Verwaltungsgericht Trier Urteil, 06. Apr. 2018 - 7 K 7497/17.TR

ECLI:ECLI:DE:VGTRIER:2018:0406.7K7497.17.00
bei uns veröffentlicht am06.04.2018

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Zuwendungen aus dem „Kommunalen Entschuldungsfond Rheinland- Pfalz“ für die Jahre 2012, 2013 und 2014 sowie die Versagung weiterer Zuwendungen für das Jahr 2015 durch den Beklagten.

2

Am 9. Februar 2012 schlossen die Klägerin, vertreten durch ihren Ortsbürgermeister, und das Land Rheinland- Pfalz, vertreten durch die Kreisverwaltung des ... – Kreisverwaltung –, einen Konsolidierungsvertrag zur Teilnahme am Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland- Pfalz – KEF –. Die vertraglichen Regeln nehmen zunächst Bezug auf die gemeinsame Erklärung der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Rheinland- Pfalz und der rheinland- pfälzischen Landesregierung vom 22. September 2010 zur Einrichtung des KEF – Gemeinsame Erklärung – sowie den vom Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur – Innenministerium – veröffentlichten Leitfaden mit der Bezeichnung „Kommunaler Entschuldungsfonds Rheinland- Pfalz“ – Leitfaden – und bestimmen des Weiteren u. a. Folgendes:

㤠1 Teilnahme am KEF-RP

4

[…] Insbesondere unter der Voraussetzung einer erfolgreichen Umsetzung der kommunalen Konsolidierungszusagen im Haushaltsvorjahr erfolgt die Bewilligung von Zuwendungen auf den jährlich zu stellenden Antrag der teilnehmenden Kommune für das Haushaltsjahr durch einen Bewilligungsbescheid der zuständigen Bewilligungsbehörde.

§ 6 Laufzeit des Vertrages

6

Dieser Vertrag tritt am 1. Januar 2012 in Kraft und endet spätestens am 31. Dezember 2026 bzw. mit Ablauf des Haushaltsjahres, in dem der Umfang der Liquiditätskredite der teilnehmenden Kommune unter Berücksichtigung der auf den eigenen Haushalt entfallenden Zahlungsmittelbestände erstmals auf ein Drittel des Standes zum 31. Dezember 2009 vermindert wurde, soweit nicht ausnahmsweise ein unmittelbarer Wiederanstieg der Liquiditätskredite absehbar ist. […].“

7

Den maßgeblichen Liquiditätskreditbestand der Klägerin zum 31. Dezember 2009 legten die Beteiligten gemäß § 2 des Konsolidierungsvertrages auf 240.803 Euro fest. Dieser Liquiditätskreditbestand konnte bereits im Jahr 2010 völlig abgebaut werden (hin zu einem liquiden Geldmittelbestand von 58.574,72 Euro), da die Klägerin den Erlös aus der Veräußerung eines Grundstückes in Höhe von circa 340.000 Euro zur Tilgung ihrer Liquiditätskredite verwandte, anstatt – wie ursprünglich beabsichtigt – mit dem Veräußerungserlös einen zum Bau einer Gemeindehalle aufgenommenen Investitionskredit (mit Zinsbindung bis zum Jahr 2038) zu tilgen. Auch in der Folge lag der Liquiditätskreditbestand mit einem Geldmittelbestand von 5.444,24 Euro zum 31. Dezember 2011 und - 80.102,78 Euro zum 31. Dezember 2012 unter der Grenze von einem Drittel des Standes zum 31. Dezember 2009 (d.h. 80.267,67 Euro) – Drittelgrenze –. Die Entwicklung der Liquiditätskreditbestände der Klägerin im Zeitraum vom Stichtag des 31. Dezember 2009 bis zum Vertragsschluss im Jahr 2012 wurde von der Klägerin bei Vertragsschluss nicht offengelegt und seitens des Beklagten nicht überprüft.

8

Auf Antrag der Klägerin bewilligte die Kreisverwaltung mit Bewilligungsbescheid vom 18. Juli 2012 erstmals eine Zuweisung in Höhe von 8.376,00 Euro. Am 29. Mai 2013 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Gewährung von Zuwendungen aus dem KEF. Hierbei wies sie darauf hin, dass sie zum 30. Dezember 2012 mit einem Liquiditätskreditbestand von 80.103 Euro die Drittelgrenze unterschreite und grundsätzlich nicht mehr die Voraussetzungen für eine Teilnahme am KEF erfülle. Die weiteren Zuwendungen würden dennoch beantragt, denn sobald die vertragliche Zinsbindung auslaufe, erfolge die Tilgung des Investitionskredites, so dass sie die Drittelgrenze wieder überschreiten werde.

9

Daraufhin wandte die Kreisverwaltung sich an das Innenministerium und bat um Mitteilung, ob der Klägerin trotz Unterschreitens der Drittelgrenze Zuwendungen aus dem KEF gewährt werden könnten. Das Innenministerium antwortete, der Abschluss eines Konsolidierungsvertrages sei überhaupt nicht in Betracht gekommen, da die Drittelgrenze schon im Jahr 2010 unterschritten worden sei. Daher seien der Konsolidierungsvertrag mit der Klägerin rückwirkend aufzuheben und die Zuwendungen zurückzuführen. Diese Antwort leitete der Bürgermeister der Verbandsgemeinde ... an einen Mitarbeiter der Verbandsgemeindeverwaltung ... weiter, welcher unter Bezugnahme auf die E- Mail des Innenministeriums darlegte, dass seiner Auffassung nach mit einem unmittelbaren Wiederanstieg der Liquiditätskredite zu rechnen sei, so dass die Klägerin aus Sicht der Verwaltung weiter am KEF teilnehmen könne und die Auffassung des Innenministeriums widerlegt sei. Diese E- Mail wurde in „CC“ auch an den Ortsbürgermeister der Klägerin versendet.

10

Bevor weitere Maßnahmen veranlasst wurden, korrigierte die Klägerin ihre Angaben am 13. Juni 2013 dahingehend, dass der Liquiditätskreditbestand zum 30. Dezember 2012 bei 81.199 Euro (d. h. über der maßgeblichen Drittelgrenze) gelegen habe. Mit Bescheid vom 4. Juli 2013 bewilligte die Kreisverwaltung daher in der Folge erneut antragsgemäß eine Zuwendung in Höhe von 8.375,00 Euro.

11

Im Jahr 2014 bezifferte die Klägerin den Stand der Liquiditätskredite zum 31. Dezember 2013 auf 72.569 Euro und legte der Kreisverwaltung eine Übersicht vor (Bl. 72 der Verwaltungsakte), aus welcher sich ergibt, dass der Liquiditätskreditbestand zum 31. Dezember 2012 tatsächlich -80.102,78 Euro betragen hat. Dennoch wurden der Klägerin mit Bescheid vom 22. Mai 2014 unter der Bedingung, dass die Drittelgrenze zum 31. Dezember 2013 nicht erreicht sei, abermals antragsgemäß Zuwendungen in Höhe von 8.375,00 Euro bewilligt. Am 10. April 2015 beantragte die Klägerin sodann Zuwendungen aus dem KEF für das Jahr 2014. Dabei teilte sie mit, dass der Stand der Liquiditätskredite zum 31. Dezember 2014 bei 0,00 Euro liege. Sie verfügte zum 31. Dezember 2014 über liquide Geldmittel in Höhe von 65.188,35 Euro.

12

Am 24. November 2015 erließ die Kreisverwaltung nach vorheriger Anhörung und Stellungnahme der Klägerin vom 28. Oktober 2015 den streitgegenständlichen Bescheid, mit dem sie die Bewilligungsbescheide aus den Jahren 2012, 2013 und 2014 zurücknahm, die jährlichen Zuwendungen für die betreffenden Jahre auf 0,00 Euro festsetzte, die überzahlten Beträge in Höhe von 25.126,00 Euro bis zum 23. Dezember 2015 zurückforderte und den Antrag auf Gewährung von Zuwendungen für das Jahr 2015 ablehnte. Zur Begründung führte sie aus, eine Fortsetzung der Teilnahme am KEF komme nur ausnahmsweise in Betracht, wenn ein Wideranstieg der Liquiditätskredite unmittelbar nach Ablauf des Haushaltsjahres, in dem die Drittelgrenze erstmals unterschritten werde, trotz strengster Haushaltsdisziplin absehbar sei. Zum Zeitpunkt der Bewilligung des KEF am 1. Januar 2012 hätten die Anspruchsvoraussetzungen für das Jahr 2012 nicht vorgelegen. Im Hinblick auf den dargestellten Ausnahmetatbestand sei jedoch zunächst die weitere Entwicklung der Liquiditätskredite der Ortsgemeinde abzuwarten gewesen. Da die maßgeblichen Liquiditätskreditbestände in den Jahren 2012 bis 2014 letztlich unter der Drittelgrenze geblieben seien, seien die Zuwendungen zu Unrecht gewährt worden und nun zurückzufordern. Die zur Rücknahme der Bescheide führenden Tatsachen seien der Kreisverwaltung am 28. April 2015 umfassend offenbart worden, so dass die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG eingehalten worden sei. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen könne die Klägerin sich nicht berufen. Auch könne auf die Geltendmachung der Rückforderung nicht verzichtet werden, da im Hinblick auf die nur sehr begrenzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel bei einem hochdefizitären Landeshaushalt ein öffentliches Interesse an der Rückforderung bestehe. Zudem sei die Rückforderung im Hinblick auf die Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes gegenüber den anderen am KEF teilnehmenden Kommunen geboten.

13

Die der Klägerin gewährten Zuwendungen aus dem KEF waren zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig verbraucht.

14

Gegen den Bescheid des Beklagten legte der Ortsbürgermeister der Klägerin am 2. Dezember 2015 Widerspruch ein. Am 15. März 2016 beschloss der Ortsgemeinderat der Klägerin, den Ortsbürgermeister offiziell als Rechtsanwalt zu beauftragen, falls es anders nicht zur Akteneinsicht komme. Sodann begründete der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihren Widerspruch unter Berufung auf ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Bewilligungsbescheide. Schließlich sei die Rücknahme der Bewilligungsbescheide wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht mehr möglich. Doch selbst wenn man grundsätzlich die Berufung einer Gemeinde auf Vertrauensschutz für ausgeschlossen halte, liege ein Fall des „venire contra factum proprium“ und damit ein Ausnahmefall vor, in dem ein schutzwürdiges Vertrauen zu bejahen sei.

15

Währenddessen entwickelten sich die Liquiditätskreditbestände der Klägerin dergestalt, dass sie zum 31. Dezember 2015 über liquide Geldmittel in Höhe von 29.991,82 Euro verfügte. Zum 31. Dezember 2016 betrug ihr Liquiditätskreditbestand -81.649,04 Euro.

16

Mit Schreiben vom 20. Februar 2017 wandte sich die ADD – welcher die Kreisverwaltung den Widerspruch zwischenzeitlich vorgelegt hatte – an die Klägerin und teilte mit, dass sie den Widerspruch für unzulässig halte, da die Klägerin bei Einlegung des Widerspruchs nicht durch den Verbandsbürgermeister vertreten worden sei. Daraufhin genehmigte der Verbandsbürgermeister gegenüber der ADD mit Schreiben vom 10. März 2017 schriftlich die Einlegung des Widerspruchs vom 2. Dezember 2015. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2017 wies die ADD den Widerspruch sodann zurück, da er bereits unzulässig sei. Der Ortsbürgermeister sei zur Einlegung des Widerspruchs nicht vertretungsberechtigt gewesen, so dass der Widerspruch unwirksam sei.

17

Hiergegen hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 30. Mai 2017 Klage erhoben. Ein entsprechender Beschluss des Ortsgemeinderates über die Erhebung der Klage und Bevollmächtigung des Ortsbürgermeisters als Prozessvertreter wurde in einer Sitzung am 21. August 2017 getroffen.

18

Zur Begründung der Klage wiederholt und vertieft die Klägerin ihre vorigen Ausführungen. Ergänzend trägt sie vor, selbst wenn man davon ausginge, dass der Ortsbürgermeister nicht zur Einlegung des Widerspruchs vertretungsbefugt sei, sei er nicht als Vertreter ohne Vertretungsmacht anzusehen, da der Verbandsbürgermeister die Widerspruchseinlegung während des laufenden Widerspruchverfahrens rückwirkend genehmigt habe. Ferner beanstandet sie, dass eine Kündigung gemäß § 4 des Konsolidierungsvertrages nicht erfolgt sei. Auch lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Zuwendungen im Jahr 2015 vor.

19

Die Klägerin beantragt,

20

den Bescheid der Beklagten vom 24. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 2. Mai 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die beantragte Zuwendung für das Jahr 2015 nach dem Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland- Pfalz zu bewilligen.

21

Der Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Zur Begründung wiederholt und vertieft der Beklagte seine Ausführungen aus dem Ausgangs- und Widerspruchsbescheid. Ergänzend weist er darauf hin, dass er Anhaltspunkte für ein erstmaliges Unterschreiten der Drittelgrenze im Jahr 2012 erst im Zusammenhang mit einer Prüfung des Förderverfahrens durch den Rechnungshof Rheinland-Pfalz erhalten habe, als die Klägerin den Liquiditätskreditbestand zum 31.Dezember 2012 wieder auf den ursprünglich angegebenen (unter der Drittelgrenze liegenden) Betrag von 80.103 Euro beziffert habe. Erst in Kenntnis der am 27. April 2015 eingereichten Unterlagen, wonach die Liquiditätskredite zum Stichtag 31. Dezember 2014 komplett abgebaut werden konnten, hätten dem Beklagten alle für eine Entscheidung über die Teilnahme der Klägerin am KEF notwendigen Unterlagen vorgelegen. Eine Kündigung des Konsolidierungsvertrages sei nicht erforderlich gewesen, da er nach § 6 zum 31. Dezember 2012 geendet habe.

24

In der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2018 haben die Beteiligten zur gütlichen Beendigung des Rechtsstreits einen Vergleich mit Widerrufsvorbehalt geschlossen, der vom Beklagten mit Schreiben vom 22. März 2018 widerrufen wurde.

25

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätzen, dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 6. März 2018 sowie den Verwaltungsakten des Beklagten. Die genannten Unterlagen lagen vor und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie auch der Beratung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

27

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.

28

I. Statthafte Klageart ist, soweit die Klägerin die Aufhebung der Ziffern 1. bis 5. des streitgegenständlichen Bescheids begehrt, eine Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – sowie hinsichtlich ihres auf Aufhebung der Ziffer 6. des Bescheids und Gewährung weiterer Zuwendungen für das Jahr 2015 gerichteten Begehrens eine Verpflichtungsklage in Form einer Versagungsgegenklage, § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO.

29

Auch wurde das nach § 68 Abs. 1 und 2 VwGO für beide Klagen erforderliche Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt, denn die Klägerin hat am 2. Dezember 2015 form- und fristgerecht Widerspruch eingelegt. Hierbei kann dahinstehen, ob vorliegend die einmonatige Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO Anwendung findet oder infolge einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO gilt, da die Klägerin bei der Einlegung des Widerspruchs sogar die kürzere Monatsfrist gewahrt hat.

30

Unschädlich ist, dass die Klägerin hierbei vom Ortsbürgermeister anstelle des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde vertreten wurde.

31

Zwar folgt aus § 68 Abs. 1 S. 1 der rheinland- pfälzischen Gemeindeordnung (Gesetz vom 31. Januar 1994 (GVBl. 1994, 153), zuletzt geändert durch Gesetz vom 02.03.2017 (GVBl. 2017, 21)) – GemO –, dass die Vertretung der Klägerin im Widerspruchsverfahren dem Bürgermeister der Verbandsgemeinde als Leiter der Verbandsgemeindeverwaltung (§ 64 Abs. 3 S. 1 GemO), obliegt (so auch VG Neustadt, Urteil vom 19. August 2014 – 5 K 1129/13.NW –, juris), denn eine Auslegung ergibt, dass dies vom Begriff des „Verwaltungsgeschäfts“ erfasst ist.

32

Hierfür spricht zunächst die Gesetzesbegründung zu § 68 Abs. 1 S. 1 GemO (Lt.-Drucks. 7/1884, S. 92), ausweislich derer die Formulierung „Führung der Verwaltungsgeschäfte“ der Praxis, wonach die Verbandsgemeindeverwaltung alle Dienstverrichtungen übernimmt, die üblicherweise in Gemeinden mit einer hauptamtlichen Verwaltung nicht mehr vom Ortsbürgermeister persönlich erledigt werden, Rechnung tragen soll, denn um eine solche Dienstverrichtung handelt es sich hier. Die Vertretung der Gemeinde im Widerspruchsverfahren unterfällt nicht den Tätigkeiten, welche ein ehrenamtlicher Ortsbürgermeister üblicherweise ohne Zuhilfenahme der Verbandsgemeindeverwaltung selbst übernehmen kann, da ihm in der Regel sowohl die erforderlichen juristischen Vorkenntnisse, als auch die personellen und sachlichen Kapazitäten fehlen. Demgegenüber verfügt die Verbandsgemeindeverwaltung über Mitarbeiter mit entsprechenden Rechtskenntnissen und einen laufenden Bürobetrieb. Belegt wird diese Einschätzung durch die Erwägungen des Gesetzgebers anlässlich der Einführung des § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GemO, denn hierfür war ebenfalls maßgeblich, dass nur die Verbandsgemeinde Bedienstete mit entsprechender Rechtskenntnis beschäftigt (Lt.-Drucks. 8/2992, S. 18).

33

Diese Erwägungen entsprechen auch Sinn und Zweck des § 68 Abs. 1 GemO, denn die Norm bezweckt – wie an der Gesetzesbegründung erkennbar – der Gemeinde bei Aufgaben, die über das, was ein ehrenamtlicher Ortsbürgermeister ohne Weiteres selbst erledigen kann, hinausgehen, die fachkundige Hilfe der Verbandsgemeindeverwaltung zur Seite zu stellen. Hieran besteht hinsichtlich des Widerspruchsverfahrens nicht nur wegen der Rechtskenntnis der Verbandsgemeindebediensteten, sondern auch mit Blick auf das Interesse an einer effizienten Durchführung des Verwaltungsverfahrens sowie des gegebenenfalls anschließenden gerichtlichen Verfahrens ein Bedürfnis. So ist es zum einen sachgerecht, bereits den Widerspruch in fachkundiger Weise juristisch zu bearbeiten, da der Rechtsstreit hierdurch womöglich schon im Widerspruchsverfahren beigelegt werden kann. Zum anderen ist es mit Blick auf die Erfolgsaussichten in einem späteren gerichtlichen Verfahren von Vorteil, wenn die Ausführungen im Widerspruchs- und Gerichtsverfahren einheitlich von der Verbandsgemeindeverwaltung gefertigt und begründet werden.

34

Diesem Verständnis steht der Wortlaut des § 68 Abs. 1 S. 1 GemO nicht entgegen, denn die Auflistung unter § 68 Abs. 1 S. 2 GemO verdeutlicht, dass der Begriff des „Verwaltungsgeschäfts“ nach dem Willen des Gesetzgebers weit auszulegen ist (vgl. Lt.-Drucks. 7/1884, S. 92). Ebenso schließt der Umstand, dass Ziff. 5.1 der Verwaltungsvorschrift zu § 68 GemO (Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Gemeindeordnung vom 3. Mai 1979 (MinBl. S. 179), zuletzt geändert durch Rundschreiben des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur vom 31. März 2014 (MinBl. S. 39) – GemOVV –) nur auf solche Rechtsbehelfe Bezug nimmt, die gegen die Gemeinde gerichtet sind, diese Auslegung nicht aus, denn der Anwendungsbereich förmlicher Gesetzes kann durch bloße Verwaltungsvorschriften nicht eingeschränkt werden. Schließlich begegnet ein solches Normverständnis mit Blick auf § 68 Abs. 1 S. 3 GemO keinen Bedenken, denn soweit dort die Wahrnehmung der Aufgaben des Ortsbürgermeisters als Vertreter der Gemeinde nach Außen vom Begriff des Verwaltungsgeschäfts ausgenommen wird, können hiermit nur repräsentative Aufgaben des Ortsbürgermeisters gemeint sein, da andernfalls kein Anwendungsbereich verbliebe, in dem die Verbandsgemeinde gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 GemO „im Namen“ der Ortsgemeinde handeln könnte (vgl. PdK RhPf B-1, GemO § 68, Ziff. 5.6, beck-online; VG Koblenz Urt. v. 21.4.2011 – 1 K 1496/10.KO, BeckRS 2011, 51583, beck-online).

35

Eine derartige Auslegung führt ferner nicht zu einer Einschränkung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinde, denn die Bindung der Verbandsgemeindeverwaltung an Beschlüsse des Ortsgemeinderates und Entscheidungen des Ortsbürgermeisters gemäß § 68 Abs. 1 HS 2 GemO gewährleistet, dass die Entscheidung über das „Ob“ der Widerspruchseinlegung sowie sonstige wesentliche Entscheidungen bei der Gemeinde verbleiben.

36

Der demnach bei der Einlegung des Widerspruchs durch den Ortsbürgermeister vorliegende Vertretungsmangel wurde jedoch nach der analog anwendbaren Vorschrift des § 177 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – durch die schriftliche Genehmigung des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde rückwirkend (§ 184 Abs. 1 BGB) geheilt (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 17. April 1984 – GmS-OGB 2/83 –, BGHZ 91, 111-117, BVerwGE 69, 380-383, Rn. 13; vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 62 Rn. 17). Dem steht nicht entgegen, dass die Widerspruchsfrist zum Zeitpunkt der Genehmigung – selbst unter Zugrundelegung der Jahresfrist – abgelaufen war, denn mit Blick auf die Rechtsgrundsätze der §§ 89 Abs. 2 und 579 Abs. 1 Nr. 4 der ZivilprozessordnungZPO – ist der Einzelfallgerechtigkeit in Fällen der vorliegenden Art der Vorrang gegenüber dem Gebot der Rechtsklarheit einzuräumen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 1978 – II C 5.74 –, Rn. 37 ff., juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04. September 2008 – 7 A 2358/07 –, Rn. 44, juris).

37

Des Weiteren wird die Wirksamkeit des Widerspruchs nicht dadurch beeinträchtigt, dass seitens der Klägerin kein förmlicher Ratsbeschluss zur Einlegung des Widerspruchs gefasst wurde, obgleich dies nach § 32 Abs. 1 S. 2 GemO im Innenverhältnis zwischen Ortsbürgermeister und Gemeinderat erforderlich gewesen wäre, da die Widerspruchseinlegung nicht zu den Geschäften der laufenden Verwaltung (§ 47 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 GemO) zählt. Maßgeblich ist insoweit, dass der Ortsbürgermeister im Außenverhältnis – wie an der Einlegung des Widerspruchs ersichtlich wird – als Organ der Gemeinde mit unmittelbarer Wirkung für die Gemeinde entschieden hat, dass ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden soll. Diese Entscheidung des Ortsbürgermeisters, an die der Bürgermeister nach § 68 Abs. 1 S. 1 HS 2 GemO gebunden ist, ist im Außenverhältnis trotz des fehlenden, im Innenverhältnis erforderlichen Ratsbeschlusses wirksam (vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. März 2015 – 7 B 10021/15 –, juris, Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Juni 1971 – VGH 7/70 –, juris), da der Ortsbürgermeister die Gemeinde nicht etwa rechtsgeschäftlich vertritt, sondern diese vielmehr nur durch den Ortsbürgermeister als Organ überhaupt handlungsfähig ist.

38

Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, denn der Gemeinderat der Klägerin hat durch die Beschlussfassung über die Klageerhebung am 21. August 2017 jedenfalls konkludent die Einlegung des Widerspruchs genehmigt, da er hierdurch zum Ausdruck gebracht hat, dass die Verfolgung des bereits im Widerspruch zum Ausdruck gebrachten Begehrens seinem Willen entspricht. Dies beinhaltet bei einer lebensnahen Betrachtung zugleich das Einverständnis mit dem bereits durchgeführten Widerspruchsverfahren, da es ansonsten an einer Sachurteilsvoraussetzung der Klage fehlen würde. Gemäß den vorstehenden Ausführungen war die Genehmigung auch noch nach Ablauf der Klagefrist möglich.

39

Unschädlich ist mit Blick auf die Zulässigkeit der Klage schließlich, dass der Gemeinderat der Klägerin die Beauftragung des Bevollmächtigten am 15. März 2016 nur unter dem Vorbehalt beschlossen hat, dass es anders nicht zur Akteneinsicht käme. Ungeachtet der Frage, ob und wann es zur Akteneinsicht kam – was hier keiner weiteren Aufklärung bedarf – hätte es insoweit allenfalls bei der Begründung des Widerspruchs an der Vertretungsbefugnis des Prozessbevollmächtigten gemangelt, denn bei der Widerspruchseinlegung hat der Ortsbürgermeister noch nicht in seiner Eigenschaft als Anwalt mitgewirkt. Ein Vertretungsmangel bei der Widerspruchsbegründung ist mit Blick auf die Zulässigkeit der Klage jedoch nicht von Belang, denn maßgeblich ist nach § 70 Abs. 1 VwGO allein, dass form- und fristgerecht Widerspruch eingelegt wurde – was nach obigen Ausführungen der Fall ist –, weil hierdurch verhindert wird, dass der Verwaltungsakt in Bestandskraft erwächst. Hingegen enthält die VwGO keine Pflicht zur Begründung des Widerspruchs (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017,§ 69 Rn. 5), so dass etwaige Fehler einer Begründung den wirksam eingelegten Widerspruch auch nicht unzulässig machen können. Im Übrigen hat der Gemeinderat durch den Beschluss vom 21. August 2017 gemäß obigen Erwägungen auch die Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren jedenfalls konkludent genehmigt.

40

Des Weiteren hat die Klägerin am 30. Mai 2017 ordnungsgemäß nach § 81 VwGO Klage erhoben. Die vom Prozessbevollmächtigten zunächst ohne entsprechenden Gemeinderatsbeschluss über die Klageerhebung und Bevollmächtigung erhobene Klage hat der Gemeinderat der Klägerin durch den Beschluss vom 21. August 2017 nachträglich genehmigt – was nach obigen Ausführungen, die hier ebenfalls Geltung beanspruchen, auch nach Ablauf der Klagefrist möglich war.

41

II. Die Klage, deren übrige Zulässigkeitsvoraussetzungen ebenfalls vorliegen, ist jedoch unbegründet.

42

1. Soweit die Klage sich gegen die Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 18. Juli 2012, 4. Juli 2013 sowie vom 22. Mai 2014 über die Gewährung von Zuwendungen aus dem KEF durch den streitgegenständlichen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids (§ 79 Abs. 1 S. 1 VwGO) richtet, hat sie keinen Erfolg, da die Ziffern 1.- 3. des streitgegenständlichen Bescheids rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Der Widerspruchsbescheid ist zwar materiell rechtswidrig, führt jedoch ebenfalls zu keiner Rechtsverletzung der Klägerin.

43

Der Beklagte hat die Bewilligungsbescheide nach § 1 Abs. 1 des rheinland- pfälzischen Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (Gesetz vom 23. Dezember 1976 (GVBl. S. 308), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2015 (GVBl. S. 487)) i. V. m. § 48 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG –, welcher mangels vorrangiger Spezialregelungen Anwendung findet, in formell und materiell rechtmäßiger Weise zurückgenommen. Auch der Bescheid vom 22. Mai 2014 konnte trotz Nichteintritts der enthaltenen Bedingung nach § 48 VwVfG zurückgenommen werden, da er jedenfalls einen unzutreffenden Rechtsschein entfaltet hat, der durch die Rücknahme beseitigt werden konnte.

44

Die Bewilligungsbescheide waren zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig, da die Voraussetzungen für die Gewährung von Zuwendungen aus dem KEF nicht vorlagen. Sowohl die Gemeinsame Erklärung (insb. S. 5), als auch der Leitfaden (Ziff. 2.1.) sehen zur Beteiligung am KEF den Abschluss eines Konsolidierungsvertrags vor. Daran fehlt es vorliegend, denn eine ergänzende Vertragsauslegung unter entsprechender Anwendung von §§ 133, 157 BGB und Berücksichtigung der Besonderheiten des öffentlichen Rechts ergibt, dass der von den Beteiligten am 9. Februar 2012 geschlossene Konsolidierungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen ist, da die Klägerin ihre Liquiditätskredite schon im Jahr 2010 auf weniger als ein Drittel des Standes zum 31. Dezember 2009 reduziert hat.

45

Der Konsolidierungsvertrag lässt Raum für eine entsprechende ergänzende Auslegung, da er insoweit eine planwidrige Regelungslücke enthält. Der die Laufzeit des Konsolidierungsvertrages betreffende § 6 des Vertrags erfasst lediglich Konstellationen, in denen die Drittelgrenzenach Vertragsschluss erstmals erreicht wird, nicht jedoch den vorliegenden Fall des Unterschreitens der Drittelgrenze zeitlich weit vor Vertragsschluss, da dem Konsolidierungsvertrag im Ganzen die Vorstellung zugrunde liegt, dass das Konsolidierungsziel noch nicht erreicht ist.

46

Dies wird deutlich, wenn man den Gesamtkontext des Konsolidierungsvertrages in den Blick nimmt: Dieser ist Voraussetzung für die Teilnahme am KEF, welcher seinerseits gemäß der Gemeinsamen Erklärung und dem Leitfaden die Reduzierung der maßgeblichen Liquiditätskreditbestände der teilnehmenden Kommunen auf ein Drittel des Standes zum 31. Dezember 2009 zum Ziel hat. Wird diese Drittelgrenze erstmalig erreicht, endet der Vertrag nach seinem § 6 automatisch mit Ablauf des entsprechenden Kalenderjahres. Demgegenüber obliegt es der teilnehmenden Kommune, die Liquiditätskreditbestände langfristig unter der Drittelgrenze zu halten, denn es ist nicht möglich, erneut am KEF teilzunehmen, wenn die Drittelgrenze mittel- oder langfristig wieder überschritten wird. Dies zeigt zum einen § 6 des Vertrages, wonach nur ein unmittelbarer Wiederanstieg beachtlich ist. Zum anderen belegt Ziff. 2. 1 des Leitfadens, dass allein das erstmalige Erreichen des Konsolidierungsziels maßgeblich ist, denn hiernach war ein Beitritt zum KEF nur bis zum 31. Dezember 2013 möglich – was eine Programmteilnahme nach einem späteren Unterschreiten der Drittelgrenze ausschließt. Dementsprechend sind auch die vertraglichen Bestimmungen, insbesondere die Verpflichtung der Kommune zur Durchführung von Konsolidierungsmaßnahmen, erkennbar darauf ausgelegt, die Liquiditätskreditbestände erstmalig auf die Drittelgrenze zu reduzieren.

47

Dieses Regelungsgefüge impliziert jedoch, dass die teilnehmende Kommune die Drittelgrenze nicht bereits in dem Zeitraum zwischen dem Stichtag zum 31. Dezember 2009 und dem Abschluss des Konsolidierungsvertrags erreicht oder gar unterschritten hat (ohne dass ein unmittelbarer Wiederanstieg über die Drittelgrenze droht), denn wenn das Konsolidierungsziel schon erreicht wäre, wären die entsprechenden Konsolidierungsmaßnahmen sowie die Gewährung von Zuwendungen obsolet. Vielmehr liefe eine Teilnahme am KEF in diesem Fall auf eine Unterstützung der Kommune bei der mittel- bzw. langfristigen Wahrung ihres Liquiditätskreditbestandes hinaus – was zu obiger Systematik im Widerspruch stünde.

48

Dies zugrunde gelegt, enthält der Konsolidierungsvertrag eine Regelungslücke, denn es fehlt an einer Bestimmung für den Fall, dass das Konsolidierungsziel entgegen dem Grundgedanken des Regelungsgefüges bereits vor Vertragsschluss erreicht wurde. Diese Regelungslücke ist planwidrig, denn sie läuft dem Willen der Vertragsparteien zuwider. Würde man sie nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung schließen, hätte dies nämlich zur Folge, dass die Klägerin wirksam am KEF teilgenommen hätte, obwohl sie das durch das KEF- Programm bezweckte Ziel bereits erreicht hatte. Dies widerspricht den Interessen der Beteiligten, denn aus Sicht des Beklagten bestand in dieser Situation kein Grund zur Gewährung von Zuwendungen und seitens der Klägerin keine Notwendigkeit, sich zu einschneidenden Konsolidierungsmaßnahmen zu verpflichten.

49

Schließt man diese Lücke – mangels vorrangigen dispositiven Rechts – durch eine ergänzende Vertragsauslegung führt dies zur Unwirksamkeit des Vertrags, denn bei einer lebensnahen Auslegung ist davon auszugehen, dass die Beteiligten in Kenntnis dieser Lücke eine vertragliche Regelung getroffen hätten, wonach der Vertrag nur unter dem Vorbehalt wirksam werden sollte, dass die maßgeblichen Liquiditätskreditbestände der Klägerin nicht bereits vor Vertragsschluss auf ein Drittel des Standes zum 31. Dezember 2009 vermindert wurden oder dass, sofern dies im Vorjahr des Vertragsschlusses der Fall war, ein unmittelbarer Anstieg nicht absehbar war.

50

Obschon ein Vertrag in aller Regel nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung um eine Bestimmung ergänzt werden kann, die ihrerseits im rechtlichen Ergebnis den Vertrag beseitigt (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1969 – II ZR 69/67 –, beck-online), entspricht diese Auslegung aufgrund der Besonderheiten des Falles sowie des öffentlichen Rechts vorliegend dem hypothetischen Parteiwillen. Dies wird zunächst bei einer teleologischen Betrachtung deutlich, denn nach Erreichen des Konsolidierungsziels ist der Abschluss eines Konsolidierungsvertrages gemäß obigen Ausführungen erkennbar nicht mehr sachgerecht. Belegt wird dies durch die in § 6 des Vertrags enthaltene auflösende Bedingung, wonach der Vertrag mit Ablauf des Jahres, in welchem das Konsolidierungsziel erstmalig erreicht wird, automatisch endet, ohne dass den Beteiligten insoweit ein Entscheidungsspielraum verbliebe.

51

Darüber hinaus spricht für ein solche Auslegung, dass die Beteiligten als Körperschaften des öffentlichen Rechts infolge von Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG – an den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit (vgl. Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG; § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1273), zuletzt geändert durch Artikel 10 des Gesetzes vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3122)) – HGrG –) gebunden sind. Legt man der ergänzenden Vertragsauslegung zugrunde, dass die Beteiligten beim Vertragsschluss im Einklang mit diesem Grundsatz handeln wollten, drängt sich der o. g. Vorbehalt auf, denn es liefe dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zuwider, durch den Abschluss eines Konsolidierungsvertrags (jedenfalls zunächst) die Möglichkeit zur Gewährung von Zuwendungen zu eröffnen, obwohl die Klägerin keiner Zuwendungen bedurfte, da das Konsolidierungsziel schon erreicht war.

52

Eine andere, dem hypothetischen Parteiwillen ebenso nahekommende Alternative zur Schließung der vertraglichen Lücke ist nicht ersichtlich. Die denkbare Variante, § 6 des Vertrages dahingehend anzuwenden, dass der Vertrag zwar zunächst wirksam zustande gekommen, mit Ablauf des Jahres 2012 jedoch automatisch beendet wäre, entspricht gemäß den vorstehenden Ausführungen nicht dem Parteiwillen, da nach Erreichen des Konsolidierungsziels keine Veranlassung zur Gewährung von Zuwendungen und Verpflichtung zu Konsolidierungsmaßnahmen besteht. Gleiches gilt hinsichtlich der Möglichkeit, den Vertrag ergänzend dahingehend auszulegen, dass die Beteiligten im vorliegenden Fall zur Kündigung berechtigt wären, denn § 6 des Vertrages belegt – im Gegensatz zu § 4 –, dass der Bestand des Vertrages nicht mehr zur Disposition der Beteiligten stehen soll, sobald das Konsolidierungsziel erreicht ist.

53

Diese ergänzende Vertragsauslegung geht einer Anwendung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 60 VwVfG entsprechend) vor, da sie den hypothetischen Parteiwillen abbildet und führt vorliegend zur Unwirksamkeit des Konsolidierungsvertrages, weil die Klägerin ihre maßgeblichen Liquiditätskredite bereits im Jahr 2010 völlig abbauen konnte.

54

Obwohl der Kreditabbau auf ein einmaliges Ereignis – den Verkaufserlös aus der Veräußerung des Grundstücks – zurückzuführen ist, war hierbei ein unmittelbarer Wiederanstieg der Liquiditätskredite über die Drittelgrenze nicht zu erwarten, da die Klägerin im Jahr 2010 nicht nur die Drittelgrenze erreicht hat, sondern sogar über einen liquiden Geldmittelbestand von 58.574,72 Euro verfügte. In dieser Situation kam der Klägerin zunächst ein beachtlicher finanzieller Handlungsspielraum zu, bevor ein erneutes Überschreiten der Drittelgrenze von – 80.267,67 Euro drohte. Insbesondere war ein unmittelbarer Wiederanstieg mit Blick auf die nach Ende der Kreditlaufzeit beabsichtigte Tilgung des Investitionskredites zum Bau der Gemeindehalle nicht zu erwarten, da dieser Kredit nach den Angaben der Klägerin im Schreiben vom 29. Mai 2013 erst nach Ablauf der Zinsbindung (d. h. im Jahr 2038) getilgt werden sollte. Darauf, dass der Verkaufserlös ursprünglich zur Tilgung des Investitionskredites verwendet werden sollte, kommt es demgegenüber nicht an, denn mit Blick auf den mit der Teilnahme am KEF verfolgten Zweck ist allein maßgeblich, dass die Liquiditätskredite faktisch unter die Drittelgrenze gesenkt wurden und kein unmittelbarer Wiederanstieg zu erwarten war. Mangels Unmittelbarkeit des Wiederanstiegs kann das Vorliegen eines sachlichen Zusammenhangs zwischen dem Abbau der Liquiditätskredite und der beabsichtigten Tilgung des Investitionskredites dahinstehen.

55

Doch selbst wenn man entgegen der vorstehenden Sichtweise davon ausginge, der Konsolidierungsvertrag sei zunächst wirksam zustande gekommen, wäre die Gewährung von Zuwendungen aus dem KEF für die Jahre 2012 bis 2014 rechtswidrig gewesen, denn eine am Willen der Vertragsparteien orientierte Auslegung des Konsolidierungsvertrags ergibt jedenfalls, dass ein Anspruch auf die Gewährung von Zuwendungen aus dem KEF nur dann besteht, wenn das Konsolidierungsziel noch nicht erreicht wurde. Nur dann besteht der in Ziff. 2.2.3. des Leitfadens geforderte „Bedarf für die Gewährung einer Zuweisung aus dem KEF“. Nicht zuletzt folgt dies abermals aus der Bestimmung des § 6, denn die automatische Vertragsbeendigung nach Ablauf des Jahres, in dem die Drittelgrenze erstmalig erreicht wird, lässt keinen Zweifel daran, dass die betreffende Kommune ab diesem Moment nicht mehr in den Kreis der vom KEF Begünstigten fällt. Auch macht die Formulierung in § 1 des Vertrages, wonach die Bewilligung „insbesondere“ unter der Bedingung erfolgt, dass die Konsolidierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, deutlich, dass dies allein nicht ausreicht, sondern weitere Voraussetzungen vorliegen müssen. Um eine solche handelt es sich nach Sinn und Zweck des KEF bei dem Erfordernis des Nichterreichens des Konsolidierungsziels bei Vertragsschluss.

56

Im Übrigen hätte der Vertrag – sofern man davon ausgeht, dass er zunächst wirksam zustande kam – bei einer entsprechenden Anwendung des § 6 jedenfalls spätestens mit Ablauf des Jahres 2012 automatisch geendet. Hält man den Vertrag zunächst für wirksam, wäre jedenfalls eine solche entsprechende Anwendung des § 6 unter Zugrundelegung des Parteiwillens geboten, denn wenn schon ein ordnungsgemäß zustande gekommener Vertrag endet, sobald die Drittelgrenze erstmalig erreicht wird, muss ein Vertrag, der geschlossen wurde, obwohl die Drittelgrenze schon im Vorfeld erreicht wurde, mit Blick auf die Zielrichtung des KEF erst Recht nach Ablauf eines Jahres enden.

57

Beide Auslegungsvarianten führen zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bewilligungsbescheide, da diesen die vertragliche Grundlage gefehlt hat (vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06. Juni 2002 – 8 A 10236/02 –, Rn. 50, juris). Dies gilt auch, wenn man der zweiten Variante folgend, davon ausgeht, dass der Vertrag zunächst wirksam zustande kam, denn jedenfalls fehlte es insoweit am Vorliegen der zur Gewährung von Zuwendungen erforderlichen, aus vorstehender Vertragsauslegung folgenden Voraussetzung des Nichterreichens des Konsolidierungsziels – welche im Bescheid vom 22. Mai 2014 sogar ausdrücklich zur Bedingung gemacht wurde.

58

Die den Vertrauensschutz regelnde Vorschrift des § 48 Abs. 2 VwVfG stand der Rücknahme der rechtswidrigen Bescheide nicht entgegen, denn die Klägerin kann sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts gegenüber dem beklagten Land nicht auf Vertrauensschutz berufen (vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. November 1987 – 7 A 21/87 –, juris; zu Verwaltungsbehörden: BVerwG, Urteil vom 08. Dezember 1965 – V C 21.64 –, BVerwGE 23, 25-31). Grund hierfür ist zum einen, dass die Klägerin – wie vorstehend bereits ausgeführt – selbst an den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gebunden ist, denn insofern ist ihr Vertrauen in den Bestand eines hiergegen verstoßenden rechtswidrigen Bescheids nicht schutzwürdig. Zum anderen dient der Vertrauensschutz dem Schutz des Bürgers vor dem überlegenen Staat, nicht aber dem Schutz von Körperschaften des öffentlichen Rechts untereinander.

59

Ein Ausnahmefall, in welchem sich die Klägerin dennoch auf Vertrauensschutz berufen könnte, liegt hier nicht vor. Insbesondere ist weder substantiiert vorgetragen, dass die Klägerin aufgrund der Rückzahlung der Zuwendungen aus dem KEF ihre öffentlichen Aufgaben nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen könnte (hierzu: Bayerischer VGH, Urteil vom 06. April 2001 – 4 B 00.334 –, Rn. 17, juris) oder in sonstiger Weise existenziell gefährdet wäre, noch sind dahingehende Anhaltspunkte erkennbar. Anderes folgt nicht aus dem Grundsatz des „venire contra factum proprium“, denn die Gesetzesbindung der Klägerin, welche Grund für den Ausschluss des Vertrauensschutzes ist, wird nicht dadurch gemindert, dass der Beklagte zunächst fälschlicherweise vom Vorliegen der Voraussetzungen zur Gewährung von Zuwendungen ausging – zumal hierfür, wenn man wie die Beteiligten vom wirksamen Zustandekommen des Vertrages ausgeht, zunächst greifbare Anzeichen vorlagen. So hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass er infolge der Korrektur der Liquiditätskreditbestände der Klägerin im Jahr 2013 zunächst davon ausging, diese überschreite weiterhin die Drittelgrenze. Auch setzt der Beklagte sich durch die Rücknahme des Bescheids für das Jahr 2014 nicht in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise zu der vorigen Bewilligung in Widerspruch, denn dieser Bescheid stand ausdrücklich unter der Bedingung, dass die Drittelgrenze nicht erreicht wurde.

60

Des Weiteren ist die Entscheidung des Beklagten über die Rücknahme der streitgegenständlichen Bewilligungsbescheide ermessensfehlerfrei.

61

Zunächst war das Ermessen des Beklagten nicht durch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG eingeschränkt. Die Jahresfrist ist im Verhältnis der Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts zum Land grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. in der Tendenz: BVerwG, Urteil vom 27. April 2006 – 3 C 23/05 –, BVerwGE 126, 7-14). Grund ist, dass sie primär dem Schutz des Vertrauens dient, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach Fristablauf trotz entgegenstehender Rechtslage Bestand hat. Damit schützt § 48 Abs. 4 VwVfG ebenso wie der Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 VwVfG das Interesse des Adressaten eines Verwaltungsakts an der Rechtssicherheit. Die rechtliche Unzulässigkeit der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nach Ablauf der Jahresfrist ist insofern eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. § 48 Abs. 4 VwVfG dient demnach als ebenfalls vertrauensschützende Norm dem Schutz des Bürgers vor dem ihm überlegenen Staat. Da öffentliche Rechtsträger wegen ihrer besonderen Gesetzesbindung diesen Schutz nicht in Anspruch nehmen und sich nicht auf den Fortbestand eines rechtswidrigen Zustandes berufen können, ist § 48 Abs. 4 VwVfG auf die Klägerin als Kommune nicht anwendbar. Insofern überwiegt entgegen der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 12. Juni 2007 - 15 A 371/05 - juris, Rn. 20) das öffentliche Interesse an der Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln das Interesse der Klägerin an der „Klarheit ihrer finanziellen Planungsgrundlagen“ (vgl. OVG RP, Urteil vom 11. Februar 2011 – 2 A 10895/10 –, Rn. 44, juris). Eine Ausnahme von der Nichtanwendbarkeit der Jahresfrist liegt aus den oben im Zusammenhang mit dem Vertrauensschutz angeführten Gründen ebenfalls nicht vor.

62

Ungeachtet dessen war die Jahresfrist zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids noch nicht abgelaufen. Maßgeblich für den Beginn der Jahresfrist ist nämlich die Kenntnis des zuständigen Amtswalters von allen relevanten Tatsachen. Diese liegt in der Regel erst nach Abschluss des Anhörungsverfahrens vor, wenn Umstände aus der Sphäre des Zuwendungsempfängers für die Ermessensausübung maßgeblich sind (BVerwG, Urteil vom 20. September 2001 – 7 C 6/01 –, juris). Ebenso war der vorliegende Fall gelagert, da der Beklagte bei der Ermessensausübung berücksichtigen musste, ob Belange der Klägerin einer Rücknahme der Bescheide entgegenstünden. Dies zugrunde gelegt, endete die Jahresfrist erst am 28. Oktober 2016 und somit nach Erlass des Bescheids vom 24. November 2015, denn die Stellungnahme der Klägerin im Anhörungsverfahren ist erst am 28. Oktober 2015 beim Beklagten eingegangen.

63

Ferner lagen keine Gesichtspunkte vor, die eine Ermessensentscheidung zu Gunsten der Klägerin rechtfertigen könnten. Vielmehr hat sich das hinsichtlich der Rücknahme der Bescheide intendierte Ermessen des Beklagten – von dem dieser entgegen der Auffassung der Klägerin auf Seite 4 des Rücknahmebescheids Gebrauch gemacht hat – dahingehend reduziert, dass allein eine Rücknahme der Bewilligungsbescheide rechtmäßig war, da kein atypischer Ausnahmefall vorlag.

64

Ausgangspunkt ist, dass das Ermessen des Beklagten unter Zugrundelegung der speziellen Regelungen zum KEF in Verbindung mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit dahingehend intendiert war, die streitgegenständlichen Bescheide zurückzunehmen. Grund hierfür ist die eng umrissene Zielrichtung des KEF – welcher allein zur wirksamen Unterstützung der teilnehmenden Kommunen bei der Reduzierung ihres Liquiditätskreditbestandes auf ein Drittel des Stands zum 31. Dezember 2009 geschaffen wurde –, denn hiermit ist es unvereinbar, Zuwendungen beim Empfänger zu belassen, obwohl er das Konsolidierungsziel bereits vor Vertragsschluss erreicht hat. Dementsprechend verbleibt der zuständigen Aufsichtsbehörde bei Erreichen des Konsolidierungsziels grundsätzlich keinen Ermessensspielraum hinsichtlich der Vertragsbeendigung. Hierzu stünde es im Widerspruch, wenn dem Beklagten allein infolge des Umstandes, dass das Erreichen des Konsolidierungsziels vor Vertragsschluss erst nachträglich bekannt wird, regelmäßig ein uneingeschränkter Ermessensspielraum zukäme. Zudem würden hierdurch ohne jeglichen Grund die Kommunen, die unerkannt schon vor Vertragsschluss das Konsolidierungsziel erreicht haben, gegenüber solchen, bei denen dies erst nach Vertragsschluss gelungen ist, privilegiert, da in diesem Fall kein Ermessen hinsichtlich weiterer Zuwendungen besteht. Ferner ist die Rücknahme rechtswidriger Bewilligungsbescheide auch mit Blick auf das begrenzte Maximalvolumen des KEF in aller Regel geboten. Eventuell schutzwürdigen Belangen der Kommunen kann indes durch die Prüfung des Vorliegens eines atypischen Falls, welcher im Einzelfall eine andere Entscheidung rechtfertigen würde, hinreichend Rechnung getragen werden.

65

Ein derartiger atypischer Fall liegt hier jedoch nicht vor, denn der konkrete Sachverhalt weist keine außergewöhnlichen Umstände auf, deren Besonderheiten von solchem Gewicht sind, dass sie eine vom Regelfall abweichende Behandlung gebieten (vgl. zur Definition: OVG Lüneburg, Urteil vom 15. November 2016 – 8 LB 58/16 –, Rn. 66, juris).

66

Zum einen führt die Rücknahme der Bescheide – wie vorstehend ausgeführt – nicht zu einer außergewöhnlichen, existenziellen Gefährdung der Klägerin oder einem Unvermögen der Klägerin zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben.

67

Zum anderen handelt es sich auch mit Blick auf ein eventuelles Mitverschulden des Beklagten um keinen atypischen Fall. Ein solches Mitverschulden ist grundsätzlich schon kein atypischer Umstand, denn wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt erlassen, so wird – mit Ausnahme der Fälle arglistiger Täuschung, unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Begünstigten oder eines Dritten – typischerweise ein Verschulden oder Mitverschulden der Behörde vorliegen (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16. Oktober 2013 – 3 L 170/10 –, Rn. 52, juris).

68

Auch die Besonderheiten des vorliegenden Falles erfordern keine andere Bewertung, denn das Mitverschulden des Beklagten geht nicht in außergewöhnlicher Weise über das typischerweise bei Erlass eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes vorliegende Mitverschulden hinaus. Vielmehr überwiegt vorliegend das Verschulden der Klägerin.

69

Maßgeblich ist insoweit, dass die rechtswidrige Gewährung von Zuwendungen aus dem KEF hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass die Klägerin es bei Vertragsschluss unterlassen hat, den Beklagten über den zwischenzeitlichen Abbau der Liquiditätskredite in Kenntnis zu setzen, obwohl sie schon zu diesem Zeitpunkt hätte erkennen können und müssen, dass es sich hierbei mit Blick auf die weitere Teilnahme am KEF um eine äußerst wichtige Tatsache gehandelt hat, die sie dem Beklagten hätte mitteilen müssen.

70

Der Klägerin musste sich hierbei aufdrängen, dass sie auch vor Vertragsschluss verpflichtet war, die in ihre Sphäre fallenden Umstände, die für die Teilnahme am KEF von Belang sein können, mitzuteilen und auf diese Weise eine eingehende Prüfung des Beklagten zu ermöglichen. Nicht zuletzt war an § 6 des Vertrages klar erkennbar, dass das Erreichen des Konsolidierungsziels von erheblicher Bedeutung war. Auch war der Klägerin durch die im Vertrag in Bezug genommene Gemeinsame Erklärung und den Leitfaden bekannt, dass das Ziel des KEF allein die Hilfe beim erstmaligen Erreichen der Drittelgrenze war. Zudem konnte die Klägerin an § 5 des Konsolidierungsvertrages unschwer erkennen, dass es ihr grundsätzlich oblag, in eigener Verantwortung unaufgefordert Mitteilung von den entscheidenden finanziellen Verhältnissen, u. a. dem Liquiditätskreditbestand, zu machen. Dementsprechend bestimmt auch der Leitfaden, dass die Aufsichtsbehörde den Antrag der Kommune auf der Grundlage der Angaben der Kommune überprüft (Ziff. 2.2.3, 2.2.4) – ohne jeweils eine Verifizierung der Angaben seitens des Beklagten vorzusehen. Auch die in den streitgegenständlichen Bescheiden in Bezug genommene Ziff. 5.2 der Anlage 13, Teil I/Anlage 3 zur Verwaltungsvorschrift zum Vollzug der Haushaltsordnung vom 20.Dezember 2012 (in der Fassung vom 20. Oktober 2008, Gliederungsnr. 6300, juris) sieht vor, dass der Zuwendungsempfänger verpflichtet ist, unverzüglich anzuzeigen, wenn sich für die Bewilligung maßgebliche Umstände ändern oder wegfallen. Obschon diese Regelungen erst während des Vertragsverhältnisses Anwendung finden, wird hieran jedenfalls deutlich, dass das Konzept des KEF auf einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Land und Kommunen und insbesondere zutreffenden und vollständigen Angaben seitens der Kommunen basiert. Ebenso hätte die Klägerin erkennen müssen, dass der Zahlungseingang von circa 340.000 Euro aus dem Verkauf des Grundstücks einen mit Blick auf die Teilnahme am KEF relevanten Umstand darstellt, der dem Beklagten zwingend mitzuteilen war, denn dieser finanzielle Vorgang ging in seiner Größenordnung weit über die alltäglichen Geschäfte der Klägerin hinaus und führte zu einer grundlegenden Verbesserung ihrer finanziellen Situation.

71

Demgegenüber traf den Beklagten bei Vertragsschluss allenfalls ein geringfügiges Mitverschulden, denn er durfte angesichts der im Regelungsregime des KEF erfolgten, vorstehend dargestellten Aufgaben- und Verantwortungszuweisung grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Klägerin ihn von sämtlichen relevanten Umständen in Kenntnis setzen würde.

72

Soweit der Beklagte es nach der Mitteilung der Klägerin vom 29. Mai 2013 sowie der E- Mail des Innenministeriums vom 7. Juni 2013 zunächst (vor der Bewilligung der Zuwendungen für 2013 und 2014) unterlassen hat, die Wirksamkeit des Vertrages einer vertieften Prüfung zu unterziehen, begründet dies ebenfalls kein zur Annahme eines atypischen Ausnahmefalles führendes überwiegendes Mitverschulden des Beklagten, denn im Ergebnis hat sich hierbei lediglich ausgewirkt, dass es infolge des Verschuldens der Klägerin überhaupt zum Abschluss des Konsolidierungsvertrags gekommen ist – so dass der Beklagte grundsätzlich von der Programmteilnahme der Klägerin ausging.

73

Auch liegt hierin kein außergewöhnlich hohes Mitverschulden des Beklagten, denn seine Fehleinschätzung beruhte im Wesentlichen auf der im Konsolidierungsvertrag bestehenden Regelungslücke. Mangels ausdrücklichen Wirksamkeitsvorbehalts für die Fälle der Erreichung des Konsolidierungsziels vor Vertragsschluss hat der Beklagte sich nämlich darauf beschränkt, die Voraussetzungen des § 6 des Vertrags zu prüfen. Auch wenn dies im Ergebnis nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht ausreichend war und entsprechende Anhaltspunkte aufgrund der E- Mail des Innenministeriums vorlagen, stellt dies jedenfalls keine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung, denn es handelt sich letztlich um einen – angesichts der Regelungslücke und der fehlenden Rechtsprechung – naheliegenden Rechtsirrtum. Hierbei war der Beklagte zudem, wie in der mündlichen Verhandlung dargelegt, erkennbar darum bemüht, eine an den Belangen der Klägerin orientierte weitere Vorgehensweise zu finden.

74

Schließlich kann die Klägerin sich auch nicht auf eine Verwirkung des Rechts zur Rücknahme der rechtswidrigen Bescheide durch eine Untätigkeit des Beklagten berufen, da dieser sogar die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG – die ihm im jeden Fall zusteht – gewahrt hat.

75

Doch nicht nur der Ausgangsbescheid ist rechtmäßig, sondern auch der Widerspruchsbescheid weist keine Fehler auf, die der – gegen den Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids gerichteten – Anfechtungsklage zum Erfolg verhelfen würden.

76

Insbesondere wurde der Widerspruchsbescheid von der zuständigen Widerspruchsbehörde erlassen. Zur Bestimmung der zuständigen Widerspruchsbehörde ist auf die gesetzlichen Regelungen zurückzugreifen, da weder die Gemeinsame Erklärung, noch der Leitfaden oder der Konsolidierungsvertrag Bestimmungen zum Widerspruchsverfahren enthalten. Hiervon ausgehend ist § 126 GemO vorliegend entsprechend anwendbar. Eine unmittelbare Anwendung scheidet in systematischer Hinsicht aus, da die Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide sowie die Versagung weiterer Zuwendungen keine aufsichtsbehördlichen Anordnungen nach §§ 117 ff. GemO, sondern Maßnahmen zum Vollzug des KEF darstellen. Hierbei wird die Aufsichtsbehörde im Gegensatz zu den Situationen, die den aufsichtsbehördlichen Maßnahmen nach §§ 117 ff. GemO zugrunde liegen, zunächst als Ausgangsbehörde tätig. Dennoch ist die ADD anstelle des Kreisrechtsausschusses nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 a AGVwGO zuständige Widerspruchsbehörde, denn § 126 GemO ist als vorrangige gesetzliche Regelung nach seinem Sinn und Zweck entsprechend anzuwenden.

77

Maßgeblich ist insoweit, dass sich hier im Widerspruchsverfahren – ebenso wie im Falle einer aufsichtsbehördlichen Anordnung nach den §§ 117 ff. GemO – nicht Bürger und Staat gegenüberstehen, sondern sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite Körperschaften des öffentlichen Rechts beteiligt sind, denn in dieser Konstellation besteht ebenfalls kein Bedürfnis, das Widerspruchsverfahren gemäß § 6 AGVwGO durch die Einschaltung von Laienbeisitzern und die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung bürgernah, ähnlich einem Rechtsbehelfsverfahren auszugestalten und auf diese Weise die Akzeptanz der Bürger zu erhöhen. Vielmehr ist es angesichts des komplexen Regelungsregimes des KEF zur Herstellung von Rechtssicherheit sachdienlich, eine Widerspruchsbehörde einzuschalten, die im Gegensatz zum Kreisrechtsausschuss (§ 7 Abs. 1 S. 2 AGVwGO) den Weisungen des zuständigen Ministers unterliegt, denn nur auf diesem Wege wird eine einheitliche Anwendung der Regelungen zum KEF unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit – an den die Kommunen ebenfalls gebundenen sind – sichergestellt. Das Interesse an einer gleichartigen Verfahrensweise wird überdies im Vorwort zum Leitfaden deutlich. Der Wortlaut des § 126 GemO steht seiner entsprechenden Anwendung schließlich nicht entgegen. Vielmehr spricht hierfür begrifflich, dass die Kreisverwaltung – obschon sie zugleich Erlassbehörde des Ausgangsbescheids ist – letztlich eine aufsichtsbehördliche Tätigkeit ausübt (vgl. Ziff. C. 1. der Gemeinsamen Erklärung), da sie beaufsichtigt, ob die teilnehmenden Kommunen im Einklang mit den Regelungen zum KEF handeln. Auch die Aufgabenzuweisung im Leitfaden knüpft ausdrücklich an die zuständige Aufsichtsbehörde an (Ziff. 2.1., 2.2.3. des Leitfadens).

78

Doch selbst wenn der Widerspruchsbescheid von der unzuständigen Widerspruchsbehörde erlassen worden wäre, hätte dies nicht die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids zur Folge (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Pietzcker VwGO § 79 Rn. 4-4a, beck-online). Zwar ist Streitgegenstand der Anfechtungsklage nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der Ausgangsbescheid „in Gestalt“ des Widerspruchsbescheids, jedoch vermag ein formeller Fehler des Widerspruchsbescheids die „Gestalt“ des Ausgangsbescheids nicht zu ändern (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 27. Juli 2007 – 21 ZB 07.1275 –, Rn. 3, juris, vgl. BeckOK VwGO/Möstl VwGO § 79 Rn. 9, beck-online), denn hierzu gehören allein der Verfügungssatz und die tragenden Gründe des Verwaltungsaktes (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Pietzcker VwGO § 79 Rn. 4-4a, beck-online).

79

Auch eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids wäre in diesem Fall nicht möglich, da die Klägerin keinen entsprechenden Antrag nach § 79 Abs. 2 VwGO gestellt hat. Soll der Widerspruchsbescheid neben dem Erstbescheid selbständig angefochten werden, muss der Kläger dies wegen seiner Dispositionsbefugnis unter Darlegung seines Rechtsschutzinteresses durch entsprechende von der Anfechtung des Erstbescheides unabhängige Erwägungen klar zum Ausdruck bringen. (BVerwG, Urteil vom 25. August 1982 – 8 C 50/80 –, juris; vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. Juli 1996 – 8 S 1127/96 –, Rn. 2, juris; Bayerischer VGH, Beschluss vom 27. Juli 2007, a. a. O., Rn. 4). Daran fehlt es hier, denn die Klägerin hat ihr Begehren ausschließlich unter materiellen Gesichtspunkten begründet, ohne hierbei zum Ausdruck zu bringen, dass sie als Minus zum Hauptantrag auch die isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids begehren würde.

80

Des Weiteren verhilft es der Anfechtungsklage nicht zum Erfolg, dass der Beklagte den Widerspruch unter Zugrundelegung obiger Ausführungen fälschlicherweise als unzulässig zurückgewiesen hat. Obschon er der Klägerin hierdurch die Ermessensprüfung im Widerspruchsverfahren abgeschnitten hat, ist diese insoweit nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO), denn infolge der Ermessensreduzierung auf null hätte der Beklagte im Widerspruchsbescheid zwingend zu demselben Ergebnis kommen müssen, wie im Ausgangsbescheid.

81

2. Auch soweit die Klägerin die Zuwendungen für die Jahre 2012 bis 2014 auf 0 Euro festgesetzt hat (Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids) hat die Klage keinen Erfolg. Es fehlt jedenfalls an einer Rechtsverletzung der Klägerin, da diese nach obigen Ausführungen für die Jahre 2012 und 2014 keinen Anspruch auf die Gewährung von Zuwendungen aus dem KEF hatte.

82

3. Ebenso ist die Rückforderung der infolge der rechtswidrigen Bewilligungsbescheide gezahlten Zuwendungen aus dem KEF (Ziff. 5 des Bescheids) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da die Voraussetzungen des § 49 a Abs. 1 S. 1 VwVfG vorlagen. Insbesondere kann die Klägerin sich nicht gemäß § 49 a Abs. 2 S. 1 VwVfG i. V. m. § 818 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen, da sie infolge ihrer Bindung an den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit Pflichten von stärkerer Bindungskraft hat als Privatpersonen im Rahmen des bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsrechts, die nicht in gleicher Weise dem Gemeinwohl und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 1970 – II C 48.68 –, BVerwGE 36, 108-114; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. März 2012 – OVG 12 N 7.11 –, Rn. 4, juris). Aus den oben genannten Gründen stehen der Rückforderung zudem weder Treu und Glauben, noch der Einwand der Verwirkung entgegen.

83

4. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die auf die Gewährung von Zuwendungen aus dem KEF für das Jahr 2015 gerichtete Verpflichtungsklage ebenfalls keinen Erfolg hat. Die Ablehnung der Gewährung weiterer Zuwendungen war rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Die Klägerin hat hierauf keinen Anspruch, da ein wirksamer Konsolidierungsvertrag nach obigen Ausführungen von vornherein nicht vorlag, bzw. jedenfalls spätestens mit Ablauf des Jahres 2012 geendet hat. Doch selbst wenn man vom Fortbestand des Konsolidierungsvertrages ausginge, bestünde gemäß obigen Ausführungen kein Anspruch auf die Gewährung von Zuwendungen aus dem KEF für das Jahr 2015 nachdem das Konsolidierungsziel bereits im Jahr 2010 erreicht war.

84

5. Nach alledem war die Klage abzuweisen. Über die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren war angesichts der für die Klägerin negativen Kostenfolge nicht mehr zu entscheiden.

85

III. Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

86

IV. Die vorläufige Vollstreckbarkeit bestimmt sich nach §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.

87

V. Gründe, die Berufung zuzulassen, bestehen nicht (§§ 124, 124 a VwGO). Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, da die zu klärenden Rechtsfragen die Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles betreffen.

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(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.

(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Tenor

Die Baugenehmigung des Beklagten vom 7. Juni 2011 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 26. November 2013 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.

2

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beigeladenen sind Eigentümer des u.a. mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks ... Nr. …, Flurstück Nr. ... in Oberotterbach. Sie reichten am 11. November 2010 einen Bauantrag ein für einen Vorbau (Carport) vor der an der westlichen schon vorhandenen Garage. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „...“ der Ortsgemeinde Oberotterbach, der einen Mindestabstand der baulichen Anlagen zum öffentlichen Verkehrsraum von 5,50 m vorschreibt. Diesen Abstand hält das Erweiterungsvorhaben nach dem vorgelegten Plan nicht ein.

3

Mit Beschlüssen vom 16. Dezember 2010 und vom 2. Februar 2011 lehnte der Gemeinderat der Klägerin die Erteilung des Einvernehmens unter Hinweis auf den Bebauungsplan ab.

4

Der Beklagte erteilte die beantragte Baugenehmigung am 7. Juni 2011 unter Zulassung einer Abweichung von § 8 Abs. 9 LBauO hinsichtlich der Gebäudelänge und einer Ausnahme von § 30 BauGB hinsichtlich der Festsetzungen des Bebauungsplans über den Abstand zur Straße, ohne das versagte Einvernehmen zu ersetzen. Die Baugenehmigung wurde der Klägerin mit Schreiben an die Verbandsgemeinde vom 7. Juni 2013 zur Kenntnisnahme übersandt.

5

Mit Schreiben des Ortsbürgermeisters vom 29. Juni 2011 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein und verwies auf das verweigerte Einvernehmen. Es ging bei dem Beklagten am selben Tag mit E-Mail des Sachbearbeiters der Baubehörde der Verbandsgemeinde (Bl. 16 der Widerspruchsakte) mit der Bemerkung „vorab zu Ihrer Info“, außerdem auch per Fax, abgesandt von der Bauabteilung der Verbandsgemeinde (Bl. 19), und schließlich am 1. Juli 2011 auf dem Postweg ein.

6

Der Beklagte bestätigte den Eingang des Widerspruchs mit Schreiben vom 4. Juli 2011 und erklärte, dieser werde zum Anlass genommen, die Angelegenheit nochmals zu überprüfen. Außerdem informierte er die Beigeladenen mit Schreiben vom selben Tag darüber, dass die Ortsgemeinde Oberotterbach gegen die ihnen erteilte Baugenehmigung „fristgerecht Widerspruch eingelegt“ habe.

7

Mit Schreiben vom 22. Juli 2011 begründete die Klägerin ihren Widerspruch. Der Beklagte erklärte sodann in seiner Stellungnahme vom 28. Juli 2011 erneut, der Widerspruch sei fristgerecht eingelegt worden, und begründete seine Nichtabhilfeentscheidung. Mit Schreiben an den Kreisrechtsausschuss vom selben Tag bat er darum, den Mangel der fehlenden Ersetzung des Einvernehmens der Klägerin im Bescheid vom 7. Juni 2011 mit dem Widerspruchsbescheid zu heilen.

8

Nachdem am Tag zuvor die Geschäftsstelle des Kreisrechtsausschusses die Verbandsgemeindeverwaltung darauf hingewiesen hatte, dass ein Widerspruch durch die Verbandsgemeinde für erforderlich gehalten werde, legte diese mit Schreiben vom 6. September 2011 namens der Ortsgemeinde erneut Widerspruch gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ein und begründete dies näher.

9

Der Kreisrechtsausschuss wies den Widerspruch der klagenden Ortsgemeinde gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2013 zurück. Er sah den Widerspruch als unzulässig an, weil er von der Verbandsgemeinde zu spät eingelegt worden sei. Die der Klägerin übersandte Ausfertigung der Baugenehmigung gelte als ihr am 10. Juni 2011 zugegangen mit der Folge, dass die Widerspruchsfrist am Montag, den 11. Juli 2011, abgelaufen sei. Dagegen sei das Widerspruchsschreiben der Verbandsgemeindeverwaltung erst am 6. September 2011 eingegangen.

10

Die Frist zur Einlegung des Widerspruchs sei auch nicht durch das Schreiben des Ortsbürgermeisters vom 29. Juni 2011 gewahrt worden, denn der Ortsbürgermeister sei nicht dazu berechtigt gewesen, Widerspruch einzulegen. Vielmehr ergebe sich aus § 68 GemO, dass für die Klägerin nur die Verbandsgemeindeverwaltung wirksam Widerspruch erheben könne. Die fehlende Befugnis des Ortsbürgermeisters sei auch nicht geheilt worden, weil die Verbandsgemeinde den Widerspruch nicht vor Ablauf der Widerspruchsfrist nachgeholt habe. Insoweit habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung. Es könne zwar sein, dass sie sich durch die rügelose Entgegennahme des Widerspruchs durch den Beklagten und dann durch dessen Schreiben vom 28. Juli 2011 in dem Irrtum befunden habe, der Widerspruch sei durch den Ortsbürgermeister wirksam eingelegt worden. Der Irrtum hätte jedoch auch ursächlich für die Fristversäumung sein müssen. Daran fehle es, denn im Zeitpunkt des Schreibens vom 28. Juli 2011 sei die Frist bereits abgelaufen gewesen.

11

Am 20. Dezember 2013 hat die Klägerin Klage erhoben.

12

Sie bezweifelt, ob die Widerspruchsfrist durch die Übersendung der Baugenehmigung zur Kenntnisnahme überhaupt in Gang gesetzt worden sei. Jedenfalls sei sie ebenso wie die Verbandsgemeindeverwaltung davon ausgegangen, dass sie selbst Widerspruch einlegen müsse.

13

Der Widerspruchsbescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil der Widerspruch zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden sei. Die Klägerin habe rechtzeitig Widerspruch eingelegt, denn dazu sei die Ortsgemeinde selbst berechtigt gewesen. Nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GemO gehöre zwar die gerichtliche Vertretung einer Ortsgemeinde zu den Verwaltungsgeschäften, die die Verbandsgemeinde ausführe. Darunter falle aber nicht das Widerspruchsverfahren als verlängertes Verwaltungsverfahren. Im Übrigen folge aus § 68 GemO nur, dass die Verbandsgemeinde aufgrund eines gesetzlichen Mandats für die Ortsgemeinde und nicht etwa als Prozessstandschafter in eigenem Namen tätig werde. Die Entscheidung, ob Klage erhoben bzw. Widerspruch eingelegt werde, obliege ausschließlich der Willensbildung der Ortsgemeinde, so dass eine Einlegung eines Widerspruchs durch diese nicht unwirksam sein könne.

14

Die Baugenehmigung des Beklagten vom 7. Juni 2011 sei darüber hinaus rechtswidrig, weil das vorgesehene Verfahren der Ersetzung des verweigerten Einvernehmens nicht eingehalten worden sei. Dabei handele sich um einen eigenständigen Verwaltungsakt gegenüber der Gemeinde. Die fehlende Ersetzung des verweigerten Einvernehmens führe zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung, ohne dass es noch auf die Vereinbarkeit der Baugenehmigung mit dem materiellen Bauplanungsrecht ankomme.

15

Der Mangel der fehlenden Ersetzung des Einvernehmens sei auch nicht durch die Entscheidung des Kreisrechtsausschusses geheilt worden, denn die Zurückweisung des Widerspruchs sei allein mit der Nichteinhaltung der Widerspruchsfrist begründet worden. Auf die materielle Rechtslage sei nicht eingegangen worden.

16

Im Übrigen sei die Baugenehmigung auch in der Sache rechtswidrig, weil sie den bauplanungsrechtlichen Anforderungen des § 31 BauGB nicht genüge, wie weiter ausgeführt wird.

17

Die Klägerin beantragt,

18

die Baugenehmigung des Beklagten vom 7. Juni 2011 und den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses der Beklagten vom 26. November 2013 aufzuheben.

19

Der Beklagte beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

21

Er macht geltend, die Klage sei bereits unzulässig, weil es an einem vorausgegangenen ordnungsgemäßen Widerspruchsverfahren fehle. Die Klägerin habe die gemäß § 70 Abs. 1 VwGO zu beachtende Frist von einem Monat für die Einlegung des Widerspruchs nicht eingehalten.

22

Der Ortsbürgermeister der Klägerin habe nicht wirksam Widerspruch einlegen können. Dies folge schon aus dem Grundtatbestand des § 68 Abs. 1 Satz 1 GemO, wonach die Verbandsgemeindeverwaltung die Verwaltungsgeschäfte der Ortsgemeinden in deren Name und in deren Auftrag führe. Dabei sei die Verbandsgemeindeverwaltung an die Beschlüsse der Ortsgemeinderäte und an Entscheidungen der Ortsbürgermeister gebunden. Die gesetzliche Vertretungsregelung des § 68 Abs. 1 Satz 1 GemO umfasse auch die Einlegung von Widersprüchen für die Ortsgemeinden. Von dem zwischen Ortsgemeinde und Verbandsgemeindeverwaltung bestehenden Weisungsrecht sei die Wahrnehmung der Verwaltungskompetenz gerade zu unterscheiden.

23

Da nicht rechtzeitig Widerspruch eingelegt worden sei, sei die Baugenehmigung bestandskräftig geworden und damit einer sachlichen Prüfung durch das Gericht entzogen.

24

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

25

Sie führen in der mündlichen Verhandlung aus, ihnen sei bei der Baubehörde gesagt worden, es werde kein Problem mit dem Carport geben, weil die Gemeinde zuvor für ein solches Vorhaben in der Nähe das Einvernehmen zu einer Ausnahme erteilt habe. Dann habe zunächst der Ortsplaner Bedenken gehabt, diese aber bei einem Ortstermin ihrem Verständnis nach nicht mehr aufrechterhalten.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und der vorliegenden Bau- und Widerspruchsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2014 gewesen ist.

Entscheidungsgründe

27

Die Klage ist zulässig (I) und muss auch in der Sache Erfolg haben (II).

I.

28

1. Die Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, denn sie macht geltend, dass die angefochtene Baugenehmigung ohne Berücksichtigung des von ihr verweigerten Einvernehmens gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB) erteilt wurde. Insofern kann sie sich jedenfalls auf eine Verletzung ihres danach bestehenden gemeindlichen Beteiligungsrechts berufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. August 1988, NVwZ-RR 1989,6).

29

2. Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht die fehlende ordnungsgemäße Durchführung eines Vorverfahrens gemäß § 68 ff. VwGO entgegen.

30

a) Der Lauf der von der Klägerin zu beachtenden einmonatigen Widerspruchsfrist gemäß § 70 Abs. 1 VwGO begann mit der Bekanntgabe der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung mit Schreiben an die Verbandsgemeinde vom 7. Juni 2011. Die Übersendung „zur Kenntnisnahme“ stellt eine ordnungsgemäße Bekanntgabe im Sinne von § 41 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Eine solche Betroffenheit der Klägerin ergibt sich schon aus den Ausführungen zur Klagebefugnis. Aus der Übersendung der Baugenehmigung mit dem Begleitschreiben „zur Kenntnisnahme“ folgt der erforderliche Bekanntgabewille der Behörde gegenüber der Klägerin. Auch die der Baugenehmigung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung bezieht sich auf potentiell Drittbetroffene und setzt - wenn ihnen der Verwaltungsakt bekannt gegeben wird – auch ihnen gegenüber die Widerspruchsfrist in Lauf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2010 – 7 B 36/09 –, juris). Damit stellt der Beklagte hier zu Recht darauf ab, dass die Baugenehmigung vom 7. Juni 2011 unter Beachtung von § 41 Abs. 2 VwVfG auch der Klägerin gegenüber mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post, also am 10. Juni 2011, als bekanntgegeben gilt, sodass der Fristablauf für sie auf Montag, den 11. Juli 2011 fiel.

31

Da das Widerspruchsschreiben der Verbandsgemeindeverwaltung erst am 6. September 2011 bei der Baubehörde einging, war es verspätet und konnte somit – für sich allein gesehen – das Widerspruchsrecht der Klägerin nicht mehr wahren.

32

b) Mit dem Widerspruchsschreiben der klagenden Ortsgemeinde selbst vom 29. Juni 2011 wurde jedoch – innerhalb der Frist – bereits ein ordnungsgemäßes Vorverfahren eingeleitet.

33

Allerdings hatte die Einlegung des Widerspruchs der Klägerin gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung (GemO) durch die Verbandsgemeindeverwaltung zu erfolgen, denn diese führt die Verwaltungsgeschäfte der Ortsgemeinde in deren Namen und in deren Auftrag. Die dort festgelegte gesetzliche Vertretungsregelung umfasst auch die Einlegung von Widersprüchen der Ortsgemeinde (so auch VG Neustadt/W., Urteil vom 6. November 1996, 11 K 2991/96.NW, esovg). Zwar ist die Vertretung in Widerspruchsverfahren in § 68 GemO nicht ausdrücklich erwähnt. Der Gesamtzusammenhang rechtfertigt aber keine andere Beurteilung.

34

Zur näheren Bestimmung des Begriffs der Verwaltungsgeschäfte sind in § 68 Abs. 1 Satz 2 GemO folgende Aufgaben beschrieben: Verwaltung der gemeindlichen Abgaben (Nr. 1), Führung des Rechnungswesens etc. (Nr. 2), Vollstreckungsgeschäfte (Nr. 3) und Vertretung in gerichtlichen Verfahren mit Ausnahme von Rechtsstreitigkeiten einer Ortsgemeinde mit der Verbandsgemeinde etc. (Nr. 4). Aus diesem gesetzlich vorgeschriebenen Vertretungsgefüge fiele eine Widerspruchseinlegung durch die Ortsgemeinde völlig heraus. Wenn das gerichtliche Verfahren danach ausdrücklich als Verwaltungsgeschäft anzusehen ist, so muss dies auch für das vorgeschaltete Widerspruchsverfahren gelten. Mit der Formulierung „Führung der Verwaltungsgeschäfte“ sollten letztlich alle Dienstverrichtungen erfasst werden, die üblicherweise in Gemeinden mit hauptamtlicher Verwaltung nicht mehr vom Bürgermeister persönlich erledigt werden (vgl. Gabler/Höhlein u.a., Praxis der Kommunalverwaltung Rheinland-Pfalz, Online-Kommentar zur GemO, Anm. 2.1 zu § 68).

35

Damit erfordert die gesetzliche Vertretungsregelung eine Erklärung der Verbandsgemeindeverwaltung im Namen der Ortsgemeinde, die in dem Schreiben des Ortsbürgermeisters vom 29. Juni 2011 gerade nicht gesehen werden kann.

36

Hieran allein scheitert die Wahrung des Widerspruchsrechts der Klägerin durch das Schreiben vom 29. Juni 2011 aber noch nicht. Es handelt sich bei der Einlegung des Widerspruchs nämlich nicht um eine unvertretbare Willenserklärung, sodass Vertretung grundsätzlich möglich ist. Aufgrund der Gesamtumstände kann auch von einer Rechtsscheinvertretung der Verbandsgemeindeverwaltung durch den Ortsbürgermeister ausgegangen werden kann.

37

Die Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht sind im öffentlichen Recht anwendbar, soweit sich nicht etwas anderes aus bestimmten Vorschriften des öffentlichen Rechts ergibt (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 27. Juni 2012, 10 LB 27/10, juris m. w. N.). Danach ist eine Duldungsvollmacht anzunehmen, denn der Widerspruch wurde mit Wissen und Wollen der Verbandsgemeindeverwaltung eingelegt. Dies ergibt sich daraus, dass die Verbandsgemeindeverwaltung das Schreiben sowohl – wie ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt hat – aufgesetzt und per Fax sowie auf dem Postweg versandt als auch selbst per E-Mail mit dem Begleitschreiben „vorab zu Ihrer Info“ an die Baubehörde des Beklagten gerichtet hat.

38

Denkbar erscheint im Übrigen auch, den Ortsbürgermeister hier als vollmachtlosen Vertreter der Verbandsgemeindeverwaltung anzusehen, die gemäß § 68 Abs. 1 GemO nur im Namen der Ortsgemeinde hätte auftreten können. Die ausdrückliche Widerspruchseinlegung der Verbandsgemeindeverwaltung vom 6. September 2011 wirkt sich dann als nachträgliche Bevollmächtigung aus, die den schwebend unwirksamen Widerspruch mit Schreiben vom 29. Juni 2011 auch noch rückwirkend heilen konnte, da zu diesem Zeitpunkt der Widerspruch noch nicht als unzulässig zurückgewiesen worden war (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 8. Oktober 2002, Au 3 K 02.777, juris).

39

c) Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass es sich bei § 68 Abs. 1 GemO um eine spezielle Regelung handelt, die der Anwendbarkeit der Grundsätze über eine Rechtsscheinvertretung bzw. über die Vertretung ohne Vertretungsmacht im Verhältnis zwischen Ortsgemeinde und Verbandsgemeindeverwaltung entgegensteht, so hätte der Kreisrechtsausschuss den Widerspruch gleichwohl nicht als verspätet zurückweisen dürfen, denn es lag ein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne von § 70 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 1 VwGO vor. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände trifft die Klägerin nämlich kein Verschulden an der Nichtanerkennung des Widerspruchsschreibens vom 29. Juni 2011 mit der Folge der nicht rechtzeitigen Widerspruchserhebung.

40

Zunächst ist von entscheidender Bedeutung, dass § 68 Abs. 1 GemO, wie oben dargelegt, jedenfalls keine ausdrückliche Regelung dazu trifft, dass nur die Verbandsgemeindeverwaltung für die Ortsgemeinden Widerspruch einlegen kann. In dieser Situation musste sich die klagende Ortsgemeinde damit auf die Handhabung der Verbandsgemeindeverwaltung, die dem Ortsbürgermeister das Widerspruchsschreiben gewissermaßen nur „zur Unterschrift vorgelegt“ hat, verlassen können. Beide Betroffenen – die Ortsgemeinde und die Verbandsgemeindeverwaltung waren offenbar der Auffassung, dass die konkrete Handhabung rechtlich korrekt war. Mangels ausdrücklicher Regelung und auch mangels konkreter Gerichtsentscheidungen zu dieser Konstellation war diese Annahme auch nicht so offensichtlich fehlerhaft, dass man von einem selbstverschuldeten Irrtum ausgehen müsste. Hinzu kommt, dass der Beklagte nach Eingang des umstrittenen Schreibens aus Fürsorgegesichtspunkten heraus verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin bzw. die Verbandsgemeindeverwaltung auf das Erfordernis der Widerspruchseinlegung durch Letztere hinzuweisen, und zwar sofort und nicht erst Anfang September, als die Frist bereits abgelaufen war. Angesichts des Eingangs des Schreibens der Klägerin am 29. Juni 2011 wäre bis zum Fristablauf am 11. Juli 2011 ausreichend Zeit gewesen, um den Fehler zu beheben. Der Beklagte hat aber das Schreiben der Klägerin vom 29. Juni 2011 von Anfang an als wirksamen Widerspruch behandelt. Er hat ihr mit Schreiben vom 4. Juli 2011 geantwortet, der Widerspruch werde zum Anlass genommen, die Angelegenheit nochmals zu überprüfen, und die Beigeladenen mit einem Schreiben vom selben Tag darüber informiert, die Ortsgemeinde Oberotterbach habe gegen die ihnen erteilte Baugenehmigung „fristgerecht Widerspruch eingelegt“, so dass die Bauherren auch nicht darauf vertrauen konnten, die Baugenehmigung sei bestandskräftig geworden.

41

Unter diesen Umständen kommt es auf die vom Kreisrechtsausschuss im Widerspruchsbescheid angesprochene Frage, dass das Schreiben der Baubehörde vom 28. Juli 2011, in dem der Widerspruch als fristgerecht bezeichnet worden ist, erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist abgesandt worden sei und deshalb für die Fristversäumung nicht mehr ursächlich gewesen sein könne, nicht an. Der Irrtum bei Ortsgemeinde und Verbandsgemeinde bestand schon von Anfang an und war zudem durch das Schreiben der Baubehörde vom 4. Juli 2011 zumindest indirekt bestärkt worden, weil darin eine Befassung mit der Angelegenheit in der Sache in Aussicht gestellt wurde.

42

Nach alledem wäre jedenfalls eine Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist auch ohne ausdrücklichen Antrag von Amts wegen erforderlich gewesen, zumal die nach Auffassung des Kreisrechtsausschusses versäumte Handlung (Widerspruchseinlegung durch die Verbandsgemeindeverwaltung) inzwischen nachgeholt war.

43

II. Die somit insgesamt zulässige Klage ist auch begründet, denn die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 6. Juni 2011 und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

44

Vor Erteilung der Baugenehmigung vom 7. Juni 2011 an die Beigeladenen war das Einvernehmen der klagenden Ortsgemeinde gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB einzuholen, denn bauplanungsrechtlich sollte die Zulassung des Vorhabens auf der Grundlage von § 31 Abs. 1 BauGB unter Zulassung einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans erfolgen. Das Einvernehmen wurde hier weder ausdrücklich erteilt noch ist von einer Einvernehmensfiktion auszugehen, denn die Klägerin hat ihr Einvernehmen mit dem Gemeinderatsbeschluss vom 16. Dezember 2010 rechtzeitig versagt. Die Entscheidung war innerhalb der gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB in Verbindung mit § 63 Abs. 1 LBauO einzuhaltenden Frist von zwei Monaten nach Eingang des Bauantrags, der bei der Verbandsgemeindeverwaltung am 11. November 2010 einging, zu treffen. Diese Voraussetzung liegt hier vor.

45

Die rechtzeitige Versagung des Einvernehmens hatte zur Folge, dass die Baugenehmigung nur unter ausdrücklicher Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens durch die Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde erteilt werden durfte. Die Voraussetzungen dafür ergeben sich aus § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB in Verbindung mit § 71 LBauO. Nach § 71 Abs. 1 LBauO kann das Einvernehmen der Gemeinde im bauaufsichtlichen Verfahren nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 ersetzt werden, wenn eine Gemeinde, die nicht untere Bauaufsichtsbehörde ist, ihr u. a. nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB erforderliches Einvernehmen rechtswidrig versagt hat. Es kann darüber hinaus gemäß § 71 Abs. 5 LBauO auch von der Widerspruchsbehörde ersetzt werden. Dafür sind besondere Verfahrensschritte vorgeschrieben.

46

Offen bleiben kann hier, ob die Versagung des Einvernehmens durch die Klägerin überhaupt rechtswidrig war. Ob ein Vorhaben – wie hier das der Beigeladenen - bauplanungsrechtlich unter Zulassung einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans im Sinne von § 31 Abs. 1 BauGB zulässig ist, hat nämlich die Gemeinde als Trägerin der Planungshoheit vollumfänglich zu prüfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 2010, NVwZ 2011,61).

47

Ungeachtet der Frage, ob die Klägerin ihr Einvernehmen rechtswidrig versagt hat, wurde jedenfalls das zwingend erforderliche Ersetzungsverfahren vorliegend durch die Baubehörde, die die Baugenehmigung erteilt hat, nicht beachtet. Dabei ist zunächst gem. § 71 Abs. 3 Satz 2 LBauO eine qualifizierte Anhörung der Gemeinde durchzuführen. Ob dies erfolgt ist, kann hier offen bleiben. Gründe der Rechtsklarheit erfordern es weiter, dass die Ersetzung des Einvernehmens in dem Genehmigungsbescheid – oder ggf. im Widerspruchsbescheid - ausdrücklich erfolgt (VG Neustadt/W., Urteil vom 13. Juli 2006, 4 K 623/06.NW, esovg, m. w. N.). Insbesondere ist die Ersetzungsentscheidung gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz LBauO zu begründen. Mit diesem zwingenden Begründungserfordernis wird gewährleistet, dass der Gemeinde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitgeteilt werden, warum ihr Einvernehmen – insoweit im Wege der kommunalaufsichtlichen Ersatzvornahme gemäß § 123 GemO (§ 71 Abs. 2 Satz 1 LBauO) – ersetzt und die Baugenehmigung erteilt wird (vgl. Jeromin, Kommentar zur LBauO, 2. Aufl. zu § 71, Rn.15). Daran fehlt es vorliegend unstreitig. Es hätte sonst auch kein Anlass zu der im Schreiben der Baubehörde an den Kreisrechtsausschuss vom 28. Juli 2011 ausgesprochenen Bitte bestanden, den Mangel der fehlenden Ersetzung des Einvernehmens der Klägerin im Bescheid vom 7. Juni 2011 mit dem Widerspruchsbescheid zu heilen. Dass dies dann im Widerspruchsverfahren nicht geschah, ist eindeutig, weil sich der Kreisrechtsausschuss aufgrund seiner Beurteilung des Widerspruchs als unzulässig mit der materiellen Rechtslage nicht befasst hat.

48

Hat die Gemeinde – wie hier die Klägerin – aber ihr Einvernehmen fristgerecht versagt und erfolgte keine Ersetzung durch die Bau- oder Widerspruchsbehörde, so kann sie die Aufhebung der gleichwohl erteilten Baugenehmigung verlangen, ohne dass es auf die materielle Rechtslage ankommt. Bereits die Missachtung des gesetzlich gewährleisteten Rechts der Gemeinde auf Einvernehmen führt zur Aufhebung der Baugenehmigung; einer materiell-rechtlichen Überprüfung der Rechtslage bedarf es nicht (BVerwG, Beschluss vom 11. August 2008 – 4 B 25/08 –, juris). Gleiches hat zu gelten, wenn das Ersetzungsverfahren nicht eingehalten wurde. Auch in diesem Fall ist die erteilte Baugenehmigung auf die Klage der Gemeinde hin ohne Überprüfung der materiellen Rechtslage aufzuheben, wenn die Gemeinde das Einvernehmen fristgemäß versagt hat (Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Baugesetzbuch, 112. Ergänzungslieferung 2014, zu § 36 Rn. 47).

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

50

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

51

Beschluss

52

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

(1) Die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) wirkt auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.

(2) Durch die Rückwirkung werden Verfügungen nicht unwirksam, die vor der Genehmigung über den Gegenstand des Rechtsgeschäfts von dem Genehmigenden getroffen worden oder im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt sind.

(1) Handelt jemand für eine Partei als Geschäftsführer ohne Auftrag oder als Bevollmächtigter ohne Beibringung einer Vollmacht, so kann er gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden zur Prozessführung einstweilen zugelassen werden. Das Endurteil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beibringung der Genehmigung zu bestimmende Frist abgelaufen ist. Ist zu der Zeit, zu der das Endurteil erlassen wird, die Genehmigung nicht beigebracht, so ist der einstweilen zur Prozessführung Zugelassene zum Ersatz der dem Gegner infolge der Zulassung erwachsenen Kosten zu verurteilen; auch hat er dem Gegner die infolge der Zulassung entstandenen Schäden zu ersetzen.

(2) Die Partei muss die Prozessführung gegen sich gelten lassen, wenn sie auch nur mündlich Vollmacht erteilt oder wenn sie die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.


Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig.

2

Ungeachtet der Frage, ob der Bürgermeister der Antragsgegnerin für die Einlegung bzw. – wie der Antragsteller meint – zumindest für die Fortführung der Beschwerde eines Beschlusses des Haupt- und Finanzausschusses der Antragsgegnerin bedarf, ist die vom Bürgermeister der Antragsgegnerin eingelegte Beschwerde wirksam. Denn nach § 47 Abs. 1 Satz 1 GemO vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen. Er ist damit notwendiges Organ der Gemeinde als juristische Person, die durch ihn handlungsfähig wird und nicht etwa Vertreter der Gemeinde im Sinne der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften. Allein der Bürgermeister ist als Organ der Gemeinde in der Lage, für sie nach außen hin wirksam Rechtshandlungen vorzunehmen, ohne dass es insoweit einen Unterschied macht, ob es sich um Geschäfte der laufenden Verwaltung oder um solche Angelegenheiten handelt, deren Erledigung der vorherigen Beschlussfassung durch die Gemeindevertretung bedarf (vgl. hierzu VerfGH RP, Urteil vom 14. Juni 1971 – VGH 7/70, AS 12, 153, 160).

3

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

4

Die mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, die angegriffene Entscheidung aufzuheben oder abzuändern.

5

Im Ergebnis zutreffend hat das Verwaltungsgericht es der Antragsgegnerin bis zur Durchführung eines erneuten Wahlverfahrens untersagt, den Beigeladenen zum stellvertretenden Wehrleiter der Verbandsgemeindefeuerwehr E.-A. zu bestellen und zum Ehrenbeamten zu ernennen. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass durch die Bestätigung und Ernennung des Beigeladenen zum stellvertretenden Wehrleiter die Verwirklichung eigener Rechte vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

6

Gegenstand des Verfahrens ist die vom Bürgermeister der Antragsgegnerin zu treffende Entscheidung über die Bestätigung und Ernennung des Beigeladenen zum stellvertretenden Wehrleiter, die für den Antragsteller zu einer Negativentscheidung über seine Bewerbung für das von ihm angestrebte Amt führt. Bei der der Bestätigung und Ernennung vorausgehenden Wahl handelt es sich, ungeachtet der Frage, ob ausschließlich § 14 des Landesgesetzes über den Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz – LBKG – oder – wie vorliegend – § 5 des Landesgesetzes über die Eingliederung der Verbandsgemeinde Hochspeyer in die Verbandsgemeinde E.-A. vom 20. Dezember 2013 (HochspEinglG) zur Anwendung kommt, um eine verfahrensinterne Mitwirkungshandlung. Denn auch mit der Normierung des Wahlverfahrens hat der Gesetzgeber daran festgehalten, dass die Letztentscheidung bei der Bestellung von ehrenamtlichen Führungskräften der Feuerwehr beim Bürgermeister liegen soll. Denn nach der Auffassung des Gesetzgebers wäre es mit der dem Bürgermeister obliegenden Personal- und Organisationshoheit, die sich auch auf die Feuerwehr erstreckt, nicht vereinbar, wenn er in diesem sicherheitsempfindlichen Bereich der Gefahrenabwehr herausgehobene Führungskräfte der Feuerwehr ohne eigene Entscheidungsbefugnis bestellen müsste (LT-Drucks. 14/3502, S. 45 f.).

7

Selbst wenn man dem Vorbringen der Antragsgegnerin folgen würde, dass Art. 33 Abs. 2 GG, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat, vorliegend nicht anzuwenden wäre, würde dies keine andere als die vom Verwaltungsgericht getroffene Entscheidung rechtfertigen.

8

Der Bürgermeister bestellt nach § 14 Abs. 1 Satz 4 LBKG ehrenamtliche Wehrleiter und stellvertretende Wehrleiter auf die Dauer von zehn Jahren und ernennt diese zu Ehrenbeamten. Er hat nach § 14 Abs. 3 Satz 2 LBKG die Bestätigung der nach § 14 Abs. 1 Satz 4 LBKG gewählten Führungskraft zu versagen, wenn der Gewählte fachlich, gesundheitlich oder aus sonstigen wichtigen Gründen ungeeignet ist. Ungeachtet der Frage, ob damit keine Bestenauslese zu erfolgen hat, unterliegt der Bürgermeister bei seiner Entscheidung der Bindung an die Grundrechte. Maßgebend ist vorliegend der in Art. 3 Abs. 1 GG normierte allgemeine Gleichheitssatz. Das Verbot einer willkürlichen Ungleichbehandlung führt dazu, dass der Bürgermeister bei seiner Entscheidung auch die durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützten Interessen der für das Amt des stellvertretenden Wehrleiters geeigneten Bewerber zu berücksichtigen hat, sodass jeder Bewerber, der die Eignungsvoraussetzungen für die Stellung eines ehrenamtlichen stellvertretenden Wehrleiters erfüllt, eine faire Chance bei seiner Bewerbung um dieses Amt haben muss (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2006 – 1 BvR 2530/04 –, juris, Rn. 31). Die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller die Eignungsvoraussetzungen erfüllenden Bewerber und die Sicherung des chancengleichen Zugangs erfordert eine angemessene Verfahrensgestaltung (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2006, a.a.O., Rn. 45). Dies bedeutet zunächst, dass vorgesehene Verfahrensschritte ordnungsgemäß eingehalten werden müssen. Denn nur so kann – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin – gewährleistet werden, dass es zu einer sachgerechten Auswahlentscheidung des Bürgermeisters unter Berücksichtigung der schützenswerten Belange der Bewerber kommt.

9

Mit dem in § 14 LBKG vorgesehen zweistufigen Verfahren – Wahl und anschließende Bestätigung der Wahl und Bestellung des Funktionsträgers durch den Bürgermeister – soll der Besonderheit der Feuerwehr Rechnung getragen werden, die auf ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Feuerwehrangehörigen und Führungskräften angewiesen ist. Denn ehrenamtliche Führungskräfte in der Freiwilligen Feuerwehr müssen nach der Auffassung des Gesetzgebers vom Vertrauen der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen getragen werden. Nur so können der Zusammenhalt und die Einsatzbereitschaft dieser auf enges, vertrauensvolles und kameradschaftliches Zusammenwirken angewiesenen Gemeindeeinrichtung gewährleistet werden. Gleichzeitig soll durch das zweistufige Verfahren gesichert werden, dass nur Personen mit der erforderlichen Qualifikation in Führungsfunktionen berufen werden (LT-Drucks. 14/3502, S. 45 f.). Dies bedeutet allerdings, dass derjenige, der die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen für das Amt eines Wehrleiters oder stellvertretenden Wehrleiters erfüllt, nur dann eine faire Chance erhält, bei der Besetzung für das angestrebte Amt berücksichtigt zu werden, wenn auf der ersten Stufe des Verfahrens, nämlich der Wahl, diese entsprechend den gesetzlichen Vorgaben durchgeführt wird, was vorliegend nicht der Fall war.

10

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Wahl des Beigeladenen zum stellvertretenden Wehrleiter nicht den Anforderungen des § 5 Satz 2 HochspEinglG entspricht, weil auch Führer mit Aufgaben, die mit denen eines Wehrleiters vergleichbar sind, als Wahlberechtigte zugelassen waren.

11

§ 5 Satz 1 HochspEinglG bestimmt, dass spätestens sechs Monate nach der Gebietsänderung eine Wehrleiterin oder ein Wehrleiter der umgebildeten Verbandsgemeinde sowie ihre oder seine Vertretung gewählt, auf die Dauer von zehn Jahren bestellt und zu Ehrenbeamtinnen oder Ehrenbeamten ernannt werden. Die Wahlen erfolgen nach § 5 Satz 2 HochspEinglG durch die Wehrführerinnen und Wehrführer in den Ortsgemeinden der umgebildeten Verbandsgemeinde. Bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung folgt, dass nur die dort genannten Funktionsträger wahlberechtigt sind. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung. Hinweise auf eine Erweiterung des Personenkreises der Wahlberechtigten fehlen. Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin sind Anhaltspunkte dafür, dass die Aufnahme der Führer mit Aufgaben, die mit denen eines Wehrleiters vergleichbar sind, als Wahlberechtigte gleichsam ungewollt im Sinne einer planwidrigen Lücke unterblieben sei, nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass jedenfalls im Bereich der Freiwilligen Feuerwehr E.-A. die beiden Fachbereiche, denen Führer mit Aufgaben, die mit denen eines Wehrleiters vergleichbar sind, vorangestellt wurden, erst nach Verkündung des Landesgesetzes über die Eingliederung der Verbandsgemeinde Hochspeyer in die Verbandsgemeinde E.-A. vom 20. Dezember 2013 geschaffen wurden. Im Übrigen heißt es in § 5 Satz 2 des Landesgesetzes über die Eingliederung der verbandsfreien Stadt H. in die Verbandsgemeinde D. vom 20. Dezember 2013: „Die Wahlen erfolgen durch die Wehrleiterin oder den Wehrleiter der bisher verbandsfreien Stadt H. und die dortigen Führerinnen und Führer mit Aufgaben, die mit denen einer Wehrführerin oder eines Wehrführers vergleichbar sind, sowie durch die Wehrführerinnen und Wehrführer in den Ortsgemeinden der bisherigen Verbandsgemeinde D..“ Hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber bei der Fusion von Gemeinden im Rahmen der Eingliederungsgesetze an die lokalen Verhältnisse angepasste gesetzliche Regelungen getroffen hat.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da der Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 2 VwGO), da er kein eigenes Kostenrisiko auf sich genommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

13

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 GKG.

(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.

(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Die Klage ist bei dem Gericht schriftlich zu erheben. Bei dem Verwaltungsgericht kann sie auch zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden.

(2) Der Klage und allen Schriftsätzen sollen vorbehaltlich des § 55a Absatz 5 Satz 3 Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Der Bundesminister der Finanzen hat dem Bundestage und dem Bundesrate über alle Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden im Laufe des nächsten Rechnungsjahres zur Entlastung der Bundesregierung Rechnung zu legen.

(2) Der Bundesrechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, prüft die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Zum Zweck der Prüfung nach Satz 1 kann der Bundesrechnungshof auch bei Stellen außerhalb der Bundesverwaltung Erhebungen vornehmen; dies gilt auch in den Fällen, in denen der Bund den Ländern zweckgebundene Finanzierungsmittel zur Erfüllung von Länderaufgaben zuweist. Er hat außer der Bundesregierung unmittelbar dem Bundestage und dem Bundesrate jährlich zu berichten. Im übrigen werden die Befugnisse des Bundesrechnungshofes durch Bundesgesetz geregelt.

(1) Bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.

(2) Für alle finanzwirksamen Maßnahmen sind angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen.

(3) In geeigneten Bereichen soll eine Kosten- und Leistungsrechnung eingeführt werden.

(1) Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.

(2) Die Kündigung bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Sie soll begründet werden.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

Tenor

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 1. Juli 2010 wird Ziffer 3. des Bescheides des Beklagten vom 18. Mai 2009 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt - hat die Klägerin 2/3 und der Beklagte 1/3 zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Finanzhilfen für die in den Jahren 1996 bis 1998 durch den Bau der verlängerten Industriestraße (L 423) verursachten Änderungen an Versorgungseinrichtungen der Beigeladenen.

2

Die Beigeladene, eine Aktiengesellschaft und 100%ige Tochter der Klägerin, hat zunächst im bereits 1971 geschlossenen Benutzungsvertrag, sodann im Konzessionsvertrag vom 28. November 1995/19. Dezember 1995 von der Klägerin die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser übertragen bekommen. Sie darf nach § 3 des Konzessionsvertrages - KV - für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen das Eigentum der Klägerin an den öffentlichen Verkehrsflächen nutzen. Hinsichtlich der Kosten heißt es in § 10 KV inhaltsgleich mit der entsprechenden Regelung im Vertrag von 1971:

3

(1) Die Stadt kann jederzeit die Veränderung einer Versorgungseinrichtung, … verlangen, wenn der öffentliche Verkehr oder ein überwiegendes öffentliches Interesse es erfordert. Die Kosten der Veränderung oder Entfernung trägt die Gesellschaft. …

4

(2) …

5

(3) Die Regelung des Absatz 1 gilt nicht bei Maßnahmen der Stadt, deren Kosten ganz oder teilweise von einem Dritten getragen werden. Die Verpflichtung der Gesellschaft beschränkt sich in diesen Fällen auf den Teil der Kosten der Gesellschaft nach Absatz 1, der von Dritten nicht erstattet wird.

6

Für den Bau der verlängerten Industriestraße (L 423) wurde der Klägerin mit Förderzusage vom 2. August 1996 und Bewilligungsbescheid vom 10. Dezember 1996 nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - GVFG - und dem Landesfinanzausgleichsgesetz in Verbindung mit der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr zur Förderung der Verkehrswege, Verkehrsanlagen und sonstigen verkehrswirtschaftlichen Investitionen kommunaler und privater Bauträger - VV-GVFG/LFAG - vom 12. Oktober 1992 (MinBl. S. 454) Zuwendungen in Höhe von 75 % der als zuwendungsfähig anerkannten Kosten bewilligt. Nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung des Schlussverwendungsnachweises betrugen die Gesamtkosten des Vorhabens 7.200.591 € und die zuwendungsfähigen Kosten 6.733.311 €. Sie umfassten auch die Kosten für die durch die Baumaßnahme bedingten Änderungen an Versorgungseinrichtungen der Beigeladenen (Umlegung von Leitungen und Kabeln) in Höhe von 16.337 €.

7

In einer Prüfmitteilung vom 8. November 2006 beanstandete der Rechnungshof Rheinland-Pfalz hinsichtlich anderer Straßenbaumaßnahmen im Gebiet der Klägerin die Bezuschussung von Kosten für Änderungen an Versorgungseinrichtungen der Beigeladenen. Solche Kosten seien gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG nicht zuwendungsfähig, weil die Beigeladene nach dem Konzessionsvertrag verpflichtet sei, die entsprechenden Aufwendungen zu tragen. Hieran könne § 10 Abs. 3 KV nichts ändern.

8

Mit Bescheid vom 18. Mai 2009 nahm der Beklagte rückwirkend zum jeweiligen Erlasszeitpunkt die Förderzusage vom 2. August 1996, den Bewilligungsbescheid vom 10. Dezember 1996 sowie die Mittelbereitstellungen zurück, soweit die bewilligten Zuwendungen den Betrag von 5.037.730 € überstiegen. Er forderte die Zuwendungen in Höhe von 12.253 € zurück. Zudem ordnete er die Verzinsung des Rückforderungsbetrages ab dem 22. Dezember 2005 in Höhe von 3 % über dem jeweiligen Diskont- bzw. Basiszinssatzes an.

9

Die hiergegen erhobene Klage hat die Klägerin im Wesentlichen damit begründet, dass bereits die einjährige Ausschlussfrist für die Rücknahme von Bescheiden abgelaufen sei. Darüber hinaus habe der Beklagte zu Recht auch die Kosten der Leitungsverlegung in die Bezuschussung einbezogen. Denn als 100%ige Tochter der Stadt sei die Beigeladene keine "andere" im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG. Im Übrigen trage nicht die Beigeladene, sondern durch die Zuwendungen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz der Beklagte als Dritter die Aufwendungen für die Leitungsverlegung. Dies entspreche der bisherigen Handhabung vergleichbarer Fälle.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

den Bescheid des Beklagten vom 18. Mai 2009 aufzuheben.

12

Der Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, die Beigeladene sei als Aktiengesellschaft eine "andere" im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG. Als solche sei sie nach § 10 Abs. 1 KV verpflichtet, die Folgekosten zu tragen. Etwas anderes ergebe sich nicht aus § 10 Abs. 3 KV, weil er - der Beklagte - als subsidiärer Zuwendungsgeber nicht originärer Dritter sei. Auf den Ablauf der Jahresfrist und andere Vertrauensschutzgesichtspunkte könne sich die Klägerin als Kommune nicht berufen.

15

Die Beigeladene, die keinen Antrag gestellt hat, hat sich den Vortrag der Klägerin zu Eigen gemacht und ergänzt.

16

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil Rücknahme- und Rückforderungsbescheid rechtmäßig seien. Kosten für Arbeiten an Versorgungsleitungen seien als sogenannte Folgekosten zwar grundsätzlich förderfähig. Dies gelte jedoch gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG nicht für solche Aufwendungen, die ein anderer als der Träger des Vorhabens zu tragen habe. Um eine "andere" in diesem Sinne handele es sich bei der Beigeladenen, weil sie als Aktiengesellschaft im Verhältnis zur Klägerin über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfüge. Von einer wirtschaftlichen Einheit zwischen Klägerin und Beigeladener könne nicht ausgegangen werden, auch wenn die Klägerin alle Anteile an der Beigeladenen halte.

17

§ 10 Abs. 3 KV, wonach der Beigeladenen Folgekosten nicht zur Last fielen, die von einem Dritten getragen würden, führe nicht zur Zuwendungsfähigkeit der Aufwendungen für die Änderung der Versorgungsleitungen. Anderenfalls werde nämlich die Gewährung der Zuwendung, über die gerade entschieden werden solle, selbst Voraussetzung der Zuwendungsfähigkeit bestimmter Kosten. Dies widerspreche § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG.

18

Erwiesen sich demnach die Zusage, Bewilligung und Bereitstellung der Zuwendung als teilweise rechtswidrig, sei ihre Rücknahme ermessensgerecht. Auf Vertrauensschutzgesichtspunkte im Sinne des § 48 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - könne sich die Klägerin als öffentlicher Rechtsträger ebenso wenig wie auf die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG berufen. Darüber hinaus verstoße die Rücknahmeentscheidung trotz der 1979/1980 zwischen den Beteiligten und dem Landesrechnungshof getroffenen Vereinbarung über die Zuwendungsfähigkeit von Aufwendungen einer Eigengesellschaften, an der die Kommune alle Anteile halte, nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Schließlich seien die übrigen Ermessenserwägungen des Beklagten nicht zu beanstanden. Insoweit habe er berechtigterweise auf das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung abgestellt. Entsprechendes gelte für die teilweise Rückforderung der Zuwendungen und die zugleich angeordnete Verzinsung.

19

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, dass die Rücknahme bereits an der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG scheitere. Diese Vorschrift sei aus Gründen der Rechtssicherheit auch auf öffentliche Rechtsträger anzuwenden. Für den Fristbeginn sei die Prüfmitteilung des Landesrechnungshofs vom 8. November 2006 maßgebend.

20

Im Übrigen seien die Zuwendungen für die Arbeiten an den Versorgungsleitungen der Beigeladenen rechtmäßig. Die zugrundeliegenden Kosten habe nicht die Beigeladene zu tragen gehabt. Deshalb seien sie förderfähig gewesen. Die Beigeladene sei nicht als "andere" im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG anzusehen. Auf die eigene Rechtspersönlichkeit könne nicht abgestellt werden, weil § 2 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz GVFG "Kommunale Zusammenschlüsse" erwähne, welche an Stelle von Gemeinden oder Landkreisen Träger der Baulast seien und nicht unbedingt über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügten. Deshalb sei bei der Auslegung des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG eine wirtschaftliche Betrachtung anzustellen und zu berücksichtigen, dass sie - die Klägerin - 100 % der Aktien der Beigeladenen halte.

21

Des Weiteren schließe § 10 Abs. 3 KV eine Kostenpflicht der Beigeladenen aus, weil der Beklagte als "Dritter" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sei. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und werde durch die frühere Abwicklung gleichgelagerter Fördermaßnahmen seit den 1970er Jahren bestätigt. Außerdem entspreche dieses Ergebnis der Interessenlage der Vertragsparteien. Danach sollten Kosten, die ihren Haushalt ohnehin nicht belasteten, nicht auf die Beigeladene abgewälzt werden.

22

Schließlich sei die im Rückforderungsbescheid angeordnete Verzinsung ermessenswidrig, weil alle Beteiligten von der Rechtmäßigkeit der Förderpraxis ausgegangen seien. Auch der Beginn der Verzinsung ab dem 22. Dezember 2005 sei zu beanstanden, weil der Beklagte die Konsequenzen aus der Prüfmitteilung des Landesrechnungshofs vom 8. November 2006 nicht sofort geklärt habe.

23

Die Klägerin beantragt,

24

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem in erster Instanz gestellten Antrag zu erkennen.

25

Der Beklagte beantragt,

26

die Berufung zurückzuweisen.

27

Nach der Systematik des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes seien nur die notwendigen Folgekosten, die dem Vorhabenträger oblägen, förderfähig. Sei hingegen "ein anderer" als der Träger des Vorhabens zur Kostentragung verpflichtet, scheide eine Förderung aus. Um einen solchen „anderen“ im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG handele es sich bei der Beigeladenen, obwohl die Klägerin 100% der Aktien der Beigeladenen halte. Etwas anderes folge nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz GVFG. Im Übrigen wäre die Beigeladene selbst dann als "andere" im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG einzustufen, wenn man eine wirtschaftliche Betrachtung anstelle. Denn die Kostenpflicht der Beigeladenen schmälere ihre eigene Leistungsfähigkeit und nicht die der Klägerin. Darüber hinaus bezwecke § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG nur eine Förderung von Gemeinden als Vorhabenträger und nicht die Förderung eines „anderen". Deshalb könne auch § 10 Abs. 3 KV nichts an der nach § 10 Abs. 1 KV bestehenden Folgekostenlast der Beigeladene ändern. Insbesondere sei er - der Beklagte - nicht als originärer Dritter im Sinne von § 10 Abs. 3 KV, sondern lediglich subsidiärer Zuwendungsgeber anzusehen.

28

Weiterhin könne sich die Klägerin als öffentlicher Rechtsträger nicht auf den Ablauf der Jahresfrist berufen. Auch die Festsetzung der Zinsforderung sei ermessensgerecht. Das öffentliche Interesse an der Abschöpfung des bei der Klägerin zu Unrecht entstandenen wirtschaftlichen Vorteils sei höher zu gewichten als der Umstand, dass die Beteiligten ursprünglich von der Rechtmäßigkeit der Förderung ausgegangen seien.

29

Die Beigeladene, die keinen Antrag stellt, macht sich die Ausführungen der Klägerin zu Eigen und vertieft diese.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

31

Die Berufung ist teilweise begründet.

32

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Ziffern 1 und 2 des Rücknahme- und Rückforderungsbescheides vom 18. Mai 2009 zu Recht abgewiesen (A.). Allerdings hätte Ziffer 3. des Bescheides aufgehoben werden müssen, weil die gesetzlich vorgeschriebene Entscheidung, ob von der Geltendmachung der Verzinsung des Rückforderungsbetrages abgesehen werden kann, ermessensfehlerhaft ist (B.).

A.

33

Ziffer 1 des Bescheides vom 18. Mai 2009, durch den die Förderzusage des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vom 2. August 1996, der Bewilligungsbescheid vom 10. Dezember 1996 sowie die entsprechenden Mittelbereitstellungen hinsichtlich der Zuwendungen zu Kosten für die Verlegung von Versorgungsleitungen zurückgenommen wurden, findet seine Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 VwVfG (I.). Die in Ziffer 2 des Bescheides angeordnete teilweise Rückforderung der Förderbeträge steht mit § 49a Abs. 1 VwVfG in Einklang (II.).

I.

34

Gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Förderzusage vom 2. August 1996, der Bewilligungsbescheid vom 10. Dezember 1996 und die hierauf beruhenden Mittelbereitstellungen, auf die sich der angefochtene Rücknahmebescheid bezieht, waren insoweit rechtswidrig, als damit Zuwendungen zu den Kosten für die Verlegung von Versorgungsleitungen der Beigeladenen infolge des Baus der verlängerten Industriestraße gewährt wurden (1.). Die Rücknahme der entsprechenden Verwaltungsakte ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil sich die Klägerin weder auf Vertrauensschutz im Sinne des § 48 Abs. 2 VwVfG noch auf die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG berufen kann (2.).

35

1. Die Kosten für die durch den Bau der verlängerten Industriestraße bedingten Änderungen an Versorgungseinrichtungen der Beigeladenen (Verlegung von Leitungen und Kabeln) waren nach den Vorschriften des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes und des von der Klägerin und der Beigeladenen abgeschlossenen Konzessionsvertrages nicht zuwendungsfähig. Die Zuwendungsfähigkeit solcher Kosten ist gemäß §§ 4 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 1 Nr. 1a GVFG und Ziff. 6.4.2 VV-GVFG/LFAG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie über einen Wertausgleich für Ver- und Entsorgungsanlagen im Zusammenhang mit Vorhaben nach dem GVFG als sog. Folgekosten nur gegeben, wenn der kommunale Träger der Straßenbaulast diese selbst zu tragen hat. Dementsprechend sind gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG solche Folgekosten nicht zuwendungsfähig, die bei einem anderen als der Träger des Vorhabens anfallen.

36

Die Beigeladene ist als "andere" im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG verpflichtet, die Kosten der Verlegung von Versorgungsleitungen, welche als Folge des Baus der verlängerten Industriestraße entstanden sind, zu tragen. Ein gemeindeeigenes Unternehmen ist als "anderer" anzusehen, wenn es eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 1993 - III ZR 136/91 -, juris, Rn. 19; VGH BW, Urteil vom 15. Januar 1980 - X 2123/78 -, juris; Hohns/Schmidt, Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, 1972, Teilziffer 240; Schroeter/Wittig, Zuwendungen für den Verkehrswegebau in den Gemeinden, 1971, § 4 Anm. 4). § 2 Abs. 1 2. Halbsatz GVFG spricht nicht gegen die Berücksichtigung des Kriteriums der Rechtspersönlichkeit zur Abgrenzung eines "anderen" vom Träger des Vorhabens. Nach dieser Bestimmung können zuwendungsfähige Vorhaben Maßnahmen an Verkehrsanlagen sein, die in der Baulast von Gemeinden, Landkreisen oder kommunalen Zusammenschlüssen stehen, welche anstelle von Gemeinden und Landkreisen Träger der Baulast sind. Sofern je nach landesrechtlichen Regelungen kommunale Zusammenschlüsse in diesem Sinne keine eigene Rechtspersönlichkeit haben sollten, besagt dies nichts für die Abgrenzung des Vorhabenträgers von einem "anderen" im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG. Denn hinter dem kommunalen Zusammenschluss stehen regelmäßig Körperschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit. Im Übrigen beschränkt sich der Regelungsgehalt des § 2 Abs. 1 2. Halbsatz GVFG darauf, dass auch kommunale Zusammenschlüsse unabhängig von ihrer Rechtsfähigkeit anstelle der Gemeinden und Landkreise Träger der Straßenbaulast sein können. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein gemeindeeigenes Unternehmen als "anderer" anzusehen ist und damit zur Auslegung des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG enthält § 2 Abs. 1 2. Halbsatz GVFG somit keine Aussage.

37

Das ausschließliche Abstellen auf die eigene Rechtspersönlichkeit des kommunalen Unternehmens bei der Beantwortung der Frage, ob es sich hierbei um einen "anderen" im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG handelt, ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Gemeinde 100 % der Anteile an der kommunalen Eigengesellschaft besitzt. Denn die Klägerin hat sich aus wohlerwogenen Gründen dafür entschieden, ihre Stadtwerke als Aktiengesellschaft zu bilden und sämtliche Anteile selbst zu halten. Deshalb hat sie sowohl die Vor- als auch die Nachteile dieser Rechtsform hinzunehmen. Darüber hinaus dient das Kriterium der Rechtspersönlichkeit für die Abgrenzung des Trägers der Straßenbaulast von einem "anderen" der notwendigen Rechtsklarheit bei der Anwendung des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG.

38

Selbst wenn bei der Auslegung des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG eine wirtschaftliche Betrachtung anzustellen wäre, müsste die Beigeladene als „anderer“ Kostenträger angesehen werden. Die Folgekosten einer kommunalen Eigengesellschaft im Zusammenhang mit einer Straßenbaumaßnahme fallen nämlich nicht bei der Kommune als dem Träger der Straßenbaulast, sondern allein bei der Gesellschaft an. Unmittelbare finanzielle Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt entstehen selbst dann nicht, wenn die Gemeinde die Anteile an der Eigengesellschaft zu 100 % hält, zumal das Unternehmen auch seinen Aufwand für Folgemaßnahmen in seine Kalkulation einbeziehen und über die Entgelte finanzieren kann.

39

Als "andere" im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG ist die Beigeladene auch verpflichtet, die Kosten der Verlegung von Versorgungsleitungen infolge des Baus der verlängerten Industriestraße zu tragen. Dies folgt aus § 10 Abs. 1 Satz 2 des zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bestehenden Konzessionsvertrages. Danach fallen der Beigeladenen die Kosten der Veränderung oder Entfernung einer Versorgungseinrichtung, Nahverkehrseinrichtung oder Anlage der Kommunikationstechnik zur Last, wenn der öffentliche Verkehr oder ein überwiegendes öffentliches Interesse die ursächliche Baumaßnahme an der Verkehrsanlage erfordert. An dieser sog. Folgekostenpflicht der Beigeladenen vermag § 10 Abs. 3 Satz 1 KV nichts zu ändern. Nach dieser Regelung tritt die Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 KV (= Folgekostenpflicht der Beigeladenen) nicht bei Maßnahmen ein, deren Kosten ganz oder teilweise von einem Dritten getragen werden. Zwar lässt der bloße Wortlaut die Auslegung zu, das beklagte Land als Zuwendungsgeber sei "Dritter" im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 1 KV. Jedoch verstößt eine solche Auslegung gegen den Zweck des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes und führt zu einer gesetzeswidrigen Umgehung der §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG.

40

Nach dem Willen des Gesetzgebers ist es Zweck des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes, allein die Gemeinden und Landkreise als Träger der Straßenbaulast beim Bau oder Ausbau u.a. von verkehrswichtigen innerörtlichen Straßen durch Zuwendungen finanziell zu entlasten. Deshalb stehen dem Träger der Straßenbaulast keine Zuwendungen für Kosten zu, die er nicht selbst zu tragen hat (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 18f). Um solche Aufwendungen handelt es sich im vorliegenden Fall bei den Folgekosten einer Straßenbaumaßnahme nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Sie sind - wie bereits ausgeführt - gemäß § 10 Abs. 1 KV nicht von der Klägerin als Straßenbaulastträger, sondern von der Beigeladenen als Versorgungsunternehmen aufzubringen. Soweit die Folgekostenpflicht der Beigeladenen nach dem Willen der Parteien des Konzessionsvertrages zur Erlangung von Zuwendungen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz durch § 10 Abs. 3 Satz 1 KV beseitigt werden soll, führt dies nicht zu einer finanziellen Entlastung der Klägerin als Träger der Straßenbaulast, sondern allein der Beigeladenen als Versorgungsunternehmen. Da eine solche Entlastung des Versorgungsunternehmens vom Gesetz nicht gewollt ist, kann der Beklagte als Zuwendungsgeber nicht Dritter im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 1 KV sein. Deshalb verbleibt es trotz dieser vertraglichen Regelung bei der Folgekostenpflicht der Beigeladenen im Sinne des § 10 Abs. 1 KV (a. A. OLG Nürnberg, Urteil vom 15. Januar 1986 - 4 U 3014/85 - ). Die Kosten der Leitungsverlegung durch die Beigeladenen waren somit nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz nicht zuwendungsfähig.

41

2. Der vom Beklagten angeordneten Rücknahme der Förderzusage vom 2. August 1996, des Bewilligungsbescheides vom 10. Dezember 1996 und der entsprechenden Mittelbereitstellungen stehen weder Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes im Sinne des § 48 Abs. 2 VwVfG (a) noch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG (b) entgegen.

42

a) Gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistungen gewährt oder hierfür die Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 23, 25 [30]; 27, 215 [217 f.]; 60, 208 [211]), der sich das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im Urteil vom 17. November 1987 - 7 A 21/87 - (AS 22, 33 [38 f.]) angeschlossen hat, kann sich eine Behörde gegenüber einer anderen nicht auf den in § 48 Abs. 2 VwVfG normierten Vertrauensschutz berufen. Dies gilt auch für eine Gemeinde als Selbstverwaltungskörperschaft. Denn sie ist dem Staat aufgrund öffentlichen Rechts eingegliedert und übt mittelbare Staatsgewalt aus. Deshalb ist sie an das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden und kann sich nicht auf den Fortbestand eines rechtswidrigen Zustandes berufen. Vielmehr muss sie darauf achten, dass öffentliche Mittel sachgerecht und rechtmäßig verwendet werden. Insofern dient der Vertrauensschutz nur dem Schutz des Bürgers vor dem ihm überlegenen Staat. Eines solchen Schutzes bedarf der Träger öffentlicher Gewalt hingegen nicht.

43

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich zu ihren Gunsten ein Vertrauensschutz im Sinne des § 48 Abs. 2 VwVfG auch nicht aus den besonderen Umständen des hier vorliegenden Einzelfalls. Zwar waren sich die Beteiligten und der Landesrechnungshof seit 1979/1980 bis zum Prüfvermerk vom 8. November 2006 einig, dass Kosten einer kommunalen Eigengesellschaft für die Leitungsverlegung zuwendungsfähig sind, sofern das Unternehmen zu 100 % im Eigentum der Gemeinde steht. Jedoch wird die besondere Gesetzesbindung der Klägerin, welche Grund für den Ausschluss des Vertrauensschutzes bei öffentlichen Rechtsträgern ist, weder durch die Einbeziehung des Rechnungshofs in die Prüfung der Rechtslage noch durch die Dauer der Überzeugung der Beteiligten von der Rechtmäßigkeit der Zuwendungsgewährung gemindert.

44

b) Des Weiteren kann sich die Klägerin als Gemeinde nicht auf die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG, innerhalb der die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts noch zulässig ist, berufen. Diese Frist dient dem Schutz des Vertrauens, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach Fristablauf trotz entgegenstehender Rechtslage Bestand hat. Damit schützt § 48 Abs. 4 VwVfG ebenso wie der Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 VwVfG das Interesse des Adressaten eines Verwaltungsakts an der Rechtssicherheit. Die rechtliche Unzulässigkeit der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt nach Ablauf der Jahresfrist ist demnach eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. § 48 Abs. 4 VwVfG dient demnach als ebenfalls vertrauensschützende Norm dem Schutz des Bürgers vor dem ihm überlegenen Staat. Da öffentliche Rechtsträger wegen ihrer besonderen Gesetzesbindung diesen Schutz nicht in Anspruch nehmen und sich nicht auf den Fortbestand eines rechtswidrigen Zustandes berufen können, ist § 48 Abs. 4 VwVfG auf die Klägerin als Kommune nicht anwendbar. Insofern überwiegt entgegen der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 12. Juni 2007 - 15 A 371/05 - juris, Rn. 20) das öffentliche Interesse an der Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln das Interesse der Klägerin an der „Klarheit ihrer finanziellen Planungsgrundlagen“.

45

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht abgelaufen war. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beginnt die Jahresfrist zu laufen, wenn der für die Entscheidung über die Rücknahme zuständige Amtswalter die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihm die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Diese Kenntnis ist erst vorhanden, wenn sich die Behörde der Notwendigkeit bewusst geworden ist, wegen der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts über die Rücknahme entscheiden zu müssen. Hierzu ist es erforderlich, dass die Tatsachen vollständig, uneingeschränkt und unzweifelhaft ermittelt sind. Da zur Herstellung der Entscheidungsreife regelmäßig eine Anhörung gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG erforderlich ist, beginnt die Frist erst nach deren Abschluss zu laufen (vgl. BVerwGE 70, 356 [362 ff.]; BVerwG, NJW 2001, 1440).

46

Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, begann die Jahresfrist mit dem Eingang der abschließenden Stellungnahme der Klägerin beim Beklagten am 13. Mai 2009. Denn erst zu diesem Zeitpunkt waren dem Beklagten neben der teilweisen Rechtswidrigkeit der gewährten Zuwendungen die sonstigen für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen bekannt. Zwar hat sich die Landesregierung aufgrund einer Stellungnahme des Landesbetriebs Mobilität vom 9. März 2007 bereits im April 2007 der Auffassung des Landesrechnungshofs angeschlossen, nach der die Kosten für die Leitungsverlegung im Zusammenhang mit mehreren Straßenbaumaßnahmen der Klägerin nicht zuwendungsfähig sind (vgl. LT-Drucks. 15/1018, S. 20). Jedoch führte die daraufhin im Juni 2007 gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG eingeleitete - nicht die verlängerte Industriestraße, sondern drei andere Baumaßnahmen betreffende - erste Anhörung der Klägerin nicht zur Entscheidungsreife der Rücknahmefrage. In ihrer Stellungnahme vom 27. August 2007 hat die Klägerin nämlich auf die Bewertung der Zuwendungsfälle seit 1979/1980 durch die Beteiligten und den Landesrechnungshof hingewiesen. Danach wurden die Kosten für Leitungsverlegungen als zuwendungsfähig auch dann angesehen, wenn die Gemeinde die Anteile am kommunalen Versorgungsunternehmen zu 100 % hielt. Der Hinweis der Klägerin auf die bisherige Zuwendungspraxis hat daraufhin zu einer erneuten eingehenden Erörterung der hier streitigen Rücknahmevoraussetzungen geführt. Hieran waren der Landesrechnungshof, die Rechnungsprüfungskommission des Landtages und das beklagte Ministerium beteiligt. Dabei setzte sich der Beklagte gegenüber dem Landesrechnungshof entschieden dafür ein, die Zuwendungsfähigkeit der in Rede stehenden Aufwendungen so wie in der Vergangenheit zu beurteilen und von einer Rückforderung abzusehen (vgl. Schreiben des Beklagten an den Landesrechnungshof vom 10. Dezember 2007). Erst nachdem die Rechnungsprüfungskommission sowie der Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages am 13. Juni sowie am 8. und 21. August 2008 die Landesregierung aufgefordert hatten, die Kosten für die Leitungsverlegung von der Förderung auszunehmen, entschloss sich der Beklagte, die Bewilligungsbescheide zurückzunehmen. Zuvor war es jedoch erforderlich, die Rückforderungsbeträge hinsichtlich des Baus der hier in Rede stehenden verlängerten Industriestraße vom Landesbetrieb Mobilität feststellen zu lassen und die Klägerin zu den sodann ermittelten Tatsachen anzuhören. Letzteres geschah mit Schreiben vom 27. April 2009. Erst aufgrund der am 13. Mai 2009 eingegangenen Stellungnahme der Klägerin begann sodann die Jahresfrist zu laufen. Demnach ist der angefochtene Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 18. Mai 2009 rechtzeitig erlassen worden.

II.

47

Ziffer 2. des Bescheides vom 18. Mai 2009, in dem die zu viel gezahlten Zuwendungen zurückgefordert wurden, findet seine Rechtsgrundlage in § 49a Abs. 1 VwVfG. Danach sind die erbrachten Leistungen zu erstattet, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden ist.

B.

48

Rechtlich zu beanstanden ist Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides, durch den der Beklagte eine Verzinsung des Rückforderungsbetrages ab 22. Dezember 2005 angeordnet hat. Gemäß § 49a Abs. 3 Satz 1 VwVfG ist der zu erstattende Betrag vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsakts an zu verzinsen. Nach Satz 2 der Vorschrift kann von der Geltendmachung des Zinsanspruchs insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme des Verwaltungsakts geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet.

49

Der sich aus § 49a Abs. 3 Satz 2 VwVfG ergebende Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Absehen von einer Verzinsung des Rückforderungsbetrages steht auch der Klägerin als öffentlichem Rechtsträger zu. Dies widerspricht nicht dem Umstand, dass sich Behörden weder auf Vertrauensschutz im Sinne des § 48 Abs. 2 VwVfG noch auf die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG berufen können. Der Ausschluss des Vertrauensschutzes und der Jahresfrist gegenüber öffentlichen Rechtsträgern beruht auf der gesteigerten Gesetzesbindung von Behörden und dem Zweck der §§ 48 Abs. 1, 49a Abs. 1 VwVfG. Beide Vorschriften dienen der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände durch die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte und die Rückforderung der zu Unrecht erbrachten Leistungen. Demgegenüber bezweckt die Verzinsung des Rückforderungsbetrages im Sinne des § 49a Abs. 3 Satz 1 VwVfG die Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteile, die der durch die Hauptleistung Begünstigte zusätzlich erlangt hat. Sie führt damit zu einer Belastung, welche über die nachträgliche Schaffung rechtmäßiger Verhältnisse hinaus geht und deshalb nicht Ausdruck der Gesetzesbindung öffentlicher Rechtsträger ist. Deshalb ist der Beklagte gemäß § 49a Abs. 3 Satz 2 VwVfG verpflichtet, ermessensfehlerfrei darüber zu entscheiden, ob er ausnahmsweise von dieser weiteren Belastung in Form der Verzinsung des Rückforderungsbetrages absieht.

50

Die von dem Beklagten nach § 49a Abs. 3 Satz 2 VwVfG getroffene Entscheidung ist ermessensfehlerhaft. Ausweislich der Begründung im angefochtenen Bescheid beruht sie darauf, den der Klägerin entstandenen Zinsvorteil aus Gründen einer geordneten Bewirtschaftung von Subventionen dem Beklagten zuzuführen. Darüber hinaus entspreche die Verzinsung des Rückforderungsbetrages dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Umstände, die eine davon abweichende Entscheidung rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich. Darüber hinaus hat der Beklagte im gerichtlichen Verfahren als ergänzende Ermessenserwägung im Sinne des § 114 Satz 2 Verwaltungsgerichtordnung - VwGO - geltend gemacht, die in der Vergangenheit erfolgte Anerkennung der Kosten für die Veränderung von Versorgungsleitungen als zuwendungsfähig sei nicht geeignet, von der Geltendmachung des Zinsanspruchs abzusehen (vgl. Schriftsatz vom 2. November 2010). Mit diesen Erwägungen hat der Beklagte die besonderen Umstände des Einzelfalls nicht angemessen gewichtet. Denn die Beteiligten haben sich 1979/1980 mit dem Landesrechnungshof darauf geeinigt, die Kosten von Leitungsverlegungen als zuwendungsfähig anzuerkennen, weil die Klägerin 100 % der Anteile der Beigeladene hält. Diese Übereinkunft und ihre praktische Handhabung wurden über mehr als 25 Jahre von keinem der Beteiligten, insbesondere auch nicht vom Landesrechnungshof, in Frage gestellt. Insbesondere wegen der 1979/1980 erfolgten rechtlichen Prüfung durch den Landesrechnungshof als unabhängiger Institution hat die Klägerin die Umstände, die zur Rücknahme des Zuwendungsbescheides geführt haben, nicht im Sinne des § 49a Abs. 3 Satz 2 VwVfG zu vertreten. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von den sonstigen Fällen, in denen lediglich die Behörde und der Begünstigte von der Rechtmäßigkeit des sich später als rechtswidrig ergebenden Verwaltungsaktes ausgegangen sind. Diese Besonderheiten haben auch gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Bewirtschaftung von Subventionen und einer Gleichbehandlung der Zuwendungsempfänger ein solches Gewicht, dass die Entscheidung des Beklagten, nicht ausnahmsweise von einer Verzinsung des Rückforderungsbetrages abzusehen, den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung nicht gerecht wird.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

52

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 Zivilprozessordnung.

53

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

54

Beschluss

55

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 12.253,00 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz).

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23. Juni 2010 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die Rücknahme einer sogenannten Kerngebietsbescheinigung, eines Grundlagenbescheides für die Gewährung einer Investitionszulage.

2

Diese betrifft die Doppelhaushälfte E-Straße in B-Stadt. Der Bereich ist in dem Bebauungsplan F als Allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Die gegenüberliegende Straßenseite ist unbebaut. In etwa 150 m Entfernung beginnt auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Ortskern von B-Stadt. Dort befinden sich eine Schule, das Amtsgebäude und einige Gewerbebetriebe.

3

Mit Datum vom 28.03.2002 erteilte der Beklagte auf den Antrag der Kläger eine Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999, mit der bescheinigt wurde, dass das Gebäude in einem Gebiet liegt, das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung einem Gebiet entspricht, welches durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 BauNVO festgesetzt ist. Auf der Grundlage dieser Bescheinigung wurde eine Investitionszulage in Höhe von 5.460,09 EUR an die Kläger ausgezahlt.

4

Mit Schreiben vom 27.01.2003 wies das Finanzamt Stralsund bezogen auf andere Gebäude E-Straße auf rechtliche Zweifel an der Richtigkeit der Bescheinigungen hin, die für Bauvorhaben "auf der grünen Wiese" ausgestellt worden seien, und verwies auf die "Hinweise für die kommunale Bescheinigungspraxis..." des Bundesbauministeriums. Das Finanzamt bat um Überprüfung aller vom Beklagten in der Vergangenheit bereits erteilten Investitionszulagenbescheinigungen und ggf. Rücknahme der entsprechenden Bescheide, einschließlich eines Hinweises "auf die Möglichkeit einer straf- oder bußgeldrechtlichen Würdigung bei bestehendem Verdacht einer falsch ausgestellten Bescheinigung".

5

Der Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 20.02.2003. Eine Rücknahme ausgestellter Bescheinigungen werde abgelehnt, weil die Voraussetzungen jeweils von der Bauamtsleitung des Amtes sorgfältig überprüft und zum Zeitpunkt der Bescheinigungserstellung als erfüllt angesehen worden seien. Dies sei auf der Grundlage entsprechender Ausführungen in der Zeitschrift des Städte- und Gemeindetages erfolgt. Ergänzend sei mit dem Finanzamt Rücksprache gehalten worden, worüber ein Telefonvermerk existiere. Erst im November 2002 sei eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald bekannt geworden, auf Grund derer der Städte- und Gemeindetag seine bisherige Empfehlung einer großzügigen Auslegung des InvZulG zurück gezogen habe. Ebenfalls erst zu diesem Zeitpunkt habe das Innenministerium M-V Hinweise und Merkblätter zur Investitionszulage nach dem InvZulG 1999 versandt. Der Beklagte verwies auf den Vertrauensschutz der Begünstigten, die die Planung und Finanzierung ihrer Bauvorhaben auf die Förderbarkeit nach dem InvZulG aufgebaut hätten. Die aus einer möglichen Rücknahme der Verwaltungsakte resultierenden Konsequenzen seien als unzumutbare Nachteile für die Betroffenen zu werten und würden auf Grund dessen vom Amt prinzipiell abgelehnt.

6

In der Beschlussvorlage für die Sitzung der Gemeindevertretung B-Stadt am 18.02.2003 erläuterte die Amtsverwaltung, weshalb die Kerngebietsbescheinigungen für das Gemeindegebiet nicht rechtmäßig erteilt worden seien, und empfohlen, diese zurückzunehmen. Im Protokoll heißt es hierzu: "Die Beschlussvorlage wird durch den Bürgermeister zurückgezogen. Es erfolgt die Information, dass die Grundlagenbescheide durch die Gemeinde B-Stadt vor der Änderung der rechtlichen Auslegung nicht zurückgezogen werden sollen. Neue Bescheinigungen werden indes nicht mehr ausgestellt."

7

Unter dem 07.01.2003 beantragten die Kläger für die andere Doppelhaushälfte E-Straße in B-Stadt ebenfalls einen Grundlagenbescheid nach dem Investitionszulagengesetz. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27.02.2003 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 InvZulG 1999 lägen nicht vor. Den Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.04.2003 als unbegründet zurück.

8

Mit Schreiben des Landrates des Landkreises Nordvorpommern als untere Rechtsaufsichtsbehörde vom 12.11.2007 wurden die Amtsverwaltungen aufgefordert, in allen Fällen fehlerhafter Investitionsbescheinigungen Rücknahmebescheide zu erlassen und bis zum 30.11.2007 über den Erlass der Rücknahmebescheide zu berichten. Die Kommunalabteilung des Innenministeriums habe darauf hingewiesen, dass grundsätzlich in allen diesen Fällen Rücknahmebescheide zu erlassen seien. Dabei stehe der Aspekt im Vordergrund, dass nur mittels einer generellen "Fehlerkorrektur" das Vertrauen in die öffentliche Verwaltung herzustellen sei. Auf einen Vertrauensschutz könnten sich die Begünstigten regelmäßig nicht berufen. Zwar hätten diese eine Vermögensdisposition vorgenommen, aber der geldwerte Vorteil stecke quasi in der Liegenschaft und sei damit als Gegenstand der Bereicherung noch vorhanden. Das Finanzministerium habe angekündigt, die Kommunen, falls sie der Aufforderung der Rechtsaufsichtsbehörde zur Rücknahme der Bescheinigungen nicht nachkämen, in die Haftung nehmen zu wollen.

9

Mit Schreiben vom 25.07. und 11.09.2007 hörte der Beklagte die Kläger zu der beabsichtigten Rücknahme an. Die Kläger äußerten sich nicht.

10

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.11.2007 nahm der Beklagte den Grundlagenbescheid vom 28.03.2002 mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und führte zur Begründung aus: Im Rahmen einer nochmaligen Prüfung der Sach- und Rechtslage sei festgestellt worden, dass die bescheinigten Voraussetzungen nicht gegeben seien. Die konkrete örtliche Situation biete keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines Kerngebietes iSv § 7 BauNVO. Auch die Bebauung der näheren Umgebung entspreche nicht ansatzweise einem solchen Kerngebiet. Zwar lägen im Ortsteil Einrichtungen, die auch in einem Kerngebiet zulässig seien, wie die Grundschule, ein Hotel und andere Gewerbebetriebe, dennoch handele es sich um einen Ortsteil, der überwiegend durch eine Wohnbebauung gekennzeichnet sei. Ein Dorfkern stelle regelmäßig kein Kerngebiet iSd § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999 dar. Das Vertrauen der Kläger sei nicht wegen Verbrauchs gewährter Leistungen schutzwürdig, weil die Kläger Aufwendungen erspart hätten, die sonst aus eigenen Mitteln aufzubringen gewesen wären. Im Rahmen der Anhörung hätten die Kläger auch kein schutzwürdiges Vertrauen geltend gemacht.

11

Den Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 als unbegründet zurück. Die Jahresfrist für die Rücknahme sei gewahrt. Die Frist habe nicht bereits im Jahr 2003 zu laufen begonnen, weil damals – wie im einzelnen näher ausgeführt wird - keine Sicherheit über die Rechtswidrigkeit der erteilten Grundlagenbescheide bestanden habe. Eine Einzelfallprüfung hinsichtlich einer Rücknahme sei nicht durchgeführt worden. Man habe vergebens auf eine Rückäußerung des Finanzamtes gewartet. Da die Kläger die Doppelhaushälfte zu einem Preis von etwa 138.000 EUR veräußert hätten, seien sie nicht entreichert; die Verwendung des Geldes stehe - unter dem Gesichtspunkt eines schutzwürdigen Vertrauens, § 48 Abs. 2 VwVfG M-V - der Rücknahme nicht entgegen. Bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme sei der Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung der Haushaltsmittel zu beachten, der den großzügigen Verzicht auf die Rücknahme verbiete. Angesichts des mangelnden Vertrauensschutzes überwiege das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung eines rechtskonformen Zustandes gegenüber dem privaten Interesse an der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Bescheides.

12

Die Kläger haben am 27.02.2008 Klage erhoben. Sie haben vorgetragen: Die Rücknahme sei nicht gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG M-V fristgerecht innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen erfolgt. Daraus dass der Beklagte die Erteilung einer Investitionszulagenbescheinigung für das zweite Grundstück der Kläger bereits Anfang des Jahres 2003 abgelehnt habe, ergebe sich, dass die Rechtswidrigkeit des zurück genommenen Bescheides ihm bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei. Auch das Finanzamt Stralsund, das Bauministerium M-V und das Finanzministerium M-V hätten bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der ausgestellten Grundlagenbescheide gehabt. Für das Finanzministerium M-V gelte dies bereits seit April 2001. In der 2007 erteilten Weisung des Landkreises Nordvorpommern, Grundlagenbescheide aus früheren Jahren zurück zu nehmen, sei die Rücknahme nicht von einer Würdigung der Einzelfallumstände abhängig gemacht worden. Das anschließende Anhörungsschreiben an die Kläger vom 11.09.2007 sei nicht auf weitere Sachverhaltsaufklärung gerichtet gewesen; es stelle sich lediglich als formelle Wahrung des rechtlichen Gehörs dar. Die Kläger haben sich auf die Entscheidung des VGH Mannheim vom 05.04.2007 - 8 S 2090/06 - berufen, nach der die Jahresfrist zur Rücknahme zu laufen beginnt, wenn aus der Sicht der Behörde Entscheidungsreife gegeben ist.

13

Die Kläger haben beantragt,

14

den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 20.11.2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 aufzuheben.

15

Der Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er hat vorgetragen, die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V stehe der Rücknahme nicht entgegen, weil diese erst mit Kenntnis der Behörde von allen für die zu treffende Ermessensentscheidung relevanten Tatsachen beginne. Diese habe erst im Juli 2007 vorgelegen.

18

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger zu 2. erklärt, als er die Investitionszulage erhalten habe, sei das Gebäude bereits errichtet gewesen. Weitere Investitionsmaßnahmen habe er danach nicht getätigt. Über die Voraussetzungen, unter denen eine Investitionszulage gewährt werde, habe er sich seinerzeit überhaupt keine Gedanken gemacht. Diese sei von seinem Steuerberater beantragt worden.

19

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil des Berichterstatters vom 23.06.2010 der Klage stattgegeben und den angefochtenen Rücknahmebescheid aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die zurück genommene Kerngebietsbescheinigung sei rechtswidrig. Die Rücknahme sei gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG M-V nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkte gehindert, weil von einer grob fahrlässigen Unkenntnis bei den Klägern bzw. dem Steuerberater als ihrem Vertreter auszugehen sei. Die Rücknahme sei jedoch nicht innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V erfolgt. Der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten habe spätestens im Februar 2003 die Rechtswidrigkeit der Kerngebietsbescheinigung erkannt. Soweit grundsätzlich auch die vollständige Kenntnis der Behörde über den für die Entscheidung über die Rücknahme erheblichen Sachverhalt Voraussetzung für den Fristlauf sei, insbesondere einschließlich Vertrauensschutzaspekten und Ermessensgesichtspunkten, gelte dies nicht, wenn die Behörde zu erkennen gegeben habe, dass sie von vornherein - ohne Klärung dieser Gesichtspunkte - eine Rücknahme für unzulässig halte. Es komme also - wie der VGH Mannheim in der von Klägerseite angeführten Entscheidung zu Recht dargelegt habe - allein auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife aus Sicht der Behörde an. Dies sei hier der Zeitpunkt im Februar 2003 gewesen, in dem der Beklagte erklärt habe, eine Rücknahme werde abgelehnt.

20

Im übrigen sei die Rücknahme ermessensfehlerhaft. Allerdings begründeten die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie die fehlende Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Kläger ein intendiertes Ermessen. Der Beklagte habe aber berücksichtigen müssen, dass ihn ein erhebliches Mitverschulden an der rechtswidrigen Erteilung der Bescheinigung treffe. Auch bei einer weiten Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999 sei offensichtlich gewesen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung nicht vorgelegen hätten. Bei lebensnaher Betrachtung könne daher davon ausgegangen werden, dass er die Bescheinigung in Kenntnis der Rechtswidrigkeit erteilt habe oder zumindest den sich aufdrängenden Zweifeln an deren Rechtmäßigkeit nicht nachgegangen sei. Auch der fehlende Vertrauensschutz zu Gunsten der Kläger hindere eine Berücksichtigung des Mitverschuldens der Behörde nicht. Im übrigen habe der Beklagte auch den Zeitablauf seit Kenntnis der Rechtswidrigkeit bei der Ermessensentscheidung berücksichtigen müssen. Es habe näherer Darlegung bedurft, weshalb auch vier Jahre später noch das öffentliche Interesse an der Rücknahme der Bescheinigung gegenüber dem Interesse der Kläger überwiege.

21

Gegen das am 03.08.2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 30.08.2010 die Zulassung der Berufung beantragt und den Antrag am Montag, den 04.10.2010 begründet. Der Senat hat mit Beschluss vom 18.01.2013, zugestellt am 23.01.2013, die Berufung zugelassen. Der Beklagte hat daraufhin am 22.02.2013 die Berufung begründet.

22

Er trägt vor: Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V sei im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht abgelaufen gewesen. Das Amt habe erst im Jahre 2007 Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der erteilten Investitionsbescheinigungen gehabt. Bis dahin sei zur Frage der Rechtmäßigkeit eine differenzierte Auffassung vertreten worden. Die Richtlinien des Innenministeriums vom 05.11.2002 hätten lediglich die künftige Bescheinigungspraxis geregelt, sich zu den bereits zuvor erlassenen Bescheinigungen aber nicht geäußert. Dies ergebe sich bereits aus dem Widerspruchsbescheid.

23

Es treffe auch nicht zu, dass er - der Beklagte - bereits im Jahr 2003 zu erkennen gegeben habe, dass eine Rücknahme für unzulässig gehalten werde. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus dem Protokoll der Gemeindevertretersitzung vom 18.02.2003. In dieser Sitzung sei die Gemeindevertretung lediglich informiert worden, habe aber keine Beschlüsse gefasst. Der informierende Bürgermeister - der im übrigen für die Entscheidung über die Rücknahme nicht zuständig gewesen sei - habe die Auffassung vertreten, dass die Bescheide im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig gewesen seien. Entsprechend habe sich der Amtsvorsteher in dem Schreiben an das Finanzamt Stralsund vom 20.02.2003 geäußert. Allerdings habe dieser in dem genannten Schreiben die Rücknahme auch aus Vertrauensschutzgründen "prinzipiell abgelehnt". Aus der anschließenden Bekundung des Interesses an einer informellen Klärung ergebe sich jedoch, dass dies eher als Absichtserklärung denn als Entscheidung gemeint gewesen sei. Eine endgültige Entscheidungsreife, wie sie der VGH Mannheim in seiner Entscheidung vom 05.04.2007 fordere, habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen.

24

Im übrigen weiche die genannte Entscheidung des VGH Mannheim von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, nach der die Jahresfrist erst zu laufen beginne, wenn der Behörde sämtliche für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt seien, wozu auch alle Tatsachen gehörten, die für die Beurteilung eines Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 2 VwVfG M-V sowie für die Ermessensausübung relevant seien. Der VGH Mannheim lege die subjektive Perspektive der Behörde zu Grunde, während das Bundesverwaltungsgericht einen objektiven Maßstab anlege. Objektiv sei die Sachaufklärung jedoch erst nach Anhörung der Betroffenen abgeschlossen.

25

Ein Mitverschulden sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bei der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass derjenige, der gemäß § 48 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG M-V keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen könne, über die Anwendung von Verschuldensgrundsätzen letztlich doch wieder geschützt werden solle. Weshalb der Zeitablauf im Rahmen der Ermessensentscheidung hätte berücksichtigt werden müssen, sei ebenfalls nicht erkennbar. Insbesondere bestünden keine Anhaltspunkte für einen Wegfall des öffentlichen Interesses daran, fehlerhaft bewilligte Fördermittel, die durch das Steueraufkommen finanziert würden, zurück zu verlangen. Allenfalls könne der Zeitablauf zu einer Verwirkung der Rücknahmebefugnis führen.

26

Der Beklagte beantragt,

27

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

28

Die Kläger beantragen,

29

die Berufung zurückzuweisen.

30

Das Verwaltungsgericht habe zu Recht angenommen, dass der Rücknahmebescheid rechtswidrig sei, weil die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V bereits abgelaufen gewesen sei. Für den Fristbeginn sei - wie der VGH Mannheim zu Recht entschieden habe - die Entscheidungsreife aus der Sicht der Behörde maßgeblich. Diese habe bereits zum Zeitpunkt der Sitzung der Gemeindevertretung am 18.02.2003 vorgelegen. Ebenso ergebe sie sich aus dem Schreiben des Beklagten an das Finanzamt Stralsund vom 28.03.2002, in dem eine Rücknahme der Bescheinigung ausdrücklich abgelehnt werde. Die Kläger berufen sich auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der ein Fehler in der Rechtsanwendung vorliegt, der den Beginn der Jahresfrist nicht hinauszuschieben vermag, wenn die Behörde umfassende Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen hatte und sich lediglich über die Erforderlichkeit ausdrücklicher Ermessenserwägungen geirrt hat. Ebenso berufen sie sich auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der es auf die subjektive Fähigkeit der Rücknahmebehörde, die Reichweite und die rechtlichen Anforderungen der Rücknahmeermächtigung richtig zu erkennen, nicht ankomme, und Rechtsirrtümer, die der Behörde insoweit trotz umfassender Tatsachenkenntnisse unterlaufen, zu ihren Lasten gingen. Die Kläger tragen vor, durch eine nachgeschobene Anhörung der Betroffenen könne der Behörde nicht eine Art "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" gewährt werden. Dies würde dem auf Rechtssicherheit zielenden Zweck der Rücknahmefrist zuwider laufen. Die Anforderung, dass die Entscheidungsreife nicht von der rechtlichen Erkenntnisfähigkeit der Behörde abhängig gemacht werden dürfe, würde konterkariert werden. Auch nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.1984 könne der Zeitpunkt der Entscheidungsreife mit dem Zeitpunkt zusammen fallen, in dem die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes erkenne.

31

Sie - die Kläger - könnten sich gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG M-V auf Vertrauensschutz berufen. Ihnen bzw. ihrem Steuerberater sei jedenfalls nicht bekannt oder grob fahrlässig unbekannt gewesen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Investitionszulage von vornherein nicht vorgelegen hätten. Es sei davon auszugehen, dass der Steuerberater auf Grund der damaligen großzügigen kommunalen Bescheinigungspraxis angenommen habe, dass zu den förderungswürdigen Bauvorhaben auch solche gehörten, die auf Grund der Bebauung in näherer Umgebung eines Kerngebietes lagen. Eine andere Bewertung habe sich ihnen zum Zeitpunkt der Antragstellung jedenfalls nicht ohne weiteres aufdrängen müssen. Im übrigen sei die Rücknahme auch ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte sein eigenes Mitverschulden nicht berücksichtigt habe.

32

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

33

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klage ist unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen, weil sie zulässig, aber unbegründet ist. Der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten vom 20.11.2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

34

Rechtsgrundlage für die Rücknahme ist § 48 VwVfG M-V. Nach § 48 Abs. 1 VwVfG M-V kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 1); ein Verwaltungsakt der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden (Satz 2).

35

1. Bei der unanfechtbar gewordenen Bescheinigung vom 28.03.2002, mit der nach § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999 bescheinigt wurde, dass das Gebäude E-Straße in B-Stadt in einem Gebiet liegt, das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung einem Gebiet entspricht, welches durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 BauNVO festgesetzt ist, handelt es sich um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt. Tatsächlich liegt das Gebäude in einem Gebiet, das durch Bebauungsplan als Allgemeines Wohngebiet gemäß § 4 BauNVO festgesetzt ist und auch tatsächlich so genutzt wird.

36

Auf die Frage, ob die Bescheinigung nichtig ist, weil sie an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dieser bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist (§ 44 Abs. 1 VwVfG M-V), kommt es nicht an. Auch ein nichtiger Verwaltungsakt kann zurückgenommen werden. Die Behörde ist nicht auf die Feststellung nach § 44 Abs. 5 VwVfG M-V beschränkt (vgl. BSG U. v. 23.02.1989 - 11/7 RAr 103/87 - NVwZ 1989, 902 = Juris Rn. 17; Kopp/Ramsauer VwVfG 13. Aufl. 2012 § 48 Rn. 18; Sachs in Stelkens ua VwVfG § 48 Rn. 67; jew. mwN).

37

2. Die von der zuständigen Gemeindebehörde erteilte Investitionsbescheinigung ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999 die Grundlage für die Gewährung einer Investitionszulage und damit ein begünstigender Verwaltungsakt iSd § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG M-V. Da es sich um einen Verwaltungsakt handelt, der Voraussetzung für die Gewährung einer einmaligen Geldleistung ist, darf dieser gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG M-V nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Satz 1); das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Satz 2). Dabei finden die Grundsätze Anwendung, die zum Umfang des Bereicherungsanspruchs (§ 818 BGB) entwickelt worden sind. Danach ist eine Geldleistung nicht im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG M-V verbraucht, wenn sie zur Schuldentilgung oder für Anschaffungen verwendet worden ist, die wertmäßig im Vermögen des Begünstigten noch vorhanden sind (BVerwG U. v. 28.01.1993 - 2 C 15.91 - NVwZ-RR 1994, 32 = Juris Rn. 11 f.).

38

Nach diesen Maßstäben kommt ein Vertrauensschutz hier nicht in Betracht und wird von den Klägern auch nicht geltend gemacht. Der durch die Gewährung der Investitionszulage bei den Klägern eingetretene Vermögenszuwachs – durch Schuldentilgung bzw. Investition in das errichtete Gebäude, für das sodann ein entsprechender Kaufpreis erzielt wurde – ist wertmäßig noch vorhanden. Ein „Wegfall der Bereicherung“ ist nicht eingetreten. Es bestehen im übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger die Gesamtinvestition nur im Hinblick auf die erwartete Investitionszulage getätigt hätten oder mit der Zulage bestimmte weitere Maßnahmen finanziert hätten, die ansonsten unterblieben wären. Denn sie haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht angegeben, das Gebäude sei bereits errichtet gewesen, als sie die Investitionszulage erhalten hätten; weitere Investitionsmaßnahmen wie z.B. Modernisierungen seien nach Erhalt der Investitionszulage nicht vorgenommen worden.

39

Auf die Frage, ob sich die Kläger – wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - auf Vertrauensschutz auch deshalb nicht berufen können, weil sie die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannten oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannten bzw. ihnen das Verschulden ihres Steuerberaters zuzurechnen ist (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG M-V), kommt es daher nicht mehr an.

40

3. Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig, § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V. Diese Frist ist hier gewahrt.

41

Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG wird in Lauf gesetzt, wenn die Behörde positive Kenntnis von den Tatsachen erhalten hat, die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen. Dass die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen aktenkundig sind, genügt nicht. Die Behörde erlangt diese positive Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Überprüfung des Verwaltungsakts berufener Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen feststellt. Die Behörde muss insoweit nicht nur die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt haben, sondern ihr müssen außerdem sämtliche für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sein, wozu auch alle Tatsachen gehören, die im Falle des § 48 Abs. 2 VwVfG M-V ein Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts entweder nicht rechtfertigen oder ein bestehendes Vertrauen als nicht schutzwürdig erscheinen lassen, sowie die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände (st. Rspr. seit BVerwG, B. v. 19.12.1984 - Gr.Sen.1,2.84 - NJW 1985, 819, 820 f. = Juris Rn. 17 ff.; vgl. zuletzt ausführlich BVerwG U. v. 28.06.2012 - 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 = Juris Rn. 27 ff.).

42

Bereits der Wortlaut des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V fordert die Kenntnis von Tatsachen, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts "rechtfertigen", und stellt damit klar, daß die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit für sich allein den Fristlauf nicht auszulösen vermag, sondern hierzu die vollständige Kenntnis des für die Entscheidung über die Rücknahme des Verwaltungsakts erheblichen Sachverhalts nötig ist. Hierzu gehören auch alle Tatsachen, die im Falle des § 48 Abs. 2 VwVfG M-V ein Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts entweder nicht rechtfertigen oder ein bestehendes Vertrauen als nicht schutzwürdig erscheinen lassen, sowie die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände. Die Frist beginnt demgemäß zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu entscheiden. Das entspricht dem Zweck der Jahresfrist als einer Entscheidungsfrist, die sinnvollerweise erst anlaufen kann, wenn der zuständigen Behörde alle für die Rücknahmeentscheidung bedeutsamen Tatsachen bekannt sind. Die Behörde soll nicht durch den drohenden Fristablauf zu einer Entscheidung gezwungen werden, obwohl ihr diese mangels vollständiger Kenntnis des insofern erheblichen Sachverhalts noch nicht möglich ist. Ein entsprechendes Verständnis der Jahresfrist als einer Bearbeitungsfrist für die Behörde würde dem Wortlaut der Vorschrift widersprechen und von ihrem Sinn und Zweck nicht getragen sein (vgl. BVerwG B. v. 19.12.1984 - Gr.Sen.1,2.84 – aaO; zum Charakter der Frist als Entscheidungs- und nicht Bearbeitungsfrist vgl. zuletzt BVerwG U. v. 28.06.2012 – 2 C 13.11 – aaO Rn. 33).

43

Das Bundesverwaltungsgericht hat in Fortentwicklung dieser Rechtsprechung auch entschieden, dass zur Herstellung der Entscheidungsreife, mit deren Eintritt die Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erst zu laufen beginnen kann, regelmäßig das Anhörungsverfahren gehört, das der Wahrung des in einem rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahren gebotenen rechtlichen Gehörs dient, und zwar unabhängig vom Ergebnis der Anhörung. Denn die Einwände des Anzuhörenden können nur dann ernstlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden, wenn sich die Behörde ihre Entscheidung bis zum Abschluss des Anhörungsverfahrens offen hält. Das gilt auch und gerade, wenn es sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt, bei der die für die Ermessensbetätigung maßgeblichen Umstände auch in der Sphäre des anzuhörenden Betroffenen liegen. Es liegt in der Konsequenz der Ausgestaltung der Rücknahmefrist als Entscheidungsfrist, dass es die Behörde in der Hand hat, den Beginn der Frist durch eine Verzögerung des Anhörungsverfahrens hinauszuschieben. Ein solches Verhalten kann allerdings zur Verwirkung des Rechts auf Rücknahme führen (vgl. BVerwG, U. v. 20.09.2001 - 7 C 6.01 - NVwZ 2002, 485 mwN; BVerwG B. v. 04.12.2008 - 2 B 60.08 - Juris Rn. 7).

44

Nach diesen Maßstäben war eine Anhörung der Kläger hier zur Herstellung der Entscheidungsreife erforderlich, um zu klären, ob die Kläger in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hatten, § 48 Abs. 2 VwVfG M-V. Mit dem Abschluss des Anhörungsverfahrens im Jahr 2007 begann die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V zu laufen; sie wurde folglich durch den Rücknahmebescheid vom 20.11.2007 gewahrt.

45

Soweit die Kläger sich auf eine – ebenfalls die Rücknahme einer Investitionsbescheinigung betreffende - Entscheidung des VGH Mannheim berufen (U. v. 05.04.2007 - 8 S 2090/06 - VBlBW 2007, 347), nach der die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V zu laufen beginnt, wenn aus der Sicht der Behörde - subjektiv - Entscheidungsreife vorliegt bzw. die Behörde zu erkennen gegeben hat, dass sie eine Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts von vornherein - ohne Klärung konkreter Vertrauensschutzaspekte - für unzulässig hält, folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Der VGH Mannheim hat ausgeführt, die Jahresfrist zur Rücknahme habe in dem Moment zu laufen begonnen, in dem die Behörde die Rechtswidrigkeit der erteilten Bescheinigung erkannt, aber offenbar angenommen habe, die weiteren Rücknahmevoraussetzungen lägen nicht vor. Mit Blick auf den Zweck der Ausschlussfrist als Entscheidungsfrist komme es allein darauf an, ob aus Sicht der Behörde Entscheidungsreife gegeben sei. Habe diese zu erkennen gegeben, dass sie eine Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts von vornherein - ohne Klärung konkreter Vertrauensschutzaspekte - für unzulässig halte, beginne die Jahresfrist auch dann zu laufen, wenn diese Rechtsauffassung unzutreffend sei und eine Rücknahme bei hinreichender Aufklärung des Sachverhalts in Betracht komme. Denn ein auf die weiteren Rücknahmevoraussetzungen bezogener Rechtsirrtum habe keine fristhemmende Wirkung. Käme es für die Frage der Entscheidungsreife nicht auf die Rechtsauffassung der Rücknahmebehörde, sondern auf die zutreffende Anwendung der Rücknahmevoraussetzungen an, wäre es von den Rechtskenntnissen der Behörde abhängig, ob und wann sie die zur Herbeiführung der Entscheidungsreife notwendige Sachaufklärung vornehme. Die zur Verfügung stehende Rücknahmefrist wäre also um so länger bemessen, je geringer die Rechtskenntnisse der jeweiligen Behörde sind. Dies wäre aber mit dem Zweck der Jahresfrist, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Hinblick auf den Bestand von Verwaltungsakten zu gewährleisten, nicht zu vereinbaren. Im Übrigen läge auch treuwidriges Verhalten vor, wenn sich eine Rücknahmebehörde, die zu erkennen gegeben hatte, dass aus ihrer Sicht Entscheidungsreife vorlag, später hinsichtlich des Fristablaufs auf die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung beriefe.

46

Die Auffassung des VGH Mannheim, dass die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V zu laufen beginnt, wenn aus der Sicht der Behörde - subjektiv - Entscheidungsreife vorliegt bzw. die Behörde zu erkennen gegeben hat, dass sie eine Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts von vornherein - ohne Klärung konkreter Vertrauensschutzaspekte - für unzulässig hält, ist mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vereinbar. Allerdings mögen Besonderheiten des Einzelfalles eine Abweichung von dem regelmäßigen Beginn der Jahresfrist rechtfertigen können (vgl. BVerwG B. v. 09.01.2007 - 8 B 36.06 - Juris Rn. 5). Der VGH Mannheim berücksichtigt jedoch nicht Besonderheiten des Einzelfalles, sondern stellt Rechtsgrundsätze auf, die von denen des Bundesverwaltungsgerichts abweichen. Dass der Lauf der Rücknahmefrist von den Rechtskenntnissen der Behörde abhängt, liegt in der Konsequenz der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Denn danach reicht bereits die Kenntnis der Behörde von denjenigen Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ergibt, nicht aus um die Jahresfrist in Lauf zu setzen; vielmehr muss hinzu kommen, dass die Behörde auch die zutreffende Schlussfolgerung auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gezogen hat (BVerwG B. v. 19.12.1984 - GrSen 1, 2.84 - aaO). Wann diese Schlussfolgerung gezogen wird, hängt von den Rechtskenntnissen ab. Soweit der Gesichtspunkt von Treu und Glauben herangezogen wird um zu begründen, dass die Behörde, aus deren Sicht bereits Entscheidungsreife vorgelegen hatte, sich nicht später hinsichtlich des Fristablaufs auf die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung berufen könne, bleibt unberücksichtigt, dass das Bundesverwaltungsgericht im Falle einer Verzögerung der Sachaufklärung den - engeren bzw. konkreteren - Maßstab der Verwirkung anwendet. Dass ein Verstoß gegen Treu und Glauben an die "subjektive Entscheidungsreife" aus Sicht der Behörde anknüpfen soll, erscheint auch deshalb nicht plausibel, weil diese nicht notwendig nach außen deutlich geworden ist, sondern vielmehr typischerweise behördenintern geblieben bzw. - wie in dem vom VGH Mannheim entschiedenen ebenso wie in dem hier vorliegenden Fall - nur gegenüber einer anderen Behörde erkennbar geworden ist, nicht aber gegenüber dem Rücknahmeadressaten. Die Kriterien der Verwirkung berücksichtigen demgegenüber zu Recht die Perspektive des Adressaten der Erklärung bzw. Entscheidung.

47

4. Ein Fall der Verwirkung der Rücknahmebefugnis liegt nicht vor. Die Verwirkung setzt voraus, dass Umstände eingetreten sind, aus denen der die Rechtswidrigkeit kennende Begünstigte berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Verwaltungsakt werde nicht mehr zurückgenommen, obwohl die Behörde dessen Rücknehmbarkeit erkannt hat, der Begünstigte ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass die Rücknahmebefugnis nicht mehr ausgeübt werde und dieses Vertrauen in einer Weise betätigt hat, dass ihm mit der sodann gleichwohl erfolgten Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstünde (vgl. BVerwG, U. v. 20.12.1999 - 7 C 42.98 - NJW 2000, 1512, 1514). Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Vertrauensgrundlage als der ersten dieser Voraussetzungen. Die bloße Untätigkeit des Beklagten nach Versagung der Investitionsbescheinigung für die zweite Doppelhaushälfte Am E. 14a reicht insoweit nicht aus. Das Verhalten der Gemeindevertretung ist nicht relevant, weil diese für die Entscheidung über die Rücknahme nicht zuständig war und die Entscheidung sie im rechtlichen Sinne auch sonst "nichts anging". Dass die Korrespondenz des Beklagten mit dem Finanzamt Stralsund den Klägern bekannt gewesen wäre, ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Erst recht fehlt es an einer Vertrauensbetätigung in dem Sinne, dass den Klägern aus der gleichwohl erfolgenden Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstünde.

48

5. Der Beklagte hat entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Allerdings enthält der Ausgangsbescheid keine Ermessenserwägungen. Dort heißt es lediglich, da die Kläger von ihrem Anhörungsrecht keinen Gebrauch gemacht und somit auch die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens nicht geltend gemacht hätten, werde die rechtswidrig erteilte Bescheinigung auch für die Vergangenheit zurückgenommen. Im Widerspruchsbescheid hat die Behörde jedoch deutlich gemacht, dass sie sich des ihr zustehenden Ermessens bewusst ist. Sie hat den "Grundsatz einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung der Landeshaushaltsmittel" angeführt, der den großzügigen Verzicht auf die Rücknahme verbiete, und darauf hingewiesen, dass mit der Rücknahme der Bescheinigung ein rechtskonformer Zustand wiederhergestellt werde. Angesichts des mangelnden Vertrauensschutzes überwiege das entsprechende öffentliche Interesse gegenüber dem privaten Interesse an der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Bescheides. Die Rücknahme der Bescheinigung auch zum jetzigen Zeitpunkt werde für angemessen gehalten.

49

Weiter gehende Ermessenserwägungen musste der Beklagte weder bezogen auf den Zeitablauf seit Kenntnis von der Rechtswidrigkeit noch bezogen auf das eigene (Mit-)verschulden anstellen.

50

a) Der Zeitablauf ist in der Begründung der Ermessensentscheidung mit dem Satz: "Die Rücknahme der Grundlagenbescheinigung auch zum jetzigen Zeitpunkt halte ich für sachgerecht und angemessen." zumindest angesprochen. Weitergehende Erwägungen waren nicht erforderlich. Der Zeitablauf seit Kenntnis der Behörde von der Rechtswidrigkeit wird unter den weiteren Voraussetzungen des Vertrauensschutzes, des Ablaufs der Rücknahmefrist oder der Verwirkung berücksichtigt. Eine eigenständige Bedeutung kommt diesem Gesichtspunkt darüber hinaus regelmäßig nicht zu.

51

Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zum Lastenausgleichsrecht den Zeitablauf seit Kenntnis von der Rechtswidrigkeit als zu berücksichtigenden Ermessensgesichtspunkt genannt hat, handelte es sich um Fälle, in denen eine Ermessensausübung völlig fehlte (BVerwG U. v. 09.11.1978 - 3 C 68.77 - Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 63 = Juris Rn. 28; U. v. 08.10.1981 - 3 C 36.81 – Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 70). Darum geht es hier jedoch nicht. Ebenso liegt kein Sonderfall etwa deshalb vor, weil ein Zeitraum von mehr als 30 Jahren verstrichen wäre, nach dessen Ablauf in weiten Teilen der Rechtsordnung spätestens eine Verjährung eintritt (vgl. OVG Münster U. v. 08.11.2012 - 11 A 1548/11 - NVwZ-RR 2013, 250; ebenfalls zum Lastenausgleichsrecht, betreffend einen Zeitraum von 52 Jahren).

52

b) Das (Mit-)Verschulden der Behörde an dem Erlass des rechtswidrigen Verwaltungsaktes stellt regelmäßig keinen Ermessensgesichtspunkt dar, der gegen eine Rücknahme sprechen könnte. Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt erlassen, so wird - mit Ausnahme der Fälle arglistiger Täuschung oder unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Begünstigten oder eines Dritten - typischerweise ein Verschulden oder Mitverschulden der Behörde vorliegen. Dies gilt insbesondere in Fällen von Rechtsanwendungsfehlern. Typischerweise wird das Verschulden der Behörde um so höher sein, je "schlimmer" der Fehler ist. Ein "schlimmer" Fehler begründet aber unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gerade ein höheres Interesse an einer Rücknahme, dem gegenüber die ggf. gegen eine Rücknahme sprechenden Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes eher zurück treten. Wollte man dies anders sehen, so würde gerade in krassen Fällen, in denen sehenden Auges rechtswidrige Entscheidungen erlassen worden sind bzw. Fälle von Korruption oder anderer Straftaten vorliegen, die Rückgängigmachung der entsprechenden Entscheidungen und Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände erschwert. Diese Wertung erscheint nicht sachgerecht.

53

Soweit in der Rechtsprechung die Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Behörde bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme verlangt worden ist, ging es typischerweise um Fälle aus dem Bereich des Sozialrechts, in denen ein Vertrauensschutz des Betroffenen nicht bereits mangels Vorliegens eines Vertrauenstatbestandes ausschied, sondern mangels Schutzwürdigkeit des Vertrauens, wobei die entsprechende Bewertung an ein Verschulden des Betroffenen anknüpfte (vgl. OVG Münster U. v. 11.08.1994 - 24 A 646/92 – zur Sozialhilfe; U. v. 23.01.1990 - 16 A 2836/88 – zum BAföG; VG Sigmaringen U. v. 29.11.2006 - 5 K 1225/06 – Juris). In solchen Fällen das Verschulden des Betroffenen in eine Relation zum Verschulden der Behörde zu setzen, leuchtet ein. Entsprechendes gilt, soweit das Mitverschulden der Behörde berücksichtigt wird, um die Schutzwürdigkeit eines Vertrauens des Begünstigten ("unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rückforderung") zu begründen (vgl. VGH Kassel, U. v. 09.09.1991 - 8 UE 1097/85 - Juris Rn. 38). Auch in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen subventionsrechtlichen Fall, in dem eine Berücksichtigung des Mitverschuldens der Behörde entsprechend den Grundsätzen des § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung für möglich gehalten wurde (vgl. BVerwG, U. v. 14.08.1986 - 3 C 9.85 - NVwZ 1987, 44) war ein Vertrauensschutz des Betroffenen nicht bereits mangels Vorliegens eines Vertrauenstatbestandes ausgeschieden, sondern mangels Schutzwürdigkeit des Vertrauens, nämlich wegen unrichtiger Angaben (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG M-V).

54

Soweit im übrigen in der Rechtsprechung allgemeiner die Berücksichtigung der Verantwortung bzw. des Fehlverhaltens der Behörde verlangt worden ist (vgl. BVerwG U. v. 09.11.1978 - 3 C 68.77 - Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 63 = Juris Rn. 28; U. v. 08.10.1981 - 3 C 36.81 – Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 70; jeweils zum Lastenausgleichsrecht), handelte es sich um Fälle, in denen eine Ermessensausübung gänzlich unterblieben war, und gesagt sein sollte, dass unter den genannten Umständen auch bei fehlendem Vertrauensschutz eine Ermessensausübung nicht etwa gänzlich entbehrlich ist. Lässt die Entscheidung über die Rücknahme aber - wie hier - erkennen, dass die Behörde das ihr zustehende Ermessen gesehen hat, so bedarf es für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht der ausdrücklichen Erwähnung ihres eigenen (Mit-)Verschuldens.

55

c) Dass in der Begründung der Ermessensentscheidung von "Landeshaushaltsmitteln" die Rede ist, begründet schließlich ebenfalls keinen Ermessensfehler. Allerdings stehen die Einnahmen aus der Einkommensteuer, aus denen die Investitionszulage finanziert wird (vgl. § 6 Abs. 3 InvZulG 1999), Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam zu (vgl. Art. 106 Abs. 3 und Abs. 5 GG). Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 LHO ist nicht anwendbar. Bei dem hier in Rede stehenden Interesse der öffentlichen Hand an der vollständigen Einnahmeerhebung (das u.a. in § 34 Abs. 1 LHO zum Ausdruck kommt), geht es jedoch um dasselbe Ziel. Dieses trägt neben dem ausdrücklich angesprochenen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. auch § 85 AO) die angefochtene Rücknahmeentscheidung.

56

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

57

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

58

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.

(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.

(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.

(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.