vorgehend
Verwaltungsgericht München, M 11 K 17.38333, 06.09.2017

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. September 2017 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung des subsidiären Schutzstatus, hilfsweise eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG.

Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge somalischer Staatsangehöriger muslimisch-sunnitischen Glaubens, zugehörig zum Clan der Sheikhal, reiste nach Aktenlage am 4. Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 10. Mai 2016 einen Asylantrag. Nachdem der Kläger bei dem Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats am 10. Mai 2016 angegeben hatte, über Italien und die Schweiz nach Deutschland eingereist zu sein und in der Schweiz am 5. Mai 2015 einen Asylantrag gestellt zu haben, sowie nachdem für den Kläger ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für die Schweiz festgestellt worden war, stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 8. Juli 2016 ein Übernahmeersuchen nach Dublin-III-Verordnung an die Schweiz. Diese antwortete am 12. Juli 2016 dahingehend, dass die Schweiz ein Übernahmeersuchen an Italien gestellt habe, das Italien stillschweigend akzeptiert habe. Am 11. Dezember 2015 sei die Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängert worden, da der Kläger verschwunden sei. Daher sei Italien zuständig. Daraufhin teilte das Bundesamt der zuständigen Ausländerbehörde mit Schreiben vom 29. Juli 2016 mit, dass die Entscheidung im nationalen Verfahren ergehe.

Bei seiner Anhörung am 13. Dezember 2016 in München gab der Kläger an, zuletzt im Dorf Harcadey in der Nähe der Stadt Beled Weyne gewohnt zu haben. Er habe dort mit seiner Ehefrau, seinen Eltern und seinen Geschwistern gelebt. Seine Mutter sei bereits verstorben, sein Vater lebe noch dort. Sein Bruder sei verheiratet und lebe mit seiner Frau in Harcadey. Seine Schwestern A* …, H* … und B* … lebten ebenfalls noch dort. Seine Schwester J* … lebe mit ihrem Mann in Beled Weyne. Seine Schwester R* … lebe mit ihrer Familie in Saudi Arabien. Seine Schwester Seynab und ihre Familie lebten in Burfiiq, das sei in der Nähe von Harcadey. Somalia habe er am 26. Oktober 2014 verlassen, in Deutschland sei er am 4. Oktober 2015 eingereist. Für seine Flucht habe er 3.500,00 US-Dollar bezahlen müssen, für die die Familie ein Grundstück verkauft und ihm später das Geld geschickt habe. Er habe vier Jahre lang die Schule besucht und dann ihr Land bewirtschaftet.

Sein Asylantrag in der Schweiz sei abgelehnt worden. Er habe eine Frist von fünf Tagen gehabt, in denen er entweder das Land verlassen oder einen Rechtsanwalt hätte finden müssen. Da er keinen Anwalt gefunden habe, sei er ausgereist und habe den Bescheid in seiner Unterkunft in der Schweiz liegen gelassen.

Zu den Gründen seiner Ausreise gab er an, dass er mit seiner Familie in seinem Dorf Landwirtschaft betrieben habe. Das Dorf sei unter dem Einflussbereich der al Shabaab gewesen. Diese habe bei den Dorfbewohnern die Saka (Kopfgeld) eingetrieben. Es sei verboten gewesen Musik zu hören, zu feiern oder sich Kinofilme anzusehen. Eines Tages, als er gerade auf dem Feld beschäftigt gewesen sei, seien Angehörige der al Shabaab zu ihm gekommen und hätten ihm vorgeworfen, dass er ein Verräter sei. Er sei geschlagen worden und man habe ihm die Augen verbunden. In einem Auto sei er zu einem Lager der Miliz gefahren worden. Er sei dort zwei Tage gewesen, in denen er gefoltert und misshandelt worden sei. Dann habe es ein Gefecht zwischen der al Shabaab und äthiopischen Soldaten gegeben. Er sei aus der Gefangenschaft befreit und in dem Camp der äthiopischen Soldaten medizinisch behandelt worden. Seine Familie habe ihn dann abgeholt. Er habe nicht länger in seiner Heimat bleiben können, weil nachts die al Shabaab in seinem Dorf aktiv gewesen sei. Tagsüber hätten die äthiopischen Soldaten patrouilliert. Deshalb sei er von seiner Familie zu seiner Schwester nach Beled Weyne gebracht worden. Er habe sich einen Tag versteckt und am nächsten Tag das Land verlassen.

Auf Nachfrage erklärte der Kläger, dass er und seine Familie die Saka bezahlt hätten, ansonsten hätte man ihnen alles weggenommen. Entführt sei er ca. drei Tage vor seiner Flucht worden. Auf Nachfrage, was ihm die al Shabaab genau vorgeworfen habe, erklärte der Kläger, dass diese gegen die somalische Regierung kämpfe. Die meisten Leute in der Gegend seines Dorfes arbeiteten heimlich mit der al Shabaab zusammen. Jemand habe ihr erzählt, er hätte etwas mit der Regierung oder den äthiopischen Soldaten zu tun. Deshalb sei er als Verräter verfolgt worden. Auf Nachfrage, warum die al Shabaab ihn nicht getötet habe, erklärte der Kläger, dass die al Shabaab mache was sie wolle. Er wisse nicht, was mit ihm noch passiert wäre, wenn er nicht befreit worden wäre. Verhört worden sei er nicht. Es habe auch keine „Gerichtsverhandlung“ oder ähnliches gegeben. Auf die Bitte, genauer zu schildern, was nach seiner Ankunft im Lager der al Shabaab bis zur Befreiung durch die äthiopischen Soldaten passiert sei, erklärte der Kläger, dass seine Augen die ganze Zeit verbunden gewesen seien. Er habe also nicht genau sehen können, wo er sich befunden habe. Man habe ihn mit Eisenstangen, Stöcken und Gewehren geschlagen. Knochen seien durch die Schläge nicht gebrochen worden, er habe nur „Narben“ gehabt, die mittlerweile verheilt seien. Der äthiopische Arzt habe ihm keine Unterlagen bezüglich der Behandlung mitgegeben, er habe nur Salben aufgetragen bekommen. Auf die Frage, ob er in einem anderen Teil Somalias vor der al Shabaab in Sicherheit sei, erklärte der Kläger, dass die al Shabaab überall sei. Man erkenne sie nicht immer. Außerdem herrschten die einzelnen Clans in den jeweiligen Gebieten. Man könne nur dort leben, wo sich sein Clan aufhalte. Ansonsten werde einem kein Schutz oder Unterstützung gewährt. Seine Frau habe er mangels finanzieller Mittel nicht mitnehmen können. Als er in Libyen war, habe er das letzte Mal Kontakt zu ihr gehabt. Sie habe ihm erzählt, dass sie von der al Shabaab geschlagen worden sei und man immer noch nach ihm suchen würde. Auf die Frage, ob er unter Krankheiten leide, erklärte der Kläger, dass er Tuberkulose gehabt habe und noch Medikamente deswegen nehme.

In einem Vermerk vom 11. April 2017 hat das Bundesamt festgehalten, dass nach Auskunft der Dublin-Unit Schweiz vom 14. Juli 2016 der Kläger nach Stellung seines Asylantrags, noch bevor eine materielle Entscheidung ergangen sei, untergetaucht sei und das Verfahren somit in der Schweiz eingestellt worden sei. Daher sei kein Drittstaaten-Bescheid und Zweitantrag möglich.

Mit Bescheid vom 19. April 2017 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen 30 Tagen zu verlassen, andernfalls wurde ihm die Abschiebung, zuvorderst nach Somalia, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). In der Begründung des Bescheides wurde hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft und der Anerkennung als Asylberechtigter ausgeführt, dass eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die al Shabaab den Kläger unter dem Vorwurf, ein Verräter zu sein, zwei Tage lang gefoltert haben soll, ohne zu versuchen, Informationen von ihm zu bekommen. Zwei Tage Folter und Schläge mit den genannten Waffen hätten schwere Verletzungen hervorrufen müssen. Der Kläger wollte aber einen Tag nach seiner Befreiung bereits wieder so gesund gewesen sein, dass er innerhalb dieses Tages wieder nach Beled Weyne reisen, seine Flucht organisieren und fliehen habe können. Dies sei nicht vorstellbar. Dass er nicht genau habe angegeben können, wo er sich befunden habe, sei nicht plausibel, da davon auszugehen sei, dass die Soldaten ihn die Augenbinde bei der Befreiung sofort abgenommen hätten. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass er seine Frau mangels finanzieller Mittel nicht mitgenommen habe, da er eigenen Angaben zufolge über eine große Familie verfüge. Selbst bei Wahrunterstellung wäre der Kläger auf landesinternen Schutz zu verweisen. Er habe vorgetragen, dass er in Mogadischu zahlreiche Geschwister (Bruder und fünf Schwestern) sowie seinen Vater habe und dass seine Schwester J* … mit ihrem Mann in Beled Weyne lebe. Nach den Erkenntnissen des Bundesamts werde Beled Weyne nicht von der al Shabaab kontrolliert und gelte als sicher. Eine Rückkehr dorthin sei für junge arbeitsfähige Männer möglich. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Es drohten ihm bei einer Rückkehr nach Beled Weyne aufgrund der dortigen Situation keine erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt. Der Grad willkürlicher Gewalt dort erreiche nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau. Individuelle Gefahr erhöhende Umstände lägen in der Person des Klägers nicht vor. Auch Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Der Kläger habe keine stichhaltigen Ausführungen gemacht, die darauf schließen ließen, dass er bei einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wäre. Die Tatsache, dass er in der Lage gewesen sei, erhebliche Mittel für seine Ausreise aufzubringen, spreche gegen das Fehlen einer Unterstützung im Herkunftsland. Entweder verfüge er selbst über große finanzielle Mittel, oder Geldmittel seien von der Familie aufgebracht worden. Dass die Familienbande zwischenzeitlich zerrissen seien, sei nicht anzunehmen. Er sei jung und arbeitsfähig. Es sei zu erwarten, dass er Hilfe bei seiner Schwester in Beled Weyne erhalte und dass ihn auch die übrigen Verwandten unterstützten, wie sie es bei seiner Ausreise auch getan hätten. Eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege auch nicht aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung vor. Der Kläger habe angegeben an Tuberkulose zu leiden, habe hierfür aber keinerlei schriftliche oder sonstige Nachweise eingereicht. Vorgelegt sei lediglich eine vom Stationsarzt ausgefüllte Bescheinigung vom 6. September 2016 aus dem Klinikum Schwabing. Darin werde bestätigt, dass der Kläger sich in stationärer Behandlung befinde. Hinweise darauf, dass es sich dabei um eine Infektiologie-Station gehandelt habe, bestünden nicht. Selbst wenn der Kläger vor sieben Monaten tatsächlich an Tuberkulose gelitten haben sollte, sei es prinzipiell so, dass eine Tuberkulose als ausbehandelt gelte, wenn die Therapie über den vorhergehenden Zeitraum konsequent eingenommen worden sei und am Therapieende ein gebesserter Röntgenbefund und negative Sputum-Ergebnisse dokumentiert worden sei. Es sei dann anzunehmen, dass die Tuberkulose ausgeheilt und der Patient gesund sei. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf Bescheid verwiesen.

Auf die hiergegen vom Kläger erhobene Klage hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 6. September 2017, das ohne mündliche Verhandlung erging, den Bescheid des Bundesamts vom 19. April 2017 in den Nummern 3 bis 6 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Auf die Begründung des Urteils wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Berufung. Zur Begründung führt sie aus, dass die Klage mit dem vorrangigen Ziel der Feststellung des subsidiären Schutzes keinen Erfolg haben könne. Die Voraussetzungen für diese Schutzzuerkennung ließen sich in tatsächlicher Hinsicht nicht feststellen. Anhaltspunkte für § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG seien nicht erkennbar. Ebenso fehle es an einer Grundlage für einen Anspruch nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Zwar werde die Sicherheits- und Versorgungslage nach wie vor als fragil beschrieben, aber unabhängig davon, ob und in welchen Teilen des Landes gegenwärtig von einem bewaffneten Konflikt auszugehen wäre, erreiche dessen Intensität jedenfalls in Bezug auf das hier in den Blick zu nehmende Herkunftsgebiet nicht den besonders hohen Grad, der feststellbar sein müsste, um eine konkrete individuelle Bedrohung jeder Zivilperson bereits infolge des Aufenthalts in Somalia bejahen zu können. Gefahrerhöhende Faktoren seien nicht erkennbar. Auch die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot bestünden nicht. Nach der Bewertung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gemäß dessen Urteil vom 23. März 2017 (Az. 20 B 15.30110) ergebe sich kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG aus der unzureichenden Versorgungslage in Somalia. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 26) sei dabei auf Mogadischu abzustellen, weil dort die Abschiebung ende. Die Hauptstadt könne mit Linienflügen direkt angeflogen werden, ohne dass die Gefahr bestehe, in einem anderen, weniger sicheren Landesteil Somalias landen oder diesen durchreisen zu müssen. Die allgemein schlechte Versorgungslage in Somalia begründe auch kein generelles Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Insoweit handele es sich um Gefährdungslagen, die zugleich im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG der dortigen Bevölkerung allgemein drohten. Sie könnten daher nur im Falle einer Schutzlücke die Überwindung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen, wofür keine Anhaltspunkte bestünden. Gründe, die zu einer Rechtswidrigkeit der verfügten Abschiebungsandrohung oder der Wiedereinreisesperrfrist führen könnten, seien nicht aufgezeigt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Der klägerische Vortrag müsse die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach sich ziehen. Auf jeden Fall müsse das Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festgestellt werden. Die derzeitige Versorgungslage in Somalia halte seit über zwei Jahren an und es sei nicht abzusehen, dass sich dies bessern könne.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Akten des Bundesamts und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2018 verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand ist die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG), hilfsweise auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, § 60 Abs. 7 AufenthG). Der Hilfsantrag auf Feststellung eines Abschiebungsverbots wurde im Tatbestand des verwaltungsgerichtlichen Urteils zwar versehentlich nicht erwähnt, wurde aber ausweislich der verwaltungsgerichtlichen Akte im erstinstanzlichen Verfahren eindeutig gestellt. Mit der Zulassung der Berufung ist er im Berufungsverfahren mit angewachsen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, weil die Voraussetzungen des § 4 AsylG nicht vorliegen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gelten als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Das Land hat zwar den Zustand eines „failed state“ überwunden, bleibt aber ein sehr fragiler Staat. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- bzw. Zentralsomalia mit der Hauptstadt Mogadischu kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die al Shabaab-Miliz. Die Gebiete befinden sich teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon seit längerer Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die al Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die al Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 7. März 2018 – Stand: Januar 2018, S. 4 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia – vom 12. Januar 2018, S. 12 ff. und Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 12. Oktober 2015, S. 32; siehe auch EGMR, U.v. 10.9.2015 – Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] – NVwZ 2016, 1785; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] – Rn. 87 ff.; BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris und U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29).

a) Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG in Gestalt der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe durch den somalischen Staat (Kluth in Beck-OK AuslR, § 4 AsylG, Rn. 9) droht, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, weil er eine ihm drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch die al Shabaab bei einer Rückkehr nach Somalia nicht glaubhaft gemacht hat. So ist es, wie das Bundesamt im Bescheid ausgeführt hat, nicht nachvollziehbar, warum die al Shabaab dem Kläger unter dem Vorwurf, ein Verräter zu sein, zwei Tage lang gefoltert haben soll, ohne zu versuchen, Informationen von ihm zu bekommen, z.B. welche Informationen er weitergegeben habe und an wen. Hierzu gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung erneut an, dass seine Bewacher keine Informationen von ihm haben wollten. Sie hätten ihm nur gesagt, dass er ein Verräter sei und dass er hier sterben werde. Hinzu kommt noch, dass der Kläger keinerlei nachvollziehbare Erklärung dafür angeben konnte, warum er von der al Shabaab des Verrats bezichtigt worden sei. Auch auf die mehrmalige Nachfrage des Senats gab er lediglich an, dass es Leute gebe, die für die al Shabaab arbeiteten und diese hätten ihn beschuldigt, für die Regierung zu arbeiten. Warum ausgerechnet er beschuldigt worden sei, dafür hatte er keinerlei Erklärung. Daneben war dies für ihn offenbar auch nicht wichtig, da er auf Nachfrage durch den Senat angab, während seiner zweitägigen Gefangenschaft nicht versucht zu haben, herauszufinden, was ihm vorgeworfen werde. Dies mag vielleicht bei einer Gefangenschaft von mehreren Stunden aufgrund des anfänglichen Schocks nachvollziehbar sei. Bei einer mehrtägigen Gefangenschaft und mehrmaligen Schlagens durch die Bewacher mit Eisenstangen und Stöcken, wie vom Kläger angegeben, leuchtet es aber nicht mehr ein, dass der Gefangene keinen Versuch unternimmt, zu erfahren, was ihm vorgeworfen wird, um seine Bewacher dann von der Unrichtigkeit dieser Vorwürfe zu überzeugen oder hierfür zumindest einen Versuch zu unternehmen. Dagegen, dass der Kläger das vorgetragene Geschehen selbst erlebt hat, spricht auch, dass er nach seinen Angaben dreimal täglich mit Gewehrkolben oder Stöcken geschlagen worden sei, aber bereits einen Tag nach seiner Befreiung wieder soweit genesen sei, dass er das Land habe verlassen können. Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger erkannt haben will, womit er geschlagen worden sei, obwohl er auch auf Nachfrage dabei blieb, dass er während der gesamten Gefangenschaft die Augen verbunden gehabt habe. Diese Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten im Vortrag des Klägers verdeutlichen anschaulich, dass es sich bei seinem Vorbringen nicht um tatsächlich Erlebtes, sondern um Erfundenes handelt. Ergänzend wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen, deren Erwägungen der Senat teilt.

Dem Kläger droht auch kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG aufgrund dessen, dass er nach einer langjährigen Abwesenheit wieder in sein Heimatdorf, das in dem von der al Shabaab kontrollierten Gebiet Somalias liegt, zurückkehrt. Zwar geht der Senat davon aus, dass das Heimatdorf des Klägers Harcadey bzw. Har Ade (nach der Schreibweise des Dolmetschers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat) in dem von der al Shabaab kontrollierten Gebiet liegt. Der Kläger gab nämlich, befragt nach der Lage seines Heimatortes in der mündlichen Verhandlung an, dass es von Beled Weyne aus in Richtung Äthiopien, also nördlich, liege. Der Fluss Shabelle liege ca. einen Kilometer entfernt. Auf der Somaliakarte der Internetseite Liveuamap (https://Somalia.liveuamap.com/) lässt sich nördlich von Beled Weyne ein Ort namens „Haar Caddey“, westlich des Shabelle gelegen, ausmachen, bei dem es sich nach der Überzeugung des Senats um den Heimatort des Klägers handeln dürfte. Nach dem Bericht der EASO zur Sicherheitssituation in Somalia vom Dezember 2017 sind die westlichen Teile der Provinz Hiraan al Shabaab-Gebiet, und zwar der Bereich westlich der Hauptdurchgangsstraße ebenso wie der Bereich zwischen Maxaas und Adan Yabaal. Im Norden erstreckt sich das Gebiet der al Shabaab bis zur Straße zwischen Beled Weyne und Dhuusamarreeb (EASO, Somalia Security Situation, Dezember 2017, S. 98; ebenso der Bericht zur Österreichisch-Schweizerischen Factfinding Mission zur Sicherheitslage in Somalia, August 2017, S. 79). Auf diese Straße und die Gebiete nördlich davon hat die al Shabaab jedoch keinen Zugriff (FFM-Bericht, August 2017, S. 79). Auch wenn diese Angaben vergleichsweise ungenau sind, decken sie sich mit den insoweit glaubwürdigen Angaben des Klägers zu den Herrschaftsverhältnissen in seinem Heimatort, weshalb der Senat zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass sein Herkunftsort im Gebiet der al Shabaab liegt. Dies führt für sich genommen jedoch nicht zu einer Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Denn die Tatsache, dass man sich in einem westlichen Land aufgehalten hat ist für sich selbst bei einer Begegnung mit der al Shabaab unproblematisch. Dagegen wird westliches Verhalten und Kleidung von der al Shabaab durchaus sanktioniert (Land Info, Report v. 4.4.2016, „Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in southern Somalia”, S. 10; Danish Refugee Council/Danish Immigration Service, “South and Central Somalia: Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups”, März 2017, S. 24). Daher wäre der Kläger bei einer Rückkehr in seinen Heimatort mit ziemlicher Sicherheit einer Befragung durch die al Shabaab ausgesetzt und einem gewissen Anpassungsdruck, sich an die von der al Shabaab festgelegten Regeln und Verhaltensvorschriften zu halten. Dies ist ihm jedoch möglich, zumal er bereits vor seiner Ausreise aus Somalia unter der Herrschaft der al Shabaab gelebt hat. Eine drohende unmenschliche Behandlung kann daraus aber nicht abgeleitet werden.

Eine unzureichende Versorgungslage im Herkunftsland vermag bereits aus Rechtsgründen die Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG nicht zu begründen (anders insoweit OVG Niedersachsen, U.v. 5.12.2017 - 4 LB 50/16 – juris Rn. 55, 60-67), sondern kann allenfalls im Rahmen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 EMRK i.V.m. Art. 3 EMRK berücksichtigt werden (siehe unten). Denn nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten für den subsidiären Schutz die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit muss für die Zuerkennung subsidiären Schutzes die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung von einem Akteur im Sinne von § 3c AsylG ausgehen (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2017 – 20 ZB 17.30875 – juris Rn. 14). Die Versorgungslage in der Provinz Hiraan kann jedoch nicht auf einen solchen Akteur zurückgeführt werden. Sie ist vielmehr Ausdruck verschiedener Faktoren, zu denen u.a. die unsichere Lage und die langjährige Trockenheit gehören.

c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji]; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12, LS 1 und Rn. 13/14; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29). Im Falle des Klägers ist dies die Provinz Hiraan, da er sich dort vor seiner Ausreise aufgehalten hat.

In dieser Region Somalias herrscht im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Dieser Begriff ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Januar 2014 (C-285/12 – NVwZ 2014, 573) zu der dem § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zugrundeliegenden Bestimmung des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EG Nr. L304, S. 19) dahingehend auszulegen, dass ein solcher Konflikt vorliegt, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinander treffen (EuGH, Urteil v. 30.1.2014, a.a.O., LS 1 u. Rn. 28). Dafür, dass ein derartiger Konflikt angenommen werden kann, kommt es weder auf einen bestimmten Organisationsgrad der beteiligten bewaffneten Streitkräfte noch auf eine bestimmte Dauer des Konflikts an. Insbesondere ist für die Annahme eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts auch keine besondere Intensität des Konflikts notwendig (EuGH, Urteil v. 30.1.2014, a.a.O. Rn. 32 u. 34), da die Intensität nur bei der Frage zu berücksichtigen ist, ob der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass er auch zu einer Gefährdung im Sinne des Art. 15 der Richtlinie führt.

Nach diesen Maßstäben liegt in der Heimatregion des Klägers ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor. Nach dem bereits erwähnten EASO-Bericht zur Sicherheitslage in Somalia vom Dezember 2017 (dort S. 98) sind die Hauptakteure im bewaffneten Konflikt in der Provinz Hiraan die Somalische Nationale Armee (SNA), die Streitkräfte der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM), die Äthiopischen Streitkräfte (ENDF) und die al Shabaab sowie eine unbekannte Zahl von Clanmilizen (ebenso BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia, Stand 12. Januar 2018, S. 36).

Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 17.11.2010 – 10 C 13.10 – juris Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji] – juris Rn. 35, 39; U.v. 30.1.2014 – C-285/12 [Diakité] – juris Rn. 30; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 32; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 19).

Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die dort von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen verübt werden, notwendig (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.; U.v. 17.11.2011 – 10 C 11/10 – juris Rn. 20 f. [Risiko von 1:1000]).

Gemessen an den vorgenannten Kriterien fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr in sein Heimatdorf in der Provinz Hiraan.

Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einen besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, liegen in der Person des Klägers nicht vor. Diese ergeben sich zum einen nicht aus dem Vortrag des Klägers, dass er bereits in der Vergangenheit in den Fokus der al Shabaab geraten sei, da dieser Vortrag, wie bereits oben dargestellt wurde, nach der Einschätzung des Senats nicht glaubwürdig ist.

Ein Gefahr erhöhender Umstand kann auch nicht auf der vom Kläger behaupteten Zugehörigkeit zum Clan der Sheikhal abgeleitet werden. Insoweit ist einerseits zu berücksichtigen, dass die in der Heimat des Klägers herrschende al Shabaab sich vom Clansystem distanziert und teilweise gezielt von diesem benachteiligte Gruppen unterstützt (Schweizer Staatssekretariat für Migration, Focus Somalia – Clans und Minderheiten, 31. Mai 2017, S. 38; EASO Länderüberblick Süd- und Zentralsomalia, August 2014, S. 97). Als Sheikhal werden in Somalia Bevölkerungsgruppen bezeichnet, die traditionell einen gewissen religiösen Status innehaben. Sie führen ihre Abstammung auf einen gemeinsamen Vorfahren namens Sheikh Faqi Omar zurück, der durch Somalia reiste und Frauen in allen Gegenden heiratete (ACCORD, Clans in Somalia, Vortrag v. Dr. Joakim Gundel, Dezember 2009, S. 21). Traditionell haben ihre Mitglieder die Stellung eines Sheikhs oder Qadis (Richter), wobei heute viele in säkularen Berufen tätig sind. Ihre Einordnung ist nicht ganz klar: So werden je nach Quelle als eine Minderheit, als mit den Hawiye assoziiert, als Clan der Hawiye oder gar als eine eigenständige Clanfamilie bezeichnet (BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Minderheiten in Somalia, Juli 2010, S. 12). Vielen Mitgliedern des Clans ist es gelungen, insbesondere im Raum Mogadischu Einfluss auf das Bildungswesen zu bekommen. Manche Sheikhal-Gruppen sind so gut in die Hawiye-Clanfamilie integriert, dass sie Hawiye-Sitze im somalischen Parlament einnehmen (ACCORD, Clans in Somalia, S. 21). Die Stellung der Sheikhal in der somalischen Gesellschaft unterscheidet sich daher erheblich z.B. von der der allgemein gering geschätzten Handwerkerkasten wie den Tumal (vgl. zu dem Einzelfall eines gefahrerhöhenden Umstands aufgrund der Zugehörigkeit zum Clan der Tumal und der Tatsache, dass der dortige Kläger bereits in den Fokus der al Shabaab geraten war BayVGH, U.v. 07.04.2016 - 20 B 14.30101 – juris Rn. 28-30). Eine gesteigerte Gefahr, als Mitglied der Zivilbevölkerung Opfer willkürlicher Gewalt im Rahmen von Auseinandersetzungen zwischen der al Shabaab und der Somalischen Armee/AMISOM bzw. zwischen verfeindeten Clans zu werden ist aufgrund der Zugehörigkeit zu dem Clan der Sheikhal in der Herkunftsregion des Klägers nicht erkennbar. Andere Gefahr erhöhende Umstände wurden weder vorgebracht noch sind sie ersichtlich.

Auch die allgemeine Lage ist nicht so gefährlich, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen bei jeder Zivilperson individualisiert. Die dafür erforderliche Gefahrendichte ist in der Provinz Hiraan nicht gegeben. Die Provinz hat nach einer Schätzung der UN und lokaler Behörden ca. 520.685 Einwohner (EASO, Security Situation Report, Dezember 2017, S. 89). Die verfügbaren Zahlen über die zivilen Opfer des bewaffneten innerstaatlichen Konflikts unterscheiden sich im Einzelnen erheblich. So stellt die von ACCORD am 18. Juni 2018 vorgenommene Auswertung der für das Jahr 2017 in der Datenbank des Armed Conflict Location and Event Data Project (ACLED) erfassten Vorfälle für die Provinz Hiraan 2017 insgesamt 225 Vorfälle mit insgesamt 364 Toten. Nicht erfasst werden dabei allerdings die Verletzten. Daneben differenziert ACLED auch nicht zwischen getöteten Zivilpersonen und getöteten Bewaffneten. Schließlich weist ACLED selbst darauf hin, dass ein Großteil der gesammelten Daten auf öffentlich zugänglichen Sekundärquellen basiert und die Daten daher das Ausmaß an Vorfällen untererfassen können. Es existiert also nach den ACLED-Zahlen eine nicht genau abschätzbare Dunkelziffer. Die Zusammenstellung vom 25. Juni 2018 für das erste Quartal 2018 gelangt demgegenüber bei 42 Vorfällen in der Provinz Hiraan zu sogar 222 Todesopfern. Inwiefern es sich dabei um Zivilpersonen und/oder Bewaffnete handelte, ist wiederum unklar. Demgegenüber kommen UNHCR und UNSOM in ihrer Aufstellung vom 10. Dezember 2017 „Protection of Civilians in Somalia 2016 – 2017“ für den aus den Provinzen Hiraan und Middle Shabelle neu gebildeten Bundestaat HirShabelle im Zeitraum 1. Januar 2016 bis 14. Oktober 2017 auf (nur) 269 Tote und verletzte Zivilpersonen. Im Unterschied zu den Zahlen von ACLED erfassen die Zahlen von UNHCR/UNSOM also lediglich die im bewaffneten Konflikt getöteten oder verletzten Zivilpersonen (unter Nichtberücksichtigung bewaffneter Opfer). Rechnet man diese Zahl angesichts des ein Jahr überschreitenden Erfassungszeitraums auf ein Jahr um, verbleiben noch 150 getötete und verletzte Zivilpersonen. Umgerechnet auf die Bevölkerung des Bundesstaats HirShabelle (520.685 Einwohner in Hiraan, 516.035 Einwohner in Middle Shabelle laut EASO, Somalia Security Situation, Dezember 2017, S. 98 u. 100), so ergibt sich ein Verletzungs- bzw. Tötungsrisiko im bewaffneten innerstaatlichen Konflikt für Zivilpersonen von 1:6.911. Auch wenn man insoweit bedenkt, dass die von UNHCR/UNSOM bekanntgegebenen Zahlen aufgrund der Verhältnisse in Somalia, insbesondere der schlechten Auskunftslage hinsichtlich der unter der Herrschaft der al Shabaab stehenden Landstriche, eine erhebliche Dunkelziffer beinhalten dürften, ist das Risiko, im bewaffneten innerstaatlichen Konflikt als Zivilperson getötet oder verletzt zu werden, jedenfalls noch weit entfernt von der relevanten Schwelle.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, weil es auch dafür an den Voraussetzungen fehlt.

a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich hier nicht aus der nach den eingeführten Erkenntnismitteln unzureichenden Versorgungslage in Somalia. Einschlägig ist hier das Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 3 EMRK. Denn die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann dessen Verantwortlichkeit auch dann begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 12.1.2016 – Nr. 13442/08 [A.G.R./Niederlande] – NVwZ 2017, 293; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11 [K.A.B./Schweden] – Rn. 68; U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06 [Saadi/Italien] – NVwZ 2008, 1330 Rn. 125; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 m.w.N.). Allerdings folgt aus der EMRK kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 – Nr. 26565/05 [N./Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris Rn. 17 f.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 26) ist unter Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR (Urteil v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2012, 681) für die Prüfung grundsätzlich auf den gesamten Zielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet. Dies ist vorliegend Mogadischu, da die Abschiebung dort aller Voraussicht nach enden würde, weil die Hauptstadt mit Linienflügen direkt angeflogen werden kann (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia v. 7.3.2018 – Stand Januar 2018 – S. 21). Der EGMR hat jedoch darüber hinaus ausgeführt, dass die Prüfung hinsichtlich Mogadischus als Endpunkt der Abschiebung nicht ausreiche, da das Ausgangsgericht ausgeführt habe, dass die Möglichkeit bestehe, in ein sicheres Gebiet Somalias zu gehen (EGMR, U.v. 28.6.2011, a.a.O. Rn. 265). Daher sei zunächst zu prüfen, ob für den Betreffenden die Gefahr von Misshandlungen auf der Durchreise oder bei der Ansiedlung in einem anderen Teil Somalias bestehen würde (EGMR a.a.O., Rn. 267). Daher hat im Ergebnis die Prüfung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten der Wohnsitznahme in Somalia zu erfolgen. Vorrang hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Prüfung, ob eine derartige Gefahr bei einer Niederlassung am Endpunkt der Abschiebung, also in Mogadischu, besteht. Anschließend ist zu prüfen, ob eine Niederlassung des Klägers an seinem Herkunftsort möglich ist und ob er diesen zumutbar erreichen kann. Schließlich wäre noch zu prüfen, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative an einem anderen Ort in Somalia bzw. deren Erreichbarkeit vorliegt.

Der Kläger selbst stammt nicht aus Mogadischu und hat auch keine verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen dort hin. Soweit im Bundesamtsbescheid vom 19. April 2017 ausgeführt wurde, dass er vorgetragen habe, in Mogadischu zahlreiche Geschwister sowie seinen Vater zu haben, handelt es sich wohl um ein Versehen, jedenfalls ist die Angabe falsch. Denn der Kläger hat in seiner Anhörung keine entsprechende Angabe gemacht und tatsächlich ausgeführt, dass sein Vater und der Großteil seiner Schwestern in bzw. in der Nähe seines Heimatortes lebten. Auch seine Ausreise ist nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht über Mogadischu erfolgt. Damit ergeben sich weder aus der Behördenakte noch aus den gerichtlichen Verfahren Anhaltspunkte für Verbindungen des Klägers nach Mogadischu.

Nach der Auskunftslage sind die Möglichkeiten von Personen ohne verwandtschaftliche oder Clanverbindungen nach Mogadischu, dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sehr begrenzt. Das Norwegische Landinfo führt in seinem “Report: Relevant social and economic conditions upon return to Mogadishu” vom 1. April 2016 aus, dass Haupteinnahmequelle der Bevölkerung Mogadischus die Arbeit als Tagelöhner sei, daneben würden aber auch Hilfeleistungen von Hilfsorganisationen und Überweisungen aus dem Ausland bezogen (S. 10). Arbeitgeber würden freie Stellen nicht inserieren, sondern vergäben die Jobs an Personen, die ihnen durch Familie, Clanmitgliedschaft oder Bekanntschaft als vertrauenswürdig erschienen (S. 13). Tagelöhner fänden sich auf dem Bakara-Markt ein (S. 13). Ein ungelernter Arbeiter könne mit körperlicher Arbeit normalerweise 200 US-Dollar im Monat verdienen. Nach der Einschätzung eines Mitarbeiters der Internationalen Organisation für Migration (IOM) reichen 400 US-Dollar im Monat für Miete und Ernährung einer vierköpfigen Familie in Mogadischu aus (S. 14). Auch die Vermieter würden nach dem Vertrauensprinzip vermieten. Daher lebten die meisten Leute da, wo ihre Familie bzw. ihr Clan lebe (S. 17). Das Österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) führt in seiner Staatendokumentation Somalia (Stand: 12. Januar 2018, S. 118 ff.) aus, dass angenommen werden könne, dass es in Mogadischu mehr Arbeitsmöglichkeiten gebe als an anderen Orten. Die steigende Nachfrage nach Hilfsarbeitern habe dazu geführt, dass auch Leute von außerhalb nach Mogadischu kämen, so dass unqualifizierte Arbeitskräfte zahlreich verfügbar seien (S. 119). Bei der Vergabe von Jobs würden Clan und Verwandtschaft bevorzugt (S. 119). Der Bericht zur Österreichisch-Schweizerischen Fact-Finding-Mission zur Sicherheitslage in Somalia vom August 2017 führt zur Versorgung von Rückkehrern aus, dass die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge und Rückkehrer limitiert seien (S. 128). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration sei von Clanzugehörigkeit und den lokalen Beziehungen der jeweiligen Person abhängig (S. 113). Das Norwegische Landinfo gibt in einer Anfrage-Beantwortung vom 11. November 2016 (Somalia: The Settlements in Mogadishu, S. 3) an, dass der entscheidende Faktor für die Frage, ob jemand in einem „Settlement“ ende, sei, ob er die Mittel habe, außerhalb von ihnen eine Unterkunft zu finanzieren. In der Gesamtschau ist daher festzustellen, dass der Kläger vermutlich mangels Verbindungen und einer ihn aus der Masse der ungelernten Arbeitskräfte heraushebenden Ausbildung allenfalls als Tagelöhner würde arbeiten können. Eine Wohnsitznahme außerhalb eines „Settlements“ wird ihm mangels persönlicher Verbindungen und als Angehörigen eines Minderheitenclans wohl nicht möglich sein. Ob ihm in Mogadischu als Tagelöhner ein Überleben möglich wäre, ohne der Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung ausgesetzt zu sein, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, da ihm eine Wohnsitznahme in seiner Herkunftsregion möglich ist.

Diese ist für ihn von Mogadischu, dem voraussichtlichen Endpunkt einer etwaigen Abschiebung, aus erreichbar. Der EASO-Bericht zur Sicherheitssituation vom Dezember 2017 führt aus, dass die Straße zwischen Mogadischu und Beled Weyne zum Teil von der al Shabaab kontrolliert wird. Es bestehe grundsätzlich die Gefahr von Checkpoints und von dort die Gefahr, in den Verdacht zu geraten, zur gegnerischen Partei zu gehören (S. 55). Allerdings hält der gleiche Bericht auch fest, dass der zivile Verkehr das Gebiet der al Shabaab passieren könne (S. 97). Das Norwegische Landinfo führt in seinem Bericht vom 4. April 2016 (Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in southern Somalia) aus, dass täglich von Mogadischu aus vollbeladene Busse verschiedene Ziele in Südsomalia ansteuern, was den Eindruck erwecke, dass die Leute trotz der Sicherheitsprobleme reisen (S. 5). Das Risiko bei den Reisen komme hauptsächlich von Bewaffneten an den Checkpoints der verschiedenen Parteien (S. 8). Die al Shabaab verhindere das Reisen von Zivilpersonen nicht. In manchen Fällen müssten die Fahrer Gebühren an die al Shabaab zahlen, um durch deren Gebiet fahren zu dürfen (S. 10). Im westlichen Ausland gewesen zu sein, sei für sich genommen kein Problem für die al Shabaab, zumal viele Mitglieder der al Shabaab selbst einen Hintergrund oder eine Familie in westlichen Ländern haben. Allerdings werde westliche Verhaltensweise und Kleidung (z.B. ein in die Hose gestecktes Hemd) durch die al Shabaab sanktioniert (S. 10). Das mit einer Reise verbundene Risiko könne im Einzelfall durch spezielle Maßnahmen reduziert werden (S. 12). Daneben ist auch eine Reise mit dem Flugzeug von Mogadischu nach Beled Weyne möglich, die rund eine Stunde dauere und 115 US-Dollar koste (S. 13). Nach dieser Auskunftslage bestehen keine Bedenken, dass es dem Kläger tatsächlich möglich ist, von Mogadischu aus Beled Weyne und weiter sein Heimatdorf Har Ade (oder Harcadey) zu erreichen (ebenso OVG Niedersachsen, U.v. 5.12.2017 - 4 LB 50/16 – juris Rn. 68).

Dort droht ihm nicht die Gefahr einer menschenunwürdigen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Versorgungslage. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, liegt sein Heimatort ca. einen Kilometer vom Flusstal des Shabelle entfernt. Die Gegend ist zwar von den starken Regenfällen der Gu-Regenzeit im Frühjahr 2018 stark betroffen (vgl. UN-OCHA, Flash Updates #3 – 6), nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist sein Dorf jedoch nicht überschwemmt worden. Auch wenn Teile der Ernte durch die Regenfälle vernichtet sein mögen, wird aufgrund der großen Regenfälle nun erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln mittelfristig verbessern wird. Die Bedingungen sind insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte gerechnet werden kann (BFA Staatendokumentation – Somaliland v. 12.1.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 3.5.2018, S. 5 ff. m.w.N.). Damit ist eine ausreichende Versorgung des Klägers in seinem Heimatort gewährleistet. Bestätigt wird diese Einschätzung dadurch, dass die sonst in Beled Weyne lebende Schwester des Klägers mit ihrem Mann nach dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in ihrem Heimatort gezogen ist und auch Familien von der anderen Seite des Shabelle in den Heimatort des Klägers geflüchtet sind.

b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die insoweit bestehende Sperrwirkung nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung überwunden werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, Urteil v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 32 m.w.N.). Eine solche Schutzlücke besteht im Hinblick auf die in Somalia den Kläger erwartenden Lebensbedingungen aus den oben zu § 60 Abs. 5 AufenthG dargestellten Gründen nicht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger bei seiner Anhörung angesprochenen Tuberkulose. Diese wurde einerseits im gerichtlichen Verfahren vom Kläger nicht weiter geltend gemacht. Darüber hinaus wurde im Bundesamtsbescheid vom 19. April 2017 überzeugend darauf eingegangen, weshalb sich der Senat die diesbezüglichen Ausführungen zu Eigen macht und gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung absieht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 132 VwGO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

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(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 11. Jan. 2019 - W 10 K 18.30994

bei uns veröffentlicht am 11.01.2019

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der Kläger begehrt die Feststellung eines nationalen Abschiebungs

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2019 - 8 ZB 19.32052

bei uns veröffentlicht am 10.07.2019

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gründe Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. 1. Der geltend

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 22. März 2019 - W 10 K 17.33732

bei uns veröffentlicht am 22.03.2019

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der Kläger begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter sowie die

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. September 2014 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung, dem Kläger subsidiären Schutz zuzuerkennen.

Der Kläger, nach eigenen Angaben ein am 5. Oktober 1994 in Mogadischu geborener somalischer Staatsangehöriger, reiste am 12. August 2012 in das Bundesgebiet ein und stellte hier am 12. September 2012 einen Asylantrag.

In der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 22. Mai 2013 gab der Kläger im Wesentlichen an, er gehöre dem Clan Abgal, Sub-Clan Wacaysleh an. Seine Religion sei der Islam. Seine letzte Anschrift im Herkunftsland sei Mogadischu gewesen, Stadtteil M* … Straße J* … Dort habe er bis zu seiner Ausreise gelebt. In Mogadischu lebten noch seine Mutter und seine Großmutter mütterlicherseits. Er habe keine Geschwister, sein Vater sei im Jahr 2010 verstorben. Er habe in Somalia 8 Jahre lang die Schule besucht und danach an einem Stand auf dem Markt Fleisch verkauft. Er habe keinen Wehrdienst geleistet.

Am 1. November 2011 habe er Mogadischu verlassen und sei 6 Tage lang mit verschiedenen PKWs nach Addis Abeba (Äthiopien) gefahren. Dort habe er sich 9 Monate lang aufgehalten. Während dieser Zeit habe er seine nach religiösem Ritus getraute Ehefrau kennengelernt. Da er nach der Heirat nach Deutschland weitergereist sei, sei seine Frau zu ihrer Schwester nach Nairobi in Kenia gegangen, nach dem Tod der Schwester jedoch in ihre Heimatstadt G* … zurückgekehrt. Dort sei am 18. Mai 2013 auch der gemeinsame Sohn geboren worden, der bei der Ehefrau des Klägers lebe. Von Addis Abeba sei der Kläger direkt nach Frankfurt am Main geflogen. Ein somalischer Mann habe ihn als sein Kind ausgegeben und mitgenommen. Vom Flughafen aus sei er mit dem Zug nach München gefahren. Die Ausreise habe er mit 10 Millionen somalischer Schillinge bezahlt, die als Erlös aus dem Verkauf eines geerbten Grundstücks stammten.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Kläger an, sein Vater sei von einer Al-Shabaab-Miliz umgebracht worden, weil er sich geweigert habe, für sie zu kämpfen. Der Kläger habe dann den Job des Vaters auf dem Markt übernommen. Zu dieser Zeit hätten die Al-Shabaab-Milizen versucht, eine Menge junger Leute zu rekrutieren. Sie seien deshalb auch auf den Kläger zugekommen und hätten ihn gefragt, ob er mit ihnen kämpfen wolle. Weil er sich geweigert habe, seien sie wiederholt gekommen, hätten ihn beschimpft und bedroht. Seine Mutter habe ihm geraten, auf keinen Fall mitzugehen. Letztendlich hätten sie ihn dann mitgenommen und eingesperrt. Nach 3 Tagen habe ihm ein Junge mitgeteilt, dass er zum Tode verurteilt worden sei. Während der Gefangenschaft sei er geschlagen, beschimpft und schikaniert worden. In der Nacht, nachdem er von dem Todesurteil erfahren habe, habe sich eine Möglichkeit geboten, zu fliehen. Er sei über eine Mauer gesprungen. Ein Junge aus seiner Nachbarschaft, der für die Al-Shabaab gearbeitet habe, habe ihm dabei geholfen. Der Junge habe ihn aus dem Zimmer geholt, so als ob er ihn zur Toilette bringen würde. Dann sei er über diese Mauer geflohen. Es habe zwar noch weitere Bewachung in dem Lager gegeben, die Wachleute seien aber in Schichten eingeteilt gewesen und zum Zeitpunkt seiner Flucht habe dieser Junge Schicht gehabt. Das Lager habe sich in einem Stadtteil von Mogadischu, Deyniile, befunden. Auf die Frage, welche Gründe es gebe, jetzt nicht nach Mogadischu zurückzukehren, gab der Kläger an, dass die Al-Shabaab nach wie vor noch Leute umbringe. Wie die Situation in G* … sei, wo seine Frau und sein Sohn lebten, wisse er nicht. Er sei selbst nie dort gewesen. Seine Frau habe er in Äthiopien kennengelernt.

Mit Bescheid vom 25. September 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziff. 1. des Bescheides) sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 2.) ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 3.) und forderte den Kläger unter Fristsetzung zur Ausreise auf; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Somalia bzw. in einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht (Ziff. 4.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe eine asyl- bzw. flüchtlingsschutzrechtlich relevante Betroffenheit nicht glaubhaft machen können. Sein diesbezügliches Vorbringen sei ungereimt bzw. nicht nachvollziehbar. Auch ergäben sich selbst bei einer Wahrunterstellung des Vorbringens zur angeblichen Zwangsrekrutierung keine relevanten Umstände, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigten. Die Zwangsrekrutierungen erfolgten wahllos und ungeachtet der Identität des Einzelnen. Eine drohende Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe habe der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Angesichts der im Gebiet der Hauptstadt Mogadischu herrschenden Situation drohten ihm bei Rückkehr keine erheblichen individuellen Gefahren. Die bewaffneten Auseinandersetzungen erreichten nicht mehr allgemein für alle Personen in der Region ein derartiges Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit, dass Angehörige der Zivilbevölkerung in Folge der Gefahrverdichtung einer erheblichen individuellen und willkürlichen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt seien. Den Angaben des Klägers sei auch nicht zu entnehmen, dass für ihn aus individuellen Umständen eine Gefahrenlage bestehe, weil er aufgrund seiner persönlichen Situation spezifisch betroffen sei. Ein individuelles Verfolgungsschicksal habe er nicht glaubhaft machen können. Auch andere Umstände, nach denen sich für ihn die Gefahr verdichten könnte, seien nicht ersichtlich. Für das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG fehle es sowohl an einem glaubhaften Vortrag des Klägers als auch an anderweitigen Erkenntnissen.

Gegen diesen ihm am 10. Oktober 2013 zugestellten Bescheid (Bl. 88 der Bundesamtsakte) ließ der Kläger am 22. Oktober 2013 beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage erheben.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gab der Kläger im Wesentlichen an, die Al-Shabaab habe gewollt, dass sein Vater mit ihnen zusammenarbeite, dieser habe sich jedoch geweigert. Eines Abends während des Abendessens seien sie gekommen und hätten seinen Vater erschossen. Der Kläger sei damals noch zur Schule gegangen. Wegen des Todes seines Vaters habe er sich dann aber Arbeit suchen müssen. Es sei dann ein Mann von Al-Shabaab gekommen und habe ihn aufgefordert, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Er habe ihn dann in ein Gefangenenlager der Al-Shabaab mitgenommen. Dort sei er 3 Tage lang festgehalten worden. Er sei dort gemeinsam mit vielen anderen Männern gewesen. Eines Abends habe ein Mann aus der Nachbarschaft Wache gehabt. Er habe den Kläger gerufen und ihm mitgeteilt, dass er zum Tod verurteilt worden sei. Der Mann habe ihm auch gesagt, dass er ihm helfen werde. Eines Nachts sei der Mann zu ihm gekommen und habe ihn aufgefordert, mit ihm zur Toilette zu gehen. An einer Stelle sei die Mauer niedrig gewesen und der Mann habe den Kläger aufgefordert, darüber zu springen. Er sei dann zurück zu seiner Mutter gegangen, die ihm geraten habe, sich zu verstecken. In dem Gefängnis seien sie immer in einem Raum eingesperrt gewesen. Selbst bei den Toilettengängen seien sie bewacht worden. An dem Abend seiner Flucht habe der Mann aus der Nachbarschaft zwar nicht alleine Dienst gehabt, die anderen Wachen hätten jedoch geschlafen.

Den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung zurück.

Mit Urteil vom 15. September 2014 hob das Verwaltungsgericht Regensburg den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2013 in Ziff. 3. und 4. auf und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger subsidiären Schutz zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe kein Anspruch des Klägers auf Anerkennung als Flüchtling, weil die geschilderte Vorverfolgung nicht glaubhaft sei. Der Kläger habe jedoch Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 4 AsylVfG. In Süd- und Zentralsomalia herrsche ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, aufgrund dessen ihm eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt drohe. Zu berücksichtigen sei dabei die sog. Beweiserleichterung, weil es keinerlei Anhaltspunkte gebe, dass der Kläger nicht wie angegeben aus Süd- oder Zentralsomalia komme und seine Heimat aus anderen Gründen als wegen der instabilen Verhältnisse verlassen habe. Entsprechend der Auskunftslage habe es spätestens seit etwa dem Jahr 2007 der Praxis der Beklagten entsprochen, zumindest Abschiebungsschutz wegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts oder drohender Menschenrechtsverletzungen zu gewähren. Eine quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos sei nicht möglich. Bestätigt worden sei diese Entscheidungspraxis durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Juni 2011 (Az. 8319/07, Sufi und Elmi). Eine maßgebliche Änderung der Situation in Süd- und Zentralsomalia liege nicht vor. Es gebe keine belastbaren Zahlen, in welchem Umfang andere Aktivitäten der Al-Shabaab bzw. anderer regierungsfeindlicher Gruppierungen sowie willkürliche Akte der auf der Seite der Regierung stehenden Einheiten weiterhin Todes- und Verletzungsopfer in der Zivilbevölkerung forderten. Zwar habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Entscheidung vom 5. September 2013 (Az. 886/11) entschieden, dass nicht mehr angenommen werden könne, es bestehe für Jedermann in Mogadischu das ernsthafte Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK. Schon in einer abweichenden Meinung (dissenting opinion) hierzu sei jedoch ausgeführt worden, dass der Gerichtshof seine eigenen Vorgaben in der Entscheidung vom 28. Juni 2011 nicht ausreichend berücksichtigt habe. Insbesondere beruhe die Einschätzung des Rückgangs ziviler Opfer nicht auf belastbaren Zahlen. Es sei die Zahl der Rückkehrer vor dem Hintergrund der weiterhin extrem hohen Zahl der Vertriebenen überbewertet und die fehlende gesicherte Lebensgrundlage missachtet worden sowie die Unberechenbarkeit der Situation nach 20 Jahren Bürgerkrieg nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die angenommene positive Entwicklung habe sich weder bestätigt noch fortgesetzt. Eine quantitative Ermittlung des bestehenden Verletzungsrisikos sei auch nicht annäherungsweise möglich. Fest stehe, dass Al-Shabaab in einigen Landesteilen weiterhin die Macht habe und in Mogadischu noch präsent sei. Keine sicheren Rückschlüsse ließen die vorliegenden Erkenntnisquellen darauf zu, in welchem Umfang es auch in den „befreiten“ Städten noch zu den von der Mehrheit der männlichen Asylbewerber geschilderten Zwangsrekrutierungen komme. Zusätzlich zu dieser generellen Einschätzung könne sich der Kläger auf gefahrerhöhende persönliche Umstände berufen. Als Rückkehrer nach jahrelanger Abwesenheit sei er auf den Schutz eines Clans besonders angewiesen. Er gehöre zwar nicht zu einer Minderheit, es sei aber fraglich, ob es ihm überhaupt gelingen werde, wieder seine Stammfamilie und über diese die Verbindung zu seinem Clan zu finden. Dazu bestehe das Risiko, dass er schon deshalb als Feind der Al Shabaab und anderer militanter muslimischer Gruppen angesehen werde, weil er sich während der Auseinandersetzungen durch die Ausreise einer Parteinahme entzogen habe und nach der offiziellen Machtübernahme durch die Regierung zurückkomme.

Nach Zulassung der Berufung mit Beschluss des Senats vom 11. Mai 2015 (Az. 20 ZB 14.30469) beantragte die Beklagte unter dem 8. Juni 2015,

unter Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen, soweit ihr stattgegeben wurde.

Zur Begründung wurde zunächst auf den Zulassungsantrag Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, tragfähige Gründe für die Zuerkennung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus seien weiterhin nicht feststellbar. Auch zeige sich weiterhin nichts Durchgreifendes für einen Anspruch auf das nationale ausländerrechtliche Abschiebungsverbot. Es fehle an einer tragfähigen Grundlage für einen Anspruch auf den unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus nach den Anspruchsgrundlagen des § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG. Zwar werde die Sicherheits- und Versorgungslage nach wie vor als fragil beschrieben. Unabhängig davon, ob und in welchen Teilen des Landes gegenwärtig von einem bewaffneten Konflikt auszugehen wäre, erreiche dessen Intensität jedenfalls nicht den erforderlichen besonders hohen Grad, um eine konkrete individuelle Bedrohung jeder Zivilperson bereits infolge des Aufenthalts in Somalia bejahen zu können. Auch für die Zeit der vom Kläger genannten Ausreise aus Somalia beschrieben die Quellen ein insoweit durchaus vergleichbares Bild. Individuelle besondere gefahrerhöhende Umstände seien nicht erkennbar. Insbesondere ließen sich die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Erwägungen hierzu nicht als ausreichende Aspekte werten. Denn soweit es die Situation als Rückkehrer und daran vermeintlich anknüpfende Verdächtigungen betreffe, erhöhe dies nicht das Risiko willkürlicher Betroffenheit, sondern könne allein Einfluss auf das Risiko einer gezielten Rechtsgutsverletzung haben. Eine gerichtlich für erforderlich erachtete besondere Angewiesenheit auf den Schutz durch einen Clan möge sich auf die Chancen bei der Wiedereingliederung in die Lebenswirklichkeit Somalias bzw. auf den Grad der zu überwindenden Schwierigkeiten auswirken, um sich das nötige Auskommen zu erwirtschaften. Inwiefern aber Schutz vor willkürlicher Gewalteinwirkung vermittelt werden sollte, bleibe nicht naheliegend. Belastbare Anhaltspunkte für besondere in der Person des Klägers erfüllte Umstände, die ein nationales Abschiebungsverbot begründen sollten, zeigten sich ebenfalls nicht. Soweit es andererseits die Folgen der allgemeinen Verhältnisse anbelange, handele es sich um Gefährdungslagen, die zugleich der dortigen Bevölkerung bzw. einer Bevölkerungsgruppe allgemein drohten. Sie könnten daher nur im Fall einer Schutzlücke die Überwindung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen. Auch für eine alsbald nach der Rückkehr drohende Extremgefahr ließen sich aber bislang keine ausreichenden Anhaltspunkte feststellen.

Der Kläger beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wurde auf den bisherigen Vortrag verwiesen und ergänzend ausgeführt, in Somalia herrsche ein Bürgerkrieg, der insbesondere in den Grenzregionen und den Einflusssphären der um die Macht kämpfenden Milizen sowie durch marodierende bewaffnete kriminelle Banden zu permanenten Gefährdungen der dort ansässigen Zivilbevölkerung führe. Diese sei schweren Menschenrechtsverletzungen sowohl durch Kampfhandlungen der streitenden Milizen als auch durch die „Justiz“ der jeweils obsiegenden Partei ausgesetzt. Inländische Fluchtalternativen seien nicht ersichtlich. In Anbetracht der Intensität des bewaffneten Konfliktes bestehe eine konkrete individuelle Bedrohung jeder Zivilperson bereits aufgrund ihres dortigen Aufenthaltes.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Niederschrift vom 23. März 2017.

Gründe

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nach der unanfechtbar gewordenen Ablehnung der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nur noch die Frage, ob dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus nach § 4 AsylG, hilfsweise ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zusteht.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht weder auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes hinsichtlich Somalias ein Rechtsanspruch zu. Auch die Abschiebungsandrohung ist deshalb nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 25. September 2013 ist daher, soweit er Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). Aus diesen Gründen war das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, weil die Voraussetzungen des § 4 AsylG nicht vorliegen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gelten als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

a) Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen Al-Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- bzw. Zentralsomalia mit der Hauptstadt Mogadischu kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al-Shabaab-Miliz. Die Gebiete befinden sich teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al-Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon seit längerer Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al-Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al-Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1. Januar 2017 - Stand: November 2016, S. 4 f.; Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia - vom 25. April 2016, S. 13 ff. und Analyse der Staatendokumentation - Somalia - Sicherheitslage, 12. Oktober 2015, S. 32; siehe auch EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785; U.v. 5.9.2013 - Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] - Rn. 87 ff.; BayVGH, U.v. 17.3.2016 - 20 B 13.30233 - juris und U.v. 17.3.2016 - 20 B 13.30233 - juris; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29).

b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, weil er eine individuelle Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch die Al-Shabaab nicht glaubhaft gemacht hat. Auch in der informatorischen Anhörung des Klägers durch den Senat in der mündlichen Verhandlung sind die vorhandenen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des vorgetragenen Geschehens nicht entkräftet worden. Der Kläger hat seinen diesbezüglichen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sowohl im Vergleich zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als auch im Vergleich zur Anhörung beim Bundesamt erheblich gesteigert und bestehende Widersprüche nicht aufgelöst. So hat der Kläger erstmals gegenüber dem Senat einen Freund erwähnt, der mit ihm zusammen in dem Gefangenenlager der Al-Shabaab interniert gewesen sei. Auch hat er vorher nicht berichtet, dass dort auch Frauen eingesperrt worden seien. Zudem erscheint der vorgetragene Geschehensablauf nicht glaubhaft. Denn es ist nicht plausibel, dass der Kläger von Al-Shabaab zunächst gefangen genommen und zum Tode verurteilt worden, dann aber mit der Hilfe eines Bewachers geflohen sein soll. Gerade wenn ein solches Gefangenenlager unzureichend gegen Fluchtversuche gesichert worden wäre, wie der Kläger vorgetragen hat, erscheint es umso weniger nachvollziehbar, dass ein zum Tode verurteilter Gefangener nicht strenger bewacht worden sein soll. Diese Unschlüssigkeit hat der Kläger trotz gezielter Nachfrage nicht erklären können. Noch stärker spricht aber gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers, dass er trotz Nachfrage keinen plausiblen Grund dafür genannt hat, dass der Bewacher nach seinem Vortrag ein hohes persönliches Risiko der Bestrafung hätte eingehen sollen, um dem Kläger die Flucht zu ermöglichen. Alleine der Umstand, dass dieser Bewacher ein ehemaliger Nachbar gewesen sein soll, vermag dies nicht überzeugend zu erklären. Anstatt hierfür eine plausible Erklärung zu liefern, hat der Kläger seinen Vortrag weiter gesteigert, indem er erstmals vor dem Senat behauptet hat, dieser Bewacher sei ein Anführer gewesen. Selbst dieser Umstand könnte aber nicht plausibilisieren, dass ein Anführer einen zum Tode verurteilten Gefangenen hätte laufen lassen.

c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Es ist bereits fraglich, ob in der für die Beurteilung maßgeblichen Herkunftsregion des Klägers, der Hauptstadt Mogadischu, noch ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht. Vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grades an Gewalt ist (EuGH, U.v. 30.1.2014 - C-285/12 [Diakité] - NVwZ 2014, 573 = juris, Leitsatz 1 und Rn. 28; BayVGH, U.v. 7.4.2016 - 20 B 14.30101 - juris Rn. 20). Mogadischu gehört zu den von der Herrschaft der Al-Shabaab befreiten Gebieten, die zwar vielleicht noch nicht „befriedet“ sind, jedoch definitiv nicht mehr im Kriegszustand stehen (Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia - vom 25. April 2016, S. 22; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris Rn. 35). Es erscheint unwahrscheinlich, dass Al-Shabaab die Kontrolle über Mogadischu wiedergewinnen könnte (Österreichisches Bundesasylamt a.a.O.). Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass in Mogadischu - wie in anderen „befreiten“ Gebieten - die Al-Shabaab nach wie vor Attentate auf bestimmte Objekte und Personen verübt, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder gar getötet werden, und auch direkte Kampfhandlungen stattfinden (vgl. Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation - Somalia, Lagekarten zur Sicherheitslage v. 12.10.2015, S. 22 ff.; dies., Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22). Die Al-Shaban vollzieht dort nunmehr eine asymmetrische Kriegsführung, die insbesondere gezielte Attentate, den Einsatz von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen und überfallartige Angriffe (sog. „hit and run“) umfasst (vgl. OVG Rheinland-Pfalz a.a.O., m.w.N.; Österr. Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22; dies., Lagekarten zur Sicherheitslage v. 12.10.2015, S. 22 ff.). Der erreichte Zustand wird daher in nahezu allen Berichten als fragil oder unbeständig beschrieben (vgl. z.B. Auswärtiges Amt, Lagebericht Somalia, Stand Oktober 2015, S. 4; Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 17; EASO [European Asylum Support Office], Country of Origin Information Report, Somalia - Security Situation, Februar 2016, S. 51 ff.). Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn jedenfalls ist der Kläger aufgrund der beschriebenen Konfliktlage als Zivilperson keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt.

Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33; U.v. 17.11.2010 - 10 C 13.10 - juris Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 - C-465/07 [Elgafaji] - juris Rn. 35, 39; U.v. 30.1.2014 - C-285/12 [Diakité] - juris Rn. 30; BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 32; U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 19).

Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die dort von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen verübt werden, notwendig (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33; U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 22 f.; U.v. 17.11.2011 - 10 C 11/10 - juris Rn. 20 f. [Risiko von 1:1000]).

Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9.08 - juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 - C-465/07 [Elgafaji]; zum Ganzen OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29). Im Falle des Klägers ist daher auf Mogadischu als Herkunftsregion abzustellen.

d) Gemessen an den vorgenannten Kriterien fehlt es jedoch an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr nach Mogadischu.

Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, sind nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht vorgetragen. Der Kläger gehört keiner Risikogruppe an. Gefahrerhöhende Umstände ergeben sich auch nicht bereits aus seiner Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Zwar sieht die Al-Shabaab Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an (EASO Country of Origin Information Report - South and Central Somalia - Country Overview, August 2014, S. 106); da sie aber in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen - v.a. auch Binnenvertriebenen (vgl. EASO Country of Origin Information Report - South and Central Somalia - Country Overview, August 2014, S. 117; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation - Somalia - Sicherheitslage, 12.10.2015, S. 23) - ergibt sich daraus nicht für jeden Rückkehrer ohne weiteres eine ernsthafte Bedrohung. Im Übrigen ist der Rückzug der formalen Präsenz der Al-Shabaab aus Mogadischu nach den vorliegenden Erkenntnismitteln dauerhaft. Es gibt in der Stadt daher kein Risiko mehr, von Al-Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22; EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785). Zwar hat der Kläger vorgetragen, sich vor seiner Ausreise in der Gefangenschaft der Al-Shabaab befunden und sich dieser durch Flucht entzogen zu haben, weshalb er der Al-Shabaab bereits einmal besonders aufgefallen sei (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 7.4.2016 - 20 B 14.30101 - juris Rn. 30; OVG Rheinland-Pfalz U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29). Dieses Vorbringen des Klägers ist jedoch nicht glaubhaft, wie bereits ausgeführt wurde (siehe oben zu b)). Zudem gehört der Kläger nicht einem Minderheiten-, sondern einem Mehrheitsclan, den Hawiye-Abgal, an (vgl. ACCORD, Clans in Somalia, Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel v. 15.5.2009, S. 12, 14; EASO Länderüberblick Südu. Zentralsomalia, August 2014, S. 15, 21, 45 ff.). Auch unter diesem Aspekt kann also kein gefahrerhöhender persönlicher Umstand in der Person des Klägers angenommen werden.

e) Auch die allgemeine Lage ist nicht so gefährlich, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen gegenüber jeder Zivilperson individualisiert. Die erforderliche Gefahrendichte ist in Mogadischu nicht gegeben. Eine genaue Bewertung der Gefahrendichte aufgrund einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, erscheint jedoch kaum verlässlich möglich. Die Zahl der Zivilpersonen, die Opfer willkürlicher Gewalt geworden sind, kann kaum annäherungsweise verlässlich geschätzt werden, weil belastbare Zahlen nicht vorhanden sind. Dies betrifft etwa die Frage, ob in den insoweit verfügbaren Aufstellungen die Zählung der „Zivilpersonen“ auch solche Opfer umfasst, die den besonderen Risikogruppen (Politiker, Regierungsmitarbeiter etc.) angehören. Ebenso wird in den Berichten über Vorfälle meist lediglich über die Zahl der Getöteten, nicht aber auch über die der Verletzten berichtet (OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29).

Die Gesamtbevölkerung von Mogadischu wird auf vermutlich über einer Million Einwohner einschließlich einer großen Anzahl Binnenvertriebener geschätzt (EASO Länderüberblick Südu. Zentralsomalia, August 2014, S. 16). Setzt man zu dieser Einwohnerzahl die sich aus der Aufstellung von ACCORD (Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED, 4.2.2016) ergebende Zahl der im Jahr 2015 in der gesamten Region Banaadir verzeichneten 370 Vorfälle mit 411 Toten - jedoch bezogen auf alle Konfliktvorfälle, d.h. nicht nur Gewaltvorfälle gegen Zivilpersonen - würde sich unter Zugrundelegung dieser Zahlenwerte ein Tötungsrisiko von etwa 1:2433 (0,0411%) ergeben, wobei eine Berechnung des Verletzungsrisikos mangels einer entsprechenden verfügbaren Auflistung nicht möglich erscheint. Die Aufstellung für das erste Quartal des Jahres 2016 (ACLED, 3.5.2016) mit 66 Vorfällen in der Region Banaadir und 80 Toten zeigt im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Quartalen des Jahres 2015 (3/2015 und 4/2015) mit 82 Vorfällen und 79 Toten (4/2015, ACLED 4.2.2016) bzw. 80 Vorfälle und 75 Toten (3/2015, ACLED 4.2.2016) eine leicht rückläufige Tendenz bei der Zahl der Vorfälle bei gleich bleibender bzw. leicht gesteigerter Zahl der Todesopfer, welches ein Indiz für die in anderen Erkenntnismitteln festgestellte Änderung der Strategie der Al-Shabaab darstellt (siehe dazu unten), aber nicht zur Feststellung einer Verdichtung der allgemein bestehenden Gefahrenlage zu einer individuellen Gefahr für jede dort lebende Einzelperson führt.

Auch ungeachtet einer quantitativen Bewertung ergibt sich unter Zugrundelegung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen (v.a. Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22 ff. m.w.N.; EASO Security Situation Report, Februar 2016, S. 50 ff.) in Mogadischu keine solche Gefahrendichte, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. In den Berichten ist regelmäßig von „Verbesserungen“ die Rede, auch wenn dies angesichts der früheren extremen Situation nicht damit gleichgesetzt werden kann, dass keine wesentliche Gefahr für die Zivilbevölkerung mehr gegeben wäre. Mogadischu bleibt weiterhin unter der Kontrolle von Regierung und AMISOM. Der Rückzug der formalen Präsenz der Al-Shabaab ist dauerhaft. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Al-Shabaab wieder die Kontrolle über die Stadt erlangt. Es gibt in der Stadt daher kein Risiko mehr, von Al-Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22; EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785). Es gibt in Mogadischu keine Clanmilizen und keine Clangewalt, auch wenn einzelne Clans angeblich noch in der Lage sein sollen, Angriffe führen zu können. Die Stadt ist somit generell sicher, auch wenn sie von Al-Shabaab bedroht wird. Die größte Gefahr geht heute von terroristischen Aktivitäten der Al-Shabaab aus. Die Hauptziele dafür sind die Regierung und die internationale Gemeinde. Die Stadtbewohner sind normalerweise nur dann von Anschlägen betroffen, wenn sie sich „zur falschen Zeit am falschen Ort“ befinden. Jeder Einwohner kann sein persönliches Risiko weiter minimieren, indem er Gebiete oder Einrichtungen meidet, die klar als Ziel der Al-Shabaab erkennbar sind, wie vor allem Hotels, Restaurants, Regierungseinrichtungen und -konvois, Stellungen und Stützpunkte von Regierungskräften und AMISOM. Die Halbjahre 2/2014 und 1/2015 lassen bei sicherheitsrelevanten Zwischenfällen einen Abwärtstrend erkennen, wenngleich noch wöchentlich Angriffe stattfinden. Der Artillerie- und Mörserbeschuss ist drastisch zurückgegangen. In den ersten drei Quartalen 2015 kam es zu vier Feuergefechten auf die Bezirke Wardhiigleey, Xamar Weyne, Hodan, Dayniile und das Küstengebiet von W* …M* … dem Heimatbezirk des Klägers. Insgesamt scheint es für Al-Shabaab einerseits sehr schwierig geworden zu sein, Artillerie entsprechend einzusetzen. Andererseits scheint die Strategie von Al-Shabaab derzeit auch das Geringhalten von Kollateralschäden zu beinhalten. Handgranatenanschläge sind fast gänzlich aus der Strategie der Al-Shabaab ausgeschieden. Im Zeitraum Q1/2013 - Q1/2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an Handgranatenanschlägen pro Quartal noch 86; in den Quartalen 2/2014 - 3/2015 ist diese Zahl auf unter 15 eingebrochen. Auch die Zahlen an gezielten Attentaten und Sprengstoffanschlägen sind - vor allem im Jahr 2015 - rückläufig. Im Zeitraum Q1/2013 - Q4/2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an gezielten Attentaten 52; an Sprengstoffanschlägen 27. Vergleichsweise fallen die Zahlen in den ersten drei Quartalen 2015 geringer aus (46 und 19). Insgesamt sind die Zahlen terroristischer Aktivitäten seit einer Spitze im Q3/2013 nachhaltig eingebrochen und liegen im Jahr 2015 bei nur noch einem Drittel der Zahl. Hingegen scheint die Strategie der Al-Shabaab zunehmend bewaffnete Zusammenstöße als bevorzugtes Mittel zu umfassen. Betrug die Zahl der Scharmützel in den Quartalen des Jahres 2013 noch durchschnittlich 22, so stieg die Zahl im Jahr 2014 auf 36, im Jahr 2015 sogar weiter auf 44. Bei der Zusammenfassung terroristischer Aktivitäten (Artillerie- und Mörserbeschuss; gezielte Attentate; Sprengstoff- und Handgranatenanschläge) im ersten Halbjahr 2015 zeigt sich, dass mehrere Bezirke massiv betroffen sind. Dies gilt u.a. auch für den Heimatbezirk des Klägers, W* …M* … (vgl. Österreichisches Bundesasylamt a.a.O.). Mithin sind in Mogadischu die Zahlen an terroristischen Aktivitäten und auch die Gesamtzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen innerhalb der vergangenen vier Quartale zurückgegangen. Gleichzeitig bleibt aber die Zahl bewaffneter Auseinandersetzungen mit Al-Shabaab konstant hoch. Während terroristische Aktivitäten relativ flächendeckend über das Stadtgebiet verstreut vorkommen, konzentrieren sich bewaffnete Zusammenstöße in einer kleinen, übersichtlichen Anzahl an Bezirken. Insgesamt wird jedenfalls deutlich, dass Al-Shabaab in der Lage ist, fast im gesamten Stadtgebiet von Mogadischu terroristische Taten zu begehen. Die Zahl der Angriffe ging insgesamt zurück und diese richten sich vor allem gegen Repräsentanten der somalischen Regierung und ihre Unterstützer. Es ist zu erkennen, dass Al-Shabaab nach wie vor in der Lage ist, über die Peripherie in Randbezirke von Mogadischu einzudringen. Insgesamt ist jedenfalls feststellbar, dass Al-Shabaab in den von AMISOM/SNA kontrollierten Teilen der somalischen Hauptstadt mangels permanent anwesender, sichtbarer Kampfeinheiten nur geringer Einfluss zugesprochen werden kann, wenngleich die Anwesenheit verdeckter Elemente und die Durchführung terroristischer Aktivitäten das Leben der Bewohner beeinflussen (vgl. auch die Karte im Lagebericht des Österr. Bundesasylamtes a.a.O., S. 24). Bei wertender Betrachtung ergibt sich somit, dass die Gefahr für jede Einzelperson, in Mogadischu bei einem Anschlag oder Angriff getötet oder verletzt zu werden, in einigen Stadtteilen höher, in anderen niedriger liegt. Anschläge und bewaffnete Auseinandersetzungen haben in bestimmten Bezirken ihren Schwerpunkt. Gleichzeitig sind die Angriffe zielgerichtet auf bestimmte Personen und Objekte bezogen, weshalb unbeteiligte Zivilpersonen eher zufällig und auch von den Akteuren eher ungewollt Opfer werden. Dieses Risiko kann jedoch verringert werden, indem gefährdete Orte und Objekte gemieden werden. Dem höheren Anschlagsrisiko in einzelnen Stadtteilen können Betroffene durch Ausweichen in sicherere Stadtteile entkommen. Die Situation in Mogadischu ist somit nicht derart unsicher, dass jede dort anwesende Person einer erheblichen und individuellen Gefährdung an Leib oder Leben ausgesetzt wäre (im Ergebnis ebenso EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris Rn. 45).

f) Der Kläger kann sich hier nicht auf einen vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schaden berufen, da sein diesbezüglicher Vortrag, wie bereits ausgeführt, nicht glaubwürdig ist. Ein ernsthafter Schaden könnte ihm bei seiner Ausreise aus Somalia im November 2011 aufgrund der damaligen bewaffneten Auseinandersetzungen zwar unmittelbar gedroht haben, wofür insbesondere die Einschätzung der Lage in Mogadischu im Jahr 2011 durch den EGMR (U.v. 28.6.2011 - Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] - NVwZ 2012, 681) spricht. Ob die Gefährdung der Zivilbevölkerung durch diese Auseinandersetzungen das für die Annahme der Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderliche Ausmaß erreicht hat, kann aber letztendlich dahingestellt bleiben. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezieht sich die Schadensvermutung des Art. 4 Abs. 4 der sog. Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 - Qualifikationsrichtlinie, QRL - ABl. Nr. L 337 S. 9) zum einen nicht auf das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes oder auf ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung. Zum anderen setzt sie einen inneren Zusammenhang zwischen dem früher unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden voraus (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 31). Letzterer fehlt hier jedenfalls aufgrund der seit 2011 in Mogadischu, wie bereits ausgeführt, erheblich verbesserten Sicherheitslage.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, weil es auch dafür an den Voraussetzungen fehlt. Individuelle Abschiebungshindernisse wurden vom Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Relevant sind daher vorliegend nur solche Abschiebungsverbote, die sich für den Kläger aus einer Verdichtung der aus der ungünstigen Versorgungslage resultierenden allgemeinen Gefahrenlage zu einer extremen Gefahrensituation in seiner Person ergeben könnten.

a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht, noch ist ein solches ersichtlich. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der nach den eingeführten Erkenntnismitteln unzureichenden Versorgungslage in Somalia. Einschlägig ist hier das Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 3 EMRK. Denn die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann dessen Verantwortlichkeit auch dann begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 12.1.2016 - Nr. 13442/08 [A.G.R./Niederlande] - NVwZ 2017, 293; U.v. 5.9.2013 - Nr. 886/11 [K.A.B./Schweden] - Rn. 68; U.v. 28.2.2008 - Nr. 37201/06 [Saadi/Italien] - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 23 m.w.N.). Allerdings folgt aus der EMRK kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 - Nr. 26565/05 [N./Vereinigtes Königreich] - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 - Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] - NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - juris Rn. 17 f.). In Bezug auf Somalia, insbesondere Mogadischu geht der EGMR jedoch nunmehr in gefestigter Rechtsprechung - und in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung (EGMR, U.v. 28.6.2011 - Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] a.a.O.) - davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785; U.v. 5.9.2013 - Nr. 886/11 [K.A.B./Schweden] - Rn. 85 ff.). Auf Mogadischu ist hier abzustellen, weil dort die Abschiebung endet (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 26), denn die Hauptstadt kann mit Linienflügen direkt angeflogen werden, ohne dass die Gefahr bestünde, dass der Kläger in einem anderen, weniger sicheren Landesteil Somalias landen würde oder diesen durchreisen müsste (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1. Januar 2017 - Stand: November 2016 - S. 16; EGMR, U.v. 10.9.2015 a.a.O.). Der Senat schließt sich in Anbetracht der im Folgenden (siehe b)) noch näher darzulegenden Erkenntnisse über die Versorgungslage in Mogadischu der Einschätzung des EGMR an.

b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger nicht angesichts der allgemeinen schlechten Versorgungslage in Somalia. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung ist die nach den eingeführten Erkenntnisquellen bestehende unzureichende Versorgungslage in Somalia eine allgemeine Gefahr, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Somalia erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1 m.w.N. = juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alldem BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 - BVerwGE 137, 226 = juris).

Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist in Süd- und Zentralsomalia die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nach wie vor nicht gewährleistet; es gibt keinen sozialen Wohnraum oder Sozialhilfe und keine Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer (Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand: November 2016 - S. 16). Wenngleich die somalische Wirtschaft ständig wächst und eine Anzahl von somalischen Flüchtlingen bereit ist, freiwillig zurückzukehren bzw. viele schon zurückgekehrt sind (vgl. Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt Somalia v. 25.4.2016, S. 82 ff. m.w.N.; EASO Informationsbericht - Süd- und Zentralsomalia, Länderüberblick, August 2014, S. 36 ff.), ist doch in allen Städten Süd- und Zentralsomalias für den Großteil der Bevölkerung der Zugang zur sozialen Grundversorgung beschränkt. Clan und Familie, einbezogen die weitere Familie, sind nach wie vor die wichtigsten Faktoren bezüglich der Akzeptanz, der Sicherheit und dem Zugang zu Grundbedürfnissen wie Wohnung und Essen (Auswärtiges Amt, Lagebericht a.a.O.). Überdies sind einige Regionen Somalias derzeit von einer Dürrekatastrophe betroffen (vgl. Österreichisches Bundesasylamt, Kurzinformation der Staatendokumentation, Somalia - Dürre hält weiterhin an, 19.1.2017; UN Security Council, Report of the Secretary-General on Somalia, 9.1.2017, S. 12).

In Mogadischu stellt sich jedoch im Vergleich zu anderen Regionen Somalias die wirtschaftliche Situation günstiger dar, wenngleich zuverlässige Daten zur Wirtschaft unmöglich zu erhalten bzw. zu verifizieren sind (vgl. hierzu und zum Folgenden Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt Somalia, 25.4.2016, S. 82 ff.; EASO Informationsbericht - Süd- und Zentralsomalia, Länderüberblick, August 2014, S. 15 ff.). Etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu erhalten humanitäre Unterstützung in Form von Nahrungsmittelhilfe und anderen Leistungen von humanitären Organisationen. Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle ist der Kleinhandel, vor allem mit landwirtschaftlichen Produkten. Für Arbeitslose gibt es seitens der Regierung keinerlei Unterstützung. Arbeitslose Jugendliche werden in erster Linie von der Familie in Somalia und von Verwandten im Ausland versorgt. Dabei kann angenommen werden, dass es in Mogadischu viel mehr Arbeitsmöglichkeiten gibt, als an anderen Orten Somalias. Der ökonomische Wiederaufbau verlangt sowohl nach erfahrenen, ausgebildeten Arbeitskräften, als auch nach jungen Menschen ohne Bildung und Arbeitserfahrung, insbesondere im Baugewerbe, aber auch in zahlreichen anderen Wirtschaftszweigen. Mit der steigenden Kaufkraft der Bevölkerung steigt auch die Nachfrage nach Dienstleistungen, z.B. nach Reinigungskräften oder anderer Hausarbeit. Mit der zunehmenden Sicherheit in Mogadischu sind auch aus anderen Teilen des Landes unausgebildete Arbeitskräfte auf der Suche nach Arbeit in die Hauptstadt gekommen. Dementsprechend sind unqualifizierte Arbeitskräfte, deren physische Kraft benötigt wird, vor allem in der kontinuierlich wachsenden Bauwirtschaft und als Hafenarbeiter, in Mogadischu zahlreich verfügbar. Dabei werden jedoch junge Bewerber bevorzugt. Der Mangel an Fachkräften ist so groß, dass in manchen Bereichen auf Gastarbeiter zurückgegriffen wird. Weil freie Stellen oft nicht breit beworben werden und die Arbeitgeber den Clan und die Verwandtschaft eher berücksichtigen als erworbene Fähigkeiten, haben Bewerber ohne gute Verbindungen oder aus Minderheiten sowie Frauen, Witwen und Migranten ohne Familien schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Arbeitssuchende greifen deshalb auf ihre privaten Netzwerke zurück. Vor allem junge, nicht ausgebildete Männer sind auf die Arbeit als Tagelöhner angewiesen. Der militärische Erfolg gegen Al-Shabaab in Mogadischu hat dazu geführt, dass viele Somali aus der Diaspora zurückgekehrt sind. Die Rückkehrer haben investiert und gleichzeitig eine wachsende Nachfrage geschaffen. Außerdem traten neue Investoren aus dem Ausland in den Vordergrund. Heute ist Mogadischu vom Wiederaufbau, ökonomischer Wiedererholung und Optimismus gekennzeichnet.

Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist für den Kläger nicht ersichtlich, dass er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. Der Kläger ist ein junger Mann, der einem Mehrheitsclan angehört (Hawiye-Abgal). Seine Mutter lebt noch in Mogadischu. Auch ist nicht ersichtlich, dass die (Groß-)Familie und der Clan des Klägers diesem im Falle seiner Rückkehr keine Unterstützung gewähren können und wollen. Der Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung auf die Frage nach Unterstützung durch seinen Clan angegeben, man helfe sich in Somalia nicht gegenseitig. Dies erscheint aber vor dem Hintergrund der zitierten Erkenntnisquellen, welche den Clan und die Familie als die zentralen Bezugspunkt der somalischen Gesellschaft nennen, nicht glaubhaft. Von der derzeitigen Dürrekatastrophe in ländlichen Gebieten Somalias ist der Kläger in Mogadischu nicht betroffen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburgs vom 5. März 2013 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, nach eigenen Angaben somalischer Staatsangehöriger, begehrt mit seiner Klage die Feststellung subsidiären Schutzes. Er hat sich im Mai 2010 in Z. als Asylsuchender gemeldet.

Nach mehreren Betreibensaufforderungen wurde vom Bundesamt mit Bescheid vom 30. Januar 2013 festgestellt, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und dass das Asylverfahren eingestellt ist. Weitere Entscheidungen enthält der Tenor des Bescheids nicht und das Unterbleiben ist auch in den Gründen nicht dargestellt.

Am 6. Februar 2013 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass beim Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Somalia vorliegt.

Die Verfahrenseinstellung werde nicht angegriffen. Das Bundesamt sei nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verpflichtet, eine Entscheidung über das Vorliegen eines Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a. F. zu treffen. Der Kläger stamme aus den Zentralregionen Somalias.

Mit Urteil vom 5. März 2013 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte festzustellen, dass beim Kläger ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Somalias vorliegt. Der Kläger stamme aus ... in Zentralsomalia, so dass für ihn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ein Abschiebungsverbot anzunehmen sei.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung beantragt die Beklagte,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg

vom 5. März 2013 abzuweisen.

In Süd- und Zentralsomalia könne möglicherweise ein innerstaatlicher Konflikt angenommen werden. Die bewaffnete Auseinandersetzung habe jedoch nicht das Maß und die Intensität erreicht, um für alle dort lebenden Angehörigen der Zivilbevölkerung eine erhebliche, individuelle Gefahr annehmen zu können. Ihn allein treffende individuelle Gefahr erhöhende Merkmale habe der Kläger nicht vorgetragen. Selbst wenn man etwa bis zu 20.000 Tote und Verletzte pro Jahr aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzung in Somalia zugrunde lege, ergebe sich nur eine Gefährdungsrelation von ca. 2 Prozent. Für die Feststellungen der erforderlichen Gefahrendichte bedürfe es dabei nicht nur einer wertenden Gesamtbetrachtung, sondern auch der jedenfalls annäherungsweise quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos. Das Fortbestehen eines bewaffneten Konflikts stehe demnach selbstredend nicht infrage, jedoch der nötige Gefahrengrad für die Annahme, dass bereits die Gebietsanwesenheit für jedwede Zivilpersonen mit einer erheblichen individuellen Gefährdung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG einhergehe. Die völlig unzureichende medizinische Versorgung in Süd- und Zentralsomalia erhöhe zwar das Gefährdungsrisiko betroffener Personen, nicht aber die quantitativ zugrunde zu legende Opferzahl. An dieser Einschätzung ändere nichts, dass für Rückkehrer nicht ohne weiteres stets die Perspektive einer gesicherten Lebensgrundlage eröffnet sein möge und die Situation wie die weitere Entwicklung im Land unberechenbar bleiben dürfte. Insoweit sei es allein entscheidend, dass ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben drohe. Zu einer entsprechenden Einschätzung kämen jedenfalls der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das schweizerische Bundesverwaltungsgericht.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 5. März 2015 gab der erkennende Senat den Beteiligten auf, zur Bestimmung des Herkunftsstaates und der Herkunftsregion des Klägers beim Bundesamt eine Sprachanalyse durchführen zu lassen. Mit Sprachgutachten vom 5. Juli 2015 kam der vom Bundesamt beauftragte Gutachter im Wesentlichen zum Ergebnis, dass die vom Kläger gesprochene Somalivarietät bis auf die Nordvarianten in der Stadt ... gesprochen werde. Jedenfalls gestatte der Sprachgebrauch des Klägers mit Sicherheit eine Zuordnung zur Region Südsomalia.

In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zur Begründung seiner Klage an, er stamme aus ..., in der Provinz Hiiraan, er sei dort auch geboren. Sein Vater und seine Mutter lebten heute noch dort. Das letzte Mal habe er vor fünf Monaten mit ihnen telefonisch Kontakt gehabt. Damals sei es ihnen gut gegangen. Seitdem habe er aber von ihnen nichts mehr gehört. Er habe seine Heimatregion und Somalia verlassen, weil zwischen den verschiedenen Stämmen Streit und Krieg geherrscht habe. Gleichzeitig habe auch die Al-Shabaab die Stadt immer wieder angegriffen. Er selbst gehöre dem Stamm der Galadi an, einer Untergruppe der Digil, die zum Clan der Rahanweyn gehörten. Seine sieben Geschwister seien aufgrund des Bürgerkriegs und der Kämpfe umgekommen. Nachdem fünf Geschwister durch einen Artillerieangriff umgekommen seien, habe er sich entschlossen zu fliehen. Zwischen ... und Mogadischu sei er mehrere Tage mit einem Führer gereist. Die Strecke sei gefährlich. Er sei über Mogadischu nach Dubai geflogen. Die Kosten für seinen Flug habe sein in Dubai lebender Onkel übernommen, der seine Familie unterstütze. Dies alles habe sich im Jahr 2010 abgespielt. Der Onkel unterstütze auch heute noch seine Eltern, die jetzt schon ein wenig älter und nur zuhause seien. Von Dubai sei er nach einigen Tagen in die Türkei geflogen und dann von dort in die Bundesrepublik.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakten. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird im Übrigen auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG oder nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG. Nachdem der Kläger die Einstellungsentscheidung des Bundesamtes vom 30. Januar 2013 nicht angefochten hat, ist Gegenstand des Berufungsverfahrens lediglich die Verpflichtung des Bundesamtes auf Zuerkennung von europarechtlichem subsidiärem Schutz nach § 32 AsylVfG in seiner vor dem 28. August 2013 geltenden Fassung (vgl. BVerwG, U. v. 13.2.2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 12).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter. Die Voraussetzungen des § 4 AsylG liegen nicht vor. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikalislamistischen Al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- und Zentralsomalia kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al Shabaab-Miliz. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon längere Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1. Dezember 2015 - Stand: November 2015, S. 4 f.; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation - Somalia - Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 29; siehe auch EGMR, Urteil vom 5. September 2013 - Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] -, Rn. 87 ff.; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29).

Es ist bereits fraglich, ob in der für die Beurteilung maßgeblichen Heimatprovinz Hiiraan und in der Heimatstadt ... ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrschen (vgl. zur Definition BVerwG, Urteile v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 22 f. und vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, juris, Rn. 22 ff.). Nach dem EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Süd- und Zentralsomalia (Stand: August 2014; S. 82 f.) konnten im Verlauf der „Operation Adler“ AMISOM und somalische Streitkräfte (SNAF) ihre Kontrolle in der Region Hiiraan ausdehnen. Die neu eroberten Städte sind jedoch Inseln im Al-Shabaab-Territorium. Die Hauptstraße von ... nach Buulo Barde wird als ständig, vor allem aus Osten, von Al-Shabaab bedroht beschrieben. Auf der anderen Seite stellen sich lokale Clans nunmehr offen Al-Shabaab entgegen und bekämpfen sie sogar. ... befindet sich unter der Kontrolle dschibutischer und äthiopischer AMISOM-Kontingente und der SNAF. Es gibt in ... auch funktionierende somalische Polizeikräfte (SPF). Darüber hinaus ist dort auch ein AMISOM-Polizeikontingent stationiert. Das dschibutische AMISOM-Kontingent bietet Beratung und Ausbildung für die somalischen Sicherheitskräfte an und hat bereits mehr als 1.200 Mann ausgebildet. Die Verwaltung steht unter der Leitung des Gouverneurs der Region Hiiraan, der ein enger Verbündeter der Zentralregierung ist. ... wird nachgesagt, die Stadt zu sein, in der AMISOM und SNAF am erfolgreichsten „Sicherheit bieten und gewährleisten“. Terroranschläge in ... werden aus der Stadt heraus verübt, da es dort noch immer aktive Kämpfer und Sympathisanten von Al-Shabaab gebe. Die so beschriebene Lage mit militärischen Auseinandersetzungen zwischen AMISOM-Streitkräften und der Al-Shabaab einerseits und rivalisierenden Clanmilizen andererseits sowie die insgesamt fragile Situation, die sich nach den jüngsten Berichten auch nicht im Wesentlichen geändert hat (vgl. EASO Country of Origin Information Report Somalia Security Situation, Februar 2016, S. 58 f.), rechtfertigten wohl die Annahme eines bewaffneten Konflikts in der Provinz Hiiraan. Es kommt hierauf jedoch nicht entscheidend an.

Jedenfalls ist der Kläger aufgrund der beschriebenen Konfliktlage als Zivilperson keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt. Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 -, juris, Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, Urteile v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33, und v. 17.11.2010 - 10 C 13.10 - juris Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile v. 17.2.2009 - C-465/07 [Elgafaji] - juris, Rn. 35 und 39, und vom 30.1.2014 - C-285/12 [Diakite] - juris, Rn. 30; BVerwG, Urteile v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 32 und vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris, Rn. 19).

Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, notwendig (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, Urteile v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 33, und v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris, Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris, Rn. 22 f., U.v. 17.11.2011 - 10 C 11/10 - juris, Rn. 20 f. [Risiko von 1:1000]).

Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9.08 - juris, Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17.2.2009 - C-465/07 [Elgafaji]; zum Ganzen Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29).

Gemessen an diesen Kriterien fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr nach ....

Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, sind nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht vorgetragen. Der Kläger gehört keiner Risikogruppe an. Gefahrerhöhende Umstände ergeben sich auch nicht bereits aus seiner Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Zwar sieht die Al-Shabaab Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an (European Asylum Support Office, EASO Country of Origin Information report - South and Central Somalia - Country Overview, August 2014, S. 106); da sie aber in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen - v.a. auch Binnenvertriebene (vgl. European Asylum Support Office, EASO Country of Origin Information Report - South and Central Somalia - Country Overview, August 2014, S. 117; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation - Somalia - Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 19) - ergibt sich daraus nicht für jeden Rückkehrer ohne weiteres eine ernsthafte Bedrohung. Der Kläger gehört zudem nicht einem Minderheiten-, sondern einem Mehrheitenclan an, so dass auch unter diesem Aspekt kein gefahrerhöhender persönlicher Umstand angenommen werden kann. Es ist nicht ersichtlich, dass er bereits der Al-Shabaab oder den Polizeikräften besonders aufgefallen ist (vgl. hierzu OVG Rheinland-Pfalz U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29).

Auch die allgemeine Lage ist nicht so gefährlich, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen auf jede Zivilperson individualisiert. Die erforderliche Gefahrendichte ist in der Provinz Hiiraan nicht gegeben. Eine genaue Bewertung der Gefahrendichte aufgrund einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, erscheint jedoch kaum verlässlich möglich. Die Zahl der Zivilpersonen, die Opfer willkürlicher Gewalt geworden sind, kann kaum annäherungsweise verlässlich geschätzt werden, weil belastbare Zahlen nicht vorhanden sind. Dies betrifft etwa die Frage, ob in den insoweit verfügbaren Aufstellungen die Zählung der „Zivilpersonen“ auch solche Opfer umfasst, die den besonderen Risikogruppen (Politiker, Regierungsmitarbeiter etc.) angehören. Ebenso wird in den Berichten über Vorfälle meist lediglich über die Zahl der Getöteten, nicht aber auch über die der Verletzten berichtet (OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29).

Nach dem EASO Security Situation Report (Februar 2016; S. 59) beträgt die Bevölkerung der Provinz Hiiraan nach einer Schätzung der UN und lokaler Behörden ca. 520.685 Einwohner. ..., Hauptstadt der Region Hiiraan, verzeichnete vor allem in den Quartalen Q1 2012 - Q3 2013 ein erhebliches Maß an Vorfällen. Diese Zeit war von einer hohen Zahl an Handgranatenanschlägen geprägt, welche danach drastisch zurückgegangen sind. Die Zahl an Morden und gezielten Attentaten liegt konstant bei durchschnittlich ca. 4 - 5 pro Quartal. Hingegen hat die Zahl an Sprengstoffanschlägen abgenommen; in den Quartalen Q2 2014 - Q2 2015 kam es zu lediglich zwei entsprechenden Vorfällen (Bundesasylamt Österreich, Somalia Lagekarten zur Sicherheitslage vom 12.10.2015 S. 21). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Anzahl der verzeichneten Vorfälle keine Opfer nach sich zog (etwa Handgranatenanschläge, vereitelte Sprengstoffanschläge etc.), wohingegen andere Vorfälle eine Vielzahl an Opfern hervorriefen (v.a. komplexe Angriffe). Eine Berücksichtigung der genauen Opferzahlen kann dabei wohl wegen der Quellenlage nicht vollzogen werden (Bundesasylamt a. a. O. S. 7). Aufgrund der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen lässt sich für die Annahme, dass die von den Konfliktparteien ausgetragenen kriegerischen Auseinandersetzungen und Anschläge eine solche Gefahrendichte erzeugen, welche die Zuerkennung subsidiären Schutzes rechtfertigen wie z. B. ein Risiko, welches höher als 1:800 liegt, keine hinreichende Wahrscheinlichkeit entnehmen. Dabei ergibt sich insbesondere auch das Bild, dass die Anschläge von Al-Shabaab Regierungsmitarbeitern, Angehörigen von AMISOM, Mitarbeiter internationaler Organisationen, Angehörigen der Sicherheitskräfte, mit der Regierung zusammenarbeitende Personen, Politikern und Deserteuren gelten und Zivilpersonen dabei zufällig zu Opfern werden.

2. Es besteht kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht, noch ist dies sonstwie ersichtlich.

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger nicht angesichts der allgemeinen schlechten Versorgungslage in Somalia. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung ist die nach den eingeführten Erkenntnisquellen bestehende unzureichende Versorgungslage in Somalia eine allgemeine Gefahr, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - juris, Rn. 32 m. w. N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Somalia erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1 m. w. N.). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alldem BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 - BVerwGE 137, 226). Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist in Süd- und Zentralsomalia die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nicht gewährleistet; es gibt keinen sozialen Wohnraum oder Sozialhilfe und keine Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1. Dezember 2015 (Stand: November 2015, S. 16). In allen Städten Süd- und Zentralsomalias ist für den Großteil der Bevölkerung der Zugang zur sozialen Grundversorgung beschränkt. Clan und Familie, einbezogen die weitere Familie, sind nach wie vor die wichtigsten Faktoren bezüglich der Akzeptanz, Sicherheit und dem Zugang zu Grundbedürfnissen wie Wohnung und Essen. Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist für den Kläger nicht ersichtlich, dass er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Der Kläger ist ein junger Mann, der einem Mehrheitsclan angehört. Seine Eltern leben noch in ... und werden nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch die Unterstützung eines in Dubai lebenden Onkels versorgt. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Familie und der Clan des Klägers im Falle seiner Rückkehr keine Unterstützung gewähren können und wollen. Der Kläger hat auch nichts Gegenteiliges behauptet.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegen.


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 4. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm subsidiären Schutz gemäß § 4 Asylgesetz – AsylG – zuzuerkennen, hilfsweise das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – festzustellen. Des Weiteren wendet er sich gegen die von der Beklagten verfügte Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung.

2

Er stellte am 15. März 2012 bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag und gab an, ein am 1. Januar 1984 geborener somalischer Staatsangehöriger zu sein. Er gehöre dem Stamm der Hawia an und sei in B. geboren. In seinem Herkunftsland habe er Verwandte ersten und zweiten Grades sowie weitere Familienangehörige. Er habe keine berufliche Tätigkeit ausgeübt und sei vier Jahre zu Schule gegangen.

3

Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt trug der Kläger zur Begründung seines Asylantrags vor: Er habe von 1998 bis 2004 eine Privatschule in Mogadischu besucht, die 15 Dollar pro Monat gekostet habe. Er habe bis 15. Januar 2004 zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in Mogadischu im Stadtteil Towfiq gelebt. Er sei ledig und habe keine Kinder. Sein Vater habe bis 2006 einen Laden gehabt, in dem er ab und zu geholfen habe. Die Eltern lebten seit 2006 im Flüchtlingslager E. B. Er habe am 15. Januar 2004 sein Heimatland verlassen. Mit dem Auto sei er von Mogadischu nach Addis Adeba und dann weiter nach Karthum und Tripoli gefahren und von dort mit dem Boot am 20. Oktober 2004 nach Malta. Er habe sich drei Jahre in Malta aufgehalten, bis 2. November 2007. Er habe in Malta einen Asylantrag gestellt und eine Aufenthaltserlaubnis beschränkt für ein Jahr erhalten. Er sei mit dem Flugzeug nach Stockholm geflogen und habe auch in Schweden einen Asylantrag gestellt. Im Februar 2008 habe er Schweden verlassen und sei mit dem Bus in die Niederlande gereist, wo er sich sieben Monate aufgehalten habe. Mit dem Zug sei er weiter in die Schweiz gefahren und von dort sei er mit dem Flugzeug nach Malta abgeschoben worden, wo er dann wiederum drei Jahre gewesen sei. Am 24. Februar 2012 habe er Malta mit dem Flugzeug verlassen und sei nach Deutschland eingereist. Sein erster Aufenthalt in Malta habe drei Jahre gedauert, der Aufenthalt nach der Abschiebung aus der Schweiz nochmal drei Jahre. Er sei nicht in Malta geblieben, weil die Aufenthaltserlaubnis beschränkt gewesen sei und er dort keine Lebensperspektive gehabt habe. Die Flüchtlinge seien dort in Feldlagern untergebracht gewesen. Man habe versuchen können, als Tagelöhner zu arbeiten. Er sei ganz selten als Tagelöhner genommen worden. Er habe Unterstützung von einem in England wohnenden Onkel und von in verschiedenen europäischen Ländern lebenden Cousinen und Cousins bekommen. Nach Deutschland sei er mit der Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr eingereist, die er von der maltesischen Regierung bekommen habe. Im Zug von Frankfurt nach Dortmund habe er seine Tasche verloren, in dem das Dokument gewesen sei. Zum Verfolgungsschicksal trug der Kläger vor: Seine Familie habe wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit die Provinz Heran verlassen. In dem Hawia Clan seien sie die Minderheit. Es gebe etliche Zweige der Hawia und die Minderheiten bekämpften sich gegenseitig. Sie seien 1993 geflohen, erst nach Johar. Dort sei sein älterer Bruder getötet worden, von einem sehr einflussreichen Stammesangehörigen der Abgal. Dieser habe seinem Vater gesagt, sie würden nur unter seiner Gnade am Leben bleiben. 1997 hätten sie Johar verlassen müssen und seien nach Mogadischu gekommen. In Mogadischu habe sein Vater Schutzgeld für den Laden zahlen müssen. Dort sei die Mehrheit der Bevölkerung Abgal und Habar Gedir. Sein Vater habe seine Söhne nicht verlieren wollen und gesagt, sie sollten ausreisen. Er, der Kläger, sei erst in Richtung Libyen geflüchtet, ein Bruder nach Uganda und der andere Bruder nach Kenia. Er habe den Mann, der seinen Bruder erschossen habe, in Mogadischu wieder gesehen. Er habe Angst gehabt, dass er auch ihn töten würde. Die Leute, die seinen Bruder getötet hätten, hätten sich nun der Al Shabaab angeschlossen. Er wisse dies von seinem Vater und seinen Geschwistern von der zweiten Frau seines Vaters und der Frau, die dort leben würden und zu denen er noch Kontakt habe.

4

Eine Eurodac-Auswertung am 16. März 2012 ergab einen Treffer der Kategorie 1 in den Niederlanden. Eine Abfrage am 28. Januar 2013 zeigte Treffer der Kategorie 1 in den Niederlanden und in Schweden (Treffer „SE1…“ – 22. November 2007 und „NL1…“ – 03. Juni 2008). Einem Wiederaufnahmegesuch an Schweden stimmten die schwedischen Behörden nicht zu: Der Kläger habe ausweislich einer Eurodac-Anfrage vom Dezember 2007 in Malta am 23. Oktober 2004 einen Asylantrag gestellt. Das damalige schwedische Wiederaufnahmegesuch sei von Malta akzeptiert worden. Der Kläger sei aber dann geflüchtet.

5

Der Asylantrag blieb erfolglos. Mit Bescheid vom 27. Januar 2014 wurde die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1), der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Ziffer 2), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziffer 3). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Ziffer 4). Der Kläger wurde zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen aufgefordert, für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Somalia angedroht (Ziffer 5). Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Aus dem Vorbingen des Klägers sei keine Verfolgungsgefahr in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu den Hawia erkennbar und nachvollziehbar geworden. Die Hawia gehörten zu den fünf größten Stämmen in Somalia, auch die Regierung sei mit vielen Angehörigen der Hawia besetzt. Der Vortrag, er habe befürchtet, ein Angehöriger der Abgal, der auch seinen Bruder getötet habe, könne auch ihn töten, sei wirklichkeitsfremd. Subsidiärer Schutz sei ebenso nicht zuzuerkennen. Konfliktbedingte Ereignisse seien nicht so häufig, dass jeder Rückkehrer damit rechnen müsste, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. Wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Mehrheitsstamm sei für den Kläger keine Gefahr für eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung im Fall seiner Rückkehr ersichtlich. Abschiebungsverbote bestünden nicht, weder nach § 60 Abs. 5 noch nach Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es gebe Bevölkerungsteile in Somalia, die Schwierigkeiten bei der Versorgung und dem Erzielen des wirtschaftlichen Existenzminimums hätten. Insbesondere mittellose Rückkehrer müssten häufig ein Leben am Rande des Existenzminimums führen. Anzeichen für eine derart schlechte Versorgung, dass jeder Rückkehrer alsbald einer extremen Gefahr ausgesetzt wäre, gebe es aber nicht. Der Kläger könne sich zudem der Unterstützung und Hilfe seiner Familie sicher sein.

6

Am 26. Februar 2014 hat der Kläger Klage erhoben und weiter geltend gemacht, seine Verfolgungsgefahr knüpfe an seine Stammes- bzw. Clanzugehörigkeit an und sei für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft relevant. Jedenfalls habe er Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes. In ganz Somalia bestehe weiterhin ein innerstaatlicher Konflikt, der von so hoher Intensität sei, dass er eine ernsthafte Bedrohung für jede Zivilperson darstelle. Zumindest liege ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Grundversorgung sei nicht gesichert. Zudem leide er an chronischer Hepatitis B, die zwar nicht akut behandelt, aber regelmäßig überwacht werden müsse. Es sei nicht ersichtlich, dass dies in Somalia möglich sei.

7

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger noch vorgetragen, sein Bruder sei im Verlauf eines Streits beim Kartenspielen um Geld getötet worden. Seine Familie sei 1998 nach Mogadischu gezogen. Er habe 2003 eine Frau kennengelernt, die durch ihn unehelich schwanger geworden sei. Ihre Familie habe ihn töten wollen. Sie gehörten unterschiedlichen Stämmen der Hawia an. Er habe Angst gehabt und deshalb das Land verlassen wollen. Die Familie aus Yohar, die seinen Bruder getötet habe, sei dann in Mogadischu aufgetaucht. Sie habe von der Schwangerschaft der Frau erfahren und wissen wollen, wo er sei, und seinen Vater verprügelt. Die ganze Familie habe sich deshalb entschlossen zu fliehen, die Eltern nach Kenia, die Geschwister nach Kenia und Uganda. Er habe keine Gelegenheit gehabt, dies bei der Anhörung beim Bundesamt zu sagen. Die Familie aus Yohar sei gekommen, um sie zu vernichten. Er habe auf Malta einen weißen Pass genommen, der für ein Jahr Gültigkeit gehabt habe. Nach seiner Rückkehr habe er eine Verlängerung der Ausweise bekommen. Diese Dokumente habe er im Zug verloren. Er könne nicht nach Somalia zurückgehen, da die Familie aus Yohar immer noch auf ihn warte. Wegen der Hepatitis B-Erkrankung habe er jeden Tag Beschwerden, nämlich Schmerzen an der Leber. Medikamente nehme er keine.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

die Beklagte unter Aufhebung der zu den Ziffern 1, 3, 4 und 5 getroffenen Entscheidungen im Bescheid vom 27. Januar 2014 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,

10

hilfsweise ihm subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,

11

sowie äußerst hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich seiner Abschiebung nach Somalia vorliegen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Es fehle an einem glaubhaften Vortrag zum Verfolgungsschicksal. Er habe vor dem Bundesamt und dem Gericht völlig unterschiedliche Angaben gemacht. Ein Anspruch auf Feststellung des subsidiären Schutzes bestehe ebenso nicht. Angesichts dessen, dass sein Vorbringen insgesamt nicht glaubhaft sei, könne jedenfalls nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass in der behaupteten Heimatregion des Klägers praktisch jede Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände seien nicht erkennbar. Mangels glaubhafter Darlegungen bestehe auch kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots. Anhaltspunkte für eine extreme Gefahrenlage bei Rückkehr nach Somalia bestünden keine. Der Kläger sei jung und durch den Schulbesuch gut ausgebildet und könne auf die Unterstützung seiner Familie bauen. Die attestierte chronische Hepatitis B stehe einer Rückkehr ebenfalls nicht entgegen. Die Möglichkeit einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands müsse objektiv gegeben sein und zumindest in die Nähe der lebensgefährlichen Bedrohung reichen, was nicht der Fall sei. Auch die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung sei nicht zu beanstanden.

15

Der Senat hat auf Antrag des Klägers die Berufung wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs zugelassen, weil das Verwaltungsgericht sich mit den Ausführungen des Klägers zu seiner Aufenthaltserlaubnis auf Malta nicht auseinander gesetzt hat.

16

Der Kläger trägt vor, in Malta sei ihm der subsidiäre Schutz gewährt worden. Im Anschluss habe er Malta verlassen und in Schweden, den Niederlanden und in der Schweiz um Asyl bzw. Schutz gebeten. Von der Schweiz sei er nach Malta abgeschoben worden, wo die Aufenthaltserlaubnis noch einmal verlängert worden sei. Die Beklagte habe kein Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung durchgeführt, sondern nach nationalem Recht entschieden, allerdings ohne die Akten aus Malta beizuziehen oder weiter zu prüfen, ob sich aus der dortigen Schutzgewährung Einschränkungen ergäben. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses habe in seinem Urteil vom 17. Juni 2014 (Az.: 10 C 7.13) entschieden, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen anderen Mitgliedstaat Bindungswirkung entfalte. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes lägen vor. Es herrsche in Zentral- und Südsomalia nach wie vor Bürgerkrieg und es gebe kaum Schutz vor Übergriffen durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete Banden. Auch internationale Hilfsorganisationen könnten keinen Schutz bieten, sie müssten ausweislich des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom November 2014 selbst um ihre Mitarbeiter dort bangen. Er sei als Angehöriger der Zivilbevölkerung gefährdet. Er habe Somalia vor 11 Jahren verlassen, sei nicht mehr in die dortigen Clanstrukturen eingebunden und wäre bei einer Rückkehr auf sich alleine gestellt. Dies sei ein individuelles, gefahrerhöhendes Merkmal. Jedenfalls ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein nationales Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG, weil die Abschiebung gegen Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – verstoßen würde. In dieser Hinsicht sei eine andere Beurteilung als im Rahmen von § 4 AsylVfG kaum denkbar. Der internationale subsidiäre Schutz, der in § 4 AsylVfG in nationales Recht umgesetzt worden sei, sei bereits zuerkannt, wenn auch von einem anderen Staat. Daher sei konsequenter Weise ein entsprechendes Abschiebeverbot zu bejahen. Hilfsweise liege ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Grundversorgung sei nicht gewährleistet. Es sei nicht ohne weiteres anzunehmen, dass seine Familie noch immer anwesend und bereit sowie in der Lage sei, ihn zu unterstützen.

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Der Kläger beantragt,

18

unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 4. Februar 2015 und Aufhebung von Ziffern 3., 4. und 5. des Bescheides vom 27. Januar 2014 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen

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hilfsweise,

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festzustellen, dass für ihn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

21

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

23

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Kläger habe nichts unternommen, um die von ihm behauptete Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter durch die Republik Malta zu beweisen. Er habe vorgetragen, sein Reisedokument im Zug verloren zu haben.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2015. Die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die auf Bl. 32 ff. und Bl. 119 ff. der Prozessakte aufgelisteten Unterlagen zu den Verhältnissen in Somalia lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden konnte, weil diese ordnungsgemäß geladen war (§ 102 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –) ist zwar zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).

26

Maßgeblich für die Entscheidung sind gemäß § 77 Abs. 1 Asylgesetz – AsylG – die Vorschriften des Asylgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010).

27

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit des Begehrens nach Zuerkennung subsidiären Schutzes keine bereits im Ausland erfolgte Zuerkennung entgegen. Wurde bereits im Ausland die Rechtsstellung eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne vom § 4 AsylG zuerkannt, so ist ein erneutes Schutzbegehren zwar unzulässig (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 –, BVerwGE 150, 29 und juris, Rn. 28 ff. und Beschluss vom 30. September 2015 – 1 B 51.15 –, S. 3 f. BA). Vorliegend kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger bereits von der Republik Malta ein solcher Schutzstatus zuerkannt worden ist. Der Kläger hat insoweit zwar vorgetragen, ihm sei auf Malta der subsidiäre Schutz gewährt worden; jedoch steht auf der Grundlage dieser Behauptung und unter Zugrundelegung der sonstigen Umstände nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger über eine solche Rechtsstellung verfügt. Er hat insoweit keinerlei Dokumente vorlegen können; eine entsprechende Rechtsstellung ist auch nicht aus den vorliegenden Verwaltungsakten erkennbar.

28

Dabei dürfte zunächst feststehen, dass dem Kläger bei seinem ersten Aufenthalt auf Malta im Zeitraum 2004 bis 2007 kein Aufenthaltstitel erteilt worden ist. Dies ergibt sich daraus, dass Malta dem Wiederaufnahmegesuch von Schweden im Jahr 2007 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 lit. c) der Dublin-II-Verordnung zugestimmt hat, d.h. wegen des laufenden Verfahrens auf Malta, und nicht auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung bei erteiltem Aufenthaltstitel. Aus dem klägerischen Vortrag ergeben sich weiterhin keine darüber hinaus gehenden konkreten Anhaltspunkte, dass ihm im Rahmen seines zweiten Aufenthalts auf Malta der subsidiäre Schutzstatus bzw. ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist. Genauso, wie er sich bereits von 2004 bis 2007 ohne einen solchen auf Malta aufgehalten und dort (selten) als Tagelöhner gearbeitet haben kann, kann dies auch ohne weiteres bei seinem zweiten Aufenthalt von der Abschiebung aus der Schweiz (wohl Ende 2008/Anfang 2009) bis 2012 der Fall gewesen sein.

29

Auch der Umstand, dass bei der Eurodac-Abfrage der Beklagten kein Treffer in Bezug auf Malta angezeigt wurde, führt zu keiner anderen Bewertung. Zwar könnte dies darauf hindeuten, dass der Datensatz des Klägers wegen einer Anerkennung als Flüchtling gemäß Art. 12 Abs. 1 der Eurodac-Verordnung gesperrt war. Indes kann dies aber auch ohne weiteres auf anderen Gründen, wie etwa systembedingten oder anwenderbedingten Fehlern beruhen. So ergab sich bei der Abfrage der Beklagten im März 2012 lediglich der Treffer für die Niederlande, während in einer späteren Abfrage Treffer in den Niederlanden und in Schweden angezeigt wurden.

30

Eine weitergehende Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO hat für das Gericht nicht bestanden, weil der klägerische Vortrag – auch nach Hinweis und ausdrücklicher Nachfrage – keine hinreichenden konkreten Anhaltspunkte für eine solche geboten hat (vgl. zur Amtsermittlungspflicht etwa BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2015 – 1 B 2.15 –). Es hätte dem Kläger oblegen, zumindest durch weitere und genauere Angaben zu seinen Aufenthalten auf Malta und den von ihm angeführten Aufenthaltserlaubnissen und Dokumenten konkrete Anhaltspunkte dafür zu bieten, dass sein – aus der Eurodac-Anfrage Schwedens ersichtlicher – am 23. Oktober 2004 gestellter Asylantrag auf Malta dort zu einer Anerkennung geführt hat. Seine Angaben sind ohne weitere Präzisierung so vage geblieben, dass sich aus ihnen keine Anknüpfungspunkte für eine weitere Sachverhaltsermittlung ergeben haben.

31

Mangels Vorliegens einer im Ausland zuerkannten Schutzstellung steht daher auch das Rechtsschutzinteresse für die Zuerkennung nationaler Abschiebungsverbote nicht in Frage (vgl. zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für die Zuerkennung nationaler Abschiebungsverbote bei bereits erfolgter Gewährung subsidiären Schutzes im Ausland BayVGH, Beschluss vom 18. Juni 2015 – 20 B 15.30017 –, juris, Rn. 14).

32

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (1.) noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes (2.), auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden (3.).

33

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter. Die Voraussetzungen des § 4 AsylG liegen nicht vor. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie – worauf sich der Kläger vorliegend ausschließlich beruft – eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

34

Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen Al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- und Zentralsomalia kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al Shabaab-Miliz. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon längere Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten, zu denen seit August 2011 auch die Hauptstadt Mogadischu zählt, finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 2. Februar 2015, Stand November 2014, S. 4 f.; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 29; Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 7; siehe auch EGMR, Urteil vom 5. September 2013 – Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] –, Rn. 87 ff.).

35

Der Senat kann dahinstehen lassen, ob angesichts dessen die Aussage des Klägers zutrifft, in ganz Süd- und Zentralsomalia – und damit auch in der Hauptstadt Mogadischu – herrsche noch ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt (vgl. zur Definition BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 22 f. und vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 –, juris, Rn. 22 ff.). Während das Auswärtige Amt insoweit – ohne Differenzierung danach, ob es sich um „befreite“ Gebiete handelt – dies bejaht (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 2. Februar 2015, Stand November 2014, S. 4 f.: „In Süd- und Zentralsomalia, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, herrscht Bürgerkrieg.“), gehen andere Einschätzungen wie das Österreichische Bundesasylamt davon aus, dass sich die generelle Sicherheitssituation für die Bevölkerung Mogadischus verbessert hat. Mogadischu ist danach vielleicht noch nicht befriedet, befindet sich jedoch definitiv nicht im Kriegszustand (Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 43). Weiter wird es als sehr unwahrscheinlich angesehen dass die Al Shabaab unter den gegebenen Umständen in der Lage ist, Mogadischu wieder einzunehmen (vgl. Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 8). Daher ist fraglich, ob für die Region Mogadischu, in der es nicht mehr zu direkten bewaffneten Auseinandersetzungen kommt, noch ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu bejahen ist. Allerdings wird der erreichte Zustand in nahezu allen Berichten als fragil bzw. unbeständig beschrieben (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Somalia: Sicherheitssituation in Mogadischu – Auskunft der SFH-Länderanalyse, 25. Oktober 2013, S. 1; European Asylum Support Office, EASO Somalia seminar, 14 October 2014 – Summaries of Keynotes Presentations, 1. Dezember 2014, S. 4; Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 49). Die Al Shabaab vollzieht nunmehr eine asymetrische Kriegsführung, die insbesondere gezielte Attentate, den Einsatz von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen und überfallartige Angriffe (sog. „hit and run“) umfasst (Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 9; siehe auch European Asylum Support Service, EASO Country of Origin Information report – South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 85; vgl. auch EGMR, Urteil vom 5. September 2013 – Nr. 886/11 [K.A.B. ./. Schweden] –, Rn. 88).

36

Jedenfalls ist der Kläger im hier vorliegenden Einzelfall keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt.

37

Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 – 10 C 6.13 –, juris, Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere, etwa weil er von Berufs wegen (z. B. als Arzt oder Journalist) gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 33, und vom 17. November 2010 – 10 C 13.10 –, juris, Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 17. Februar 2009 – C-465/07 [Elgafaji] –, juris, Rn. 35 und 39, und vom 30. Januar 2014 – C-285/12 [Diakite] –, juris, Rn. 30; BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 32 und vom 17. November 2011 – 10 C 13.10 –, juris, Rn. 19).

38

Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, notwendig (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 33, und vom 13. Februar 2014, 10 C 6.13 –, juris, Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, 10 C 13.10 –, juris, Rn. 22 f. zur Lage in der Provinz Ninive im Irak; siehe auch BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 11/10 –, juris, Rn. 20 f. zur Lage in Bagdad [Risiko von 1:1000]).

39

Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 – 10 C 9.08 –, juris, Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – C-465/07 [Elgafaji]). Dies ist im Fall des Klägers die Hauptstadt Mogadischu. Dort hat der Kläger nach seinen Angaben von 1997 bis 2004 mit seinen Eltern und seinen Geschwistern gelebt, sein Vater hatte dort bis 2006 einen Laden und der Kläger ist dort zur Schule gegangen.

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Gemessen an diesen Kriterien fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr nach Mogadischu.

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Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Kläger gehört keiner Risikogruppe an. Gefahrerhöhende Umstände ergeben sich auch nicht bereits aus seiner Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Zwar sieht die Al Shabaab Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an (European Asylum Support Office, EASO Country of Origin Information report – South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 106); da sie aber in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten – wie Mogadischu – nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen – v.a. auch Binnenvertriebene (vgl. European Asylum Support Office, EASO Country of Origin Information report – South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 117; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 19) – ergibt sich daraus nicht für jeden Rückkehrer ohne weiteres eine ernsthafte Bedrohung. Der Kläger gehört zudem nicht einem Minderheiten-, sondern einem Mehrheitenclan an, so dass auch unter diesem Aspekt kein gefahrerhöhender persönlicher Umstand angenommen werden kann. Auch ist nicht ersichtlich, dass er bereits der Al Shabaab oder den Polizeikräften besonders aufgefallen ist. Soweit er diesbezüglich vorgetragen hat, die Familie, die seinen Bruder anlässlich eines Kartenspiels um Geld getötet habe, gehöre jetzt der Al Shabaab an und wolle auch ihn töten, so bestehen zum einen angesichts des vom Kläger im Laufe des Verfahrens gesteigerten Vortrags – insbesondere auch im Hinblick auf den Hintergrund der Tötung des Bruders (Kartenspiel um Geld) und die Bedrohung wegen der Schwangerschaft einer Frau – Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens. Zudem ergibt sich aber aus den Ausführungen des Klägers auch nicht, dass nach nunmehr 11 Jahren immer noch eine ernsthafte Bedrohung bestehe.

42

Auch die allgemeine Lage ist nicht so gefährlich, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen auf jede Zivilperson individualisiert. Die erforderliche Gefahrendichte ist in Mogadischu nicht mehr gegeben. Zwar ist die Sicherheits- und Versorgungslage in Süd- und Zentralsomalia nach wie vor fragil, dennoch zeichnet sich nach den vorliegenden Erkenntnisquellen eine Entwicklung ab, die eine Verbesserung der generellen Sicherheitssituation für die Bevölkerung mit sich gebracht hat, auch wenn dies nicht landesweit gilt.

43

Eine genaue Bewertung der Gefahrendichte aufgrund einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, erscheint jedoch kaum verlässlich möglich. Dies beruht bereits darauf, dass es für eine Gesamtbevölkerungszahl als Ausgangsbasis keine gesicherten Zahlen gibt und die entsprechenden Schätzungen erheblich differieren. Zudem kann die Zahl der Zivilpersonen, die Opfer willkürlicher Gewalt geworden sind, kaum annäherungsweise verlässlich geschätzt werden, weil belastbare Zahlen nicht vorhanden sind. Dies betrifft etwa die Frage, ob in den insoweit verfügbaren Aufstellungen die Zählung der „Zivilpersonen“ auch solche Opfer umfasst, die den besonderen Risikogruppen (Politiker, Regierungsmitarbeiter etc.) angehören. Auch wird in den Berichten über Vorfälle meist lediglich über die Zahl der Getöteten, nicht aber auch über die der Verletzten berichtet.

44

Die Gesamtbevölkerung von Mogadischu wird vom Auswärtigen Amt als vermutlich deutlich über eine Million Einwohner einschließlich einer großen Anzahl Binnenvertriebener einschätzt (www.auswaertiges-amt.de). Setzt man zu dieser Einwohnerzahl die sich aus der Aufstellung von ACCORD (Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), 3. November 2015) ergebende Zahl der im Jahr 2014 in der gesamten Region Banaadir verzeichneten 739 Vorfälle mit 586 Toten – jedoch bezogen auf alle Konfliktvorfälle, d.h. nicht nur Gewaltvorfälle gegen Zivilpersonen – würde sich unter Zugrundelegung dieser Zahlenwerte ein Tötungsrisiko von etwa 1:1700 (0,0586 %) ergeben, wobei eine Berechnung des Verletzungsrisikos mangels entsprechender verfügbarer Auflistung nicht möglich erscheint.

45

Auch ungeachtet einer quantitativen Bewertung ergibt sich unter Zugrundelegung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen in Mogadischu keine solche Gefahrendichte, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. In den Berichten ist regelmäßig von „Verbesserungen“ die Rede, auch wenn dies angesichts der früheren extremen Situation nicht damit gleichgesetzt werden kann, dass keine wesentliche Gefahr für die Zivilbevölkerung mehr gegeben ist. Aus der Hauptstadt Mogadischu wurde die Al Shabaab Miliz im August 2011 vertrieben. Es gelingt ihr zwar immer wieder, Anschläge zu verüben. Diese Anschläge richten sich aber in der Regel gezielt gegen Funktionsträger (vgl. Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 11). Wegen der verdeckten Präsenz der Al Shabaab besteht in Mogadischu für mehrere Risikogruppen (z. B. Regierungsmitarbeiter, Politiker, Sicherheitskräfte etc.) eine Gefahr durch auf Funktionsträger und deren Einrichtungen gerichtete Attentate und Anschläge. Für den einfachen Stadtbewohner droht hingegen als einzige Gefahr, sich „zur falschen Zeit am falschen Ort“ zu befinden und damit Opfer im Rahmen solcher Anschläge zu werden (Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 43). Die Gesamtzahl der zivilen Opfer dürfte daher zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben. Dies beruht darauf, dass nach bisheriger Erkenntnislage durch die von der Al Shabaab vorgenommene strategische Auswahl der Anschlagsziele bestimmte Berufsgruppen in besonderer Weise betroffen waren: Regierungsmitarbeiter, Mitarbeiter internationaler Organisationen, Angehörige der Sicherheitskräfte, Abgeordnete, mit der Regierung zusammenarbeitende Personen, Politiker. Dies verdeutlichen die nach den vorliegenden Erkenntnisquellen verübten Anschläge (siehe zu den Ereignissen im Jahr 2015 etwa die Aufstellung von ACCORD, ecoi.net-Themendossier: Al Shabaab: Zeitachse von Ereignissen, Stand 22. September 2015: September 2015: Angriff auf einen Militärstützpunkt nahe Mogadischu; August 2015: Bombenanschlag in Mogadischu; Juli 2015: schwerer Bombenanschlag auf das Hotel Jazeera Palace, Anschlag auf zwei Hotels in Mogadischu, wovon sich eines nahe dem somalischen Parlament befindet; Juni 2015: Selbstmordanschlag auf einen diplomatischen Konvoi; April 2015: Explosion einer Autobombe vor einem Restaurant vor dem Central Hotel, in dem sich oft Politiker aufhalten, Angriff auf einen Regierungskomplex u.a. mit einem mit Sprengstoff beladenen Auto; März 2015: Besetzung eines Hotels, Autobombenanschlag vor einem Hotel; Februar 2015: Angriff auf ein Hotel, in dem Regierungsbeamte das Freitagsgebet abgehalten haben, Angriff auf den Präsidentenpalast; Januar 2015: Explosion einer Autobombe vor einem Hotel, in dem Delegierte der Türkei den Besuch des türkischen Präsidenten vorbereiteten, Selbstmordanschlag nahe dem Flughafen; siehe zudem zu Vorfällen in den vergangenen Monaten Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 28. September 2015: Autobombenanschlag nahe dem Präsidentenpalast; Briefing Notes vom 2. November 2015: Angriff auf das Hotel Sahafi). Die Betrachtung der – in den o. g. Aufstellungen von ACCORD auch für die Vorjahre – verzeichneten Anschläge zeigt, dass es die Al Shabaab nicht gezielt auf Zivilisten absieht, insoweit aber Opfer in Kauf nimmt. Die Vorkommnisse, über die berichtet wird, sind insgesamt nicht so häufig und erreichen keine so hohen zivilen Opferzahlen, als davon gesprochen werden könnte, dass jeder Zivilist der weit über eine Million Einwohner zählenden Stadt aufgrund seiner bloßen Anwesenheit gefährdet wäre (siehe dazu auch VG Aachen, Urteile vom 13. April 2015 – 7 K 711/14.A –, juris, und vom 9. November 2015 – 7 K 53/15.A –, juris; VG Regensburg, Urteil vom 27. August 2015 – RO 7 K 15.30680 –; VG Cottbus, Urteil vom 10. September 2015 – VG 5 K 487/15.A –; VG Stade, Urteil vom 5. Oktober 2015 – 3 A 3658/13 –, juris; siehe auch EGMR, Urteil vom 5. September 2013 – Nr. 886/11 [K.A.B. ./. Schweden] –, Rn. 86 ff.; a.A. VG Kassel, Urteil vom 3. März 2015 – 4 K 867/13.KS.A –; VG Göttingen, Urteil vom 21. Juli 2015 – 3 A 626/14 –, juris). Insoweit lässt sich zwar bislang keine wesentliche rückläufige Tendenz der Vorfälle verzeichnen, indes ergeben sich aber auch keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür, dass abgesehen von Schwankungen in der Häufigkeit der Vorfälle und der Anzahl der Opfer von einer wesentlichen Trendänderung dahingehend auszugehen ist, dass jeder Zivilperson bereits durch ihre Anwesenheit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben drohen würde. Jedenfalls lässt sich auch ein staatliches Vorgehen gegen die Al Shabaab verzeichnen, etwa die Aussetzung eines Kopfgeldes von insgesamt 1,3 Mio. USD für 11 ranghohe Funktionsträger der Al Shabaab und ein Großeinsatz somalischer Sicherheitskräfte mit Durchsuchungen in Mogadischu und 60 Festnahmen mutmaßlicher Mitglieder der Al Shabaab (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 13. April 2015 und 15. Juni 2015).

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2. Es besteht kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG (a.) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (b.).

47

a. Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat der Kläger lediglich unter dem Gesichtspunkt geltend gemacht, dass wegen der Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf Malta und wegen der nahezu identischen Voraussetzungen ein Abschiebungsverbot auch auf dieser Grundlage zu bejahen wäre. Von der Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf Malta kann aber nicht ausgegangen werden; für eine darüber hinaus gehende Prüfung hat der Kläger weiter nichts vorgetragen.

48

b. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht ersichtlich.

49

Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger nicht angesichts der allgemeinen schlechten Versorgungslage in Somalia.

50

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung macht der Kläger mit seinem Hinweis auf die unzureichende Versorgungslage in Somalia allgemeine Gefahren geltend, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 –, juris, Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Somalia erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG –, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde" (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 – 1 C 5.01 –, BVerwGE 115, 1 und juris, Rn. 21 m.w.N.). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alldem BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 – 10 C 24/10 –, BVerwGE 137, 226 und juris, Rn. 12 ff.).

51

Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist in Süd- und Zentralsomalia die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nicht gewährleistet; es gibt keinen sozialen Wohnraum oder Sozialhilfe und keine Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 2. Februar 2015, Stand November 2014, S. 16). In allen Städten Süd- und Zentralsomalias (inklusive Mogadischu) ist für den Großteil der Bevölkerung der Zugang zur sozialen Grundversorgung beschränkt. Clan und Familie, einbezogen die weitere Familie, sind nach wie vor die wichtigsten Faktoren bezüglich der Akzeptanz, Sicherheit und dem Zugang zu Grundbedürfnissen wie Wohnung und Essen. Eine generelle Regel ist es, dass Somalier auch sehr weit entfernten Verwandten helfen, solange eine Clan-Verbindung besteht, vorausgesetzt, sie sind in der Lage, dies zu tun (Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 20). Für Somalier in Mogadischu ist es sehr schwierig, ohne Unterstützung durch ein Netzwerk zu überleben. Insbesondere, wenn sie keinem Clan oder keiner Kernfamilie in dem maßgeblichen Bezirk angehören, sind sie heiklen Existenzbedingungen ausgesetzt. Sie sind oft gezwungen, in Siedlungen für Binnenvertriebene zu leben, wo die Lebensbedingungen erbärmlich sind und gemeinhin von Menschenrechtsverletzungen berichtet wird (Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 26; siehe auch European Asylum Support Service, EASO Country of Origin Information report – South an Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 37 f.; vgl. zu den dortigen Verhältnissen auch EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 – Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi] –, Rn. 303). Es wird weiter aber auch berichtet, dass lokale NGOs Neuankömmlingen helfen können (siehe European Asylum Support Service, EASO Country of Origin Information report – South an Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 118).

52

Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist für den Kläger nicht ersichtlich, dass er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Der Kläger ist ein junger Mann, der einem Mehrheitsclan angehört. Er ist durch seinen Schulbesuch gebildet und hat in der Vergangenheit im Laden seines Vaters ausgeholfen und auf Malta (wenn auch selten) als Tagelöhner gearbeitet. Daher ist davon auszugehen, dass er sich durch Gelegenheitsjobs zumindest eine Lebensgrundlage verdienen könnte, die ihm längerfristig ein Leben außerhalb der Vertriebenen- und Flüchtlingssiedlungen ermöglichen kann. Er hat insoweit auch nicht vorgetragen, dass ihn die chronische Hepatitis B-Erkrankung von der Aufnahme jeglicher Tätigkeit abhielte. Zudem hat der Kläger bei der Stellung seines Asylantrags im März 2012 angegeben, Verwandte ersten und zweiten Grades sowie weitere Familienangehörige in Somalia zu haben. Ungeachtet dessen, dass die Angaben zum Verbleib seiner Eltern und Geschwister widersprüchlich sind – in der Anhörung gab der Kläger an, die Eltern lebten im Flüchtlingslager Elesha Biyeha und sein Vater, seine Geschwister von der zweiten Frau des Vaters und die Frau lebten dort und er habe Kontakt zu ihnen, während er in der mündlichen Verhandlung angab, die Eltern seien in Kenia und die Geschwister in Kenia und Uganda, was er in der Anhörung nicht habe sagen können – dürften zumindest Familienangehörige der weiteren Familie noch in Somalia sein. Der Kläger hat weiter angegeben, finanzielle Unterstützung durch einen Onkel aus England und durch in europäischen Ländern lebende Cousinen und Cousins bekommen zu haben; dass eine solche finanzielle Unterstützung nunmehr gänzlich ausgeschlossen sein sollte, hat der Kläger nicht vorgetragen. Auch wenn der Kläger nunmehr seit 11 Jahren nicht mehr in Somalia gewesen ist und er mit den dortigen aktuellen Verhältnissen nicht vertraut sein dürfte, ist davon auszugehen, dass er sich als junger Mann, der in den vergangenen 11 Jahren vielfältige Lebenserfahrungen in unterschiedlichen Ländern gesammelt haben wird und sich auch dort zurecht gefunden hat, auch in Somalia langfristig wieder zurecht finden wird. Daher ist jedenfalls davon auszugehen, dass er auch angesichts der kritischen Lebensbedingungen in Somalia jedenfalls weder der Existenzvernichtung noch schwersten Gesundheitsschäden ausgesetzt sein wird.

53

Auch ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot liegt nicht vor.

54

Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, ist in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 – 1 C 16.05 –, juris, Rn. 17 m.w.N.). Erforderlich aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Ein strengerer Maßstab gilt in Krankheitsfällen ausnahmsweise nur dann, wenn zielstaatsbezogene Verschlimmerungen von Krankheiten als allgemeine Gefahr oder Gruppengefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu qualifizieren sind. Dies kommt allerdings bei Erkrankungen nur in Betracht, wenn es – etwa bei Aids – um eine große Anzahl Betroffener im Zielstaat geht und deshalb ein Bedürfnis für eine ausländerpolitische Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 AufenthG besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 – 1 C 16.05 –, juris, Rn. 17 m.w.N.). In solchen Fällen kann Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nur dann gewährt werden, wenn im Abschiebezielstaat für den Ausländer (entweder aufgrund der allgemeinen Verhältnisse oder aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall) landesweit eine extrem zugespitzte Gefahr wegen einer notwendigen, aber nicht erlangbaren medizinischen Versorgung zu erwarten ist, wenn mit anderen Worten der betroffene Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (siehe zu alldem BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127, 33 und juris, Rn. 15 ff. m.w.N.).

55

Offen bleiben kann hier, ob chronische Hepatitis B eine singuläre Krankheit darstellt oder in Somalia wegen einer hohen Verbreitung als allgemeine Gefahr zu qualifizieren wäre (vgl. hinsichtlich der Verbreitung von Hepatitis B in Zentralafrika VG Hamburg, Urteil vom 17. Oktober 2012 – 4 A 88/12 –, juris). Denn dem Kläger droht bereits keine wesentliche Verschlimmerung seiner Erkrankung alsbald nach der Rückkehr, so dass auch bei Annahme einer singulären Krankheit – und damit erst recht bei einer „allgemeinen Gefahr“ – ein Abschiebungsverbot zu verneinen ist.

56

Den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen nach ist die medizinische Versorgung im gesamten Land äußerst mangelhaft (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 2. Februar 2015, Stand November 2014, S. 16). Eine medizinische Grundversorgung ist grundsätzlich erhältlich in den größeren Stadtzentren in Süd- und Zentralsomalia, auch wenn die Qualität und der Zugang zum medizinischen Service örtlichen Unterschieden und Unsicherheiten unterworfen ist (Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 21). In Mogadischu gibt es Krankenhäuser (siehe European Asylum Support Service, EASO Country of Origin Information report – South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 34).

57

Der Kläger ist jung und hat neben der chronischen Erkrankung mit Hepatitis B keine weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend gemacht. Er hat den „Carrier-Status“, d.h. er ist Träger der Hepatitis B, hat aber keinen mehr oder weniger schweren Leberschaden. Er hat zwar vorgetragen, täglich Schmerzen zu haben, eine akute Behandlung oder medikamentöse Therapie ist derzeit nicht erforderlich, vielmehr soll eine regelmäßige Überwachung erfolgen. Seine Erkrankung befindet sich damit in einem Stadium, in dem keine medikamentöse Behandlung erfolgt und noch einige Jahre oder gar Jahrzehnte vergehen können, bevor es zu einer Erkrankung der Leber kommen kann. Bis dahin ist ungewiss, wann die Behandlungsbedürftigkeit eintritt. Aktuell ist er daher – abgesehen von Kontrolluntersuchungen – nicht auf eine medizinische Versorgung in Mogadischu angewiesen. Auch wenn die zunächst erforderlichen Kontrolluntersuchungen in Mogadischu nicht möglich oder für den Kläger nicht zugänglich sein sollten, gibt es derzeit auch keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesundheitszustand auch ohne regelmäßige Kontrollen alsbald nach der Rückkehr wesentlich verschlimmern würde. Dass sich der Zustand des Klägers aktuell „auf der Kippe“ zur Behandlungsbedürftigkeit befindet oder eine solche in absehbarer Zeit eintreten wird, ist nicht ersichtlich und auch nicht vom Kläger vorgetragen.

58

3. Damit liegen auch die Voraussetzungen für die Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG vor. Da – wie oben ausgeführt – nicht feststeht, dass dem Kläger auf Malta der unionsrechtliche subsidiäre Schutz zuerkannt worden ist, kann eine solche Zuerkennung der Abschiebungsandrohung nach Somalia auch nicht entgegengehalten werden (vgl. zur Frage einer „Bindungswirkung“ VG Berlin, Urteil vom 1. April 2014 – 33 K 548.13 A –, juris, Rn. 31 ff.).

59

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

60

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordung.

61

Die Revision war nicht zuzulassen, da die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 4. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm subsidiären Schutz gemäß § 4 Asylgesetz – AsylG – zuzuerkennen, hilfsweise das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – festzustellen. Des Weiteren wendet er sich gegen die von der Beklagten verfügte Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung.

2

Er stellte am 15. März 2012 bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag und gab an, ein am 1. Januar 1984 geborener somalischer Staatsangehöriger zu sein. Er gehöre dem Stamm der Hawia an und sei in B. geboren. In seinem Herkunftsland habe er Verwandte ersten und zweiten Grades sowie weitere Familienangehörige. Er habe keine berufliche Tätigkeit ausgeübt und sei vier Jahre zu Schule gegangen.

3

Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt trug der Kläger zur Begründung seines Asylantrags vor: Er habe von 1998 bis 2004 eine Privatschule in Mogadischu besucht, die 15 Dollar pro Monat gekostet habe. Er habe bis 15. Januar 2004 zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in Mogadischu im Stadtteil Towfiq gelebt. Er sei ledig und habe keine Kinder. Sein Vater habe bis 2006 einen Laden gehabt, in dem er ab und zu geholfen habe. Die Eltern lebten seit 2006 im Flüchtlingslager E. B. Er habe am 15. Januar 2004 sein Heimatland verlassen. Mit dem Auto sei er von Mogadischu nach Addis Adeba und dann weiter nach Karthum und Tripoli gefahren und von dort mit dem Boot am 20. Oktober 2004 nach Malta. Er habe sich drei Jahre in Malta aufgehalten, bis 2. November 2007. Er habe in Malta einen Asylantrag gestellt und eine Aufenthaltserlaubnis beschränkt für ein Jahr erhalten. Er sei mit dem Flugzeug nach Stockholm geflogen und habe auch in Schweden einen Asylantrag gestellt. Im Februar 2008 habe er Schweden verlassen und sei mit dem Bus in die Niederlande gereist, wo er sich sieben Monate aufgehalten habe. Mit dem Zug sei er weiter in die Schweiz gefahren und von dort sei er mit dem Flugzeug nach Malta abgeschoben worden, wo er dann wiederum drei Jahre gewesen sei. Am 24. Februar 2012 habe er Malta mit dem Flugzeug verlassen und sei nach Deutschland eingereist. Sein erster Aufenthalt in Malta habe drei Jahre gedauert, der Aufenthalt nach der Abschiebung aus der Schweiz nochmal drei Jahre. Er sei nicht in Malta geblieben, weil die Aufenthaltserlaubnis beschränkt gewesen sei und er dort keine Lebensperspektive gehabt habe. Die Flüchtlinge seien dort in Feldlagern untergebracht gewesen. Man habe versuchen können, als Tagelöhner zu arbeiten. Er sei ganz selten als Tagelöhner genommen worden. Er habe Unterstützung von einem in England wohnenden Onkel und von in verschiedenen europäischen Ländern lebenden Cousinen und Cousins bekommen. Nach Deutschland sei er mit der Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr eingereist, die er von der maltesischen Regierung bekommen habe. Im Zug von Frankfurt nach Dortmund habe er seine Tasche verloren, in dem das Dokument gewesen sei. Zum Verfolgungsschicksal trug der Kläger vor: Seine Familie habe wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit die Provinz Heran verlassen. In dem Hawia Clan seien sie die Minderheit. Es gebe etliche Zweige der Hawia und die Minderheiten bekämpften sich gegenseitig. Sie seien 1993 geflohen, erst nach Johar. Dort sei sein älterer Bruder getötet worden, von einem sehr einflussreichen Stammesangehörigen der Abgal. Dieser habe seinem Vater gesagt, sie würden nur unter seiner Gnade am Leben bleiben. 1997 hätten sie Johar verlassen müssen und seien nach Mogadischu gekommen. In Mogadischu habe sein Vater Schutzgeld für den Laden zahlen müssen. Dort sei die Mehrheit der Bevölkerung Abgal und Habar Gedir. Sein Vater habe seine Söhne nicht verlieren wollen und gesagt, sie sollten ausreisen. Er, der Kläger, sei erst in Richtung Libyen geflüchtet, ein Bruder nach Uganda und der andere Bruder nach Kenia. Er habe den Mann, der seinen Bruder erschossen habe, in Mogadischu wieder gesehen. Er habe Angst gehabt, dass er auch ihn töten würde. Die Leute, die seinen Bruder getötet hätten, hätten sich nun der Al Shabaab angeschlossen. Er wisse dies von seinem Vater und seinen Geschwistern von der zweiten Frau seines Vaters und der Frau, die dort leben würden und zu denen er noch Kontakt habe.

4

Eine Eurodac-Auswertung am 16. März 2012 ergab einen Treffer der Kategorie 1 in den Niederlanden. Eine Abfrage am 28. Januar 2013 zeigte Treffer der Kategorie 1 in den Niederlanden und in Schweden (Treffer „SE1…“ – 22. November 2007 und „NL1…“ – 03. Juni 2008). Einem Wiederaufnahmegesuch an Schweden stimmten die schwedischen Behörden nicht zu: Der Kläger habe ausweislich einer Eurodac-Anfrage vom Dezember 2007 in Malta am 23. Oktober 2004 einen Asylantrag gestellt. Das damalige schwedische Wiederaufnahmegesuch sei von Malta akzeptiert worden. Der Kläger sei aber dann geflüchtet.

5

Der Asylantrag blieb erfolglos. Mit Bescheid vom 27. Januar 2014 wurde die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1), der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Ziffer 2), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziffer 3). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Ziffer 4). Der Kläger wurde zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen aufgefordert, für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Somalia angedroht (Ziffer 5). Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Aus dem Vorbingen des Klägers sei keine Verfolgungsgefahr in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu den Hawia erkennbar und nachvollziehbar geworden. Die Hawia gehörten zu den fünf größten Stämmen in Somalia, auch die Regierung sei mit vielen Angehörigen der Hawia besetzt. Der Vortrag, er habe befürchtet, ein Angehöriger der Abgal, der auch seinen Bruder getötet habe, könne auch ihn töten, sei wirklichkeitsfremd. Subsidiärer Schutz sei ebenso nicht zuzuerkennen. Konfliktbedingte Ereignisse seien nicht so häufig, dass jeder Rückkehrer damit rechnen müsste, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. Wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Mehrheitsstamm sei für den Kläger keine Gefahr für eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung im Fall seiner Rückkehr ersichtlich. Abschiebungsverbote bestünden nicht, weder nach § 60 Abs. 5 noch nach Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es gebe Bevölkerungsteile in Somalia, die Schwierigkeiten bei der Versorgung und dem Erzielen des wirtschaftlichen Existenzminimums hätten. Insbesondere mittellose Rückkehrer müssten häufig ein Leben am Rande des Existenzminimums führen. Anzeichen für eine derart schlechte Versorgung, dass jeder Rückkehrer alsbald einer extremen Gefahr ausgesetzt wäre, gebe es aber nicht. Der Kläger könne sich zudem der Unterstützung und Hilfe seiner Familie sicher sein.

6

Am 26. Februar 2014 hat der Kläger Klage erhoben und weiter geltend gemacht, seine Verfolgungsgefahr knüpfe an seine Stammes- bzw. Clanzugehörigkeit an und sei für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft relevant. Jedenfalls habe er Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes. In ganz Somalia bestehe weiterhin ein innerstaatlicher Konflikt, der von so hoher Intensität sei, dass er eine ernsthafte Bedrohung für jede Zivilperson darstelle. Zumindest liege ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Grundversorgung sei nicht gesichert. Zudem leide er an chronischer Hepatitis B, die zwar nicht akut behandelt, aber regelmäßig überwacht werden müsse. Es sei nicht ersichtlich, dass dies in Somalia möglich sei.

7

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger noch vorgetragen, sein Bruder sei im Verlauf eines Streits beim Kartenspielen um Geld getötet worden. Seine Familie sei 1998 nach Mogadischu gezogen. Er habe 2003 eine Frau kennengelernt, die durch ihn unehelich schwanger geworden sei. Ihre Familie habe ihn töten wollen. Sie gehörten unterschiedlichen Stämmen der Hawia an. Er habe Angst gehabt und deshalb das Land verlassen wollen. Die Familie aus Yohar, die seinen Bruder getötet habe, sei dann in Mogadischu aufgetaucht. Sie habe von der Schwangerschaft der Frau erfahren und wissen wollen, wo er sei, und seinen Vater verprügelt. Die ganze Familie habe sich deshalb entschlossen zu fliehen, die Eltern nach Kenia, die Geschwister nach Kenia und Uganda. Er habe keine Gelegenheit gehabt, dies bei der Anhörung beim Bundesamt zu sagen. Die Familie aus Yohar sei gekommen, um sie zu vernichten. Er habe auf Malta einen weißen Pass genommen, der für ein Jahr Gültigkeit gehabt habe. Nach seiner Rückkehr habe er eine Verlängerung der Ausweise bekommen. Diese Dokumente habe er im Zug verloren. Er könne nicht nach Somalia zurückgehen, da die Familie aus Yohar immer noch auf ihn warte. Wegen der Hepatitis B-Erkrankung habe er jeden Tag Beschwerden, nämlich Schmerzen an der Leber. Medikamente nehme er keine.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

die Beklagte unter Aufhebung der zu den Ziffern 1, 3, 4 und 5 getroffenen Entscheidungen im Bescheid vom 27. Januar 2014 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,

10

hilfsweise ihm subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,

11

sowie äußerst hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich seiner Abschiebung nach Somalia vorliegen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Es fehle an einem glaubhaften Vortrag zum Verfolgungsschicksal. Er habe vor dem Bundesamt und dem Gericht völlig unterschiedliche Angaben gemacht. Ein Anspruch auf Feststellung des subsidiären Schutzes bestehe ebenso nicht. Angesichts dessen, dass sein Vorbringen insgesamt nicht glaubhaft sei, könne jedenfalls nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass in der behaupteten Heimatregion des Klägers praktisch jede Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände seien nicht erkennbar. Mangels glaubhafter Darlegungen bestehe auch kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots. Anhaltspunkte für eine extreme Gefahrenlage bei Rückkehr nach Somalia bestünden keine. Der Kläger sei jung und durch den Schulbesuch gut ausgebildet und könne auf die Unterstützung seiner Familie bauen. Die attestierte chronische Hepatitis B stehe einer Rückkehr ebenfalls nicht entgegen. Die Möglichkeit einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands müsse objektiv gegeben sein und zumindest in die Nähe der lebensgefährlichen Bedrohung reichen, was nicht der Fall sei. Auch die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung sei nicht zu beanstanden.

15

Der Senat hat auf Antrag des Klägers die Berufung wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs zugelassen, weil das Verwaltungsgericht sich mit den Ausführungen des Klägers zu seiner Aufenthaltserlaubnis auf Malta nicht auseinander gesetzt hat.

16

Der Kläger trägt vor, in Malta sei ihm der subsidiäre Schutz gewährt worden. Im Anschluss habe er Malta verlassen und in Schweden, den Niederlanden und in der Schweiz um Asyl bzw. Schutz gebeten. Von der Schweiz sei er nach Malta abgeschoben worden, wo die Aufenthaltserlaubnis noch einmal verlängert worden sei. Die Beklagte habe kein Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung durchgeführt, sondern nach nationalem Recht entschieden, allerdings ohne die Akten aus Malta beizuziehen oder weiter zu prüfen, ob sich aus der dortigen Schutzgewährung Einschränkungen ergäben. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses habe in seinem Urteil vom 17. Juni 2014 (Az.: 10 C 7.13) entschieden, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen anderen Mitgliedstaat Bindungswirkung entfalte. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes lägen vor. Es herrsche in Zentral- und Südsomalia nach wie vor Bürgerkrieg und es gebe kaum Schutz vor Übergriffen durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete Banden. Auch internationale Hilfsorganisationen könnten keinen Schutz bieten, sie müssten ausweislich des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom November 2014 selbst um ihre Mitarbeiter dort bangen. Er sei als Angehöriger der Zivilbevölkerung gefährdet. Er habe Somalia vor 11 Jahren verlassen, sei nicht mehr in die dortigen Clanstrukturen eingebunden und wäre bei einer Rückkehr auf sich alleine gestellt. Dies sei ein individuelles, gefahrerhöhendes Merkmal. Jedenfalls ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein nationales Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG, weil die Abschiebung gegen Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – verstoßen würde. In dieser Hinsicht sei eine andere Beurteilung als im Rahmen von § 4 AsylVfG kaum denkbar. Der internationale subsidiäre Schutz, der in § 4 AsylVfG in nationales Recht umgesetzt worden sei, sei bereits zuerkannt, wenn auch von einem anderen Staat. Daher sei konsequenter Weise ein entsprechendes Abschiebeverbot zu bejahen. Hilfsweise liege ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Grundversorgung sei nicht gewährleistet. Es sei nicht ohne weiteres anzunehmen, dass seine Familie noch immer anwesend und bereit sowie in der Lage sei, ihn zu unterstützen.

17

Der Kläger beantragt,

18

unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 4. Februar 2015 und Aufhebung von Ziffern 3., 4. und 5. des Bescheides vom 27. Januar 2014 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen

19

hilfsweise,

20

festzustellen, dass für ihn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

21

Die Beklagte beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Kläger habe nichts unternommen, um die von ihm behauptete Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter durch die Republik Malta zu beweisen. Er habe vorgetragen, sein Reisedokument im Zug verloren zu haben.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2015. Die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die auf Bl. 32 ff. und Bl. 119 ff. der Prozessakte aufgelisteten Unterlagen zu den Verhältnissen in Somalia lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden konnte, weil diese ordnungsgemäß geladen war (§ 102 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –) ist zwar zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).

26

Maßgeblich für die Entscheidung sind gemäß § 77 Abs. 1 Asylgesetz – AsylG – die Vorschriften des Asylgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010).

27

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit des Begehrens nach Zuerkennung subsidiären Schutzes keine bereits im Ausland erfolgte Zuerkennung entgegen. Wurde bereits im Ausland die Rechtsstellung eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne vom § 4 AsylG zuerkannt, so ist ein erneutes Schutzbegehren zwar unzulässig (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 –, BVerwGE 150, 29 und juris, Rn. 28 ff. und Beschluss vom 30. September 2015 – 1 B 51.15 –, S. 3 f. BA). Vorliegend kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger bereits von der Republik Malta ein solcher Schutzstatus zuerkannt worden ist. Der Kläger hat insoweit zwar vorgetragen, ihm sei auf Malta der subsidiäre Schutz gewährt worden; jedoch steht auf der Grundlage dieser Behauptung und unter Zugrundelegung der sonstigen Umstände nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger über eine solche Rechtsstellung verfügt. Er hat insoweit keinerlei Dokumente vorlegen können; eine entsprechende Rechtsstellung ist auch nicht aus den vorliegenden Verwaltungsakten erkennbar.

28

Dabei dürfte zunächst feststehen, dass dem Kläger bei seinem ersten Aufenthalt auf Malta im Zeitraum 2004 bis 2007 kein Aufenthaltstitel erteilt worden ist. Dies ergibt sich daraus, dass Malta dem Wiederaufnahmegesuch von Schweden im Jahr 2007 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 lit. c) der Dublin-II-Verordnung zugestimmt hat, d.h. wegen des laufenden Verfahrens auf Malta, und nicht auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung bei erteiltem Aufenthaltstitel. Aus dem klägerischen Vortrag ergeben sich weiterhin keine darüber hinaus gehenden konkreten Anhaltspunkte, dass ihm im Rahmen seines zweiten Aufenthalts auf Malta der subsidiäre Schutzstatus bzw. ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist. Genauso, wie er sich bereits von 2004 bis 2007 ohne einen solchen auf Malta aufgehalten und dort (selten) als Tagelöhner gearbeitet haben kann, kann dies auch ohne weiteres bei seinem zweiten Aufenthalt von der Abschiebung aus der Schweiz (wohl Ende 2008/Anfang 2009) bis 2012 der Fall gewesen sein.

29

Auch der Umstand, dass bei der Eurodac-Abfrage der Beklagten kein Treffer in Bezug auf Malta angezeigt wurde, führt zu keiner anderen Bewertung. Zwar könnte dies darauf hindeuten, dass der Datensatz des Klägers wegen einer Anerkennung als Flüchtling gemäß Art. 12 Abs. 1 der Eurodac-Verordnung gesperrt war. Indes kann dies aber auch ohne weiteres auf anderen Gründen, wie etwa systembedingten oder anwenderbedingten Fehlern beruhen. So ergab sich bei der Abfrage der Beklagten im März 2012 lediglich der Treffer für die Niederlande, während in einer späteren Abfrage Treffer in den Niederlanden und in Schweden angezeigt wurden.

30

Eine weitergehende Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO hat für das Gericht nicht bestanden, weil der klägerische Vortrag – auch nach Hinweis und ausdrücklicher Nachfrage – keine hinreichenden konkreten Anhaltspunkte für eine solche geboten hat (vgl. zur Amtsermittlungspflicht etwa BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2015 – 1 B 2.15 –). Es hätte dem Kläger oblegen, zumindest durch weitere und genauere Angaben zu seinen Aufenthalten auf Malta und den von ihm angeführten Aufenthaltserlaubnissen und Dokumenten konkrete Anhaltspunkte dafür zu bieten, dass sein – aus der Eurodac-Anfrage Schwedens ersichtlicher – am 23. Oktober 2004 gestellter Asylantrag auf Malta dort zu einer Anerkennung geführt hat. Seine Angaben sind ohne weitere Präzisierung so vage geblieben, dass sich aus ihnen keine Anknüpfungspunkte für eine weitere Sachverhaltsermittlung ergeben haben.

31

Mangels Vorliegens einer im Ausland zuerkannten Schutzstellung steht daher auch das Rechtsschutzinteresse für die Zuerkennung nationaler Abschiebungsverbote nicht in Frage (vgl. zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für die Zuerkennung nationaler Abschiebungsverbote bei bereits erfolgter Gewährung subsidiären Schutzes im Ausland BayVGH, Beschluss vom 18. Juni 2015 – 20 B 15.30017 –, juris, Rn. 14).

32

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (1.) noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes (2.), auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden (3.).

33

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter. Die Voraussetzungen des § 4 AsylG liegen nicht vor. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie – worauf sich der Kläger vorliegend ausschließlich beruft – eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

34

Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen Al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- und Zentralsomalia kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al Shabaab-Miliz. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon längere Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten, zu denen seit August 2011 auch die Hauptstadt Mogadischu zählt, finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 2. Februar 2015, Stand November 2014, S. 4 f.; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 29; Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 7; siehe auch EGMR, Urteil vom 5. September 2013 – Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] –, Rn. 87 ff.).

35

Der Senat kann dahinstehen lassen, ob angesichts dessen die Aussage des Klägers zutrifft, in ganz Süd- und Zentralsomalia – und damit auch in der Hauptstadt Mogadischu – herrsche noch ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt (vgl. zur Definition BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 22 f. und vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 –, juris, Rn. 22 ff.). Während das Auswärtige Amt insoweit – ohne Differenzierung danach, ob es sich um „befreite“ Gebiete handelt – dies bejaht (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 2. Februar 2015, Stand November 2014, S. 4 f.: „In Süd- und Zentralsomalia, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, herrscht Bürgerkrieg.“), gehen andere Einschätzungen wie das Österreichische Bundesasylamt davon aus, dass sich die generelle Sicherheitssituation für die Bevölkerung Mogadischus verbessert hat. Mogadischu ist danach vielleicht noch nicht befriedet, befindet sich jedoch definitiv nicht im Kriegszustand (Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 43). Weiter wird es als sehr unwahrscheinlich angesehen dass die Al Shabaab unter den gegebenen Umständen in der Lage ist, Mogadischu wieder einzunehmen (vgl. Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 8). Daher ist fraglich, ob für die Region Mogadischu, in der es nicht mehr zu direkten bewaffneten Auseinandersetzungen kommt, noch ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu bejahen ist. Allerdings wird der erreichte Zustand in nahezu allen Berichten als fragil bzw. unbeständig beschrieben (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Somalia: Sicherheitssituation in Mogadischu – Auskunft der SFH-Länderanalyse, 25. Oktober 2013, S. 1; European Asylum Support Office, EASO Somalia seminar, 14 October 2014 – Summaries of Keynotes Presentations, 1. Dezember 2014, S. 4; Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 49). Die Al Shabaab vollzieht nunmehr eine asymetrische Kriegsführung, die insbesondere gezielte Attentate, den Einsatz von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen und überfallartige Angriffe (sog. „hit and run“) umfasst (Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 9; siehe auch European Asylum Support Service, EASO Country of Origin Information report – South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 85; vgl. auch EGMR, Urteil vom 5. September 2013 – Nr. 886/11 [K.A.B. ./. Schweden] –, Rn. 88).

36

Jedenfalls ist der Kläger im hier vorliegenden Einzelfall keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt.

37

Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 – 10 C 6.13 –, juris, Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere, etwa weil er von Berufs wegen (z. B. als Arzt oder Journalist) gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 33, und vom 17. November 2010 – 10 C 13.10 –, juris, Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 17. Februar 2009 – C-465/07 [Elgafaji] –, juris, Rn. 35 und 39, und vom 30. Januar 2014 – C-285/12 [Diakite] –, juris, Rn. 30; BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 32 und vom 17. November 2011 – 10 C 13.10 –, juris, Rn. 19).

38

Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, notwendig (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 33, und vom 13. Februar 2014, 10 C 6.13 –, juris, Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, 10 C 13.10 –, juris, Rn. 22 f. zur Lage in der Provinz Ninive im Irak; siehe auch BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 11/10 –, juris, Rn. 20 f. zur Lage in Bagdad [Risiko von 1:1000]).

39

Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 – 10 C 9.08 –, juris, Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – C-465/07 [Elgafaji]). Dies ist im Fall des Klägers die Hauptstadt Mogadischu. Dort hat der Kläger nach seinen Angaben von 1997 bis 2004 mit seinen Eltern und seinen Geschwistern gelebt, sein Vater hatte dort bis 2006 einen Laden und der Kläger ist dort zur Schule gegangen.

40

Gemessen an diesen Kriterien fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr nach Mogadischu.

41

Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Kläger gehört keiner Risikogruppe an. Gefahrerhöhende Umstände ergeben sich auch nicht bereits aus seiner Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Zwar sieht die Al Shabaab Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an (European Asylum Support Office, EASO Country of Origin Information report – South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 106); da sie aber in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten – wie Mogadischu – nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen – v.a. auch Binnenvertriebene (vgl. European Asylum Support Office, EASO Country of Origin Information report – South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 117; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 19) – ergibt sich daraus nicht für jeden Rückkehrer ohne weiteres eine ernsthafte Bedrohung. Der Kläger gehört zudem nicht einem Minderheiten-, sondern einem Mehrheitenclan an, so dass auch unter diesem Aspekt kein gefahrerhöhender persönlicher Umstand angenommen werden kann. Auch ist nicht ersichtlich, dass er bereits der Al Shabaab oder den Polizeikräften besonders aufgefallen ist. Soweit er diesbezüglich vorgetragen hat, die Familie, die seinen Bruder anlässlich eines Kartenspiels um Geld getötet habe, gehöre jetzt der Al Shabaab an und wolle auch ihn töten, so bestehen zum einen angesichts des vom Kläger im Laufe des Verfahrens gesteigerten Vortrags – insbesondere auch im Hinblick auf den Hintergrund der Tötung des Bruders (Kartenspiel um Geld) und die Bedrohung wegen der Schwangerschaft einer Frau – Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens. Zudem ergibt sich aber aus den Ausführungen des Klägers auch nicht, dass nach nunmehr 11 Jahren immer noch eine ernsthafte Bedrohung bestehe.

42

Auch die allgemeine Lage ist nicht so gefährlich, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen auf jede Zivilperson individualisiert. Die erforderliche Gefahrendichte ist in Mogadischu nicht mehr gegeben. Zwar ist die Sicherheits- und Versorgungslage in Süd- und Zentralsomalia nach wie vor fragil, dennoch zeichnet sich nach den vorliegenden Erkenntnisquellen eine Entwicklung ab, die eine Verbesserung der generellen Sicherheitssituation für die Bevölkerung mit sich gebracht hat, auch wenn dies nicht landesweit gilt.

43

Eine genaue Bewertung der Gefahrendichte aufgrund einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, erscheint jedoch kaum verlässlich möglich. Dies beruht bereits darauf, dass es für eine Gesamtbevölkerungszahl als Ausgangsbasis keine gesicherten Zahlen gibt und die entsprechenden Schätzungen erheblich differieren. Zudem kann die Zahl der Zivilpersonen, die Opfer willkürlicher Gewalt geworden sind, kaum annäherungsweise verlässlich geschätzt werden, weil belastbare Zahlen nicht vorhanden sind. Dies betrifft etwa die Frage, ob in den insoweit verfügbaren Aufstellungen die Zählung der „Zivilpersonen“ auch solche Opfer umfasst, die den besonderen Risikogruppen (Politiker, Regierungsmitarbeiter etc.) angehören. Auch wird in den Berichten über Vorfälle meist lediglich über die Zahl der Getöteten, nicht aber auch über die der Verletzten berichtet.

44

Die Gesamtbevölkerung von Mogadischu wird vom Auswärtigen Amt als vermutlich deutlich über eine Million Einwohner einschließlich einer großen Anzahl Binnenvertriebener einschätzt (www.auswaertiges-amt.de). Setzt man zu dieser Einwohnerzahl die sich aus der Aufstellung von ACCORD (Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), 3. November 2015) ergebende Zahl der im Jahr 2014 in der gesamten Region Banaadir verzeichneten 739 Vorfälle mit 586 Toten – jedoch bezogen auf alle Konfliktvorfälle, d.h. nicht nur Gewaltvorfälle gegen Zivilpersonen – würde sich unter Zugrundelegung dieser Zahlenwerte ein Tötungsrisiko von etwa 1:1700 (0,0586 %) ergeben, wobei eine Berechnung des Verletzungsrisikos mangels entsprechender verfügbarer Auflistung nicht möglich erscheint.

45

Auch ungeachtet einer quantitativen Bewertung ergibt sich unter Zugrundelegung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen in Mogadischu keine solche Gefahrendichte, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. In den Berichten ist regelmäßig von „Verbesserungen“ die Rede, auch wenn dies angesichts der früheren extremen Situation nicht damit gleichgesetzt werden kann, dass keine wesentliche Gefahr für die Zivilbevölkerung mehr gegeben ist. Aus der Hauptstadt Mogadischu wurde die Al Shabaab Miliz im August 2011 vertrieben. Es gelingt ihr zwar immer wieder, Anschläge zu verüben. Diese Anschläge richten sich aber in der Regel gezielt gegen Funktionsträger (vgl. Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 11). Wegen der verdeckten Präsenz der Al Shabaab besteht in Mogadischu für mehrere Risikogruppen (z. B. Regierungsmitarbeiter, Politiker, Sicherheitskräfte etc.) eine Gefahr durch auf Funktionsträger und deren Einrichtungen gerichtete Attentate und Anschläge. Für den einfachen Stadtbewohner droht hingegen als einzige Gefahr, sich „zur falschen Zeit am falschen Ort“ zu befinden und damit Opfer im Rahmen solcher Anschläge zu werden (Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 43). Die Gesamtzahl der zivilen Opfer dürfte daher zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben. Dies beruht darauf, dass nach bisheriger Erkenntnislage durch die von der Al Shabaab vorgenommene strategische Auswahl der Anschlagsziele bestimmte Berufsgruppen in besonderer Weise betroffen waren: Regierungsmitarbeiter, Mitarbeiter internationaler Organisationen, Angehörige der Sicherheitskräfte, Abgeordnete, mit der Regierung zusammenarbeitende Personen, Politiker. Dies verdeutlichen die nach den vorliegenden Erkenntnisquellen verübten Anschläge (siehe zu den Ereignissen im Jahr 2015 etwa die Aufstellung von ACCORD, ecoi.net-Themendossier: Al Shabaab: Zeitachse von Ereignissen, Stand 22. September 2015: September 2015: Angriff auf einen Militärstützpunkt nahe Mogadischu; August 2015: Bombenanschlag in Mogadischu; Juli 2015: schwerer Bombenanschlag auf das Hotel Jazeera Palace, Anschlag auf zwei Hotels in Mogadischu, wovon sich eines nahe dem somalischen Parlament befindet; Juni 2015: Selbstmordanschlag auf einen diplomatischen Konvoi; April 2015: Explosion einer Autobombe vor einem Restaurant vor dem Central Hotel, in dem sich oft Politiker aufhalten, Angriff auf einen Regierungskomplex u.a. mit einem mit Sprengstoff beladenen Auto; März 2015: Besetzung eines Hotels, Autobombenanschlag vor einem Hotel; Februar 2015: Angriff auf ein Hotel, in dem Regierungsbeamte das Freitagsgebet abgehalten haben, Angriff auf den Präsidentenpalast; Januar 2015: Explosion einer Autobombe vor einem Hotel, in dem Delegierte der Türkei den Besuch des türkischen Präsidenten vorbereiteten, Selbstmordanschlag nahe dem Flughafen; siehe zudem zu Vorfällen in den vergangenen Monaten Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 28. September 2015: Autobombenanschlag nahe dem Präsidentenpalast; Briefing Notes vom 2. November 2015: Angriff auf das Hotel Sahafi). Die Betrachtung der – in den o. g. Aufstellungen von ACCORD auch für die Vorjahre – verzeichneten Anschläge zeigt, dass es die Al Shabaab nicht gezielt auf Zivilisten absieht, insoweit aber Opfer in Kauf nimmt. Die Vorkommnisse, über die berichtet wird, sind insgesamt nicht so häufig und erreichen keine so hohen zivilen Opferzahlen, als davon gesprochen werden könnte, dass jeder Zivilist der weit über eine Million Einwohner zählenden Stadt aufgrund seiner bloßen Anwesenheit gefährdet wäre (siehe dazu auch VG Aachen, Urteile vom 13. April 2015 – 7 K 711/14.A –, juris, und vom 9. November 2015 – 7 K 53/15.A –, juris; VG Regensburg, Urteil vom 27. August 2015 – RO 7 K 15.30680 –; VG Cottbus, Urteil vom 10. September 2015 – VG 5 K 487/15.A –; VG Stade, Urteil vom 5. Oktober 2015 – 3 A 3658/13 –, juris; siehe auch EGMR, Urteil vom 5. September 2013 – Nr. 886/11 [K.A.B. ./. Schweden] –, Rn. 86 ff.; a.A. VG Kassel, Urteil vom 3. März 2015 – 4 K 867/13.KS.A –; VG Göttingen, Urteil vom 21. Juli 2015 – 3 A 626/14 –, juris). Insoweit lässt sich zwar bislang keine wesentliche rückläufige Tendenz der Vorfälle verzeichnen, indes ergeben sich aber auch keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür, dass abgesehen von Schwankungen in der Häufigkeit der Vorfälle und der Anzahl der Opfer von einer wesentlichen Trendänderung dahingehend auszugehen ist, dass jeder Zivilperson bereits durch ihre Anwesenheit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben drohen würde. Jedenfalls lässt sich auch ein staatliches Vorgehen gegen die Al Shabaab verzeichnen, etwa die Aussetzung eines Kopfgeldes von insgesamt 1,3 Mio. USD für 11 ranghohe Funktionsträger der Al Shabaab und ein Großeinsatz somalischer Sicherheitskräfte mit Durchsuchungen in Mogadischu und 60 Festnahmen mutmaßlicher Mitglieder der Al Shabaab (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 13. April 2015 und 15. Juni 2015).

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2. Es besteht kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG (a.) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (b.).

47

a. Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat der Kläger lediglich unter dem Gesichtspunkt geltend gemacht, dass wegen der Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf Malta und wegen der nahezu identischen Voraussetzungen ein Abschiebungsverbot auch auf dieser Grundlage zu bejahen wäre. Von der Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf Malta kann aber nicht ausgegangen werden; für eine darüber hinaus gehende Prüfung hat der Kläger weiter nichts vorgetragen.

48

b. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht ersichtlich.

49

Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger nicht angesichts der allgemeinen schlechten Versorgungslage in Somalia.

50

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung macht der Kläger mit seinem Hinweis auf die unzureichende Versorgungslage in Somalia allgemeine Gefahren geltend, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 –, juris, Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Somalia erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG –, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde" (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 – 1 C 5.01 –, BVerwGE 115, 1 und juris, Rn. 21 m.w.N.). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alldem BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 – 10 C 24/10 –, BVerwGE 137, 226 und juris, Rn. 12 ff.).

51

Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist in Süd- und Zentralsomalia die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nicht gewährleistet; es gibt keinen sozialen Wohnraum oder Sozialhilfe und keine Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 2. Februar 2015, Stand November 2014, S. 16). In allen Städten Süd- und Zentralsomalias (inklusive Mogadischu) ist für den Großteil der Bevölkerung der Zugang zur sozialen Grundversorgung beschränkt. Clan und Familie, einbezogen die weitere Familie, sind nach wie vor die wichtigsten Faktoren bezüglich der Akzeptanz, Sicherheit und dem Zugang zu Grundbedürfnissen wie Wohnung und Essen. Eine generelle Regel ist es, dass Somalier auch sehr weit entfernten Verwandten helfen, solange eine Clan-Verbindung besteht, vorausgesetzt, sie sind in der Lage, dies zu tun (Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 20). Für Somalier in Mogadischu ist es sehr schwierig, ohne Unterstützung durch ein Netzwerk zu überleben. Insbesondere, wenn sie keinem Clan oder keiner Kernfamilie in dem maßgeblichen Bezirk angehören, sind sie heiklen Existenzbedingungen ausgesetzt. Sie sind oft gezwungen, in Siedlungen für Binnenvertriebene zu leben, wo die Lebensbedingungen erbärmlich sind und gemeinhin von Menschenrechtsverletzungen berichtet wird (Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 26; siehe auch European Asylum Support Service, EASO Country of Origin Information report – South an Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 37 f.; vgl. zu den dortigen Verhältnissen auch EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 – Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi] –, Rn. 303). Es wird weiter aber auch berichtet, dass lokale NGOs Neuankömmlingen helfen können (siehe European Asylum Support Service, EASO Country of Origin Information report – South an Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 118).

52

Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist für den Kläger nicht ersichtlich, dass er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Der Kläger ist ein junger Mann, der einem Mehrheitsclan angehört. Er ist durch seinen Schulbesuch gebildet und hat in der Vergangenheit im Laden seines Vaters ausgeholfen und auf Malta (wenn auch selten) als Tagelöhner gearbeitet. Daher ist davon auszugehen, dass er sich durch Gelegenheitsjobs zumindest eine Lebensgrundlage verdienen könnte, die ihm längerfristig ein Leben außerhalb der Vertriebenen- und Flüchtlingssiedlungen ermöglichen kann. Er hat insoweit auch nicht vorgetragen, dass ihn die chronische Hepatitis B-Erkrankung von der Aufnahme jeglicher Tätigkeit abhielte. Zudem hat der Kläger bei der Stellung seines Asylantrags im März 2012 angegeben, Verwandte ersten und zweiten Grades sowie weitere Familienangehörige in Somalia zu haben. Ungeachtet dessen, dass die Angaben zum Verbleib seiner Eltern und Geschwister widersprüchlich sind – in der Anhörung gab der Kläger an, die Eltern lebten im Flüchtlingslager Elesha Biyeha und sein Vater, seine Geschwister von der zweiten Frau des Vaters und die Frau lebten dort und er habe Kontakt zu ihnen, während er in der mündlichen Verhandlung angab, die Eltern seien in Kenia und die Geschwister in Kenia und Uganda, was er in der Anhörung nicht habe sagen können – dürften zumindest Familienangehörige der weiteren Familie noch in Somalia sein. Der Kläger hat weiter angegeben, finanzielle Unterstützung durch einen Onkel aus England und durch in europäischen Ländern lebende Cousinen und Cousins bekommen zu haben; dass eine solche finanzielle Unterstützung nunmehr gänzlich ausgeschlossen sein sollte, hat der Kläger nicht vorgetragen. Auch wenn der Kläger nunmehr seit 11 Jahren nicht mehr in Somalia gewesen ist und er mit den dortigen aktuellen Verhältnissen nicht vertraut sein dürfte, ist davon auszugehen, dass er sich als junger Mann, der in den vergangenen 11 Jahren vielfältige Lebenserfahrungen in unterschiedlichen Ländern gesammelt haben wird und sich auch dort zurecht gefunden hat, auch in Somalia langfristig wieder zurecht finden wird. Daher ist jedenfalls davon auszugehen, dass er auch angesichts der kritischen Lebensbedingungen in Somalia jedenfalls weder der Existenzvernichtung noch schwersten Gesundheitsschäden ausgesetzt sein wird.

53

Auch ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot liegt nicht vor.

54

Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, ist in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 – 1 C 16.05 –, juris, Rn. 17 m.w.N.). Erforderlich aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Ein strengerer Maßstab gilt in Krankheitsfällen ausnahmsweise nur dann, wenn zielstaatsbezogene Verschlimmerungen von Krankheiten als allgemeine Gefahr oder Gruppengefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu qualifizieren sind. Dies kommt allerdings bei Erkrankungen nur in Betracht, wenn es – etwa bei Aids – um eine große Anzahl Betroffener im Zielstaat geht und deshalb ein Bedürfnis für eine ausländerpolitische Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 AufenthG besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 – 1 C 16.05 –, juris, Rn. 17 m.w.N.). In solchen Fällen kann Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nur dann gewährt werden, wenn im Abschiebezielstaat für den Ausländer (entweder aufgrund der allgemeinen Verhältnisse oder aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall) landesweit eine extrem zugespitzte Gefahr wegen einer notwendigen, aber nicht erlangbaren medizinischen Versorgung zu erwarten ist, wenn mit anderen Worten der betroffene Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (siehe zu alldem BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127, 33 und juris, Rn. 15 ff. m.w.N.).

55

Offen bleiben kann hier, ob chronische Hepatitis B eine singuläre Krankheit darstellt oder in Somalia wegen einer hohen Verbreitung als allgemeine Gefahr zu qualifizieren wäre (vgl. hinsichtlich der Verbreitung von Hepatitis B in Zentralafrika VG Hamburg, Urteil vom 17. Oktober 2012 – 4 A 88/12 –, juris). Denn dem Kläger droht bereits keine wesentliche Verschlimmerung seiner Erkrankung alsbald nach der Rückkehr, so dass auch bei Annahme einer singulären Krankheit – und damit erst recht bei einer „allgemeinen Gefahr“ – ein Abschiebungsverbot zu verneinen ist.

56

Den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen nach ist die medizinische Versorgung im gesamten Land äußerst mangelhaft (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 2. Februar 2015, Stand November 2014, S. 16). Eine medizinische Grundversorgung ist grundsätzlich erhältlich in den größeren Stadtzentren in Süd- und Zentralsomalia, auch wenn die Qualität und der Zugang zum medizinischen Service örtlichen Unterschieden und Unsicherheiten unterworfen ist (Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 21). In Mogadischu gibt es Krankenhäuser (siehe European Asylum Support Service, EASO Country of Origin Information report – South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 34).

57

Der Kläger ist jung und hat neben der chronischen Erkrankung mit Hepatitis B keine weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend gemacht. Er hat den „Carrier-Status“, d.h. er ist Träger der Hepatitis B, hat aber keinen mehr oder weniger schweren Leberschaden. Er hat zwar vorgetragen, täglich Schmerzen zu haben, eine akute Behandlung oder medikamentöse Therapie ist derzeit nicht erforderlich, vielmehr soll eine regelmäßige Überwachung erfolgen. Seine Erkrankung befindet sich damit in einem Stadium, in dem keine medikamentöse Behandlung erfolgt und noch einige Jahre oder gar Jahrzehnte vergehen können, bevor es zu einer Erkrankung der Leber kommen kann. Bis dahin ist ungewiss, wann die Behandlungsbedürftigkeit eintritt. Aktuell ist er daher – abgesehen von Kontrolluntersuchungen – nicht auf eine medizinische Versorgung in Mogadischu angewiesen. Auch wenn die zunächst erforderlichen Kontrolluntersuchungen in Mogadischu nicht möglich oder für den Kläger nicht zugänglich sein sollten, gibt es derzeit auch keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesundheitszustand auch ohne regelmäßige Kontrollen alsbald nach der Rückkehr wesentlich verschlimmern würde. Dass sich der Zustand des Klägers aktuell „auf der Kippe“ zur Behandlungsbedürftigkeit befindet oder eine solche in absehbarer Zeit eintreten wird, ist nicht ersichtlich und auch nicht vom Kläger vorgetragen.

58

3. Damit liegen auch die Voraussetzungen für die Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG vor. Da – wie oben ausgeführt – nicht feststeht, dass dem Kläger auf Malta der unionsrechtliche subsidiäre Schutz zuerkannt worden ist, kann eine solche Zuerkennung der Abschiebungsandrohung nach Somalia auch nicht entgegengehalten werden (vgl. zur Frage einer „Bindungswirkung“ VG Berlin, Urteil vom 1. April 2014 – 33 K 548.13 A –, juris, Rn. 31 ff.).

59

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

60

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordung.

61

Die Revision war nicht zuzulassen, da die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegen.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tatbestand

1

Die Kläger, eine irakische Staatsangehörige und ihre Kinder, erstreben Abschiebungsschutz wegen ihnen im Irak drohender Gefahren.

2

Die 1965 in Khanaqin (Zentralirak) geborene Klägerin zu 1 und ihre 1995 und 1998 in Bagdad geborenen Kinder, die Kläger zu 2 und 3, sind arabische Volkszugehörige schiitischen Glaubens. Zur Begründung des im November 2001 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - gestellten Asylantrags gab die Klägerin zu 1 an, sie sei nach der Flucht ihres Ehemannes von Sicherheitskräften wegen seines Verbleibs verhört und unter Druck gesetzt worden. Mit Bescheid vom 21. Januar 2002 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger ab. Das Verwaltungsgericht verpflichtete das Bundesamt, bei den Klägern die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (inzwischen § 60 Abs. 1 AufenthG) festzustellen. Ihnen drohe wegen ihres illegalen Auslandsaufenthalts Verfolgung. Mit Bescheid vom 2. August 2002 kam das Bundesamt dem nach.

3

Wegen der veränderten politischen Verhältnisse im Irak widerrief das Bundesamt am 29. Mai 2006 die Flüchtlingsanerkennungen und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.

4

Die hiergegen erhobenen Klagen hatten in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. Februar 2007 im Wesentlichen ausgeführt, der Widerruf sei rechtmäßig, weil die Kläger im Irak nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein keine Verfolgung mehr zu befürchten hätten. Sie könnten auch keine Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bzw. subsidiären Schutz gemäß Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG beanspruchen. Im Irak liege kein landesweiter innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor. Zudem hätten die Kläger die Möglichkeit, in Teilen des Irak internen Schutz zu finden. Im Übrigen stehe die Erlasslage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, die bei allgemeinen Gefahren vergleichbaren Abschiebungsschutz biete, der Gewährung richtliniengemäßen subsidiären Schutzes entgegen.

5

Während des Revisionsverfahrens haben die Kläger ihre Revision hinsichtlich des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung zurückgenommen. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 24. Juni 2008 (Az.: BVerwG 10 C 42.07) das Revisionsverfahren insoweit eingestellt. Im Übrigen hat er, soweit die Verpflichtung zur Feststellung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise nationalen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird, das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Zur Begründung hat er darauf abgestellt, dass § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG keinen landesweiten bewaffneten Konflikt voraussetze. Die zusätzliche Annahme des Berufungsgerichts, die Kläger könnten innerhalb des Irak internen Schutz finden, beruhe auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage. Schließlich verletze der Verweis auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ministerielle Erlasse revisibles Recht. Denn § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Sperrwirkung nicht greife, wenn die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt seien.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Kläger mit Urteil vom 21. Januar 2010 zurückgewiesen, soweit sie sich auf das noch anhängige Begehren zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezieht. Mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führt das Berufungsgericht aus, es könne dahinstehen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren seien. Jedenfalls seien die Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt. An ihrem Herkunftsort in Bagdad bestehe keine so hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Dies ergebe sich aus der Größenordnung der Anschläge und der Anzahl der Opfer im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag verletzt oder getötet zu werden, habe 2009 ca. 0,1% oder ca. 1:1000 pro Jahr betragen. Für eine Verschärfung der Sicherheitslage gebe es keine Anhaltspunkte. Gefahrerhöhende individuelle Umstände seien bei den Klägern nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen des hilfsweise begehrten nationalen Abschiebungsschutzes (§ 60 Abs. 7 Satz 1 und § 60 Abs. 5 AufenthG) lägen ebenfalls nicht vor.

7

Mit ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision wenden sich die Kläger allein gegen die Ablehnung der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Sie rügen, der Verwaltungsgerichtshof habe bei der Ermittlung der Gefahrendichte auf die im Rahmen der Gruppenverfolgung entwickelten Kriterien der Verfolgungsdichte abgestellt, ohne zwischen den Schutzsystemen zu differenzieren und die Besonderheiten des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen. Auch seien die in das Verfahren eingeführten Quellen zur Häufigkeit von Anschlägen im Irak und zur Zahl der Toten und Verletzten nicht interpretiert und bewertet worden.

8

Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen der Kläger, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), sind unbegründet. Das Berufungsgericht hat die begehrte Verpflichtung zur Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abgelehnt.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das Verpflichtungsbegehren auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes. Die darüber hinausgehende Beschränkung der Revisionsanträge auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 16). Eine Revision kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13).

11

Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und das Revisionsgericht daher bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) greift keines der genannten Abschiebungsverbote.

12

1. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG und ist in diesem Sinne auszulegen (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 17 und 36).

13

Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt anzusprechen sind, weil die Kläger auch bei Annahme eines derartigen Konflikts keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wären. Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

14

a) Für seine Prognose, ob die Kläger bei Rückkehr in den Irak einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt sind, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht auf die tatsächlichen Verhältnisse in ihrer Herkunftsregion Bagdad abgestellt. Dort haben sie zuletzt gelebt und dort sind die Kläger zu 2 und 3 geboren worden, so dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass sie nach Bagdad zurückkehren werden (vgl. Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17).

15

b) Das Berufungsgericht hat des Weiteren zutreffend geprüft, ob von dem - zugunsten der Kläger unterstellten - bewaffneten Konflikt in der Region von Bagdad für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in den Personen der Kläger so verdichtet, dass sie für diese eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Denn auch eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllen (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 34).

16

Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 33). Gefahrerhöhende individuelle Umstände hat das Berufungsgericht bei den Klägern nicht festgestellt (UA S. 13); dem sind die Kläger mit ihren Revisionen auch nicht entgegengetreten.

17

Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann aber auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (Urteil vom 14. Juli 2009 a.a.O. Rn. 13 und 15 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - Slg. 2009, I-921 = NVwZ 2009, 705). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - a.a.O. Rn. 33).

18

In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." in Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG. Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - a.a.O. Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG).

19

Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt aber auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrunde liegende Wiederholungsvermutung beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - a.a.O. Rn. 31).

20

Eine für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr ausreichende Gefahrendichte hat das Berufungsgericht für den Bereich der Stadt Bagdad verneint. Es hat - in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts (vgl. dazu Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 20 ff.) - aufgrund aktueller Quellen annäherungsweise die Gesamtzahl der in Bagdad lebenden Zivilpersonen ermittelt und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung gesetzt. Dabei hat es festgestellt, dass das Risiko, in Bagdad verletzt oder getötet zu werden, für das gesamte Jahr 2009 ungefähr 1:1000 betrug. Einen Trend zur Verschlechterung der Sicherheitslage vermochte es nicht festzustellen (UA S. 12). Seine auf der Grundlage dieser Feststellungen gezogene Schlussfolgerung, dass die Kläger bei ihrer Rückkehr in ihr Herkunftsland keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt sind, ist revisionsgerichtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.

21

Zwar bedarf es - wie die Revisionen im Ansatz zu Recht rügen - neben dieser quantitativen Ermittlung auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - a.a.O. Rn. 33). Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Der Mangel in der Vorgehensweise des Berufungsgerichts bleibt aber im vorliegenden Fall ohne Folgen. Denn die Höhe des vom Berufungsgericht festgestellten Risikos eines den Klägern drohenden Schadens ist so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass sich der Mangel im Ergebnis nicht auszuwirken vermag.

22

Auch der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Blick auf die Klägerin zu 1 nicht auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG eingegangen ist, verhilft ihrer Revision nicht zum Erfolg, denn ihr Vorfluchtschicksal gab dazu keinen Anlass. Dieses lässt keine Beeinträchtigung erkennen, die auch unter dem Blickwinkel des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG die Qualität einer Vorschädigung erreichen könnte. Zudem bestünde kein sachlicher Zusammenhang mit den nunmehr im Irak drohenden Gefahren.

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2. Das Berufungsgericht hat auch die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG in den Blick genommen, sie aber nicht als durchgreifend angesehen. Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.

Tenor

I.

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass der Kläger subsidiär Schutzberechtigter im Sinne von § 4 AsylG ist. Die Abschiebungsandrohung in Nummer 3 des Bescheides vom 18. Oktober 2010 wird aufgehoben.

II.

Die Berufung wird insoweit zurückgewiesen.

III.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

IV.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Jeder Beteiligte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweils andere Beteiligte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt nach rechtskräftiger Einstellung seines Asylverfahrens gemäß §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a. F.) die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG, hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n. F.).

Der Kläger stellte Ende Mai 2010 einen Asylantrag und gab in der Niederschrift dazu am 25. Juni 2010 an, er sei somalischer Staatsangehöriger, am 31. Dezember 1991 in Buulobarde geboren und am 24. Mai 2010 nach Deutschland eingereist. Nachdem in zwei Terminen die dem Kläger zur Identitätsfeststellung abgenommenen Fingerabdrücke wegen Beschädigung der Fingerkuppen nicht verwertbar waren, stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und stellte das Asylverfahren ein (Ziff. 1). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a. F.) nicht vorliegen (Ziff. 2). Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in „den Herkunftsstaat“ aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziff. 3). Das Bundesamt stützte den Bescheid im Wesentlichen darauf, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nachgekommen sei. Er habe weder verwertbare Fingerabdrücke abgegeben noch die angeforderten schriftlichen Angaben zu seinem Reiseweg und zu etwaigen früheren Asylverfahren gemacht. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a. F.) scheitere bereits daran, dass für den Kläger kein Herkunftsland habe festgestellt werden können.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29. Oktober 2010 ließ der Kläger zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg Klage erheben (Az. RO 7 K 10.30455) und beantragen, den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2010 aufzuheben, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass beim Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz hinsichtlich Somalia vorliegen.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten gegenüber dem Bundesamt vom 29. Oktober 2010 machte der Kläger Angaben zu seinem Reiseweg nach Deutschland. Einer erneuten Aufforderung zur erkennungsdienstlichen Behandlung im November 2011 kam er nicht nach.

Das Verwaltungsgericht Regensburg hat mit Urteil vom 13. Dezember 2011 den Bescheid des Bundesamts aufgehoben. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten.

Der Beklagtenvertreter erklärte in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren (20 B 12.30349) am 14. Januar 2013, er hebe Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids auf, weil er sich nicht in der Lage sehe, eine positive Feststellung zu treffen, dass Abschiebungsverbote, wohin auch immer, bestünden.

Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 17. Januar 2013 das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Oktober 2010 dahingehend abgeändert, dass die Klage hiergegen abgewiesen wurde. Denn nach Auffassung des Senats lagen die Voraussetzungen des §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG a. F. vor. Insoweit ist das Urteil des Senats rechtskräftig geworden. Daneben hat der Senat die Beklagte entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers verpflichtet, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a. F.) hinsichtlich Somalia festzustellen und die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids vom 18. Oktober 2010 aufgehoben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Zulassung der Revision mit Urteil vom 13. Februar 2014 (Az. 10 C 6.13) das Urteil des Senats vom 17. Januar 2013 aufgehoben, soweit es die Beklagte zu einer Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a. F.) verpflichtete und die Abschiebungsandrohung teilweise aufhob, und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Der Senat hat aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9. Oktober 2014 mit Beschluss vom 13. Oktober 2014 den Beteiligten aufgegeben, zur Bestimmung des Herkunftsstaates und der Herkunftsregion des Klägers eine Sprachanalyse durchzuführen. In dem auf der Grundlage einer Sprachanalyse erstellten, vom 24. Juni 2015 datierenden Gutachten zur Sprachanalyse kommt der Gutachter des Bundesamtes zu dem Ergebnis, dass der Kläger mit Sicherheit aus Südsomalia stammt. Dies ergebe sich aus der guten Kenntnis lokaler Gegebenheiten und dem von ihm verwendeten Dialekt.

In der weiteren mündlichen Verhandlung am 7. April 2016 wurde der Kläger persönlich zu seinen Lebensumständen in Somalia, seinen Fluchtgründen und seinen Familienverhältnissen angehört. Ein Vertreter der Beklagten ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird unter entsprechender Aufhebung des Urteils des VG Regensburg vom 13. Dezember 2011 (RO 7 K 10.30455) abgewiesen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten und die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen vom 14. Januar 2013, vom 9. Oktober 2014 und vom 7. April 2016 Bezug genommen.

Gründe

Nachdem das Urteil des Senats vom 17. Januar 2013, soweit es die Anfechtungsklage gegen die Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Oktober 2010, mit dem die Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG verfügt wurde, abgewiesen hat, rechtskräftig geworden ist, ist streitgegenständlich allein die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der subsidiären Schutzberechtigung nach § 4 AsylG, hilfsweise von nationalen Abschiebungsverboten (vgl. die vom Klägerbevollmächtigen in der mündlichen Verhandlung vom 7. April 2016 gewählte Wiedergabe des Klageantrags).

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass er subsidiär Schutzberechtigter nach § 4 AsylG ist. Die dem entgegenstehende Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids vom 18. Oktober 2010 ist rechtswidrig und daher aufzuheben.

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter. Die Voraussetzungen des § 4 AsylG liegen vor. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

Der Senat ist aufgrund der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 7. April 2016 und des durchgeführten Sprachgutachtens überzeugt, dass der Kläger aus Buulobarde im gleichnamigen Distrikt der Provinz Hiiraan in Somalia stammt.

Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somali-land“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen Al-Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentral-somalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- und Zentralsomalia kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al-Shabaab-Miliz. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al-Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon längere Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al-Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al-Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1. Dezember 2015 - Stand: November 2015, S. 4 f.; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation - Somalia - Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 29; siehe auch EGMR, Urteil vom 5. September 2013 - Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] -, Rn. 87 ff.; BayVGH, U. v. 17.3.2016 - 20 B 13.30233 - juris; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, U. v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29).

In der Heimatregion des Klägers, dem Distrikt Buulobarde in der Provinz Hiiraan, herrscht im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG. Dieser Begriff ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Januar 2014 (C-285/12 - NVwZ 2014, 573) zu der dem § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG zugrunde liegenden Bestimmung des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EG Nr. L 304, S. 19) dahingehend auszulegen, dass ein solcher Konflikt vorliegt, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen (EuGH, U. v. 30.1.2014, a. a. O., Leitsatz 1 und Rn. 28). Dafür, dass ein derartiger Konflikt angenommen werden kann, kommt es weder auf einen bestimmten Organisationsgrad der beteiligten bewaffneten Streitkräfte noch auf eine bestimmte Dauer des Konflikts an. Insbesondere ist für die Annahme eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts auch keine besondere Intensität des Konflikts notwendig (EuGH, U. v. 30.1.2014, a. a. O. Rn. 32 und 34), da die Intensität nur bei der Frage zu berücksichtigen ist, ob der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass er auch zu einer Gefährdung im Sinne des Art. 15 der Richtlinie führt. Durch diese Rechtsprechung ist die des Bundesverwaltungsgerichts zu dieser Frage (vgl. BVerwG, Urteile v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 22 f. und vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, juris, Rn. 22 ff.) überholt.

Nach diesen Maßstäben liegt jedenfalls in der Heimatregion des Klägers insbesondere im Gebiet seiner Heimatstadt Buulobarde ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vor. Nach dem EASO-Bericht zur Sicherheitslage in Somalia vom Februar 2016 (EASO Country of Origin Information Report, Somalia Security Situation, February 2016, S. 58 f.) sind Konfliktparteien in der Heimatregion des Klägers neben der islamisch-fundamentalistischen Al-Shabaab-Miliz, der Somalischen Armee (SNAF) und der Unterstützungsmission der Afrikanischen Union (AMISOM) auch die Äthiopischen Streitkräfte und die ASWJ, eine auf der Seite der Somalischen Regierung stehende Miliz. Daneben bestehen Konflikte zwischen verschiedenen Clans der Region. Während die Al-Shabaab weiterhin den größten Teil der Provinz Hiiraan kontrolliert (Stand September 2015), wurde sie in den Jahren 2014 und 2015 von der somalischen Armee und der AMISOM aus den größeren Städten der Provinz vertrieben, aus Buulobarde konkret im März 2014. Dennoch ist die Al-Shabaab weiterhin in der Lage, in Städten, aus denen sie vertrieben wurde, Angriffe durchzuführen. Sie verlegte sich dementsprechend auf kurze, blitzartige Angriffe („hit-and-run attacks) und gezielte Ermordungen in diesen Städten. Convoys der AMISOM werden von der Al-Shabaab aufgelauert. Daneben führte die Al-Shabaab 2015 auch eine Blockade von Buulobarde durch (EASO Somalia Security Situation a. a. O. S. 59; vgl. auch Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Somalia, Lagekarten zur Sicherheitslage, Wien 12.10.2015, S. 9/10). Dementsprechend zählte das Österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im ersten Halbjahr 2015 9 bewaffnete Zusammenstöße im Bezirk, im zweiten Halbjahr 2014 gar 24 (Lagekarten zur Sicherheitslage S. 13). Damit liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt jedenfalls vor.

Der Kläger ist aufgrund der beschriebenen Konfliktlage als Zivilperson einer ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt. Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, U. v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 -, juris, Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, Urteile v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33, und v. 17.11.2010 - 10 C 13.10 - juris Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile v. 17.2.2009 - C-465/07 [Elgafaji] - juris, Rn. 35 und 39, und vom 30.1.2014 - C-285/12 [Diakite] - juris, Rn. 30; BVerwG, Urteile v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 32 und vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris, Rn. 19).

Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, notwendig (BVerwG, U. v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, Urteile v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 33, und v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris, Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris, Rn. 22 f., U. v. 17.11.2011 - 10 C 11/10 - juris, Rn. 20 f. [Risiko von 1:1000]).

Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U. v. 14.7.2009 - 10 C 9.08 - juris, Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17.2.2009 - C-465/07 [Elgafaji]; zum Ganzen Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, U. v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29). Dies ist im vorliegenden Fall die Stadt Buulobarde in der Provinz Hiiraan, da der Kläger nach seinen glaubwürdigen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 7. April 2016 von dort stammt und auch seine Familie noch dort lebt. Anhaltspunkte dafür, dass er sich an einem anderen Ort in Somalia niederlassen würde, sind nicht vorhanden.

Eine genaue Bewertung der Gefahrendichte aufgrund einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, erscheint jedoch kaum verlässlich möglich. Die Zahl der Zivilpersonen, die Opfer willkürlicher Gewalt geworden sind, kann kaum annäherungsweise verlässlich geschätzt werden, weil belastbare Zahlen nicht vorhanden sind. So stellt auch das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seinen Lagekarten zur Sicherheitslage in Somalia (Stand 12.10.2015, S. 7), bei denen es sich soweit ersichtlich um die detaillierteste und systematischste Aufarbeitung der bekannten sicherheitsrelevanten Vorfälle in Somalia bezogen auf die einzelnen Provinzen und Bezirke handelt, eingangs fest, dass die veröffentlichten Karten und Diagramme keine vollständige und exakte Lage bzw. der Ereignisse bieten könnten. Dies sei im somalischen Kontext aus verständlichen Gründen eine nicht erreichbare Qualität. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass eine Anzahl der verzeichneten Vorfälle keine Opfer nach sich gezogen hätten bzw. andere Vorfälle eine Vielzahl an Opfern hervorgerufen hätten. Eine Berücksichtigung der Opferzahlen sei daher nicht vollzogen worden. In ähnlicher Weise verweist der EASO-Bericht zur Sicherheitslage vom Februar 2016 darauf hin, dass sowohl der UNHCR als auch eine humanitäre internationale NGO im Mai 2015 darauf hingewiesen hätten, dass es einen Mangel an Berichten, insbesondere aus den Gebieten unter Kontrolle der Al-Shabaab, gebe. Daher seien die Informationen aus diesen Gebieten bis zu einem gewissen Grade ungewiss. Auch soweit einzelne Berichte über Vorfälle vorliegen, wird dort meist lediglich über die Getöteten, aber nicht über die Verletzten berichtet (vgl. OVG RhPf, U. v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15, Asylmagazin 2016, 29). Daher muss bei Betrachtung der Auskunftslage angesichts des nach sämtlichen Auskünften sehr hohen Gewaltniveaus von einer erheblichen Dunkelziffer an Verletzten und Getöteten ausgegangen werden. Die vorhandenen Zahlen zu Toten und Verletzten können keineswegs so verstanden werden, dass sie ein vollständiges Bild der Gefahrenlage für Leben und Unversehrtheit von Zivilpersonen in der jeweiligen Region Somalias abgeben.

Nach dem EASO Somalia Security Situation Report (Februar 2016; S. 59) beträgt die Bevölkerung der Provinz Hiiraan nach einer Schätzung der UN und lokaler Behörden ca. 520.685 Einwohner. Im Bezirk Buulobarde hat sich die Sicherheitslage im Zeitraum 07/2014 bis 06/2015 im Vergleich zum Zeitraum 2011-2014 grundsätzlich verschlechtert. Im zweiten Halbjahr 2014 verzeichnete der Bezirk 24 bewaffnete Zusammenstöße, im ersten Halbjahr 2015 immerhin noch 9 (Bundesasylamt Österreich, Somalia Lagekarten zur Sicherheitslage vom 12.10.2015, S. 14-17). Dabei ist jedoch nicht bekannt, wie viele Tote und Verletzte es dabei gab und wie viele Angehörige der Zivilbevölkerung betroffen waren. Ebenso wenig kann eine Berücksichtigung der genauen Opferzahlen wegen der Quellenlage vollzogen werden (Bundesasylamt a. a. O. S. 7). Auch die EASO konstatiert, dass die meiste Gewalt im Jahre 2014 in Buulobarde und den umliegenden Dörfern vorkam, nennt jedoch ebenfalls keine genauen Opferzahlen. Gleiches gilt für die Opfer und Begleitumstände der bereits erwähnten Blockade der Stadt Buulobarde durch die Al-Shabaab. Deren humanitäre Auswirkungen wurden lt. dem EASO Bericht zur Sicherheitssituation zwar durch humanitäre Hilfslieferungen gemildert, die Blockade dauert aber offensichtlich weiter an (EASO Somalia Security Situation a. a. O. S. 61, FN 515-517). Daneben berichtete die UN Monitoring Group on Somalia im Oktober 2015, dass infolge des intensivierten Kampfes gegen Al-Shabaab die Verletzungshandlungen gegenüber Zivilisten anstiegen, als beide Seiten Waffen und Taktiken verwendeten, die in großen zivilen und militärischen Opfern resultierten (EASO Somalia Security Situation a. a. O. S. 25). ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin an Asylan Research and Documentation) stellt für die Provinz Hiiraan im Jahr 175 Vorfälle mit 493 Toten fest, u. a. in Buulobarde. Auf die Provinz entfallen damit mehr als 10% der für ganz Somalia gemeldeten 4096 Todesfälle (ACCORD, Somalia Jahr 2015: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location and Event Data Projekt (ACCED), 4. Februar 2016). Darin wird jedoch wiederum darauf hingewiesen, dass es insbesondere bei den Opferzahlen „zur Untererfassung“ kommen kann. Insgesamt lässt sich daher nach der Auskunftslage eine Relation für die Gefährdung des Lebens oder der Unversehrtheit von Zivilpersonen nicht zuverlässig bilden. Nach wertender Betrachtung der Auskunftslage ist sie jedoch als hoch anzusetzen.

Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die den Kläger wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, ergeben sich zwar nicht bereits aus seiner Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Die Al-Shabaab sieht Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an (European Asylum Support Office, EASO Country of Origin Information report - South and Central Somalia - Country Overview, August 2014, S. 106); da sie aber in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen - v.a. auch Binnenvertriebene (vgl. European Asylum Support Office, EASO Country of Origin Information Report - South and Central Somalia - Country Overview, August 2014, S. 117; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation - Somalia - Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 19) - ergibt sich daraus nicht für jeden Rückkehrer ohne weiteres eine ernsthafte Bedrohung.

Allerdings bestehen in der Person des Klägers zusätzliche gefahrerhöhende Umstände aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einem Minderheiten-Clan, konkret dem Clan der Tumal, und aufgrund seines glaubwürdigen Vortrags zu den Gründen seiner Ausreise aus Somalia. Der Kläger gab seine Clanzugehörigkeit in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof mit „Gaboye“ an. Demgegenüber wurde in der vor der mündlichen Verhandlung durchgeführten Sprachanalyse der Clan als „Tumal“ bezeichnet. Bei beiden Begriffen handelt es sich jedoch lediglich um unterschiedliche Bezeichnungen für den gleichen somalischen Minderheiten-Clan, für den die handwerkliche Tätigkeit als Schmied oder Metallverarbeiter charakteristisch ist (im Einzelnen vgl. Österreichischer Integrationsfonds (ÖIF) Länderinfo, Die Parias Somalias: Ständische Berufskasten als Basis sozialer Diskriminierung, 2010, S. 23 f.; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, Minderheiten in Somalia, Juli 2010, S. 19). Die Angehörigen dieses Clans sind traditionell in metallverarbeitenden Berufen tätig. Aus der Sicht der somalischen Mehrheiten-Clans handelt es sich dabei um „unedle“ bzw. „unreine“ Berufe, weshalb die Angehörigen der sogenannten Mehrheiten-Clans auf die Tumal herabschauen. In der heutigen Zeit sind sie nicht lediglich, wie der Stammesname Tumal aussagt, als Schmiede tätig, sondern fertigen alle möglichen Gegenstände aus Metall, so z. B. werden auch Schweißarbeiten erbracht oder Arbeiten als Mechaniker ausgeführt. Die Tumal beschränken sich jedoch nicht auf diese Tätigkeiten, sondern werden auch in anderen Berufsfeldern, etwa in der Lederverarbeitung oder als Händler tätig (ÖIF Länderinfo, S. 23). Dies deckt sich mit den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu seinem Clan und seiner Familie. Dass der Kläger selbst und sein Vater nicht als Schmied bzw. in einem metallverarbeitenden Beruf tätig waren, ist insoweit unschädlich. Beim Kläger ergibt sich dies bereits daraus, dass er schon im jugendlichen Alter sein Heimatland verließ und daher schon keine Zeit gehabt hatte, ein derartiges Handwerk zu erlernen. Dass sein Vater nicht in einem metallverarbeitenden Beruf, sondern als Landwirt auf den Grundstücken seines Bruders tätig war, ist ebenfalls nach der Auskunftslage plausibel. Denn die Berufskasten wie die Tumal haben in der Zeit seit der Unabhängigkeit Somalias bis zum Sturz Siad Barres davon profitiert, dass das Clansystem in dieser Zeit gegenüber dem somalischen Nationalismus in den Hintergrund getreten ist und auch Angehörige von Minderheiten-Clans gesellschaftlich und wirtschaftlich aufsteigen konnten. Es ist daher durchaus plausibel, dass dies dem Onkel des Klägers gelang mit der Folge, dass er Grundbesitz erwerben konnte. Dieser Grundbesitz musste nun selbstverständlich bewirtschaftet werden, was der Vater des Klägers übernahm (zum Hintergrund vgl. ÖIF, S. 39). Diese abweichende Tätigkeit ändert aber nichts an der Zugehörigkeit des Klägers und seines Vaters zu dem Minderheiten-Clan der Tumal.

Die Minderheiten-Clans werden von den somalischen Mehrheiten-Clans grundsätzlich nicht als gleichwertig angesehen. So dulden die „noblen“ somalischen Mehrheiten-Clans keine Heiratsverbindungen mit Angehörigen der Minderheiten-Clans. Dadurch sind die Minderheiten-Clans sozial isoliert. In der nach dem Sturz Siad Barres eingetretenen Bürgerkriegssituation machte sich dies dahingehend bemerkbar, dass sie weitgehend schutzlos waren, da die bürgerkriegsführenden Parteien sich im Wesentlichen durch eine Zugehörigkeit zu einem Mehrheiten-Clan definierten. Dementsprechend waren und sind die Minderheiten-Clans militärisch schwach. Ihre Verletzlichkeit wird noch dadurch gesteigert, dass sie regelmäßig politisch neutral sind, was dazu führt, dass sie grundsätzlich allen Seiten verdächtig sind. Bei Inbesitznahme einer Region durch einen neuen Warlord wurden sie im Bürgerkrieg häufig beschuldigt, den bisherigen Machthaber zu unterstützen, egal ob dies der Fall war oder nicht (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Minderheiten in Somalia, S. 2). Aufgrund ihrer Stellung im von Clanstrukturen geprägten Gesellschaftssystem Somalias sind die Angehörigen der Minderheiten-Clans daher im gestiegenen Maße gefährdet, zwischen die Fronten der bewaffneten Auseinandersetzungen zu geraten. Betrachtet man die Situation des Klägers bei einer möglichen Rückkehr in seine Heimatstadt, so ist insoweit zu bemerken, dass diese nach der Vertreibung der Al-Shabaab-Milizen zwar von Truppen der somalischen Armee und der AMISOM kontrolliert wird, dominant in der Stadt ist jedoch der Mehrheiten-Clan der Hawadle, wie der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof angab. Gegenüber dieser dominanten Clangruppierung ist der Kläger als Angehöriger eines Minderheiten-Clans von vornherein in einer unterlegenen Situation. Er ist daher im gesteigerten Maße in Gefahr, zwischen die Fronten von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Mehrheiten-Clans und deren Milizen zu geraten, die nach der Auskunftslage auch in der Heimatregion des Klägers trotz der Präsenz von Regierungstruppen stattfinden (EASO, Somalia Security Situation, S. 60).

Hinzu kommt noch als weiteres gefahrerhöhendes Moment, dass der Kläger bereits früher in den Fokus der Al-Shabaab geraten ist. Er hat glaubwürdig angegeben, dass der Grund für seine Ausreise aus Somalia darin gelegen habe, dass er zusammen mit seinem Bruder in Buulobarde eine Art Kino betrieben habe, konkret sei es ein Fernseher mit Satellitenempfänger gewesen. Dies sei der Al-Shabaab ein Dorn im Auge gewesen, weshalb diese ihnen das Betreiben des Kinos verboten hätten. Sein Bruder habe sich geweigert und sei daraufhin von der Al-Shabaab mitgenommen und getötet worden. Seine Mutter habe ihn daher weggeschickt. Die Glaubwürdigkeit dieses Vortrags ergibt sich einerseits daraus, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung ruhig und widerspruchslos den Sachverhalt vorgetragen hat. Auch auf Nachfragen zu eher nebensächlichen Aspekten, wie z. B. der Frage, wie er sich auf dem Lastwagen, mit dem er von seinem Onkel aus der Stadt geschmuggelt wurde, versteckt habe, konnte der Kläger sofort und ohne Zögern eine schlüssige Antwort geben. Der gesamte Sachvortrag des Klägers war daher in sich konsistent und erweckte den Eindruck, dass er über einen selbst erlebten Sachverhalt berichtete. Schließlich ist der Sachverhalt auch vor dem Hintergrund der Ideologie der islamisch-fundamentalistischen Al-Shabaab plausibel. Denn das Betrachten von Fernsehsendungen, unter anderem auch aus dem westlichen Ausland, ist nach deren Ideologie unerwünscht und verdammungswürdig. So konstatiert auch der EASO Bericht zur Sicherheitssituation vom Februar 2016, dass in den Gebieten unter der Kontrolle von Al-Shabaab ein Verbot von Musik, Film, Sport etc. gilt, das bei Verstößen mit empfindlichen Strafen einschließlich Amputation und Enthauptung geahndet wird (a. a. O. S. 19). Dass ein junger Mann, der sich weigert, auf Aufforderung der Al-Shabaab derartige Sendungen nicht weiter der Bevölkerung seines Viertels zugänglich zu machen, in den Augen der Al-Shabaab ein mit dem Tode zu bestrafendes Verbrechen begangen hat, leuchtet ein. Andererseits leuchtet es aber auch ein, dass der Kläger und sein Bruder, da es sich dabei um ihre einzige Einnahmequelle handelte, nicht bereit waren, diese Tätigkeit aufzugeben. Insgesamt bestehen daher keine Zweifel am Vortrag des Klägers. Aufgrund dieses Sachverhalts wäre der Kläger auch bei einer Rückkehr in seine Heimatstadt wieder oder erneut im Fokus der Al-Shabaab. Nachdem nach der Auskunftslage davon auszugehen ist, dass die Al-Shabaab zwar aus Buulobarde vertrieben ist, sie jedoch weiterhin in der Lage ist, auch in der Stadt Angriffe auf einzelne Ziele zu verüben und dies auch tut, besteht die erhebliche Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger einer Gefährdung für Leib und Leben aufgrund der Kampfhandlungen im Rahmen des genannten innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zwischen der Al-Shabaab, Clan-Milizen der herrschenden Clans und der auf der Seite der somalischen Regierung kämpfenden Truppen geraten würde.

Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Über die Kosten des Verfahrens war insgesamt erneut zu entscheiden, da das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 13. Februar 2014 auch die in Ziffer 3 des Urteils des Senats vom 17. Januar 2013 getroffene Kostenentscheidung aufgehoben hat. Soweit die Klage hinsichtlich der in Ziffer 1 des Bescheides vom 18. Oktober 2010 verfügten Einstellung des Asylverfahrens abgewiesen wurde, trägt der Kläger als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens. Soweit der Klage hinsichtlich des subsidiären Schutzstatus stattgegeben wurde unter Aufhebung von Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides, ist die Beklagte der unterlegene Teil im Sinne des § 154 Abs. 1 VwGO mit der Folge, dass das nach § 155 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens hälftig zu teilen waren. Der Senat geht dabei von einer Gleichwertigkeit der Streitgegenstandsteile aus.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 3 und Aufhebung von Nummer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II.

Die Beklage hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus K. mit zwei im Jahr 2009 und im Jahr 2012 geborenen Kindern, sind afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige. Sie reisten im Juni 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25. Juni 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24. Oktober 2012 an, er habe mit seiner Familie zuletzt in K. gelebt. Am 7. Oktober 2011 (12.10.1390) hätten sie Afghanistan verlassen. Seine Eltern lebten noch in K. Sechs Onkel lebten in Deutschland, in Afghanistan seien noch eine 24 Jahre alte Schwester sowie zwei Brüder mit 16 oder 17 und 10 Jahren. Nach dem Abitur habe er zusammen mit seinem Vater ein Geschäft geführt, in dem man verschiedene Zubehörteile zum Bau eines Hauses erhalte. Auf die Frage nach dem Ausreisegrund gab der Kläger zu 1 an, Grund sei die Zukunft seiner Kinder. In Afghanistan gebe es keine Kindergärten, keine richtige Schule, man könne keine richtige Ausbildung machen und jeden Tag gebe es irgendwo ein Attentat. Er wolle nicht, dass seine Kinder in einer Umgebung aufwüchsen, wo nur Krieg und Chaos sei. Seine Familie sei nicht sehr reich, aber auch nicht arm gewesen. Er habe ein Auto, ein Grundstück und den Laden besessen. Dies alles hätten sie für die Zukunft der Kinder aufgegeben. Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, gab bei ihrer Anhörung an, bis zu ihrer Ausreise habe die Familie in K. gelebt. Die Familie sei bis nach Athen gemeinsam geflohen. Dort hätten sie einen Araber kennengelernt, der sie als seine Ehefrau gemeinsam mit den beiden Kindern mit nach Deutschland genommen habe. Sie sei mit ihm nach Frankfurt am Main geflogen. Am 3. Juni 2012 sei sie mit den Kindern in Deutschland angekommen. Sie habe im Jahr 2008 geheiratet. In Afghanistan lebten noch ihre Eltern in K. sowie vier Schwestern und zwei Brüder. Sie habe an einem staatlichen Institut eine zweijährige Ausbildung zur Erzieherin, zur Kindergärtnerin, absolviert und abgeschlossen. Bis zur Geburt des ersten Kindes habe sie dann sechs Monate im Kindergarten gearbeitet. Afghanistan habe sie wegen der Zukunft ihrer Kinder verlassen. Sie habe sie nicht in den Kindergarten bringen können, sie hätten nicht alleine in die Schule gehen können. Ein Onkel von ihr sei bei einem Attentat umgekommen. Ihr Mann arbeite auch in K. und sie wolle nicht, dass ihm Gleiches passiert. Er habe dort ein Geschäft und verkaufe u. a. Waschbecken und Kommoden. Sie wolle, dass ihre Kinder in Deutschland eine Zukunft hätten.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurden die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt (1.) sowie festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (2. und 3.) und den Klägern die Abschiebung angedroht (4.). Zur Begründung ist angeführt, die Kläger hätten eine politische Verfolgung nicht geltend gemacht, sondern sich nur auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan bezogen. Für eine Gefährdung wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken bestünden keine Anhaltspunkte. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine erhebliche individuelle Gefahr aufgrund eines bewaffneten Konflikts. Zudem seien keine stichhaltigen Ausführungen gemacht worden, aus denen sich ergäbe, dass die Familie nach einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wäre. In der Gesamtschau könne nicht von einer extremen Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 14. April 2014 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, alle ihre Ersparnisse für die Ausreise aufgewandt zu haben. Weiter habe die Familie Geld vom Vater des Klägers zu 1 bekommen. Bei einer Rückkehr stünde die Familie vor dem Nichts. Außer den Eltern des Klägers zu 1 seien dort keine Verwandten mehr. Die Klägerin zu 2 habe in Afghanistan noch ihre Mutter sowie vier Schwestern und zwei Brüder.

Mit Urteil vom 14. April 2014 wurde die Klage abgewiesen. Dass den Klägern relevante Verfolgungsmaßnahmen drohten, sei weder dargetan, noch sonst ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für subsidiären und nationalen Schutz lägen nicht vor. Insbesondere sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht deshalb festzustellen, weil es sich um eine Familie mit kleinen Kindern handle. Hier vermittle Nr. C 3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern den Klägern gleichwertigen Schutz vor Abschiebung. Danach würden Straftäter, Personen, bei denen Ausweisungsgründe vorliegen bzw. Sicherheitsbedenken bestehen, sowie alleinstehende, männliche afghanische Staatsangehörige vorrangig zurückgeführt. Die Rückführung anderer Personen sei vorerst zurückzustellen. Letzterem Personenkreis gehöre die Familie an, so dass sie nach Abschluss des Asylverfahrens ebenso eine Duldung erhalten würde wie diejenigen Personen, für die ein förmlicher Abschiebestopp bestehe. Damit sei die Familie hinreichend vor einer Abschiebung nach Afghanistan geschützt. Die Familie sei auch trotz der bekanntermaßen schlechten Sicherheits- und Versorgungslage keiner konkreten landesweiten Gefährdung für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt. Die Eltern seien beide überdurchschnittlich qualifiziert und bei einer Rückkehr sei zumindest damit zu rechnen, dass der Familienverband, der bereits die Ausreise finanziert habe, die Kläger wieder aufnehme und ihnen in der ersten Zeit ein Obdach biete. Zudem verfügten die Kläger noch über andere Familienmitglieder.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots mit Beschluss vom 4. August 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob für eine Familie mit minderjährigen Kindern bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, sie hätten noch zwei sehr kleine Kinder im Alter von erst fünf und zwei Jahren, so dass jedenfalls für die Mutter eine Arbeit nicht ohne weiteres möglich sein werde. Schon mit nur einem Kind sei ihr der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums nicht regelmäßig möglich gewesen. Es sei nicht anzunehmen, dass sie als Kindergärtnerin ohne weiteres ihre beiden Kinder mit zur Arbeit nehmen könne. Der Vater werde nicht im Stande sein, für vier Personen den Unterhalt zu verdienen. Rücklagen existierten nicht mehr, die Eltern hätten beide keine Arbeitsstelle mehr und eine weitere Unterstützung könne nicht mehr gewährt werden. Der Vater der Klägerin zu 2 sei zwischenzeitlich verstorben und die erwachsenen Geschwister hätten kein ausreichendes eigenes Einkommen. Die politische Entscheidung über eine Aussetzung der Abschiebung, die sich jederzeit wieder verändern könne, enthebe das Gericht nicht von der Feststellung zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine erhebliche konkrete Gefahr bestehe darüber hinaus auch deshalb, weil sich die Sicherheitslage erheblich verschlechtert habe. Die Innenministerkonferenz sei der Auffassung, dass zwangsweise Rückführungen weiterhin nur nach umfassender Einzelfallprüfung erfolgen sollten. UNHCR zufolge verschlechtere sich die Situation in Afghanistan zusehends. In K. spitze sich die Lage ebenfalls zu.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte führt aus, es spreche Erhebliches dafür, dass die in Bayern geltenden Vorgaben als Erlasslage zu sehen seien, die afghanischen Familien mit minderjährigen Kindern einen Schutz vor Abschiebung vermittle. Unabhängig davon bestehe für Familien mit minderjährigen Kindern trotz der allgemein schwierigen humanitären Umstände nicht regelmäßig eine Extremgefahr, zumal auch die Rückkehrförderung zu berücksichtigen sei. Die einem Familienvater obliegende Aufgabe, über seine Person hinaus für die Angehörigen das Existenzminimum zu erwirtschaften, sei weiter kein sich unmittelbar auswirkender Aspekt. Das Abschiebungsschutzrecht gehe von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage aus. Auf die erst mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen könne nicht abgestellt werden. Bei tatsächlicher Existenzgefährdung der vom Erwerbsfähigen abhängigen Angehörigen könne dort ein Abschiebungsverbot vorliegen, durch das dem Erwerbsfähigen als Ausfluss seiner Rechte aus Art. 6 GG dann ein Anspruch auf Fortbestand der familiären Gemeinschaft im Bundesgebiet erwachse. Zudem sei ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Rückkehr und drohender Rechtsgutverletzung erforderlich. Schlechte humanitäre Bedingungen könnten zwar in Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen, aber in Afghanistan sei die allgemeine Lage nicht so ernst, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne. Fraglich sei schon, ob aus Sicht des Gesetzgebers der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG bei einer auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage überhaupt eröffnet sei. Angesichts des besonderen Ausnahmecharakters sei ein Gefährdungsgrad entsprechend der Extremgefahr erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Damit kommt es auch auf die Frage nicht an, ob Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, für Familien eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG darstellt, die ihnen Schutz vor Abschiebung vermittelt und deshalb die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausschließt.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Der Kläger zu 1 und 2 als Eltern von zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet.

Von der Beklagten wird das allerdings bezweifelt, weil der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der vom Bundesverwaltungsgericht bejahten Erweiterung auf Gefährdungen, die nicht staatlich zu verantworten seien (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489), am Konzept von allgemeinen Gefährdungslagen einerseits und individuell gelagerten Schutzgründen andererseits festgehalten habe. Die Formulierung des Art. 3 EMRK, niemand dürfe unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, lässt zwar nicht erkennen, ob sich diese nur aus konkret gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen oder auch aus einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen ergeben kann. Eine Unterscheidung zwischen konkreten und allgemeinen Gefahren wird dort jedenfalls nicht vorgenommen. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist (BVerwG, U.v. 31.1.2013 a. a. O.; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952), hält aber eine unmenschliche Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen für möglich. Im Urteil vom 13. Juni 2013 (a. a. O.) ist das Bundesverwaltungsgericht ferner ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt und hält für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtige, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut zurückzuführen seien oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum anderen könne - wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten - eine Verletzung darin zu sehen sein, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Zu berücksichtigen seien dabei auch seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergebe, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse seien nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention ziele hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern, mache die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK aber eine gewisse Flexibilität erforderlich.

Dass der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Regelung von allgemeinen Gefahren im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F. i. V. m. § 60a AufenthG unverändert beibehalten und nicht auf andere Abschiebungsverbote ausgedehnt hat, spricht bei systematischer Auslegung des Gesetzes gegen die vom Bundesamt vertretene Auffassung. Im gewaltenteilenden Rechtsstaat ist die Rechtsprechung nur ausnahmsweise befugt, die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unbeachtet zu lassen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 zur verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F.). Im Übrigen greift das Bundesamt selbst in bestimmten Fallkonstellationen bei allgemeinen Gefahren ebenso auf § 60 Abs. 5 AufenthG zurück. So kann z. B. nach dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. November 2013, Az. M I 4 - 21004/21#5 („Information zur Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgrund des Urteils des BVerwG vom 13. Juni 2013“), bei unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt werden.

Bisher nicht geklärt ist, durch welchen Gefährdungsgrad derartige außergewöhnliche Fälle gekennzeichnet sein müssen. Schon von der Gesetzessystematik her kann der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative ebenso wenig übertragen. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167) macht jedoch deutlich, dass von einem sehr hohen Niveau auszugehen ist. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin. Eine solche ist allerdings bei den Klägern gegeben.

Bei einer Rückkehr müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Der Ehefrau und Mutter war es ihrem glaubhaften Vortrag zufolge wegen des älteren Kindes schon vor der Ausreise nicht möglich, in ihrem Beruf tätig zu sein. Selbst der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums war nicht regelmäßig möglich. Mit nunmehr zwei kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter würde ihr die Arbeitsaufnahme somit nicht gelingen. Der Vater müsste daher alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Dazu würde er nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren. Der Vater der Klägerin zu 2 ist zwischenzeitlich verstorben, so dass auch insoweit keine Hilfe zu erwarten wäre. Der Kläger zu 1 wäre in der Folge bei Rückkehr auf sich alleine gestellt. Angesichts der Lebensbedingungen in Afghanistan und der Tatsache, dass die Kinder noch in betreuungsbedürftigem Alter sind, würde er zur Sicherung der Existenz für die Familie nicht imstande sein. In der ständigen Rechtsprechung zur Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog (seitU.v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris) hat sich der Verwaltungsgerichtshof zwar schon mit Teilaspekten der humanitären Lage in Afghanistan befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass für einen alleinstehenden Rückkehrer keine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Er wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Bei einer Familie mit minderjährigen Kindern ist aber im Hinblick auf die zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen.

Vorab ist festzuhalten, dass die gesamte Familie in die Bewertung mit einzubeziehen ist. Der Senat geht davon aus, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 1 nicht außer Betracht bleiben können. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Abschiebungsschutzrecht von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage ausgehe, trifft das zwar insoweit zu, als das Gesetz generell eine Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuell drohenden Gefahren vornimmt. Das schließt aber nicht aus, Unterhaltsverpflichtungen, die dem Betroffenen konkret obliegen, zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine gemeinsame oder getrennte Rückkehr von Familienangehörigen zugrunde zu legen ist, geht ebenfalls in diese Richtung (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = InfAuslR 1993, 28; B.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93). Unter Einbeziehung der Bedeutung, welche die deutsche Rechtsordnung dem Schutz von Ehe und Familie beimesse (Art. 6 GG), sei bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohten, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehörigen auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen - Angehörige, die Abschiebungsschutz genießen - könne eine andere Betrachtung geboten sein. Erforderlich sei eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der Situation im hypothetischen Rückkehrfall. Für die anzunehmende Ausgangssituation, von der aus die Gefahrenprognose zu erstellen sei, komme es grundsätzlich weder auf bloße Absichtserklärungen der Betroffenen noch auf ihren ausländerrechtlichen Status an. Dies gelte für den jeweiligen Asylbewerber selbst und für die Familienmitglieder. Die Hypothese solle die Realität nur in einem Punkt ersetzen, dem nicht mehr bestehenden Aufenthalt des Asylbewerbers in seinem Heimatstaat. Im Übrigen werde durch sie an dem realen Umfeld, insbesondere den familiären Beziehungen des Asylbewerbers, seinen Rechten und Pflichten, nichts geändert. Eine andere Betrachtungsweise würde sich grundlos von der Realität entfernen. Diese Grundsätze können auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. Es wäre ebenso wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der genannten Rechtsprechung nicht in Einklang, wenn man die Unterhaltsverpflichtungen als lediglich mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen außer Betracht ließe.

Wird mithin die Notwendigkeit, dass der Kläger zu 1 für den Unterhalt der gesamten Familie aufkommen muss, zugrunde gelegt, würden die Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt. Die humanitäre Lage dort lässt für sie ein menschenwürdiges Dasein nicht zu.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zwar zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In der Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012 wird ebenfalls auf die schwierige Arbeitssuche hingewiesen. Die meisten Männer und Jugendlichen würden versuchen, auf nahe gelegenen Märkten als Träger zu arbeiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Nach der Stellungnahme von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren A 11048/10.OVG) könne das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Damit würde der Kläger zu 1 unter den gegebenen Umständen den notwendigen Lebensunterhalt nicht erwirtschaften können. Zum einen wird er keine Unterstützung durch seine Ehefrau bekommen, weil seine Kinder ihrer Betreuung bedürfen. Zum anderen wird es an Arbeitsmöglichkeiten für ihn fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Zwar war er vor der Ausreise im Geschäft seines Vaters tätig, jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass er ohne Weiteres an die bereits ausgeübte Tätigkeit anknüpfen könnte. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 angegeben, er wisse nicht, wie das Geschäft laufe, seitdem er Afghanistan verlassen habe. Sein 18-jähriger Bruder gehe noch zur Schule und arbeite mittlerweile auch in dem Geschäft. Damit wird dieser den Platz des Klägers in dem Betrieb einnehmen, zumal er in einem Alter von 18 Jahren die Schule demnächst abschließen wird. Anhaltspunkte dafür, dass das Geschäft, das auch bislang nur von zwei Personen geführt wurde, Bedarf an einer weiteren dritten Arbeitskraft hätte, bestehen nicht. Somit wäre selbst im Fall der Rückkehr in das väterliche Geschäft nicht zu erwarten, dass der Kläger zu 1 ein Einkommen in einer Größenordnung erzielen könnte, die für den Lebensunterhalt einer ganzen Familie ausreichend wäre. Er wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden. Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch davon auszugehen, dass dies nicht gelingen kann.

Mit Ausnahme der medizinischen Versorgung greift der Lagebericht 2014 (S. 19 f.) keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung nicht gesichert sei. Da somit keine grundlegende Änderung eingetreten ist, wird zu den Einzelaspekten auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2012 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 28 - Lagebericht 2012) zurückgegriffen, der die Situation detaillierter beschreibt. Dieser führt hinsichtlich der Unterkunftsmöglichkeiten aus, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der Auskunft von ACCORD vom 1. Juni 2012 leben Zehntausende zurückgekehrter Familien unter schlimmen Bedingungen in Slums mit behelfsmäßigen Unterkünften in und um die afghanischen Städte. Sie müssten mit weniger als zehn Liter Wasser am Tag pro Person auskommen und hätten nicht genügend zu essen. Auch die SFH (S. 19) weist darauf hin, dass die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen gehöre, vor allem in K.. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 39% der Bevölkerung, zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Damit kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können. Erschwerend kommt hinzu, dass der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2014, S. 19).

Die Grundversorgung ist nach dem Lagebericht 2014 (S. 20) für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung, für Rückkehrer in besonderem Maße. Die medizinische Versorgung habe sich zwar in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend. In K. gebe es eine gute ärztliche Versorgung in einer deutschen und einer französischen Einrichtung. Im Übrigen sei medizinische Hilfe aber oftmals nicht zu erreichen oder könne nicht bezahlt werden (SFH S. 20). Diese Gesichtspunkte sind vorliegend im Hinblick auf die beiden kleinen Kinder von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass nach der SFH (S. 19) die Qualität der Bildungsangebote unzureichend und Gewalt im Umgang mit Kindern weit verbreitet ist. Viele Kinder seien unterernährt; 10% der Kinder würden vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Straßenkinder seien jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 - UNHCR-Richtlinien) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Nach einer ergänzenden Darstellung (Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen - Vertretung in Deutschland - vom August 2014) sind 40% der Rückkehrer nicht in der Lage, sich wieder in ihre Heimatorte zu integrieren, rund 60% hätten Schwierigkeiten, sich ein neues Leben in Afghanistan aufzubauen.

Diese Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Insbesondere ist auch mit den neueren Erkenntnismitteln die derzeitige Situation hinreichend abgebildet, so dass es der Einholung weiterer Auskünfte nicht bedarf. Unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, ist die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Bei den geschilderten Verhältnissen liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Unterkunft finden würden und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Dass die Rechtsprechung zur Extremgefahr für Alleinstehende nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht auf die Frage einer unmenschlichen Behandlung von Familien im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK übertragen werden kann, sondern sich die Wertung unterscheiden muss, zeigt sich auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 - hudoc.echr.coe.int, auszugsweise mit inoffizieller Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration in Asylmagazin 2014, 424). In der Entscheidung betreffend die Abschiebung einer Familie nach Italien hebt der Gerichtshof vor allem das Kindeswohl hervor. Eine Abschiebung verstoße gegen Art. 3 EMRK, wenn nicht sichergestellt sei, dass die Familieneinheit erhalten bleibe und eine den Bedürfnissen der Kinder entsprechende Aufnahme gewährleistet sei. Auch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder misst Familien mit Kindern besondere Bedeutung zu. In der 199. Sitzung vom 11. bis 13. Juni 2014 wurde deshalb das Bundesministerium des Innern unter anderem um vertiefte Informationen zur spezifischen Rückkehrsituation von Familien gebeten. Nach Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, ist die Rückführung von Familien vorerst ebenfalls zurückgestellt. Dass das Existenzminimum für eine Familie nicht erwirtschaftet werden kann, wird auch durch die Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt. Danach könne durch Aushilfsjobs allenfalls das Existenzminimum für eine Person ermöglicht werden (S. 9). Ferner bekräftigt der UNHCR (Richtlinien vom 6.8.2013, S. 9) das grundsätzliche Erfordernis bedeutender Unterstützung. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Damit hat sich die Lage nach der Einschätzung des UNHCR eher verschärft, denn die Richtlinien aus dem Jahr 2010 (S. 15 der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24.3.2011 - zusammenfassende Übersetzung der UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 17.12.2010, S. 40) gingen noch davon aus, dass alleinstehende Männer und Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten.

Soweit die Beklagte auf die gewährten Unterstützungsleistungen verweist, gibt es diese zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr. Danach allerdings bestehen Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat (Lagebericht 2014, S. 20; Auskunft von ACCORD vom 1.6.2012). Aufgrund dieser verwaltungstechnischen Schwierigkeiten kommt die erforderliche Hilfe deshalb oft nicht dort an, wo sich die Rückkehrer niedergelassen haben. Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Familien. Über eine gewisse Starthilfe hinaus ist es nicht möglich, dauerhaft Unterstützung für die gesamte Familie zu bekommen (Auskunft von amnesty international vom 29.9.2009 an den BayVGH im Verfahren 6 B 04.30476). Damit mögen die Leistungen zwar einen vorübergehenden Ausgleich schaffen, sind aber nicht dazu geeignet, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten, insbesondere weil die Grundversorgung schon generell für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung eine enorme Herausforderung bedeutet.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 und des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 insoweit (Ablehnung Nr. 3 und Abschiebungsandrohung Nr. 4) zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.