs. 2 AsylG) auf 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens verlängerte Ausreisefrist ist bezüglich des Klägers nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Grundlage in § 34 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 59 AufenthG.
VI.
48 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
49 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Der Kläger, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach eigenen Angaben ein lediger, in Benin City geborener Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria christlichen Glaubens.

Er stellte am 8. März 2016 bei der bearbeitenden Stelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (kurz: Bundesamt) in Rosenheim einen Asylantrag.

Zur Niederschrift über die Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in München am 10. Oktober 2016 gab der Kläger im Wesentlichen an, seinen Reisepass und seine Geburtsurkunde in Nigeria zurückgelassen zu haben. Bis zur Ausreise habe er sich in Obudi, Imo State, aufgehalten. Davor habe er seit seiner Geburt in Benin City gelebt. Sein Heimatland habe er im September 2015 verlassen und er sei im Oktober 2016 mit dem Bus in das Bundesgebiet eingereist. Für die Bootsfahrt habe er all seinen Verdienst aus Libyen bezahlt. Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter wohne in Benin City. Er habe noch zwei Brüder und eine Schwester im Heimatland. Insgesamt sei er neun Jahre ohne Abschluss zur Schule gegangen. Er sei Baggerfahrer gewesen. Er habe genug zum Leben gehabt und auch die drei Kinder seines verstorbenen Bruders ernährt.

Anfang 2015 habe er einen Unfall mit dem Bagger gehabt. Er habe vergessen, die Handbremse zu ziehen und sei gegen einen Stein gefahren. Dabei sei der Bagger beschädigt und er selbst verletzt worden. Nachdem der Kläger nach etwa einer Woche wieder in die Arbeit gegangen sei, habe ihm ein Angestellter gesagt, er solle heimgehen, da der Eigentümer des Baggers nach ihm suche. Falls der Kläger den Schaden nicht bezahlen könne, käme er ins Gefängnis. Er habe im Haus eines Freundes gewohnt, wohin eines Tages die Polizei gekommen sei und nach ihm gesucht habe. Daraufhin habe er Benin City verlassen und sei zu seiner Mutter in Obudi gegangen. Dort sei er zunächst unwissentlich mit Männern in Kontakt gekommen, die ihr Geld mit Lösegeldforderungen verdienen. Gelegentlich habe er ihre Autos gewaschen. Eines Tages hätten ihm die Männer einen Job als Lockvogel bei einer Entführung angeboten. Damals sei der Kläger 18 Jahre alt gewesen. Er habe es aber nicht tun wollen. Die Männer hätten ihn wiederholt angerufen, ohne dass er ans Telefon gegangen sei. Als sie zu seinem Haus gekommen seien und nach ihm gesucht hätten, sei er davongelaufen. In Abuja habe er ein neues Leben anfangen wollen. Dort habe er eine Gruppe Moslems getroffen, die ihn mit dem Lkw nach Libyen mitgenommen hätten. Abuja wäre für den Kläger vielleicht sicher, er hätte dort aber keine Zukunft. Auf die Frage, ob er seinem Asylantrag noch etwas hinzuzufügen habe, antwortete der Kläger, er habe schon in Nigeria Probleme mit seinem Knie gehabt. Deshalb habe er das Fußballspielen aufgeben müssen. Einen OP-Bericht lege er vor. Es stehe auch eine Ohrenoperation an. Der Kläger bestätigte abschließend, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe.

Im vom Kläger in der Bundesamtsanhörung vorgelegten Entlassungsbericht von OrthoPlus vom 27. April 2016 (Bl. 71 ff. der Bundesamtsakte) wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe sich vom 25. April 2016 bis zum 27. April 2016 in dortiger stationärer Behandlung befunden. Indikation insbesondere: Riss vorderes Kreuzband rechts. Außenmeniskus Hinterhorn Wurzelinsuffizienz. Am Entlassungstag reizlose Wunden, Schmerzarmut, Beweglichkeit: volle Streckung möglich.

Durch Bescheid vom 9. Mai 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.) und auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) ab, erkannte ihm den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3.), verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von 30 Tagen die Abschiebung nach Nigeria an (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, allein der pauschale Verweis auf Diskriminierungen im Herkunftsland sei nicht ausreichend, um einen Schutzbedarf zu belegen. Selbst bei Wahrunterstellung bestand und bestehe jedenfalls eine interne Schutzalternative. Der Kläger habe selbst angegeben, in Abuja vielleicht sicher gewesen zu sein. Der Kläger sei ein junger, gesunder Mann ohne Unterhaltspflichten. Er besitze eine sehr gute Schulausbildung und habe als Baggerfahrer bereits Berufserfahrung sammeln können. Zudem verfüge er über familiären Rückhalt. Daher seien keine Anhaltspunkte erkennbar, die befürchten ließen, der Kläger könne sein Existenzminimum nicht sichern. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Nigeria führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Ihm drohe auch unter Berücksichtigung des vorgelegten Entlassungsberichts keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergebe sich aus § 38 Abs. 1 AsylG.

Am 26. Mai 2017 ließ der Kläger durch seinen ehemaligen Bevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen,

den Bundesamtsbescheid vom 9. Mai 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, hilfsweise, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt.

Zur Klagebegründung wurde durch Schriftsatz vom 25. Mai 2017 im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe am 14. Mai 2017 einen psychogehenden Krampfanfall gehabt und sich bis 15. Mai 2017 stationär im Isar-Amper-Klinikum München-Ost befunden.

Im dieser Klageschrift in Kopie als Anlage beigefügten vorläufigen Arztbrief des Isar-Amper-Klinikums München-Ost vom 15. Mai 2017 wurde im Wesentlichen ausgeführt, es werde über den Kläger berichtet, welcher sich vom 14. Mai 2017 bis zum 15. Mai 2017 in dortiger stationärer Behandlung befunden habe. Diagnosen: posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1), V.a. Psychogenen Krampfanfall am 14. Mai 2017, isolierte CK-Erhöhung a.e. Der Kläger könne nicht genau sagen, warum er hier sei. Vor einigen Tagen habe er einen Bescheid erhalten, dass er Deutschland verlassen müsse. Er setze sich mit seiner etwaigen Abschiebung auseinander. Er leide an nächtlichen Albträumen, welche auf Gewalterfahrungen in seinem Heimatland beruhten. Der Kläger habe wohl seit drei Tagen nicht geschlafen, da Albträume mit Kriegserinnerung auftreten würden, sobald er die Augen schließe. Er habe noch nie Kontakt zu einem Psychiater oder Psychologen gehabt. Er verneine optische und akustische Halluzinationen. Er habe keine Verfolgungsängste. Zusammenfassend werde vom Vorliegen einer PTBS im Rahmen von Gewalterfahrungen des Klägers in seinem Heimatland sowie zusätzlich a.e. von einem psychogenen Krampfanfall am 14. Mai 2017 ausgegangen.

Durch Schriftsatz vom 7. August 2018 zeigte der aktuelle Bevollmächtigte des Klägers unter Vollmachtsvorlage dessen Vertretung gegenüber dem Gericht an. Als Anlage war diesem Schriftsatz in Kopie eine fachärztliche Stellungnahme des Herrn Dr. M. - Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin - vom 29. Juni 2018 beigefügt. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe sich erstmals am 16. Februar 2018 in der dortigen Praxis wegen massiver Schlafstörungen aufgrund von Albträumen vorgestellt. Er habe ständig Angst, dass die Polizei ihn aufgreifen könne und ihn zurück nach Nigeria bringe. Dort sei er von Kriminellen verfolgt und mit einer „gun“ bedroht worden. Der Kläger habe mehrere Tote auf dem Weg durch die Wüste gesehen und erlebt, wie auf der Überfahrt nach Italien vor seinen Augen mehrere Menschen über Bord gegangen und ertrunken seien. Grunderkrankung sei eine PTBS aufgrund mehrerer traumatischer Erlebnisse, sowohl in Nigeria als auch auf der Flucht nach Europa. Eine traumaorientierte Psychotherapie sei dringend indiziert. Eine adäquate psychotherapeutische Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung sei in Nigeria aus Mangel an qualifizierten Therapeuten nicht möglich. Eine Abschiebung wäre in der jetzigen Phase für den Kläger lebensbedrohlich. Es werde ihm insbesondere Arbeit und Sprachunterricht empfohlen.

Durch Schriftsatz vom 9. September 2018 ließ der Kläger insbesondere ausführen, falls das Gericht der Auffassung sei, die vorgelegte fachärztliche Stellungnahme genüge nicht den Anforderungen an einen Beweis für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots, werde beantragt, durch Einholung eines psychologischen/psychiatrischen Gutachtens zu klären, dass der Kläger erstens an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet und zweitens durch diese Erkrankung eine nahe liegende und konkrete Suizidgefahr für den Kläger sowie eine erweiterte Suizidgefahr besteht sowie drittens bei einer Rückführung des Klägers nach Nigeria von einer konkreten Gefahr für Leib und Leben des Klägers im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auszugehen ist. Die Mutter des Klägers sei vor wenigen Wochen verstorben. Bei der Besprechung der Niederschrift zur Anhörung beim Bundesamt habe der Kläger verschiedene Punkte bemängelt und richtig gestellt.

Durch Schriftsatz vom 13. September 2018 ließ der Kläger die Kopie eines ärztlichen Attests des Herrn Dr. B. - Facharzt für Neurologie - vom 6. Juni 2017 vorlegen. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, zur letzten Vorgeschichte und bisherigen diagnostischen Einordnung werde auf den Arztbrief der Isa Amper Klinik München Ost vom 15. Mai 2017 verwiesen. Wegen des Verdachts auf einen psychogenen Krampfanfall habe eine neurologische Untersuchung erfolgen sollen, die am 30. Mai 2017 durchgeführt worden sei. Der klinisch neurologische Befund sei normal gewesen. Im Vordergrund stehe die posttraumatische Belastungsreaktion, die dringend einer psychiatrischen Behandlung und einer Psychotherapie zugeführt werden müsse. Dies sei im Herkunftsland des Klägers nicht möglich.

Auf die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bestätigung des Herrn Dr. M. vom 8. November 2018 wird Bezug genommen.

Die Beklagte stellte keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte zum Klageverfahren, die vorgelegte Behördenakte und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 9. November 2018 Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist insgesamt offensichtlich unbegründet.

Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bundesamtsbescheids und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).

Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 - 2 BvR 1429/98 - juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG, auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (vgl. BVerfG, B.v. 25.4.2018 - 2 BvR 2435/17 - juris Rn. 21) und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 - 2 BvR 1429/98 - juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 - 2 BvR 1613/07 - juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 - 2 BvR 2063/06 - juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 - 2 BvR 629/06 - juris Rn. 12 m.w.N.).

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klage insgesamt als offensichtlich unbegründet abzuweisen.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes liegen offensichtlich nicht vor (§ 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Das Vorbringen ist nicht asylrelevant. Zudem ist es in wesentlichen Punkten unsubstantiiert und damit insgesamt unglaubhaft. So hat sich der Kläger auch unglaubwürdig gemacht. Zudem muss er sich hinreichend gesichert auf internen Schutz verweisen lassen. Es wäre somit bereits Sache des Bundesamts gewesen, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Im Einzelnen:

Im Kern hat der Kläger Gefahren durch einen ehemaligen Arbeitgeber und durch eine kriminelle Bande geltend gemacht.

Dieses Vorbringen ist nicht asylrelevant, weil es keinen Bezug zu einem asylerheblichen Merkmal des Klägers hat.

Das Vorbringen ist zudem in wesentlichen Punkten unsubstantiiert und damit insgesamt unglaubhaft.

Datums- und umstandsgenaue Angaben zu den behaupteten Gefahren, insbesondere zu den die Ausreise verursachenden Umständen, fehlen. Das Vorbringen ist insoweit durchweg substanzlos und oberflächlich geblieben. Wäre der Kläger etwa wirklich in einer echten Drucksituation aus Nigeria ausgereist, hätte er in der Bundesamtsanhörung etwa das Ausreisedatum genau angeben können und müssen. Es wird noch darlegt, dass beim Kläger offensichtlich keine psychische Erkrankung vorliegt, die ihm einen genaueren Vortrag beim Bundesamt erschwert haben könnte. Auf entsprechende Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nach dem Grund des ungenauen Vortrags beim Bundesamt hat der Kläger im Kern auch nur geantwortet, die Niederschrift zur Bundesamtsanhörung gebe deren Inhalt nicht zu treffend wider. Dem steht aber die protokollierte, damals abschließende Bestätigung des Klägers entgegen, es habe in der rückübersetzten Bundesamtsanhörung keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben.

Wegen der geltend gemachten Gefahren muss sich der Kläger zudem hinreichend gesichert auf internen Schutz verweisen lassen (§ 3e AsylG).

Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, insbesondere Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings ausnahmsweise mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben (vgl. zu all dem nur Lagebericht des Auswärtigen Amts zur Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2017, S. 18).

Einen solchen, engen Ausnahmefall kann der Kläger offensichtlich nicht für sich in Anspruch nehmen. Nach eigenem Vorbringen hat er noch seine Mutter, zwei Brüder und eine Schwester in Nigeria. Er war dort auch bereits beruflich tätig. Er hat selbst angegeben, dort genug zum Leben gehabt zu haben und auch die drei Kinder des verstorbenen Bruders ernährt zu haben. Zudem hat der Kläger als junger, im Ergebnis gesunder und auch heute noch in Deutschland arbeitsfähiger Mann nicht zuletzt durch seine Reise nach Europa bewiesen, dass er sich in einer für ihn unbekannten Umgebung behaupten kann. Somit ist der Kläger jedenfalls auf andere Landesteile als Benin City oder Imo State zu verweisen.

Der Kläger hat nach den vorstehenden Darlegungen und unter Berücksichtigung sämtlicher zu seinem Gesundheitszustand vorliegenden Stellungnahmen auch offensichtlich keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots, insbesondere des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Die Vermutung, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (§ 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG) ist offensichtlich nicht widerlegt, weil offensichtlich keine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht ist (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG).

Der vorläufige Arztbrief des Isar-Amper-Klinikums München-Ost vom 15. Mai 2017 trägt schon insbesondere die in ihm enthaltene Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht. Zusammenfassend wird in diesem Arztbrief vom Vorliegen einer PTBS im Rahmen von Gewalterfahrungen des Klägers in seinem Heimatland sowie zusätzlich a.e. von einem psychogenen Krampfanfall am 14. Mai 2017 ausgegangen. Dieser Formulierung zeigt, dass damals ärztlicherseits höchstens der Verdacht einer PTBS bestanden hatte. Denn eine PTBS ist damit nicht einmal bestimmt im Sinne einer verbindlichen Diagnose behauptet worden. Fachlich ist das nach zwei Behandlungstagen auch nicht seriös möglich, weil eine behandlungsbedürftige PTBS durch Unschärfen des Krankheitsbildes und vielfältige Symptome gekennzeichnet ist (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 8/07 - juris Rn. 15). Durch den Hinweis auf irgendwelche „Gewalterfahrungen des Klägers in seinem Heimatland“ ist ein traumatisierendes Ereignis auch nicht nachvollziehbar konkretisiert. Da von Gewalterfahrungen des Klägers in seinem Heimatland bis dahin im Asylverfahren keine Rede gewesen ist und sich der Kläger bereits als unglaubwürdig erwiesen hat, glaubt das Gericht das traumatisierende Ereignis auch nicht. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierenden Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 8/07 - juris Rn. 15). Auch dieser Anforderung genügt der vorläufige Arztbrief nicht, weil er zu diesem Punkt überhaupt keine Aussage trifft. Eine solche Aussage wäre schon deshalb unbedingt erforderlich gewesen, weil auch den Ärzten aufgefallen ist, dass die ärztliche Behandlung ausgerechnet zwei Tage nach dem Zugang des ablehnenden Bundesamtsbescheids stattgefunden hat. Aussagen dazu, inwiefern sich die PTBS durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG), enthält dieser Arztbrief auch nicht.

Auch durch die fachärztliche Stellungnahme des Herrn Dr. M. - Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin - vom 29. Juni 2018 ist keine Erkrankung, die die Abschiebung des Klägers beeinträchtigen kann, glaubhaft gemacht. Die in ihr enthaltene Diagnose einer PTBS stützt sich zum einen auf Ereignisse im Herkunftsland, die das Gericht nicht glaubt. Da seitens des Klägers bis zu diesem Zeitpunkt nie davon die Rede gewesen ist, dass er mehrere Tote auf dem Weg durch die Wüste gesehen und erlebt habe, wie auf der Überfahrt nach Italien vor seinen Augen mehrere Menschen über Bord gegangen und ertrunken seien, hat er sich durch diese Einlassungen vollends unglaubwürdig gemacht.

Die Frage der Reisefähigkeit bzw. der Suizidalität des Klägers ist ausländerrechtlicher Natur (vgl. nur BayVGH, B.v. 29.7.2014 - 10 CE 14.1523 - juris Rn. 21 m.w.N.) und daher vorliegend nicht entscheidungserheblich. Auffällig ist jedoch gerade im vorstehend dargelegten Zusammenhang der Defizite der ärztlichen Stellungnahmen und der Unglaubwürdigkeit des Klägers, dass in der fachärztlichen Stellungnahme vom 29. Juni 2018 nur nicht nachvollziehbar und wenig glaubhaft behauptet wird, eine Abschiebung wäre in der jetzigen Phase für den Kläger lebensbedrohlich.

Das ärztliche Attest des Herrn Dr. B. vom 6. Juni 2017 leidet im Wesentlichen an den Defiziten, die dem vorläufigen Arztbrief des Isar-Amper-Klinikums München-Ost vom 15. Mai 2017 anhaften. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, inwiefern aufgrund einer einmaligen neurologischen Untersuchung des Klägers der eigene Schluss auf die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung fachlich seriös möglich sein sollte.

Nach den vorstehenden Darlegungen war der im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 9. September 2018 enthaltenen Beweisanregung nicht weiter nachzugehen.

Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird - wie bereits dargelegt - vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstünden. Nach § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG muss der Ausländer eine Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen, an die bestimmte Anforderungen zu stellen sind. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist hierzu nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2018 - 10 ZB 18.30105 - juris). Das im zweiten Punkt des Schriftsatzes angeführte Beweisthema ist ebenfalls nicht entscheidungserheblich, weil es rein ausländerrechtlicher Natur ist (vgl. nur BayVGH, B.v. 29.7.2014 - 10 CE 14.1523 - juris Rn. 21 m.w.N.). Der dritte Punkt der Beweisanregung ist einem Beweis nicht zugänglich, sondern er läuft auf eine rechtliche Würdigung hinaus, die allein dem Gericht vorbehalten ist.

Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Das Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren.

2

Der 1970 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört zur Volksgruppe der Paschtunen und stammt aus der Provinz Kunar. Er reiste im April 2001 nach Deutschland ein und betrieb hier erfolglos ein Asylverfahren. Im Juni 2007 stellte er einen Asylfolgeantrag. Mit Bescheid vom 18. Juni 2007 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und eine Änderung seiner Feststellung zum Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG 1990 ab. Das Verwaltungsgericht hat das Bundesamt im Mai 2008 zu der Feststellung verpflichtet, dass bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

3

Hiergegen hat nur die Beklagte Berufung eingelegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung im Juni 2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Das grundsätzlich vorrangige - europarechtlich begründete - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG sei vorliegend nicht zu prüfen. Zwar sei im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes bereits in Kraft gewesen und der Kläger habe die Feststellung von Abschiebungsverboten "nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG" beantragt. Das Verwaltungsgericht habe über das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aber - rechtsirrtümlich - nicht entschieden. Da es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass das Verwaltungsgericht bewusst nur über einen Teil des Streitgegenstandes entscheiden wollte, liege kein Teilurteil vor. Das Urteil sei vielmehr im Hinblick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlerhaft. Es verstoße gegen § 88 VwGO, weil es über das europarechtliche Abschiebungsverbot rechtsirrtümlich nicht vorrangig entschieden habe. Der Kläger habe jedoch keinen Zulassungsantrag gestellt und der Antrag des Bundesamts auf Zulassung der Berufung sei auf den stattgebenden Teil des angefochtenen Urteils, also das - nationale - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begrenzt gewesen; nur insoweit sei die Berufung zugelassen worden. Wegen der Dispositionsbefugnis der Beteiligten sei der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens damit hierauf beschränkt. Mit der rechtskräftigen Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht im Übrigen sei die Rechtshängigkeit des unbeschieden gebliebenen europarechtlich begründeten Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entfallen.

4

Dem Kläger sei in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG Abschiebungsschutz zu gewähren. Er gehöre zu der Gruppe der beruflich nicht besonders qualifizierten afghanischen Staatsangehörigen, die bei einer Abschiebung nach Kabul ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte seien und dort weder über Grundbesitz noch über nennenswerte Ersparnisse verfügten. Angehörige dieser Gruppe hätten kaum Aussicht, eine Arbeit zu finden und damit ihren eigenen Lebensunterhalt zu sichern. Unter diesen Umständen würden dem Kläger ausschließlich Tee und Brot als Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Angesichts dieser Lebensbedingungen in Afghanistan, insbesondere der derzeit vorherrschenden katastrophalen Versorgungslage, aber auch der medizinischen Versorgung und der Sicherheitslage, bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten würde. Insbesondere die durch die Mangelernährung erhöhte Infektanfälligkeit werde in Verbindung mit dem ebenfalls ernährungsbedingten Eisenmangel zu schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane führen.

5

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision beanstandet die Beklagte vor allem, dass sich das Berufungsgericht im Hinblick auf die vom Kläger befürchteten allgemeinen Gefahren auf zu schmaler Tatsachengrundlage über die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG hinweggesetzt habe.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt in mehrfacher Hinsicht Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

7

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes. Hierzu zählen in Umsetzung des subsidiären Schutzkonzepts nach Art. 15 und 17 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie - die in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG aufgeführten Abschiebungsverbote. Dieses Begehren ist mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (BGBl I 2007, 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - im August 2007 Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden und ist dies - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nach wie vor. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ferner das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG einschließlich der Feststellung eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG. Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist der Folgeantrag des Klägers hinsichtlich der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, über den das Verwaltungsgericht rechtskräftig (negativ) entschieden hat. Eine Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht Gegenstand des Verfahrens. Denn das Bundesamt hat hierzu in seinem angefochtenen Bescheid keine Entscheidung getroffen.

8

Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, weil es den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz nicht geprüft hat (1.). Es verletzt ferner Bundesrecht, weil es beim nationalen Abschiebungsschutz den Anforderungen an die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG im Falle allgemeiner Gefahren nicht hinreichend Rechnung getragen hat (2.). Schließlich verletzt es Bundesrecht, weil seine Feststellungen zur Gefahrenprognose bei verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten (3.).

9

1. Das Berufungsgericht hätte nicht ungeprüft lassen dürfen, ob der Kläger die Voraussetzungen für die Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots erfüllt. Dieser Streitgegenstand ist in allen Übergangsfällen, in denen das Bundesamt über die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. entschieden hat und hiergegen Klage erhoben wurde, mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im August 2007 im gerichtlichen Verfahren angewachsen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats gilt dies jedenfalls dann, wenn das Bundesamt in seinem Ablehnungsbescheid über sämtliche zielstaatsbezogenen aufenthaltsrechtlichen Abschiebungsverbote sachlich entschieden und der Kläger die neuen, auf Unionsrecht beruhenden subsidiären Abschiebungsverbote in das anhängige gerichtliche Verfahren einbezogen hat (vgl. Urteile vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 <364 f.> und vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 <228 f.>). An dieser (vorsorglichen) Einschränkung für ein Anwachsen des unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutzes in Übergangsfällen hält der Senat nicht fest; vielmehr wächst dieser Streitgegenstand kraft Gesetzes und unabhängig vom Verfahrenshandeln der Beteiligten an. Dies leitet der Senat - in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur gesetzlichen Erweiterung des Streitgegenstands der Asylklage um die Prüfung der Voraussetzungen des flüchtlingsrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (vgl. u.a. Urteil vom 18. Februar 1992 - BVerwG 9 C 59.91 - Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1 = DVBl 1992, 843) - aus folgenden verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Gründen her:

10

Verfahrensrechtlich hat der Senat in ständiger Rechtsprechung die dem Asylverfahrensgesetz zugrunde liegende Konzentrations- und Beschleunigungsmaxime betont, die dafür streitet, möglichst alle Fragen, die sich typischerweise in einem Asylverfahren stellen, in einem Prozess abschließend zu klären und nicht weiteren Verfahren vorzubehalten (vgl. etwa Urteil vom 29. Juni 2010 a.a.O.). Denn das Asylverfahren ist auf eine alle Arten des Schutzes vor zielstaatsbezogenen Gefahren umfassende Entscheidung angelegt (vgl. Urteile vom 20. April 1999 - BVerwG 9 C 29.98 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 18 und vom 20. Oktober 2004 - BVerwG 1 C 15.03 - Buchholz a.a.O. Nr. 82). Würde man im vorliegenden Zusammenhang ein Anwachsen des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes verneinen, könnte und müsste der Kläger dieses Begehren in einem weiteren Verfahren verfolgen, was in aller Regel mit (zusätzlichen) Verzögerungen verbunden ist.

11

Materiellrechtlich ist ein Anwachsen des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes zunächst im Hinblick auf den nachrangigen nationalen Abschiebungsschutz geboten, soweit es die verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann die gesetzlich angeordnete Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei allgemeinen Gefahren nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht. Eine Schutzlücke besteht für den Kläger indes nicht, falls er die Feststellung eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots beanspruchen kann. Dies bedeutet im Verhältnis von unionsrechtlichem und nationalem Abschiebungsschutz, dass bei allgemeinen Gefahren ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nicht in Betracht kommt, solange die Zuerkennung von subsidiärem unionsrechtlichen Schutz nicht ausgeschlossen ist (vgl. hierzu zuletzt Urteil vom 29. Juni 2010 a.a.O. m.w.N.). Eine bloße Inzidentprüfung des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung wäre keine geeignete Alternative, weil das Ergebnis dieser Prüfung keine Bindungswirkung hätte.

12

Die gesetzliche Erweiterung des Streitgegenstandes ergibt sich ferner daraus, dass das Gesetz im Fall der Ablehnung des Schutzantrags in der Regel den Erlass einer Abschiebungsandrohung vorsieht. Nach § 34 AsylVfG erlässt das Bundesamt die Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt und ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird und er keinen Aufenthaltstitel besitzt. Die Rechtmäßigkeit dieser Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbezeichnung gemäß § 59 Abs. 2 AufenthG kann im Gerichtsverfahren aber nur dann bestätigt werden, wenn das Vorliegen sämtlicher zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote geprüft und verneint worden ist. Würden im gerichtlichen Verfahren zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote - wie die des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes - zunächst ungeprüft bleiben, müsste auch die Überprüfung der Zielstaatsbezeichnung einem weiteren Verfahren vorbehalten bleiben.

13

Diese materiellrechtlichen Gründe überlagern in ihrer verfahrensrechtlichen Konsequenz das allgemeine Verwaltungsprozessrecht und bewirken, dass in den Fällen, in denen das Bundesamt vor Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes über das (Nicht-)Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten entschieden hat und hiergegen Klage erhoben worden ist, in den anhängigen gerichtlichen Verfahren der am 28. August 2007 neu hinzugetretene unionsrechtlich begründete Abschiebungsschutz automatisch anwächst und damit zwingend zu prüfen ist. Über dieses Prüfprogramm können die Verfahrensbeteiligten nicht disponieren und damit in Übergangsfällen das Anwachsen des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes während des gerichtlichen Verfahrens nicht verhindern. In diesen Fällen bedarf es keiner ausdrücklichen Einbeziehung des neuen, auf Unionsrecht beruhenden subsidiären Abschiebungsschutzes in das anhängige gerichtliche Verfahren durch einen der Verfahrensbeteiligten (so Urteil vom 29. Juni 2010 a.a.O.). Ist der unionsrechtliche Abschiebungsschutz - wie hier - im erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren angewachsen, scheidet er allerdings dann aus dem gerichtlichen Verfahren aus, wenn das Verwaltungsgericht darüber ausdrücklich in der Sache entschieden hat und der unterlegene Beteiligte hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt hat. Denn dann ist dieser Streitgegenstand durch eine rechtskräftige Entscheidung abgeschichtet worden. Entsprechendes gilt bei dem Anwachsen des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes im Berufungsverfahren im Falle einer unangefochten bleibenden und damit rechtskräftigen Sachentscheidung durch das Berufungsgericht.

14

Ein Nichtentscheiden oder irrtümliches Übergehen durch das Verwaltungsgericht reicht nicht aus, um den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz aus dem Verfahren ausscheiden zu lassen, und zwar auch dann nicht, wenn einer der Beteiligten den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz im Verfahren angesprochen hatte. Um Missverständnisse zu vermeiden, weist der Senat auf Folgendes hin: Falls eine gerichtliche Entscheidung, in der das Anwachsen des unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutzes in Übergangsfällen nicht berücksichtigt worden ist, rechtskräftig geworden ist, ist damit die Rechtshängigkeit dieses Teils des Streitgegenstandes entfallen (vgl. Urteil vom 22. März 1994 - BVerwG 9 C 529.93 - BVerwGE 95, 269 <274>). Der Betroffene kann dieses unbeschieden gebliebene Begehren daher beim Bundesamt geltend machen (Urteil vom 22. März 1994 a.a.O. S. 275).

15

Im Entscheidungsfall fehlt es an einer unanfechtbaren Sachentscheidung zum unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zwar im Übrigen abgewiesen, diese Teilabweisung aber ersichtlich nicht auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz bezogen. Dass der unionsrechtliche Abschiebungsschutz während des gerichtlichen Verfahrens angewachsen ist, hat das Verwaltungsgericht irrtümlich verkannt. Auch das Berufungsgericht geht von einem rechtsirrtümlichen Nichtentscheiden des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aus (UA S. 6).

16

Vorliegend ist der unionsrechtliche Abschiebungsschutz demnach im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht angewachsen und entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Das Berufungsgericht muss sich daher in dem erneuten Berufungsverfahren mit diesem Begehren befassen. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich insoweit um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand, der eigenständig und vorrangig vor den sonstigen zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfen ist (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11). Das Berufungsgericht muss deshalb alle entsprechenden Anspruchsgrundlagen in den Blick nehmen, aus denen sich ein Anspruch auf Feststellung eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots in Bezug auf Afghanistan ergeben kann (§ 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG), wobei hier im Hinblick auf die allgemeinen Gefahren und den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG im Vordergrund stehen dürfte.

17

2. Das Berufungsurteil verletzt auch hinsichtlich des nationalen Abschiebungsschutzes Bundesrecht. Das Berufungsgericht wird sich im Falle der Ablehnung eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots auch mit diesem Begehren nochmals befassen müssen. Bei dem nationalen Abschiebungsschutz handelt es sich nach dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes ebenfalls um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand mit mehreren Anspruchsgrundlagen (§ 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung). Eine Abschichtung einzelner nationaler Abschiebungsverbote im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ist daher ungeachtet des materiellen Nachrangs des Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht möglich. Soweit der Senat im Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - (BVerwGE 137, 226 Rn. 6) davon ausgegangen ist, dass im dortigen Verfahren nur (noch) § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und nicht (mehr) § 60 Abs. 5 AufenthG Gegenstand des Verfahrens war, handelt es sich um eine vor Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes erklärte Rücknahme, die nach der früher maßgeblichen Staffelung der Streitgegenstände des nationalen Abschiebungsschutzes (vgl. zur früheren Rechtslage Urteil vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C 19.96 - BVerwGE 104, 260) noch zulässig und wirksam war.

18

Das Berufungsgericht ist an der Feststellung eines Abschiebungsschutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG entgegen der Auffassung der Beklagten allerdings nicht schon deshalb gehindert, weil der Schutzsuchende auch bei Vorliegen einer Extremgefahr auf die Anfechtung einer Abschiebungsandrohung bzw. der darin enthaltenen Zielstaatsbezeichnung beschränkt wäre. Bei Gewährung von Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG ersetzt die gerichtliche Schutzgewähr nicht im Einzelfall eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 AufenthG; die gerichtliche Prüfung bleibt im System der positiven Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots (s.a. § 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG). Über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG hat - wie bei anderen aufenthaltsrechtlichen Abschiebungsverboten auch - die Ausländerbehörde zu entscheiden.

19

Das Berufungsurteil ist aber insoweit mit Bundesrecht nicht vereinbar, als es dem Kläger Abschiebungsschutz nach nationalem Recht in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG zugesprochen hat, ohne das Vorliegen des unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutzes (Abschiebungsverbote u.a. nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) rechtsfehlerfrei zu prüfen und auszuschließen. Damit hat es sowohl den Vorrang des unionsrechtlichen gegenüber dem nationalen Abschiebungsschutz (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11) als auch die in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Voraussetzungen für die verfassungskonforme Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in Fällen einer allgemeinen Gefahr verfehlt.

20

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine derartige Abschiebestopp-Anordnung besteht für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht (mehr). Mit seinem Hinweis insbesondere auf die unzureichende Versorgungslage in Afghanistan, die für Rückkehrer ohne Berufsausbildung und familiäre Unterstützung bestehe, macht der Kläger allgemeine Gefahren geltend, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Diese Sperrwirkung kann, wie ausgeführt, nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht. Eine Schutzlücke besteht für den Kläger nicht, falls ihm unionsrechtlicher Abschiebungsschutz zusteht. Das Berufungsgericht hätte sich daher auch aus diesem Grund mit der Frage des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes befassen müssen, ehe es sich mittels verfassungskonformer Auslegung über die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG hinwegsetzt.

21

3. Schließlich ist die Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch das Berufungsgericht auch deshalb mit Bundesrecht nicht vereinbar, weil seine Feststellungen zum Vorliegen einer extremen Gefahr im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Afghanistan einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass eine unmittelbare Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausscheidet, weil der Kläger keine individuellen, nur ihm drohenden Gefahren, sondern allgemeine Gefahren geltend macht. Es ist aber bei der verfassungskonformen Anwendung der Vorschrift hinter den maßgeblichen rechtlichen Anforderungen zurückgeblieben. So ist es zwar zutreffend von den rechtlichen Maßstäben ausgegangen, die der Senat zum Vorliegen einer extremen Gefahrenlage entwickelt hat. Es ist in diesem Zusammenhang aber den Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht gerecht geworden und hat seine Entscheidung auf eine zu schmale Tatsachengrundlage gestützt.

22

Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Afghanistan erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.

23

Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.).

24

Das Berufungsgericht hat sich ausdrücklich auf diesen hohen Wahrscheinlichkeitsmaßstab bezogen und in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Senats zitiert. Es spricht davon, dass der Kläger in Afghanistan mangels jeglicher Lebensgrundlage unausweichlich dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert wäre (UA S. 11). In einer Gesamtgefahrenschau müsse deshalb in seinem Falle eine extreme Gefahrenlage bejaht werden (UA S. 24). Diese rechtliche Schlussfolgerung ist durch die getroffenen tatsächlichen Feststellungen und deren Würdigung jedoch nicht gedeckt. Soweit das Berufungsgericht hierfür an der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 6. Mai 2008 anknüpft, verweist der Senat auf seine dieses Urteil aufhebende Entscheidung vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - (a.a.O.). Indes tragen auch die weitergehenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, das eine weitere Verschärfung der allgemeinen Lebensbedingungen in Afghanistan konstatiert und dies unter anderem mit der inzwischen landesweit schwierigen Sicherheitslage begründet (UA S. 18 ff. und 22 f.), die von ihm vorgenommene Gesamtentscheidung nicht.

25

Dies zeigt sich insbesondere im Hinblick auf die vom Berufungsgericht festgestellte drohende Mangelernährung und die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken. Das Berufungsgericht geht zwar von einer - gegenüber den vom Oberverwaltungsgericht Koblenz beschriebenen Gegebenheiten - weiteren Zuspitzung der Versorgungslage in Afghanistan aus, bedingt vor allem durch die weiter verschlechterte Sicherheitslage. Das Gericht belegt dies mit der Feststellung, nur noch 37 % der afghanischen Bevölkerung gebe an, sich notwendige Lebensmittel leisten zu können. Jedenfalls für die Mehrheit der auf dem Land lebenden Afghanen gebe es keine Ernährungssicherheit. Die Hälfte aller Kinder bis zum Alter von fünf Jahren gelte als chronisch unterernährt (jeweils UA S. 20). Diese Feststellungen tragen indes nicht den Schluss des Berufungsgerichts, dass in Afghanistan eine derart extreme Gefahr besteht, dass das Leben jedes alleinstehenden jüngeren arbeitsfähigen Mannes - und damit das des Klägers - aufgrund der mangelhaften Versorgungslage akut gefährdet ist. Dies zeigt, dass sich das Berufungsgericht bei der Würdigung dieser zentralen Frage auf eine zu schmale Tatsachengrundlage gestützt und den erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeitsmaßstab verfehlt hat.

26

Entsprechendes gilt für die durch Mangelernährung ausgelösten gesundheitlichen Risiken. Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger würde bei einer Ernährung ausschließlich von Tee und Brot alsbald und unausweichlich in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten (UA S. 12), ist nicht durch hinreichend detaillierte Tatsachen belegt. Dies gilt für die Wahrscheinlichkeit des vom Berufungsgericht befürchteten Krankheitsverlaufs im Allgemeinen, aber auch für die zeitliche Perspektive der lebensbedrohlichen Folgen und die Unausweichlichkeit des prognostizierten Geschehensablaufs.

27

Bei der Gesamtprognose ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen sich das Berufungsgericht davon überzeugt hat, dass sich die jeweils hohe Eintrittswahrscheinlichkeit bei den Teilkomplexen zu einer entsprechend hohen Eintrittswahrscheinlichkeit insgesamt zusammenfügt. Dies hat der Senat bereits bei der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz beanstandet. Das Berufungsgericht hat ebenfalls im Wesentlichen einzelne Risiken festgestellt und bewertet, sie aber nicht im Rahmen einer umfassenden Gesamtgefahrenprognose gewürdigt (vgl. hierzu Beschluss vom 25. Februar 2000 - BVerwG 9 B 77.00 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 31). Dies zeigt sich etwa daran, dass der Zusammenhang zwischen Versorgungslage und Sicherheitslage nicht hinreichend deutlich wird. Beide Teilkomplexe stehen weitgehend unvermittelt nebeneinander.

28

4. Bei seiner erneuten Befassung mit der Sache ist das Berufungsgericht gehalten, sich auch mit der gegenteiligen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte auseinanderzusetzen (vgl. etwa Urteil des VGH München vom 3. Februar 2011 - 13 a B 10.30394 - juris, das sich seinerseits allerdings auch nicht mit der Rechtsprechung des Berufungsgerichts auseinandersetzt; vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 29. Juni 2010 a.a.O. Rn. 22). Sollte es für die Entscheidung weiterhin entscheidungserheblich auf das Vorhandensein einer familiären Unterstützung ankommen, wird das Berufungsgericht ferner auch den familiären Verhältnissen des Klägers in Afghanistan nochmals nachzugehen haben. Der Kläger hat sich für sein Vorbringen, dass Angehörige getötet worden seien, auf einen Brief bezogen, den ein Landsmann Ende 2005 in Deutschland erhalten habe. Der Inhalt dieses Briefes ist aber offenbar unklar (vgl. in der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die Einlassungen des Dolmetschers).

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. September 2017 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung des subsidiären Schutzstatus, hilfsweise eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG.

Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge somalischer Staatsangehöriger muslimisch-sunnitischen Glaubens, zugehörig zum Clan der Sheikhal, reiste nach Aktenlage am 4. Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 10. Mai 2016 einen Asylantrag. Nachdem der Kläger bei dem Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats am 10. Mai 2016 angegeben hatte, über Italien und die Schweiz nach Deutschland eingereist zu sein und in der Schweiz am 5. Mai 2015 einen Asylantrag gestellt zu haben, sowie nachdem für den Kläger ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für die Schweiz festgestellt worden war, stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 8. Juli 2016 ein Übernahmeersuchen nach Dublin-III-Verordnung an die Schweiz. Diese antwortete am 12. Juli 2016 dahingehend, dass die Schweiz ein Übernahmeersuchen an Italien gestellt habe, das Italien stillschweigend akzeptiert habe. Am 11. Dezember 2015 sei die Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängert worden, da der Kläger verschwunden sei. Daher sei Italien zuständig. Daraufhin teilte das Bundesamt der zuständigen Ausländerbehörde mit Schreiben vom 29. Juli 2016 mit, dass die Entscheidung im nationalen Verfahren ergehe.

Bei seiner Anhörung am 13. Dezember 2016 in München gab der Kläger an, zuletzt im Dorf Harcadey in der Nähe der Stadt Beled Weyne gewohnt zu haben. Er habe dort mit seiner Ehefrau, seinen Eltern und seinen Geschwistern gelebt. Seine Mutter sei bereits verstorben, sein Vater lebe noch dort. Sein Bruder sei verheiratet und lebe mit seiner Frau in Harcadey. Seine Schwestern A* …, H* … und B* … lebten ebenfalls noch dort. Seine Schwester J* … lebe mit ihrem Mann in Beled Weyne. Seine Schwester R* … lebe mit ihrer Familie in Saudi Arabien. Seine Schwester Seynab und ihre Familie lebten in Burfiiq, das sei in der Nähe von Harcadey. Somalia habe er am 26. Oktober 2014 verlassen, in Deutschland sei er am 4. Oktober 2015 eingereist. Für seine Flucht habe er 3.500,00 US-Dollar bezahlen müssen, für die die Familie ein Grundstück verkauft und ihm später das Geld geschickt habe. Er habe vier Jahre lang die Schule besucht und dann ihr Land bewirtschaftet.

Sein Asylantrag in der Schweiz sei abgelehnt worden. Er habe eine Frist von fünf Tagen gehabt, in denen er entweder das Land verlassen oder einen Rechtsanwalt hätte finden müssen. Da er keinen Anwalt gefunden habe, sei er ausgereist und habe den Bescheid in seiner Unterkunft in der Schweiz liegen gelassen.

Zu den Gründen seiner Ausreise gab er an, dass er mit seiner Familie in seinem Dorf Landwirtschaft betrieben habe. Das Dorf sei unter dem Einflussbereich der al Shabaab gewesen. Diese habe bei den Dorfbewohnern die Saka (Kopfgeld) eingetrieben. Es sei verboten gewesen Musik zu hören, zu feiern oder sich Kinofilme anzusehen. Eines Tages, als er gerade auf dem Feld beschäftigt gewesen sei, seien Angehörige der al Shabaab zu ihm gekommen und hätten ihm vorgeworfen, dass er ein Verräter sei. Er sei geschlagen worden und man habe ihm die Augen verbunden. In einem Auto sei er zu einem Lager der Miliz gefahren worden. Er sei dort zwei Tage gewesen, in denen er gefoltert und misshandelt worden sei. Dann habe es ein Gefecht zwischen der al Shabaab und äthiopischen Soldaten gegeben. Er sei aus der Gefangenschaft befreit und in dem Camp der äthiopischen Soldaten medizinisch behandelt worden. Seine Familie habe ihn dann abgeholt. Er habe nicht länger in seiner Heimat bleiben können, weil nachts die al Shabaab in seinem Dorf aktiv gewesen sei. Tagsüber hätten die äthiopischen Soldaten patrouilliert. Deshalb sei er von seiner Familie zu seiner Schwester nach Beled Weyne gebracht worden. Er habe sich einen Tag versteckt und am nächsten Tag das Land verlassen.

Auf Nachfrage erklärte der Kläger, dass er und seine Familie die Saka bezahlt hätten, ansonsten hätte man ihnen alles weggenommen. Entführt sei er ca. drei Tage vor seiner Flucht worden. Auf Nachfrage, was ihm die al Shabaab genau vorgeworfen habe, erklärte der Kläger, dass diese gegen die somalische Regierung kämpfe. Die meisten Leute in der Gegend seines Dorfes arbeiteten heimlich mit der al Shabaab zusammen. Jemand habe ihr erzählt, er hätte etwas mit der Regierung oder den äthiopischen Soldaten zu tun. Deshalb sei er als Verräter verfolgt worden. Auf Nachfrage, warum die al Shabaab ihn nicht getötet habe, erklärte der Kläger, dass die al Shabaab mache was sie wolle. Er wisse nicht, was mit ihm noch passiert wäre, wenn er nicht befreit worden wäre. Verhört worden sei er nicht. Es habe auch keine „Gerichtsverhandlung“ oder ähnliches gegeben. Auf die Bitte, genauer zu schildern, was nach seiner Ankunft im Lager der al Shabaab bis zur Befreiung durch die äthiopischen Soldaten passiert sei, erklärte der Kläger, dass seine Augen die ganze Zeit verbunden gewesen seien. Er habe also nicht genau sehen können, wo er sich befunden habe. Man habe ihn mit Eisenstangen, Stöcken und Gewehren geschlagen. Knochen seien durch die Schläge nicht gebrochen worden, er habe nur „Narben“ gehabt, die mittlerweile verheilt seien. Der äthiopische Arzt habe ihm keine Unterlagen bezüglich der Behandlung mitgegeben, er habe nur Salben aufgetragen bekommen. Auf die Frage, ob er in einem anderen Teil Somalias vor der al Shabaab in Sicherheit sei, erklärte der Kläger, dass die al Shabaab überall sei. Man erkenne sie nicht immer. Außerdem herrschten die einzelnen Clans in den jeweiligen Gebieten. Man könne nur dort leben, wo sich sein Clan aufhalte. Ansonsten werde einem kein Schutz oder Unterstützung gewährt. Seine Frau habe er mangels finanzieller Mittel nicht mitnehmen können. Als er in Libyen war, habe er das letzte Mal Kontakt zu ihr gehabt. Sie habe ihm erzählt, dass sie von der al Shabaab geschlagen worden sei und man immer noch nach ihm suchen würde. Auf die Frage, ob er unter Krankheiten leide, erklärte der Kläger, dass er Tuberkulose gehabt habe und noch Medikamente deswegen nehme.

In einem Vermerk vom 11. April 2017 hat das Bundesamt festgehalten, dass nach Auskunft der Dublin-Unit Schweiz vom 14. Juli 2016 der Kläger nach Stellung seines Asylantrags, noch bevor eine materielle Entscheidung ergangen sei, untergetaucht sei und das Verfahren somit in der Schweiz eingestellt worden sei. Daher sei kein Drittstaaten-Bescheid und Zweitantrag möglich.

Mit Bescheid vom 19. April 2017 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen 30 Tagen zu verlassen, andernfalls wurde ihm die Abschiebung, zuvorderst nach Somalia, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). In der Begründung des Bescheides wurde hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft und der Anerkennung als Asylberechtigter ausgeführt, dass eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die al Shabaab den Kläger unter dem Vorwurf, ein Verräter zu sein, zwei Tage lang gefoltert haben soll, ohne zu versuchen, Informationen von ihm zu bekommen. Zwei Tage Folter und Schläge mit den genannten Waffen hätten schwere Verletzungen hervorrufen müssen. Der Kläger wollte aber einen Tag nach seiner Befreiung bereits wieder so gesund gewesen sein, dass er innerhalb dieses Tages wieder nach Beled Weyne reisen, seine Flucht organisieren und fliehen habe können. Dies sei nicht vorstellbar. Dass er nicht genau habe angegeben können, wo er sich befunden habe, sei nicht plausibel, da davon auszugehen sei, dass die Soldaten ihn die Augenbinde bei der Befreiung sofort abgenommen hätten. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass er seine Frau mangels finanzieller Mittel nicht mitgenommen habe, da er eigenen Angaben zufolge über eine große Familie verfüge. Selbst bei Wahrunterstellung wäre der Kläger auf landesinternen Schutz zu verweisen. Er habe vorgetragen, dass er in Mogadischu zahlreiche Geschwister (Bruder und fünf Schwestern) sowie seinen Vater habe und dass seine Schwester J* … mit ihrem Mann in Beled Weyne lebe. Nach den Erkenntnissen des Bundesamts werde Beled Weyne nicht von der al Shabaab kontrolliert und gelte als sicher. Eine Rückkehr dorthin sei für junge arbeitsfähige Männer möglich. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Es drohten ihm bei einer Rückkehr nach Beled Weyne aufgrund der dortigen Situation keine erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt. Der Grad willkürlicher Gewalt dort erreiche nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau. Individuelle Gefahr erhöhende Umstände lägen in der Person des Klägers nicht vor. Auch Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Der Kläger habe keine stichhaltigen Ausführungen gemacht, die darauf schließen ließen, dass er bei einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wäre. Die Tatsache, dass er in der Lage gewesen sei, erhebliche Mittel für seine Ausreise aufzubringen, spreche gegen das Fehlen einer Unterstützung im Herkunftsland. Entweder verfüge er selbst über große finanzielle Mittel, oder Geldmittel seien von der Familie aufgebracht worden. Dass die Familienbande zwischenzeitlich zerrissen seien, sei nicht anzunehmen. Er sei jung und arbeitsfähig. Es sei zu erwarten, dass er Hilfe bei seiner Schwester in Beled Weyne erhalte und dass ihn auch die übrigen Verwandten unterstützten, wie sie es bei seiner Ausreise auch getan hätten. Eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege auch nicht aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung vor. Der Kläger habe angegeben an Tuberkulose zu leiden, habe hierfür aber keinerlei schriftliche oder sonstige Nachweise eingereicht. Vorgelegt sei lediglich eine vom Stationsarzt ausgefüllte Bescheinigung vom 6. September 2016 aus dem Klinikum Schwabing. Darin werde bestätigt, dass der Kläger sich in stationärer Behandlung befinde. Hinweise darauf, dass es sich dabei um eine Infektiologie-Station gehandelt habe, bestünden nicht. Selbst wenn der Kläger vor sieben Monaten tatsächlich an Tuberkulose gelitten haben sollte, sei es prinzipiell so, dass eine Tuberkulose als ausbehandelt gelte, wenn die Therapie über den vorhergehenden Zeitraum konsequent eingenommen worden sei und am Therapieende ein gebesserter Röntgenbefund und negative Sputum-Ergebnisse dokumentiert worden sei. Es sei dann anzunehmen, dass die Tuberkulose ausgeheilt und der Patient gesund sei. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf Bescheid verwiesen.

Auf die hiergegen vom Kläger erhobene Klage hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 6. September 2017, das ohne mündliche Verhandlung erging, den Bescheid des Bundesamts vom 19. April 2017 in den Nummern 3 bis 6 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Auf die Begründung des Urteils wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Berufung. Zur Begründung führt sie aus, dass die Klage mit dem vorrangigen Ziel der Feststellung des subsidiären Schutzes keinen Erfolg haben könne. Die Voraussetzungen für diese Schutzzuerkennung ließen sich in tatsächlicher Hinsicht nicht feststellen. Anhaltspunkte für § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG seien nicht erkennbar. Ebenso fehle es an einer Grundlage für einen Anspruch nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Zwar werde die Sicherheits- und Versorgungslage nach wie vor als fragil beschrieben, aber unabhängig davon, ob und in welchen Teilen des Landes gegenwärtig von einem bewaffneten Konflikt auszugehen wäre, erreiche dessen Intensität jedenfalls in Bezug auf das hier in den Blick zu nehmende Herkunftsgebiet nicht den besonders hohen Grad, der feststellbar sein müsste, um eine konkrete individuelle Bedrohung jeder Zivilperson bereits infolge des Aufenthalts in Somalia bejahen zu können. Gefahrerhöhende Faktoren seien nicht erkennbar. Auch die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot bestünden nicht. Nach der Bewertung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gemäß dessen Urteil vom 23. März 2017 (Az. 20 B 15.30110) ergebe sich kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG aus der unzureichenden Versorgungslage in Somalia. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 26) sei dabei auf Mogadischu abzustellen, weil dort die Abschiebung ende. Die Hauptstadt könne mit Linienflügen direkt angeflogen werden, ohne dass die Gefahr bestehe, in einem anderen, weniger sicheren Landesteil Somalias landen oder diesen durchreisen zu müssen. Die allgemein schlechte Versorgungslage in Somalia begründe auch kein generelles Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Insoweit handele es sich um Gefährdungslagen, die zugleich im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG der dortigen Bevölkerung allgemein drohten. Sie könnten daher nur im Falle einer Schutzlücke die Überwindung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen, wofür keine Anhaltspunkte bestünden. Gründe, die zu einer Rechtswidrigkeit der verfügten Abschiebungsandrohung oder der Wiedereinreisesperrfrist führen könnten, seien nicht aufgezeigt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Der klägerische Vortrag müsse die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach sich ziehen. Auf jeden Fall müsse das Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festgestellt werden. Die derzeitige Versorgungslage in Somalia halte seit über zwei Jahren an und es sei nicht abzusehen, dass sich dies bessern könne.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Akten des Bundesamts und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2018 verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand ist die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG), hilfsweise auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, § 60 Abs. 7 AufenthG). Der Hilfsantrag auf Feststellung eines Abschiebungsverbots wurde im Tatbestand des verwaltungsgerichtlichen Urteils zwar versehentlich nicht erwähnt, wurde aber ausweislich der verwaltungsgerichtlichen Akte im erstinstanzlichen Verfahren eindeutig gestellt. Mit der Zulassung der Berufung ist er im Berufungsverfahren mit angewachsen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, weil die Voraussetzungen des § 4 AsylG nicht vorliegen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gelten als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Das Land hat zwar den Zustand eines „failed state“ überwunden, bleibt aber ein sehr fragiler Staat. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- bzw. Zentralsomalia mit der Hauptstadt Mogadischu kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die al Shabaab-Miliz. Die Gebiete befinden sich teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon seit längerer Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die al Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die al Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 7. März 2018 – Stand: Januar 2018, S. 4 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia – vom 12. Januar 2018, S. 12 ff. und Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 12. Oktober 2015, S. 32; siehe auch EGMR, U.v. 10.9.2015 – Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] – NVwZ 2016, 1785; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] – Rn. 87 ff.; BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris und U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29).

a) Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG in Gestalt der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe durch den somalischen Staat (Kluth in Beck-OK AuslR, § 4 AsylG, Rn. 9) droht, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, weil er eine ihm drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch die al Shabaab bei einer Rückkehr nach Somalia nicht glaubhaft gemacht hat. So ist es, wie das Bundesamt im Bescheid ausgeführt hat, nicht nachvollziehbar, warum die al Shabaab dem Kläger unter dem Vorwurf, ein Verräter zu sein, zwei Tage lang gefoltert haben soll, ohne zu versuchen, Informationen von ihm zu bekommen, z.B. welche Informationen er weitergegeben habe und an wen. Hierzu gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung erneut an, dass seine Bewacher keine Informationen von ihm haben wollten. Sie hätten ihm nur gesagt, dass er ein Verräter sei und dass er hier sterben werde. Hinzu kommt noch, dass der Kläger keinerlei nachvollziehbare Erklärung dafür angeben konnte, warum er von der al Shabaab des Verrats bezichtigt worden sei. Auch auf die mehrmalige Nachfrage des Senats gab er lediglich an, dass es Leute gebe, die für die al Shabaab arbeiteten und diese hätten ihn beschuldigt, für die Regierung zu arbeiten. Warum ausgerechnet er beschuldigt worden sei, dafür hatte er keinerlei Erklärung. Daneben war dies für ihn offenbar auch nicht wichtig, da er auf Nachfrage durch den Senat angab, während seiner zweitägigen Gefangenschaft nicht versucht zu haben, herauszufinden, was ihm vorgeworfen werde. Dies mag vielleicht bei einer Gefangenschaft von mehreren Stunden aufgrund des anfänglichen Schocks nachvollziehbar sei. Bei einer mehrtägigen Gefangenschaft und mehrmaligen Schlagens durch die Bewacher mit Eisenstangen und Stöcken, wie vom Kläger angegeben, leuchtet es aber nicht mehr ein, dass der Gefangene keinen Versuch unternimmt, zu erfahren, was ihm vorgeworfen wird, um seine Bewacher dann von der Unrichtigkeit dieser Vorwürfe zu überzeugen oder hierfür zumindest einen Versuch zu unternehmen. Dagegen, dass der Kläger das vorgetragene Geschehen selbst erlebt hat, spricht auch, dass er nach seinen Angaben dreimal täglich mit Gewehrkolben oder Stöcken geschlagen worden sei, aber bereits einen Tag nach seiner Befreiung wieder soweit genesen sei, dass er das Land habe verlassen können. Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger erkannt haben will, womit er geschlagen worden sei, obwohl er auch auf Nachfrage dabei blieb, dass er während der gesamten Gefangenschaft die Augen verbunden gehabt habe. Diese Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten im Vortrag des Klägers verdeutlichen anschaulich, dass es sich bei seinem Vorbringen nicht um tatsächlich Erlebtes, sondern um Erfundenes handelt. Ergänzend wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen, deren Erwägungen der Senat teilt.

Dem Kläger droht auch kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG aufgrund dessen, dass er nach einer langjährigen Abwesenheit wieder in sein Heimatdorf, das in dem von der al Shabaab kontrollierten Gebiet Somalias liegt, zurückkehrt. Zwar geht der Senat davon aus, dass das Heimatdorf des Klägers Harcadey bzw. Har Ade (nach der Schreibweise des Dolmetschers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat) in dem von der al Shabaab kontrollierten Gebiet liegt. Der Kläger gab nämlich, befragt nach der Lage seines Heimatortes in der mündlichen Verhandlung an, dass es von Beled Weyne aus in Richtung Äthiopien, also nördlich, liege. Der Fluss Shabelle liege ca. einen Kilometer entfernt. Auf der Somaliakarte der Internetseite Liveuamap (https://Somalia.liveuamap.com/) lässt sich nördlich von Beled Weyne ein Ort namens „Haar Caddey“, westlich des Shabelle gelegen, ausmachen, bei dem es sich nach der Überzeugung des Senats um den Heimatort des Klägers handeln dürfte. Nach dem Bericht der EASO zur Sicherheitssituation in Somalia vom Dezember 2017 sind die westlichen Teile der Provinz Hiraan al Shabaab-Gebiet, und zwar der Bereich westlich der Hauptdurchgangsstraße ebenso wie der Bereich zwischen Maxaas und Adan Yabaal. Im Norden erstreckt sich das Gebiet der al Shabaab bis zur Straße zwischen Beled Weyne und Dhuusamarreeb (EASO, Somalia Security Situation, Dezember 2017, S. 98; ebenso der Bericht zur Österreichisch-Schweizerischen Factfinding Mission zur Sicherheitslage in Somalia, August 2017, S. 79). Auf diese Straße und die Gebiete nördlich davon hat die al Shabaab jedoch keinen Zugriff (FFM-Bericht, August 2017, S. 79). Auch wenn diese Angaben vergleichsweise ungenau sind, decken sie sich mit den insoweit glaubwürdigen Angaben des Klägers zu den Herrschaftsverhältnissen in seinem Heimatort, weshalb der Senat zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass sein Herkunftsort im Gebiet der al Shabaab liegt. Dies führt für sich genommen jedoch nicht zu einer Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Denn die Tatsache, dass man sich in einem westlichen Land aufgehalten hat ist für sich selbst bei einer Begegnung mit der al Shabaab unproblematisch. Dagegen wird westliches Verhalten und Kleidung von der al Shabaab durchaus sanktioniert (Land Info, Report v. 4.4.2016, „Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in southern Somalia”, S. 10; Danish Refugee Council/Danish Immigration Service, “South and Central Somalia: Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups”, März 2017, S. 24). Daher wäre der Kläger bei einer Rückkehr in seinen Heimatort mit ziemlicher Sicherheit einer Befragung durch die al Shabaab ausgesetzt und einem gewissen Anpassungsdruck, sich an die von der al Shabaab festgelegten Regeln und Verhaltensvorschriften zu halten. Dies ist ihm jedoch möglich, zumal er bereits vor seiner Ausreise aus Somalia unter der Herrschaft der al Shabaab gelebt hat. Eine drohende unmenschliche Behandlung kann daraus aber nicht abgeleitet werden.

Eine unzureichende Versorgungslage im Herkunftsland vermag bereits aus Rechtsgründen die Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG nicht zu begründen (anders insoweit OVG Niedersachsen, U.v. 5.12.2017 - 4 LB 50/16 – juris Rn. 55, 60-67), sondern kann allenfalls im Rahmen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 EMRK i.V.m. Art. 3 EMRK berücksichtigt werden (siehe unten). Denn nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten für den subsidiären Schutz die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit muss für die Zuerkennung subsidiären Schutzes die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung von einem Akteur im Sinne von § 3c AsylG ausgehen (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2017 – 20 ZB 17.30875 – juris Rn. 14). Die Versorgungslage in der Provinz Hiraan kann jedoch nicht auf einen solchen Akteur zurückgeführt werden. Sie ist vielmehr Ausdruck verschiedener Faktoren, zu denen u.a. die unsichere Lage und die langjährige Trockenheit gehören.

c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji]; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12, LS 1 und Rn. 13/14; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29). Im Falle des Klägers ist dies die Provinz Hiraan, da er sich dort vor seiner Ausreise aufgehalten hat.

In dieser Region Somalias herrscht im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Dieser Begriff ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Januar 2014 (C-285/12 – NVwZ 2014, 573) zu der dem § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zugrundeliegenden Bestimmung des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EG Nr. L304, S. 19) dahingehend auszulegen, dass ein solcher Konflikt vorliegt, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinander treffen (EuGH, Urteil v. 30.1.2014, a.a.O., LS 1 u. Rn. 28). Dafür, dass ein derartiger Konflikt angenommen werden kann, kommt es weder auf einen bestimmten Organisationsgrad der beteiligten bewaffneten Streitkräfte noch auf eine bestimmte Dauer des Konflikts an. Insbesondere ist für die Annahme eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts auch keine besondere Intensität des Konflikts notwendig (EuGH, Urteil v. 30.1.2014, a.a.O. Rn. 32 u. 34), da die Intensität nur bei der Frage zu berücksichtigen ist, ob der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass er auch zu einer Gefährdung im Sinne des Art. 15 der Richtlinie führt.

Nach diesen Maßstäben liegt in der Heimatregion des Klägers ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor. Nach dem bereits erwähnten EASO-Bericht zur Sicherheitslage in Somalia vom Dezember 2017 (dort S. 98) sind die Hauptakteure im bewaffneten Konflikt in der Provinz Hiraan die Somalische Nationale Armee (SNA), die Streitkräfte der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM), die Äthiopischen Streitkräfte (ENDF) und die al Shabaab sowie eine unbekannte Zahl von Clanmilizen (ebenso BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia, Stand 12. Januar 2018, S. 36).

Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 17.11.2010 – 10 C 13.10 – juris Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji] – juris Rn. 35, 39; U.v. 30.1.2014 – C-285/12 [Diakité] – juris Rn. 30; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 32; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 19).

Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die dort von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen verübt werden, notwendig (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.; U.v. 17.11.2011 – 10 C 11/10 – juris Rn. 20 f. [Risiko von 1:1000]).

Gemessen an den vorgenannten Kriterien fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr in sein Heimatdorf in der Provinz Hiraan.

Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einen besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, liegen in der Person des Klägers nicht vor. Diese ergeben sich zum einen nicht aus dem Vortrag des Klägers, dass er bereits in der Vergangenheit in den Fokus der al Shabaab geraten sei, da dieser Vortrag, wie bereits oben dargestellt wurde, nach der Einschätzung des Senats nicht glaubwürdig ist.

Ein Gefahr erhöhender Umstand kann auch nicht auf der vom Kläger behaupteten Zugehörigkeit zum Clan der Sheikhal abgeleitet werden. Insoweit ist einerseits zu berücksichtigen, dass die in der Heimat des Klägers herrschende al Shabaab sich vom Clansystem distanziert und teilweise gezielt von diesem benachteiligte Gruppen unterstützt (Schweizer Staatssekretariat für Migration, Focus Somalia – Clans und Minderheiten, 31. Mai 2017, S. 38; EASO Länderüberblick Süd- und Zentralsomalia, August 2014, S. 97). Als Sheikhal werden in Somalia Bevölkerungsgruppen bezeichnet, die traditionell einen gewissen religiösen Status innehaben. Sie führen ihre Abstammung auf einen gemeinsamen Vorfahren namens Sheikh Faqi Omar zurück, der durch Somalia reiste und Frauen in allen Gegenden heiratete (ACCORD, Clans in Somalia, Vortrag v. Dr. Joakim Gundel, Dezember 2009, S. 21). Traditionell haben ihre Mitglieder die Stellung eines Sheikhs oder Qadis (Richter), wobei heute viele in säkularen Berufen tätig sind. Ihre Einordnung ist nicht ganz klar: So werden je nach Quelle als eine Minderheit, als mit den Hawiye assoziiert, als Clan der Hawiye oder gar als eine eigenständige Clanfamilie bezeichnet (BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Minderheiten in Somalia, Juli 2010, S. 12). Vielen Mitgliedern des Clans ist es gelungen, insbesondere im Raum Mogadischu Einfluss auf das Bildungswesen zu bekommen. Manche Sheikhal-Gruppen sind so gut in die Hawiye-Clanfamilie integriert, dass sie Hawiye-Sitze im somalischen Parlament einnehmen (ACCORD, Clans in Somalia, S. 21). Die Stellung der Sheikhal in der somalischen Gesellschaft unterscheidet sich daher erheblich z.B. von der der allgemein gering geschätzten Handwerkerkasten wie den Tumal (vgl. zu dem Einzelfall eines gefahrerhöhenden Umstands aufgrund der Zugehörigkeit zum Clan der Tumal und der Tatsache, dass der dortige Kläger bereits in den Fokus der al Shabaab geraten war BayVGH, U.v. 07.04.2016 - 20 B 14.30101 – juris Rn. 28-30). Eine gesteigerte Gefahr, als Mitglied der Zivilbevölkerung Opfer willkürlicher Gewalt im Rahmen von Auseinandersetzungen zwischen der al Shabaab und der Somalischen Armee/AMISOM bzw. zwischen verfeindeten Clans zu werden ist aufgrund der Zugehörigkeit zu dem Clan der Sheikhal in der Herkunftsregion des Klägers nicht erkennbar. Andere Gefahr erhöhende Umstände wurden weder vorgebracht noch sind sie ersichtlich.

Auch die allgemeine Lage ist nicht so gefährlich, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen bei jeder Zivilperson individualisiert. Die dafür erforderliche Gefahrendichte ist in der Provinz Hiraan nicht gegeben. Die Provinz hat nach einer Schätzung der UN und lokaler Behörden ca. 520.685 Einwohner (EASO, Security Situation Report, Dezember 2017, S. 89). Die verfügbaren Zahlen über die zivilen Opfer des bewaffneten innerstaatlichen Konflikts unterscheiden sich im Einzelnen erheblich. So stellt die von ACCORD am 18. Juni 2018 vorgenommene Auswertung der für das Jahr 2017 in der Datenbank des Armed Conflict Location and Event Data Project (ACLED) erfassten Vorfälle für die Provinz Hiraan 2017 insgesamt 225 Vorfälle mit insgesamt 364 Toten. Nicht erfasst werden dabei allerdings die Verletzten. Daneben differenziert ACLED auch nicht zwischen getöteten Zivilpersonen und getöteten Bewaffneten. Schließlich weist ACLED selbst darauf hin, dass ein Großteil der gesammelten Daten auf öffentlich zugänglichen Sekundärquellen basiert und die Daten daher das Ausmaß an Vorfällen untererfassen können. Es existiert also nach den ACLED-Zahlen eine nicht genau abschätzbare Dunkelziffer. Die Zusammenstellung vom 25. Juni 2018 für das erste Quartal 2018 gelangt demgegenüber bei 42 Vorfällen in der Provinz Hiraan zu sogar 222 Todesopfern. Inwiefern es sich dabei um Zivilpersonen und/oder Bewaffnete handelte, ist wiederum unklar. Demgegenüber kommen UNHCR und UNSOM in ihrer Aufstellung vom 10. Dezember 2017 „Protection of Civilians in Somalia 2016 – 2017“ für den aus den Provinzen Hiraan und Middle Shabelle neu gebildeten Bundestaat HirShabelle im Zeitraum 1. Januar 2016 bis 14. Oktober 2017 auf (nur) 269 Tote und verletzte Zivilpersonen. Im Unterschied zu den Zahlen von ACLED erfassen die Zahlen von UNHCR/UNSOM also lediglich die im bewaffneten Konflikt getöteten oder verletzten Zivilpersonen (unter Nichtberücksichtigung bewaffneter Opfer). Rechnet man diese Zahl angesichts des ein Jahr überschreitenden Erfassungszeitraums auf ein Jahr um, verbleiben noch 150 getötete und verletzte Zivilpersonen. Umgerechnet auf die Bevölkerung des Bundesstaats HirShabelle (520.685 Einwohner in Hiraan, 516.035 Einwohner in Middle Shabelle laut EASO, Somalia Security Situation, Dezember 2017, S. 98 u. 100), so ergibt sich ein Verletzungs- bzw. Tötungsrisiko im bewaffneten innerstaatlichen Konflikt für Zivilpersonen von 1:6.911. Auch wenn man insoweit bedenkt, dass die von UNHCR/UNSOM bekanntgegebenen Zahlen aufgrund der Verhältnisse in Somalia, insbesondere der schlechten Auskunftslage hinsichtlich der unter der Herrschaft der al Shabaab stehenden Landstriche, eine erhebliche Dunkelziffer beinhalten dürften, ist das Risiko, im bewaffneten innerstaatlichen Konflikt als Zivilperson getötet oder verletzt zu werden, jedenfalls noch weit entfernt von der relevanten Schwelle.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, weil es auch dafür an den Voraussetzungen fehlt.

a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich hier nicht aus der nach den eingeführten Erkenntnismitteln unzureichenden Versorgungslage in Somalia. Einschlägig ist hier das Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 3 EMRK. Denn die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann dessen Verantwortlichkeit auch dann begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 12.1.2016 – Nr. 13442/08 [A.G.R./Niederlande] – NVwZ 2017, 293; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11 [K.A.B./Schweden] – Rn. 68; U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06 [Saadi/Italien] – NVwZ 2008, 1330 Rn. 125; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 m.w.N.). Allerdings folgt aus der EMRK kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 – Nr. 26565/05 [N./Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris Rn. 17 f.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 26) ist unter Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR (Urteil v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2012, 681) für die Prüfung grundsätzlich auf den gesamten Zielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet. Dies ist vorliegend Mogadischu, da die Abschiebung dort aller Voraussicht nach enden würde, weil die Hauptstadt mit Linienflügen direkt angeflogen werden kann (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia v. 7.3.2018 – Stand Januar 2018 – S. 21). Der EGMR hat jedoch darüber hinaus ausgeführt, dass die Prüfung hinsichtlich Mogadischus als Endpunkt der Abschiebung nicht ausreiche, da das Ausgangsgericht ausgeführt habe, dass die Möglichkeit bestehe, in ein sicheres Gebiet Somalias zu gehen (EGMR, U.v. 28.6.2011, a.a.O. Rn. 265). Daher sei zunächst zu prüfen, ob für den Betreffenden die Gefahr von Misshandlungen auf der Durchreise oder bei der Ansiedlung in einem anderen Teil Somalias bestehen würde (EGMR a.a.O., Rn. 267). Daher hat im Ergebnis die Prüfung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten der Wohnsitznahme in Somalia zu erfolgen. Vorrang hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Prüfung, ob eine derartige Gefahr bei einer Niederlassung am Endpunkt der Abschiebung, also in Mogadischu, besteht. Anschließend ist zu prüfen, ob eine Niederlassung des Klägers an seinem Herkunftsort möglich ist und ob er diesen zumutbar erreichen kann. Schließlich wäre noch zu prüfen, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative an einem anderen Ort in Somalia bzw. deren Erreichbarkeit vorliegt.

Der Kläger selbst stammt nicht aus Mogadischu und hat auch keine verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen dort hin. Soweit im Bundesamtsbescheid vom 19. April 2017 ausgeführt wurde, dass er vorgetragen habe, in Mogadischu zahlreiche Geschwister sowie seinen Vater zu haben, handelt es sich wohl um ein Versehen, jedenfalls ist die Angabe falsch. Denn der Kläger hat in seiner Anhörung keine entsprechende Angabe gemacht und tatsächlich ausgeführt, dass sein Vater und der Großteil seiner Schwestern in bzw. in der Nähe seines Heimatortes lebten. Auch seine Ausreise ist nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht über Mogadischu erfolgt. Damit ergeben sich weder aus der Behördenakte noch aus den gerichtlichen Verfahren Anhaltspunkte für Verbindungen des Klägers nach Mogadischu.

Nach der Auskunftslage sind die Möglichkeiten von Personen ohne verwandtschaftliche oder Clanverbindungen nach Mogadischu, dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sehr begrenzt. Das Norwegische Landinfo führt in seinem “Report: Relevant social and economic conditions upon return to Mogadishu” vom 1. April 2016 aus, dass Haupteinnahmequelle der Bevölkerung Mogadischus die Arbeit als Tagelöhner sei, daneben würden aber auch Hilfeleistungen von Hilfsorganisationen und Überweisungen aus dem Ausland bezogen (S. 10). Arbeitgeber würden freie Stellen nicht inserieren, sondern vergäben die Jobs an Personen, die ihnen durch Familie, Clanmitgliedschaft oder Bekanntschaft als vertrauenswürdig erschienen (S. 13). Tagelöhner fänden sich auf dem Bakara-Markt ein (S. 13). Ein ungelernter Arbeiter könne mit körperlicher Arbeit normalerweise 200 US-Dollar im Monat verdienen. Nach der Einschätzung eines Mitarbeiters der Internationalen Organisation für Migration (IOM) reichen 400 US-Dollar im Monat für Miete und Ernährung einer vierköpfigen Familie in Mogadischu aus (S. 14). Auch die Vermieter würden nach dem Vertrauensprinzip vermieten. Daher lebten die meisten Leute da, wo ihre Familie bzw. ihr Clan lebe (S. 17). Das Österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) führt in seiner Staatendokumentation Somalia (Stand: 12. Januar 2018, S. 118 ff.) aus, dass angenommen werden könne, dass es in Mogadischu mehr Arbeitsmöglichkeiten gebe als an anderen Orten. Die steigende Nachfrage nach Hilfsarbeitern habe dazu geführt, dass auch Leute von außerhalb nach Mogadischu kämen, so dass unqualifizierte Arbeitskräfte zahlreich verfügbar seien (S. 119). Bei der Vergabe von Jobs würden Clan und Verwandtschaft bevorzugt (S. 119). Der Bericht zur Österreichisch-Schweizerischen Fact-Finding-Mission zur Sicherheitslage in Somalia vom August 2017 führt zur Versorgung von Rückkehrern aus, dass die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge und Rückkehrer limitiert seien (S. 128). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration sei von Clanzugehörigkeit und den lokalen Beziehungen der jeweiligen Person abhängig (S. 113). Das Norwegische Landinfo gibt in einer Anfrage-Beantwortung vom 11. November 2016 (Somalia: The Settlements in Mogadishu, S. 3) an, dass der entscheidende Faktor für die Frage, ob jemand in einem „Settlement“ ende, sei, ob er die Mittel habe, außerhalb von ihnen eine Unterkunft zu finanzieren. In der Gesamtschau ist daher festzustellen, dass der Kläger vermutlich mangels Verbindungen und einer ihn aus der Masse der ungelernten Arbeitskräfte heraushebenden Ausbildung allenfalls als Tagelöhner würde arbeiten können. Eine Wohnsitznahme außerhalb eines „Settlements“ wird ihm mangels persönlicher Verbindungen und als Angehörigen eines Minderheitenclans wohl nicht möglich sein. Ob ihm in Mogadischu als Tagelöhner ein Überleben möglich wäre, ohne der Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung ausgesetzt zu sein, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, da ihm eine Wohnsitznahme in seiner Herkunftsregion möglich ist.

Diese ist für ihn von Mogadischu, dem voraussichtlichen Endpunkt einer etwaigen Abschiebung, aus erreichbar. Der EASO-Bericht zur Sicherheitssituation vom Dezember 2017 führt aus, dass die Straße zwischen Mogadischu und Beled Weyne zum Teil von der al Shabaab kontrolliert wird. Es bestehe grundsätzlich die Gefahr von Checkpoints und von dort die Gefahr, in den Verdacht zu geraten, zur gegnerischen Partei zu gehören (S. 55). Allerdings hält der gleiche Bericht auch fest, dass der zivile Verkehr das Gebiet der al Shabaab passieren könne (S. 97). Das Norwegische Landinfo führt in seinem Bericht vom 4. April 2016 (Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in southern Somalia) aus, dass täglich von Mogadischu aus vollbeladene Busse verschiedene Ziele in Südsomalia ansteuern, was den Eindruck erwecke, dass die Leute trotz der Sicherheitsprobleme reisen (S. 5). Das Risiko bei den Reisen komme hauptsächlich von Bewaffneten an den Checkpoints der verschiedenen Parteien (S. 8). Die al Shabaab verhindere das Reisen von Zivilpersonen nicht. In manchen Fällen müssten die Fahrer Gebühren an die al Shabaab zahlen, um durch deren Gebiet fahren zu dürfen (S. 10). Im westlichen Ausland gewesen zu sein, sei für sich genommen kein Problem für die al Shabaab, zumal viele Mitglieder der al Shabaab selbst einen Hintergrund oder eine Familie in westlichen Ländern haben. Allerdings werde westliche Verhaltensweise und Kleidung (z.B. ein in die Hose gestecktes Hemd) durch die al Shabaab sanktioniert (S. 10). Das mit einer Reise verbundene Risiko könne im Einzelfall durch spezielle Maßnahmen reduziert werden (S. 12). Daneben ist auch eine Reise mit dem Flugzeug von Mogadischu nach Beled Weyne möglich, die rund eine Stunde dauere und 115 US-Dollar koste (S. 13). Nach dieser Auskunftslage bestehen keine Bedenken, dass es dem Kläger tatsächlich möglich ist, von Mogadischu aus Beled Weyne und weiter sein Heimatdorf Har Ade (oder Harcadey) zu erreichen (ebenso OVG Niedersachsen, U.v. 5.12.2017 - 4 LB 50/16 – juris Rn. 68).

Dort droht ihm nicht die Gefahr einer menschenunwürdigen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Versorgungslage. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, liegt sein Heimatort ca. einen Kilometer vom Flusstal des Shabelle entfernt. Die Gegend ist zwar von den starken Regenfällen der Gu-Regenzeit im Frühjahr 2018 stark betroffen (vgl. UN-OCHA, Flash Updates #3 – 6), nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist sein Dorf jedoch nicht überschwemmt worden. Auch wenn Teile der Ernte durch die Regenfälle vernichtet sein mögen, wird aufgrund der großen Regenfälle nun erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln mittelfristig verbessern wird. Die Bedingungen sind insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte gerechnet werden kann (BFA Staatendokumentation – Somaliland v. 12.1.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 3.5.2018, S. 5 ff. m.w.N.). Damit ist eine ausreichende Versorgung des Klägers in seinem Heimatort gewährleistet. Bestätigt wird diese Einschätzung dadurch, dass die sonst in Beled Weyne lebende Schwester des Klägers mit ihrem Mann nach dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in ihrem Heimatort gezogen ist und auch Familien von der anderen Seite des Shabelle in den Heimatort des Klägers geflüchtet sind.

b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die insoweit bestehende Sperrwirkung nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung überwunden werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, Urteil v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 32 m.w.N.). Eine solche Schutzlücke besteht im Hinblick auf die in Somalia den Kläger erwartenden Lebensbedingungen aus den oben zu § 60 Abs. 5 AufenthG dargestellten Gründen nicht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger bei seiner Anhörung angesprochenen Tuberkulose. Diese wurde einerseits im gerichtlichen Verfahren vom Kläger nicht weiter geltend gemacht. Darüber hinaus wurde im Bundesamtsbescheid vom 19. April 2017 überzeugend darauf eingegangen, weshalb sich der Senat die diesbezüglichen Ausführungen zu Eigen macht und gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung absieht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 132 VwGO.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 3 und Aufhebung von Nummer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II.

Die Beklage hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus K. mit zwei im Jahr 2009 und im Jahr 2012 geborenen Kindern, sind afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige. Sie reisten im Juni 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25. Juni 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24. Oktober 2012 an, er habe mit seiner Familie zuletzt in K. gelebt. Am 7. Oktober 2011 (12.10.1390) hätten sie Afghanistan verlassen. Seine Eltern lebten noch in K. Sechs Onkel lebten in Deutschland, in Afghanistan seien noch eine 24 Jahre alte Schwester sowie zwei Brüder mit 16 oder 17 und 10 Jahren. Nach dem Abitur habe er zusammen mit seinem Vater ein Geschäft geführt, in dem man verschiedene Zubehörteile zum Bau eines Hauses erhalte. Auf die Frage nach dem Ausreisegrund gab der Kläger zu 1 an, Grund sei die Zukunft seiner Kinder. In Afghanistan gebe es keine Kindergärten, keine richtige Schule, man könne keine richtige Ausbildung machen und jeden Tag gebe es irgendwo ein Attentat. Er wolle nicht, dass seine Kinder in einer Umgebung aufwüchsen, wo nur Krieg und Chaos sei. Seine Familie sei nicht sehr reich, aber auch nicht arm gewesen. Er habe ein Auto, ein Grundstück und den Laden besessen. Dies alles hätten sie für die Zukunft der Kinder aufgegeben. Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, gab bei ihrer Anhörung an, bis zu ihrer Ausreise habe die Familie in K. gelebt. Die Familie sei bis nach Athen gemeinsam geflohen. Dort hätten sie einen Araber kennengelernt, der sie als seine Ehefrau gemeinsam mit den beiden Kindern mit nach Deutschland genommen habe. Sie sei mit ihm nach Frankfurt am Main geflogen. Am 3. Juni 2012 sei sie mit den Kindern in Deutschland angekommen. Sie habe im Jahr 2008 geheiratet. In Afghanistan lebten noch ihre Eltern in K. sowie vier Schwestern und zwei Brüder. Sie habe an einem staatlichen Institut eine zweijährige Ausbildung zur Erzieherin, zur Kindergärtnerin, absolviert und abgeschlossen. Bis zur Geburt des ersten Kindes habe sie dann sechs Monate im Kindergarten gearbeitet. Afghanistan habe sie wegen der Zukunft ihrer Kinder verlassen. Sie habe sie nicht in den Kindergarten bringen können, sie hätten nicht alleine in die Schule gehen können. Ein Onkel von ihr sei bei einem Attentat umgekommen. Ihr Mann arbeite auch in K. und sie wolle nicht, dass ihm Gleiches passiert. Er habe dort ein Geschäft und verkaufe u. a. Waschbecken und Kommoden. Sie wolle, dass ihre Kinder in Deutschland eine Zukunft hätten.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurden die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt (1.) sowie festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (2. und 3.) und den Klägern die Abschiebung angedroht (4.). Zur Begründung ist angeführt, die Kläger hätten eine politische Verfolgung nicht geltend gemacht, sondern sich nur auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan bezogen. Für eine Gefährdung wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken bestünden keine Anhaltspunkte. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine erhebliche individuelle Gefahr aufgrund eines bewaffneten Konflikts. Zudem seien keine stichhaltigen Ausführungen gemacht worden, aus denen sich ergäbe, dass die Familie nach einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wäre. In der Gesamtschau könne nicht von einer extremen Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 14. April 2014 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, alle ihre Ersparnisse für die Ausreise aufgewandt zu haben. Weiter habe die Familie Geld vom Vater des Klägers zu 1 bekommen. Bei einer Rückkehr stünde die Familie vor dem Nichts. Außer den Eltern des Klägers zu 1 seien dort keine Verwandten mehr. Die Klägerin zu 2 habe in Afghanistan noch ihre Mutter sowie vier Schwestern und zwei Brüder.

Mit Urteil vom 14. April 2014 wurde die Klage abgewiesen. Dass den Klägern relevante Verfolgungsmaßnahmen drohten, sei weder dargetan, noch sonst ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für subsidiären und nationalen Schutz lägen nicht vor. Insbesondere sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht deshalb festzustellen, weil es sich um eine Familie mit kleinen Kindern handle. Hier vermittle Nr. C 3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern den Klägern gleichwertigen Schutz vor Abschiebung. Danach würden Straftäter, Personen, bei denen Ausweisungsgründe vorliegen bzw. Sicherheitsbedenken bestehen, sowie alleinstehende, männliche afghanische Staatsangehörige vorrangig zurückgeführt. Die Rückführung anderer Personen sei vorerst zurückzustellen. Letzterem Personenkreis gehöre die Familie an, so dass sie nach Abschluss des Asylverfahrens ebenso eine Duldung erhalten würde wie diejenigen Personen, für die ein förmlicher Abschiebestopp bestehe. Damit sei die Familie hinreichend vor einer Abschiebung nach Afghanistan geschützt. Die Familie sei auch trotz der bekanntermaßen schlechten Sicherheits- und Versorgungslage keiner konkreten landesweiten Gefährdung für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt. Die Eltern seien beide überdurchschnittlich qualifiziert und bei einer Rückkehr sei zumindest damit zu rechnen, dass der Familienverband, der bereits die Ausreise finanziert habe, die Kläger wieder aufnehme und ihnen in der ersten Zeit ein Obdach biete. Zudem verfügten die Kläger noch über andere Familienmitglieder.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots mit Beschluss vom 4. August 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob für eine Familie mit minderjährigen Kindern bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, sie hätten noch zwei sehr kleine Kinder im Alter von erst fünf und zwei Jahren, so dass jedenfalls für die Mutter eine Arbeit nicht ohne weiteres möglich sein werde. Schon mit nur einem Kind sei ihr der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums nicht regelmäßig möglich gewesen. Es sei nicht anzunehmen, dass sie als Kindergärtnerin ohne weiteres ihre beiden Kinder mit zur Arbeit nehmen könne. Der Vater werde nicht im Stande sein, für vier Personen den Unterhalt zu verdienen. Rücklagen existierten nicht mehr, die Eltern hätten beide keine Arbeitsstelle mehr und eine weitere Unterstützung könne nicht mehr gewährt werden. Der Vater der Klägerin zu 2 sei zwischenzeitlich verstorben und die erwachsenen Geschwister hätten kein ausreichendes eigenes Einkommen. Die politische Entscheidung über eine Aussetzung der Abschiebung, die sich jederzeit wieder verändern könne, enthebe das Gericht nicht von der Feststellung zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine erhebliche konkrete Gefahr bestehe darüber hinaus auch deshalb, weil sich die Sicherheitslage erheblich verschlechtert habe. Die Innenministerkonferenz sei der Auffassung, dass zwangsweise Rückführungen weiterhin nur nach umfassender Einzelfallprüfung erfolgen sollten. UNHCR zufolge verschlechtere sich die Situation in Afghanistan zusehends. In K. spitze sich die Lage ebenfalls zu.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte führt aus, es spreche Erhebliches dafür, dass die in Bayern geltenden Vorgaben als Erlasslage zu sehen seien, die afghanischen Familien mit minderjährigen Kindern einen Schutz vor Abschiebung vermittle. Unabhängig davon bestehe für Familien mit minderjährigen Kindern trotz der allgemein schwierigen humanitären Umstände nicht regelmäßig eine Extremgefahr, zumal auch die Rückkehrförderung zu berücksichtigen sei. Die einem Familienvater obliegende Aufgabe, über seine Person hinaus für die Angehörigen das Existenzminimum zu erwirtschaften, sei weiter kein sich unmittelbar auswirkender Aspekt. Das Abschiebungsschutzrecht gehe von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage aus. Auf die erst mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen könne nicht abgestellt werden. Bei tatsächlicher Existenzgefährdung der vom Erwerbsfähigen abhängigen Angehörigen könne dort ein Abschiebungsverbot vorliegen, durch das dem Erwerbsfähigen als Ausfluss seiner Rechte aus Art. 6 GG dann ein Anspruch auf Fortbestand der familiären Gemeinschaft im Bundesgebiet erwachse. Zudem sei ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Rückkehr und drohender Rechtsgutverletzung erforderlich. Schlechte humanitäre Bedingungen könnten zwar in Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen, aber in Afghanistan sei die allgemeine Lage nicht so ernst, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne. Fraglich sei schon, ob aus Sicht des Gesetzgebers der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG bei einer auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage überhaupt eröffnet sei. Angesichts des besonderen Ausnahmecharakters sei ein Gefährdungsgrad entsprechend der Extremgefahr erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Damit kommt es auch auf die Frage nicht an, ob Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, für Familien eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG darstellt, die ihnen Schutz vor Abschiebung vermittelt und deshalb die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausschließt.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Der Kläger zu 1 und 2 als Eltern von zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet.

Von der Beklagten wird das allerdings bezweifelt, weil der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der vom Bundesverwaltungsgericht bejahten Erweiterung auf Gefährdungen, die nicht staatlich zu verantworten seien (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489), am Konzept von allgemeinen Gefährdungslagen einerseits und individuell gelagerten Schutzgründen andererseits festgehalten habe. Die Formulierung des Art. 3 EMRK, niemand dürfe unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, lässt zwar nicht erkennen, ob sich diese nur aus konkret gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen oder auch aus einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen ergeben kann. Eine Unterscheidung zwischen konkreten und allgemeinen Gefahren wird dort jedenfalls nicht vorgenommen. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist (BVerwG, U.v. 31.1.2013 a. a. O.; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952), hält aber eine unmenschliche Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen für möglich. Im Urteil vom 13. Juni 2013 (a. a. O.) ist das Bundesverwaltungsgericht ferner ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt und hält für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtige, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut zurückzuführen seien oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum anderen könne - wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten - eine Verletzung darin zu sehen sein, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Zu berücksichtigen seien dabei auch seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergebe, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse seien nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention ziele hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern, mache die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK aber eine gewisse Flexibilität erforderlich.

Dass der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Regelung von allgemeinen Gefahren im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F. i. V. m. § 60a AufenthG unverändert beibehalten und nicht auf andere Abschiebungsverbote ausgedehnt hat, spricht bei systematischer Auslegung des Gesetzes gegen die vom Bundesamt vertretene Auffassung. Im gewaltenteilenden Rechtsstaat ist die Rechtsprechung nur ausnahmsweise befugt, die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unbeachtet zu lassen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 zur verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F.). Im Übrigen greift das Bundesamt selbst in bestimmten Fallkonstellationen bei allgemeinen Gefahren ebenso auf § 60 Abs. 5 AufenthG zurück. So kann z. B. nach dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. November 2013, Az. M I 4 - 21004/21#5 („Information zur Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgrund des Urteils des BVerwG vom 13. Juni 2013“), bei unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt werden.

Bisher nicht geklärt ist, durch welchen Gefährdungsgrad derartige außergewöhnliche Fälle gekennzeichnet sein müssen. Schon von der Gesetzessystematik her kann der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative ebenso wenig übertragen. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167) macht jedoch deutlich, dass von einem sehr hohen Niveau auszugehen ist. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin. Eine solche ist allerdings bei den Klägern gegeben.

Bei einer Rückkehr müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Der Ehefrau und Mutter war es ihrem glaubhaften Vortrag zufolge wegen des älteren Kindes schon vor der Ausreise nicht möglich, in ihrem Beruf tätig zu sein. Selbst der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums war nicht regelmäßig möglich. Mit nunmehr zwei kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter würde ihr die Arbeitsaufnahme somit nicht gelingen. Der Vater müsste daher alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Dazu würde er nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren. Der Vater der Klägerin zu 2 ist zwischenzeitlich verstorben, so dass auch insoweit keine Hilfe zu erwarten wäre. Der Kläger zu 1 wäre in der Folge bei Rückkehr auf sich alleine gestellt. Angesichts der Lebensbedingungen in Afghanistan und der Tatsache, dass die Kinder noch in betreuungsbedürftigem Alter sind, würde er zur Sicherung der Existenz für die Familie nicht imstande sein. In der ständigen Rechtsprechung zur Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog (seitU.v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris) hat sich der Verwaltungsgerichtshof zwar schon mit Teilaspekten der humanitären Lage in Afghanistan befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass für einen alleinstehenden Rückkehrer keine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Er wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Bei einer Familie mit minderjährigen Kindern ist aber im Hinblick auf die zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen.

Vorab ist festzuhalten, dass die gesamte Familie in die Bewertung mit einzubeziehen ist. Der Senat geht davon aus, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 1 nicht außer Betracht bleiben können. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Abschiebungsschutzrecht von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage ausgehe, trifft das zwar insoweit zu, als das Gesetz generell eine Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuell drohenden Gefahren vornimmt. Das schließt aber nicht aus, Unterhaltsverpflichtungen, die dem Betroffenen konkret obliegen, zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine gemeinsame oder getrennte Rückkehr von Familienangehörigen zugrunde zu legen ist, geht ebenfalls in diese Richtung (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = InfAuslR 1993, 28; B.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93). Unter Einbeziehung der Bedeutung, welche die deutsche Rechtsordnung dem Schutz von Ehe und Familie beimesse (Art. 6 GG), sei bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohten, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehörigen auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen - Angehörige, die Abschiebungsschutz genießen - könne eine andere Betrachtung geboten sein. Erforderlich sei eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der Situation im hypothetischen Rückkehrfall. Für die anzunehmende Ausgangssituation, von der aus die Gefahrenprognose zu erstellen sei, komme es grundsätzlich weder auf bloße Absichtserklärungen der Betroffenen noch auf ihren ausländerrechtlichen Status an. Dies gelte für den jeweiligen Asylbewerber selbst und für die Familienmitglieder. Die Hypothese solle die Realität nur in einem Punkt ersetzen, dem nicht mehr bestehenden Aufenthalt des Asylbewerbers in seinem Heimatstaat. Im Übrigen werde durch sie an dem realen Umfeld, insbesondere den familiären Beziehungen des Asylbewerbers, seinen Rechten und Pflichten, nichts geändert. Eine andere Betrachtungsweise würde sich grundlos von der Realität entfernen. Diese Grundsätze können auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. Es wäre ebenso wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der genannten Rechtsprechung nicht in Einklang, wenn man die Unterhaltsverpflichtungen als lediglich mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen außer Betracht ließe.

Wird mithin die Notwendigkeit, dass der Kläger zu 1 für den Unterhalt der gesamten Familie aufkommen muss, zugrunde gelegt, würden die Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt. Die humanitäre Lage dort lässt für sie ein menschenwürdiges Dasein nicht zu.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zwar zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In der Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012 wird ebenfalls auf die schwierige Arbeitssuche hingewiesen. Die meisten Männer und Jugendlichen würden versuchen, auf nahe gelegenen Märkten als Träger zu arbeiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Nach der Stellungnahme von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren A 11048/10.OVG) könne das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Damit würde der Kläger zu 1 unter den gegebenen Umständen den notwendigen Lebensunterhalt nicht erwirtschaften können. Zum einen wird er keine Unterstützung durch seine Ehefrau bekommen, weil seine Kinder ihrer Betreuung bedürfen. Zum anderen wird es an Arbeitsmöglichkeiten für ihn fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Zwar war er vor der Ausreise im Geschäft seines Vaters tätig, jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass er ohne Weiteres an die bereits ausgeübte Tätigkeit anknüpfen könnte. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 angegeben, er wisse nicht, wie das Geschäft laufe, seitdem er Afghanistan verlassen habe. Sein 18-jähriger Bruder gehe noch zur Schule und arbeite mittlerweile auch in dem Geschäft. Damit wird dieser den Platz des Klägers in dem Betrieb einnehmen, zumal er in einem Alter von 18 Jahren die Schule demnächst abschließen wird. Anhaltspunkte dafür, dass das Geschäft, das auch bislang nur von zwei Personen geführt wurde, Bedarf an einer weiteren dritten Arbeitskraft hätte, bestehen nicht. Somit wäre selbst im Fall der Rückkehr in das väterliche Geschäft nicht zu erwarten, dass der Kläger zu 1 ein Einkommen in einer Größenordnung erzielen könnte, die für den Lebensunterhalt einer ganzen Familie ausreichend wäre. Er wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden. Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch davon auszugehen, dass dies nicht gelingen kann.

Mit Ausnahme der medizinischen Versorgung greift der Lagebericht 2014 (S. 19 f.) keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung nicht gesichert sei. Da somit keine grundlegende Änderung eingetreten ist, wird zu den Einzelaspekten auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2012 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 28 - Lagebericht 2012) zurückgegriffen, der die Situation detaillierter beschreibt. Dieser führt hinsichtlich der Unterkunftsmöglichkeiten aus, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der Auskunft von ACCORD vom 1. Juni 2012 leben Zehntausende zurückgekehrter Familien unter schlimmen Bedingungen in Slums mit behelfsmäßigen Unterkünften in und um die afghanischen Städte. Sie müssten mit weniger als zehn Liter Wasser am Tag pro Person auskommen und hätten nicht genügend zu essen. Auch die SFH (S. 19) weist darauf hin, dass die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen gehöre, vor allem in K.. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 39% der Bevölkerung, zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Damit kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können. Erschwerend kommt hinzu, dass der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2014, S. 19).

Die Grundversorgung ist nach dem Lagebericht 2014 (S. 20) für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung, für Rückkehrer in besonderem Maße. Die medizinische Versorgung habe sich zwar in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend. In K. gebe es eine gute ärztliche Versorgung in einer deutschen und einer französischen Einrichtung. Im Übrigen sei medizinische Hilfe aber oftmals nicht zu erreichen oder könne nicht bezahlt werden (SFH S. 20). Diese Gesichtspunkte sind vorliegend im Hinblick auf die beiden kleinen Kinder von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass nach der SFH (S. 19) die Qualität der Bildungsangebote unzureichend und Gewalt im Umgang mit Kindern weit verbreitet ist. Viele Kinder seien unterernährt; 10% der Kinder würden vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Straßenkinder seien jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 - UNHCR-Richtlinien) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Nach einer ergänzenden Darstellung (Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen - Vertretung in Deutschland - vom August 2014) sind 40% der Rückkehrer nicht in der Lage, sich wieder in ihre Heimatorte zu integrieren, rund 60% hätten Schwierigkeiten, sich ein neues Leben in Afghanistan aufzubauen.

Diese Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Insbesondere ist auch mit den neueren Erkenntnismitteln die derzeitige Situation hinreichend abgebildet, so dass es der Einholung weiterer Auskünfte nicht bedarf. Unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, ist die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Bei den geschilderten Verhältnissen liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Unterkunft finden würden und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Dass die Rechtsprechung zur Extremgefahr für Alleinstehende nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht auf die Frage einer unmenschlichen Behandlung von Familien im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK übertragen werden kann, sondern sich die Wertung unterscheiden muss, zeigt sich auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 - hudoc.echr.coe.int, auszugsweise mit inoffizieller Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration in Asylmagazin 2014, 424). In der Entscheidung betreffend die Abschiebung einer Familie nach Italien hebt der Gerichtshof vor allem das Kindeswohl hervor. Eine Abschiebung verstoße gegen Art. 3 EMRK, wenn nicht sichergestellt sei, dass die Familieneinheit erhalten bleibe und eine den Bedürfnissen der Kinder entsprechende Aufnahme gewährleistet sei. Auch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder misst Familien mit Kindern besondere Bedeutung zu. In der 199. Sitzung vom 11. bis 13. Juni 2014 wurde deshalb das Bundesministerium des Innern unter anderem um vertiefte Informationen zur spezifischen Rückkehrsituation von Familien gebeten. Nach Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, ist die Rückführung von Familien vorerst ebenfalls zurückgestellt. Dass das Existenzminimum für eine Familie nicht erwirtschaftet werden kann, wird auch durch die Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt. Danach könne durch Aushilfsjobs allenfalls das Existenzminimum für eine Person ermöglicht werden (S. 9). Ferner bekräftigt der UNHCR (Richtlinien vom 6.8.2013, S. 9) das grundsätzliche Erfordernis bedeutender Unterstützung. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Damit hat sich die Lage nach der Einschätzung des UNHCR eher verschärft, denn die Richtlinien aus dem Jahr 2010 (S. 15 der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24.3.2011 - zusammenfassende Übersetzung der UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 17.12.2010, S. 40) gingen noch davon aus, dass alleinstehende Männer und Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten.

Soweit die Beklagte auf die gewährten Unterstützungsleistungen verweist, gibt es diese zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr. Danach allerdings bestehen Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat (Lagebericht 2014, S. 20; Auskunft von ACCORD vom 1.6.2012). Aufgrund dieser verwaltungstechnischen Schwierigkeiten kommt die erforderliche Hilfe deshalb oft nicht dort an, wo sich die Rückkehrer niedergelassen haben. Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Familien. Über eine gewisse Starthilfe hinaus ist es nicht möglich, dauerhaft Unterstützung für die gesamte Familie zu bekommen (Auskunft von amnesty international vom 29.9.2009 an den BayVGH im Verfahren 6 B 04.30476). Damit mögen die Leistungen zwar einen vorübergehenden Ausgleich schaffen, sind aber nicht dazu geeignet, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten, insbesondere weil die Grundversorgung schon generell für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung eine enorme Herausforderung bedeutet.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 und des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 insoweit (Ablehnung Nr. 3 und Abschiebungsandrohung Nr. 4) zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Klägerin, die bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise ihres Herkunftslands vorlegte, ist nach eigenen Angaben eine ledige, in Lagos geborene Staatsangehörige der Bundesrepublik Nigeria christlichen Glaubens.

Sie stellte am 11. März 2014 bei der Bearbeitenden Stelle des Bundesamts für ... (kurz: Bundesamt) in M. einen Asylantrag.

Zur Niederschrift über das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens gab die Klägerin am 11. März 2014 gegenüber dem Bundesamt insbesondere an, in Italien internationalen Schutz beantragt und zuerkannt bekommen zu haben.

Im Arztbrief des MVZ Siegen - Radiologie - vom 14. Februar 2014 (Bl. 32 der Bundesamtsakte) wurde hinsichtlich der Klägerin insbesondere ausgeführt, nach der Thoraxaufnahme vom 14. Februar 2014 bestehe bei ihr ein Zeichen der Lungenüberblähungen. Kein Nachweis einer Tuberkulose.

Zur Niederschrift über die Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in München am 20. September 2016 wurde eingangs festgehalten, an der Anhörung habe für die Klägerin Frau S- F. - amerikanische Staatsangehörige - teilgenommen. Die Klägerin gab im Wesentlichen an, bis zur Ausreise in der Stadt Ekpoma mit ihrem Vater, ihrem Bruder und ihrer Schwester zusammengelebt zu haben. Ihr Heimatland habe sie 2002 verlassen. Ungefähr am 6. Februar 2014 sei sie mit dem Zug in das Bundesgebiet eingereist. Sie habe in Libyen gearbeitet und sei zehn Jahre lang in Italien gewesen. Einen Aufenthaltstitel habe sie dort nicht gehabt. Ihr Leben in Italien habe sie dadurch finanziert, dass sie in einem afrikanischen Restaurant gearbeitet habe. Italien habe sie wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse verlassen. Sie sei nicht mit einem Schlepper unterwegs gewesen, sondern habe alles alleine organisiert. Außer ihrem Vater, zu dem sie Kontakt habe, habe die Klägerin noch drei Onkel und zwei Tanten in Nigeria. Dort habe sie in einem Callcenter gearbeitet. Ihre finanzielle Situation in Nigeria sei sehr schlecht gewesen.

Die Mutter der Klägerin sei an Krebs gestorben. Ihr Vater sei behindert gewesen und habe nicht mehr arbeiten können. Deswegen habe die Klägerin bei ihrem Onkel, dem Besitzer eines Callcenters, in einer anderen Stadt gearbeitet. Eines Abends sei sie schlafen gewesen, da sei jemand in ihr Zimmer gekommen und habe angefangen, ihre Beine zu berühren. Es wurde festgehalten, die Klägerin sei trotz ausdrücklicher Hinweise auf die Möglichkeit zur Anhörung durch eine weibliche Dolmetscherin und auf die Möglichkeit der Beiziehung einer Sonderbeauftragten mit einem männlichen Dolmetscher einverstanden gewesen und habe keine Sonderbeauftragte gewünscht. Nachdem sie die Augen geöffnet habe - so die Klägerin weiter - habe sie gesehen, dass es ihr Onkel gewesen sei. Er habe ihren Mund zugehalten und sie vergewaltigt. Sie habe sich geweigert, auf seine Aufforderung hin zur Arbeit zu gehen. Er habe sie im Haus eingesperrt. Sie habe gesagt, sie wolle zurück zu ihrem Vater. Der Onkel habe nein gesagt. In der nächsten Nacht habe er ihr wieder das gleiche angetan. Sie habe ihn angefleht, zurück zu dürfen. Sie sei dann zu ihrem Vater gegangen und habe ihm alles geschildert. Der Vater habe geschrien und geweint. Der Onkel habe ihm am Telefon gesagt, dass ihm und der Klägerin niemand glauben werde. Wenn eine Frau vergewaltigt werde, sei es nicht einfach, in dieser Stadt zu leben. Es sei Tradition, dass die anderen Frauen eine vergewaltigte Frau nicht in ihrer Stadt duldeten. Durch die Vorwürfe der Tante und der Frauen des Dorfes sei der Vater der Klägerin noch kränker geworden. Sie habe Nigeria verlassen müssen, damit es ihm einigermaßen gut gehe. Auf die Frage, ob sich die Klägerin an die Polizei oder eine staatliche Einrichtung gewandt habe, antwortete sie insbesondere, sie hätten keine Polizei. Ohne Geld gehe es nicht. Auf die Frage, wie die Klägerin das Haus ihres Onkels habe verlassen können, antwortete sie, bei der zweiten Vergewaltigung die Chance genutzt und ihn überwältigt zu haben. Sie sei eine Ausgestoßene. Die Dorfbewohner würden sie im Falle einer Rückkehr nicht akzeptieren. Auf die Frage, ob sie ihrem Antrag noch etwas hinzuzufügen habe, antwortete die Klägerin, nein, alles in Ordnung. Abschließend bestätigte die Klägerin, es habe keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben.

Durch Bescheid vom 16. Mai 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge der Klägerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.) und auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) ab, erkannte ihr den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3.), verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihr mit einer Ausreisefrist von 30 Tagen die Abschiebung nach Nigeria an (Ziffer 5.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vorbringen sei nicht asylrelevant. Soweit sie vortrage, wegen der Vergewaltigung eine Ausgestoßene zu sein, sei eine mögliche Verfolgung nach etwa 15 Jahren nicht mehr beachtlich wahrscheinlich. Zudem hätte sich die Klägerin an örtliche Sicherheitskräfte wenden können. Im Übrigen sei sie auf eine inländische Fluchtalternative zu verweisen. Die Klägerin verfüge insbesondere über Arbeitserfahrung in einem Callcenter. Es sei daher davon auszugehen, dass sie als gesunde Frau ohne Unterhaltslasten im Falle einer Rückkehr ihren Lebensunterhalt werde bestreiten können. Zudem könne sie auf ein umfangreiches familiäres Netzwerk zurückgreifen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Nigeria führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Ihr drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergebe sich aus § 38 Abs. 1 AsylG. Die Befristung des Einreiseund Aufenthaltsverbots auf 30 Monate sei angemessen. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristsetzung seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Am 26. Mai 2017 ließ die Klägerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen,

den Bundesamtsbescheid vom 16. Mai 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes vorliegen, hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen und die Anordnung sowie Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots aufzuheben.

Zur Klagebegründung wurde durch Schriftsatz vom 7. Juli 2017 im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ihr Schicksal wahrheitsgemäß und glaubhaft in ihrer Anhörung geschildert. Um in Nigeria nicht als Ausgestoßene leben zu müssen, habe sie das Land verlassen. Eine inländische Fluchtalternative bestehe mangels wirtschaftlicher Grundlage nicht. Hinzu komme, dass die Klägerin an einem behandlungsbedürftigen Diabetes mellitus Typ 2 leide. Auf ihr Bekenntnis hin sei die Klägerin von der Mennonitengemeinde Eichstock in Markt Indersdorf getauft worden.

Zur weiteren Klagebegründung wurde durch Schriftsatz vom 2. November 2017 insbesondere ausgeführt, die Klägerin sei als Baby in Nigeria beschnitten worden. Das Ergebnis sei aber nicht so gewesen, wie es sich die Beschneiderin vorgestellt gehabt habe. Daher habe nochmals ein Eingriff vorgenommen werden sollen. Diesen habe die Mutter der Klägerin jedoch nicht erlaubt. Die Klägerin fürchte berechtigterweise, im Falle einer Rückkehr und im Falle einer Heirat gezwungen zu werden, sich erneut einer Beschneidung zu unterziehen.

Die Beklagte stellte keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte zum Klageverfahren, auf die vorgelegte Behördenakte und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. November 2018 Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die Klage ist zwar überwiegend zulässig, insoweit aber im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang offensichtlich unbegründet.

Nur hinsichtlich des gesetzlich angeordneten und behördlich befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots ist die ausdrücklich als solche erhobene Anfechtungsklage mangels Statthaftigkeit unzulässig (vgl. BayVGH, U.v. 12.7.2016 - 10 BV 14.1818 - juris Rn. 59). Darauf hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Dennoch ist diese Anfechtungsklage vom Klägerbevollmächtigten aufrechterhalten worden.

Im Übrigen ist die Klage offensichtlich unbegründet.

Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bundesamtsbescheids und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 - 2 BvR 1429/98 - juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG, auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (vgl. BVerfG, B.v. 25.4.2018 - 2 BvR 2435/17 - juris Rn. 21) und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 - 2 BvR 1429/98 - juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 - 2 BvR 1613/07 - juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 - 2 BvR 2063/06 - juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 - 2 BvR 629/06 - juris Rn. 12 m.w.N.).

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klage im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang als offensichtlich unbegründet abzuweisen.

Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigte und für die Zuerkennung des internationalen Schutzes liegen offensichtlich nicht vor (§ 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Das (teils nicht asylrelevante) Vorbringen ist in wesentlichen Punkten unsubstantiiert, teils in sich widersprüchlich und damit insgesamt unglaubhaft. So hat sich die Klägerin auch unglaubwürdig gemacht. Zudem muss sie sich hinreichend gesichert auf internen Schutz verweisen lassen. Es wäre somit bereits Sache des Bundesamts gewesen, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Im Einzelnen:

Im Kern hat die Klägerin, die nach eigenem Vorbringen auf dem Landweg (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG) eingereist ist, beim Bundesamt geltend gemacht, infolge der Vergewaltigungen durch ihren Onkel in ihrer Heimatstadt stigmatisiert zu sein.

Dieses Vorbringen ist nicht asylrelevant, weil es keinen Bezug zu einem asylerheblichen Merkmal der Klägerin hat.

Das Vorbringen ist zudem in wesentlichen Punkten unsubstantiiert, teils in sich widersprüchlich und damit insgesamt unglaubhaft.

Datums- und umstandsgenaue Angaben zu den behaupteten Gefahren, insbesondere zu den die Ausreise verursachenden Umständen, fehlen. Das Vorbringen ist insoweit durchweg substanzlos und oberflächlich geblieben. Damit ist es unglaubhaft. Wäre die Klägerin wirklich von ihrem Onkel vergewaltigt worden, hätte sie in der Bundesamtsanhörung das genaue Datum ihrer Ausreise angeben können und müssen, weil es sich dann dabei um ein für sie besonders einprägsames Ereignis gehandelt hätte. Stattdessen war die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung nur dazu in der Lage, das Datum ihrer Ausreise auf das Jahr 2002 einzugrenzen. Hätten die behaupteten Vergewaltigungen wirklich stattgefunden, hätte die Klägerin zu diesen Taten in der Bundesamtsanhörung konkrete Angaben machen können und müssen, zumal sie damals jeweils ausdrücklich auf eine weibliche Dolmetscherin und auf die Beiziehung einer Sonderbeauftragten verzichtet hatte und zumal die Klägerin damals in Begleitung einer Vertrauensperson war. Hätte die Klägerin ihren Onkel bei der zweiten Vergewaltigung überwältigen können, wäre es mindestens höchst erklärungsbedürftig gewesen, warum es dann überhaupt zu Vergewaltigungen hat kommen können. Schwer in sich widersprüchlich ist das Vorbringen zur Frage, ob sich die Klägerin wegen der angeblich an ihr begangenen Verbrechen an nigerianische Sicherheitskräfte gewandt hat. In der Bundesamtsanhörung hat sie das implizit verneint, indem sie insbesondere behauptet hat, „sie hätten keine Polizei“. In der mündlichen Verhandlung hat sie dagegen die Behauptung aufgestellt, doch bei der Polizei gewesen zu sein.

Durch den Vortrag zur angeblichen Gefahr der (erneuten) Beschneidung hat sich die Klägerin vollends unglaubwürdig gemacht. Vom Thema der Beschneidung war in der Bundesamtsanhörung überhaupt keine Rede. Dieser Vortragsteil ist ersichtlich nach der Bundesamtsanhörung aus asyltaktischen Gründen konstruiert worden.

Hinsichtlich der geltend gemachten Gefahren muss sich die Klägerin zudem hinreichend gesichert auf internen Schutz verweisen lassen (§ 3e AsylG).

Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, insbesondere Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings ausnahmsweise mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben (vgl. zu all dem nur Lagebericht 2017, S. 18).

Einen solchen, engen Ausnahmefall kann die Klägerin, die nach eigenem Vortrag noch ihren Vater, ihren Bruder, ihre Schwester, drei Onkel und zwei Tanten in Nigeria hat, offensichtlich nicht für sich in Anspruch nehmen. Sie war nicht nur in Nigeria bereits beruflich tätig und hat zudem als junge, gesunde und arbeitsfähige Frau nicht zuletzt durch ihre Reise nach Europa bewiesen, dass sie sich in einer für sie unbekannten Umgebung behaupten kann. Hervorzuheben ist insoweit, dass die Klägerin nicht mit einem Schlepper unterwegs gewesen, sondern die ganze Reise nach Europa alleine organisiert haben will. Somit ist sie jedenfalls auch auf andere Landesteile als Edo State zu verweisen.

Die Klägerin hat nach den vorstehenden Darlegungen und unter Berücksichtigung sämtlicher zu ihrem Gesundheitszustand vorliegenden Stellungnahmen auch offensichtlich keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots, insbesondere des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Die Vermutung, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (§ 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG) ist offensichtlich nicht widerlegt, weil keine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht ist (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Anwaltliche Ausführungen genügen insoweit offensichtlich nicht.

Selbst wenn die Klägerin - wie anwaltlich behauptet - an Diabetes mellitus litte, scheiterte die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für sie bereits offensichtlich an der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG.

Die Auswertung der dazu vorliegenden, aktuellen und allgemeinkundigen Quellen ergibt, dass Diabetes mellitus auch in Nigeria eine Volkskrankheit ist. Mit dieser Krankheit geht daher eine allgemeine Gefahr für die Bevölkerung Nigerias einher, die grundsätzlich einer Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 AufenthG vorbehalten ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.1998 - 9 C 13/97 - juris Leitsatz 1; BVerwG, U.v. 29.7.1999 - 9 C 2/99 - juris Rn. 9), an der es fehlt.

Laut dem in der englischen Ausgabe des World Journal of Diabetes vom 15. Dezember 2014 enthaltenen Aufsatz Diabetes mellitus in Nigeria: The past, present and future (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4265879/pdf/WJD-5-905.pdf), wird die gegenwärtige Prävalenz von Diabetes mellitus in Nigeria auf zwischen acht und zehn Prozent der Bevölkerung geschätzt. Auch in Nigeria ist der Diabetes mellitus Typ 2 die am weitesten verbreitete Form von Diabetes mellitus, die etwa 90 bis 95% aller Fälle von Diabetes mellitus ausmacht (World Journal of Diabetes vom 15. Dezember 2014, S. 906).

Da Nigeria aktuell zirka 190 Millionen Einwohner hat (vgl. nur Lagebericht 2017, S. 7), sind in diesem Land folglich zwischen 15,2 und 19 Millionen Menschen von Diabetes mellitus betroffen. Diese Größenordnung der Betroffenen verdeutlicht den Vorbehalt einer politischen Leitentscheidung im Sinne des § 60a Abs. 1 AufenthG.

In solchen Konstellationen kann Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung und Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG nur dann gewährt werden, wenn im Abschiebezielstaat für den Ausländer (entweder aufgrund der allgemeinen Verhältnisse oder aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall) landesweit eine extrem zugespitzte Gefahr wegen einer notwendigen, aber nicht erlangbaren medizinischen Versorgung zu erwarten ist, wenn mit anderen Worten der betroffene Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. nur BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 - juris Rn. 16 m.w.N.). Die Voraussetzungen einer solchen landesweiten Extremgefahr sind im Fall der Klägerin nicht erfüllt. Insbesondere den zum Gesundheitszustand der Klägerin vorliegenden Stellungnahmen lässt sich dafür kein Ansatzpunkt entnehmen.

Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Das Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 2 AsylG).

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen die Ablehnung ihres im Asylfolgeverfahren gestellten Antrags, den im Erstverfahren ergangenen Bescheid bezüglich der Feststellung von (nationalen) Abschiebungsverboten abzuändern.

Der 1986 geborene Kläger zu 1 und seine Ehefrau, die 1984 geborene Klägerin zu 2, sind nigerianische Staatsangehörige und die Eltern der Kläger zu 3 bis 5. Der Kläger zu 3 und die Klägerin zu 4 (Zwillinge) sind am ... 2014 in, der Kläger zu 5 ist am ... 2016 in ... geboren.

1. Die Kläger zu 1 und 2 reisten am 2. Oktober 2014 mit dem Zug aus Italien kommend illegal in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 16. Februar 2015 stellten die Kläger zu 1 und 2 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) Asylanträge.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger zu 1 bis 5 auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Nr. 1), ebenso die Asylanträge (Nr. 2) und die Anträge auf subsidiären Schutz (Nr. 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Weiter wurde den Klägern zu 1 bis 5 die Abschiebung nach Nigeria angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Am 27. Oktober 2016 haben die Kläger gegen diesen Bescheid Klage erhoben, die mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. Mai 2017 (Az.: Au 7 K 16.32261) abgewiesen wurde, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.

In den Entscheidungsgründen wird zu den (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgeführt, dass solche nicht erkennbar seien. Hinsichtlich der Klägerin zu 2 wird unter anderem ausgeführt, dass die Voraussetzungen für ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Diabetes mellitus sei in Nigeria behandelbar. Entsprechende Behandlungsmöglichkeiten bestünden in privaten Praxen, Kliniken und kommunalen Gesundheitseinrichtungen. Medikamente zur Behandlung von Diabetes mellitus, z.B. Metformin 1000 mg, seien in Nigeria erhältlich.

2. Am 13. September 2017 stellten die Kläger zu 1 bis 5 einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Gleichzeitig begehrten die Kläger das Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung von Abschiebungsverboten bezüglich Nigerias bzw. eines anderen aufnahmebereiten Staates.

In der schriftlichen Folgeantragsbegründung (vom 13.9.2017) wurde ausgeführt, dass das Kind schwer erkrankt sei.

Die Kläger legten dem Bundesamt etliche ärztliche Atteste vor, unter anderem folgende:

hinsichtlich der Klägerin zu 4 (..., geb.: ... 2014)

Arztbrief des Klinikum ... vom 11. September 2017 (stationäre Behandlung von Freitag, 8.9.2017 bis Montag, 11.9.2017, Bl. 47 bis 49 der Bundesamtsakte/BA), Hauptdiagnose: Obstruktive Bronchitis bei bekanntem Asthma bronchiale (4. Stationäre Episode).

Arztbrief des Klinikum ... vom 11. August 2017 (stationäre Behandlung von Mittwoch, 9.8.2017 bis Freitag, 11.8.2017, Bl. 92 bis 94 BA), Diagnosen: Asthma bronchiale, Obstruktive Bronchitis – DD Pneumonie.

Arztbrief des Klinikum ... vom 7. Oktober 2016 (stationäre Behandlung von Mittwoch, 5.10.2016 bis Freitag, 7.10. 2016, Bl. 89 bis 91 BA), Diagnosen: Obstruktive Bronchitis, Nachweis humaner Rhinoviren, hypochrome mikrozytäre Anämie durch Eisenmangel.

Ärztliches Attest des Kinderarztes Dr. ... vom 23. November 2016 (Bl. 95 BA), wonach die Klägerin zu 4 seit November 2015 an rezidivierenden Bronchitiden leide

hinsichtlich der Klägerin zu 2 (..., geb.: ... 1984)

Arztbrief der Kliniken ... vom 1. September 2017 mit Laborbericht vom 6. September 2017 betreffend Cholezystektomie (Bl. 52/53 BA),

Ärztliches Attest des Zentrums für Allgemeinmedizin ... vom 2. August 2017 (Bl. 54 BA): Zusammenfassende Feststellung, dass die Klägerin zu 2 wegen der Diagnosen Diabetes mellitus Typ 2, Gonarthrose links, Eisenmangelanämie, Schilddrüsenfunktionsstörung in laufender Behandlung sei.

Arztbrief des Dr. ... (Praxis für Innere Medizin & Diabetologie) vom 18. Mai 2017 (Bl. 51 BA): Unter dem Punkt „Diagnosen“ ist u.a. festgehalten: Diabetes mellitus Typ 2.2 (ED 5/2017), kardiovaskuläre Risikofaktoren: Adipositas per magna, BMI 58,5 kg/m². Es wurde unter dem Punkt „Labor“ u.a. festgestellt, dass ein Diabetespass nicht geführt wird und dass die Patientin die BZ-Gerät/-Werte nicht dabei hat. Unter dem Punkt „Procedere“ wird u.a. ausgeführt, dass ein Diabetes mellitus Typ 2 gesichert sei. Es sei zunächst Metformin 1000 mg 2x1 Gramm verordnet worden. Eine Gewichtsabnahme wäre dringend empfohlen. Eine Einschreibung ins DMP Diabetes Typ 2 sei vorgenommen worden.

Arztbrief Kliniken, Krankenhaus, vom 2. Mai 2017(Bl. 55/56 BA): Unter dem Punkt „Diagnosen“ ist festgehalten: Knieschmerzen links. Unter dem Punkt „Therapie“ wird ausgeführt: konservativ mittels Schmerztherapie.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23. Oktober 2017 wurde der Folgeantrag der Kläger zu 1 bis 5 als unzulässig abgelehnt (Nr. 1 des Bescheids). In Nr. 2 wurde der Antrag der Kläger auf Abänderung des Bescheides vom 19. Oktober 2016 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgelehnt.

In den Gründen des Bescheids ist ausgeführt, dass der Antrag unzulässig sei, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen.

Jedoch seien die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im vorliegenden Fall gegeben. Von den Klägern seien aber keine Gründe vorgetragen worden, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG erkennen ließen. Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Die beschriebenen Erkrankungen reichten nicht aus, um ein Abschiebehindernis nach § 60 Abs. 7 AufenthG festzustellen, da mangels anderweitiger Belege und Anhaltspunkte die Krankheiten inzwischen ausreichend behandelt und auskuriert seien und falls nicht, ggf. auch in Nigeria therapierbar seien. Aus den vorgelegten Unterlagen sei nicht ersichtlich, dass bei einer Rückkehr ins Heimatland schwerwiegende gesundheitliche Folgen drohen würden.

4. Am 2. November 2017 erhob der Kläger zu 1, auch für seine Ehefrau (Klägerin zu 2) und die drei Kinder (Kläger zu 3 bis 5), zur Niederschrift vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Oktober 2017.

Mit Beschluss der Kammer vom 8. November 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen (§ 76 AsylG).

Mit Schriftsatz vom 27. November 2017 zeigte die Klägerbevollmächtigte die Vertretung der Kläger an und führte im Wesentlichen aus, nach unanfechtbarer Ablehnung des Asylantrags durch Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. Mai 2017 seien bei der Klägerin zu 4 schwerwiegende Erkrankungen aufgetreten. Die Erkrankung gehe mit einer Dyspnoe (Atemnot) einher. Die Klägerin sei daher mehrfach stationär in das Klinikum notfallmäßig per Rettungsdienst eingeliefert worden. Aus dem Arztbrief vom 11. September 2017 ergebe sich, dass die Durchführung eines Schweißtests sowie eine antiobstruktive Dauertherapie mit Flutide mite empfohlen worden sei. Bei der Klägerin zu 4 bestehe bei fehlender Behandlung das Risiko eines schweren Asthmaanfalls mit Todesfolge. Bei ihr seien ständige medizinische, regelmäßige Kontrollen und ärztliche Behandlung lebensnotwendig. Beim Kläger zu 1 sei am 25. August 2017 eine mikrochirurgische Dekompression L2/L3 aufgrund eines Bandscheibenvorfalls durchgeführt worden. Beim Kläger zu 1 und der Klägerin zu 4 liege mithin eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde.

Diesem Schriftsatz waren hinsichtlich der Klägerin zu 4 die (bereits beim Bundesamt vorgelegten) Arztbriefe des Klinikum ... vom 11. September 2017 sowie vom 11. August 2017 (Bl. 92 bis 94 BA) beigefügt.

Hinsichtlich des Klägers zu 1 war der Arztbrief der ... vom 21. November 2017 beigefügt. Danach wurde am 25. August 2017 eine mikrochirurgische Dekompression L2/L3 mit Undercutting nach rechts und Abtragung der Bandscheibenprotursion von links vorgenommen. Unter dem Punkt „Diagnose“ ist festgehalten: Limbago, und Z.n. Claudicatio spinalis bei discogener Spinalkanalstenose L2/L3 Bandscheibenprotrusion L2/L3 bei beginnender Osteochondrose. Unter „Befund“ wird ausgeführt: „Schneller Gang in leicht vorgeneigter Körperhaltung ohne erkennbares Hinken. Bei der körperlichen Untersuchung zeigen sich reizlose Haut- und Weichteilverhältnisse im Bereich der LWS. Geringe Klopf- und Druckdolenz über der LWS, keine Druckdolenz über dem rechten/linken ISG. Finger-Boden-Abstand > 10 cm. Lasegue-Zeichen rechts/links negativ. Zehen- und Fersenstand beidseits sicher möglich. Monopedaler Zehenspitzenstand beidseits sicher demonstrierbar…. Unter „Procedere“ wird ausgeführt: „Wir bitten um Fortsetzung der ambulanten Physiotherapie, Schmerztherapie und ggf. Narbentherapie bei hypertrophen Narbenverhältnissen. Aktuell besteht kein V.a. postoperative Komplikation bei zeitgerechtem Heilungsverlauf und beschwerdearmem Patienten.

Am 4. Dezember 2017 wurde die Verwaltungsstreitsache mündlich verhandelt. Die Kläger wurden informatorisch angehört. Die Klägerbevollmächtigte legte die Atteste des Kinderarztes Dr. ... vom 10. September 2017 und 26. November 2017 (Bl. 67, 68 der Gerichtsakte) vor, und stellte entsprechend ihrem dem Gericht übergebenem Schriftsatz vom 4. Dezember 2017 fünf Beweisanträge zur Einholung von Sachverständigengutachten, die das Gericht in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss ablehnte. Die Klägerbevollmächtigte beantragte,

Die Beklagte wird unter Aufhebung von Nr. 2 des Bescheids des Bundesamtes vom 23. Oktober 2017 verpflichtet, bei den Klägern zu 1 bis 5 Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Nigerias festzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie auf die Gerichtsakten und die Akten des Bundesamtes (auch die des ersten Asylverfahrens der Kläger) Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten mit der Ladung hierauf hingewiesen wurden (§ 102 Abs. 2 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Der Bescheid des Bundesamtes vom 23. Oktober 2017 ist, soweit er zuletzt noch in Nr. 2 angefochten wurde, im gemäß § 77 Abs. 1, Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern steht ein Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG, also ein Anspruch auf entsprechende Abänderung des (Erst-) Bescheides vom 19. Oktober 2016, nicht zu.

Vorab ist festzuhalten, dass alle Kläger gemeinsam in die Betrachtung und Bewertung miteinzubeziehen sind. Denn unter Berücksichtigung der Bedeutung, welche die deutsche Rechtsordnung dem Schutz von Ehe und Familie in Art. 6 GG beimisst, ist bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehörigen auszugehen (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.1999 – 9 C 12/99 – BVerwGE 109, 305; BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – Asylmagazin 2015, 197, juris Rn. 21). Eine einzelne und isolierte Rückkehr der Familienmitglieder ist weder realistisch, noch von Rechts wegen von ihnen zu fordern.

Es ist demnach davon auszugehen, dass die Kläger als Familie nach Nigeria zurückkehren.

Bei den national begründeten Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 des AufenthaltsgesetzesAufenthG – i.V.m. Art. 3 EMRK und nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand (BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 Rn. 16 f.).

Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote i.S.v. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Nigerias liegen bei den Klägern zu 1 bis 5 zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht vor. Im Falle der Kläger sind insoweit zwei Dinge relevant, zum einen die Gefahr, dass die Kläger zu 1 und 2 aufgrund krankheitsbedingter erheblicher Einschränkungen ihrer Erwerbsfähigkeit das unmittelbare Existenzminimum in Nigeria für die Familie nicht sichern können und zum anderen die für den Kläger zu 1, die Klägerin zu 2 und die Klägerin zu 4 individuell geltend gemachten „krankheitsbedingten“ Gefahren, die ihnen im Falle der Rückkehr nach Nigeria durch eine Verschlimmerung ihrer jeweiligen Erkrankung mangels vorhandener Behandlungsmöglichkeiten und/oder mangels finanzieller Erreichbarkeit einer Behandlung drohen könnten

a) Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann, der Verweis auf die EMRK umfasst dabei (lediglich) Abschiebungshindernisse, die im Zielstaat der Abschiebung drohen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris, Rn. 35, 36).

Ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) wegen zu befürchtender unmenschlicher Behandlung durch die schlechte wirtschaftliche Lage in Nigeria kommt nicht in Betracht. So geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen können, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, U.v. 27.5.2008 – vNr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich – NVwZ 2008, 1334 Rn. 42). Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (EGMR, U.v. 27.5.2008 a.a.O. Rn. 44).

Das Gericht verkennt nicht, dass nach der derzeitigen Erkenntnislage die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage für die Mehrheit der Bevölkerung in Nigeria problematisch ist. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung, nach den vorliegenden Erkenntnissen 70 - 80% der Bevölkerung, lebt am Existenzminimum bzw. 65 - 70% lebt unterhalb der Armutsgrenze von einem US-Dollar pro Tag. Dieser große Teil der Bevölkerung lebt im Wesentlichen als Bauer, Landarbeiter, oder Tagelöhner vom informellen Handel sowie (Subsistenz-) Landwirtschaft. Viele Menschen haben keinen Zugang zum Gesundheitssystem oder zu Wasser und Strom. Ein staatlich organisiertes Hilfsnetz für Mittellose existiert nicht (vgl. zur wirtschaftlichen Situation: AA, Lageberichte Nigeria 21. November 2016, vom 3. Dezember 2015 und 5. Dezember 2014, jeweils Ziffer IV 1.1, 1.2 und Länderinformation/Nigeria/Wirtschaft unter www.auswaertiges-amt.de, Stand: März 2017; Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Nigeria Update vom März 2010, S. 21, 22 m.w.N.; Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unter www.giz.de weltweit-afrika-nigeria; Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter www.bmz.de - länder-regionen-subsahahra-nigeria (dort: u.a. „Soziale Schieflage“).

Die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria und die damit zusammenhängenden Gefahren führen grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade den Klägern drohenden Gefahr, sondern sind unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppen allgemein ausgesetzt sind und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.

Bei den mit der schwierigen ökonomischen Situation verbundenen Gefahren handelt es sich jedoch um Gefahren, die einem Großteil der Bevölkerung in Nigeria betreffen und die für sich keine Verletzung von Art. 3 EMRK i.S.d. Rechtsprechung des EGMR begründen (vgl. auch dazu BVerwG, B.v. 25.10 2012 – 10 B 16/12 – juris Rn. 8 f.).

Anhaltspunkte für einen besonderen Ausnahmefall, in dem humanitäre Gründe in der Person der Kläger zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung bzw. gegen eine Rückführung nach Nigeria sprechen, sind vorliegend nicht ersichtlich.

Für die Kläger kann auf Grund ihrer individuellen Voraussetzungen und konkreten Lebenssituation bei einer Rückkehr nach Nigeria keine mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende besondere – außergewöhnliche – Gefahrenlage angenommen werden, und zwar auch dann nicht, wenn man berücksichtigt, dass der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 aufgrund ihrer jeweiligen Erkrankungen erheblich erwerbsgemindert sind.

Beim Kläger zu 1 bestehen zwar, ausgehend von der im Ambulanzbrief der ... vom 21. November 2017 gestellten Diagnose (Bl. 65/66 der Gerichtsakte), diverse Erkrankungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, nämlich eine Lumbago (volkstümlich auch Hexenschuss genannt, bezeichnet den akut einsetzenden Schmerz in der Lendenwirbelsäule, der in das Gesäß und die Oberschenkel ausstrahlen kann). Außerdem wird eine discogene Spinalkanalstenose (Verengung des Kanals in der Wirbelsäule) L2/L3 und Bandscheibenprotrusion (Bandscheibenvorwölbung) L2/L3 bei beginnender Osteochondrose (durch Abnutzung der Bandscheiben bedingte knöcherne Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule) L2/L3 diagnostiziert. Die genannte Claudicatio spinalis (schmerzbedingtes Hinken im Rahmen einer Spinalkanalstenose der Lendenwirbelsäule) ist durch den Zusatz „Z.n.“ als beendete Erkrankung gekennzeichnet. Zudem wird unter dem Punkt „Befund“ ausgeführt: „Schneller Gang in leicht vorgebeugter Körperhaltung ohne erkennbares Hinken“.

Durch die attestierten Erkrankungen besteht beim Kläger zu 1 auch eine erhebliche Erwerbsminderung, da er Tätigkeiten, die z.B. mit schwerem Heben oder längerdauernden unbequemen Körperhaltungen verbunden sind, nicht oder nur sehr eingeschränkt wird ausüben können. Damit scheiden für den Kläger zu 1 in Nigeria eine Vielzahl von (Erwerbs-)Tätigkeiten gerade im Bereich körperlicher Arbeiten aus. Der Kläger zu 1 ist aber nach dem o.g. aktuellen Ambulanzbrief der ... vom 21. November 2017 keineswegs arbeitsunfähig, was sich aus den Darlegungen unter den Punkten „Befund“ und „Procedere“ zweifelsfrei ergibt. Er wird u.a. als „beschwerdearm“ bezeichnet und benötigt lediglich Physiotherapie und Schmerztherapie. Es verbleiben damit Tätigkeiten, z.B. im Bereich des informellen Handels, die der Kläger zu 1 in Nigeria wird ausüben können. So war der Kläger in Nigeria nach eigenen Angaben als Automechaniker tätig und legte dem Bundesamt (in seinem ersten Asylverfahren) hierzu auch eine entsprechende Bescheinigung vor (vgl. Bl. 92 BA). Damit stehen dem Kläger zu 1 z.B. auch im Bereich des Handels / Verkaufs von Kraftfahrzeugen Tätigkeiten offen. Trotz erheblicher Erwerbsminderung, weil ein großer Teil des Arbeitsmarktes in Nigeria dem Kläger verschlossen bleiben wird, bestehen damit zur Überzeugung des Gerichts dennoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu 1 nicht in der Lage sein wird, den Lebensunterhalt für die Familie zumindest auf niedrigem Niveau sicherzustellen.

Ähnlich verhält es sich bei der Klägerin zu 2. Aufgrund ihrer Erkrankung u.a. an Adipositas per magna besteht auch bei ihr eine erhebliche Erwerbsminderung, da sie in Nigeria keine schweren oder langandauernden körperlichen Arbeiten wird ausführen können und damit eine Vielzahl von Tätigkeiten gerade im Bereich körperlicher Arbeiten für sie ausscheidet. Es stehen aber auch ihr Tätigkeiten, z.B. im Bereich des informellen Handels, offen, die sie im Sitzen (z.B. Verkaufstätigkeiten) wird ausüben können. Damit kann sie zumindest in geringem Maß zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Auch kann sie sich im familiären Umkreis (s. nachfolgend) z.B. durch Kinderbetreuung und leichte Haushaltsarbeiten einbringen und damit wiederum Hilfeleistungen von Seiten ihrer Verwandten erhalten.

Hinzu kommt bei den Klägern zu 1 und 2 dass sie nach ihren eigenen Angaben in Nigeria zahlreiche Verwandte haben. So leben Bruder und Schwester des Klägers zu 1 in Auch Brüder seines Vaters und seine Cousins leben in Nigeria, wie er im ersten Asylverfahren (Az. Au 7 K 16.32261) in der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2017 bekundet hat (vgl. S. 5 des damaligen Sitzungsprotokolls). Nach den Angaben der Klägerin zu 2 leben ihre Mutter mit den beiden (in Libyen geborenen) Kindern sowie deren Brüder im (nigerianischen) Bundesstaat .... Damit können die Kläger zu 1 und 2 und ihre Kinder, die Kläger zu 3 bis 5, in ihrem Heimatland auch auf ein umfangreiches soziales Beziehungsgeflecht mit entsprechenden Unterstützungsmöglichkeiten zurückgreifen.

Die Kläger haben demnach keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK.

b) Ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen, die eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung voraussetzt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, liegt im Fall der Kläger nicht vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Erfasst werden nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, von der jeweils zuständigen Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Mit dem Begriff der erheblichen konkreten Gefahr wird insoweit umschrieben, dass sich die vorhandene Erkrankung eines Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, das heißt, dass eine wesentliche Verschlimmerung der Krankheit alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – juris Rn. 15 m.w.N). Für die Frage wann eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt, ist im Ansatz auf den asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zurückzugreifen (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – juris Rn. 12). Danach ist eine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu bejahen, wenn die für die Annahme einer erheblichen Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen als die dagegensprechenden Gesichtspunkte. Eine nur theoretische Möglichkeit des Eintritts der befürchteten Rechtsgutverletzung reicht für eine tatbestandsmäßige Gefahrensituation nicht aus. Darüber hinaus statuiert der Begriff der Konkretheit der Gefahr in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten, erheblichen Gefährdungssituation.

Eine wesentliche Verschlechterung ist danach nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Dies kann auch der Fall sein, wenn der betroffene Ausländer eine grundsätzlich mögliche medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann. Im Hinblick auf Krankheiten ist für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich, dass sich der Gesundheitszustand des betreffenden Ausländers alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung in Folge unzureichender Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, weil dort eine adäquate Behandlung wegen des geringen Versorgungsstandards nicht möglich oder unzureichend ist und/oder der Betroffene insbesondere mangels finanzieller Mittel eine Behandlung nicht erlangen kann (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 – DVBl 2003, 463; U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – a.a.O.). Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem Betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. Um die Beurteilung miteinzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können.

Andererseits dient dieses Abschiebeverbot nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht gleichkommt. Dies lässt sich nunmehr ausdrücklich der seit dem 17. März 2016 geltenden Fassung des § 60 Abs. 7 Satz 2 bis 4 AufenthG entnehmen. Der Gesetzgeber hat insoweit klargestellt, dass eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es wird im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist; eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel zudem vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats erlangt werden kann (§ 60 Abs. 7 Satz 3 und 4 AufenthG).

aa) Hinsichtlich des Klägers zu 3 (..., geb. ... 2014) und des Klägers zu 5 (..., geb. ... 2016) wurden beim Bundesamt im Rahmen des Asylfolgeverfahrens lediglich ärztliche Atteste vorgelegt, die erfolgreich behandelte Erkrankungen im Jahr 2016 belegen. So wurde der Kläger zu 5 laut Arztbrief des Klinikum ... vom 21. September 2016 (Bl. 85/86 BA) wegen des Verdachts auf Gehirnerschütterung und einer fieberhaften Pharyngitis/Enteritis mit Nachweis humaner Rhinoviren erfolgreich behandelt. Hinsichtlich des Klägers zu 3 wurde der Arztbrief des Klinikum ... vom 12. Januar 2016 (Bl. 87/88 BA) vorgelegt, wonach wegen einer Phimose eine Circumcision komplikationslos durchgeführt wurde. Krankheitsbedingte Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG liegen für die Kläger zu 3 und 5 daher offensichtlich nicht vor.

bb) Auch die Klägerin zu 2 erfüllt nicht die Voraussetzungen für einen krankheitsbedingten Abschiebungsschutz im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG.

Hierzu wurde bereits im ersten Asylverfahren, im Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. Mai 2017 (Az.: Au 7 K 16.32261, Rn. 71 bis 77) wie folgt ausgeführt:

„Auch hinsichtlich der Klägerin zu 2 liegen die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor.

Bei der Klägerin zu 2 besteht laut dem Attest des ... vom 11. Mai 2017 eine diabetische Stoffwechsellage mit grenzwertig erhöhten BZ Werten am Morgen und einem leicht erhöhten HbA1c Wert. Sie erhalte bei einem Diabetologen eine ausführliche Ernährungsberatung, da eine Adipositas per magna vorliege. Bislang werde der Diabetes mellitus nicht medikamentös behandelt, insbesondere werde kein Insulin gespritzt. Nach dem ärztlichen Bericht des Diabetologen Dr. ... vom 9. Mai 2016 erfolgte Ernährungsberatung.

Diese Befunde können im Hinblick auf die Bestimmungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 bis 4 AufenthG ein Abschiebungsverbot nicht rechtfertigen. Danach liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.

Aus den vorliegenden Erkenntnismaterialien ergibt sich, dass in Nigeria zwar die medizinische Versorgung vor allem auf dem Land mangelhaft ist. Rückkehrer finden jedoch in Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor, wenn auch weit unter europäischem Standard. Es gibt sowohl staatliche als auch privat betriebene Krankenhäuser. In den privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden, wenn auch die Behandlungen, ebenso wie in den staatlichen Krankenhäusern selbst bezahlt werden müssen; in der Regel gibt es auch alle gängigen Medikamente in Apotheken zu kaufen.

Auch Diabetes mellitus ist in Nigeria behandelbar. Entsprechende Behandlungsmöglichkeiten bestehen in privaten Praxen, Kliniken und kommunalen Gesundheitseinrichtungen. Medikamente zur Behandlung von Diabetes mellitus, z.B. Metformin 1000 mg, sind in Nigeria erhältlich (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Minden vom 16.1.2012).

Die vorgelegten Befunde lassen eine lebensbedrohliche, schwerwiegende Erkrankung nicht erkennen. Auch ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass sich der gesundheitliche Zustand der Klägerin zu 2 durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Nach der oben dargestellten Auskunftslage kann die Klägerin zu 2 die erforderliche Behandlung auch in Nigeria erhalten. Dass die medizinische Versorgung im Herkunftsstaat nicht den Standards in Deutschland entspricht, begründet gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG kein Abschiebungsverbot.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass sie zu einer erforderlichen Behandlung in Nigeria aus finanziellen Gründen keinen Zutritt hätte. Wie bereits oben ausgeführt, ist ihr Ehemann, der Kläger zu 1, ein gesunder arbeitsfähiger Mann und Hilfe kann auch von Seiten der Großfamilie erlangt werden. Bei der Klägerin zu 2 kommt hinzu, dass die Adipositas per magna augenscheinlich die Hauptursache für ihre Beschwerden, insbesondere auch den Diabetes mellitus darstellt (s. Deutsche Diabetes Gesellschaft, Prävention und Therapie der Adipositas, April 2014, http://dx.doi.org/10.1055/s.-0034-1385404Diabetologie 2014), so dass die bisherige Behandlung auch insbesondere Ernährungsberatung beinhaltet hat. Da die Klägerin zu 2 nach ihren Angaben beim Bundesamt in Libyen als Putzfrau im Krankenhaus gearbeitet hat, während sie nunmehr aufgrund ihre Adipositas kaum mehr in der Lage ist, auch nur kurze Strecken zu laufen (s. Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 12.5.2017), hat sich die diagnostizierte Adipositas per magna offensichtlich im Verlaufe ihres Aufenthalts in Deutschland entwickelt, wohl aufgrund der ungewohnten Ernährungslage hier. Damit erscheint es im Falle der Klägerin zu 2 nicht ausgeschlossen, dass sich die Adipositas im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria sogar bessert.“

Auch die danach vorgelegten ärztlichen Atteste können im Hinblick auf die Bestimmungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 bis 4 AufenthG ein Abschiebungsverbot nicht rechtfertigen. Zwar besteht bei der Klägerin zu 2 eine schwerwiegende Erkrankung (insbesondere Adipositas permagna und ein Diabetes mellitus Typ 2), es ist jedoch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sich die Erkrankung im Falle der Rückkehr nach Nigeria alsbald wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, nicht belegen.

Das Attest der Kliniken ... vom 1. September 2017 mit Laborbefund vom 4. September 2017 (Bl. 52/53 BA) belegt eine erfolgreich durchgeführte Cholezystektomie (Gallenblasenentfernung). Der Arztbrief der Kliniken ... vom 2. Mai 2017 belegt eine konservative Behandlung wegen Knieschmerzen (aktivierte Gonarthrose links) mittels Schmerztherapie. Das ärztliche Attest des Zentrums für Allgemeinmedizin ... vom 2. August 2017 (Bl. 54 BA) stellt zusammenfassend fest, dass die Klägerin zu 2 wegen der Diagnosen Diabetes mellitus Typ 2, Gonarthrose links, Eisenmangelanämie, Schilddrüsenfunktionsstörung in laufender Behandlung sei.

Mit dem Attest des Dr. ... vom 18. Mai 2017 (Bl. 51 BA) und dem mit Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 19. Mai 2017 (noch im Verfahren Au 7 K 16.32261, Bl. 96 bis 98 der dortigen Gerichtsakte) vorgelegten Behandlungsprogramm und Medikationsplan wird lediglich das Vorliegen der bereits bekannten Erkrankungen an Diabetes mellitus Typ 2.2 und Adipositas permagna sowie die nunmehr begonnene Medikation hinsichtlich des Diabetes mellitus mit Metformin 1000 mg dokumentiert. Dieses Medikament ist, wie bereits im oben zitierten Urteil vom 15. Mai ausgeführt wurde, auch in Nigeria erhältlich.

Entsprechend den Ausführungen unter a) ist davon auszugehen, dass der Lebensunterhalt der Familie zum einen durch noch mögliche Erwerbstätigkeiten insbesondere des Klägers zu 1, in geringem Umfang auch der Klägerin zu 2 und zum anderen auch aufgrund des umfangreichen sozialen Beziehungsgeflechts mit entsprechenden Unterstützungsmöglichkeiten gesichert ist und damit auch die erforderliche Behandlung des Diabetes mellitus mit Metformin erreichbar ist.

Zusammenfassend bleibt daher hinsichtlich der Klägerin zu 2 festzustellen, dass eine erhebliche konkrete Gefahr für ihr Leib und Leben aufgrund einer alsbaldigen schwerwiegenden und wesentlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist.

cc) Auch beim Kläger zu 1 liegen die Voraussetzungen für ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG ersichtlich nicht vor. Die attestierten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule wurden im Wesentlichen erfolgreich behandelt, wie aus dem Ambulanzbrief der ... Klinik vom 21. November 2017, „Befund“ und „Procedere“ (Bl. 65/66 der Gerichtsakte) zu ersehen ist. Der Kläger ist hinsichtlich seiner Beweglichkeit kaum bzw. nicht wesentlich eingeschränkt (s. „Befund“). Ihm wird Beschwerdearmut bescheinigt. Die erforderliche Therapie beschränkt sich im Wesentlichen auf Physiotherapie und Schmerztherapie (s. „Procedere“). Schmerzmittel sind in Nigeria verfügbar (s. AA, Lagebericht Nigeria 21. November 2016, IV.1.4). Die attestierte „beginnende Osteochondrose L2/3“ hat derzeit, wie aus dem Ambulanzbrief der ... Klinik vom 21. November 2017 ersichtlich ist, keine nennenswerten Auswirkungen auf das Befinden des Klägers zu 1 und es ist kein Anhaltspunkt zu erkennen, dass sie sich im Falle der Rückkehr nach Nigeria alsbald schwerwiegend und wesentlich verschlechtert. Für eine alsbaldige schwerwiegende und wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers zu 1 im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria sind auch ansonsten bei Würdigung der attestierten Erkrankung keine Anhaltspunkte erkennbar.

dd) Die Klägerin zu 4 hat ebenfalls keinen Anspruch auf die Feststellung eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 2 ff. AufenthG.

Unstreitig leidet sie an einer Obstruktiven Bronchitis und Asthma bronchiale, was sich u.a. aus den Arztbriefen des Klinikum ... vom 11. September 2017, 11. August 2017 und 7. Oktober 2016 ergibt. Unstreitig kann ebenfalls gestellt werden, dass eine derartige Erkrankung bei anfallartigem Auftreten unbehandelt tödlich verlaufen kann.

Es besteht jedoch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die o.g. Erkrankung der Klägerin zu 4 durch die Abschiebung alsbald wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird.

Aus den o.g. Arztbriefen des Klinikum ... vom 11. September 2017 und 11. August 2017 ergibt sich, dass die Klägerin zu 4 jeweils bei Aufnahme einmalig mit Rectodelt (enthält den Wirkstoff Prednison) und /oder Prednisolon behandelt wurde. Danach wurde inhalativ Salbutamol und Atrovent (aktiver Wirkstoff Ipratropiumbromid) verabreicht. Laut dem Arztbrief vom 7. Oktober 2016 erhielt sie (nur) Inhalationen mit Salbutamol und Ipratropiumbromid.

Asthma bronchiale ist eine in Nigeria häufig vorkommende Krankheit, die genannten Medikamente sind auch dort erhältlich. Insbesondere Ventolin (aktiver Wirkstoff Salbutamol) ist in nahezu jeder Apotheke erhältlich und für einen durchschnittlichen Nigerianer bezahlbar (vgl. die von der Klägerbevollmächtigten benannte Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, „Nigeria: Behandlung von Schizophrenie, Asthma bronchiale und Hepatitis B“; AA, Lagebericht Nigeria 21. November 2016, IV.1.4).

Die Behandlung der Klägerin zu 4 mit den o.g. Medikamenten kann durch die Eltern erfolgen und erfordert in der Regel keinen stationären Aufenthalt. Die Inhalation wurde mit der Klägerin zu 2 und der Klägerin zu 4 geübt (vgl. Arztbrief des Klinikum ... vom 11. September 2017, S. 2 letzte Zeile). Wie sich aus den drei vorgelegten Arztbriefen des Klinikum ... ergibt, ist bisher kein lebensbedrohlicher Anfall eingetreten. In den Arztbriefen vom 11. August 2017 und 7. Oktober 2016 wird festgestellt, dass während des gesamten stationären Aufenthalts kein zusätzlicher Sauerstoffbedarf bestanden habe. Lediglich im Arztbrief vom 11. September 2017 ist vermerkt, dass während des stationären Aufenthalts einmal kurzfristig zusätzlicher Sauerstoffbedarf bestand. Die jeweilige Dauer der drei dokumentierten Klinikaufenthalte war sehr kurz. Nur im Arztbrief des Klinikum ... vom 11. August 2017 ist vermerkt, dass die stationäre Aufnahme aufgrund Einweisung durch den behandelnden Kinderarzt erfolgt sei. Bei den stationären Aufenthalten im Oktober 2016 und September 2017 haben daher wohl die Eltern der Klägerin zu 4 aus eigener Initiative den Rettungsdienst gerufen.

Die vorgelegten Atteste lassen nach allem erkennen, dass die Erkrankung der Klägerin zu 4, Obstruktive Bronchitis und Asthma bronchiale, mit den hierfür gängigen Medikamenten behandelbar ist.

Es ist auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Klägerin zu 4 die benötigten Medikamente in Nigeria erhalten wird bzw. es ihrer Familie in finanzieller Hinsicht möglich sein wird, diese zu beschaffen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass sowohl die Klägerin zu 2 als auch die Klägerin zu 4 (diese zumindest bis ins Schulalter, siehe Attest des Kinderarztes Dr. ... vom 26.11.2017) eine dauerhafte Medikation benötigen, die in Nigeria von den Betroffenen selbst zu finanzieren ist. Wie aber bereits ausgeführt, ist der Lebensunterhalt der Familie zum einen durch dem Kläger zu 1 noch mögliche Erwerbstätigkeiten, auch durch Mithilfe der Klägerin zu 2 und zum anderen aufgrund des umfangreichen sozialen Beziehungsgeflechts mit entsprechenden Unterstützungsmöglichkeiten gesichert. Damit ist mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Kläger zu 1 und 2 mit Hilfe der Großfamilie die insbesondere für die Klägerin zu 2 und die Klägerin zu 4 erforderlichen Medikamente finanzieren können.

In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass es den Klägern, die nach erfolglosem Abschluss ihres ersten Asylverfahrens und erfolglosem Abschluss ihres Asylfolgeverfahrens vollziehbar ausreisepflichtig sind, zumutbar ist, sich „gesetzestreu“ zu verhalten und freiwillig auszureisen und damit die für den Fall einer freiwilligen Rückkehr geleisteten Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch zu nehmen, um dadurch ihre finanzielle Situation gerade in der Anfangszeit nach ihrer Rückkehr nach Nigeria zu verbessern. So gibt es z.B. Starthilfe nach dem von Bund und Ländern finanzierten REAG/GARP-Programm, für die Kläger insgesamt 1.750 EUR (500 EUR pro Erwachsener, 250 EUR pro Kind unter 12 Jahren). Hinzu kommen die kumulativ zur Verfügung stehenden Reintegrationsleistungen nach dem Europäischen Reintegrationsprogramm „ERIN“, die u.a. auch eine Bevorratung mit den erforderlichen Medikamenten umfassen. Auf diese Programme wurden die Kläger auch mit Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheids hingewiesen (vgl. Bl. 118 bis 122 BA).

Nach allem war die Klage abzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.