Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 20. Jan. 2011 - 2 A 2151/06

bei uns veröffentlicht am20.01.2011

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die auf den Grundstücken der Gemarkung C-Stadt, Flur …, Flurstücke …, …, …, …, … und … errichtete Erschließungsstraße einschließlich Straßenbeleuchtung sowie sämtliche Versorgungs- und Entsorgungsleitungen zu beseitigen.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, die ursprünglich auf den Grundstücken Flurstücke …, … und … vorhandenen Maschendrahteinzäunungen und Toreinrichtungen, wie aus dem als Anlage K 4 der Klageschrift anliegenden Lageplan und den als Anlage K 5 zur Klageschrift anliegenden Lichtbildern ersichtlich, wiederherzustellen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 225.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Beseitigung einer auf den Grundstücken der Gemarkung C-Stadt, Flur …, Flurstücke …, …, …, …, … und … errichteten Erschließungsstraße einschließlich Straßenbeleuchtung und sämtlicher Versorgungs- und Entsorgungsleitungen sowie die Wiederherstellung der ursprünglich auf den Flurstücken …, … und … vorhandenen Maschendrahteinzäunungen und Toreinrichtungen.

2

Der Kläger ist Eigentümer der o. g. Flurstücke bis auf das Flurstück …. Dieses steht im Eigentum der Firma A. A., deren Inhaber der Kläger ist.

3

Aufgrund eines Ansiedlungswunsches der E…-Gruppe beschloss die Beklagte am 29. November 2000 die Aufstellung eines Bebauungsplanes für den Bereich der ehemaligen Baustoffversorgung, den Bebauungsplan Nr. 6.2.

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Der Entwurf dieses Bebauungsplanes sah im Teil A vor, dass das Plangebiet im Westen durch das Bebauungsplangebiet 6.1, im Süden durch die Autobahn A … und im Nordwesten bis Südosten durch die Bahnstrecke … begrenzt wird. Im südöstlichen Teil war ein Industriegebiet vorgesehen. An dieses Industriegebiet schloss sich in Richtung Westen und Nordwesten ein weiteres Industriegebiet an, das im Westen mit der Westgrenze des Flurstücks … der Flur … der Gemarkung C-Stadt endete. Die im Eigentum des Klägers stehenden Flächen sollten größtenteils als Gewerbegebiet überplant werden. Innerhalb dieses Plangebietes befanden sich sowohl Gebäude sowie Asphalt- und Betonflächen. Auf dem Flurstück … befand und befindet sich in Nordwest-Ausrichtung der westliche Teil einer Portalkrananlage, die sich nach Südosten auf dem Flurstück … der Flur … der Gemarkung C-Stadt sowie dem Flurstück … der Gemarkung W. fortsetzt. Die Krananlage verfügt über einen Gleisanschluss, der sich nach Nordwesten fortsetzt. Auf dem Flurstück … befindet sich in der nordwestlichen Ecke eine 40-Tonnen-Waage. Die Krananlage ist ebenso wie die Waage mit umfangreichen Asphalt- und Betonflächen versehen. Weiter befinden sich auf den Flurstücken …, … und … betonierte Flächen, die als Fahrwege genutzt wurden.

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Das Plangebiet sollte durch eine öffentliche Straße erschlossen werden, die im Nordwesten an eine bereits vorhandene öffentliche Straße anschließt und mit einem Wendehammer im Nordteil des Flurstücks … mit einem kleinen Stück auf dem Flurstück … im nordwestlichen Teil endet. Auf diese Weise wurden die vorhandene 40-Tonnen-Waage und die Flurstücke … und … sowie Teile der Flurstücke … und …, die im Eigentum des Klägers stehen, überplant. Eine weitere öffentliche Erschließung des Plangebietes war nicht vorgesehen. Wegen verschiedener Einwände des Klägers teilte die Beklagte das Bebauungsplangebiet im Folgenden in zwei Teilgebiete auf, nämlich den Bebauungsplan Nr. 6.2 der Stadt C-Stadt für den Bereich der ehemaligen Baustoffversorgung nördlicher und östlicher Teil sowie einen südwestlichen Teil. Durch die Aufteilung fielen die Grundstücke des Klägers im Wesentlichen aus dem Verfahren heraus; nur die nördlichen Teilflächen, die für die Erschließungsstraße benötigt wurden, verblieben im Bebauungsplan Nr. 6.2 nördlicher und östlicher Teil. In dieser Form wurde der Bebauungsplan von der Beklagten zunächst am 11. Juli 2001 beschlossen und im August 2001 öffentlich bekannt gemacht. Aufgrund eines Verfahrensfehlers fasste die Beklagte den Abwägungs- und Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 6.2 gemäß § 215 a Baugesetzbuch (BauGB) am 18. Dezember 2002 erneut und ohne Änderung gegenüber dem Beschluss vom 11. Juli 2001. Der erneut beschlossene Bebauungsplan wurde am 18./19. Januar 2003 bekannt gemacht.

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Bereits mit Antrag vom 1. August 2001 hatte die Beklagte die Enteignung und vorzeitige Besitzeinweisung der für die Errichtung der Erschließungsstraße betreffenden Teilflächen des Klägers beantragt. Mit Beschluss vom 11. Juni 2003 wies das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern als Enteignungsbehörde die Beklagte vorzeitig in den Besitz der entsprechenden Teilflächen der Grundstücke des Klägers ein.

7

Mit Vorabentscheidungsbeschluss vom selben Tag entzog die Enteignungsbehörde dem Kläger darüber hinaus das Eigentum an den vorgenannten Teilflächen und übertrug es auf die Beklagte. Besitzeinweisung und Enteignung erfolgten zu dem Zweck der Errichtung einer Erschließungsstraße auf der Grundlage der Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 6.2 der Beklagten.

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Nach vollzogener Besitzeinweisung errichtete die Beklagte im Jahre 2003/2004 die Erschließungsstraße. Diese wurde einseitig mit einem Gehweg und Straßenlampen versehen. Unterirdisch verlegte die Beklagte einen Entwässerungskanal sowie eine Wasserversorgungs- und eine Stromleitung.

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Mit Urteil vom 22. Juni 2005 (Gesch.-Z. 3 K 25/01) erklärte das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern auf den Normenkontrollantrag des Klägers hin den Bebauungsplan Nr. 6.2 der Beklagten für den Bereich der ehemaligen Baustoffversorgung - nördlicher und östlicher Teil - gemäß § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) für unwirksam. Unter anderem begründete das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung auch mit einer fehlerhaften Abwägung der zu berücksichtigenden Belange des Klägers. Das Urteil ist rechtskräftig. Mit Urteil vom 25. Juli 2006 (Gesch.-Z. 13 U 4/04) hob das Oberlandesgericht Rostock auf den vom Kläger gegen den Besitzeinweisungsbeschluss des Innenministeriums vom 11. Juni 2003 gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung diesen auf. Das Urteil ist ebenfalls rechtskräftig. Mit Urteil vom 25. Juli 2006 (Gesch.-Z. 13 U 5/04) hob das Oberlandesgericht auf Antrag des Klägers hin auch den Enteignungsbeschluss des Innenministeriums vom 11. Juni 2003 auf. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Beklagten wies der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 22. Februar 2007 (Gesch.-Z. III ZR 216/06) zurück.

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Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. September 2006 forderte der Kläger die Beklagte auf, die auf seinen Grundstücken verlegte Straße nebst Leitungen zu beseitigen und den früheren Zustand wiederherzustellen.

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Nachdem die Beklagte dieser Aufforderung in der Folgezeit nicht nachkam, hat der Kläger am 20. November 2006 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Ihm stehe aufgrund des für unwirksam erklärten Bebauungsplanes ein Folgenbeseitigungsanspruch, gerichtet auf Beseitigung der auf seinem Grundstück errichteten Erschließungsstraße nebst einseitigem Gehweg, Straßenbeleuchtung sowie der von der Beklagten im Zuge des Straßenbaus verlegten Ver- und Entsorgungsleitungen zu. Des Weiteren könne er mindestens die Wiederherstellung der Einzäunung seines Grundstücks verlangen, da er nicht nur einen Anspruch auf Beseitigung der von der Beklagten gebauten Straße samt Nebenanlagen, sondern auch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes habe.

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Die Voraussetzungen für einen Folgenbeseitigungsanspruches seien gegeben. Ein hoheitlicher Eingriff liege aufgrund der tatsächlichen Herstellung der Erschließungsstraße und deren Nebenanlagen vor. Durch die plangemäße Herstellung der Erschließungsstraße samt Nebenanlagen habe die Beklagte in das Eigentumsrecht des Klägers eingegriffen. Angesichts der Aufhebung des Enteignungsbeschlusses des Innenministeriums vom 11. Juni 2003 durch Urteil des Oberlandesgerichts Rostock vom 25. Juli 2006 sei dem Kläger das Eigentum an den betroffenen Teilflächen nicht wirksam entzogen worden. Die Beklagte könne sich nach rechtskräftiger Aufhebung des Besitzeinweisungsbeschlusses der Enteignungsbehörde vom 11. Juni 2003 durch Urteil des Oberlandesgerichts ebenfalls vom 25. Juli 2006 auch nicht mehr auf ein Recht zum Besitz an den Grundstücksteilflächen des Klägers berufen. Schließlich könne die Beklagte sich nach allgemein verbindlicher Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplanes auch nicht auf eine bauplanerische Festsetzung der Erschließungsstraße zur Rechtfertigung der Inanspruchnahme der Grundstücke des Klägers zum Zweck des Straßenbaus berufen. Dieser rechtswidrige Zustand dauere an. Nach wie vor unterhalte die Beklagte auf den Grundstücken des Klägers die von ihr errichteten Anlagen; sie halte auch den öffentlichen Verkehr weiterhin aufrecht. Ein rechtsgültiger Bebauungsplan zur Legalisierung dieses Zustandes existiere nicht. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf eine Widmung der Erschließungsstraße berufen. Die straßenrechtliche Widmung sei kein Vollzugsakt einer Straßenplanung; sie sei gegenüber dem Grundstückseigentümer rechtlich ungeeignet, den durch eine fehlerhafte Bauleitplanung rechtswidrig entstandenen Zustand aufzuheben und stehe deshalb einem Anspruch auf Folgenbeseitigung nicht entgegen. Zudem liege eine wirksame Widmung der Straße gemäß § 7 Straßen- und Wegegesetz M-V (StrWG M-V) nicht vor. Hierzu wäre nach Absatz 3 dieser Vorschrift Voraussetzung, dass der Träger der Straßenbaulast - also die Beklagte - "verfügungsberechtigt" im weitesten Sinne hinsichtlich des der Straße dienenden Grundstücks sei. Hiervon könne angesichts der Entscheidungen des Oberlandesgerichts Rostock nicht die Rede sein. Anhaltspunkte dafür, dass die Rückgängigmachung des rechtswidrigen Zustandes der Beklagten tatsächlich oder rechtlich nicht möglich oder ihr nicht zumutbar sein sollte, seien angesichts des Gewichts des verletzten Rechtsgutes - Eigentum - nicht ersichtlich.

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Der Kläger beantragt:

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1. Die Beklagte wird verurteilt, die auf den Grundstücken der Gemarkung C-Stadt, Flur …, Flurstücke …, …, …, …, … und … errichtete Erschließungsstraße einschließlich Gehweg, Straßenbeleuchtung sowie sämtliche Versorgungs- und Entsorgungsleitungen zu beseitigen.

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2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, die ursprünglich auf den Grundstücken Flurstücke …, … und … vorhandenen Maschendrahteinzäunungen und Toreinrichtungen, wie aus dem anliegenden Lageplan und den anliegenden Lichtbildern ersichtlich, wieder herzustellen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie führt zur Begründung im Wesentlichen aus:

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Die Lage der Erschließungsstraße entspreche mit Ausnahme der Verschwenkung um das marode Waagehaus exakt dem Straßenverlauf, der seit der Errichtung des Geländes bestehe. Die Verschwenkung sei seinerzeit aufgrund des ausdrücklichen Wunsches des Klägers geplant und gebaut worden. Das Gelände sei Anfang der 1980er Jahre als Bauhof für die Herstellung der Autobahn A …errichtet worden. Nach Fertigstellung der Autobahn sei das Gelände nicht wieder rekultiviert, sondern für die Baustoffversorgung genutzt worden. Es hätten sich dort mehrere Betriebe, nämlich ein Baustoffkombinat, ein Landbaukombinat, das Wohnungskombinat H… sowie ein Baumarkt-Fachgeschäft, angesiedelt. Um diese vier Betriebe erreichen zu können, sei die streitbefangene Straße, die parallel entlang des Bahndammes vom westlichen in den östlichen Bereich des Geländes führe, genutzt worden. Die Nutzung sei nicht nur von den Mitarbeitern der Betriebe erfolgt, sondern sei der Öffentlichkeit zur Nutzung mit der Verkehrsübergabe faktisch gewidmet worden. Die Straße sei durch Schwerlast- und PKW-Verkehr, aber auch durch Fahrradfahrer und Fußgänger genutzt worden. Bei der Straße handele es sich um eine sog. (alt-) öffentliche Straße im Sinne von § 62 Abs. 1 StrWG M-V. Die Stadt C-Stadt habe seinerzeit durch ihren Bauhof auch die notwendigen Verkehrssicherungspflichten - z. B. einen regelmäßigen Winterdienst - durchgeführt.

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Die Straße sei, soweit sich dies im Nachhinein nachvollziehen lasse, auf der Grundlage der Verordnung über die öffentlichen Straßen vom 22. August 1974 (DDR-StrVO 1974, GBl. DDR I, 515) als öffentliche Straße errichtet worden und gemäß § 62 Abs. 1 StrWG M-V auch öffentliche Straße geblieben. Die Straße sei seit Anfang der 1980er Jahre als öffentliche Straße dauerhaft genutzt worden und habe ihre Widmung als "tatsächlich" öffentliche Straße bis heute nicht verloren. Die zu DDR-Zeiten erfolgte faktische Widmung durch die Indienststellung begründe vorliegend gemäß § 7 Abs. 6 StrWG M-V die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft über die Straße. Diese öffentlich-rechtliche Sachherrschaft überlagere das Eigentumsrecht und schränke es kraft der staatlichen Hoheitsgewalt in Anwendung der Straßen- und Wegegesetze ein. Die straßenrechtliche Widmung bewirke, dass der Kläger als Eigentümer der mit der Erschließungsstraße bebauten Fläche seines Grundstücks die Nutzung der Straße nicht mehr untersagen könne und dass für die Nutzung der Straße ein bestimmter Gemeingebrauch festgelegt werde. Der Beklagten stehe als Straßenbaulastträgerin die Ausübung der Rechte des Eigentümers insoweit zu, als dies die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs und die Verwaltung und Unterhaltung erforderten. Dementsprechend unterlägen der Straßenkörper selbst sowie die unter der Trasse verlegten Versorgungsleitungen öffentlich-rechtlichen Bindungen. Diese öffentlich-rechtlichen Bindungen stünden dem vom Kläger geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruch entgegen.

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Das Vorgehen des Klägers sei im Übrigen rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte habe im Interesse des Klägers das bereits in Umsetzung befindliche B-Plan-Verfahren nicht zu Ende geführt. Der Abwägungsbeschluss sei bereits am 23. April 2008 gefasst worden. Der Kläger habe wiederholt in der Folgezeit verschiedene Investoren präsentiert. Im Interesse des Klägers habe eine Umsetzung der Planung möglichst nahe an dem konkreten Investitionsvorhaben erfolgen sollen. Der Kläger habe im Rahmen der zwischen den Beteiligten geführten Verhandlungen geäußert, keine gerichtliche Lösung mehr anzustreben. Ein zunächst beabsichtigtes Mediationsverfahren sei vom Kläger sodann jedoch im Widerspruch zu seinem vorherigen Verhalten und seinen getätigten Aussagen abgelehnt worden.

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Der Kläger hat hierauf mit Schriftsätzen vom 15. Mai 2007, 27. Juni 2007 und 17. Januar 2011 erwidert:

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Es sei falsch, dass die von der Beklagten in Realisierung des Bebauungsplanes Nr. 6.2 hergestellte Erschließungsstraße mit Ausnahme der Verschwenkung um das Waagehaus exakt dem Straßenverlauf entspreche, der seit der Errichtung des Geländes bestehe. Die von der Beklagten jetzt gebaute Erschließungsstraße stimme nur im nördlichen Bereich des Flurstücks … des Klägers mit dem Verlauf der ursprünglich vorhandenen Asphaltstraße überein. Im Folgenden liege die Erschließungsstraße jedoch südlich bzw. - nach der Verschwenkung - nördlich der alten Asphaltstraße. Es werde auch bestritten, dass der Kläger jemals im Verfahren eine Verschwenkung der Erschließungstraße um das Waagehaus herum gewünscht oder gefordert habe. Es komme daher nicht darauf an, ob die ursprüngliche Asphaltstraße faktisch gewidmet gewesen sei und ob es sich um eine sog. (alt-)öffentliche Straße im Sinne von § 62 Abs.1 StrWG M-V handele, weil die Beklagte eine neue Erschließungsstraße gebaut habe. Abgesehen davon habe es sich bei dieser Straße nie um eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße gehandelt. Auch heute handele es sich - soweit noch Restflächen dieser Straße vorhanden seien - nicht um eine öffentliche Straße.

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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte ist aus dem Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung für einen hoheitlich geschaffenen rechtswidrigen Zustand zur Beseitigung der auf den klägerischen Grundstücken der Gemarkung C-Stadt, Flur …, Flurstücke …, …, …, …, … und … errichteten Erschließungsstraße einschließlich Straßenbeleuchtung und sämtlicher Versorgungs- und Entsorgungsleitungen verpflichtet. Darüber hinaus hat der Kläger auch einen Anspruch auf Wiederherstellung des in den Anlagen zur Klageschrift in Lageplänen und Fotoaufnahmen dokumentierten ursprünglichen Zustandes des Geländes, soweit es die im Zuge der Errichtung der streitgegenständlichen Erschließungsstraße beseitigten Maschendrahteinzäunungen und Toreinrichtungen betrifft.

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Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch ist bundes- oder landesgesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, sondern von der Rechtsprechung entwickelt und früher aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 861, 1004 BGB und später aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten hergeleitet worden (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.08.1993 - 4 C 24/91 -; Urt. v. 19.07.1984 - 3 C 81/82 -, zitiert nach Juris). Der Folgenbeseitigungsanspruch setzt einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht voraus, durch den ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist. Der Anspruch ist auf die Wiederherstellung des (rechtmäßigen) Zustandes gerichtet, der im Zeitpunkt des Eingriffs bestand; er ist ausgeschlossen, wenn die Wiederherstellung des früheren Zustandes durch Beseitigung der unmittelbaren Folgen tatsächlich oder rechtlich nicht möglich oder dem Hoheitsträger nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.08.1993 aaO.). Die Anspruchsvoraussetzungen sind vorliegend gegeben.

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a. Der hoheitliche Eingriff besteht in der Herstellung der streitgegenständlichen Erschließungsstraße samt Nebenanlagen und den dadurch ermöglichten Auswirkungen auf die tatsächliche Nutzbarkeit der Grundstücke des Klägers.

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b. Durch die plangemäße Herstellung der Erschließungsstraße und ihre bestimmungsgemäße Nutzung wurde in das Eigentumsrecht des Klägers eingegriffen. Eine rechtswirksame Entziehung des Eigentums des Klägers an den genannten Flurstücken liegt nicht vor, nachdem das Oberlandesgericht Rostock mit Urteilen vom 25. Juli 2006 sowohl den Vorabentscheidungsbeschluss des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 11. Juni 2003 als auch den Besitzeinweisungsbeschluss der Enteignungsbehörde vom selben Tag aufgehoben hat. Beide Urteile sind rechtskräftig geworden. Der Bebauungsplan Nr. 6.2 für den Bereich der ehemaligen Baustoffversorgung - nördlicher und östlicher Teil kann nicht als ausreichende Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme der Flurstücke des Klägers herangezogen werden, da das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern den Bebauungsplan mit Urteil vom 22. Juni 2005 gemäß § 47 VwGO für unwirksam erklärt hat. In diesem Sinne ist mit der Herstellung der Erschließungsstraße ein "Schwarzbau" entstanden (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.08.1993 aaO.).

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c. Der durch die Beklagte geschaffene rechtswidrige Zustand dauert an. Der Zustand ist nicht legalisiert worden, da ein rechtsgültiger Bebauungsplan nicht besteht.

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aa. Der rechtswidrige Zustand ist darüber hinaus auch nicht durch eine zwischenzeitliche Widmung der Erschließungsstraße nach dem Straßen- und Wegegesetz M-V beendet worden. Abgesehen davon, dass eine Widmung für den öffentlichen Verkehr durch den zuständigen Träger der Straßenbaulast gemäß § 7 Abs. 1 StrWG M-V formell nicht erfolgt sein dürfte, liegen auch die Anforderungen des § 7 Abs. 3 StrWG M-V nicht vor. Hiernach ist Voraussetzung für die Widmung, dass der Träger der Straßenbaulast Eigentümer des der Straße dienenden Grundstückes ist oder der Eigentümer und ein sonst zur Nutzung dinglich Berechtigter der Widmung zugestimmt oder das Grundstück für die Straße zur Verfügung gestellt haben oder der Träger der Straßenbaulast nach § 48 Abs. 6 StrWG M-V oder nach einem anderen förmlichen Verfahren unanfechtbar in den Besitz eingewiesen ist. Die Beklagte ist nach den bereits erwähnten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Rostock vom 25. Juli 2006 weder Eigentümer der streitgegenständlichen Flächen noch ist sie unanfechtbar in deren Besitz eingewiesen worden. Bereits aus diesem Grund vermag eine Widmung der Erschließungsstraße nach dem Straßen- und Wegegesetz M-V den rechtswidrigen Zustand nicht zu beseitigen. Darüber hinaus ist die straßenrechtliche Widmung auch kein Vollzugsakt der - hier fehlgeschlagenen - Bauleitplanung. Nicht die straßenrechtliche Widmung, sondern der gemeindliche Bebauungsplan regelt das zwischen privatem Grundeigentum des Straßenanliegers bzw. - wie vorliegend - des Grundeigentümers einerseits und der öffentlichen Verkehrsfläche andererseits bestehende Konfliktfeld auch inhaltlich. Die straßenrechtliche Widmung mag daraus für ihr eigenes Regelungsfeld Folgerungen ziehen. Diese können etwa darin bestehen, dass der Eigentümer der Straße kraft des Widmungsaktes eine bestimmte Nutzung nicht mehr untersagen kann oder dass für die Nutzung der Straße ein bestimmter Inhalt des Gemeingebrauchs festgelegt wird. Derartige, dem Landesrecht zugewiesene Rechtsfolgen berühren die rechtlich gesondert zu regelnden Beziehungen zwischen dem Träger der Straßenbaulast und dem Grundstückseigentümer nicht. Die Widmung hat insoweit nur straßenrechtliche Bedeutung. Sie ist gegenüber dem Grundeigentümer rechtlich ungeeignet, den durch eine fehlerhafte Bauleitplanung rechtswidrig entstandenen Zustand aufzuheben, und steht deshalb einem Anspruch auf Folgenbeseitigung bei fehlerhafter Bauleitplanung nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.08.1993 aaO.).

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bb. Der rechtswidrige Zustand, der durch den Bau der Erschließungsstraße geschaffen wurde, ist auch nicht aus anderen Gründen zu verneinen. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten muss der Kläger die derzeitige öffentliche Nutzung der Erschließungsstraße nicht deshalb weiterhin dulden, weil darüber eine aus übergeleitetem DDR-Recht resultierende öffentlich-rechtliche Sachherrschaft besteht, die das Eigentumsrecht des Klägers überlagert und es kraft der staatlichen Hoheitsgewalt in Anwendung der Straßen- und Wegegesetze einschränkt. Die Erschließungsstraße ist nicht deshalb als öffentliche Straße im Sinne des Straßen- und Wegegesetzes M-V vom 13. Januar 1993 anzusehen, weil sie mit einer früheren Straße identisch ist, die in Ausführung eines technologischen Gesamtplans des VEB Baustoffversorgung Schwerin aus dem Jahr 1984 geplant und bereits zum damaligen Zeitpunkt als öffentliche Straße angelegt wurde.

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Zweifelhaft ist bereits, ob die hier in Rede stehende Straße als öffentliche Straße errichtet worden ist mit der Folge, dass sie nach dem nunmehr geltenden Straßen- und Wegegesetz weiterhin als öffentliche Straße gilt.

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Gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 StrWG M-V bleiben alle Straßen, die nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzen, öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes. Bei der Prüfung, ob eine Straße nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzt, ist jeweils für den maßgebenden historischen Zeitpunkt zu ermitteln, welche Anforderungen nach damals geltendem Recht zu erfüllen waren. Denn es handelt sich hier um abgeschlossene Rechtsverhältnisse, die nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts nach den seinerzeit geltenden Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung der seinerzeitigen Rechtspraxis zu beurteilen sind. Mit der Widmungsfiktion des § 62 Abs. 1 Satz 1 StrWG M-V wird deutlich, dass der Bestand der öffentlichen Straßen nach bisherigem Recht beibehalten und entsprechend übergeleitet und abgeschlossene Sachverhalte nicht nachträglich abweichend beurteilt werden sollen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 13.02.2002 - 1 L 151/00 -, zitiert nach Juris).

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Bei der Bestimmung, welches Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße in Mecklenburg-Vorpommern vor Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes begründet hat bzw. begründen konnte, sind diejenigen Vorschriften maßgeblich, unter denen die Straße erstellt bzw. von der Öffentlichkeit benutzt wurde. Für die Beurteilung der Öffentlichkeit der hier in Rede stehende Straße ist insoweit die Verordnung über die öffentlichen Straßen - Straßenverordnung - vom 22. August 1974 (GBl. DDR I, S. 515, Straßenverordnung 1974 - StrVO-DDR 1974 -), die gemäß Anlage II Kapitel XI Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 Einigungsvertrag vom 30. September 1990 (BGBl. II, Seite 889) als Landesrecht bis zum Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes am 30. Januar 1993 fort galt, heranzuziehen. Gemäß § 3 Abs. 1 StrVO-DDR 1974 waren öffentliche Straßen alle Straßen, Wege und Plätze einschließlich Parkplätze, die der öffentlichen Nutzung durch den Fahrzeug- und Fußgängerverkehr dienten. § 3 Abs. 3 StrVO-DDR 1974 regelte, dass auch die Straßen öffentlich sind, die überwiegend den Interessen ihrer Rechtsträger oder Eigentümer und daneben der öffentlichen Nutzung dienen. Zu diesen als betrieblich-öffentliche Straßen bezeichneten Straßen bestimmte § 1 Abs. 1 Spiegelstrich 1 der Ersten Durchführungsbestimmung zur Straßenverordnung vom 22. August 1974 (GBl. I S. 522), dass in der Regel zu ihnen Zufahrtsstraßen zählten, die zu Objekten der Staatsorgane, der Betriebe, Kombinate, Genossenschaften oder Einrichtungen usw. führten, z. B. Werkzufahrtstraßen oder Wege und Plätze für die Warenanlieferung und den Abtransport von Leergut bei Handelseinrichtungen. Nach Abs. 2 Spiegelstrich 1 dieser Vorschrift gehörten Werkstraßen dagegen grundsätzlich nicht zu den öffentlichen Straßen.

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Nach dem vom Beklagten vorgelegten Technologischen Gesamtplan des VEB Baustoffversorgung S… - ZL C-Stadt aus dem Jahr 1984 spricht einiges dafür, dass es sich bei den hier verzeichneten Straßen A bis Q lediglich um betriebsinterne Werkstraßen, nicht aber um öffentliche Betriebs- oder Werkzufahrtstraßen gehandelt hat. Dies kann jedoch dahinstehen. Denn die heutige Erschließungsstraße könnte nach übergeleitetem DDR-Recht nur dann (weiterhin) als öffentliche Straße angesehen werden, wenn Identität mit der betreffenden früheren öffentlichen Straße bestehen würde. Dies ist indes nicht der Fall.

36

Aufgrund der vorliegenden Pläne sowie dem vorerwähnten Technologischen Gesamtplan aus dem Jahr 1984 kommt eine Übereinstimmung der heutigen Erschließungsstraße nur mit der im Gesamtplan als Straße A bezeichneten Wegefläche in Betracht. Allerdings ist zwischen der Erschließungsstraße und der Straße A bestenfalls eine partielle Identität gegeben. So verläuft die Erschließungsstraße lediglich im nördlichen Teil des Flurstücks … auf der Trasse der früheren Straße A. Danach beschreibt sie einen Bogen um das Waagehaus, kreuzt die bisherige Trasse und verläuft anschließend nördlich davon bis zum neu angelegten Wendehammer. Angesichts dieser unterschiedlichen Streckenführung kann nicht mehr von einer Identität mit der früheren Straße A ausgegangen werden.

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Die Öffentlichkeit der Erschließungsstraße ergibt sich darüber hinaus auch nicht aus einer grundsätzlich möglichen Erstreckung einer früheren faktischen Widmung der Straße A als öffentliche Straße auf die heutige Erschließungsstraße. Zwar bedarf es nach dem richterrechtlich entwickelten Grundsatz der sog. "Elastizität der Widmung" bei einer unwesentlichen Erweiterung oder Veränderung einer bestehenden Straße keiner erneuten Widmung der neu ausgebauten und dem Verkehr übergebenen Verkehrsflächen; die alte Widmung erstreckt sich in diesem Fall auch auf die neue Straße (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 19.05.1999 - 3 A 3506/95 -; BayVGH, Beschl. v. 31.07.2003 - 8 ZB 03.357 -; VG Berlin, Urt. v. 19.08.2009 - 1 A 207.08 -, zitiert nach Juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend allerdings nicht gegeben.

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So ist bereits fraglich, ob es sich bei der veränderten Trassenführung der neu gebauten Erschließungsstraße lediglich um eine unwesentliche Erweiterung oder Veränderung der alten Straße A handelt. Dies gilt insbesondere angesichts des weiten Bogens, den die neue Erschließungsstraße um das Waagehaus zieht, während die frühere Straße A in gerader Linie daran vorbeiführte. Die Frage kann jedoch offen bleiben, da der Grundsatz der "Elastizität der Widmung" auch im Fall einer unwesentlichen Veränderung dann nicht gilt, wenn die bauliche Veränderung der Straße auf Grundstücke übergreift, die im Eigentum Dritter stehen. Denn die damit verbundenen enteignungsgleichen Auswirkungen wären mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und den hiernach zu erfüllenden strengen Anforderungen an enteignende Maßnahmen unvereinbar (vgl. VG Berlin, Urt. v. 19.08.2009 aaO.). Vorliegend wurden für den Bau der von der alten Straße A abweichenden Trasse der Erschließungsstraße Flächen in Anspruch genommen, die im Eigentum des Klägers standen und - nach Aufhebung der enteignungsrechtlichen Entscheidungen des Innenministeriums vom 11. Juni 2003 - immer noch stehen. Selbst wenn der Kläger eine öffentliche Nutzung derjenigen Flächen hätte dulden müssen, über die die Trasse der vormaligen Straße A - deren frühere Eigenschaft als öffentliche Straße unterstellt - führte, gilt das nach den vorstehenden Grundsätzen jedoch nicht insoweit, als nunmehr für die neue Erschließungsstraße weitere in seinem Eigentum stehende Flächen in Anspruch genommen werden.

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Dieses Ergebnis entspricht auch der Regelung in § 7 Abs. 5 StrWG M-V. Hiernach gelten neu hinzukommende Straßenteile nach Verbreiterung, Begradigung, Ergänzung durch Verkehrsanlagen oder unwesentlicher Verlegung einer öffentlichen Straße mit der Überlassung für den öffentlichen Straßenverkehr nur dann als gewidmet, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 3 vorliegen. Nach Absatz 3 der Vorschrift ist Voraussetzung für die Widmung, dass der Träger der Straßenbaulast Eigentümer des der Straße dienenden Grundstückes ist oder der Eigentümer oder ein sonst zur Nutzung dinglich Berechtigter der Widmung zugestimmt oder das Grundstück für die Straße zur Verfügung gestellt haben oder der Träger der Straßenbaulast nach § 48 Abs. 6 oder nach einem anderen förmlichen Verfahren unanfechtbar in den Besitz eingewiesen ist. Die hier geregelten Voraussetzungen - die im vorliegenden Fall sämtlich nicht gegeben sind - dienen ebenfalls der Gewährleistung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Gründe, warum für den allgemeinen Rechtsgrundsatz der "Elastizität der Widmung" etwas anderes gelten sollte, sind nicht ersichtlich.

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d. Der nach alldem bestehende Anspruch des Klägers auf Folgenbeseitigung ist auch nicht entfallen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Wiederherstellung des früheren Zustandes durch Beseitigung der unmittelbaren Folgen der Beklagten tatsächlich oder rechtlich nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Eine Legalisierung des bestehenden rechtswidrigen Zustandes ist - wie bereits erwähnt - nicht erfolgt. Es existieren derzeit weder ein neuer Bebauungsplan noch eine straßenrechtliche Planungsgrundlage. Die Beklagte kann dem Anspruch des Klägers auf Beseitigung der Erschließungsstraße und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes daher insoweit nicht den Grundsatz von Treu und Glauben entgegenhalten. Die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung erfordert hinsichtlich des Anspruchs auf Folgenbeseitigung, dass die Legalisierung des als rechtswidrig erkannten und andauernden Zustandes zeitlich unmittelbar bevorsteht. Dafür ist hier nichts ersichtlich. Hier hat die Beklagte lediglich vorgetragen, dass im eingeleiteten Planungsverfahren bislang lediglich ein Abwägungsbeschluss vom 23. April 2008 existiert. Eine unmittelbar bevorstehende Legalisierung des bestehenden rechtswidrigen Zustandes ergibt sich daraus nicht. Der Rechtsschutz der öffentlichen Hand ist im Übrigen durch die Möglichkeit der Vollstreckungsgegenklage hinreichend gewahrt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.08.1993 aaO.).

41

Die Beklagte kann dem Kläger auch darüber hinaus kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorwerfen. Die Beklagte beruft sich insoweit darauf, dass es intensive Verhandlungen mit dem Kläger über die künftige Nutzung seiner Grundstücke durch verschiedene Investoren gegeben habe, wobei zwingende Voraussetzung für die Durchsetzung eines Investitionsvorhabens immer die weitere Nutzung der Erschließungsstraße gewesen sei. Im Interesse des Klägers habe die Beklagte daher das bereits in Umsetzung befindliche neue B-Planverfahren bislang nicht zu Ende geführt.

42

Soweit die Beklagte vor dem Hintergrund dieses Sachverhalts in der weiteren Verfolgung des Klaganspruchs ein widersprüchliches und damit rechtlich zu missbilligendes Verhalten des Klägers sieht, folgt die Kammer dieser Auffassung nicht. Ausgangspunkt ist in diesem Zusammenhang, dass sich nicht der Kläger rechtsuntreu verhält, sondern die beklagte Stadt. Sie ist offenbar der Ansicht, sie könne und dürfe den eingetretenen rechtswidrigen Zustand, den sie selbst und nicht der Kläger zu verantworten hat, so belassen. Das ist eine grundlegende Verkennung der Rechtslage. Wesen des hier in Rede stehenden Folgenbeseitigungsanspruchs ist es gerade, rechtswidriges Handeln der öffentlichen Hand - hier der beklagten Stadt - auch und gerade dann rückgängig zu machen, wenn "vollendete Tatsachen" geschaffen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.08.1993 aaO.). Vor diesem Hintergrund hat der Kläger die Beklagte durch sein Verhalten nicht in den berechtigten Glauben versetzt, er werde die Beeinträchtigung seines Grundstücks hinnehmen.

43

Zwar mag es sein, dass die Beteiligten außergerichtliche Verhandlungen geführt haben, um für beide Seiten eine befriedigende Lösung des bestehenden Konfliktes herbeizuführen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Abrede gestellt, dass er unter Umständen auf einen Rückbau der Erschließungsstraße verzichtet hätte. Allerdings hat der Kläger die Beklagte zu keinem Zeitpunkt im Unklaren darüber gelassen, dass es ihm in erster Linie auf Rückgängigmachung der durch die Umsetzung des für unwirksam erklärten Bebauungsplanes geschaffenen (rechtswidrigen) Situation ankommt. Hierzu hat der Kläger auch alle ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten genutzt. So hat er gegen den Bebauungsplan einen Normenkontrollantrag beim Oberverwaltungsgericht gestellt und nach Obsiegen in diesem Verfahren mit Erfolg auch die enteignungsrechtlichen Entscheidungen des Innenministeriums angegriffen. Schließlich hat der Kläger die vorliegende Klage mit dem Ziel der Durchsetzung des geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruches erhoben. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger insoweit nochmals betont, dass es ihm in erster Linie um die eigene Nutzung seiner Grundstücke gehe, wozu vor allem auch die Anbindung an die vorhandene Bahnstrecke gehöre. Diese Anbindung ist durch die die Gleise zerschneidende Erschließungsstraße jedoch unterbrochen worden. Angesichts dieser Sachlage konnte die Beklagte nicht darauf vertrauen, dass der Kläger aufgrund der zwischen den Beteiligten stattfindenden Verhandlungen auf den geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruch verzichten und die Beeinträchtigung seiner Grundstücke hinnehmen würde.

44

e. Schließlich können einem Anspruch des Klägers auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands auch nicht die Interessen der Firma E… entgegengesetzt werden, auch wenn diese durch die Beseitigung der Erschließungsstraße den Zugang zu ihrem Betriebsgelände verlieren sollte. Eine Wiederherstellung des ursprünglichen rechtmäßigen Zustandes soll dem Verpflichteten dann nicht angesonnen werden, wenn damit ein unverhältnismäßig hoher Aufwand verbunden ist, der zu dem erreichbaren Erfolg bei allem Respekt für das Verlangen nach rechtmäßigen Zuständen in keinem vernünftigen Verhältnis mehr steht. Dagegen meint die Frage der Zumutbarkeit im Allgemeinen nicht die weitere Frage, ob die Wiederherstellung des früheren Zustandes ihrerseits Folgen auslösen wird, die zu vermeiden ein berechtigtes Anliegen sein kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.08.1993 aaO).

45

Abgesehen von der Frage, ob der Firma E… ein zivilrechtliches Notwegerecht über die Flächen des Klägers zusteht, über die die frühere Zuwegung verlief, muss sich die Beklagte darauf verweisen lassen, dass eine Erschließung des Betriebsgeländes der Firma E… auch über andere Wegeführungen möglich ist. Der Kläger hatte hierzu im Aufstellungsverfahren zum Bebauungsplan Nr. 6.2 auf zwei Varianten der derzeitigen Erschließungsstraße hingewiesen, die die Beklagte jedoch nicht in ihre Abwägungen eingestellt hat.

46

Der von dem Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung beantragte Schriftsatznachlass war nicht zu gewähren. Soweit es dem Beklagtenvertreter um weiteren Vortrag zur Veränderung des Straßenverlaufs der streitgegenständlichen Erschließungsstraße und die Behauptung geht, dass Veränderungen des Straßenverlaufs aufgrund von Wünschen des Klägers vorgenommen worden seien, kommt es nach Rechtsauffassung der Kammer darauf nicht entscheidungserheblich an. Dasselbe gilt, soweit es um den in der mündlichen Verhandlung eingesehenen ursprünglichen Vorhabenplan des Klägers und ein von diesem vorgelegtes Foto geht.

47

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

48

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO).

49

B e s c h l u s s

50

Der Streitwert wird auf 110.000,-- € festgesetzt.

51

Gründe:

52

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz und legt die diesbezüglichen Angaben des Klägers zu Grunde, denen die Beklagte nicht widersprochen hat.

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

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(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit 1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 de

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(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 216/06
vom
22. Februar 2007
in der Baulandsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hat während des Laufs eines baulandgerichtlichen Verfahrens, das die Anfechtung
eines Enteignungsbeschlusses zwecks Nutzung eines Grundstücks entsprechend
den Festsetzungen eines Bebauungsplans betrifft, das Oberverwaltungsgericht
im Normenkontrollverfahren den Bebauungsplan (rechtskräftig) für
unwirksam erklärt, so muss das Baulandgericht den Enteignungsbeschluss
auch dann aufheben, wenn der Bebauungsplan durch ein ergänzendes Verfahren
zur Behebung von Fehlern rückwirkend in Kraft gesetzt werden könnte und
die Gemeinde ein solches Verfahren angekündigt hat.
BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007 - III ZR 216/06 - OLG Rostock
LG Schwerin
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Februar 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dr. Kapsa und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 4 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Senats für Baulandsachen des Oberlandesgerichts Rostock vom 25. Juli 2006 - 13 U 5/04 - wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 4 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gegenstandswert: bis zu 80.000 €

Gründe:


I.


1
Durch Vorabentscheidungsbeschluss vom 11. Juni 2003 entzog der Beteiligte zu 3 als Enteignungsbehörde das Eigentum der Beteiligten zu 1 und 2 an Teilflächen mehrerer Flurstücke der Flur 8 der Gemarkung W. zugunsten der Beteiligten zu 4 (Stadt W. ). Die Enteignung sollte erfolgen, um die betreffenden Grundstücke einer Nutzung entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 6.2 für den Bereich der ehemaligen Baustoffver- sorgung nördlicher und östlicher Teil der Beteiligten zu 4 (im Folgenden: Bebauungsplan Nr. 6.2) zuzuführen. Die Beteiligten zu 1 und 2 fochten den Beschluss der Enteignungsbehörde durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung an. Während des Laufs des baulandgerichtlichen (Berufungs-)Verfahrens wurde auf Normenkontrollantrag des Beteiligten zu 1 durch (rechtskräftiges) Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 22. Juni 2005 der Bebauungsplan Nr. 6.2 mit der Begründung für unwirksam erklärt, dieser leide an einem beachtlichen Fehler im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 3 Satz 3 und § 13 Nr. 2 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1997 (BGBl. I S. 2141), außerdem verstoße er unter verschiedenen Gesichtspunkten gegen das Gebot der Planbestimmtheit. Daraufhin hat das Berufungsgericht (Senat für Baulandsachen) unter Abänderung des Urteils der ersten Instanz den Vorabentscheidungsbeschluss der Enteignungsbehörde aufgehoben.

II.


2
Die gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Berufungsgerichts gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 4 ist unbegründet. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2, § 544 ZPO i.V.m. § 221 Abs. 1 BauGB).
3
1. Das Berufungsgericht hat mit seinem Urteil die zwingende Folgerung daraus gezogen, dass aufgrund der (rückwirkenden) Unwirksamkeitserklärung des hier in Rede stehenden Bebauungsplans durch das Oberverwaltungsgericht im Normenkontrollverfahren der angefochtene, eine Enteignung aussprechende , Vorabentscheidungsbeschluss des Beteiligten zu 3 gemäß § 112 Abs. 2 BauGB mangels eines - für eine Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vorausgesetzten - rechtswirksamen Bebauungsplans keine Grundlage mehr hat.
4
Mit Recht hat das Berufungsgericht angesichts dieser bei seiner mündlichen Verhandlung gegebenen Rechtslage dem Umstand, dass die Beteiligte zu 4 ein ergänzendes Verfahren über die rückwirkende Heilung des unwirksamen Bebauungsplans nach § 214 Abs. 4 BauGB angekündigt hatte, keine Bedeutung beigemessen, weil unabhängig davon, ob hier eine rückwirkende Heilung des Bebauungsplans überhaupt möglich ist, dieser Bebauungsplan bis zur - unterstellt wirksamen - rückwirkenden Heilung schwebend unwirksam ist und daher keine Rechtswirkungen auslösen kann.
5
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beteiligten zu 4 macht geltend, es bedürfe der Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es dürfe, so meint sie, im vorliegenden Verfahren nur geprüft werden , ob die Enteignungsbehörde mit ihrer Erklärung im Schreiben vom 4. Januar 2006, trotz der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Normenkontrollverfahren wegen der Heilungsmöglichkeit gemäß § 214 Abs. 4 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), die nach § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB auch für Bebauungspläne gilt, die vor dieser Neuregelung in Kraft getreten sind, und der entsprechenden Ankündigung der Beteiligten zu 4, den Enteignungsbeschluss nicht aufheben zu wollen, die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten habe oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe.
6
Mit dieser Argumentation wird jedoch der Gegenstand des vorliegenden baulandgerichtlichen Verfahrens verkannt. Es geht um die Rechtmäßigkeit des von dem Beteiligten zu 3 im Enteignungsverfahren erlassenen und von den Beteiligten zu 1 und 2 angefochtenen Enteignungsbeschlusses (Vorabentscheidungsbeschlusses ), nicht um die rechtliche Überprüfung einer späteren Entschließung der Enteignungsbehörde über eine in Betracht gezogene Aufhebung dieses Enteignungsbeschlusses. Wenn - wie hier - zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Enteignung nicht vorliegen, muss nach geltendem Recht das Gericht dem Aufhebungsantrag des betroffenen Eigentümers stattgeben. Jede andere Entscheidung oder Verfahrensweise des Baulandgerichts in dieser Situation wäre mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG) unvereinbar.
Schlick Wurm Streck
Kapsa Herrmann
Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 12.02.2004 - 4 O 422/03 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 25.07.2006 - 13 U 5/04 -

(1) Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht dem Besitzer entzogen, so kann dieser die Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene Besitz dem gegenwärtigen Besitzer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft war und in dem letzten Jahre vor der Entziehung erlangt worden ist.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.