Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 30. Mai 2016 - 7 A 189/15

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2016:0530.7A189.15.0A
bei uns veröffentlicht am30.05.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Witwengeld seitens der Beklagten.

2

Die Klägerin heiratete am ….10.2013 den bei der Beklagten versorgungsberechtigten Herrn …, der am … geboren worden ist. Der Ehemann der Klägerin verstarb am 19.06.2015. Nach dem Ableben ihres Ehemanns beantragte die Klägerin am 25.06.2015 fernmündlich die Gewährung von Witwengeld.

3

Mit Bescheid vom 25.06.2015 lehnte die Beklagte die Gewährung von Witwengeld ab. Zur Begründung verwies sie auf § 24 Abs. 2 der Versorgungssatzung, wonach die Gewährung von Witwengeld ausgeschlossen sei, wenn die Ehe mit dem verstorbenen Mitglied bzw. einem verstorbenen Empfänger von Ruhegeld nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Mitgliedes geschlossen worden sei und nicht mindestens drei Jahre bestanden habe. Diese Vorschrift sei im Fall der Klägerin anwendbar, da zum Zeitpunkt des Eheschlusses der Ehemann bereits 75 Jahre alt gewesen sei und die Ehe zum Todestag nur ein Jahr und acht Monate bestanden habe.

4

Gegen die ablehnende Entscheidung legte die Klägerin mit Schreiben vom 01.07.2015 Widerspruch ein, den sie mit Schreiben vom 26.07.2015 begründete. Als Begründung führte sie aus, bei ihrer Ehe handle es sich um keine Versorgungsehe, vor der § 24 Abs. 2 der Versorgungssatzung schützen wolle. Vielmehr habe sie schon seit 1997 mit ihrem Ehemann zusammen gelebt. Eine Heirat sei jedoch aufgrund der Scheidung des Ehemanns von seiner vorherigen Ehefrau, verschiedener Erkrankungen der Klägerin und Todesfällen in der Familie nicht vor dem Jahr 2013 möglich gewesen. Zudem verstoße § 24 Abs. 2 der Versorgungssatzung gegen Art. 3 und 6 GG. Insbesondere diskriminiere die Vorschrift Frauen, die durch diese überwiegend betroffen seien. Die Vorschrift sehe auch keine Öffnungsklausel wie die Regelung der gesetzlichen Altersrente vor, bei der die Vermutung einer Versorgungsehe im Einzelfall widerlegt werden könne. Schließlich gäbe es in den Satzungen anderer Versorgungswerke wie der Bayerischen Ärzteversorgung die Möglichkeit freiwilliger Leistungen an Hinterbliebene im Fall eines Leistungsausschlusses. Die aufgezählten Ausnahmemöglichkeiten in anderen Satzungen entsprächen einem Gerechtigkeitsanspruch, da andernfalls eine Ungleichbehandlung der spät Heiratenden - gerade im Hinblick auf die gestiegene Lebenserwartung und der geänderten gesellschaftlichen Lebensentwürfe - eintrete.

5

Mit Bescheid vom 24.09.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Als Begründung trug sie vor, § 24 Abs. 2 b) der Versorgungssatzung sei wirksam und verstoße insbesondere nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Die Regelung diene der Begrenzung des versicherungsmathematischen Risikos. Eine solche Risikobegrenzung sei im Interesse der Solidargemeinschaft bei Leistungen an Hinterbliebene erforderlich, da diese Leistungen nicht durch risikoadäquate Beiträge des jeweiligen verheirateten Mitglieds, sondern durch die Beiträge aller Mitglieder finanziert werden. Der Risikobegrenzung des § 24 Abs. 2 b) der Versorgungssatzung liege dabei der Gedanke zu Grunde, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit des Leistungsfalls bei Ehen, die im fortgeschrittenen Lebensalter geschlossen werden, deutlich erhöht sei. Für dieses erhöhte Risiko vollumfänglich einzustehen, sei der Solidargemeinschaft nicht zumutbar. Aufgrund des Zwecks der Risikobegrenzung komme es auch nicht auf den Einwand der Klägerin, es habe keine Versorgungsehe vorgelegen, an.

6

Die Verfassungsmäßigkeit von § 24 Abs. 2 b) der Versorgungssatzung entsprechenden Regelungen sei durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 01.03.2010 - 1 BvR 2584/06 -) und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 - 8 CN 1/09 -) bestätigt worden. Insbesondere liege kein Verstoß gegen Art. 3 und 6 GG vor. Eine etwaige Ungleichbehandlung wegen des Alters oder des Geschlechts könne im Hinblick auf Art. 3 GG durch die bezweckte Risikobegrenzung als legitimen Grund gerechtfertigt werden, wobei schon nicht ersichtlich sei, inwiefern besonders Frauen durch die Vorschrift betroffen seien. Da der Gleichbehandlungsanspruch zudem auf den Kompetenzbereich des jeweiligen Trägers öffentlicher Gewalt beschränkt sei, führe auch der Hinweis der Klägerin auf die Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung und anderer Versorgungswerke nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung. Im Hinblick auf Art. 6 GG bestehe weder ein Anspruch auf Gewährung von Hinterbliebenenrente noch eine Benachteiligung gegenüber nicht verheirateten Lebenspartnern, die durch die Versorgungseinrichtung überhaupt keine Hinterbliebenenrente erhalten könnten.

7

Am 21.10.2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie unter Vertiefung der Widerspruchsbegründung ergänzend vor, die Unwirksamkeit des § 24 Abs. 2 b) der Versorgungssatzung ergebe sich insbesondere aus der nicht gerechtfertigten, unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters. Die Vorschrift gehe starr davon aus, nach Vollendung des 60. Lebensjahres eine Heirat die Versorgung des Hinterbliebenen als maßgebliches Ziel habe. Die Regelung in der Versorgungssatzung lasse insofern mangels Öffnungsklauseln keine verfassungskonforme Auslegung zu. Zudem liege eine unmittelbare Diskriminierung von Frauen durch die Vorschrift vor, da Ehen, in denen der Ehemann älter als die Ehefrau sei, statistisch häufiger seien. Ein legitimer Grund für diese Differenzierungen bestehe nicht. Insbesondere stelle das seitens der Beklagten angeführte versicherungsmathematische Risiko keinen solchen legitimen Grund dar, weil dieses Risiko Versicherungseinrichtungen wie der Beklagten immanent sei. Schließlich verweist die Klägerin auf die neueste Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Unzulässigkeit von Späteheklauseln (BAG, Urteil vom 04.08.2015 - 3 AZR 137/13 - ).

8

Zumindest sei eine Entscheidung unter Berücksichtigung der in diesem Fall zugrundeliegenden individuellen Gründe erforderlich.

9

Die Klägerin beantragt,

10

dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25.06.2015 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 24.09.2015 verpflichtet wird, der Klägerin Leistungen nach § 24 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Ärztekammer Schleswig-Holstein in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchbescheid.

14

Mit Beschluss vom 19.04.2016 hat das Gericht der Berichterstatterin den Rechtsstreit zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen. Diese haben dem Gericht bei seiner Entscheidung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Bescheid vom 25.06.2015 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 24.09.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Witwengelds durch die Beklagte.

17

Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Witwengeld gem. § 24 Abs. 1 der Satzung der Beklagten ist durch § 24 Abs. 2 b) der Satzung der Beklagten ausgeschlossen. Hiernach wird Witwengeld nicht gewährt, wenn die Ehe mit dem verstorbenen Mitglied bzw. einem verstorbenen Empfänger von Ruhegeld nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Mitgliedes geschlossen wurde und nicht mindestens drei Jahre bestanden hat. Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Klägerin vor. Zum Zeitpunkt des Eheschlusses hatte der Ehemann der Klägerin das 75. Lebensjahr vollendet und die Ehe hatte bis zum Todestag des Ehemanns nur ein Jahr und acht Monate bestanden. Etwaige Ausnahmetatbestände sieht die Regelung nicht vor.

18

§ 24 Abs.2 b) der Satzung der Beklagten ist auch nicht aufgrund eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam. Es liegt keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG vor. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen ist Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe anders behandelt wird als andere, obwohl zwischen ihnen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.03.1998 - 1 BvR 178/97 -, BVerfGE 97, 332). Dies liegt hier nicht vor.

19

Der durch § 24 Abs. 2 b) der Satzung der Beklagten erfasste Personenkreis wird durch den Ausschluss der Gewährung eines Witwengeldes gegenüber der Gruppe von Hinterbliebenen, die einen Versorgungsberechtigten bereits vor Vollendung dessen 60. Lebensjahres geheiratet bzw. deren Ehen im Zeitpunkt des Todes des Mitglieds bereits drei Jahre bestanden haben, ungleich behandelt.

20

Diese Ungleichbehandlung ist jedoch durch die Begrenzung des finanziellen Risikos für die Solidargemeinschaft eines berufsständigen Versorgungswerks als hinreichend sachlichem Grund gerechtfertigt. Die Beklagte finanziert sich im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung, bei der finanzielle Risiken durch vom Staat gewährte Zuschüsse aufgefangen werden können, ausschließlich durch die Beiträge ihrer Mitglieder. Insofern finanziert sich die Beklagte nicht durch ein Umlageverfahren, sondern ein Kapitaldeckungsverfahren. Durch die Gewährleistung einer Versicherung für ihre Mitglieder geht für ein Versorgungswerk eine Risikoübernahme einher. Hieraus folgt, dass für die Solidargemeinschaft des Versorgungswerks eine versicherungsmathematische Risikobegrenzung erforderlich ist. Dies gilt umso mehr, wenn wie bei der durch § 24 Abs. 2 b) der Satzung der Beklagten betroffenen Hinterbliebenenversorgung, die keinen erhöhten Beitrag eines verheirateten Mitglieds verlangt, der fürsorgliche genossenschaftliche Aspekt der Angehörigenversorgung zum Versicherungsprinzip hinzutritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1/09 -, juris).

21

§ 24 Abs.2 b) der Satzung der Beklagten ist insofern keine Regelung zur Verhinderung von Versorgungsehen und zur Unterbindung eines Kapitalabflusses bei Versorgungsehen. Mit dem Vorbehalt, Witwengeld erst zu gewähren, wenn die Ehe mindestens drei Jahre bestanden hat, verfolgt die Beklagte den Zweck, bei versorgungsnahen Ehen einen vorzeitigen Kapitalabfluss zu verhindern, der zu Lasten der Solidargemeinschaft geht, bevor die geschlossene Ehe versorgungswirksam werden konnte. Die Lasten sollen möglichst gleichmäßig auf die Solidargemeinschaft verteilt und Mitglieder und deren Angehörige nicht außer Verhältnis zu den geleisteten Beiträgen bevorzugt werden. Der Zweck besteht mithin in der oben dargelegten, finanziellen Risikobegrenzung der Versichertengemeinschaft aus versicherungsmathematischen Gründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1/09 -, juris).

22

Soweit zusätzlich die Prüfung der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1/09 -, juris; a.A. für einen ähnlich gelagerten Fall BVerfG, Beschluss vom 01.03.2010 - 1 BvR 2584/06 -, juris), ist die Verhältnismäßigkeit hier zu bejahen. Der in § 24 Abs.2 b) der Satzung der Beklagten geregelte Ausschluss verfolgt mit der finanziellen Risikobegrenzung für die Solidargemeinschaft einen legitimen Zweck und ist für die Umsetzung dieses Zwecks auch geeignet.

23

Die Regelung ist auch erforderlich. Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn es kein milderes, weniger intensiv eingreifendes Mittel gibt, das das verfolgte Ziel in etwa gleich gut fördert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994 - 2 BvL 43, 51, 63, 64, 70, 80/92, 2 BvR 2031/92 -. BVerfGE 90, 145). Dies liegt hier vor. Der Beklagten hätte zur Erreichung des Regelungszwecks eine weniger einschneidende Regelung nicht zur Verfügung gestanden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass die Beklagte als Satzungsgeberin zulässigerweise typisierende Regelungen zu Erfassung bestimmter Sachverhalte verwenden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.03.2010 - 1 BvR 2584/06 -, juris). Eine seitens der Klägerin vorgeschlagene Widerlegungsmöglichkeit für die Vermutung einer Versorgungsehe scheidet bereits deshalb aus, weil § 24 Abs. 2 b) der Satzung der Beklagten nicht den Ausschluss der Versorgungsehe bezweckt. Aus diesem Grund ist auch eine Entscheidung unter Berücksichtigung der in diesem Fall zugrundeliegenden individuellen Gründe nicht möglich. Zudem würde dadurch die finanzielle Risikobegrenzung nicht erreicht, da bei erfolgreicher Widerlegung Hinterbliebenenversorgung in voller Höhe geleistet werden müsste (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1/09 -, juris).

24

Schließlich ist die Regelung auch angemessen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verlangt, dass die Schwere des Eingriffs bei der Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen darf (vgl. BVerfG, Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98, 1084/99 -, BVerfGE 109, 279). Dies ist gegeben. Die Leistungsfähigkeit berufsständiger Versorgungswerke hängt gleichermaßen vom Beitragsaufkommen und einer Risikobegrenzung im Hinblick auf die Versorgungsfälle, insbesondere in Bezug auf die Hinterbliebenenversorgung, die als fürsorgliche Leistung ohne erhöhte Beiträge für die verheirateten Mitglieder gewährt wird, ab. Demgegenüber wiegt der Ausschluss der Witwen- und Witwerversorgung bei versorgungsnahen Ehen im Sinne von § 24 Abs. 2 b) der Satzung der Beklagten nicht so schwer, dass er als unangemessen und unzumutbar einzustufen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1/09 -, juris).

25

Der Hinweis der Klägerin auf anders lautende Regelungen in der gesetzlichen Rentenversicherung und in Satzungen anderer Versorgungswerke führt ebenfalls nicht zu einer Verletzung von Art. 3 Abs. 2 GG. Der Gleichbehandlungsanspruch ist auf den Kompetenzbereich des jeweiligen Trägers öffentlicher Gewalt beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.11.1988 - 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 -, BVerfGE 79, 127). Aus Art. 3 Abs. 1 GG kann daher kein Recht abgeleitet werden, von einem Träger öffentlicher Gewalt so behandelt zu werden wie ein anderer Grundrechtsträger von einem anderen Träger öffentlicher Gewalt. Insbesondere folgt aus der unterschiedlichen Behandlung desselben Sachverhaltes durch zwei verschiedene Hoheitsträger kein Indiz für die Verfassungswidrigkeit einer der gewählten Regelungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.03.2010 - 1 BvR 2584/06 -, juris).

26

Ebenso liegt durch die Vorschrift keine unzulässige Diskriminierung nach Art. 3 Abs. 2, 3 GG wegen des Geschlechts vor. Eine unmittelbare Diskriminierung scheidet schon deshalb aus, weil § 24 Abs. 2 b) der Satzung der Beklagten geschlechtsneutral formuliert ist und nicht direkt an das Geschlecht des verstorbenen Mitglieds oder des Hinterbliebenen anknüpft (vgl. Maunz/Dürig/Langenfeld GG Art. 3 Rn. 25-26, 75. EL September 2015). Auch eine unzulässige mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts durch die Vorschrift, also eine geschlechtsneutral formulierte Regelung, die im Ergebnis überwiegend Angehörige eines Geschlechts betrifft (vgl. BVerfG, Urteil vom 30.01.2002 - 1 BvL 23/96 -, NJW 2002, 1256), scheidet aus. Selbst wenn man entsprechend der Ausführungen der Klägerin davon ausgehen würde, dass durch § 24 Abs. 2 b) der Satzung der Beklagten überwiegend Frauen von der Gewährung eines Witwengeldes ausgeschlossen werden, wäre eine solche mittelbare Diskriminierung entsprechend der obigen Ausführungen durch einen hinreichend sachlichen Grund gerechtfertigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.04.2005 - 1 BvR 774/02 -, NJW 2005, 2443).

27

Auch liegt keine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG vor. Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht, der Klägerin als überlebendem Ehegatten einen Anspruch auf Gewährung von Hinterbliebenenrente bzw. Witwengeld einzuräumen, da nicht jede die Ehe oder die Familie treffende Belastung seitens des Staates bzw. eines Trägers öffentlicher Gewalt ausgeglichen werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.03.2010 - 1 BvR 2584/06 -, juris; BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1/09 -, juris). Ebenfalls folgt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG nicht aus einem Verstoß gegen das aus dieser Norm folgenden Diskriminierungsverbot. Hiernach ist verboten, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. 2. 2010 - 1 BvR 2664/09 -, NVwZ-RR 2010, 457 m.w.N.). Eine solche Schlechterstellung der Ehe gegenüber anderen Lebensgemeinschaften ist hier nicht gegeben. So ist die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung im Fall nichtehelicher Lebensgemeinschaften - mit Ausnahme der eingetragenen Lebenspartnerschaft in § 24 Abs. 4 - in der Satzung der Beklagten schon generell nicht vorgesehen.

28

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG ist durch § 24 Abs. 2 b) der Satzung der Beklagten ebenfalls nicht verletzt. Die Vorschrift enthält, wie oben dargelegt, keine Vermutung einer Versorgungsehe. Vielmehr stellt sie eine wertneutrale versicherungsmathematische Regelung, die zu Gunsten der Solidargemeinschaft eine zeitlich befristete Risikobegrenzung bei einer durch lebensältere Versicherte vermittelten Hinterbliebenenversorgung vorsieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1/09 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.05.2010 - 6 A 10320/10 -, juris).

29

Ebenso scheidet eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG durch die Vorschrift aus. Es fehlt schon an der Voraussetzung einer dem einzelnen Mitglied zurechenbaren Eigenleistung, die eine Zuordnung der zugrunde liegenden satzungsmäßigen Ansprüche zum Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie rechtfertigen könnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.03.2010 - 1 BvR 2584/06 -, juris). Es mangelt an einem hinreichend personalen Bezug zwischen der Beitragsleistung des Mitglieds und der später an seine Hinterbliebenen geleisteten Rente. Die Hinterbliebenenversorgung ist eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung, weil sie ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Mitglieds gewährt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1/09 -, juris m.w.N.).

30

Schließlich verstößt § 24 Abs. 2 b) der Satzung der Beklagten auch nicht gegen § 7 Abs. 1 i.V.m. 2 Abs. 1, Nr. 4 AGG. Unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit des AGG auf die Satzung einer Berufskammer (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.05.2010 - 6 A 10320/10 -, juris) ist eine Rechtfertigung gem. § 10 AGG gegeben. Mit dem Zweck der finanziellen Risikobegrenzung für die Solidargemeinschaft liegt ein legitimes Ziel vor, das entsprechend der obigen Ausführungen durch die Regelung in § 24 Abs. 2 b) der Satzung der Beklagten in erforderlicher und angemessener Weise verfolgt wird (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.05.2010 - 6 A 10320/10 -, juris).

31

Insofern ist auch der Hinweis der Klägerin auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu einem Verstoß von Späteheklauseln gegen § 7 Abs. 2 AGG (BAG, Urteil vom 04.08.2015 - 3 AZR 137/13 -, juris) unbeachtlich. So führt das Bundesarbeitsgericht dort ausdrücklich aus, dass es nicht von der hier zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1/09 -, Rdnr. 75 und 81, juris) abweicht und seine Entscheidung gerade nicht auf den hier vorliegenden Fall eines Versorgungswerkes einer Berufskammer übertragen werden kann, die sich ausschließlich durch Beiträge der Mitglieder finanziere und die die Hinterbliebenenversorgung ohne erhöhten Beitrag des Mitglieds gewähre.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 I VwGO.

33

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 7 Benachteiligungsverbot


(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. (2) Bestim

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 10 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters


Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 04. Aug. 2015 - 3 AZR 137/13

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Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 15. Januar 2013 - 7 Sa 573/12 - aufgehoben.

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Mai 2010 - 6 A 10320/10

bei uns veröffentlicht am 26.05.2010

Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Kläger beg

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

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(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 15. Januar 2013 - 7 Sa 573/12 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 4. Juni 2012 - 3 Ca 9945/11 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständige Witwenrente für die Monate März 2011 bis Mai 2013 iHv. insgesamt 19.534,23 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 723,49 Euro seit dem jeweiligen Ersten des jeweiligen Folgemonats beginnend mit dem 1. April 2011 und endend mit dem 1. Juni 2013 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab dem 1. Juni 2013 lebenslang zum Ende eines jeden Monats eine monatliche Witwenrente iHv. 723,49 Euro brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin eine Hinterbliebenenversorgung zu zahlen.

2

Die am 10. Oktober 1956 geborene Klägerin ist die Witwe des am 29. April 1947 geborenen und am 14. Dezember 2010 verstorbenen G. Die Ehe war am 8. August 2008 geschlossen worden.

3

Der verstorbene Ehemann der Klägerin war bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestand seit dem 1. Dezember 1989. Der Arbeitsvertrag vom 22. August 1989 war noch mit der S GmbH geschlossen worden. In diesem Arbeitsvertrag heißt es ua.:

        

„3.     

Gehaltsfortzahlung

        

...     

        
        

b)    

Sollten Sie, solange Sie sich in unseren Diensten befinden, sterben, werden an Ihren Sie überlebenden Ehepartner oder, falls beide Ehepartner verstorben sind, an Ihre Sie überlebenden, noch nicht volljährigen Kinder die Bezüge gemäß 2.a) für den Sterbemonat und für weitere 2 Monate ausgezahlt.

        

…       

        
        

4.    

Nebenleistungen

        

a)    

Bei der S GmbH existiert ein Pensionsplan, der zur Zeit überarbeitet wird. Wir sichern Ihnen zu, daß Sie durch den neuen Plan nicht schlechter gestellt werden als die Mitarbeiter unserer Muttergesellschaft, der L AG.“

4

Ein neuer Pensionsplan kam bei der S GmbH für vor dem 1. Januar 2002 eingetretene Mitarbeiter nicht zustande.

5

Die Versorgungsordnung der S GmbH vom November 1982 (im Folgenden VO S) enthält ua. die folgenden Regelungen:

        

„I.     

Versorgungszusage

        

1.    

Arbeitnehmer der Firma erhalten eine Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Versorgungszusage) vorausgesetzt, daß sie

                 

-       

in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Firma stehen und

                 

-       

das 25. Lebensjahr vollendet haben.

        

…       

        
        

3.    

Keine Versorgungszusage erhalten Arbeitnehmer,

                 

-       

die bei ihrem letzten Diensteintritt in die Firma das 60. Lebensjahr bereits vollendet haben,

                 

…       

        
        

4.    

Arbeitnehmer, die eine Versorgungszusage erhalten, erwerben damit eine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.

                 

Sie werden nachfolgend ‚Mitarbeiter (Anwärter)‘ genannt.

        

II.     

Leistungen

        

1.    

Diese Versorgungszusage umfaßt folgende Leistungen (nachfolgend ‚Firmenrenten‘ genannt):

        

A l t e r s r e n t e ,

        

v o r z e i t i g e  A l t e r s r e n t e ,

        

I n v a l i d e n r e n t e ,

        

W i t w e n r e n t e .

        

2.    

Ein Anspruch auf Firmenrente wird erworben, wenn die Wartezeit (III) abgelaufen ist und die für die jeweilige Leistung erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen (V, VI, VII) erfüllt sind.

        

III.   

Wartezeit

                 

Die Wartezeit ist abgelaufen, wenn der Anwärter eine anrechenbare Dienstzeit (XI 1) von mindestens fünf Jahren zurückgelegt und das 30. Lebensjahr vollendet hat.

        

IV.     

Feste Altersgrenze

                 

Die feste Altersgrenze ist bei Männern und Frauen mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. …

        

V.    

Anspruchsvoraussetzungen für Altersrente …

        

1.    

Den Anspruch auf Altersrente erwirbt der Mitarbeiter (Anwärter), dessen Arbeitsverhältnis zur Firma m i t  oder n a c h Erreichen der festen Altersgrenze (IV) endet.

        

…       

        
        

VII.   

Anspruchsvoraussetzungen für Witwenrente

        

1.    

Den Anspruch auf Witwenrente erwirbt die hinterlassene Ehefrau eines Mitarbeiters (Anwärters) mit dessen Tode.

                 

Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, daß der Mitarbeiter (Anwärter) die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat und daß bereits am 1. Mai vor seinem Tode sowohl die Wartezeit (III) abgelaufen ist, als auch die Ehe mindestens ein Jahr bestanden hat.

        

…       

        
        

X.    

Höhe der Witwenrente

        

1.    

Bemessungsgrundlage für die Witwenrente ist

                 

-       

nach dem Tode eines Mitarbeiters (Anwärters) die ‚erreichbare Altersrente‘ (IX 1) und

                 

-       

nach dem Tode eines Rentenempfängers die Firmenrente, auf die er bei seinem Tode Anspruch gehabt hat.

        

2.    

Die Witwenrente beträgt 60 % der Bemessungsgrundlage nach Ziffer 1.

                 

Ist die hinterlassene Ehefrau mehr als 15 Jahre jünger als der verstorbene Ehemann, so wird die Witwenrente für jedes weitere volle Jahr des Altersunterschiedes um 5 % ihres Betrages gekürzt.

        

…       

        
        

XVI.   

Zahlung der Firmenrenten

        

1. a) 

Die Firmenrente wird jeweils am Ende eines Monats fällig, und zwar erstmals für den Monat, der auf den Erwerb des Anspruchs (V, VI, VII) folgt.

        

   …   

        
        

2. a) 

Der Anspruch auf Firmenrente ruht bis zum Ablauf des Monats, für den noch andere Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis zur Firma gewährt werden, bis zur Höhe dieser Bezüge. …

        

3. a) 

Jede Firmenrente wird lebenslänglich gezahlt, jedoch endet

                 

-       

der Anspruch auf Invalidenrente mit dem Wegfall der Invalidität vor Erreichen der festen Altersgrenze (IV)

                 

-       

der Anspruch auf Witwenrente mit der Wiederverheiratung der Witwe.“

6

Im „Nachtrag zur Versorgungsordnung vom November 1982“ der S GmbH vom 15. September 1986 wurde der Anspruch auf Witwenrente auch auf Witwer ausgedehnt.

7

In der Pensionsordnung der L AG vom Oktober 1989 (im Folgenden PO L AG) ist ua. Folgendes geregelt:

        

㤠1

Berechtigte, Leistungsarten

        

1.    

Mitarbeiter im Sinne dieser Pensionsordnung sind alle Belegschaftsmitglieder der L AG, die keine einzelvertragliche Pensionszusage von der L AG erhalten bzw. erhalten haben. Mitarbeiter im Sinne dieser Pensionsordnung sind nicht …

        

2.    

Gewährt werden Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenpensionen.

        

…       

        
        

§ 4

Voraussetzungen für Hinterbliebenenpension

        

1.    

Hinterbliebenenpension (Witwen-, Witwer- und Waisenpension) wird gewährt, wenn für den verstorbenen Mitarbeiter im Zeitpunkt des Todes die Voraussetzungen auch unter Berücksichtigung von Absatz 3 für die Pensionsgewährung erfüllt waren. Die Witwen- (Witwer-) Pension wird mit Ablauf des Monats eingestellt, in dem die Witwe (der Witwer) sich wieder verheiratet.

        

2.    

Witwen- (Witwer-) Pension wird gewährt, wenn die Ehe vor Beginn der Alterspension des Mitarbeiters geschlossen wurde.

                 

Ist der Ehepartner mehr als 15 Jahre jünger als der Mitarbeiter, so wird die Witwen- (Witwer-) Pension für jedes volle Jahr, das diese Altersdifferenz übersteigt, um 5 % ihres Betrages gekürzt. Die Kürzung entfällt, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Todes mindestens 15 Jahre bestanden hat.

        

…       

        
        

§ 10

Höhe der Hinterbliebenenpension

        

1.    

Die Witwen- (Witwer-) Pension beträgt 60 % der Pension, die der Pensionsempfänger erhalten hat oder der Mitarbeiter erhalten hätte, wenn er im Zeitpunkt seines Ablebens Invalide geworden wäre.“

8

Unter dem 14. April 2008 schlossen der verstorbene Ehemann der Klägerin und die Beklagte einen „ Altersteilzeit-Arbeitsvertrag “. Dieser Vertrag enthält ua. die folgenden Vereinbarungen:

        

㤠1

Beginn der Altersteilzeitarbeit

                 

Das zwischen den Parteien bestehende Vollzeitarbeitsverhältnis wird in Abänderung und in Ergänzung des bestehenden Arbeitsvertrages mit Wirkung ab dem 01. Juli 2008 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt.

        

…       

        
        

§ 3

Arbeitszeit

                 

1.      

Die Arbeitszeit des Vertragspartners beträgt ab Beginn der Altersteilzeit während der Laufdauer dieses Vertrages die Hälfte seiner bisherigen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Das sind nunmehr 19,5 Stunden/Woche.

                 

2.    

Die Arbeitszeit wird so verteilt, dass sie im ersten Abschnitt des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vom 01. Juli 2008 bis 31. Mai 2010 voll geleistet (Arbeitsphase) und der Vertragspartner anschließend bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt (Freistellungsphase) wird.

                 

…       

        

§ 9

Betriebliche Leistungen

                 

…       

        

4.    

Altersversorgung

                 

Die Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung werden nach Maßgabe der jeweiligen Pensionsordnungen auf der Grundlage des Bruttovollzeitarbeitsentgeltes ermittelt, das der Arbeitnehmer ohne Altersteilzeit erzielt hätte (fiktives Arbeitsentgelt). Ein versicherungsmathematischer Abschlag wird nicht vorgenommen.

        

…       

        
        

§ 12

Ende des Beschäftigungsverhältnisses

                 

1. Das Beschäftigungsverhältnis endet ohne Kündigung am 30. April 2012.“

9

Mit Schreiben vom 4. Januar 2011 teilte die L AG der Klägerin unter dem Betreff „Hinterbliebenenzahlung“ Folgendes mit:

        

„…,     

        

wie Sie bereits wissen, bekommen Sie von uns ab dem 15.12.2010 eine Hinterbliebenenzahlung bis zum Beginn der Firmen-Witwenrente ab 01.03.2011.

        

Damit wir diese Hinterbliebenen-Abrechnung durchführen können, benötigen wir noch folgende Informationen bzw. Unterlagen von Ihnen:

        

…       

        

Aus der Altersteilzeit von Hr. G ist noch ein Wertguthaben i.H. von netto … Euro vorhanden. Dieses Wertguthaben ist an den Erbberechtigten nach Vorlage des Erbscheins auszuzahlen.

        

Deshalb bitten wir ebenfalls um Zusendung eines Original-Erbscheins, damit dieses Wertguthaben entsprechend zur Auszahlung gebracht werden kann.

        

…“    

10

Mit Schreiben vom 6. Mai 2011 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und teilte dieser unter dem Betreff „Sterbefall: Herr G/Firmenpension“ mit:

        

„…,     

        

aufgrund Ihres Anrufes mit dem Hinweis auf den Punkt 4a im Anstellungsvertrag vom 22.08.1989 des Herrn G haben wir den Sachverhalt wegen einer möglichen Änderung in den Pensions-Richtlinien der S-L GmbH noch mal überprüft.

        

Die im Anstellungsvertrag angesprochene Überarbeitung des Pensionsplans der S-L GmbH war zwar zum damaligen Zeitpunkt geplant, ist dann aber nie realisiert worden. Es wurde nur für neu eingetretene Mitarbeiter ab dem 01.01.2002 eine neue Pensionsordnung ins Leben gerufen, diese gilt aber nur für neue Mitarbeiter, nicht für den Mitarbeiterbestand bis zum 31.12.2001.

        

Demzufolge galt die Versorgungsordnung vom 01.07.1982 weiterhin für Herrn G und damit waren die Voraussetzungen für eine Firmen-Witwenpension der S-L GmbH leider nicht erfüllt.

        

…“    

11

Ausweislich der von der Beklagten im Verlaufe des Rechtsstreits erstellten fiktiven „Berechnung der Witwenpension für Frau G, geb. 10.10.1956“ vom 24. Oktober 2011 beläuft sich ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Witwenpension nach der VO S auf monatlich 723,49 Euro brutto.

12

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nach der VO S verpflichtet, an sie ab dem Monat März 2011 eine Witwenrente iHv. monatlich 723,49 Euro brutto zu zahlen. Die unter VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S aufgeführte Bestimmung, wonach der Mitarbeiter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen haben muss, stehe ihrem Anspruch nicht entgegen. Dies folge bereits aus Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989. Diese Bestimmung des Arbeitsvertrags enthalte das Versprechen, dass ihr verstorbener Ehemann im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung genau so behandelt werde, wie die Versorgungsberechtigten der L AG, deren Pensionsvereinbarung eine Spätehenklausel nicht enthalte. Zudem habe die Beklagte ihr das Bestehen eines Anspruchs auf Witwenrente mit Schreiben vom 4. Januar 2011 bestätigt. Dieses Schreiben stelle ein konstitutives Schuldversprechen bzw. Schuldanerkenntnis, zumindest ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar mit der Folge, dass die Beklagte ihr die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S nicht entgegenhalten könne. Jedenfalls sei die Spätehenklausel wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Sie bewirke eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters, die nicht nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt werden könne. Diese Bestimmung sei auf die Hinterbliebenenversorgung nicht, auch nicht analog anwendbar. Die Voraussetzungen für die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG lägen nicht vor.

13

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Witwenrente für die Monate März 2011 bis Dezember 2012 iHv. insgesamt 15.916,78 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 723,49 Euro seit dem jeweiligen Ersten des Folgemonats, beginnend mit dem 1. April 2011 und endend mit dem 1. Januar 2013 zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 1. Januar 2013 lebenslang zum Ende eines jeden Monats eine monatliche Witwenrente iHv. 723,49 Euro brutto zu zahlen,

        

hilfsweise zu 1. und 2.,

        

festzustellen, dass die Beklagte ihr beginnend mit dem 1. März 2011 eine betriebliche Witwenrente nach der Versorgungsordnung der S GmbH von November 1982 unter Berücksichtigung des Nachtrags vom 15. September 1986 iHv. kalendermonatlich derzeit 723,49 Euro brutto zu zahlen hat.

14

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne eine Witwenrente nicht beanspruchen, da die Ehe entgegen der in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S getroffenen Bestimmung erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres des verstorbenen Ehemannes der Klägerin geschlossen worden sei. Aus dem Arbeitsvertrag vom 22. August 1989 folge nichts Abweichendes. Die Zusage, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht schlechter gestellt werde als die Mitarbeiter der L AG, sei nur für den Fall gemacht worden, dass ein „neuer“ Plan erarbeitet werde. Ein Anspruch auf Anwendung bestimmter Regelungen der PO L AG ergebe sich hieraus nicht. Die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S sei zudem nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Sie bewirke keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Ihre Rechtsvorgängerin habe mit der Spätehenklausel den Zweck verfolgt, nicht noch kurz vor dem Versorgungsfall hohe Rückstellungen bilden zu müssen. Hierdurch habe das Risiko unkalkulierbarer zusätzlicher Versorgungsansprüche ausgeschlossen werden sollen, um die Finanzierbarkeit der bestehenden Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Sollte sich die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S als unwirksam erweisen, müssten ggf. Zusagen für künftige Mitarbeiter reduziert werden, da unkalkulierbare, später eingetretene Ereignisse (wie weitere Leistungsberechtigte) die Finanzierung der Betriebsrenten ins Ungleichgewicht führen könnten. Auch die Bestimmung der Altersgrenze auf das 60. Lebensjahr sei nicht zu beanstanden. Die zeitliche Grenze von 60 Jahren knüpfe an die Nähe zum Versorgungsalter an und lege mithin den Zeitraum fest, ab dem neue biometrische Risiken nicht mehr begründet werden sollen. Im Übrigen wirke sich aus, dass nach der unter I Ziff. 3 der VO S getroffenen Bestimmung Arbeitnehmer, die bei ihrem letzten Diensteintritt in die Firma das 60. Lebensjahr bereits vollendet hatten, von Versorgungsleistungen insgesamt ausgeschlossen seien. Vor diesem Hintergrund sei die Anknüpfung an die Eheschließung vor der Vollendung des 60. Lebensjahres für Ansprüche auf Hinterbliebenenrente erst recht nicht zu beanstanden.

15

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin nunmehr folgende Anträge:

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Betriebsrente für die Monate März 2011 bis Mai 2013 iHv. insgesamt 19.534,23 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 723,49 Euro seit dem jeweiligen Ersten des jeweiligen Folgemonats, beginnend mit dem 1. April 2011 und endend mit dem 1. Juni 2013 zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 1. Juni 2013 lebenslang zum Ende eines jeden Monats eine monatliche Witwenrente iHv. 723,49 Euro brutto zu zahlen,

        

3.    

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte ihr beginnend mit dem 1. März 2011 eine betriebliche Witwenrente nach der Versorgungsordnung der S GmbH von November 1982 unter Berücksichtigung des Nachtrags vom 15. September 1986 iHv. monatlich 723,49 Euro brutto zu zahlen hat.

16

Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit den Hauptanträgen zu Unrecht abgewiesen. Die Hauptanträge zu 1. und 2. sind zulässig und begründet. Einer Entscheidung über den Hilfsantrag der Klägerin bedarf es deshalb nicht.

18

A. Die Klage ist zulässig.

19

I. Dies gilt auch für den Hauptantrag zu 2. Der Klageantrag zu 2. ist auf die Zahlung wiederkehrender Leistungen iSd. § 258 ZPO gerichtet. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen(vgl. etwa BAG 10. Februar 2015 - 3 AZR 37/14 - Rn. 17; 17. Juni 2014 - 3 AZR 529/12 - Rn. 21 mwN).

20

II. Der Zulässigkeit der Klage mit den Hauptanträgen steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin ihren Hauptantrag zu 1. um rückständige Witwenrente für die Zeit von Januar 2013 bis Mai 2013 erweitert hat und dementsprechend mit ihrem Hauptantrag zu 2. künftige Leistungen erst ab dem 1. Juni 2013 verlangt.

21

Zwar sind Klageänderungen in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig. Antragsänderungen können allerdings aus prozessökonomischen Gründen jedenfalls zugelassen werden, wenn es sich dabei um Fälle des § 264 Nr. 2 ZPO handelt, der neue Sachantrag sich auf den in der Berufungsinstanz festgestellten Sachverhalt stützt und berechtigte Interessen des Gegners nicht beeinträchtigt werden(BAG 18. September 2007 - 3 AZR 560/05 - Rn. 14; 25. April 2006 - 3 AZR 184/05 - Rn. 13; 27. Januar 2004 - 1 AZR 105/03 - zu III der Gründe; 26. August 2003 - 3 AZR 431/02 - zu A der Gründe, BAGE 107, 197).

22

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin hat ihren Hauptantrag zu 1. um bis zum Zeitpunkt der Revisionsbegründung fällig gewordene monatliche Beträge und damit lediglich quantitativ erweitert und dementsprechend ihren Hauptantrag zu 2. eingeschränkt, ohne dass sich irgendetwas an dem bisherigen Klagegrund geändert hätte, § 264 Nr. 2 ZPO.

23

B. Die Klage mit den Hauptanträgen zu 1. und 2. ist begründet. Die Beklagte ist nach VII Ziff. 1 der VO S verpflichtet, an die Klägerin ab dem Monat März 2011 eine Witwenrente iHv. unstreitig monatlich 723,49 Euro brutto nebst eingeklagter Zinsen zu zahlen.

24

I. Die S GmbH hatte dem verstorbenen Ehemann der Klägerin eine Versorgung nach der VO S zugesagt, die auch eine Witwenversorgung umfasste. Da dieser bis zu seinem Tode am 14. Dezember 2010 bei der Beklagten beschäftigt war, ist für den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente VII Ziff. 1 der VO S maßgeblich, nach dessen Satz 1 die hinterlassene Ehefrau eines Mitarbeiters (Anwärters) den Anspruch mit dessen Tode erwirbt.

25

II. Die Klägerin erfüllt auch die zusätzlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Witwenrente ab dem Monat März 2011 nach VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S. Die Wartezeit nach III der VO S von fünf Jahren war bereits am 1. Dezember 1994 und damit Jahre vor dem maßgeblichen Datum 1. Mai 2010 erfüllt. Zudem hatte zu diesem Zeitpunkt die am 8. August 2008 geschlossene Ehe mindestens ein Jahr bestanden.

26

Dass die Ehe zwischen der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann entgegen der in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S getroffenen Bestimmung erst geschlossen wurde, nachdem dieser sein 60. Lebensjahr vollendet hatte, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin hatten ihr verstorbener Ehemann und die S GmbH die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S enthaltene Spätehenklausel zwar nicht durch Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989 abbedungen; ebenso wenig hatte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 4. Januar 2011 unabhängig von den Bestimmungen der VO S eine Witwenrente zugesagt oder den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente anerkannt; die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S ist jedoch gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, da sie eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 AGG bewirkt, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt ist.

27

1. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, hatten der verstorbene Ehemann der Klägerin und die S GmbH die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S enthaltene Spätehenklausel nicht durch Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989 abbedungen.

28

a) Das Landesarbeitsgericht hat diese Bestimmung des Arbeitsvertrags des verstorbenen Ehemannes der Klägerin vom 22. August 1989 dahin ausgelegt, dass die in der PO L AG niedergelegten Versorgungsbedingungen als Mindeststandard nur für den Fall der Überarbeitung der VO S garantiert wurden.

29

b) Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wobei dahinstehen kann, ob es sich bei den im Arbeitsvertrag vom 22. August 1989 getroffenen Vereinbarungen um atypische oder typische Willenserklärungen, mithin um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer unbeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

30

aa) Atypische Willenserklärungen sind nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen müssen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Die Auslegung individueller Willenserklärungen kann der Senat als Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 15. Juni 2010 - 3 AZR 994/06 - Rn. 26 f.; 11. Dezember 2001 - 3 AZR 334/00 - zu I 2 a aa der Gründe).

31

bb) Demgegenüber sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen obliegt auch dem Revisionsgericht (BAG 10. Dezember 2013 - 3 AZR 715/11 - Rn. 17; 25. Juni 2013 - 3 AZR 219/11 - Rn. 19 mwN, BAGE 145, 314).

32

cc) Die Auslegung von Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989 durch das Landesarbeitsgericht hält auch einer unbeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

33

Der verstorbene Ehemann der Klägerin und die S GmbH haben unter Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989 zunächst auf den bei der S GmbH bestehenden Pensionsplan, und damit auf die VO S Bezug genommen. Ferner enthält Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags die Formulierung, dass dieser Plan „zur Zeit überarbeitet“ wird. Hierbei handelt es sich erkennbar nur um einen Hinweis. Daher konnte die in Ziff. 4 Buchst. a Satz 2 des Arbeitsvertrags zudem enthaltene Zusicherung, der verstorbene Ehemann der Klägerin werde durch den neuen Plan nicht schlechter gestellt als die Mitarbeiter der Muttergesellschaft, der L AG, bei verständiger Würdigung nur so verstanden werden, dass diese Zusicherung nur gelten sollte, wenn ein neuer Pensionsplan tatsächlich zustande kommen würde. Vor diesem Hintergrund kann Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags des verstorbenen Ehemannes der Klägerin insbesondere nicht dahin ausgelegt werden, dass für dessen Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung die jeweils günstigeren Regelungen der VO S und der PO L AG Anwendung finden sollen.

34

2. Wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hat, hat die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 4. Januar 2011 weder unabhängig von den Bestimmungen der VO S eine Witwenrente zugesagt noch den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente anerkannt. Das Schreiben der Beklagten vom 4. Januar 2011 enthält in Bezug auf die Witwenrente weder ein konstitutives abstraktes Schuldversprechen iSv. § 780 BGB bzw. konstitutives abstraktes Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB, noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, aufgrund dessen der Beklagten eine Berufung auf die Spätehenklausel verwehrt wäre.

35

Das Schreiben der Beklagten vom 4. Januar 2011 enthielte nur dann ein selbständiges abstraktes Schuldversprechen iSv. § 780 BGB bzw. ein selbständig verpflichtendes Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB, wenn sich ihm im Wege der Auslegung der Wille der Beklagten entnehmen ließe, eine selbständige, von den zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen - hier: den Bestimmungen der VO S - losgelöste Verpflichtung zur Zahlung einer Witwenrente an die Klägerin zu übernehmen(vgl. etwa BGH 14. Januar 2008 - II ZR 245/06 - Rn. 15 mwN; 7. Dezember 2004 - XI ZR 361/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 161, 273; 14. Oktober 1998 - XII ZR 66/97 - zu 2 b der Gründe mwN). Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis stellte das Schreiben der Beklagten vom 4. Januar 2011 nur dann dar, wenn seine Auslegung ergäbe, dass die Parteien das Versorgungsverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit entziehen und es endgültig festlegen wollten (vgl. BGH 28. Mai 2014 - XII ZR 6/13 - Rn. 26; 12. März 2009 - IX ZB 157/08 - Rn. 2; 11. Januar 2007 - VII ZR 165/05 - Rn. 8 mwN; vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 931/12 - Rn. 40; 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu II 2 a der Gründe). Sowohl ein selbständiges abstraktes Schuldversprechen iSv. § 780 BGB bzw. ein selbständig verpflichtendes Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB als auch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis setzen demnach einen Rechtsbindungswillen voraus. Daran fehlt es, soweit der Schuldner lediglich eine Mitteilung macht. Dann handelt es sich allenfalls um eine rein deklaratorische Wissenserklärung ohne Rechtsbindungswillen und nicht um eine Willenserklärung (vgl. etwa BAG 14. Februar 2012 - 3 AZR 685/09 - Rn. 59; 23. August 2011 - 3 AZR 669/09 - Rn. 15 für die Auskunft nach § 4a Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG; 29. September 2010 - 3 AZR 546/08 - Rn. 19 mwN für den Bescheid nach § 9 Abs. 1 BetrAVG). Das Landesarbeitsgericht ist mit naheliegender Begründung davon ausgegangen, dass es an einem solchen Rechtsbindungswillen hier fehlt. Unter Zugrundelegung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstabs (oben B II 1 b aa) ist daher davon auszugehen, dass sich dem Schreiben vom 4. Januar 2011 ein Angebot der Beklagten, an die Klägerin ab dem 1. März 2011 ungeachtet der in der VO S bestimmten Versorgungsbedingungen eine Witwenrente zu zahlen, nicht entnehmen lässt.

36

3. Entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts bewirkt die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S enthaltene Voraussetzung, dass die Ehe vor der Vollendung des 60. Lebensjahres durch den Versorgungsberechtigten geschlossen sein muss, eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 AGG, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt und deshalb nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist.

37

a) Das AGG ist anwendbar.

38

aa) Das AGG gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentengesetz nicht vorrangige Sonderregelungen enthält(BAG 11. Dezember 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 22, BAGE 125, 133). Letzteres ist nicht der Fall.

39

bb) Das AGG ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Seine Anwendung setzt voraus, dass unter seinem zeitlichen Geltungsbereich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem Versorgungsschuldner bestand. Dabei ist auf den Beschäftigten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG) und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen (BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 31 mwN). Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AGG am 18. August 2006 (vgl. Art. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 - BGBl. I S. 1897) stand der Ehemann der Klägerin noch im Arbeits- und damit in einem Rechtsverhältnis zur Beklagten.

40

b) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe, ua. wegen des Alters, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam(vgl. etwa BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 17, BAGE 147, 279; 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 20 mwN).

41

c) Die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S enthaltene Anspruchsvoraussetzung, dass die Ehe vor der Vollendung des 60. Lebensjahres durch den Versorgungsberechtigten geschlossen wurde, bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 und § 7 AGG, wobei auch für die Beurteilung, ob eine Diskriminierung vorliegt, auf den Beschäftigten(§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG) und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen ist (vgl. etwa BAG 15. September 2009 - 3 AZR 294/09 - Rn. 28). Die Regelung knüpft unmittelbar an die Überschreitung des 60. Lebensjahres an und führt dazu, dass Mitarbeiter, die die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres schließen, von der Witwenversorgung vollständig ausgeschlossen sind. Damit erfahren Mitarbeiter, die - wie der verstorbene Ehemann der Klägerin - die Ehe schließen, nachdem sie das 60. Lebensjahr vollendet haben, wegen ihres Alters eine ungünstigere Behandlung.

42

d) Die durch die Spätehenklausel bewirkte Ungleichbehandlung ist nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.

43

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen. Indem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Anspruch auf Leistungen aus den dort aufgeführten betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit grundsätzlich objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist. Da eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen ist, muss die konkret gewählte Altersgrenze allerdings iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein(vgl. etwa BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 25; 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 20, BAGE 147, 279; 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 22 mwN).

44

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16, im Folgenden Richtlinie 2000/78/EG) in das nationale Recht. Die Bestimmung ist mit Unionsrecht vereinbar (vgl. im Einzelnen etwa BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21 ff., BAGE 147, 279; 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 23 mwN).

45

cc) Die durch die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 VO S bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters kann nicht nach § 10 Satz 3 Nr. 4 iVm. Satz 2 AGG gerechtfertigt werden.

46

(1) Einschlägig ist hier allein die in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG aufgeführte Fallgruppe der „Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen“. Es geht weder darum, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin überhaupt einen Anspruch auf Leistungen nach der VO S hat und damit nicht um die „Mitgliedschaft“ im Versorgungssystem, noch um die Durchführung versicherungsmathematischer Berechnungen innerhalb des Versorgungssystems. Vielmehr legt die VO S in VII Ziff. 1 Satz 2 besondere Voraussetzungen für den Bezug einer Witwenrente fest.

47

(2) § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG knüpft für die Fallgruppe der „Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen“ bereits von seinem Wortlaut her ausschließlich an die Risiken „Alter“ und „Invalidität“ und nicht an das Risiko des „Todes“ an und erfasst deshalb ausschließlich die Alters- und Invaliditätsversorgung, nicht jedoch die Hinterbliebenenversorgung und damit auch nicht die Witwenversorgung, um die es vorliegend geht.

48

(3) Dass eine Hinterbliebenenversorgung regelmäßig nur dann versprochen wird, wenn auch eine Altersversorgung zugesagt ist und dass sich die Höhe einer Witwen- und Witwerversorgung regelmäßig an der Höhe der betrieblichen Altersrente oder - sofern versprochen - der Invaliditätsrente orientiert, die Witwen- und Witwerrente demnach regelmäßig in einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis zur Alters- und Invaliditätsrente steht, führt entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht dazu, dass die Witwen- und Witwerrente als „Annex“ von der in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG aufgeführten Alters- bzw. Invaliditätsrente miterfasst würde. Dies folgt aus einer unionsrechtskonformen Auslegung der Bestimmung.

49

Mit § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hat der nationale Gesetzgeber von der Ermächtigung in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG Gebrauch gemacht und diese Bestimmung in nationales Recht umgesetzt. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt. Die Auslegung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hat deshalb unionsrechtskonform iSv. Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zu erfolgen.

50

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zu Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG mit Urteilen vom 26. September 2013 (- C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 39 bis 43; - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 44 bis 48) erkannt, diese Bestimmung sei dahin auszulegen, dass sie nur auf eine Altersrente oder Leistungen bei Invalidität eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit anwendbar ist. Sie gilt danach also nur für ein betriebliches System der sozialen Sicherheit, das die Risiken von „Alter“ und „Invalidität“ abdeckt. Eine Auslegung dahin, dass diese Vorschrift für alle Arten von betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit gilt, stellt danach einen Verstoß gegen das Erfordernis dar, die Vorschrift eng auszulegen und würde eine unzulässige Ausdehnung ihres Geltungsbereichs bewirken.

51

(4) Entgegen ihrer Rechtsauffassung kann die Beklagte aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2009 (- 8 CN 1.09 - BVerwGE 134, 99) für eine Anwendung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG auf die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S geregelte Spätehenklausel nichts zu ihren Gunsten ableiten. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung die Invaliditätsversorgung als von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG erfasst betrachtet; es hat ausgeführt, die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung wegen des Alters sei in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zwar ausdrücklich nur für den Bezug von Alters- und Invaliditätsrente geregelt, nicht hingegen für die Hinterbliebenenrente. Die Hinterbliebenenrente leite sich jedoch zwingend von der Alters- und Invaliditätsrente ab und lehne sich anteilig an. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch vor der gegenteiligen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergangen.

52

dd) Die durch die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 VO S bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters kann auch nicht in erweiternder Auslegung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG oder in analoger Anwendung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt werden.

53

(1) Zwar heißt es in § 10 Satz 3 AGG, dass derartige unterschiedliche Behandlungen „insbesondere“ die unter den Nr. 1 bis 6 aufgeführten Fälle einschließen können. Damit zählt § 10 Satz 3 AGG seinem Wortlaut nach nur Beispielsfälle auf und enthält keinen abschließenden Katalog von Anwendungsfällen denkbarer Rechtfertigungen für eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters(vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 45; 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 35, BAGE 133, 265; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 40, BAGE 129, 181). Dennoch ist die Verwendung von Alterskriterien in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen im Todesfall, mithin für den Bezug einer Witwen- und Witwerrente, kein denkbarer - über die ausdrücklich genannten Beispielsfälle hinausgehender - Anwendungsfall einer Rechtfertigung iSv. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG. Eine ergänzende Auslegung dieser Bestimmung dahin, dass sie auch die Festsetzung von Altersgrenzen in Betriebsrentensystemen als Voraussetzung für den Bezug einer Hinterbliebenenrente erfasst oder eine analoge Anwendung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG auf solche Altersgrenzen scheidet aus. Dies folgt ebenfalls aus einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 10 Satz 3 AGG im Lichte von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG.

54

(2) Nur Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG enthält - wie die Verwendung des Begriffs „insbesondere“ verdeutlicht - einen nicht abschließenden Katalog von Anwendungsfällen denkbarer Rechtfertigungen für eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (EuGH 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 36, Slg. 2010, I-11869). Demgegenüber hat der Unionsgesetzgeber eine mögliche Rechtfertigung einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit nicht in den Beispielkatalog von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG aufgenommen, sondern in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG einer eigenständigen Regelung zugeführt. Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG, der es den Mitgliedstaaten gestattet, eine Ausnahme vom Verbot der Diskriminierung aus Gründen des Alters vorzusehen, ist nicht nur eng auszulegen(EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 41; 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 46), sondern auch abschließend. Eine Ausnahme von dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ist bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ausschließlich in den in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG ausdrücklich genannten Fällen möglich. Hätte der Unionsgesetzgeber den Geltungsbereich dieser Bestimmung über die dort genannten Fälle hinaus ausdehnen wollen, hätte er dies - wie in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG geschehen - durch eine eindeutige Formulierung, zB unter Verwendung des Adverbs „insbesondere“ getan (EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 39; 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 44).

55

ee) Die durch die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S bewirkte unmittelbare Ungleichbehandlung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin wegen des Alters ist auch nicht nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt. Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters gestattet, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist; nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Es kann vorliegend dahinstehen, ob die durch die Spätehenklausel bewirkte Ungleichbehandlung der Versorgungsberechtigten wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist. Jedenfalls ist die Altersgrenze von 60 Jahren in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele nicht angemessen und erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG.

56

(1) Es kann offenbleiben, ob die durch VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

57

(a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat nicht nur erkannt, dass legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung solche aus dem Bereich „Arbeits- und Sozialpolitik“ sind (vgl. EuGH 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Ingeniørforengingen i Danmark] Rn. 19; 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 34; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 50; 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 81, Slg. 2011, I-8003; 18. Juni 2009 - C-88/08 - [Hütter] Rn. 41, Slg. 2009, I-5325; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569; 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, Slg. 2010, I-9343; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 41, Slg. 2010, I-9391; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch BVerfG 24. Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11 - Rn. 15). Er hat zudem mit Urteil vom 26. September 2013 (- C-476/11 - [HK Danmark]) ausgeführt, dass auch Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik, die ein Arbeitgeber mit einer im Arbeitsvertrag vorgesehenen betrieblichen Altersvorsorge anstrebt, legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sein können. Gleichzeitig hat er die Legitimität der Ziele für den Fall bejaht, dass diese im Rahmen sozial-, beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischer Belange den Interessen aller Beschäftigten Rechnung tragen, um diesen bei Eintritt in den Ruhestand eine Altersversorgung in angemessener Höhe zu gewährleisten (EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark]). Da nach alledem legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG allerdings nur solche im Rahmen sozial-, beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischer Belange sind, die den Interessen der Beschäftigten Rechnung tragen, können Ziele, die ausschließlich im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, eine Diskriminierung wegen des Alters nicht nach § 10 Satz 1 AGG rechtfertigen(vgl. etwa BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 26, BAGE 147, 89).

58

(b) Ob die mit der unter VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S getroffenen Spätehenklausel bewirkte Diskriminierung wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist, ist zweifelhaft.

59

(aa) Die Beklagte hatte sich bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ausschließlich darauf berufen, ihre Rechtsvorgängerin habe mit der Spätehenklausel das Ziel verfolgt, nicht noch kurz vor dem Versorgungsfall hohe Rückstellungen bilden zu müssen. Es habe das Risiko unkalkulierbarer zusätzlicher Versorgungsansprüche ausgeschlossen werden sollen, um die Finanzierbarkeit bestehender Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Im ungünstigsten Fall müssten Zusagen für künftige Mitarbeiter reduziert werden, da unkalkulierbare, später eingetretene Ereignisse (wie weitere Leistungsberechtigte) die Finanzierung der Betriebsrenten ins Ungleichgewicht führen könnten. In der Revision hat sie zudem ausgeführt, die Rückstellungen für die Altersversorgung beruhten auf versicherungsmathematischen Berechnungen, die sich ihrerseits an die Sterbetafeln anlehnten. Diese Berechnungen hätten mit der Spätehenklausel abgesichert werden sollen; es sei darum gegangen, unkalkulierbare Risiken zu vermeiden. Das Risiko einer höheren Kostenlast verwirkliche sich bei einer Heirat im hohen Lebensalter allein dadurch, dass der Altersunterschied der Eheleute immer größer werde und die Versorgungsleistungen deshalb über einen längeren Zeitraum erbracht werden müssten. Welchen Weg ein Arbeitgeber zur Minimierung des Risikos von Spätehen wähle, ob durch eine Altersabstands- oder durch eine Spätehenklausel, müsse ihm überlassen bleiben.

60

(bb) Soweit die Beklagte mit ihrem Vorbringen zu den Rückstellungen zum Ausdruck bringen will, dass die Spätehenklausel dazu dient, den administrativen Aufwand bei der nach § 249 HGB vorzunehmenden Bildung und Auflösung von Pensionsrückstellungen gering zu halten, stellt sich dieses Ziel - für sich betrachtet - als Ziel im ausschließlichen Eigeninteresse der Versorgungsschuldnerin dar und ist damit kein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG(vgl. EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 36 zu „Haushaltserwägungen“ und „administrativen Erwägungen“ eines Mitgliedstaats).

61

(cc) Soweit die Beklagte geltend macht, die Spätehenklausel bezwecke, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den Versorgungsaufwand für die Hinterbliebenenversorgung versicherungsmathematisch verlässlich kalkulieren zu können, ist allerdings zweifelhaft, ob die unterschiedliche Behandlung der Versorgungsberechtigten wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

62

Zwar entscheidet der Arbeitgeber bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung. Entschließt er sich hierzu, so ist er auch frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert. Er kann Leistungen der Hinterbliebenenversorgung versprechen; eine Rechtspflicht hierzu trifft ihn nicht. Aus diesem Grund ist er grundsätzlich auch berechtigt, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von dieser Versorgung auszuschließen (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 74 mwN, BAGE 134, 89). Auch liegt eine Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließende Merkmale gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringt. Diese betreffen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung.

63

Vor diesem Hintergrund bestand im vorliegenden Verfahren arbeitgeberseitig ein berechtigtes Interesse daran, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den Versorgungsaufwand verlässlich kalkulieren zu können (BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 38; 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 75 mwN, BAGE 134, 89). Dieses Ziel ist zwar ein rechtmäßiges Ziel iSv. § 3 Abs. 2 AGG, das über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung entscheidet(vgl. etwa BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 36 f.; 15. Oktober 2013 - 3 AZR 294/11 - Rn. 30 f., BAGE 146, 200). Ob es jedoch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG ist und damit eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters rechtfertigen kann(vgl. dagegen noch etwa BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 36; 15. Oktober 2013 - 3 AZR 294/11 - Rn. 30, aaO), ist vor dem Hintergrund auch der angeführten neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht ohne Weiteres eindeutig zu beantworten. Gegen die Legitimität des Ziels iSv. § 10 Satz 1 AGG könnte sprechen, dass eine Risikobegrenzung zum Zwecke einer verlässlichen Kalkulation des für die Hinterbliebenenversorgung zur Verfügung gestellten Dotierungsrahmens zunächst im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegt; dafür könnte indes sprechen, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur zukommen lassen, wenn sie auch die Möglichkeit haben, den aus der Versorgungszusage resultierenden Versorgungsaufwand verlässlich zu prognostizieren.

64

(dd) Soweit die Beklagte sich darauf beruft, mit der Spätehenklausel werde auch bezweckt, die für die Witwen-/Witwerversorgung insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel nur einem eingegrenzten Personenkreis zukommen zu lassen, um diesem bei Eintritt des Versorgungsfalls „Tod“ eine Witwen-/Witwerversorgung in angemessener, weil substantieller Höhe gewähren zu können, spricht vor dem Hintergrund des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. September 2013 (- C-476/11 - [HK Danmark]) viel dafür, dass die Spätehenklausel durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

65

(2) Dies kann vorliegend jedoch offenbleiben, da die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S konkret auf die Vollendung des 60. Lebensjahres bestimmte Altersgrenze zur Erreichung der mit der Spätehenklausel angestrebten Ziele, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den erforderlichen Versorgungsaufwand verlässlich kalkulieren zu können sowie die für die Witwen-/Witwerversorgung insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel auf einen bestimmten Personenkreis zu verteilen, um diesem bei Eintritt des Versorgungsfalls „Tod“ eine Witwen-/Witwerversorgung in angemessener Höhe gewähren zu können, nicht angemessen und erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG ist.

66

(a) Die in der Spätehenklausel auf die Vollendung des 60. Lebensjahres bestimmte Altersgrenze ist - in unionsrechtskonformer Auslegung von § 10 Satz 2 AGG - nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlaubt, das mit der Spätehenklausel verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Arbeitnehmer zu führen, denen aufgrund der Klausel die Witwen-/Witwerversorgung vorenthalten wird, weil sie bei Eheschließung bereits das 60. Lebensjahr vollendet hatten (vgl. etwa EuGH 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 25) und sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 59).

67

(b) Die in VII Ziff. 1 Satz 2 VO S auf die Vollendung des 60. Lebensjahres festgelegte Altersgrenze ist nicht angemessen und erforderlich, weil sie zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der Versorgungsberechtigten führt, die - weil sie bei Eheschließung das 60. Lebensjahr vollendet hatten - von der Witwen-/Witwerversorgung vollständig ausgeschlossen werden. Zudem geht sie zum Teil auch über das hinaus, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist.

68

(aa) Die Zusage der Witwen-/Witwerversorgung nach der VO S ist Teil einer umfassenden Versorgungsregelung. Durch die Zusage sollen die Arbeitnehmer in der Sorge um die finanzielle Lage ihrer Hinterbliebenen entlastet werden. Die Hinterbliebenenversorgung nach dem Betriebsrentengesetz knüpft an das typisierte Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers an (vgl. BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 38). Für dieses Versorgungsinteresse ist es jedoch unerheblich, zu welchem Zeitpunkt die Ehe geschlossen wurde. Es existiert vor allem kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass die Versorgungsberechtigten, die die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres schließen, ein geringeres Interesse an der Versorgung ihrer Witwen und Witwer haben als Versorgungsberechtigte, die die Ehe in einem jüngeren Lebensalter schließen. Sowohl die Versorgungsberechtigten, die die Ehe vor der Vollendung ihres 60. Lebensjahres als auch die Versorgungsberechtigten, die die Ehe erst danach geschlossen haben, haben ein gleichermaßen anerkennenswertes Interesse an der Versorgung ihrer Ehepartner.

69

(bb) Zudem wirkt sich aus, dass die Hinterbliebenenversorgung ihren Ursprung in der dem Arbeitnehmer und der Arbeitnehmerin erteilten Versorgungszusage hat und dass betriebliche Altersversorgung auch Entgelt der berechtigten - männlichen wie weiblichen - Arbeitnehmer ist, das diese als Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebszugehörigkeit erhalten (vgl. etwa BAG 12. November 2013 - 3 AZR 274/12 - Rn. 27 mwN). Danach ist es regelmäßig nicht angemessen, die unter Geltung einer Versorgungszusage abgeleistete Betriebszugehörigkeit im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung allein deshalb vollständig unberücksichtigt zu lassen, weil der Versorgungsberechtigte bei Eheschließung das 60. Lebensjahr bereits vollendet hatte.

70

(cc) Die Vollendung des 60. Lebensjahres stellt auch - anders als das Ende des Arbeitsverhältnisses (vgl. hierzu BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 38) oder der Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer selbst (vgl. hierzu BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 294/11 - Rn. 32, BAGE 146, 200) - keine „Zäsur“ dar, die es der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausnahmsweise hätte gestatten können, in den Bestimmungen über die Witwen-/Witwerversorgung zur Begrenzung des mit der Versorgungszusage verbundenen Risikos und Aufwands hieran anzuknüpfen und die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers ab diesem Zeitpunkt bei der Abgrenzung ihrer Leistungspflichten unberücksichtigt zu lassen.

71

Dies folgt aus den Wertungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, wonach betriebliche Altersversorgung iSd. Betriebsrentengesetzes nur vorliegt, wenn dem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung vom Arbeitgeber „aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses“ zugesagt werden. Danach muss zwischen dem Arbeitsverhältnis und der Zusage ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. etwa BAG 20. April 2004 - 3 AZR 297/03 - zu I 2 der Gründe, BAGE 110, 176; 25. Januar 2000 - 3 AZR 769/98 - zu II 2 der Gründe). Im Hinblick darauf übernimmt der Arbeitgeber mit der Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bestimmte Risiken, die Altersversorgung deckt einen Teil der „Langlebigkeitsrisiken“, die Invaliditätssicherung einen Teil der Invaliditätsrisiken und die Hinterbliebenenversorgung einen Teil der Todesfallrisiken ab (vgl. etwa BAG 25. Juni 2013 - 3 AZR 219/11 - Rn. 13, BAGE 145, 314). Vor diesem Hintergrund sind zwar das Ende des Arbeitsverhältnisses und der Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer, zu dem typischerweise auch das Arbeitsverhältnis sein Ende findet, sachgerechte Anknüpfungspunkte für Regelungen über den Ausschluss von der Hinterbliebenenversorgung, nicht aber ein vom Ende des Arbeitsverhältnisses unabhängiges Alter.

72

Die Nähe der Vollendung des 60. Lebensjahres zum Versorgungsfall „Alter“ ändert daran entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nichts. Es besteht für sich genommen kein hinreichender innerer Zusammenhang zwischen dem Abstand zu diesem Versorgungsfall und der Hinterbliebenenversorgung.

73

(dd) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts, die die Beklagte verteidigt, lässt sich die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S bestimmte Spätehenklausel auch nicht mit der zusätzlichen Begründung rechtfertigen, die Berufstätigkeit des Arbeitnehmers, der bei Eheschließung das 60. Lebensjahr vollendet hat, werde nicht mehr entscheidend durch die Fürsorge des Ehegatten mitgetragen. Die Beklagte hat kein anerkennenswertes Interesse daran, zur Abgrenzung ihrer Leistungspflichten zwischen den Ehen, die vor der Vollendung des 60. Lebensjahres des Versorgungsberechtigten und den Ehen, die erst danach geschlossen wurden, mit dieser Begründung zu differenzieren. Auch dies macht die in der Spätehenklausel bestimmte Altersgrenze nicht angemessen.

74

Die etwaige „Fürsorge“ des Ehegatten für sich betrachtet steht in keinem rechtlich relevanten Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Versorgungsberechtigten, anlässlich dessen die Hinterbliebenenversorgung zugesagt wurde, sondern betrifft die private Lebensgestaltung. Soweit nicht der „Fürsorgegedanke“ im Vordergrund stehen sollte, sondern beabsichtigt war, nach der noch möglichen Ehedauer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls „Alter“, mit dem das Arbeitsverhältnis regelmäßig endet, zu differenzieren, besteht zwar ein Bezug zum Arbeitsverhältnis. Die Dauer der Ehe während des Arbeitsverhältnisses ist aber kein angemessener Anknüpfungspunkt für Leistungen der Hinterbliebenenversorgung, weil diese Leistungen Gegenleistung für die Beschäftigungszeit, nicht aber für die Ehedauer sind. Zudem führt ein Abstellen auf eine noch mögliche Ehedauer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls „Alter“ zu einer unangemessenen Benachteiligung der Versorgungsberechtigten gegenüber anderen Arbeitnehmern, die bei Eintritt des Nachversorgungsfalls ebenfalls noch nicht für eine bestimmte Zeit während des Arbeitsverhältnisses verheiratet waren.

75

Aus der von der Beklagten angezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 2010 (- 1 BvR 2584/06 - BVerfGK 17, 120) folgt nichts Abweichendes. Zum einen hatte sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010 (- 1 BvR 2584/06 - aaO) mit einer Satzungsbestimmung eines Versorgungswerks einer Ärztekammer zu befassen, das durch eigene Beitragsleistungen der Versicherten finanziert wurde, und bei dem nur die originär eigene Rente des Versicherten (Alters- und Invaliditätsversorgung) Gegenleistung der Beitragsleistung war, während die Hinterbliebenenversorgung - anders als die arbeitgeberfinanzierte betriebliche Hinterbliebenenversorgung nach der VO S - ausschließlich Versorgungscharakter hatte, weil sie nicht auf einer dem Versicherten zurechenbaren Eigenleistung beruhte. Zum anderen sah die vom Bundesverfassungsgericht zu beurteilende Satzungsbestimmung des Versorgungswerks der Ärztekammer - anders als die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S - nicht vor, dass Versorgungsberechtigte, die die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen hatten, von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen waren. Vielmehr bestimmte sie, dass der verwitwete Eheteil aus einer Ehe, die das Versorgungswerksmitglied erst nach Beginn der Altersrente geschlossen hatte, keinen Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung hat. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Satzungsbestimmung mit der Begründung gebilligt, der Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung könne davon abhängig gemacht werden, dass der Versicherte und der Hinterbliebene bereits während der Erwerbstätigkeit des Versicherten miteinander verheiratet gewesen seien; es sei nicht zu beanstanden, wenn der Satzungsgeber Hinterbliebenenrente nur denjenigen Hinterbliebenen gewähren wolle, die zumindest zu einem Teil den Berufsweg des Versicherten als Ehegatten begleitet haben.

76

(ee) Entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts, die die Beklagte in der Revision ebenfalls verteidigt, lässt sich die Anknüpfung an das 60. Lebensjahr in der Spätehenklausel auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, mit ihr würden zulässigerweise Ansprüche auf eine Witwen-/Witwerversorgung in den Fällen ausgeschlossen, in denen nur eine sog. Versorgungsehe geführt wird. Zwar läge darin eine Begrenzung des Risikos auf Fälle, in denen das Versorgungsrisiko nicht gezielt zulasten des Arbeitgebers geschaffen wird. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S überhaupt dem Zweck dient, Versorgungsehen von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen und das arbeitgeberseitige Risiko entsprechend zu begrenzen. Die Beklagte hat sich auf diesen Zweck der Klausel zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich berufen. Aber selbst wenn die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S - wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - dem Zweck dienen sollte, sog. Versorgungsehen von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen, ließe sich die durch die Altersgrenze von 60 Jahren bewirkte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nicht nach § 10 Satz 2 AGG rechtfertigen. Die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S wäre zur Erreichung des mit ihr angestrebten Ziels nicht geeignet.

77

Von einer Versorgungsehe kann nur dann gesprochen werden, wenn die Heirat allein oder überwiegend zu dem Zweck erfolgte, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen (Definition in Anlehnung an § 46 Abs. 2a SGB VI, § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG). Zwar kann bei einer Ehe, die zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls „Tod“ - unabhängig vom gleichzeitigen Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Versorgungsschuldner - erst von kurzer Dauer war, die Vermutung gerechtfertigt sein kann, dass die Ehe unter Versorgungsgesichtspunkten geschlossen wurde. So enthalten beispielsweise § 46 Abs. 2a SGB VI und § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG für Ehen, die nicht mindestens ein Jahr vor Eintritt des Versicherungs- bzw. Versorgungsfalls geschlossen wurden, eine gesetzlich widerlegbare Vermutung, dass die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war. Hingegen existiert kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine Eheschließung nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Versorgungsberechtigten ausschließlich oder überwiegend unter Versorgungsgesichtspunkten erfolgte. Vielmehr ist bei Eheschließungen nach Vollendung des 60. Lebensjahres ein anderer Zweck der Eheschließung mindestens ebenso wahrscheinlich wie der Versorgungszweck.

78

(ff) Die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S lässt sich entgegen den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, bei Eingehung einer versorgungsnahen Ehe sei eher davon auszugehen, dass der Ehegatte über eigene Versorgungsanwartschaften oder Vermögen verfüge und deshalb auf eine Hinterbliebenenversorgung nicht in dem Maße angewiesen sei wie eine junge Familie. Auch unter diesem Gesichtspunkt liegt keine angemessene Risikobegrenzung vor. Es kann dahinstehen, ob die Annahme des Landesarbeitsgerichts überhaupt zutrifft. Nach den Wertungen der VO S kommt es hierauf nicht an. Die VO S knüpft mit der in X zur Höhe der Witwen-/Witwerrente getroffenen Bestimmung ausschließlich an das Ausmaß an, in dem der durch den Tod des Versorgungsberechtigten verursachte Wegfall der erreichbaren bzw. bezogenen Betriebsrente kompensiert werden soll und definiert so den Versorgungsbedarf. Bestimmungen über eine Anrechnung von Einkünften oder Vermögen des hinterbliebenen Ehegatten auf die Witwen-/Witwerrente enthält die VO S nicht. Diese Umstände machen deutlich, dass es nach den Wertungen der VO S für den Anspruch auf Witwen-/Witwerversorgung unerheblich ist, wie die private Lebensgestaltung des Witwers oder der Witwe im Hinblick auf Erwerbseinkommen und Versorgung vor der Eheschließung war.

79

(gg) Aus dem Umstand, dass nach I Ziff. 3 der VO S Arbeitnehmer, „die bei ihrem letzten Diensteintritt in die Firma das 60. Lebensjahr vollendet haben“, keine Versorgungszusage erhalten, mithin von vornherein weder Anspruch auf eine Altersrente noch auf eine Invaliden- oder Witwen-/Witwerrente erwerben können, kann die Beklagte ebenfalls nichts für sich herleiten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Senat mit Urteil vom 12. Februar 2013 (- 3 AZR 100/11 - BAGE 144, 231) sogar einer Bestimmung in einer vom Arbeitgeber geschaffenen Versorgungsordnung Wirksamkeit zuerkannt hat, nach der ein Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur besteht, wenn der Arbeitnehmer eine mindestens 15-jährige Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zurücklegen kann. Mit der unter I Ziff. 3 der VO S getroffenen Bestimmung wird zum Ausdruck gebracht, dass für den Fall, dass der Arbeitnehmer bei seinem Eintritt in das Unternehmen das 60. Lebensjahr bereits vollendet hat, überhaupt kein Versorgungsrisiko übernommen werden soll. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine bereits grundsätzlich erfolgte Risikoübernahme, dh. zugesagte Versorgung - hier die Hinterbliebenenversorgung - von zusätzlichen anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzungen abhängig gemacht werden darf und damit Personen, die diese Voraussetzungen (nicht) erfüllen, von der Versorgung ihrer Hinterbliebenen ausgeschlossen werden dürfen.

80

(hh) Aus den in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG getroffenen Regelungen, wonach ein Anspruch auf Witwenrente nicht besteht, wenn die Ehe erst nach dem Eintritt des Beamten in den Ruhestand geschlossen worden ist und der Ruhestandsbeamte zur Zeit der Eheschließung die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und Abs. 2 BBG bereits erreicht hatte, kann die Beklagte ebenfalls nichts für sich herleiten. Dies folgt bereits daraus, dass diese Bestimmung - soweit sie an das Lebensalter anknüpft - auf die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und Abs. 2 BBG und damit auf den Zeitpunkt abstellt, zu dem regelmäßig das Dienstverhältnis zum Dienstherrn endet. Eine solche Anknüpfung an eine derartige „Zäsur“ enthält die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S hingegen nicht.

81

(ii) Entgegen ihrer Rechtsauffassung spricht auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2009 (- 8 CN 1.09 - BVerwGE 134, 99) nicht für die Beklagte. Die Erwägungen, die das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung angestellt hat, sind auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragbar und können deshalb die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S nicht rechtfertigen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung eine Bestimmung in der Satzung eines Versorgungswerks als nicht altersdiskriminierend gebilligt, wonach die Witwen-/Witwerrente nicht gewährt wird, wenn die Ehe nach Vollendung des 62. Lebensjahres oder nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Mitglieds geschlossen wurde und nicht mindestens drei Jahre bestanden hat. Allerdings ging es in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Verfahren um ein Versorgungswerk einer Rechtsanwaltskammer, das sich - wie eine Versicherung - ausschließlich durch Beiträge seiner Mitglieder finanzierte. Zudem wurde die Hinterbliebenenversorgung ohne erhöhten Beitrag des Mitglieds für seine Hinterbliebenen gewährt, wovon das verheiratete Mitglied des Versorgungswerks profitierte. Der Zweck der Satzungsregelung bestand mithin in der finanziellen Risikobegrenzung der Versichertengemeinschaft als Solidargemeinschaft. Anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Verfahren bilden die nach der VO S Versorgungsberechtigten indes keine Solidar- oder Gefahrengemeinschaft, die die Lasten, die dem Einzelnen und den Hinterbliebenen aus der Verwirklichung der Risiken Alter, Invalidität oder Tod erwachsen, auf den gesamten Stand verteilen.

82

Aus den Urteilen des Senats vom 28. Juli 2005 (- 3 AZR 457/04 - BAGE 115, 317) und vom 19. Dezember 2000 (- 3 AZR 186/00 -) folgt bereits deshalb nichts Abweichendes, weil die dort vom Senat gebilligten Spätehenklauseln nicht am AGG zu messen waren.

83

(jj) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S auch nicht angemessen und erforderlich, weil die Möglichkeit bestanden hätte, anstelle der Spätehenklausel eine Altersabstandsklausel in die Versorgungsordnung aufzunehmen. Zwar begrenzen Altersabstandsklauseln das Risiko des Arbeitgebers, nämlich nach demographischen Kriterien. Je jünger die Ehepartner im Verhältnis zu den Arbeitnehmern sind, denen eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt wurde, desto länger ist der Zeitraum, während dessen der Arbeitgeber durchschnittlich die Hinterbliebenenversorgung zu gewähren hat. Auch bewirken Altersabstandsklauseln, dass sich die für die Witwen-/Witwerversorgung insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel auf einen kleineren Kreis von Hinterbliebenen verteilen, sodass diese bei Eintritt des Versorgungsfalls „Tod“ eine höhere Witwen-/Witwerversorgung erhalten. Schließlich ist einem hohen Altersabstand innerhalb einer Ehe immanent, dass der jüngere Ehepartner einen erheblichen Teil seines Lebens ohne den älteren Ehepartner und die an dessen Einkommenssituation gekoppelten Versorgungsmöglichkeiten verbringt. Es kann dahinstehen, ob diese Erwägungen unter Geltung des AGG, und wenn ja, für welche Klauseln überhaupt noch tragen. Die streitbefangene Spätehenklausel stellt gerade keine Altersabstandsklausel dar.

84

4. Da die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S getroffene Spätehenklausel wegen Verstoßes gegen das in § 7 Abs. 1 AGG normierte Verbot der Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist, steht sie dem Anspruch der Klägerin auf Witwenrente nicht entgegen. Die Beklagte ist deshalb verpflichtet, an die Klägerin ab dem 1. März 2011 eine Witwenrente in unstreitiger Höhe von monatlich 723,49 Euro zu zahlen. Dass dadurch der bei Schaffung der VO S für die Hinterbliebenenversorgung bereitgestellte Dotierungsrahmen ggf. in einem Maße überschritten wird, dass die Finanzierung der Betriebsrenten insgesamt ins „Ungleichgewicht“ gerät und die Beklagte deshalb Zusagen für künftige Mitarbeiter reduziert, ändert daran nichts. Die Beklagte kann im Hinblick auf eine Einhaltung des für die Hinterbliebenenversorgung nach der VO S ursprünglich festgelegten Dotierungsrahmens keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. Der zeitliche Geltungsbereich des AGG wird deshalb hier nicht durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (zu derartigen Beschränkungen BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Die Anwendung der Bestimmungen des AGG auf die von der Klägerin geltend gemachte Witwenrente nach der VO S bewirkt keine echte, sondern lediglich eine unechte Rückwirkung. Diese ist zulässig.

85

Eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet oder wenn die Rechtsfolgen einer Norm zwar erst nach ihrer Verkündung eintreten, deren Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung „ins Werk gesetzt“ worden sind (vgl. BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 558/10 - Rn. 25 mwN). Die belastende Rechtsfolge von § 7 Abs. 2 AGG, die für die Beklagte erst nach Verkündung des AGG eintritt, wurde tatbestandlich von der dem verstorbenen Ehemann der Klägerin erteilten Versorgungszusage und damit von einem bereits „ins Werk gesetzten“, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt ausgelöst.

86

Die Grenzen einer zulässigen unechten Rückwirkung einer gesetzgeberischen Entscheidung sind erst überschritten, wenn die unechte Rückwirkung nicht geeignet oder erforderlich ist, um den Gesetzeszweck zu erreichen, oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen. Knüpft der Gesetzgeber für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte an, sind die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage abzuwägen. Der vom Gesetzgeber zu beachtende Vertrauensschutz geht allerdings nicht so weit, den normunterworfenen Personenkreis vor Enttäuschungen zu bewahren (vgl. BAG 27. März 2014 - 6 AZR 204/12 - Rn. 46, BAGE 147, 373). Die bloße allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde künftig unverändert fortbestehen, genießt keinen verfassungsrechtlichen Schutz, wenn keine besonderen Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten (vgl. BVerfG 7. Juli 2010 - 2 BvL 14/02 ua. - Rn. 57, BVerfGE 127, 1).

87

Danach hat die Beklagte kein schutzwürdiges Vertrauen dahin, dass die Wirksamkeit der in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S bestimmten Spätehenklausel nicht an den Bestimmungen des AGG scheitert und der ursprünglich für die Hinterbliebenenversorgung festgelegte Dotierungsrahmen nicht infolgedessen überschritten wird. Der Zweck des AGG, in Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG und vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 GG Ungleichbehandlungen zu beseitigen, kann vorliegend nur durch die Unwirksamkeit der Klausel erreicht werden. Zudem hält sich die Änderung der Gesetzeslage im Rahmen dessen, was als mögliche Rechtsentwicklung bereits zuvor angelegt war. Besondere Momente der Schutzwürdigkeit bestehen nicht.

88

5. Vor dem Hintergrund der zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union bedarf es vorliegend weder der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 iVm. § 11 RsprEinhG noch der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV. Die Frage, ob die von der Beklagten zur Rechtfertigung der Spätehenklausel angeführten Ziele legitime Ziele iSv. § 10 Satz 1 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung sind, musste vom Senat nicht entschieden werden.

89

III. Der Zinsanspruch ergibt sich hinsichtlich der mit dem Antrag zu 1. geltend gemachten Rückstände aus § 286 Abs. 1, § 288 BGB. Gemäß XVI Ziff. 1 Buchst. a der VO S wird die Firmenrente jeweils am Ende eines Monats fällig.

90

C. Die Kostentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    H. Trunsch    

        

    Möller    

                 

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Feststellung, dass der Klägerin im Falle des Todes des Klägers grundsätzlich ein Anspruch auf Witwenrente zusteht.

2

Der am 11. August 1939 geborene Kläger war als niedergelassener Arzt im Gebiet der beklagten Bezirksärztekammer tätig. Deren Versorgungseinrichtung gewährt ihm seit Oktober 2003 eine Altersrente. Nach Scheidung seiner ersten Ehe heiratete er am 9. August 2007 - im Alter von 67 Jahren - die im Jahre 1962 geborene Klägerin.

3

Nach § 23 Abs. 1 Nummer 1 der Satzung der Versorgungseinrichtung - Stand: 1. Januar 2006 - erhält der überlebende Ehegatte eines Mitglieds Witwen- beziehungsweise Witwerrente, sofern die Ehe vor Erreichung der Altersgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Ziff. 1, also vor Vollendung des 65. Lebensjahres, geschlossen wurde und zum Zeitpunkt des Todes des Mitglieds noch bestand.

4

Im Januar 2008 beantragte der Kläger, § 23 Abs. 1 der Satzung zu ändern und maßgeblich auf das Erreichen des 68. Lebensjahres abzustellen. Der Verwaltungsrat der Versorgungseinrichtung beschloss, den Antrag nicht zu unterstützen, und teilte dem Kläger mit, man betrachte die Angelegenheit als erledigt.

5

Zur Begründung ihrer vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Feststellungsklage haben die Kläger im Wesentlichen geltend gemacht: Die Rechtsprechung habe bisher gegen den Ausschluss sogenannter „nachgeheirateter“ Witwen von der Gewährung einer Witwenrente keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben. Ausgehend von den europäischen Richtlinien und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs spreche aber alles dafür, dass die stringente Regelung der Satzung eine Altersdiskriminierung darstelle, die gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz beziehungsweise das europarechtliche Diskriminierungsverbot verstoße. Die Bestimmungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes seien auf berufsständische Vereinigungen anwendbar.

6

Da die Beklagte der Klägerin jegliche Witwenrente versage, trage sie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht Rechnung, denn die finanziellen Risiken von Spätehen seien gering, jedenfalls beherrschbar. Grundsätzlich würden wohl alle potentiellen Versorgungsempfänger versicherungsmathematisch als verheiratet berücksichtigt. Zudem sei der Kläger bereits verheiratet gewesen und erspare der Beklagten durch den in der Satzung geregelten Versorgungsausgleich kalkulatorisch die Witwenrente.

7

Sie hätten auch ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung, da sie je nach Ausgang des Verfahrens Vermögensdispositionen für das Alter treffen müssten.

8

Die Kläger haben beantragt,

9

festzustellen, dass die Klägerin im Falle des Vorversterbens des Klägers bei der Beklagten versorgungsberechtigt ist und dem Grunde nach von ihr eine Witwenrente zu erhalten hat.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Zur Begründung hat sie geltend gemacht: Die Klage sei bereits unzulässig, da die begehrte Feststellung nicht auf ein Rechtsverhältnis gerichtet sei. Der Klägerin fehle zudem die notwendige Beschwer, da sie weder Mitglied der Versorgungseinrichtung sei noch im Falle des Vorversterbens des Klägers werden könne. Zudem begründe die theoretische Möglichkeit, dass sie ihren Ehemann überlebe, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt keine Beschwer. Die Klägerin könne im Übrigen im Versicherungsfall eine Leistungsklage erheben; ein "vorgezogenes" Feststellungsinteresse bestehe dagegen nicht. Der Kläger sei zwar ihr Mitglied, mache aber keine eigenen Ansprüche geltend. Daher liege auch hinsichtlich seiner Person kein Rechtsverhältnis vor.

13

Die Kläger könnten sich nicht darauf berufen, dass die Zulassung als Kassenarzt erst mit dem Erreichen des 68. Lebensjahres erlösche. Auf die im vorliegenden Zusammenhang bestehenden beamtenversorgungs- und rentenrechtlichen Regelungen komme es nicht an, da es sich bei diesen und dem berufsständischen Versorgungsrecht um selbstständig nebeneinander stehende Rechtsmaterien handle.

14

Sinn und Zweck der angegriffenen Vorschrift sei es, in Fällen der Verehelichung eines Mitglieds nach dem 65. Lebensjahr eine Doppelbelastung der Versichertengemeinschaft durch zwei Versicherungsleistungen auszuschließen. Eine solche Regelung werde von den Gerichten hinsichtlich Art. 3 des Grundgesetzes - GG - nicht beanstandet. Eine Verpflichtung zur Versorgung sämtlicher Hinterbliebener resultiere auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht.

15

Nach europäischem Recht liege eine Altersdiskriminierung ebenfalls nicht vor. Bei Art. 13 EGV handle es sich um eine Ermächtigungsgrundlage, um Vorkehrungen gegen Diskriminierungen zu treffen. Die Richtlinie 2000/78/EG betreffe lediglich die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und sei daher für Mitgliedschaftsverhältnisse in berufsständischen Versorgungseinrichtungen nicht relevant. § 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - AGG – schließe Benachteiligungen ausschließlich in Bezug auf bestimmte, abschließend aufgeführte Kriterien aus. Darüber hinaus sei der Anwendungsbereich dieser Vorschriften gemäß § 6 AGG auf Arbeitnehmer beschränkt.

16

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, wobei es offen gelassen hat, ob der Feststellungsantrag bereits unzulässig sei; die Klage sei jedenfalls unbegründet. Die maßgebliche Satzungsbestimmung verstoße nicht gegen das in § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 AGG enthaltene Verbot der Benachteiligung wegen des Alters. § 23 Abs. 1 Ziffer 1 der Satzung sei jedenfalls nach § 10 AGG zulässig. Die Satzungsregelung verstoße auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 141 des EG-Vertrags - EGV - oder die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, 16).

17

Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung vertiefen die Kläger ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Es sei anerkannt, dass ein aufschiebend bedingtes Rechtsverhältnis feststellungsfähig sein könne. Eine wirksame unmittelbare und sachnähere Verfahrensart als die Feststellungsklage stehe ihnen nicht zur Verfügung. Wie sich aus § 18 Abs. 1 Nr. 2 AGG ergebe, sei dieses Gesetz auch auf die Versorgungseinrichtung anwendbar, und eine bundesrechtliche Regelungskompetenz bestehe zumindest als Annex zu Art. 74 Abs. 1 Nummer 19 GG. Die Frage könne aber letztlich dahinstehen, da § 10 AGG und die Richtlinie 2000/78/EG inhaltlich identisch seien. Zum Ausschluss kalkulatorischer Risiken reiche es aus, auf die Dauer der neuen Ehe beziehungsweise den Altersunterschied zwischen den Ehegatten abzustellen. Der gewählte Weg einer Totalverweigerung sei jedoch unangemessen.

18

Die Kläger beantragen,

19

unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2009 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz festzustellen, dass die Klägerin im Falle des Vorversterbens des Klägers bei der Beklagten versorgungsberechtigt ist und dem Grunde nach eine Witwenrente zu erhalten hat.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Zur Begründung vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

23

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da sie zwar zulässig (A.), aber unbegründet (B.) ist.

25

A. Die Klage mit dem Ziel festzustellen, dass der Klägerin im Falle des Todes des Klägers grundsätzlich einen Anspruch auf Witwenrente hat, ist als Feststellungsklage (§ 43 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) zulässig.

26

I. Das Begehren ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO gerichtet. Darunter sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, die streitigen rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 38/09 -, juris, m. w. N.).

27

a) Die begehrte Feststellung bezieht sich zunächst auf ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten. Zwar entsteht der Anspruch auf Witwenrente nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung nach dem Tod des Klägers selbständig in der Person der Klägerin, ist aber zu seinen Lebzeiten Gegenstand eines ihm zustehenden bedingten Anspruchs (vgl. - zum Beamtenversorgungsrecht - BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971 - VI C 57.66 -, BVerwGE 38, 346; Urteil vom 8. Juni 1965 - VI C 13.64 -, BVerwGE 21, 214; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09. März 2009 - 2 A 11403/08 -, ZBR 2010, 100). Der Sachverhalt ist bereits hinreichend überschaubar, auch wenn er davon abhängt, dass die Klägerin den Kläger überlebt und ihre Ehe zum Zeitpunkt des Todes des Klägers noch besteht (vgl. BVerwG, a.a.O.), da der Eintritt dieser Bedingungen bei regelmäßigem Verlauf nicht fernliegt (zum umgekehrten Fall vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 1989 - 2 C 23/88 -, NJW 1990, 1866).

28

b) Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist ebenfalls ein konkretes Rechtsverhältnis streitig. Zwar ist die Klägerin derzeit nicht Mitglied der Versorgungseinrichtung, und der von ihr behauptete Anspruch auf Witwenrente steht ebenfalls unter der Bedingung, dass sie den Kläger überlebt und ihre Ehe zum Zeitpunkt des Todes noch bestanden hat. Sofern ihre Rechtsauffassung zuträfe, hätte sie aber bereits jetzt eine ungesicherte Anwartschaft auf ihre zukünftige Witwenrente (vgl. das Urteil des Senats vom 20. November 2007 - 6 C 10767/07.OVG -, juris, m. w. N.). Der Sachverhalt ist ebenso überschaubar, wie dies hinsichtlich des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten der Fall ist. Der ohne nähere Begründung in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 1971 und 8. Juni 1965 (a.a.O.) vertretenen gegenteiligen Auffassung schließt sich der Senat daher nicht an.

29

II. Hinsichtlich der bei Feststellungsklagen in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis (BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 C 10/08 -, DVBl. 2009, 1382, ständige Rechtsprechung) bestehen ebenfalls keine Bedenken, da es möglich erscheint, dass dem Kläger ein bedingter Anspruch auf Zahlung von Witwenrente an die Klägerin zusteht, der eine vergleichbare ungesicherte Anwartschaft der Klägerin entspricht.

30

III. Die Kläger haben zudem ein berechtigtes Interesse an der baldigen gerichtlichen Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO), da sie in dieser Frage Klarheit benötigen, um erforderlichenfalls Dispositionen zur wirtschaftlichen Absicherung der Klägerin zu treffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971, a.a.O.).

31

IV. Die Kläger können ihr Rechtsschutzziel derzeit auch nicht mit einer Leistungs- oder Gestaltungsklage erreichen, so dass die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) ihrer Zulässigkeit im vorliegenden Fall nicht entgegensteht.

32

B. Die Klagen sind aber unbegründet, da die Klägerin im Fall des Todes des Klägers keinen Anspruch auf Witwenrente hat. Ein solcher Anspruch ist gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung ausgeschlossen, da der Kläger zum Zeitpunkt der Eheschließung schon das 65. Lebensjahr vollendet und somit die Altersgrenze nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung überschritten hatte. Darüber hinaus bezog er bereits Altersrente. Die Satzungsbestimmungen beruhen ihrerseits auf § 14 Abs. 6 Nr. 2 des Heilberufsgesetzes - HeilBG - vom 20. Oktober 1978 (GVBl. S. 649, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Oktober 2009. GVBl. S. 358) und sind mit höherrangigem Recht vereinbar.

33

I. Der Ausschluss des Anspruchs der Klägerin auf Witwenrente verstößt nicht gegen § 7 Abs. 1 i.V.m. §§ 1 und 2 Abs. 1 Nr. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - AGG - vom 14. August 2006 (BGBl. I, S. 1897, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009, BGBl. I, S. 160). Danach dürfen Beschäftigte insbesondere nicht wegen ihres Alters benachteiligt werden (§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG). Solche Benachteiligungen sind nach Maßgabe dieses Gesetzes insbesondere unzulässig in Bezug auf die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 AGG). Selbst wenn man Bedenken gegen die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften auf Fälle der vorliegenden Art (1.) zurückstellt, ist die hier vorliegende Benachteiligung wegen des Alters des Klägers zum Zeitpunkt der Eheschließung jedenfalls nach § 10 Sätze 1 und 2 AGG gerechtfertigt (2.).

34

1. Gegen die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 i. V. m. §§ 1 und 2 Abs. 1 Nr. 4 AGG spricht, dass der Kläger als Mitglied der Versorgungseinrichtung kein Beschäftigter im Sinne des 2. Abschnitts des AGG - §§ 7 bis 18 AGG - ist.

35

a) Er unterfällt als Angehöriger eines sogenannten freien Berufs nicht der Legaldefinition des § 6 Abs. 1 AGG. Danach sind Beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sowie Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Angehörige freier Berufe gehören ersichtlich nicht zu diesem Personenkreis.

36

b) Nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Vorschriften des 2. Abschnitts dieses Gesetzes jedoch entsprechend für die Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören. Dies könnte die Annahme stützen, § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung sei an den genannten Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu messen (vgl. VG Trier, Urteil vom 29. April 2009 - 5 K 806/08.TR -; Franke, in: Däubler/Bertzbach, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2. Aufl. 2008, § 2 Rn. 42; Herrmann, ebd., § 18 Rn. 13; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 2 Rn. 68, § 18 Rn. 14, Thüsing, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2007, § 2 AGG Rn. 13, 27, § 18 AGG Rn. 4, 13).

37

c) Allerdings bestehen begründete Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Regelungen, die Auswirkungen auf die Leistungen von Versorgungseinrichtungen der Angehörigen freier Berufe haben (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 27/06 -, BVerwGE 129, 1512). Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung beruft sich auf die Kompetenzen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 des Grundgesetzes - GG - (Arbeitsrecht einschließlich des Arbeitsschutzes), Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (bürgerliches Recht, gerichtliches Verfahren, Rechtsberatung) sowie - bezüglich § 2 Abs. 2 AGG - Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge). Die Versorgung der Angehörigen der freien Berufe unterfällt keiner dieser Kompetenzvorschriften (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007, a.a.O.). Eine Annexkompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, wie sie die Kläger angesprochen haben, liegt ebenfalls fern. Denn es erscheint nicht plausibel, dass der Bund von seiner Kompetenz zur Regelung der Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen sinnvoll nur Gebrauch machen kann, wenn er ebenfalls Regelungen bezüglich der Hinterbliebenenversorgung trifft. Ob die berufsständischen Versorgungswerke dem Gebiet der Sozialversicherung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zuzuordnen sind, ist umstritten (zum Meinungsstand vgl. z. B. v. Roetteken, NVwZ 2008, 615 m. N.).

38

2. Die Frage nach der Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes kann für die vorliegende Entscheidung jedoch offen bleiben, da § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung mit den Vorschriften dieses Gesetzes jedenfalls insoweit in Einklang steht, als es um Fälle geht, in denen das Mitglied - wie hier der Kläger - zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits Altersrente bezogen hat. Die Vorschrift schließt zwar den Anspruch auf Witwenrente gerade wegen der Überschreitung der Altersgrenze zum Zeitpunkt der Eheschließung aus, stellt also eine Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG dar. Diese ist aber nach § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AGG ungeachtet des § 8 AGG zulässig - dieser regelt die unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen und ist hier nicht einschlägig -, da sie objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist (a) und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (b).

39

a) § 10 Abs. 1 Satz 1 AGG umschreibt weder, was unter einem legitimen Ziel zu verstehen ist, noch enthält er eine Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG entsprechende Regelung, wonach unter legitimen Zielen insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind. Allerdings wird unter Bezugnahme auf diese Regelbeispiele teilweise die Auffassung vertreten, legitime Ziele müssten auf die Verfolgung gesetzgeberisch formulierter Gemeinwohlinteressen gerichtet sein, während andere jeden legitimen Zweck zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ausreichen lassen (zum Meinungsstand vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, a.a.O., § 10 Rn. 20 ff. m.w.N.). Die Frage braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden, da § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung gesetzgeberisch formulierten Gemeinwohlinteressen dient.

40

aa) § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung stellt maßgeblich auf die Erreichung der Altersgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Ziff. 1 der Satzung ab. Nach dieser Vorschrift erhalten - im Regelfall - alle Mitglieder der Versorgungseinrichtung ab der Vollendung des 65. Lebensjahres Altersrente mit der Folge, dass gleichzeitig ihre Pflicht zur Entrichtung von Versorgungsabgaben gemäß § 16 Abs. 2 der Satzung erlischt. Die Regelung ist somit erkennbar darauf ausgerichtet, eine Witwen- oder Witwerrente dann auszuschließen, wenn die Ehe vom Mitglied der Versorgungseinrichtung erst im Ruhestand und nach Erreichen der Altersgrenze geschlossen wird. Sie dient somit dem Ausschluss sogenannter „nachgeheirateter“ Witwen bzw. Witwer (vgl. BVerfG 1. Senat, 2. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010 - 1 BvR 2584/06 -, juris; zum Beamtenversorgungsrecht: BVerwG, Beschluss vom 3. März 2000 - 2 B 6/00 -, Buchholz, 239.1 § 19 BeamtVG Nr. 1; BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971, a.a.O.).

41

bb) Das übergeordnete Ziel, das Risiko zukünftiger Zahlungsverpflichtungen zu begrenzen, ist bereits im Wesen der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet. Sie erbringt Leistungen für ihre Mitglieder und ihre Angehörigen bei Berufsunfähigkeit, im Alter und nach dem Tod der Mitglieder. Wie das Sozialversicherungsrecht bietet sie ihnen eine von der Höhe der Beiträge abhängige angemessene Versorgung. Beide sind Teile des Systems der sozialen Sicherung und erfüllen eine öffentliche Aufgabe. Die Versorgungseinrichtung ist rechtlich einer Versicherung zuzuordnen, weil sie sich ausschließlich durch Beiträge der Mitglieder finanziert und die Lasten, die dem Einzelnen und seinen Familienangehörigen aus der Verwirklichung der Risiken Alter, Invalidität oder Tod erwachsen, auf die Gemeinschaft der Mitglieder verteilt. Durch die enge personale Verbindung erhält die Versorgungseinrichtung genossenschaftsähnlichen Charakter, der geprägt ist durch Selbsthilfe, Selbstverwaltung, Selbstverantwortung und Solidarität. Anders als die Rentenversicherung nach dem 4. Buch des Sozialgesetzbuchs - SGB VI - ist sie eine personell eng begrenzte und auf Kapitalbildung basierende soziale Sicherungseinrichtung. Mit dem Versicherungsgedanken geht zwingend eine Risikoübernahme einher, die auf dem Gesetz der großen Zahl beruht. Andererseits ist dem Solidaritätsprinzip im Interesse der gesamten Gefahrengemeinschaft eine Risikobegrenzung wesensimmanent. Was für die Versichertenrente gilt, gilt umso mehr, wenn - wie bei der Hinterbliebenenversorgung, die ohne einen zusätzlichen Beitrag erbracht wird (vgl. §§ 17 ff. der Satzung) - der fürsorgliche genossenschaftliche Aspekt der Angehörigenversorgung zum Versicherungsprinzip hinzutritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2005, a.a.O.).

42

cc) Dass die Risikobegrenzung ein legitimes Ziel im Sinne des § 10 Abs. 1 AGG darstellt, zeigt auch die Regelung des § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG, wonach eine unterschiedliche Behandlung im Sinne des § 10 Sätze 1 und 2 AGG insbesondere die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen einschließen kann. Zwar hat der Gesetzgeber es versäumt, die Ziele solcher Ungleichbehandlungen festzulegen (vgl. z. B. die Kritik bei Brors, a.a.O., § 10 Rn. 137). Die Regelung zeigt aber, dass Differenzierungen aufgrund des Alters in der Natur von - nicht nur betrieblichen - Versorgungssystemen angelegt, an ihre Legitimierung somit keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Thüsing, a.a.O., § 10 AGG Rn. 54; vgl. auch - bezüglich der vergleichbaren Regelung in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG - BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.).

43

dd) Da der Gesetzgeber der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 2 HeilBG) aufgegeben hat, die Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung ihrer Mitglieder zu regeln und diese Aufgaben durch ihre Versorgungseinrichtung durchzuführen (§§ 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 8, 12 Abs. 1 Satz 1 HeilbG), hat er auch das berufsständische Versorgungssysteme prägende Prinzip der Risikobegrenzung in seinen Willen aufgenommen und die Beklagte bzw. ihre Versorgungseinrichtung ermächtigt (vgl. § 14 Abs. 6 HeilBG), dieses Ziel näher zu konkretisieren und die seiner Erreichung dienenden Regelungen zu treffen.

44

Durch den Ausschluss „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer von dem Bezug einer Hinterbliebenenrente stellt die Versorgungseinrichtung die Solidargemeinschaft vom Risiko der Versorgung überlebender Ehegatten frei, wenn diese die Berufstätigkeit des Mitglieds und somit die Aufbringung von Versorgungsabgaben nicht einmal für kurze Zeit durch Fürsorge mittragen können (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.; vgl. auch - bezogen auf eine vorgeschriebene Mindestdauer der Ehe -: BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1/09 -, BVerwGE 134, 99; Urteil des Senats vom 20. November 2007, a.a.O.). Auch dieses Ziel erscheint angesichts des vom Solidaritätsprinzip geprägten Wesens der berufsständischen Versorgungseinrichtung legitim.

45

ee) Das Ziel der Begrenzung solcher Risiken der Hinterbliebenenversorgungsrisiken ist auch „objektiv“ und „angemessen“ im Sinne von § 10 Satz 1 AGG - sofern diesen Kriterien im Rahmen des § 10 Abs. 1 AGG überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommt -, da dieser Differenzierungsgrund über den Gesichtspunkt des Alters hinausgeht und grundsätzlich geeignet ist, den Diskriminierungsschutz zurücktreten zu lassen (vgl. Brors, a.a.O., § 10 AGG Rn. 32; Bertelsmann, in Rust/Falke, a.a.O., § 10 Rn. 48 - „sachlich und vernünftig“ -).

46

b) Der Ausschluss des Anspruchs auf Witwen- bzw. Witwerrente ist als Mittel zur Erreichung der angestrebten Risikobegrenzung angemessen und erforderlich. Mit diesem Begriffspaar umschreibt § 10 Abs. 1 Satz 2 AGG das Erfordernis der Übereinstimmung der Ungleichbehandlung mit dem verfolgten legitimen Ziel, wobei insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist (vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, a.a.O., § 10 Rn. 34; Bertelsmann, in: Rust/Falke, a.a.O., § 10 Rn. 54 ff.). Die aus § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung folgenden Ungleichbehandlungen stehen, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, mit dem verfolgten legitimen Ziel in Einklang (aa - dd). Die Regelung ist geeignet (ee) sowie erforderlich (ff), um das angestrebte Ziel zu erreichen, und steht zu ihm auch nicht außer Verhältnis (gg).

47

aa) § 23 Abs. 1 Satz Nr. 1 differenziert zunächst zwischen den Fällen, in denen die Ehe geschlossen worden ist, als das Mitglied die Altersgrenze noch nicht überschritten und noch aktiv im Berufsleben gestanden hat, und den Fällen, in denen das Mitglied zum Zeitpunkt der Eheschließung die Altersgrenze überschritten und bereits - dies ist nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung der Regelfall - ab diesem Zeitpunkt Altersrente bezogen hat. Nur der ersten Fallgruppe wird ein Anspruch auf Witwenrente zugestanden.

48

Diese Ungleichbehandlung steht im Einklang mit dem Ziel, die Begründung von Versorgungsrisiken zu Lasten der Solidargemeinschaft nach dem Beginn des Rentenbezugs auszuschließen. Zwar verringert sich der Beitrag, den der Ehepartner eines noch berufstätigen Mitglieds zu dessen Berufstätigkeit erbringt, mit zunehmender Nähe der Eheschließung zum Rentenbeginns immer weiter, bis er schließlich mathematisch kaum mehr fassbar sein dürfte. Angesichts der Schwierigkeiten, die mit einer je nach dem Abstand der Eheschließung zum Rentenbeginn differenzierenden Regelung verbunden wären, darf der Satzungsgeber jedoch aufgrund der ihm zustehenden Typisierungsbefugnis an dem leicht handhabbaren Kriterium des Erreichens der Altersgrenze und dem damit regelmäßig einhergehenden Rentenbeginn anknüpfen (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95, 1 BvR 1560/97 -, BVerfGE 100, 138; BVerfG 1. Senat, 2. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010 – 1 BvR 2584/06 -, juris).

49

bb) Die Rechtfertigung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung durch das mit der Regelung verfolgte Ziel wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass durch die ausschließliche Anknüpfung an die Altersgrenze nach § 22 Abs. 1 der Satzung ein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente auch dann besteht, wenn die Ehe zwar vor Erreichen der Altersgrenze geschlossen worden ist, das Mitglied aber zum Zeitpunkt der Heirat bereits eine vorgezogene Altersrente nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung - frühestens ab dem vollendeten 60. Lebensjahr - oder eine Invalidenrente nach § 22 Abs. 2 der Satzung bezogen hat. In solchen Fällen kann der Ehepartner ebenso wenig einen Beitrag zur aktiven Berufstätigkeit des Mitglieds leisten wie bei einer Eheschließung nach dem Erreichen der Altersgrenze und dem einhergehenden Beginn des Rentenbezugs. Es kann dahinstehen, ob die Befugnis zum Erlass typisierender Regelungen (vgl. oben) allein ausreicht, um diese Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Sie ist jedenfalls durch weitere legitime Gründe gerechtfertigt.

50

Die Berufsunfähigkeit infolge von Krankheit, anderen Gebrechen oder Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte (vgl. § 22 Abs. 2 Nr. 1 der Satzung) stellt eine ganz erhebliche, in der Regel schicksalhaft über den Betroffenen hereinbrechende Störung des üblichen Verlaufs des Berufslebens dar. Diese Abweichung vom Regelfall der Beendigung der aktiven Berufsausübung mit dem Erreichen der Altersgrenze lässt es legitim erscheinen, auch in diesen Fällen den Anspruch auf Witwenversorgung aus Gründen der Fürsorge erst auszuschließen, wenn die Eheschließung nach dem Erreichen der Altersgrenze erfolgt.

51

Im Ergebnis gilt auch für die Fälle nichts anderes, in denen ein Mitglied auf eigenen Antrag eine vorgezogene Altersrente bezieht. Hinter dem Rückzug aus dem aktiven Berufsleben dürften ebenfalls nicht selten gesundheitliche Probleme, nachlassende Leistungsfähigkeit – unterhalb der Schwelle zur Berufsunfähigkeit - oder wirtschaftliche Schwierigkeiten stehen. Es erscheint daher gerechtfertigt, im Hinblick auf solche Schwierigkeiten pauschalierend an das in der Praxis leicht handhabbare Kriterium des Erreichens der Altersgrenze anzuknüpfen und nicht in jedem Einzelfall nachzuprüfen, welche Motive für die Beantragung einer vorgezogenen Altersrente ausschlaggebend waren.

52

cc) Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung besteht ein Anspruch auf Witwenrente allerdings selbst dann nicht, wenn die Ehe zwar nach dem Erreichen der Altersgrenze durch das Mitglied geschlossen worden ist, der Beginn der Rentenzahlung aber gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung auf Antrag des Mitglieds über diesen Zeitpunkt hinausgeschoben worden ist. In diesem Fall leistet der Ehepartner noch einen Beitrag zur Berufsausübung des Mitglieds und damit auch zum Beitragsaufkommen. Der den Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer legitimierende Grund, dass sie keinen Beitrag zur Berufsausübung des Mitglieds geleistet haben, trägt diese Benachteiligung daher nicht.

53

Ob insoweit lediglich ein Redaktionsversehen vorliegt oder eine solche Ungleichbehandlung aufgrund der Typisierungsbefugnis des Satzungsgebers gerechtfertigt sein könnte, kann hier dahinstehen. Denn die Kläger sind von dieser Ungleichbehandlung nicht betroffen, da der Kläger zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits Rente bezogen hat. Zudem hätte eine solche unterstellte ungerechtfertigte Benachteiligung nicht die Unwirksamkeit des § 21 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung zur Folge. Vielmehr könnte gegebenenfalls die Vorschrift im Wege der gesetzeskonformen Auslegung dahingehend verstanden werden, dass der Anspruch auf Witwenrente nur dann entfiele, wenn das Mitglied die Ehe erst nach dem Erreichen der Altersgrenze und nach dem Beginn der Rentenzahlung geschlossen hat.

54

dd) Die Kläger können auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Kläger sei bereits einmal verheiratet gewesen, und durch den in der Satzung geregelten Versorgungsausgleich erspare die Beklagte kalkulatorisch die Witwenrente. Richtig ist zwar, dass der Kläger durch seine erste Eheschließung bereits einmal zu Lasten der Versorgungseinrichtung das Risiko begründet hatte, unter Umständen Witwenrente zahlen zu müssen. Dieses Risiko ist auch mit der Scheidung dieser Ehe entfallen, und der in § 26 der Satzung geregelte Versorgungsausgleich hat allein zu einer Minderung seiner Versorgungsanwartschaften geführt. Der zu Gunsten seiner geschiedenen Ehefrau durchgeführte Versorgungsausgleich steht aber in keinem inneren Zusammenhang mit dem Versorgungsrisiko, das er später durch seine erneute Heirat begründet hat. Daher erscheint es auch legitim, dass die Beklagte ihn wegen dieses neuen Versorgungsrisikos nicht anders behandelt als ein Mitglied, das vor der Erreichung der Altersgrenze noch nicht verheiratet war (vgl. - zur Wiederheirat des geschiedenen Ehegatten - BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971, a.a.O.; OVG Saarland, Beschluss vom 19. September 2006 - 1 Q 24/06 -, AS 33, 314).

55

ee) Dass der Ausschluss nachgeheirateter Witwen und Witwer von der Versorgung zur Begrenzung der von der Gesamtheit der Mitglieder zu tragenden Risiken geeignet ist, liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Begründung.

56

ff) Er ist auch erforderlich, da weniger einschneidende Maßnahmen nicht ebenso geeignet wären, die Belastungen durch Versorgungsleistungen zu begrenzen. Dies gilt sowohl für die Möglichkeit, den Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente von einer gewissen Mindestdauer der Ehe abhängig zu machen - gegebenenfalls gekoppelt mit dem Möglichkeit des Nachweises, es habe sich nicht um eine Versorgungsehe gehandelt -, als auch für die Möglichkeit einer gestaffelten Rentenhöhe in Abhängigkeit von der Dauer der Ehe.

57

Auch der Einwand der Kläger, alle potentiellen Versorgungsempfänger würden versicherungsmathematisch als verheiratet berücksichtigt, es sei daher nicht erforderlich, Ansprüche nachgeheirateter Witwen und Witwer auszuschließen, greift nicht durch. Nach § 27 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Satzung wird die Rentenbemessungsgrundlage - nach § 28 der Satzung ein wesentlicher Faktor für die Berechnung der Rentenhöhe - jährlich vom Verwaltungsrat aufgrund der Ergebnisse eines versicherungsmathematischen Gutachtens festgesetzt. Die Berechnung ist so vorzunehmen, dass nach den Verhältnissen zu Beginn des entsprechenden Jahres die künftigen Einnahmen und der vorhandene Ausgleichsstock (§ 21 Abs. 2 der Satzung) einschließlich der Zinsen ausreichen, um die künftigen Verpflichtungen gemäß § 21 der Satzung zu erfüllen.

58

In solchen versicherungsmathematischen Gutachten ist das Risiko einer Hinterbliebenenversorgung „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer nicht zu berücksichtigen. Nach § 21 der Satzung dürfen nämlich die durch die Entrichtung von Versorgungsabgaben vorhandenen Mittel grundsätzlich nur zur Erbringung der in der Satzung festgelegten Leistungen, zur Bildung der geschäftsplanmäßigen Deckungsrücklagen sowie zur Bestreitung der notwendigen Verwaltungskosten verwendet werden (Abs. 1). Soweit die Einnahmen eines Jahres nicht für satzungsmäßige Ausgaben verwendet werden, sind sie dem Ausgleichsstock zuzuführen (Abs. 2 Satz 1). Reichen die Einnahmen nicht aus, um die satzungsmäßigen Aufgaben zu bestreiten, so ist der fehlende Betrag dem Ausgleichsstock zu entnehmen (Abs. 2 Satz 2). Wegen dieser Bindung der finanziellen Mittel der Versorgungseinrichtung an die satzungsmäßigen Aufgaben, kann keine Rede davon sein, das Risiko von Versorgungsansprüchen „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer sei bereits durch die erbrachten Versorgungsabgaben abgegolten.

59

Eine fehlerhafte versicherungsmathematische Berechnung unter Berücksichtigung vermeintlicher Ansprüche „nachgeheirateter“ Witwen oder Witwer hätte im Übrigen allenfalls zur Folge, dass die Rentenbemessungsgrundlage zu niedrig festgesetzt und dem Ausgleichsstock ein zu hoher Betrag zugeführt bzw. ihm ein zu geringer Betrag entnommen würde. Zusätzliche Ansprüche – abweichend von § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung - ließen sich hieraus jedoch nicht ableiten. Daher konnte der Senat entgegen der Anregung der Kläger davon absehen, durch Einsichtnahme in die versicherungsmathematischen Gutachten der Versorgungseinrichtung der Frage nachzugehen, ob das Versorgungsrisiko nachgeheirateter Witwen und Witwer darin berücksichtigt worden ist.

60

gg) Die mit dem Ausschluss von Versorgungsansprüchen „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer verbundene Schlechterstellung steht auch nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg. Dies gilt selbst dann, wenn man mit den Klägern davon ausgeht, Rentenansprüche dieser Gruppe führten nur zu einer verhältnismäßig geringen, jedenfalls beherrschbaren Mehrbelastung. Denn die Belastung durch den Ausschluss der Hinterbliebenenrente bei einer Eheschließung nach Erreichen der Altersgrenze wiegt ebenfalls nicht schwer. Insbesondere greift dies nicht in grundrechtlich geschützte Positionen ein.

61

Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) liegt nicht vor, da § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung keine Vermutung einer Versorgungsehe enthält, sondern eine wertneutrale Regelung zur Begrenzung der Risiken der Solidargemeinschaft (vgl. - hinsichtlich einer Regelung zur Mindestdauer von „Spätehen“ - BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.).

62

Die Regelung greift auch nicht in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) ein, da es keine dem einzelnen Mitglied zurechenbare Eigenleistung gibt, aufgrund derer der satzungsmäßige Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente dem grundrechtlich geschützten Eigentum zuzuordnen wäre. Die Hinterbliebenenversorgung wird vielmehr ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Versicherungsleistung des Mitglieds gewährt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.).

63

Ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung wird auch nicht durch die Schutzpflicht des Staates für Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) begründet, da diese nicht gebietet, jegliche die Ehe oder die Familie treffende Belastung auszugleichen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.). Die Eheschließung führt auch nicht zu einem Verlust von Versorgungsansprüchen, die dem überlebende Ehepartner ohne die Heirat zugestanden hätten (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.).

64

Schließlich ist bei einer Eheschließung nach dem Erreichen der Altersgrenze eher als bei einer Eheschließung in jungen Jahren anzunehmen, der Ehepartner verfüge selbst bereits über ausreichende Versorgungsanwartschaften oder Vermögen (vgl. - zur Eheschließung nach Vollendung des 62. Lebensjahres - BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.). In den Fällen, in denen der Ehepartner noch so jung ist, dass er sich noch keine ausreichenden Versorgungsanwartschaften oder Vermögen schaffen konnte, erscheint es für ihn im Regelfall zumutbar, sich durch eine Erwerbstätigkeit die Grundlage für seine Versorgung im Alter noch zu schaffen.

65

Zur Begründung ihrer Einwände gegen die Verhältnismäßigkeit des § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung können sich die Kläger auch nicht auf die Begründung der Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 22. Mai 2008 in der Rechtssache C-427/06 (Bartsch) berufen. Die darin (Ziff. 118 ff.) geäußerten Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit eines völligen Ausschlusses einer Hinterbliebenenversorgung sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Zwar beziehen sie sich auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, der durch § 10 Sätze 1 und 2 AGG umgesetzt wird. Allerdings betreffen sie eine Regelung, die eine Hinterbliebenenversorgung einschränkt, wenn der Altersunterschied zwischen Eheleuten ein bestimmtes Maß übersteigt. Eine solche Regelung ist mit dem Ausschluss „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer von der Hinterbliebenenversorgung nicht vergleichbar.

66

II. § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Er gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dabei obliegt es dem Normgeber zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er als maßgebend dafür ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn sich - bezogen auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs - ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonst wie einleuchtender Grund für die betreffende Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2005 - 2 BvR 167/02 -, BVerfGE 112, 164 [174]). Hinsichtlich der Ungleichbehandlung der Mitglieder und der sie überlebenden Ehepartner je nach dem Zeitpunkt der Eheschließung folgt aus den Ausführungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, dass diese Differenzierungen auf sachlichen Gründen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG beruhen.

67

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG folgt auch nicht daraus, dass das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, das Beamtenversorgungsrecht sowie die Satzungen anderer Versorgungswerke keine oder weniger strenge Einschränkungen der Versorgungsansprüche nachgeheirateter Witwen und Witwer enthalten. Der Gleichbehandlungsanspruch ist nämlich auf den Kompetenzbereich des jeweiligen Trägers öffentlicher Gewalt beschränkt. Aus ihm kann daher kein Recht abgeleitet werden, von einem Träger öffentlicher Gewalt so behandelt zu werden wie ein anderer Grundrechtsträger von einem anderen Träger öffentlicher Gewalt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.).

68

Aus diesem Grund begründet Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls keinen Anspruch auf Angleichung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung an die bis zum 30. August 2008 geltende Altersgrenze für Vertragsärzte von 68 Jahren (vgl. § 95 Abs. 7 Satz 3 des 5. Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB V - in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl. I Seite 2266, geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2008, BGBl. I Seite 2426). Zudem stand diese Altersgrenze in einem völlig anderen Regelungszusammenhang wie die hier maßgebliche Satzungsregelung.

69

III. § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung verstößt auch nicht gegen europäisches Recht.

70

1. Ein Verstoß gegen Art. 13 des EG-Vertrages - EGV - scheidet aus, da diese Vorschrift lediglich eine Ermächtigung des Rates der Europäischen Union enthält, Vorkehrungen gegen Diskriminierungen - unter anderem - wegen des Alters zu treffen, begründet selbst allerdings kein solches primärrechtliches Verbot (vgl. EuGH, Urteil vom 23. September 2008 - C-427/06 -, EuZW 2008, 697).

71

2. Art. 141 EGV steht der Satzungsregelung ebenfalls nicht entgegen. Danach stellt jeder Mitgliedstaat die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher, wobei unter "Entgelt" die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen sind, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

72

Da die Hinterbliebenenversorgung kein nachgezogenes Entgelt für Arbeit ist und bei einem freiberuflich tätigen Arzt nicht von einer ehemals ausgeübten "Beschäftigung" gesprochen werden kann, scheidet eine Verletzung von Art. 141 EG aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, aaO.). Zudem differenziert § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung nicht nach dem Geschlecht des Mitgliedes und seines Ehepartners, sondern nach dem Alter des Mitglieds zum Zeitpunkt der Eheschließung.

73

3. Die Satzungsregelung verstößt auch nicht gegen die Richtlinie 2000/78/EG. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2007 (a.a.O.) findet diese nach ihrem Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit dem 13. Erwägungsgrund auf berufsständische Versorgungseinrichtungen als staatliche Systeme der sozialen Sicherheit, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt im Sinne des Art. 141 EG entsprechen, schon keine Anwendung (offen gelassen im Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.). Auch diese Frage kann hier aber dahingestellt bleiben.

74

§ 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung ist nämlich gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie gerechtfertigt. Danach stellen Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind, und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Bezug genommen, durch das die Richtlinie 2000/78/EG in nationales Recht umgesetzt worden ist.

75

4. Es besteht keine Veranlassung für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 234 EGV, da keine entscheidungserheblichen Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Gemeinschaftsrechts bestehen.

76

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

77

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

78

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

79

Beschluss:

80

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5000,-- € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG).

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Feststellung, dass der Klägerin im Falle des Todes des Klägers grundsätzlich ein Anspruch auf Witwenrente zusteht.

2

Der am 11. August 1939 geborene Kläger war als niedergelassener Arzt im Gebiet der beklagten Bezirksärztekammer tätig. Deren Versorgungseinrichtung gewährt ihm seit Oktober 2003 eine Altersrente. Nach Scheidung seiner ersten Ehe heiratete er am 9. August 2007 - im Alter von 67 Jahren - die im Jahre 1962 geborene Klägerin.

3

Nach § 23 Abs. 1 Nummer 1 der Satzung der Versorgungseinrichtung - Stand: 1. Januar 2006 - erhält der überlebende Ehegatte eines Mitglieds Witwen- beziehungsweise Witwerrente, sofern die Ehe vor Erreichung der Altersgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Ziff. 1, also vor Vollendung des 65. Lebensjahres, geschlossen wurde und zum Zeitpunkt des Todes des Mitglieds noch bestand.

4

Im Januar 2008 beantragte der Kläger, § 23 Abs. 1 der Satzung zu ändern und maßgeblich auf das Erreichen des 68. Lebensjahres abzustellen. Der Verwaltungsrat der Versorgungseinrichtung beschloss, den Antrag nicht zu unterstützen, und teilte dem Kläger mit, man betrachte die Angelegenheit als erledigt.

5

Zur Begründung ihrer vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Feststellungsklage haben die Kläger im Wesentlichen geltend gemacht: Die Rechtsprechung habe bisher gegen den Ausschluss sogenannter „nachgeheirateter“ Witwen von der Gewährung einer Witwenrente keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben. Ausgehend von den europäischen Richtlinien und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs spreche aber alles dafür, dass die stringente Regelung der Satzung eine Altersdiskriminierung darstelle, die gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz beziehungsweise das europarechtliche Diskriminierungsverbot verstoße. Die Bestimmungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes seien auf berufsständische Vereinigungen anwendbar.

6

Da die Beklagte der Klägerin jegliche Witwenrente versage, trage sie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht Rechnung, denn die finanziellen Risiken von Spätehen seien gering, jedenfalls beherrschbar. Grundsätzlich würden wohl alle potentiellen Versorgungsempfänger versicherungsmathematisch als verheiratet berücksichtigt. Zudem sei der Kläger bereits verheiratet gewesen und erspare der Beklagten durch den in der Satzung geregelten Versorgungsausgleich kalkulatorisch die Witwenrente.

7

Sie hätten auch ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung, da sie je nach Ausgang des Verfahrens Vermögensdispositionen für das Alter treffen müssten.

8

Die Kläger haben beantragt,

9

festzustellen, dass die Klägerin im Falle des Vorversterbens des Klägers bei der Beklagten versorgungsberechtigt ist und dem Grunde nach von ihr eine Witwenrente zu erhalten hat.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Zur Begründung hat sie geltend gemacht: Die Klage sei bereits unzulässig, da die begehrte Feststellung nicht auf ein Rechtsverhältnis gerichtet sei. Der Klägerin fehle zudem die notwendige Beschwer, da sie weder Mitglied der Versorgungseinrichtung sei noch im Falle des Vorversterbens des Klägers werden könne. Zudem begründe die theoretische Möglichkeit, dass sie ihren Ehemann überlebe, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt keine Beschwer. Die Klägerin könne im Übrigen im Versicherungsfall eine Leistungsklage erheben; ein "vorgezogenes" Feststellungsinteresse bestehe dagegen nicht. Der Kläger sei zwar ihr Mitglied, mache aber keine eigenen Ansprüche geltend. Daher liege auch hinsichtlich seiner Person kein Rechtsverhältnis vor.

13

Die Kläger könnten sich nicht darauf berufen, dass die Zulassung als Kassenarzt erst mit dem Erreichen des 68. Lebensjahres erlösche. Auf die im vorliegenden Zusammenhang bestehenden beamtenversorgungs- und rentenrechtlichen Regelungen komme es nicht an, da es sich bei diesen und dem berufsständischen Versorgungsrecht um selbstständig nebeneinander stehende Rechtsmaterien handle.

14

Sinn und Zweck der angegriffenen Vorschrift sei es, in Fällen der Verehelichung eines Mitglieds nach dem 65. Lebensjahr eine Doppelbelastung der Versichertengemeinschaft durch zwei Versicherungsleistungen auszuschließen. Eine solche Regelung werde von den Gerichten hinsichtlich Art. 3 des Grundgesetzes - GG - nicht beanstandet. Eine Verpflichtung zur Versorgung sämtlicher Hinterbliebener resultiere auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht.

15

Nach europäischem Recht liege eine Altersdiskriminierung ebenfalls nicht vor. Bei Art. 13 EGV handle es sich um eine Ermächtigungsgrundlage, um Vorkehrungen gegen Diskriminierungen zu treffen. Die Richtlinie 2000/78/EG betreffe lediglich die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und sei daher für Mitgliedschaftsverhältnisse in berufsständischen Versorgungseinrichtungen nicht relevant. § 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - AGG – schließe Benachteiligungen ausschließlich in Bezug auf bestimmte, abschließend aufgeführte Kriterien aus. Darüber hinaus sei der Anwendungsbereich dieser Vorschriften gemäß § 6 AGG auf Arbeitnehmer beschränkt.

16

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, wobei es offen gelassen hat, ob der Feststellungsantrag bereits unzulässig sei; die Klage sei jedenfalls unbegründet. Die maßgebliche Satzungsbestimmung verstoße nicht gegen das in § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 AGG enthaltene Verbot der Benachteiligung wegen des Alters. § 23 Abs. 1 Ziffer 1 der Satzung sei jedenfalls nach § 10 AGG zulässig. Die Satzungsregelung verstoße auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 141 des EG-Vertrags - EGV - oder die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, 16).

17

Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung vertiefen die Kläger ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Es sei anerkannt, dass ein aufschiebend bedingtes Rechtsverhältnis feststellungsfähig sein könne. Eine wirksame unmittelbare und sachnähere Verfahrensart als die Feststellungsklage stehe ihnen nicht zur Verfügung. Wie sich aus § 18 Abs. 1 Nr. 2 AGG ergebe, sei dieses Gesetz auch auf die Versorgungseinrichtung anwendbar, und eine bundesrechtliche Regelungskompetenz bestehe zumindest als Annex zu Art. 74 Abs. 1 Nummer 19 GG. Die Frage könne aber letztlich dahinstehen, da § 10 AGG und die Richtlinie 2000/78/EG inhaltlich identisch seien. Zum Ausschluss kalkulatorischer Risiken reiche es aus, auf die Dauer der neuen Ehe beziehungsweise den Altersunterschied zwischen den Ehegatten abzustellen. Der gewählte Weg einer Totalverweigerung sei jedoch unangemessen.

18

Die Kläger beantragen,

19

unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2009 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz festzustellen, dass die Klägerin im Falle des Vorversterbens des Klägers bei der Beklagten versorgungsberechtigt ist und dem Grunde nach eine Witwenrente zu erhalten hat.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Zur Begründung vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

23

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da sie zwar zulässig (A.), aber unbegründet (B.) ist.

25

A. Die Klage mit dem Ziel festzustellen, dass der Klägerin im Falle des Todes des Klägers grundsätzlich einen Anspruch auf Witwenrente hat, ist als Feststellungsklage (§ 43 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) zulässig.

26

I. Das Begehren ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO gerichtet. Darunter sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, die streitigen rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 38/09 -, juris, m. w. N.).

27

a) Die begehrte Feststellung bezieht sich zunächst auf ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten. Zwar entsteht der Anspruch auf Witwenrente nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung nach dem Tod des Klägers selbständig in der Person der Klägerin, ist aber zu seinen Lebzeiten Gegenstand eines ihm zustehenden bedingten Anspruchs (vgl. - zum Beamtenversorgungsrecht - BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971 - VI C 57.66 -, BVerwGE 38, 346; Urteil vom 8. Juni 1965 - VI C 13.64 -, BVerwGE 21, 214; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09. März 2009 - 2 A 11403/08 -, ZBR 2010, 100). Der Sachverhalt ist bereits hinreichend überschaubar, auch wenn er davon abhängt, dass die Klägerin den Kläger überlebt und ihre Ehe zum Zeitpunkt des Todes des Klägers noch besteht (vgl. BVerwG, a.a.O.), da der Eintritt dieser Bedingungen bei regelmäßigem Verlauf nicht fernliegt (zum umgekehrten Fall vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 1989 - 2 C 23/88 -, NJW 1990, 1866).

28

b) Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist ebenfalls ein konkretes Rechtsverhältnis streitig. Zwar ist die Klägerin derzeit nicht Mitglied der Versorgungseinrichtung, und der von ihr behauptete Anspruch auf Witwenrente steht ebenfalls unter der Bedingung, dass sie den Kläger überlebt und ihre Ehe zum Zeitpunkt des Todes noch bestanden hat. Sofern ihre Rechtsauffassung zuträfe, hätte sie aber bereits jetzt eine ungesicherte Anwartschaft auf ihre zukünftige Witwenrente (vgl. das Urteil des Senats vom 20. November 2007 - 6 C 10767/07.OVG -, juris, m. w. N.). Der Sachverhalt ist ebenso überschaubar, wie dies hinsichtlich des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten der Fall ist. Der ohne nähere Begründung in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 1971 und 8. Juni 1965 (a.a.O.) vertretenen gegenteiligen Auffassung schließt sich der Senat daher nicht an.

29

II. Hinsichtlich der bei Feststellungsklagen in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis (BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 C 10/08 -, DVBl. 2009, 1382, ständige Rechtsprechung) bestehen ebenfalls keine Bedenken, da es möglich erscheint, dass dem Kläger ein bedingter Anspruch auf Zahlung von Witwenrente an die Klägerin zusteht, der eine vergleichbare ungesicherte Anwartschaft der Klägerin entspricht.

30

III. Die Kläger haben zudem ein berechtigtes Interesse an der baldigen gerichtlichen Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO), da sie in dieser Frage Klarheit benötigen, um erforderlichenfalls Dispositionen zur wirtschaftlichen Absicherung der Klägerin zu treffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971, a.a.O.).

31

IV. Die Kläger können ihr Rechtsschutzziel derzeit auch nicht mit einer Leistungs- oder Gestaltungsklage erreichen, so dass die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) ihrer Zulässigkeit im vorliegenden Fall nicht entgegensteht.

32

B. Die Klagen sind aber unbegründet, da die Klägerin im Fall des Todes des Klägers keinen Anspruch auf Witwenrente hat. Ein solcher Anspruch ist gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung ausgeschlossen, da der Kläger zum Zeitpunkt der Eheschließung schon das 65. Lebensjahr vollendet und somit die Altersgrenze nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung überschritten hatte. Darüber hinaus bezog er bereits Altersrente. Die Satzungsbestimmungen beruhen ihrerseits auf § 14 Abs. 6 Nr. 2 des Heilberufsgesetzes - HeilBG - vom 20. Oktober 1978 (GVBl. S. 649, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Oktober 2009. GVBl. S. 358) und sind mit höherrangigem Recht vereinbar.

33

I. Der Ausschluss des Anspruchs der Klägerin auf Witwenrente verstößt nicht gegen § 7 Abs. 1 i.V.m. §§ 1 und 2 Abs. 1 Nr. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - AGG - vom 14. August 2006 (BGBl. I, S. 1897, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009, BGBl. I, S. 160). Danach dürfen Beschäftigte insbesondere nicht wegen ihres Alters benachteiligt werden (§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG). Solche Benachteiligungen sind nach Maßgabe dieses Gesetzes insbesondere unzulässig in Bezug auf die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 AGG). Selbst wenn man Bedenken gegen die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften auf Fälle der vorliegenden Art (1.) zurückstellt, ist die hier vorliegende Benachteiligung wegen des Alters des Klägers zum Zeitpunkt der Eheschließung jedenfalls nach § 10 Sätze 1 und 2 AGG gerechtfertigt (2.).

34

1. Gegen die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 i. V. m. §§ 1 und 2 Abs. 1 Nr. 4 AGG spricht, dass der Kläger als Mitglied der Versorgungseinrichtung kein Beschäftigter im Sinne des 2. Abschnitts des AGG - §§ 7 bis 18 AGG - ist.

35

a) Er unterfällt als Angehöriger eines sogenannten freien Berufs nicht der Legaldefinition des § 6 Abs. 1 AGG. Danach sind Beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sowie Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Angehörige freier Berufe gehören ersichtlich nicht zu diesem Personenkreis.

36

b) Nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Vorschriften des 2. Abschnitts dieses Gesetzes jedoch entsprechend für die Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören. Dies könnte die Annahme stützen, § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung sei an den genannten Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu messen (vgl. VG Trier, Urteil vom 29. April 2009 - 5 K 806/08.TR -; Franke, in: Däubler/Bertzbach, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2. Aufl. 2008, § 2 Rn. 42; Herrmann, ebd., § 18 Rn. 13; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 2 Rn. 68, § 18 Rn. 14, Thüsing, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2007, § 2 AGG Rn. 13, 27, § 18 AGG Rn. 4, 13).

37

c) Allerdings bestehen begründete Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Regelungen, die Auswirkungen auf die Leistungen von Versorgungseinrichtungen der Angehörigen freier Berufe haben (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 27/06 -, BVerwGE 129, 1512). Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung beruft sich auf die Kompetenzen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 des Grundgesetzes - GG - (Arbeitsrecht einschließlich des Arbeitsschutzes), Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (bürgerliches Recht, gerichtliches Verfahren, Rechtsberatung) sowie - bezüglich § 2 Abs. 2 AGG - Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge). Die Versorgung der Angehörigen der freien Berufe unterfällt keiner dieser Kompetenzvorschriften (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007, a.a.O.). Eine Annexkompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, wie sie die Kläger angesprochen haben, liegt ebenfalls fern. Denn es erscheint nicht plausibel, dass der Bund von seiner Kompetenz zur Regelung der Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen sinnvoll nur Gebrauch machen kann, wenn er ebenfalls Regelungen bezüglich der Hinterbliebenenversorgung trifft. Ob die berufsständischen Versorgungswerke dem Gebiet der Sozialversicherung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zuzuordnen sind, ist umstritten (zum Meinungsstand vgl. z. B. v. Roetteken, NVwZ 2008, 615 m. N.).

38

2. Die Frage nach der Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes kann für die vorliegende Entscheidung jedoch offen bleiben, da § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung mit den Vorschriften dieses Gesetzes jedenfalls insoweit in Einklang steht, als es um Fälle geht, in denen das Mitglied - wie hier der Kläger - zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits Altersrente bezogen hat. Die Vorschrift schließt zwar den Anspruch auf Witwenrente gerade wegen der Überschreitung der Altersgrenze zum Zeitpunkt der Eheschließung aus, stellt also eine Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG dar. Diese ist aber nach § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AGG ungeachtet des § 8 AGG zulässig - dieser regelt die unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen und ist hier nicht einschlägig -, da sie objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist (a) und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (b).

39

a) § 10 Abs. 1 Satz 1 AGG umschreibt weder, was unter einem legitimen Ziel zu verstehen ist, noch enthält er eine Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG entsprechende Regelung, wonach unter legitimen Zielen insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind. Allerdings wird unter Bezugnahme auf diese Regelbeispiele teilweise die Auffassung vertreten, legitime Ziele müssten auf die Verfolgung gesetzgeberisch formulierter Gemeinwohlinteressen gerichtet sein, während andere jeden legitimen Zweck zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ausreichen lassen (zum Meinungsstand vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, a.a.O., § 10 Rn. 20 ff. m.w.N.). Die Frage braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden, da § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung gesetzgeberisch formulierten Gemeinwohlinteressen dient.

40

aa) § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung stellt maßgeblich auf die Erreichung der Altersgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Ziff. 1 der Satzung ab. Nach dieser Vorschrift erhalten - im Regelfall - alle Mitglieder der Versorgungseinrichtung ab der Vollendung des 65. Lebensjahres Altersrente mit der Folge, dass gleichzeitig ihre Pflicht zur Entrichtung von Versorgungsabgaben gemäß § 16 Abs. 2 der Satzung erlischt. Die Regelung ist somit erkennbar darauf ausgerichtet, eine Witwen- oder Witwerrente dann auszuschließen, wenn die Ehe vom Mitglied der Versorgungseinrichtung erst im Ruhestand und nach Erreichen der Altersgrenze geschlossen wird. Sie dient somit dem Ausschluss sogenannter „nachgeheirateter“ Witwen bzw. Witwer (vgl. BVerfG 1. Senat, 2. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010 - 1 BvR 2584/06 -, juris; zum Beamtenversorgungsrecht: BVerwG, Beschluss vom 3. März 2000 - 2 B 6/00 -, Buchholz, 239.1 § 19 BeamtVG Nr. 1; BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971, a.a.O.).

41

bb) Das übergeordnete Ziel, das Risiko zukünftiger Zahlungsverpflichtungen zu begrenzen, ist bereits im Wesen der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet. Sie erbringt Leistungen für ihre Mitglieder und ihre Angehörigen bei Berufsunfähigkeit, im Alter und nach dem Tod der Mitglieder. Wie das Sozialversicherungsrecht bietet sie ihnen eine von der Höhe der Beiträge abhängige angemessene Versorgung. Beide sind Teile des Systems der sozialen Sicherung und erfüllen eine öffentliche Aufgabe. Die Versorgungseinrichtung ist rechtlich einer Versicherung zuzuordnen, weil sie sich ausschließlich durch Beiträge der Mitglieder finanziert und die Lasten, die dem Einzelnen und seinen Familienangehörigen aus der Verwirklichung der Risiken Alter, Invalidität oder Tod erwachsen, auf die Gemeinschaft der Mitglieder verteilt. Durch die enge personale Verbindung erhält die Versorgungseinrichtung genossenschaftsähnlichen Charakter, der geprägt ist durch Selbsthilfe, Selbstverwaltung, Selbstverantwortung und Solidarität. Anders als die Rentenversicherung nach dem 4. Buch des Sozialgesetzbuchs - SGB VI - ist sie eine personell eng begrenzte und auf Kapitalbildung basierende soziale Sicherungseinrichtung. Mit dem Versicherungsgedanken geht zwingend eine Risikoübernahme einher, die auf dem Gesetz der großen Zahl beruht. Andererseits ist dem Solidaritätsprinzip im Interesse der gesamten Gefahrengemeinschaft eine Risikobegrenzung wesensimmanent. Was für die Versichertenrente gilt, gilt umso mehr, wenn - wie bei der Hinterbliebenenversorgung, die ohne einen zusätzlichen Beitrag erbracht wird (vgl. §§ 17 ff. der Satzung) - der fürsorgliche genossenschaftliche Aspekt der Angehörigenversorgung zum Versicherungsprinzip hinzutritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2005, a.a.O.).

42

cc) Dass die Risikobegrenzung ein legitimes Ziel im Sinne des § 10 Abs. 1 AGG darstellt, zeigt auch die Regelung des § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG, wonach eine unterschiedliche Behandlung im Sinne des § 10 Sätze 1 und 2 AGG insbesondere die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen einschließen kann. Zwar hat der Gesetzgeber es versäumt, die Ziele solcher Ungleichbehandlungen festzulegen (vgl. z. B. die Kritik bei Brors, a.a.O., § 10 Rn. 137). Die Regelung zeigt aber, dass Differenzierungen aufgrund des Alters in der Natur von - nicht nur betrieblichen - Versorgungssystemen angelegt, an ihre Legitimierung somit keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Thüsing, a.a.O., § 10 AGG Rn. 54; vgl. auch - bezüglich der vergleichbaren Regelung in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG - BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.).

43

dd) Da der Gesetzgeber der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 2 HeilBG) aufgegeben hat, die Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung ihrer Mitglieder zu regeln und diese Aufgaben durch ihre Versorgungseinrichtung durchzuführen (§§ 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 8, 12 Abs. 1 Satz 1 HeilbG), hat er auch das berufsständische Versorgungssysteme prägende Prinzip der Risikobegrenzung in seinen Willen aufgenommen und die Beklagte bzw. ihre Versorgungseinrichtung ermächtigt (vgl. § 14 Abs. 6 HeilBG), dieses Ziel näher zu konkretisieren und die seiner Erreichung dienenden Regelungen zu treffen.

44

Durch den Ausschluss „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer von dem Bezug einer Hinterbliebenenrente stellt die Versorgungseinrichtung die Solidargemeinschaft vom Risiko der Versorgung überlebender Ehegatten frei, wenn diese die Berufstätigkeit des Mitglieds und somit die Aufbringung von Versorgungsabgaben nicht einmal für kurze Zeit durch Fürsorge mittragen können (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.; vgl. auch - bezogen auf eine vorgeschriebene Mindestdauer der Ehe -: BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1/09 -, BVerwGE 134, 99; Urteil des Senats vom 20. November 2007, a.a.O.). Auch dieses Ziel erscheint angesichts des vom Solidaritätsprinzip geprägten Wesens der berufsständischen Versorgungseinrichtung legitim.

45

ee) Das Ziel der Begrenzung solcher Risiken der Hinterbliebenenversorgungsrisiken ist auch „objektiv“ und „angemessen“ im Sinne von § 10 Satz 1 AGG - sofern diesen Kriterien im Rahmen des § 10 Abs. 1 AGG überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommt -, da dieser Differenzierungsgrund über den Gesichtspunkt des Alters hinausgeht und grundsätzlich geeignet ist, den Diskriminierungsschutz zurücktreten zu lassen (vgl. Brors, a.a.O., § 10 AGG Rn. 32; Bertelsmann, in Rust/Falke, a.a.O., § 10 Rn. 48 - „sachlich und vernünftig“ -).

46

b) Der Ausschluss des Anspruchs auf Witwen- bzw. Witwerrente ist als Mittel zur Erreichung der angestrebten Risikobegrenzung angemessen und erforderlich. Mit diesem Begriffspaar umschreibt § 10 Abs. 1 Satz 2 AGG das Erfordernis der Übereinstimmung der Ungleichbehandlung mit dem verfolgten legitimen Ziel, wobei insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist (vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, a.a.O., § 10 Rn. 34; Bertelsmann, in: Rust/Falke, a.a.O., § 10 Rn. 54 ff.). Die aus § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung folgenden Ungleichbehandlungen stehen, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, mit dem verfolgten legitimen Ziel in Einklang (aa - dd). Die Regelung ist geeignet (ee) sowie erforderlich (ff), um das angestrebte Ziel zu erreichen, und steht zu ihm auch nicht außer Verhältnis (gg).

47

aa) § 23 Abs. 1 Satz Nr. 1 differenziert zunächst zwischen den Fällen, in denen die Ehe geschlossen worden ist, als das Mitglied die Altersgrenze noch nicht überschritten und noch aktiv im Berufsleben gestanden hat, und den Fällen, in denen das Mitglied zum Zeitpunkt der Eheschließung die Altersgrenze überschritten und bereits - dies ist nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung der Regelfall - ab diesem Zeitpunkt Altersrente bezogen hat. Nur der ersten Fallgruppe wird ein Anspruch auf Witwenrente zugestanden.

48

Diese Ungleichbehandlung steht im Einklang mit dem Ziel, die Begründung von Versorgungsrisiken zu Lasten der Solidargemeinschaft nach dem Beginn des Rentenbezugs auszuschließen. Zwar verringert sich der Beitrag, den der Ehepartner eines noch berufstätigen Mitglieds zu dessen Berufstätigkeit erbringt, mit zunehmender Nähe der Eheschließung zum Rentenbeginns immer weiter, bis er schließlich mathematisch kaum mehr fassbar sein dürfte. Angesichts der Schwierigkeiten, die mit einer je nach dem Abstand der Eheschließung zum Rentenbeginn differenzierenden Regelung verbunden wären, darf der Satzungsgeber jedoch aufgrund der ihm zustehenden Typisierungsbefugnis an dem leicht handhabbaren Kriterium des Erreichens der Altersgrenze und dem damit regelmäßig einhergehenden Rentenbeginn anknüpfen (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95, 1 BvR 1560/97 -, BVerfGE 100, 138; BVerfG 1. Senat, 2. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010 – 1 BvR 2584/06 -, juris).

49

bb) Die Rechtfertigung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung durch das mit der Regelung verfolgte Ziel wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass durch die ausschließliche Anknüpfung an die Altersgrenze nach § 22 Abs. 1 der Satzung ein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente auch dann besteht, wenn die Ehe zwar vor Erreichen der Altersgrenze geschlossen worden ist, das Mitglied aber zum Zeitpunkt der Heirat bereits eine vorgezogene Altersrente nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung - frühestens ab dem vollendeten 60. Lebensjahr - oder eine Invalidenrente nach § 22 Abs. 2 der Satzung bezogen hat. In solchen Fällen kann der Ehepartner ebenso wenig einen Beitrag zur aktiven Berufstätigkeit des Mitglieds leisten wie bei einer Eheschließung nach dem Erreichen der Altersgrenze und dem einhergehenden Beginn des Rentenbezugs. Es kann dahinstehen, ob die Befugnis zum Erlass typisierender Regelungen (vgl. oben) allein ausreicht, um diese Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Sie ist jedenfalls durch weitere legitime Gründe gerechtfertigt.

50

Die Berufsunfähigkeit infolge von Krankheit, anderen Gebrechen oder Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte (vgl. § 22 Abs. 2 Nr. 1 der Satzung) stellt eine ganz erhebliche, in der Regel schicksalhaft über den Betroffenen hereinbrechende Störung des üblichen Verlaufs des Berufslebens dar. Diese Abweichung vom Regelfall der Beendigung der aktiven Berufsausübung mit dem Erreichen der Altersgrenze lässt es legitim erscheinen, auch in diesen Fällen den Anspruch auf Witwenversorgung aus Gründen der Fürsorge erst auszuschließen, wenn die Eheschließung nach dem Erreichen der Altersgrenze erfolgt.

51

Im Ergebnis gilt auch für die Fälle nichts anderes, in denen ein Mitglied auf eigenen Antrag eine vorgezogene Altersrente bezieht. Hinter dem Rückzug aus dem aktiven Berufsleben dürften ebenfalls nicht selten gesundheitliche Probleme, nachlassende Leistungsfähigkeit – unterhalb der Schwelle zur Berufsunfähigkeit - oder wirtschaftliche Schwierigkeiten stehen. Es erscheint daher gerechtfertigt, im Hinblick auf solche Schwierigkeiten pauschalierend an das in der Praxis leicht handhabbare Kriterium des Erreichens der Altersgrenze anzuknüpfen und nicht in jedem Einzelfall nachzuprüfen, welche Motive für die Beantragung einer vorgezogenen Altersrente ausschlaggebend waren.

52

cc) Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung besteht ein Anspruch auf Witwenrente allerdings selbst dann nicht, wenn die Ehe zwar nach dem Erreichen der Altersgrenze durch das Mitglied geschlossen worden ist, der Beginn der Rentenzahlung aber gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung auf Antrag des Mitglieds über diesen Zeitpunkt hinausgeschoben worden ist. In diesem Fall leistet der Ehepartner noch einen Beitrag zur Berufsausübung des Mitglieds und damit auch zum Beitragsaufkommen. Der den Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer legitimierende Grund, dass sie keinen Beitrag zur Berufsausübung des Mitglieds geleistet haben, trägt diese Benachteiligung daher nicht.

53

Ob insoweit lediglich ein Redaktionsversehen vorliegt oder eine solche Ungleichbehandlung aufgrund der Typisierungsbefugnis des Satzungsgebers gerechtfertigt sein könnte, kann hier dahinstehen. Denn die Kläger sind von dieser Ungleichbehandlung nicht betroffen, da der Kläger zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits Rente bezogen hat. Zudem hätte eine solche unterstellte ungerechtfertigte Benachteiligung nicht die Unwirksamkeit des § 21 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung zur Folge. Vielmehr könnte gegebenenfalls die Vorschrift im Wege der gesetzeskonformen Auslegung dahingehend verstanden werden, dass der Anspruch auf Witwenrente nur dann entfiele, wenn das Mitglied die Ehe erst nach dem Erreichen der Altersgrenze und nach dem Beginn der Rentenzahlung geschlossen hat.

54

dd) Die Kläger können auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Kläger sei bereits einmal verheiratet gewesen, und durch den in der Satzung geregelten Versorgungsausgleich erspare die Beklagte kalkulatorisch die Witwenrente. Richtig ist zwar, dass der Kläger durch seine erste Eheschließung bereits einmal zu Lasten der Versorgungseinrichtung das Risiko begründet hatte, unter Umständen Witwenrente zahlen zu müssen. Dieses Risiko ist auch mit der Scheidung dieser Ehe entfallen, und der in § 26 der Satzung geregelte Versorgungsausgleich hat allein zu einer Minderung seiner Versorgungsanwartschaften geführt. Der zu Gunsten seiner geschiedenen Ehefrau durchgeführte Versorgungsausgleich steht aber in keinem inneren Zusammenhang mit dem Versorgungsrisiko, das er später durch seine erneute Heirat begründet hat. Daher erscheint es auch legitim, dass die Beklagte ihn wegen dieses neuen Versorgungsrisikos nicht anders behandelt als ein Mitglied, das vor der Erreichung der Altersgrenze noch nicht verheiratet war (vgl. - zur Wiederheirat des geschiedenen Ehegatten - BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971, a.a.O.; OVG Saarland, Beschluss vom 19. September 2006 - 1 Q 24/06 -, AS 33, 314).

55

ee) Dass der Ausschluss nachgeheirateter Witwen und Witwer von der Versorgung zur Begrenzung der von der Gesamtheit der Mitglieder zu tragenden Risiken geeignet ist, liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Begründung.

56

ff) Er ist auch erforderlich, da weniger einschneidende Maßnahmen nicht ebenso geeignet wären, die Belastungen durch Versorgungsleistungen zu begrenzen. Dies gilt sowohl für die Möglichkeit, den Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente von einer gewissen Mindestdauer der Ehe abhängig zu machen - gegebenenfalls gekoppelt mit dem Möglichkeit des Nachweises, es habe sich nicht um eine Versorgungsehe gehandelt -, als auch für die Möglichkeit einer gestaffelten Rentenhöhe in Abhängigkeit von der Dauer der Ehe.

57

Auch der Einwand der Kläger, alle potentiellen Versorgungsempfänger würden versicherungsmathematisch als verheiratet berücksichtigt, es sei daher nicht erforderlich, Ansprüche nachgeheirateter Witwen und Witwer auszuschließen, greift nicht durch. Nach § 27 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Satzung wird die Rentenbemessungsgrundlage - nach § 28 der Satzung ein wesentlicher Faktor für die Berechnung der Rentenhöhe - jährlich vom Verwaltungsrat aufgrund der Ergebnisse eines versicherungsmathematischen Gutachtens festgesetzt. Die Berechnung ist so vorzunehmen, dass nach den Verhältnissen zu Beginn des entsprechenden Jahres die künftigen Einnahmen und der vorhandene Ausgleichsstock (§ 21 Abs. 2 der Satzung) einschließlich der Zinsen ausreichen, um die künftigen Verpflichtungen gemäß § 21 der Satzung zu erfüllen.

58

In solchen versicherungsmathematischen Gutachten ist das Risiko einer Hinterbliebenenversorgung „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer nicht zu berücksichtigen. Nach § 21 der Satzung dürfen nämlich die durch die Entrichtung von Versorgungsabgaben vorhandenen Mittel grundsätzlich nur zur Erbringung der in der Satzung festgelegten Leistungen, zur Bildung der geschäftsplanmäßigen Deckungsrücklagen sowie zur Bestreitung der notwendigen Verwaltungskosten verwendet werden (Abs. 1). Soweit die Einnahmen eines Jahres nicht für satzungsmäßige Ausgaben verwendet werden, sind sie dem Ausgleichsstock zuzuführen (Abs. 2 Satz 1). Reichen die Einnahmen nicht aus, um die satzungsmäßigen Aufgaben zu bestreiten, so ist der fehlende Betrag dem Ausgleichsstock zu entnehmen (Abs. 2 Satz 2). Wegen dieser Bindung der finanziellen Mittel der Versorgungseinrichtung an die satzungsmäßigen Aufgaben, kann keine Rede davon sein, das Risiko von Versorgungsansprüchen „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer sei bereits durch die erbrachten Versorgungsabgaben abgegolten.

59

Eine fehlerhafte versicherungsmathematische Berechnung unter Berücksichtigung vermeintlicher Ansprüche „nachgeheirateter“ Witwen oder Witwer hätte im Übrigen allenfalls zur Folge, dass die Rentenbemessungsgrundlage zu niedrig festgesetzt und dem Ausgleichsstock ein zu hoher Betrag zugeführt bzw. ihm ein zu geringer Betrag entnommen würde. Zusätzliche Ansprüche – abweichend von § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung - ließen sich hieraus jedoch nicht ableiten. Daher konnte der Senat entgegen der Anregung der Kläger davon absehen, durch Einsichtnahme in die versicherungsmathematischen Gutachten der Versorgungseinrichtung der Frage nachzugehen, ob das Versorgungsrisiko nachgeheirateter Witwen und Witwer darin berücksichtigt worden ist.

60

gg) Die mit dem Ausschluss von Versorgungsansprüchen „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer verbundene Schlechterstellung steht auch nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg. Dies gilt selbst dann, wenn man mit den Klägern davon ausgeht, Rentenansprüche dieser Gruppe führten nur zu einer verhältnismäßig geringen, jedenfalls beherrschbaren Mehrbelastung. Denn die Belastung durch den Ausschluss der Hinterbliebenenrente bei einer Eheschließung nach Erreichen der Altersgrenze wiegt ebenfalls nicht schwer. Insbesondere greift dies nicht in grundrechtlich geschützte Positionen ein.

61

Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) liegt nicht vor, da § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung keine Vermutung einer Versorgungsehe enthält, sondern eine wertneutrale Regelung zur Begrenzung der Risiken der Solidargemeinschaft (vgl. - hinsichtlich einer Regelung zur Mindestdauer von „Spätehen“ - BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.).

62

Die Regelung greift auch nicht in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) ein, da es keine dem einzelnen Mitglied zurechenbare Eigenleistung gibt, aufgrund derer der satzungsmäßige Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente dem grundrechtlich geschützten Eigentum zuzuordnen wäre. Die Hinterbliebenenversorgung wird vielmehr ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Versicherungsleistung des Mitglieds gewährt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.).

63

Ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung wird auch nicht durch die Schutzpflicht des Staates für Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) begründet, da diese nicht gebietet, jegliche die Ehe oder die Familie treffende Belastung auszugleichen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.). Die Eheschließung führt auch nicht zu einem Verlust von Versorgungsansprüchen, die dem überlebende Ehepartner ohne die Heirat zugestanden hätten (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.).

64

Schließlich ist bei einer Eheschließung nach dem Erreichen der Altersgrenze eher als bei einer Eheschließung in jungen Jahren anzunehmen, der Ehepartner verfüge selbst bereits über ausreichende Versorgungsanwartschaften oder Vermögen (vgl. - zur Eheschließung nach Vollendung des 62. Lebensjahres - BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.). In den Fällen, in denen der Ehepartner noch so jung ist, dass er sich noch keine ausreichenden Versorgungsanwartschaften oder Vermögen schaffen konnte, erscheint es für ihn im Regelfall zumutbar, sich durch eine Erwerbstätigkeit die Grundlage für seine Versorgung im Alter noch zu schaffen.

65

Zur Begründung ihrer Einwände gegen die Verhältnismäßigkeit des § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung können sich die Kläger auch nicht auf die Begründung der Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 22. Mai 2008 in der Rechtssache C-427/06 (Bartsch) berufen. Die darin (Ziff. 118 ff.) geäußerten Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit eines völligen Ausschlusses einer Hinterbliebenenversorgung sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Zwar beziehen sie sich auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, der durch § 10 Sätze 1 und 2 AGG umgesetzt wird. Allerdings betreffen sie eine Regelung, die eine Hinterbliebenenversorgung einschränkt, wenn der Altersunterschied zwischen Eheleuten ein bestimmtes Maß übersteigt. Eine solche Regelung ist mit dem Ausschluss „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer von der Hinterbliebenenversorgung nicht vergleichbar.

66

II. § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Er gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dabei obliegt es dem Normgeber zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er als maßgebend dafür ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn sich - bezogen auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs - ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonst wie einleuchtender Grund für die betreffende Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2005 - 2 BvR 167/02 -, BVerfGE 112, 164 [174]). Hinsichtlich der Ungleichbehandlung der Mitglieder und der sie überlebenden Ehepartner je nach dem Zeitpunkt der Eheschließung folgt aus den Ausführungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, dass diese Differenzierungen auf sachlichen Gründen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG beruhen.

67

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG folgt auch nicht daraus, dass das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, das Beamtenversorgungsrecht sowie die Satzungen anderer Versorgungswerke keine oder weniger strenge Einschränkungen der Versorgungsansprüche nachgeheirateter Witwen und Witwer enthalten. Der Gleichbehandlungsanspruch ist nämlich auf den Kompetenzbereich des jeweiligen Trägers öffentlicher Gewalt beschränkt. Aus ihm kann daher kein Recht abgeleitet werden, von einem Träger öffentlicher Gewalt so behandelt zu werden wie ein anderer Grundrechtsträger von einem anderen Träger öffentlicher Gewalt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.).

68

Aus diesem Grund begründet Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls keinen Anspruch auf Angleichung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung an die bis zum 30. August 2008 geltende Altersgrenze für Vertragsärzte von 68 Jahren (vgl. § 95 Abs. 7 Satz 3 des 5. Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB V - in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl. I Seite 2266, geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2008, BGBl. I Seite 2426). Zudem stand diese Altersgrenze in einem völlig anderen Regelungszusammenhang wie die hier maßgebliche Satzungsregelung.

69

III. § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung verstößt auch nicht gegen europäisches Recht.

70

1. Ein Verstoß gegen Art. 13 des EG-Vertrages - EGV - scheidet aus, da diese Vorschrift lediglich eine Ermächtigung des Rates der Europäischen Union enthält, Vorkehrungen gegen Diskriminierungen - unter anderem - wegen des Alters zu treffen, begründet selbst allerdings kein solches primärrechtliches Verbot (vgl. EuGH, Urteil vom 23. September 2008 - C-427/06 -, EuZW 2008, 697).

71

2. Art. 141 EGV steht der Satzungsregelung ebenfalls nicht entgegen. Danach stellt jeder Mitgliedstaat die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher, wobei unter "Entgelt" die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen sind, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

72

Da die Hinterbliebenenversorgung kein nachgezogenes Entgelt für Arbeit ist und bei einem freiberuflich tätigen Arzt nicht von einer ehemals ausgeübten "Beschäftigung" gesprochen werden kann, scheidet eine Verletzung von Art. 141 EG aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, aaO.). Zudem differenziert § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung nicht nach dem Geschlecht des Mitgliedes und seines Ehepartners, sondern nach dem Alter des Mitglieds zum Zeitpunkt der Eheschließung.

73

3. Die Satzungsregelung verstößt auch nicht gegen die Richtlinie 2000/78/EG. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2007 (a.a.O.) findet diese nach ihrem Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit dem 13. Erwägungsgrund auf berufsständische Versorgungseinrichtungen als staatliche Systeme der sozialen Sicherheit, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt im Sinne des Art. 141 EG entsprechen, schon keine Anwendung (offen gelassen im Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.). Auch diese Frage kann hier aber dahingestellt bleiben.

74

§ 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung ist nämlich gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie gerechtfertigt. Danach stellen Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind, und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Bezug genommen, durch das die Richtlinie 2000/78/EG in nationales Recht umgesetzt worden ist.

75

4. Es besteht keine Veranlassung für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 234 EGV, da keine entscheidungserheblichen Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Gemeinschaftsrechts bestehen.

76

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

77

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

78

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

79

Beschluss:

80

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5000,-- € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG).

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Feststellung, dass der Klägerin im Falle des Todes des Klägers grundsätzlich ein Anspruch auf Witwenrente zusteht.

2

Der am 11. August 1939 geborene Kläger war als niedergelassener Arzt im Gebiet der beklagten Bezirksärztekammer tätig. Deren Versorgungseinrichtung gewährt ihm seit Oktober 2003 eine Altersrente. Nach Scheidung seiner ersten Ehe heiratete er am 9. August 2007 - im Alter von 67 Jahren - die im Jahre 1962 geborene Klägerin.

3

Nach § 23 Abs. 1 Nummer 1 der Satzung der Versorgungseinrichtung - Stand: 1. Januar 2006 - erhält der überlebende Ehegatte eines Mitglieds Witwen- beziehungsweise Witwerrente, sofern die Ehe vor Erreichung der Altersgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Ziff. 1, also vor Vollendung des 65. Lebensjahres, geschlossen wurde und zum Zeitpunkt des Todes des Mitglieds noch bestand.

4

Im Januar 2008 beantragte der Kläger, § 23 Abs. 1 der Satzung zu ändern und maßgeblich auf das Erreichen des 68. Lebensjahres abzustellen. Der Verwaltungsrat der Versorgungseinrichtung beschloss, den Antrag nicht zu unterstützen, und teilte dem Kläger mit, man betrachte die Angelegenheit als erledigt.

5

Zur Begründung ihrer vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Feststellungsklage haben die Kläger im Wesentlichen geltend gemacht: Die Rechtsprechung habe bisher gegen den Ausschluss sogenannter „nachgeheirateter“ Witwen von der Gewährung einer Witwenrente keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben. Ausgehend von den europäischen Richtlinien und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs spreche aber alles dafür, dass die stringente Regelung der Satzung eine Altersdiskriminierung darstelle, die gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz beziehungsweise das europarechtliche Diskriminierungsverbot verstoße. Die Bestimmungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes seien auf berufsständische Vereinigungen anwendbar.

6

Da die Beklagte der Klägerin jegliche Witwenrente versage, trage sie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht Rechnung, denn die finanziellen Risiken von Spätehen seien gering, jedenfalls beherrschbar. Grundsätzlich würden wohl alle potentiellen Versorgungsempfänger versicherungsmathematisch als verheiratet berücksichtigt. Zudem sei der Kläger bereits verheiratet gewesen und erspare der Beklagten durch den in der Satzung geregelten Versorgungsausgleich kalkulatorisch die Witwenrente.

7

Sie hätten auch ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung, da sie je nach Ausgang des Verfahrens Vermögensdispositionen für das Alter treffen müssten.

8

Die Kläger haben beantragt,

9

festzustellen, dass die Klägerin im Falle des Vorversterbens des Klägers bei der Beklagten versorgungsberechtigt ist und dem Grunde nach von ihr eine Witwenrente zu erhalten hat.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Zur Begründung hat sie geltend gemacht: Die Klage sei bereits unzulässig, da die begehrte Feststellung nicht auf ein Rechtsverhältnis gerichtet sei. Der Klägerin fehle zudem die notwendige Beschwer, da sie weder Mitglied der Versorgungseinrichtung sei noch im Falle des Vorversterbens des Klägers werden könne. Zudem begründe die theoretische Möglichkeit, dass sie ihren Ehemann überlebe, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt keine Beschwer. Die Klägerin könne im Übrigen im Versicherungsfall eine Leistungsklage erheben; ein "vorgezogenes" Feststellungsinteresse bestehe dagegen nicht. Der Kläger sei zwar ihr Mitglied, mache aber keine eigenen Ansprüche geltend. Daher liege auch hinsichtlich seiner Person kein Rechtsverhältnis vor.

13

Die Kläger könnten sich nicht darauf berufen, dass die Zulassung als Kassenarzt erst mit dem Erreichen des 68. Lebensjahres erlösche. Auf die im vorliegenden Zusammenhang bestehenden beamtenversorgungs- und rentenrechtlichen Regelungen komme es nicht an, da es sich bei diesen und dem berufsständischen Versorgungsrecht um selbstständig nebeneinander stehende Rechtsmaterien handle.

14

Sinn und Zweck der angegriffenen Vorschrift sei es, in Fällen der Verehelichung eines Mitglieds nach dem 65. Lebensjahr eine Doppelbelastung der Versichertengemeinschaft durch zwei Versicherungsleistungen auszuschließen. Eine solche Regelung werde von den Gerichten hinsichtlich Art. 3 des Grundgesetzes - GG - nicht beanstandet. Eine Verpflichtung zur Versorgung sämtlicher Hinterbliebener resultiere auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht.

15

Nach europäischem Recht liege eine Altersdiskriminierung ebenfalls nicht vor. Bei Art. 13 EGV handle es sich um eine Ermächtigungsgrundlage, um Vorkehrungen gegen Diskriminierungen zu treffen. Die Richtlinie 2000/78/EG betreffe lediglich die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und sei daher für Mitgliedschaftsverhältnisse in berufsständischen Versorgungseinrichtungen nicht relevant. § 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - AGG – schließe Benachteiligungen ausschließlich in Bezug auf bestimmte, abschließend aufgeführte Kriterien aus. Darüber hinaus sei der Anwendungsbereich dieser Vorschriften gemäß § 6 AGG auf Arbeitnehmer beschränkt.

16

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, wobei es offen gelassen hat, ob der Feststellungsantrag bereits unzulässig sei; die Klage sei jedenfalls unbegründet. Die maßgebliche Satzungsbestimmung verstoße nicht gegen das in § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 AGG enthaltene Verbot der Benachteiligung wegen des Alters. § 23 Abs. 1 Ziffer 1 der Satzung sei jedenfalls nach § 10 AGG zulässig. Die Satzungsregelung verstoße auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 141 des EG-Vertrags - EGV - oder die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, 16).

17

Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung vertiefen die Kläger ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Es sei anerkannt, dass ein aufschiebend bedingtes Rechtsverhältnis feststellungsfähig sein könne. Eine wirksame unmittelbare und sachnähere Verfahrensart als die Feststellungsklage stehe ihnen nicht zur Verfügung. Wie sich aus § 18 Abs. 1 Nr. 2 AGG ergebe, sei dieses Gesetz auch auf die Versorgungseinrichtung anwendbar, und eine bundesrechtliche Regelungskompetenz bestehe zumindest als Annex zu Art. 74 Abs. 1 Nummer 19 GG. Die Frage könne aber letztlich dahinstehen, da § 10 AGG und die Richtlinie 2000/78/EG inhaltlich identisch seien. Zum Ausschluss kalkulatorischer Risiken reiche es aus, auf die Dauer der neuen Ehe beziehungsweise den Altersunterschied zwischen den Ehegatten abzustellen. Der gewählte Weg einer Totalverweigerung sei jedoch unangemessen.

18

Die Kläger beantragen,

19

unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2009 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz festzustellen, dass die Klägerin im Falle des Vorversterbens des Klägers bei der Beklagten versorgungsberechtigt ist und dem Grunde nach eine Witwenrente zu erhalten hat.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Zur Begründung vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

23

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da sie zwar zulässig (A.), aber unbegründet (B.) ist.

25

A. Die Klage mit dem Ziel festzustellen, dass der Klägerin im Falle des Todes des Klägers grundsätzlich einen Anspruch auf Witwenrente hat, ist als Feststellungsklage (§ 43 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) zulässig.

26

I. Das Begehren ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO gerichtet. Darunter sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, die streitigen rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 38/09 -, juris, m. w. N.).

27

a) Die begehrte Feststellung bezieht sich zunächst auf ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten. Zwar entsteht der Anspruch auf Witwenrente nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung nach dem Tod des Klägers selbständig in der Person der Klägerin, ist aber zu seinen Lebzeiten Gegenstand eines ihm zustehenden bedingten Anspruchs (vgl. - zum Beamtenversorgungsrecht - BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971 - VI C 57.66 -, BVerwGE 38, 346; Urteil vom 8. Juni 1965 - VI C 13.64 -, BVerwGE 21, 214; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09. März 2009 - 2 A 11403/08 -, ZBR 2010, 100). Der Sachverhalt ist bereits hinreichend überschaubar, auch wenn er davon abhängt, dass die Klägerin den Kläger überlebt und ihre Ehe zum Zeitpunkt des Todes des Klägers noch besteht (vgl. BVerwG, a.a.O.), da der Eintritt dieser Bedingungen bei regelmäßigem Verlauf nicht fernliegt (zum umgekehrten Fall vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 1989 - 2 C 23/88 -, NJW 1990, 1866).

28

b) Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist ebenfalls ein konkretes Rechtsverhältnis streitig. Zwar ist die Klägerin derzeit nicht Mitglied der Versorgungseinrichtung, und der von ihr behauptete Anspruch auf Witwenrente steht ebenfalls unter der Bedingung, dass sie den Kläger überlebt und ihre Ehe zum Zeitpunkt des Todes noch bestanden hat. Sofern ihre Rechtsauffassung zuträfe, hätte sie aber bereits jetzt eine ungesicherte Anwartschaft auf ihre zukünftige Witwenrente (vgl. das Urteil des Senats vom 20. November 2007 - 6 C 10767/07.OVG -, juris, m. w. N.). Der Sachverhalt ist ebenso überschaubar, wie dies hinsichtlich des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten der Fall ist. Der ohne nähere Begründung in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 1971 und 8. Juni 1965 (a.a.O.) vertretenen gegenteiligen Auffassung schließt sich der Senat daher nicht an.

29

II. Hinsichtlich der bei Feststellungsklagen in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis (BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 C 10/08 -, DVBl. 2009, 1382, ständige Rechtsprechung) bestehen ebenfalls keine Bedenken, da es möglich erscheint, dass dem Kläger ein bedingter Anspruch auf Zahlung von Witwenrente an die Klägerin zusteht, der eine vergleichbare ungesicherte Anwartschaft der Klägerin entspricht.

30

III. Die Kläger haben zudem ein berechtigtes Interesse an der baldigen gerichtlichen Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO), da sie in dieser Frage Klarheit benötigen, um erforderlichenfalls Dispositionen zur wirtschaftlichen Absicherung der Klägerin zu treffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971, a.a.O.).

31

IV. Die Kläger können ihr Rechtsschutzziel derzeit auch nicht mit einer Leistungs- oder Gestaltungsklage erreichen, so dass die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) ihrer Zulässigkeit im vorliegenden Fall nicht entgegensteht.

32

B. Die Klagen sind aber unbegründet, da die Klägerin im Fall des Todes des Klägers keinen Anspruch auf Witwenrente hat. Ein solcher Anspruch ist gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung ausgeschlossen, da der Kläger zum Zeitpunkt der Eheschließung schon das 65. Lebensjahr vollendet und somit die Altersgrenze nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung überschritten hatte. Darüber hinaus bezog er bereits Altersrente. Die Satzungsbestimmungen beruhen ihrerseits auf § 14 Abs. 6 Nr. 2 des Heilberufsgesetzes - HeilBG - vom 20. Oktober 1978 (GVBl. S. 649, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Oktober 2009. GVBl. S. 358) und sind mit höherrangigem Recht vereinbar.

33

I. Der Ausschluss des Anspruchs der Klägerin auf Witwenrente verstößt nicht gegen § 7 Abs. 1 i.V.m. §§ 1 und 2 Abs. 1 Nr. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - AGG - vom 14. August 2006 (BGBl. I, S. 1897, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009, BGBl. I, S. 160). Danach dürfen Beschäftigte insbesondere nicht wegen ihres Alters benachteiligt werden (§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG). Solche Benachteiligungen sind nach Maßgabe dieses Gesetzes insbesondere unzulässig in Bezug auf die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 AGG). Selbst wenn man Bedenken gegen die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften auf Fälle der vorliegenden Art (1.) zurückstellt, ist die hier vorliegende Benachteiligung wegen des Alters des Klägers zum Zeitpunkt der Eheschließung jedenfalls nach § 10 Sätze 1 und 2 AGG gerechtfertigt (2.).

34

1. Gegen die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 i. V. m. §§ 1 und 2 Abs. 1 Nr. 4 AGG spricht, dass der Kläger als Mitglied der Versorgungseinrichtung kein Beschäftigter im Sinne des 2. Abschnitts des AGG - §§ 7 bis 18 AGG - ist.

35

a) Er unterfällt als Angehöriger eines sogenannten freien Berufs nicht der Legaldefinition des § 6 Abs. 1 AGG. Danach sind Beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sowie Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Angehörige freier Berufe gehören ersichtlich nicht zu diesem Personenkreis.

36

b) Nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Vorschriften des 2. Abschnitts dieses Gesetzes jedoch entsprechend für die Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören. Dies könnte die Annahme stützen, § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung sei an den genannten Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu messen (vgl. VG Trier, Urteil vom 29. April 2009 - 5 K 806/08.TR -; Franke, in: Däubler/Bertzbach, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2. Aufl. 2008, § 2 Rn. 42; Herrmann, ebd., § 18 Rn. 13; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 2 Rn. 68, § 18 Rn. 14, Thüsing, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2007, § 2 AGG Rn. 13, 27, § 18 AGG Rn. 4, 13).

37

c) Allerdings bestehen begründete Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Regelungen, die Auswirkungen auf die Leistungen von Versorgungseinrichtungen der Angehörigen freier Berufe haben (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 27/06 -, BVerwGE 129, 1512). Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung beruft sich auf die Kompetenzen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 des Grundgesetzes - GG - (Arbeitsrecht einschließlich des Arbeitsschutzes), Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (bürgerliches Recht, gerichtliches Verfahren, Rechtsberatung) sowie - bezüglich § 2 Abs. 2 AGG - Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge). Die Versorgung der Angehörigen der freien Berufe unterfällt keiner dieser Kompetenzvorschriften (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007, a.a.O.). Eine Annexkompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, wie sie die Kläger angesprochen haben, liegt ebenfalls fern. Denn es erscheint nicht plausibel, dass der Bund von seiner Kompetenz zur Regelung der Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen sinnvoll nur Gebrauch machen kann, wenn er ebenfalls Regelungen bezüglich der Hinterbliebenenversorgung trifft. Ob die berufsständischen Versorgungswerke dem Gebiet der Sozialversicherung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zuzuordnen sind, ist umstritten (zum Meinungsstand vgl. z. B. v. Roetteken, NVwZ 2008, 615 m. N.).

38

2. Die Frage nach der Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes kann für die vorliegende Entscheidung jedoch offen bleiben, da § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung mit den Vorschriften dieses Gesetzes jedenfalls insoweit in Einklang steht, als es um Fälle geht, in denen das Mitglied - wie hier der Kläger - zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits Altersrente bezogen hat. Die Vorschrift schließt zwar den Anspruch auf Witwenrente gerade wegen der Überschreitung der Altersgrenze zum Zeitpunkt der Eheschließung aus, stellt also eine Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG dar. Diese ist aber nach § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AGG ungeachtet des § 8 AGG zulässig - dieser regelt die unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen und ist hier nicht einschlägig -, da sie objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist (a) und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (b).

39

a) § 10 Abs. 1 Satz 1 AGG umschreibt weder, was unter einem legitimen Ziel zu verstehen ist, noch enthält er eine Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG entsprechende Regelung, wonach unter legitimen Zielen insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind. Allerdings wird unter Bezugnahme auf diese Regelbeispiele teilweise die Auffassung vertreten, legitime Ziele müssten auf die Verfolgung gesetzgeberisch formulierter Gemeinwohlinteressen gerichtet sein, während andere jeden legitimen Zweck zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ausreichen lassen (zum Meinungsstand vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, a.a.O., § 10 Rn. 20 ff. m.w.N.). Die Frage braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden, da § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung gesetzgeberisch formulierten Gemeinwohlinteressen dient.

40

aa) § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung stellt maßgeblich auf die Erreichung der Altersgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Ziff. 1 der Satzung ab. Nach dieser Vorschrift erhalten - im Regelfall - alle Mitglieder der Versorgungseinrichtung ab der Vollendung des 65. Lebensjahres Altersrente mit der Folge, dass gleichzeitig ihre Pflicht zur Entrichtung von Versorgungsabgaben gemäß § 16 Abs. 2 der Satzung erlischt. Die Regelung ist somit erkennbar darauf ausgerichtet, eine Witwen- oder Witwerrente dann auszuschließen, wenn die Ehe vom Mitglied der Versorgungseinrichtung erst im Ruhestand und nach Erreichen der Altersgrenze geschlossen wird. Sie dient somit dem Ausschluss sogenannter „nachgeheirateter“ Witwen bzw. Witwer (vgl. BVerfG 1. Senat, 2. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010 - 1 BvR 2584/06 -, juris; zum Beamtenversorgungsrecht: BVerwG, Beschluss vom 3. März 2000 - 2 B 6/00 -, Buchholz, 239.1 § 19 BeamtVG Nr. 1; BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971, a.a.O.).

41

bb) Das übergeordnete Ziel, das Risiko zukünftiger Zahlungsverpflichtungen zu begrenzen, ist bereits im Wesen der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet. Sie erbringt Leistungen für ihre Mitglieder und ihre Angehörigen bei Berufsunfähigkeit, im Alter und nach dem Tod der Mitglieder. Wie das Sozialversicherungsrecht bietet sie ihnen eine von der Höhe der Beiträge abhängige angemessene Versorgung. Beide sind Teile des Systems der sozialen Sicherung und erfüllen eine öffentliche Aufgabe. Die Versorgungseinrichtung ist rechtlich einer Versicherung zuzuordnen, weil sie sich ausschließlich durch Beiträge der Mitglieder finanziert und die Lasten, die dem Einzelnen und seinen Familienangehörigen aus der Verwirklichung der Risiken Alter, Invalidität oder Tod erwachsen, auf die Gemeinschaft der Mitglieder verteilt. Durch die enge personale Verbindung erhält die Versorgungseinrichtung genossenschaftsähnlichen Charakter, der geprägt ist durch Selbsthilfe, Selbstverwaltung, Selbstverantwortung und Solidarität. Anders als die Rentenversicherung nach dem 4. Buch des Sozialgesetzbuchs - SGB VI - ist sie eine personell eng begrenzte und auf Kapitalbildung basierende soziale Sicherungseinrichtung. Mit dem Versicherungsgedanken geht zwingend eine Risikoübernahme einher, die auf dem Gesetz der großen Zahl beruht. Andererseits ist dem Solidaritätsprinzip im Interesse der gesamten Gefahrengemeinschaft eine Risikobegrenzung wesensimmanent. Was für die Versichertenrente gilt, gilt umso mehr, wenn - wie bei der Hinterbliebenenversorgung, die ohne einen zusätzlichen Beitrag erbracht wird (vgl. §§ 17 ff. der Satzung) - der fürsorgliche genossenschaftliche Aspekt der Angehörigenversorgung zum Versicherungsprinzip hinzutritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2005, a.a.O.).

42

cc) Dass die Risikobegrenzung ein legitimes Ziel im Sinne des § 10 Abs. 1 AGG darstellt, zeigt auch die Regelung des § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG, wonach eine unterschiedliche Behandlung im Sinne des § 10 Sätze 1 und 2 AGG insbesondere die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen einschließen kann. Zwar hat der Gesetzgeber es versäumt, die Ziele solcher Ungleichbehandlungen festzulegen (vgl. z. B. die Kritik bei Brors, a.a.O., § 10 Rn. 137). Die Regelung zeigt aber, dass Differenzierungen aufgrund des Alters in der Natur von - nicht nur betrieblichen - Versorgungssystemen angelegt, an ihre Legitimierung somit keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Thüsing, a.a.O., § 10 AGG Rn. 54; vgl. auch - bezüglich der vergleichbaren Regelung in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG - BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.).

43

dd) Da der Gesetzgeber der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 2 HeilBG) aufgegeben hat, die Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung ihrer Mitglieder zu regeln und diese Aufgaben durch ihre Versorgungseinrichtung durchzuführen (§§ 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 8, 12 Abs. 1 Satz 1 HeilbG), hat er auch das berufsständische Versorgungssysteme prägende Prinzip der Risikobegrenzung in seinen Willen aufgenommen und die Beklagte bzw. ihre Versorgungseinrichtung ermächtigt (vgl. § 14 Abs. 6 HeilBG), dieses Ziel näher zu konkretisieren und die seiner Erreichung dienenden Regelungen zu treffen.

44

Durch den Ausschluss „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer von dem Bezug einer Hinterbliebenenrente stellt die Versorgungseinrichtung die Solidargemeinschaft vom Risiko der Versorgung überlebender Ehegatten frei, wenn diese die Berufstätigkeit des Mitglieds und somit die Aufbringung von Versorgungsabgaben nicht einmal für kurze Zeit durch Fürsorge mittragen können (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.; vgl. auch - bezogen auf eine vorgeschriebene Mindestdauer der Ehe -: BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1/09 -, BVerwGE 134, 99; Urteil des Senats vom 20. November 2007, a.a.O.). Auch dieses Ziel erscheint angesichts des vom Solidaritätsprinzip geprägten Wesens der berufsständischen Versorgungseinrichtung legitim.

45

ee) Das Ziel der Begrenzung solcher Risiken der Hinterbliebenenversorgungsrisiken ist auch „objektiv“ und „angemessen“ im Sinne von § 10 Satz 1 AGG - sofern diesen Kriterien im Rahmen des § 10 Abs. 1 AGG überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommt -, da dieser Differenzierungsgrund über den Gesichtspunkt des Alters hinausgeht und grundsätzlich geeignet ist, den Diskriminierungsschutz zurücktreten zu lassen (vgl. Brors, a.a.O., § 10 AGG Rn. 32; Bertelsmann, in Rust/Falke, a.a.O., § 10 Rn. 48 - „sachlich und vernünftig“ -).

46

b) Der Ausschluss des Anspruchs auf Witwen- bzw. Witwerrente ist als Mittel zur Erreichung der angestrebten Risikobegrenzung angemessen und erforderlich. Mit diesem Begriffspaar umschreibt § 10 Abs. 1 Satz 2 AGG das Erfordernis der Übereinstimmung der Ungleichbehandlung mit dem verfolgten legitimen Ziel, wobei insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist (vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, a.a.O., § 10 Rn. 34; Bertelsmann, in: Rust/Falke, a.a.O., § 10 Rn. 54 ff.). Die aus § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung folgenden Ungleichbehandlungen stehen, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, mit dem verfolgten legitimen Ziel in Einklang (aa - dd). Die Regelung ist geeignet (ee) sowie erforderlich (ff), um das angestrebte Ziel zu erreichen, und steht zu ihm auch nicht außer Verhältnis (gg).

47

aa) § 23 Abs. 1 Satz Nr. 1 differenziert zunächst zwischen den Fällen, in denen die Ehe geschlossen worden ist, als das Mitglied die Altersgrenze noch nicht überschritten und noch aktiv im Berufsleben gestanden hat, und den Fällen, in denen das Mitglied zum Zeitpunkt der Eheschließung die Altersgrenze überschritten und bereits - dies ist nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung der Regelfall - ab diesem Zeitpunkt Altersrente bezogen hat. Nur der ersten Fallgruppe wird ein Anspruch auf Witwenrente zugestanden.

48

Diese Ungleichbehandlung steht im Einklang mit dem Ziel, die Begründung von Versorgungsrisiken zu Lasten der Solidargemeinschaft nach dem Beginn des Rentenbezugs auszuschließen. Zwar verringert sich der Beitrag, den der Ehepartner eines noch berufstätigen Mitglieds zu dessen Berufstätigkeit erbringt, mit zunehmender Nähe der Eheschließung zum Rentenbeginns immer weiter, bis er schließlich mathematisch kaum mehr fassbar sein dürfte. Angesichts der Schwierigkeiten, die mit einer je nach dem Abstand der Eheschließung zum Rentenbeginn differenzierenden Regelung verbunden wären, darf der Satzungsgeber jedoch aufgrund der ihm zustehenden Typisierungsbefugnis an dem leicht handhabbaren Kriterium des Erreichens der Altersgrenze und dem damit regelmäßig einhergehenden Rentenbeginn anknüpfen (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95, 1 BvR 1560/97 -, BVerfGE 100, 138; BVerfG 1. Senat, 2. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010 – 1 BvR 2584/06 -, juris).

49

bb) Die Rechtfertigung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung durch das mit der Regelung verfolgte Ziel wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass durch die ausschließliche Anknüpfung an die Altersgrenze nach § 22 Abs. 1 der Satzung ein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente auch dann besteht, wenn die Ehe zwar vor Erreichen der Altersgrenze geschlossen worden ist, das Mitglied aber zum Zeitpunkt der Heirat bereits eine vorgezogene Altersrente nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung - frühestens ab dem vollendeten 60. Lebensjahr - oder eine Invalidenrente nach § 22 Abs. 2 der Satzung bezogen hat. In solchen Fällen kann der Ehepartner ebenso wenig einen Beitrag zur aktiven Berufstätigkeit des Mitglieds leisten wie bei einer Eheschließung nach dem Erreichen der Altersgrenze und dem einhergehenden Beginn des Rentenbezugs. Es kann dahinstehen, ob die Befugnis zum Erlass typisierender Regelungen (vgl. oben) allein ausreicht, um diese Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Sie ist jedenfalls durch weitere legitime Gründe gerechtfertigt.

50

Die Berufsunfähigkeit infolge von Krankheit, anderen Gebrechen oder Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte (vgl. § 22 Abs. 2 Nr. 1 der Satzung) stellt eine ganz erhebliche, in der Regel schicksalhaft über den Betroffenen hereinbrechende Störung des üblichen Verlaufs des Berufslebens dar. Diese Abweichung vom Regelfall der Beendigung der aktiven Berufsausübung mit dem Erreichen der Altersgrenze lässt es legitim erscheinen, auch in diesen Fällen den Anspruch auf Witwenversorgung aus Gründen der Fürsorge erst auszuschließen, wenn die Eheschließung nach dem Erreichen der Altersgrenze erfolgt.

51

Im Ergebnis gilt auch für die Fälle nichts anderes, in denen ein Mitglied auf eigenen Antrag eine vorgezogene Altersrente bezieht. Hinter dem Rückzug aus dem aktiven Berufsleben dürften ebenfalls nicht selten gesundheitliche Probleme, nachlassende Leistungsfähigkeit – unterhalb der Schwelle zur Berufsunfähigkeit - oder wirtschaftliche Schwierigkeiten stehen. Es erscheint daher gerechtfertigt, im Hinblick auf solche Schwierigkeiten pauschalierend an das in der Praxis leicht handhabbare Kriterium des Erreichens der Altersgrenze anzuknüpfen und nicht in jedem Einzelfall nachzuprüfen, welche Motive für die Beantragung einer vorgezogenen Altersrente ausschlaggebend waren.

52

cc) Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung besteht ein Anspruch auf Witwenrente allerdings selbst dann nicht, wenn die Ehe zwar nach dem Erreichen der Altersgrenze durch das Mitglied geschlossen worden ist, der Beginn der Rentenzahlung aber gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung auf Antrag des Mitglieds über diesen Zeitpunkt hinausgeschoben worden ist. In diesem Fall leistet der Ehepartner noch einen Beitrag zur Berufsausübung des Mitglieds und damit auch zum Beitragsaufkommen. Der den Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer legitimierende Grund, dass sie keinen Beitrag zur Berufsausübung des Mitglieds geleistet haben, trägt diese Benachteiligung daher nicht.

53

Ob insoweit lediglich ein Redaktionsversehen vorliegt oder eine solche Ungleichbehandlung aufgrund der Typisierungsbefugnis des Satzungsgebers gerechtfertigt sein könnte, kann hier dahinstehen. Denn die Kläger sind von dieser Ungleichbehandlung nicht betroffen, da der Kläger zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits Rente bezogen hat. Zudem hätte eine solche unterstellte ungerechtfertigte Benachteiligung nicht die Unwirksamkeit des § 21 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung zur Folge. Vielmehr könnte gegebenenfalls die Vorschrift im Wege der gesetzeskonformen Auslegung dahingehend verstanden werden, dass der Anspruch auf Witwenrente nur dann entfiele, wenn das Mitglied die Ehe erst nach dem Erreichen der Altersgrenze und nach dem Beginn der Rentenzahlung geschlossen hat.

54

dd) Die Kläger können auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Kläger sei bereits einmal verheiratet gewesen, und durch den in der Satzung geregelten Versorgungsausgleich erspare die Beklagte kalkulatorisch die Witwenrente. Richtig ist zwar, dass der Kläger durch seine erste Eheschließung bereits einmal zu Lasten der Versorgungseinrichtung das Risiko begründet hatte, unter Umständen Witwenrente zahlen zu müssen. Dieses Risiko ist auch mit der Scheidung dieser Ehe entfallen, und der in § 26 der Satzung geregelte Versorgungsausgleich hat allein zu einer Minderung seiner Versorgungsanwartschaften geführt. Der zu Gunsten seiner geschiedenen Ehefrau durchgeführte Versorgungsausgleich steht aber in keinem inneren Zusammenhang mit dem Versorgungsrisiko, das er später durch seine erneute Heirat begründet hat. Daher erscheint es auch legitim, dass die Beklagte ihn wegen dieses neuen Versorgungsrisikos nicht anders behandelt als ein Mitglied, das vor der Erreichung der Altersgrenze noch nicht verheiratet war (vgl. - zur Wiederheirat des geschiedenen Ehegatten - BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971, a.a.O.; OVG Saarland, Beschluss vom 19. September 2006 - 1 Q 24/06 -, AS 33, 314).

55

ee) Dass der Ausschluss nachgeheirateter Witwen und Witwer von der Versorgung zur Begrenzung der von der Gesamtheit der Mitglieder zu tragenden Risiken geeignet ist, liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Begründung.

56

ff) Er ist auch erforderlich, da weniger einschneidende Maßnahmen nicht ebenso geeignet wären, die Belastungen durch Versorgungsleistungen zu begrenzen. Dies gilt sowohl für die Möglichkeit, den Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente von einer gewissen Mindestdauer der Ehe abhängig zu machen - gegebenenfalls gekoppelt mit dem Möglichkeit des Nachweises, es habe sich nicht um eine Versorgungsehe gehandelt -, als auch für die Möglichkeit einer gestaffelten Rentenhöhe in Abhängigkeit von der Dauer der Ehe.

57

Auch der Einwand der Kläger, alle potentiellen Versorgungsempfänger würden versicherungsmathematisch als verheiratet berücksichtigt, es sei daher nicht erforderlich, Ansprüche nachgeheirateter Witwen und Witwer auszuschließen, greift nicht durch. Nach § 27 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Satzung wird die Rentenbemessungsgrundlage - nach § 28 der Satzung ein wesentlicher Faktor für die Berechnung der Rentenhöhe - jährlich vom Verwaltungsrat aufgrund der Ergebnisse eines versicherungsmathematischen Gutachtens festgesetzt. Die Berechnung ist so vorzunehmen, dass nach den Verhältnissen zu Beginn des entsprechenden Jahres die künftigen Einnahmen und der vorhandene Ausgleichsstock (§ 21 Abs. 2 der Satzung) einschließlich der Zinsen ausreichen, um die künftigen Verpflichtungen gemäß § 21 der Satzung zu erfüllen.

58

In solchen versicherungsmathematischen Gutachten ist das Risiko einer Hinterbliebenenversorgung „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer nicht zu berücksichtigen. Nach § 21 der Satzung dürfen nämlich die durch die Entrichtung von Versorgungsabgaben vorhandenen Mittel grundsätzlich nur zur Erbringung der in der Satzung festgelegten Leistungen, zur Bildung der geschäftsplanmäßigen Deckungsrücklagen sowie zur Bestreitung der notwendigen Verwaltungskosten verwendet werden (Abs. 1). Soweit die Einnahmen eines Jahres nicht für satzungsmäßige Ausgaben verwendet werden, sind sie dem Ausgleichsstock zuzuführen (Abs. 2 Satz 1). Reichen die Einnahmen nicht aus, um die satzungsmäßigen Aufgaben zu bestreiten, so ist der fehlende Betrag dem Ausgleichsstock zu entnehmen (Abs. 2 Satz 2). Wegen dieser Bindung der finanziellen Mittel der Versorgungseinrichtung an die satzungsmäßigen Aufgaben, kann keine Rede davon sein, das Risiko von Versorgungsansprüchen „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer sei bereits durch die erbrachten Versorgungsabgaben abgegolten.

59

Eine fehlerhafte versicherungsmathematische Berechnung unter Berücksichtigung vermeintlicher Ansprüche „nachgeheirateter“ Witwen oder Witwer hätte im Übrigen allenfalls zur Folge, dass die Rentenbemessungsgrundlage zu niedrig festgesetzt und dem Ausgleichsstock ein zu hoher Betrag zugeführt bzw. ihm ein zu geringer Betrag entnommen würde. Zusätzliche Ansprüche – abweichend von § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung - ließen sich hieraus jedoch nicht ableiten. Daher konnte der Senat entgegen der Anregung der Kläger davon absehen, durch Einsichtnahme in die versicherungsmathematischen Gutachten der Versorgungseinrichtung der Frage nachzugehen, ob das Versorgungsrisiko nachgeheirateter Witwen und Witwer darin berücksichtigt worden ist.

60

gg) Die mit dem Ausschluss von Versorgungsansprüchen „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer verbundene Schlechterstellung steht auch nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg. Dies gilt selbst dann, wenn man mit den Klägern davon ausgeht, Rentenansprüche dieser Gruppe führten nur zu einer verhältnismäßig geringen, jedenfalls beherrschbaren Mehrbelastung. Denn die Belastung durch den Ausschluss der Hinterbliebenenrente bei einer Eheschließung nach Erreichen der Altersgrenze wiegt ebenfalls nicht schwer. Insbesondere greift dies nicht in grundrechtlich geschützte Positionen ein.

61

Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) liegt nicht vor, da § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung keine Vermutung einer Versorgungsehe enthält, sondern eine wertneutrale Regelung zur Begrenzung der Risiken der Solidargemeinschaft (vgl. - hinsichtlich einer Regelung zur Mindestdauer von „Spätehen“ - BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.).

62

Die Regelung greift auch nicht in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) ein, da es keine dem einzelnen Mitglied zurechenbare Eigenleistung gibt, aufgrund derer der satzungsmäßige Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente dem grundrechtlich geschützten Eigentum zuzuordnen wäre. Die Hinterbliebenenversorgung wird vielmehr ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Versicherungsleistung des Mitglieds gewährt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.).

63

Ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung wird auch nicht durch die Schutzpflicht des Staates für Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) begründet, da diese nicht gebietet, jegliche die Ehe oder die Familie treffende Belastung auszugleichen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.). Die Eheschließung führt auch nicht zu einem Verlust von Versorgungsansprüchen, die dem überlebende Ehepartner ohne die Heirat zugestanden hätten (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.).

64

Schließlich ist bei einer Eheschließung nach dem Erreichen der Altersgrenze eher als bei einer Eheschließung in jungen Jahren anzunehmen, der Ehepartner verfüge selbst bereits über ausreichende Versorgungsanwartschaften oder Vermögen (vgl. - zur Eheschließung nach Vollendung des 62. Lebensjahres - BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.). In den Fällen, in denen der Ehepartner noch so jung ist, dass er sich noch keine ausreichenden Versorgungsanwartschaften oder Vermögen schaffen konnte, erscheint es für ihn im Regelfall zumutbar, sich durch eine Erwerbstätigkeit die Grundlage für seine Versorgung im Alter noch zu schaffen.

65

Zur Begründung ihrer Einwände gegen die Verhältnismäßigkeit des § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung können sich die Kläger auch nicht auf die Begründung der Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 22. Mai 2008 in der Rechtssache C-427/06 (Bartsch) berufen. Die darin (Ziff. 118 ff.) geäußerten Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit eines völligen Ausschlusses einer Hinterbliebenenversorgung sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Zwar beziehen sie sich auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, der durch § 10 Sätze 1 und 2 AGG umgesetzt wird. Allerdings betreffen sie eine Regelung, die eine Hinterbliebenenversorgung einschränkt, wenn der Altersunterschied zwischen Eheleuten ein bestimmtes Maß übersteigt. Eine solche Regelung ist mit dem Ausschluss „nachgeheirateter“ Witwen und Witwer von der Hinterbliebenenversorgung nicht vergleichbar.

66

II. § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Er gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dabei obliegt es dem Normgeber zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er als maßgebend dafür ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn sich - bezogen auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs - ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonst wie einleuchtender Grund für die betreffende Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2005 - 2 BvR 167/02 -, BVerfGE 112, 164 [174]). Hinsichtlich der Ungleichbehandlung der Mitglieder und der sie überlebenden Ehepartner je nach dem Zeitpunkt der Eheschließung folgt aus den Ausführungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, dass diese Differenzierungen auf sachlichen Gründen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG beruhen.

67

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG folgt auch nicht daraus, dass das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, das Beamtenversorgungsrecht sowie die Satzungen anderer Versorgungswerke keine oder weniger strenge Einschränkungen der Versorgungsansprüche nachgeheirateter Witwen und Witwer enthalten. Der Gleichbehandlungsanspruch ist nämlich auf den Kompetenzbereich des jeweiligen Trägers öffentlicher Gewalt beschränkt. Aus ihm kann daher kein Recht abgeleitet werden, von einem Träger öffentlicher Gewalt so behandelt zu werden wie ein anderer Grundrechtsträger von einem anderen Träger öffentlicher Gewalt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.).

68

Aus diesem Grund begründet Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls keinen Anspruch auf Angleichung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung an die bis zum 30. August 2008 geltende Altersgrenze für Vertragsärzte von 68 Jahren (vgl. § 95 Abs. 7 Satz 3 des 5. Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB V - in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl. I Seite 2266, geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2008, BGBl. I Seite 2426). Zudem stand diese Altersgrenze in einem völlig anderen Regelungszusammenhang wie die hier maßgebliche Satzungsregelung.

69

III. § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung verstößt auch nicht gegen europäisches Recht.

70

1. Ein Verstoß gegen Art. 13 des EG-Vertrages - EGV - scheidet aus, da diese Vorschrift lediglich eine Ermächtigung des Rates der Europäischen Union enthält, Vorkehrungen gegen Diskriminierungen - unter anderem - wegen des Alters zu treffen, begründet selbst allerdings kein solches primärrechtliches Verbot (vgl. EuGH, Urteil vom 23. September 2008 - C-427/06 -, EuZW 2008, 697).

71

2. Art. 141 EGV steht der Satzungsregelung ebenfalls nicht entgegen. Danach stellt jeder Mitgliedstaat die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher, wobei unter "Entgelt" die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen sind, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

72

Da die Hinterbliebenenversorgung kein nachgezogenes Entgelt für Arbeit ist und bei einem freiberuflich tätigen Arzt nicht von einer ehemals ausgeübten "Beschäftigung" gesprochen werden kann, scheidet eine Verletzung von Art. 141 EG aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, aaO.). Zudem differenziert § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung nicht nach dem Geschlecht des Mitgliedes und seines Ehepartners, sondern nach dem Alter des Mitglieds zum Zeitpunkt der Eheschließung.

73

3. Die Satzungsregelung verstößt auch nicht gegen die Richtlinie 2000/78/EG. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2007 (a.a.O.) findet diese nach ihrem Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit dem 13. Erwägungsgrund auf berufsständische Versorgungseinrichtungen als staatliche Systeme der sozialen Sicherheit, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt im Sinne des Art. 141 EG entsprechen, schon keine Anwendung (offen gelassen im Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.). Auch diese Frage kann hier aber dahingestellt bleiben.

74

§ 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung ist nämlich gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie gerechtfertigt. Danach stellen Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind, und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Bezug genommen, durch das die Richtlinie 2000/78/EG in nationales Recht umgesetzt worden ist.

75

4. Es besteht keine Veranlassung für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 234 EGV, da keine entscheidungserheblichen Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Gemeinschaftsrechts bestehen.

76

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

77

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

78

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

79

Beschluss:

80

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5000,-- € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG).

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 15. Januar 2013 - 7 Sa 573/12 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 4. Juni 2012 - 3 Ca 9945/11 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständige Witwenrente für die Monate März 2011 bis Mai 2013 iHv. insgesamt 19.534,23 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 723,49 Euro seit dem jeweiligen Ersten des jeweiligen Folgemonats beginnend mit dem 1. April 2011 und endend mit dem 1. Juni 2013 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab dem 1. Juni 2013 lebenslang zum Ende eines jeden Monats eine monatliche Witwenrente iHv. 723,49 Euro brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin eine Hinterbliebenenversorgung zu zahlen.

2

Die am 10. Oktober 1956 geborene Klägerin ist die Witwe des am 29. April 1947 geborenen und am 14. Dezember 2010 verstorbenen G. Die Ehe war am 8. August 2008 geschlossen worden.

3

Der verstorbene Ehemann der Klägerin war bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestand seit dem 1. Dezember 1989. Der Arbeitsvertrag vom 22. August 1989 war noch mit der S GmbH geschlossen worden. In diesem Arbeitsvertrag heißt es ua.:

        

„3.     

Gehaltsfortzahlung

        

...     

        
        

b)    

Sollten Sie, solange Sie sich in unseren Diensten befinden, sterben, werden an Ihren Sie überlebenden Ehepartner oder, falls beide Ehepartner verstorben sind, an Ihre Sie überlebenden, noch nicht volljährigen Kinder die Bezüge gemäß 2.a) für den Sterbemonat und für weitere 2 Monate ausgezahlt.

        

…       

        
        

4.    

Nebenleistungen

        

a)    

Bei der S GmbH existiert ein Pensionsplan, der zur Zeit überarbeitet wird. Wir sichern Ihnen zu, daß Sie durch den neuen Plan nicht schlechter gestellt werden als die Mitarbeiter unserer Muttergesellschaft, der L AG.“

4

Ein neuer Pensionsplan kam bei der S GmbH für vor dem 1. Januar 2002 eingetretene Mitarbeiter nicht zustande.

5

Die Versorgungsordnung der S GmbH vom November 1982 (im Folgenden VO S) enthält ua. die folgenden Regelungen:

        

„I.     

Versorgungszusage

        

1.    

Arbeitnehmer der Firma erhalten eine Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Versorgungszusage) vorausgesetzt, daß sie

                 

-       

in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Firma stehen und

                 

-       

das 25. Lebensjahr vollendet haben.

        

…       

        
        

3.    

Keine Versorgungszusage erhalten Arbeitnehmer,

                 

-       

die bei ihrem letzten Diensteintritt in die Firma das 60. Lebensjahr bereits vollendet haben,

                 

…       

        
        

4.    

Arbeitnehmer, die eine Versorgungszusage erhalten, erwerben damit eine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.

                 

Sie werden nachfolgend ‚Mitarbeiter (Anwärter)‘ genannt.

        

II.     

Leistungen

        

1.    

Diese Versorgungszusage umfaßt folgende Leistungen (nachfolgend ‚Firmenrenten‘ genannt):

        

A l t e r s r e n t e ,

        

v o r z e i t i g e  A l t e r s r e n t e ,

        

I n v a l i d e n r e n t e ,

        

W i t w e n r e n t e .

        

2.    

Ein Anspruch auf Firmenrente wird erworben, wenn die Wartezeit (III) abgelaufen ist und die für die jeweilige Leistung erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen (V, VI, VII) erfüllt sind.

        

III.   

Wartezeit

                 

Die Wartezeit ist abgelaufen, wenn der Anwärter eine anrechenbare Dienstzeit (XI 1) von mindestens fünf Jahren zurückgelegt und das 30. Lebensjahr vollendet hat.

        

IV.     

Feste Altersgrenze

                 

Die feste Altersgrenze ist bei Männern und Frauen mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. …

        

V.    

Anspruchsvoraussetzungen für Altersrente …

        

1.    

Den Anspruch auf Altersrente erwirbt der Mitarbeiter (Anwärter), dessen Arbeitsverhältnis zur Firma m i t  oder n a c h Erreichen der festen Altersgrenze (IV) endet.

        

…       

        
        

VII.   

Anspruchsvoraussetzungen für Witwenrente

        

1.    

Den Anspruch auf Witwenrente erwirbt die hinterlassene Ehefrau eines Mitarbeiters (Anwärters) mit dessen Tode.

                 

Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, daß der Mitarbeiter (Anwärter) die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat und daß bereits am 1. Mai vor seinem Tode sowohl die Wartezeit (III) abgelaufen ist, als auch die Ehe mindestens ein Jahr bestanden hat.

        

…       

        
        

X.    

Höhe der Witwenrente

        

1.    

Bemessungsgrundlage für die Witwenrente ist

                 

-       

nach dem Tode eines Mitarbeiters (Anwärters) die ‚erreichbare Altersrente‘ (IX 1) und

                 

-       

nach dem Tode eines Rentenempfängers die Firmenrente, auf die er bei seinem Tode Anspruch gehabt hat.

        

2.    

Die Witwenrente beträgt 60 % der Bemessungsgrundlage nach Ziffer 1.

                 

Ist die hinterlassene Ehefrau mehr als 15 Jahre jünger als der verstorbene Ehemann, so wird die Witwenrente für jedes weitere volle Jahr des Altersunterschiedes um 5 % ihres Betrages gekürzt.

        

…       

        
        

XVI.   

Zahlung der Firmenrenten

        

1. a) 

Die Firmenrente wird jeweils am Ende eines Monats fällig, und zwar erstmals für den Monat, der auf den Erwerb des Anspruchs (V, VI, VII) folgt.

        

   …   

        
        

2. a) 

Der Anspruch auf Firmenrente ruht bis zum Ablauf des Monats, für den noch andere Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis zur Firma gewährt werden, bis zur Höhe dieser Bezüge. …

        

3. a) 

Jede Firmenrente wird lebenslänglich gezahlt, jedoch endet

                 

-       

der Anspruch auf Invalidenrente mit dem Wegfall der Invalidität vor Erreichen der festen Altersgrenze (IV)

                 

-       

der Anspruch auf Witwenrente mit der Wiederverheiratung der Witwe.“

6

Im „Nachtrag zur Versorgungsordnung vom November 1982“ der S GmbH vom 15. September 1986 wurde der Anspruch auf Witwenrente auch auf Witwer ausgedehnt.

7

In der Pensionsordnung der L AG vom Oktober 1989 (im Folgenden PO L AG) ist ua. Folgendes geregelt:

        

㤠1

Berechtigte, Leistungsarten

        

1.    

Mitarbeiter im Sinne dieser Pensionsordnung sind alle Belegschaftsmitglieder der L AG, die keine einzelvertragliche Pensionszusage von der L AG erhalten bzw. erhalten haben. Mitarbeiter im Sinne dieser Pensionsordnung sind nicht …

        

2.    

Gewährt werden Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenpensionen.

        

…       

        
        

§ 4

Voraussetzungen für Hinterbliebenenpension

        

1.    

Hinterbliebenenpension (Witwen-, Witwer- und Waisenpension) wird gewährt, wenn für den verstorbenen Mitarbeiter im Zeitpunkt des Todes die Voraussetzungen auch unter Berücksichtigung von Absatz 3 für die Pensionsgewährung erfüllt waren. Die Witwen- (Witwer-) Pension wird mit Ablauf des Monats eingestellt, in dem die Witwe (der Witwer) sich wieder verheiratet.

        

2.    

Witwen- (Witwer-) Pension wird gewährt, wenn die Ehe vor Beginn der Alterspension des Mitarbeiters geschlossen wurde.

                 

Ist der Ehepartner mehr als 15 Jahre jünger als der Mitarbeiter, so wird die Witwen- (Witwer-) Pension für jedes volle Jahr, das diese Altersdifferenz übersteigt, um 5 % ihres Betrages gekürzt. Die Kürzung entfällt, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Todes mindestens 15 Jahre bestanden hat.

        

…       

        
        

§ 10

Höhe der Hinterbliebenenpension

        

1.    

Die Witwen- (Witwer-) Pension beträgt 60 % der Pension, die der Pensionsempfänger erhalten hat oder der Mitarbeiter erhalten hätte, wenn er im Zeitpunkt seines Ablebens Invalide geworden wäre.“

8

Unter dem 14. April 2008 schlossen der verstorbene Ehemann der Klägerin und die Beklagte einen „ Altersteilzeit-Arbeitsvertrag “. Dieser Vertrag enthält ua. die folgenden Vereinbarungen:

        

㤠1

Beginn der Altersteilzeitarbeit

                 

Das zwischen den Parteien bestehende Vollzeitarbeitsverhältnis wird in Abänderung und in Ergänzung des bestehenden Arbeitsvertrages mit Wirkung ab dem 01. Juli 2008 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt.

        

…       

        
        

§ 3

Arbeitszeit

                 

1.      

Die Arbeitszeit des Vertragspartners beträgt ab Beginn der Altersteilzeit während der Laufdauer dieses Vertrages die Hälfte seiner bisherigen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Das sind nunmehr 19,5 Stunden/Woche.

                 

2.    

Die Arbeitszeit wird so verteilt, dass sie im ersten Abschnitt des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vom 01. Juli 2008 bis 31. Mai 2010 voll geleistet (Arbeitsphase) und der Vertragspartner anschließend bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt (Freistellungsphase) wird.

                 

…       

        

§ 9

Betriebliche Leistungen

                 

…       

        

4.    

Altersversorgung

                 

Die Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung werden nach Maßgabe der jeweiligen Pensionsordnungen auf der Grundlage des Bruttovollzeitarbeitsentgeltes ermittelt, das der Arbeitnehmer ohne Altersteilzeit erzielt hätte (fiktives Arbeitsentgelt). Ein versicherungsmathematischer Abschlag wird nicht vorgenommen.

        

…       

        
        

§ 12

Ende des Beschäftigungsverhältnisses

                 

1. Das Beschäftigungsverhältnis endet ohne Kündigung am 30. April 2012.“

9

Mit Schreiben vom 4. Januar 2011 teilte die L AG der Klägerin unter dem Betreff „Hinterbliebenenzahlung“ Folgendes mit:

        

„…,     

        

wie Sie bereits wissen, bekommen Sie von uns ab dem 15.12.2010 eine Hinterbliebenenzahlung bis zum Beginn der Firmen-Witwenrente ab 01.03.2011.

        

Damit wir diese Hinterbliebenen-Abrechnung durchführen können, benötigen wir noch folgende Informationen bzw. Unterlagen von Ihnen:

        

…       

        

Aus der Altersteilzeit von Hr. G ist noch ein Wertguthaben i.H. von netto … Euro vorhanden. Dieses Wertguthaben ist an den Erbberechtigten nach Vorlage des Erbscheins auszuzahlen.

        

Deshalb bitten wir ebenfalls um Zusendung eines Original-Erbscheins, damit dieses Wertguthaben entsprechend zur Auszahlung gebracht werden kann.

        

…“    

10

Mit Schreiben vom 6. Mai 2011 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und teilte dieser unter dem Betreff „Sterbefall: Herr G/Firmenpension“ mit:

        

„…,     

        

aufgrund Ihres Anrufes mit dem Hinweis auf den Punkt 4a im Anstellungsvertrag vom 22.08.1989 des Herrn G haben wir den Sachverhalt wegen einer möglichen Änderung in den Pensions-Richtlinien der S-L GmbH noch mal überprüft.

        

Die im Anstellungsvertrag angesprochene Überarbeitung des Pensionsplans der S-L GmbH war zwar zum damaligen Zeitpunkt geplant, ist dann aber nie realisiert worden. Es wurde nur für neu eingetretene Mitarbeiter ab dem 01.01.2002 eine neue Pensionsordnung ins Leben gerufen, diese gilt aber nur für neue Mitarbeiter, nicht für den Mitarbeiterbestand bis zum 31.12.2001.

        

Demzufolge galt die Versorgungsordnung vom 01.07.1982 weiterhin für Herrn G und damit waren die Voraussetzungen für eine Firmen-Witwenpension der S-L GmbH leider nicht erfüllt.

        

…“    

11

Ausweislich der von der Beklagten im Verlaufe des Rechtsstreits erstellten fiktiven „Berechnung der Witwenpension für Frau G, geb. 10.10.1956“ vom 24. Oktober 2011 beläuft sich ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Witwenpension nach der VO S auf monatlich 723,49 Euro brutto.

12

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nach der VO S verpflichtet, an sie ab dem Monat März 2011 eine Witwenrente iHv. monatlich 723,49 Euro brutto zu zahlen. Die unter VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S aufgeführte Bestimmung, wonach der Mitarbeiter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen haben muss, stehe ihrem Anspruch nicht entgegen. Dies folge bereits aus Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989. Diese Bestimmung des Arbeitsvertrags enthalte das Versprechen, dass ihr verstorbener Ehemann im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung genau so behandelt werde, wie die Versorgungsberechtigten der L AG, deren Pensionsvereinbarung eine Spätehenklausel nicht enthalte. Zudem habe die Beklagte ihr das Bestehen eines Anspruchs auf Witwenrente mit Schreiben vom 4. Januar 2011 bestätigt. Dieses Schreiben stelle ein konstitutives Schuldversprechen bzw. Schuldanerkenntnis, zumindest ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar mit der Folge, dass die Beklagte ihr die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S nicht entgegenhalten könne. Jedenfalls sei die Spätehenklausel wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Sie bewirke eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters, die nicht nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt werden könne. Diese Bestimmung sei auf die Hinterbliebenenversorgung nicht, auch nicht analog anwendbar. Die Voraussetzungen für die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG lägen nicht vor.

13

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Witwenrente für die Monate März 2011 bis Dezember 2012 iHv. insgesamt 15.916,78 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 723,49 Euro seit dem jeweiligen Ersten des Folgemonats, beginnend mit dem 1. April 2011 und endend mit dem 1. Januar 2013 zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 1. Januar 2013 lebenslang zum Ende eines jeden Monats eine monatliche Witwenrente iHv. 723,49 Euro brutto zu zahlen,

        

hilfsweise zu 1. und 2.,

        

festzustellen, dass die Beklagte ihr beginnend mit dem 1. März 2011 eine betriebliche Witwenrente nach der Versorgungsordnung der S GmbH von November 1982 unter Berücksichtigung des Nachtrags vom 15. September 1986 iHv. kalendermonatlich derzeit 723,49 Euro brutto zu zahlen hat.

14

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne eine Witwenrente nicht beanspruchen, da die Ehe entgegen der in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S getroffenen Bestimmung erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres des verstorbenen Ehemannes der Klägerin geschlossen worden sei. Aus dem Arbeitsvertrag vom 22. August 1989 folge nichts Abweichendes. Die Zusage, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht schlechter gestellt werde als die Mitarbeiter der L AG, sei nur für den Fall gemacht worden, dass ein „neuer“ Plan erarbeitet werde. Ein Anspruch auf Anwendung bestimmter Regelungen der PO L AG ergebe sich hieraus nicht. Die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S sei zudem nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Sie bewirke keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Ihre Rechtsvorgängerin habe mit der Spätehenklausel den Zweck verfolgt, nicht noch kurz vor dem Versorgungsfall hohe Rückstellungen bilden zu müssen. Hierdurch habe das Risiko unkalkulierbarer zusätzlicher Versorgungsansprüche ausgeschlossen werden sollen, um die Finanzierbarkeit der bestehenden Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Sollte sich die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S als unwirksam erweisen, müssten ggf. Zusagen für künftige Mitarbeiter reduziert werden, da unkalkulierbare, später eingetretene Ereignisse (wie weitere Leistungsberechtigte) die Finanzierung der Betriebsrenten ins Ungleichgewicht führen könnten. Auch die Bestimmung der Altersgrenze auf das 60. Lebensjahr sei nicht zu beanstanden. Die zeitliche Grenze von 60 Jahren knüpfe an die Nähe zum Versorgungsalter an und lege mithin den Zeitraum fest, ab dem neue biometrische Risiken nicht mehr begründet werden sollen. Im Übrigen wirke sich aus, dass nach der unter I Ziff. 3 der VO S getroffenen Bestimmung Arbeitnehmer, die bei ihrem letzten Diensteintritt in die Firma das 60. Lebensjahr bereits vollendet hatten, von Versorgungsleistungen insgesamt ausgeschlossen seien. Vor diesem Hintergrund sei die Anknüpfung an die Eheschließung vor der Vollendung des 60. Lebensjahres für Ansprüche auf Hinterbliebenenrente erst recht nicht zu beanstanden.

15

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin nunmehr folgende Anträge:

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Betriebsrente für die Monate März 2011 bis Mai 2013 iHv. insgesamt 19.534,23 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 723,49 Euro seit dem jeweiligen Ersten des jeweiligen Folgemonats, beginnend mit dem 1. April 2011 und endend mit dem 1. Juni 2013 zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 1. Juni 2013 lebenslang zum Ende eines jeden Monats eine monatliche Witwenrente iHv. 723,49 Euro brutto zu zahlen,

        

3.    

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte ihr beginnend mit dem 1. März 2011 eine betriebliche Witwenrente nach der Versorgungsordnung der S GmbH von November 1982 unter Berücksichtigung des Nachtrags vom 15. September 1986 iHv. monatlich 723,49 Euro brutto zu zahlen hat.

16

Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit den Hauptanträgen zu Unrecht abgewiesen. Die Hauptanträge zu 1. und 2. sind zulässig und begründet. Einer Entscheidung über den Hilfsantrag der Klägerin bedarf es deshalb nicht.

18

A. Die Klage ist zulässig.

19

I. Dies gilt auch für den Hauptantrag zu 2. Der Klageantrag zu 2. ist auf die Zahlung wiederkehrender Leistungen iSd. § 258 ZPO gerichtet. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen(vgl. etwa BAG 10. Februar 2015 - 3 AZR 37/14 - Rn. 17; 17. Juni 2014 - 3 AZR 529/12 - Rn. 21 mwN).

20

II. Der Zulässigkeit der Klage mit den Hauptanträgen steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin ihren Hauptantrag zu 1. um rückständige Witwenrente für die Zeit von Januar 2013 bis Mai 2013 erweitert hat und dementsprechend mit ihrem Hauptantrag zu 2. künftige Leistungen erst ab dem 1. Juni 2013 verlangt.

21

Zwar sind Klageänderungen in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig. Antragsänderungen können allerdings aus prozessökonomischen Gründen jedenfalls zugelassen werden, wenn es sich dabei um Fälle des § 264 Nr. 2 ZPO handelt, der neue Sachantrag sich auf den in der Berufungsinstanz festgestellten Sachverhalt stützt und berechtigte Interessen des Gegners nicht beeinträchtigt werden(BAG 18. September 2007 - 3 AZR 560/05 - Rn. 14; 25. April 2006 - 3 AZR 184/05 - Rn. 13; 27. Januar 2004 - 1 AZR 105/03 - zu III der Gründe; 26. August 2003 - 3 AZR 431/02 - zu A der Gründe, BAGE 107, 197).

22

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin hat ihren Hauptantrag zu 1. um bis zum Zeitpunkt der Revisionsbegründung fällig gewordene monatliche Beträge und damit lediglich quantitativ erweitert und dementsprechend ihren Hauptantrag zu 2. eingeschränkt, ohne dass sich irgendetwas an dem bisherigen Klagegrund geändert hätte, § 264 Nr. 2 ZPO.

23

B. Die Klage mit den Hauptanträgen zu 1. und 2. ist begründet. Die Beklagte ist nach VII Ziff. 1 der VO S verpflichtet, an die Klägerin ab dem Monat März 2011 eine Witwenrente iHv. unstreitig monatlich 723,49 Euro brutto nebst eingeklagter Zinsen zu zahlen.

24

I. Die S GmbH hatte dem verstorbenen Ehemann der Klägerin eine Versorgung nach der VO S zugesagt, die auch eine Witwenversorgung umfasste. Da dieser bis zu seinem Tode am 14. Dezember 2010 bei der Beklagten beschäftigt war, ist für den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente VII Ziff. 1 der VO S maßgeblich, nach dessen Satz 1 die hinterlassene Ehefrau eines Mitarbeiters (Anwärters) den Anspruch mit dessen Tode erwirbt.

25

II. Die Klägerin erfüllt auch die zusätzlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Witwenrente ab dem Monat März 2011 nach VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S. Die Wartezeit nach III der VO S von fünf Jahren war bereits am 1. Dezember 1994 und damit Jahre vor dem maßgeblichen Datum 1. Mai 2010 erfüllt. Zudem hatte zu diesem Zeitpunkt die am 8. August 2008 geschlossene Ehe mindestens ein Jahr bestanden.

26

Dass die Ehe zwischen der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann entgegen der in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S getroffenen Bestimmung erst geschlossen wurde, nachdem dieser sein 60. Lebensjahr vollendet hatte, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin hatten ihr verstorbener Ehemann und die S GmbH die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S enthaltene Spätehenklausel zwar nicht durch Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989 abbedungen; ebenso wenig hatte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 4. Januar 2011 unabhängig von den Bestimmungen der VO S eine Witwenrente zugesagt oder den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente anerkannt; die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S ist jedoch gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, da sie eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 AGG bewirkt, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt ist.

27

1. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, hatten der verstorbene Ehemann der Klägerin und die S GmbH die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S enthaltene Spätehenklausel nicht durch Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989 abbedungen.

28

a) Das Landesarbeitsgericht hat diese Bestimmung des Arbeitsvertrags des verstorbenen Ehemannes der Klägerin vom 22. August 1989 dahin ausgelegt, dass die in der PO L AG niedergelegten Versorgungsbedingungen als Mindeststandard nur für den Fall der Überarbeitung der VO S garantiert wurden.

29

b) Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wobei dahinstehen kann, ob es sich bei den im Arbeitsvertrag vom 22. August 1989 getroffenen Vereinbarungen um atypische oder typische Willenserklärungen, mithin um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer unbeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

30

aa) Atypische Willenserklärungen sind nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen müssen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Die Auslegung individueller Willenserklärungen kann der Senat als Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 15. Juni 2010 - 3 AZR 994/06 - Rn. 26 f.; 11. Dezember 2001 - 3 AZR 334/00 - zu I 2 a aa der Gründe).

31

bb) Demgegenüber sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen obliegt auch dem Revisionsgericht (BAG 10. Dezember 2013 - 3 AZR 715/11 - Rn. 17; 25. Juni 2013 - 3 AZR 219/11 - Rn. 19 mwN, BAGE 145, 314).

32

cc) Die Auslegung von Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989 durch das Landesarbeitsgericht hält auch einer unbeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

33

Der verstorbene Ehemann der Klägerin und die S GmbH haben unter Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989 zunächst auf den bei der S GmbH bestehenden Pensionsplan, und damit auf die VO S Bezug genommen. Ferner enthält Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags die Formulierung, dass dieser Plan „zur Zeit überarbeitet“ wird. Hierbei handelt es sich erkennbar nur um einen Hinweis. Daher konnte die in Ziff. 4 Buchst. a Satz 2 des Arbeitsvertrags zudem enthaltene Zusicherung, der verstorbene Ehemann der Klägerin werde durch den neuen Plan nicht schlechter gestellt als die Mitarbeiter der Muttergesellschaft, der L AG, bei verständiger Würdigung nur so verstanden werden, dass diese Zusicherung nur gelten sollte, wenn ein neuer Pensionsplan tatsächlich zustande kommen würde. Vor diesem Hintergrund kann Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags des verstorbenen Ehemannes der Klägerin insbesondere nicht dahin ausgelegt werden, dass für dessen Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung die jeweils günstigeren Regelungen der VO S und der PO L AG Anwendung finden sollen.

34

2. Wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hat, hat die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 4. Januar 2011 weder unabhängig von den Bestimmungen der VO S eine Witwenrente zugesagt noch den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente anerkannt. Das Schreiben der Beklagten vom 4. Januar 2011 enthält in Bezug auf die Witwenrente weder ein konstitutives abstraktes Schuldversprechen iSv. § 780 BGB bzw. konstitutives abstraktes Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB, noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, aufgrund dessen der Beklagten eine Berufung auf die Spätehenklausel verwehrt wäre.

35

Das Schreiben der Beklagten vom 4. Januar 2011 enthielte nur dann ein selbständiges abstraktes Schuldversprechen iSv. § 780 BGB bzw. ein selbständig verpflichtendes Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB, wenn sich ihm im Wege der Auslegung der Wille der Beklagten entnehmen ließe, eine selbständige, von den zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen - hier: den Bestimmungen der VO S - losgelöste Verpflichtung zur Zahlung einer Witwenrente an die Klägerin zu übernehmen(vgl. etwa BGH 14. Januar 2008 - II ZR 245/06 - Rn. 15 mwN; 7. Dezember 2004 - XI ZR 361/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 161, 273; 14. Oktober 1998 - XII ZR 66/97 - zu 2 b der Gründe mwN). Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis stellte das Schreiben der Beklagten vom 4. Januar 2011 nur dann dar, wenn seine Auslegung ergäbe, dass die Parteien das Versorgungsverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit entziehen und es endgültig festlegen wollten (vgl. BGH 28. Mai 2014 - XII ZR 6/13 - Rn. 26; 12. März 2009 - IX ZB 157/08 - Rn. 2; 11. Januar 2007 - VII ZR 165/05 - Rn. 8 mwN; vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 931/12 - Rn. 40; 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu II 2 a der Gründe). Sowohl ein selbständiges abstraktes Schuldversprechen iSv. § 780 BGB bzw. ein selbständig verpflichtendes Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB als auch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis setzen demnach einen Rechtsbindungswillen voraus. Daran fehlt es, soweit der Schuldner lediglich eine Mitteilung macht. Dann handelt es sich allenfalls um eine rein deklaratorische Wissenserklärung ohne Rechtsbindungswillen und nicht um eine Willenserklärung (vgl. etwa BAG 14. Februar 2012 - 3 AZR 685/09 - Rn. 59; 23. August 2011 - 3 AZR 669/09 - Rn. 15 für die Auskunft nach § 4a Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG; 29. September 2010 - 3 AZR 546/08 - Rn. 19 mwN für den Bescheid nach § 9 Abs. 1 BetrAVG). Das Landesarbeitsgericht ist mit naheliegender Begründung davon ausgegangen, dass es an einem solchen Rechtsbindungswillen hier fehlt. Unter Zugrundelegung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstabs (oben B II 1 b aa) ist daher davon auszugehen, dass sich dem Schreiben vom 4. Januar 2011 ein Angebot der Beklagten, an die Klägerin ab dem 1. März 2011 ungeachtet der in der VO S bestimmten Versorgungsbedingungen eine Witwenrente zu zahlen, nicht entnehmen lässt.

36

3. Entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts bewirkt die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S enthaltene Voraussetzung, dass die Ehe vor der Vollendung des 60. Lebensjahres durch den Versorgungsberechtigten geschlossen sein muss, eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 AGG, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt und deshalb nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist.

37

a) Das AGG ist anwendbar.

38

aa) Das AGG gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentengesetz nicht vorrangige Sonderregelungen enthält(BAG 11. Dezember 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 22, BAGE 125, 133). Letzteres ist nicht der Fall.

39

bb) Das AGG ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Seine Anwendung setzt voraus, dass unter seinem zeitlichen Geltungsbereich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem Versorgungsschuldner bestand. Dabei ist auf den Beschäftigten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG) und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen (BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 31 mwN). Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AGG am 18. August 2006 (vgl. Art. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 - BGBl. I S. 1897) stand der Ehemann der Klägerin noch im Arbeits- und damit in einem Rechtsverhältnis zur Beklagten.

40

b) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe, ua. wegen des Alters, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam(vgl. etwa BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 17, BAGE 147, 279; 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 20 mwN).

41

c) Die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S enthaltene Anspruchsvoraussetzung, dass die Ehe vor der Vollendung des 60. Lebensjahres durch den Versorgungsberechtigten geschlossen wurde, bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 und § 7 AGG, wobei auch für die Beurteilung, ob eine Diskriminierung vorliegt, auf den Beschäftigten(§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG) und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen ist (vgl. etwa BAG 15. September 2009 - 3 AZR 294/09 - Rn. 28). Die Regelung knüpft unmittelbar an die Überschreitung des 60. Lebensjahres an und führt dazu, dass Mitarbeiter, die die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres schließen, von der Witwenversorgung vollständig ausgeschlossen sind. Damit erfahren Mitarbeiter, die - wie der verstorbene Ehemann der Klägerin - die Ehe schließen, nachdem sie das 60. Lebensjahr vollendet haben, wegen ihres Alters eine ungünstigere Behandlung.

42

d) Die durch die Spätehenklausel bewirkte Ungleichbehandlung ist nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.

43

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen. Indem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Anspruch auf Leistungen aus den dort aufgeführten betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit grundsätzlich objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist. Da eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen ist, muss die konkret gewählte Altersgrenze allerdings iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein(vgl. etwa BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 25; 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 20, BAGE 147, 279; 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 22 mwN).

44

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16, im Folgenden Richtlinie 2000/78/EG) in das nationale Recht. Die Bestimmung ist mit Unionsrecht vereinbar (vgl. im Einzelnen etwa BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21 ff., BAGE 147, 279; 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 23 mwN).

45

cc) Die durch die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 VO S bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters kann nicht nach § 10 Satz 3 Nr. 4 iVm. Satz 2 AGG gerechtfertigt werden.

46

(1) Einschlägig ist hier allein die in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG aufgeführte Fallgruppe der „Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen“. Es geht weder darum, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin überhaupt einen Anspruch auf Leistungen nach der VO S hat und damit nicht um die „Mitgliedschaft“ im Versorgungssystem, noch um die Durchführung versicherungsmathematischer Berechnungen innerhalb des Versorgungssystems. Vielmehr legt die VO S in VII Ziff. 1 Satz 2 besondere Voraussetzungen für den Bezug einer Witwenrente fest.

47

(2) § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG knüpft für die Fallgruppe der „Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen“ bereits von seinem Wortlaut her ausschließlich an die Risiken „Alter“ und „Invalidität“ und nicht an das Risiko des „Todes“ an und erfasst deshalb ausschließlich die Alters- und Invaliditätsversorgung, nicht jedoch die Hinterbliebenenversorgung und damit auch nicht die Witwenversorgung, um die es vorliegend geht.

48

(3) Dass eine Hinterbliebenenversorgung regelmäßig nur dann versprochen wird, wenn auch eine Altersversorgung zugesagt ist und dass sich die Höhe einer Witwen- und Witwerversorgung regelmäßig an der Höhe der betrieblichen Altersrente oder - sofern versprochen - der Invaliditätsrente orientiert, die Witwen- und Witwerrente demnach regelmäßig in einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis zur Alters- und Invaliditätsrente steht, führt entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht dazu, dass die Witwen- und Witwerrente als „Annex“ von der in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG aufgeführten Alters- bzw. Invaliditätsrente miterfasst würde. Dies folgt aus einer unionsrechtskonformen Auslegung der Bestimmung.

49

Mit § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hat der nationale Gesetzgeber von der Ermächtigung in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG Gebrauch gemacht und diese Bestimmung in nationales Recht umgesetzt. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt. Die Auslegung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hat deshalb unionsrechtskonform iSv. Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zu erfolgen.

50

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zu Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG mit Urteilen vom 26. September 2013 (- C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 39 bis 43; - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 44 bis 48) erkannt, diese Bestimmung sei dahin auszulegen, dass sie nur auf eine Altersrente oder Leistungen bei Invalidität eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit anwendbar ist. Sie gilt danach also nur für ein betriebliches System der sozialen Sicherheit, das die Risiken von „Alter“ und „Invalidität“ abdeckt. Eine Auslegung dahin, dass diese Vorschrift für alle Arten von betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit gilt, stellt danach einen Verstoß gegen das Erfordernis dar, die Vorschrift eng auszulegen und würde eine unzulässige Ausdehnung ihres Geltungsbereichs bewirken.

51

(4) Entgegen ihrer Rechtsauffassung kann die Beklagte aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2009 (- 8 CN 1.09 - BVerwGE 134, 99) für eine Anwendung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG auf die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S geregelte Spätehenklausel nichts zu ihren Gunsten ableiten. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung die Invaliditätsversorgung als von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG erfasst betrachtet; es hat ausgeführt, die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung wegen des Alters sei in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zwar ausdrücklich nur für den Bezug von Alters- und Invaliditätsrente geregelt, nicht hingegen für die Hinterbliebenenrente. Die Hinterbliebenenrente leite sich jedoch zwingend von der Alters- und Invaliditätsrente ab und lehne sich anteilig an. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch vor der gegenteiligen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergangen.

52

dd) Die durch die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 VO S bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters kann auch nicht in erweiternder Auslegung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG oder in analoger Anwendung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt werden.

53

(1) Zwar heißt es in § 10 Satz 3 AGG, dass derartige unterschiedliche Behandlungen „insbesondere“ die unter den Nr. 1 bis 6 aufgeführten Fälle einschließen können. Damit zählt § 10 Satz 3 AGG seinem Wortlaut nach nur Beispielsfälle auf und enthält keinen abschließenden Katalog von Anwendungsfällen denkbarer Rechtfertigungen für eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters(vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 45; 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 35, BAGE 133, 265; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 40, BAGE 129, 181). Dennoch ist die Verwendung von Alterskriterien in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen im Todesfall, mithin für den Bezug einer Witwen- und Witwerrente, kein denkbarer - über die ausdrücklich genannten Beispielsfälle hinausgehender - Anwendungsfall einer Rechtfertigung iSv. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG. Eine ergänzende Auslegung dieser Bestimmung dahin, dass sie auch die Festsetzung von Altersgrenzen in Betriebsrentensystemen als Voraussetzung für den Bezug einer Hinterbliebenenrente erfasst oder eine analoge Anwendung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG auf solche Altersgrenzen scheidet aus. Dies folgt ebenfalls aus einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 10 Satz 3 AGG im Lichte von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG.

54

(2) Nur Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG enthält - wie die Verwendung des Begriffs „insbesondere“ verdeutlicht - einen nicht abschließenden Katalog von Anwendungsfällen denkbarer Rechtfertigungen für eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (EuGH 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 36, Slg. 2010, I-11869). Demgegenüber hat der Unionsgesetzgeber eine mögliche Rechtfertigung einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit nicht in den Beispielkatalog von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG aufgenommen, sondern in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG einer eigenständigen Regelung zugeführt. Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG, der es den Mitgliedstaaten gestattet, eine Ausnahme vom Verbot der Diskriminierung aus Gründen des Alters vorzusehen, ist nicht nur eng auszulegen(EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 41; 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 46), sondern auch abschließend. Eine Ausnahme von dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ist bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ausschließlich in den in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG ausdrücklich genannten Fällen möglich. Hätte der Unionsgesetzgeber den Geltungsbereich dieser Bestimmung über die dort genannten Fälle hinaus ausdehnen wollen, hätte er dies - wie in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG geschehen - durch eine eindeutige Formulierung, zB unter Verwendung des Adverbs „insbesondere“ getan (EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 39; 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 44).

55

ee) Die durch die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S bewirkte unmittelbare Ungleichbehandlung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin wegen des Alters ist auch nicht nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt. Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters gestattet, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist; nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Es kann vorliegend dahinstehen, ob die durch die Spätehenklausel bewirkte Ungleichbehandlung der Versorgungsberechtigten wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist. Jedenfalls ist die Altersgrenze von 60 Jahren in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele nicht angemessen und erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG.

56

(1) Es kann offenbleiben, ob die durch VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

57

(a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat nicht nur erkannt, dass legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung solche aus dem Bereich „Arbeits- und Sozialpolitik“ sind (vgl. EuGH 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Ingeniørforengingen i Danmark] Rn. 19; 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 34; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 50; 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 81, Slg. 2011, I-8003; 18. Juni 2009 - C-88/08 - [Hütter] Rn. 41, Slg. 2009, I-5325; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569; 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, Slg. 2010, I-9343; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 41, Slg. 2010, I-9391; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch BVerfG 24. Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11 - Rn. 15). Er hat zudem mit Urteil vom 26. September 2013 (- C-476/11 - [HK Danmark]) ausgeführt, dass auch Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik, die ein Arbeitgeber mit einer im Arbeitsvertrag vorgesehenen betrieblichen Altersvorsorge anstrebt, legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sein können. Gleichzeitig hat er die Legitimität der Ziele für den Fall bejaht, dass diese im Rahmen sozial-, beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischer Belange den Interessen aller Beschäftigten Rechnung tragen, um diesen bei Eintritt in den Ruhestand eine Altersversorgung in angemessener Höhe zu gewährleisten (EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark]). Da nach alledem legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG allerdings nur solche im Rahmen sozial-, beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischer Belange sind, die den Interessen der Beschäftigten Rechnung tragen, können Ziele, die ausschließlich im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, eine Diskriminierung wegen des Alters nicht nach § 10 Satz 1 AGG rechtfertigen(vgl. etwa BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 26, BAGE 147, 89).

58

(b) Ob die mit der unter VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S getroffenen Spätehenklausel bewirkte Diskriminierung wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist, ist zweifelhaft.

59

(aa) Die Beklagte hatte sich bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ausschließlich darauf berufen, ihre Rechtsvorgängerin habe mit der Spätehenklausel das Ziel verfolgt, nicht noch kurz vor dem Versorgungsfall hohe Rückstellungen bilden zu müssen. Es habe das Risiko unkalkulierbarer zusätzlicher Versorgungsansprüche ausgeschlossen werden sollen, um die Finanzierbarkeit bestehender Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Im ungünstigsten Fall müssten Zusagen für künftige Mitarbeiter reduziert werden, da unkalkulierbare, später eingetretene Ereignisse (wie weitere Leistungsberechtigte) die Finanzierung der Betriebsrenten ins Ungleichgewicht führen könnten. In der Revision hat sie zudem ausgeführt, die Rückstellungen für die Altersversorgung beruhten auf versicherungsmathematischen Berechnungen, die sich ihrerseits an die Sterbetafeln anlehnten. Diese Berechnungen hätten mit der Spätehenklausel abgesichert werden sollen; es sei darum gegangen, unkalkulierbare Risiken zu vermeiden. Das Risiko einer höheren Kostenlast verwirkliche sich bei einer Heirat im hohen Lebensalter allein dadurch, dass der Altersunterschied der Eheleute immer größer werde und die Versorgungsleistungen deshalb über einen längeren Zeitraum erbracht werden müssten. Welchen Weg ein Arbeitgeber zur Minimierung des Risikos von Spätehen wähle, ob durch eine Altersabstands- oder durch eine Spätehenklausel, müsse ihm überlassen bleiben.

60

(bb) Soweit die Beklagte mit ihrem Vorbringen zu den Rückstellungen zum Ausdruck bringen will, dass die Spätehenklausel dazu dient, den administrativen Aufwand bei der nach § 249 HGB vorzunehmenden Bildung und Auflösung von Pensionsrückstellungen gering zu halten, stellt sich dieses Ziel - für sich betrachtet - als Ziel im ausschließlichen Eigeninteresse der Versorgungsschuldnerin dar und ist damit kein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG(vgl. EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 36 zu „Haushaltserwägungen“ und „administrativen Erwägungen“ eines Mitgliedstaats).

61

(cc) Soweit die Beklagte geltend macht, die Spätehenklausel bezwecke, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den Versorgungsaufwand für die Hinterbliebenenversorgung versicherungsmathematisch verlässlich kalkulieren zu können, ist allerdings zweifelhaft, ob die unterschiedliche Behandlung der Versorgungsberechtigten wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

62

Zwar entscheidet der Arbeitgeber bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung. Entschließt er sich hierzu, so ist er auch frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert. Er kann Leistungen der Hinterbliebenenversorgung versprechen; eine Rechtspflicht hierzu trifft ihn nicht. Aus diesem Grund ist er grundsätzlich auch berechtigt, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von dieser Versorgung auszuschließen (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 74 mwN, BAGE 134, 89). Auch liegt eine Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließende Merkmale gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringt. Diese betreffen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung.

63

Vor diesem Hintergrund bestand im vorliegenden Verfahren arbeitgeberseitig ein berechtigtes Interesse daran, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den Versorgungsaufwand verlässlich kalkulieren zu können (BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 38; 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 75 mwN, BAGE 134, 89). Dieses Ziel ist zwar ein rechtmäßiges Ziel iSv. § 3 Abs. 2 AGG, das über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung entscheidet(vgl. etwa BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 36 f.; 15. Oktober 2013 - 3 AZR 294/11 - Rn. 30 f., BAGE 146, 200). Ob es jedoch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG ist und damit eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters rechtfertigen kann(vgl. dagegen noch etwa BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 36; 15. Oktober 2013 - 3 AZR 294/11 - Rn. 30, aaO), ist vor dem Hintergrund auch der angeführten neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht ohne Weiteres eindeutig zu beantworten. Gegen die Legitimität des Ziels iSv. § 10 Satz 1 AGG könnte sprechen, dass eine Risikobegrenzung zum Zwecke einer verlässlichen Kalkulation des für die Hinterbliebenenversorgung zur Verfügung gestellten Dotierungsrahmens zunächst im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegt; dafür könnte indes sprechen, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur zukommen lassen, wenn sie auch die Möglichkeit haben, den aus der Versorgungszusage resultierenden Versorgungsaufwand verlässlich zu prognostizieren.

64

(dd) Soweit die Beklagte sich darauf beruft, mit der Spätehenklausel werde auch bezweckt, die für die Witwen-/Witwerversorgung insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel nur einem eingegrenzten Personenkreis zukommen zu lassen, um diesem bei Eintritt des Versorgungsfalls „Tod“ eine Witwen-/Witwerversorgung in angemessener, weil substantieller Höhe gewähren zu können, spricht vor dem Hintergrund des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. September 2013 (- C-476/11 - [HK Danmark]) viel dafür, dass die Spätehenklausel durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

65

(2) Dies kann vorliegend jedoch offenbleiben, da die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S konkret auf die Vollendung des 60. Lebensjahres bestimmte Altersgrenze zur Erreichung der mit der Spätehenklausel angestrebten Ziele, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den erforderlichen Versorgungsaufwand verlässlich kalkulieren zu können sowie die für die Witwen-/Witwerversorgung insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel auf einen bestimmten Personenkreis zu verteilen, um diesem bei Eintritt des Versorgungsfalls „Tod“ eine Witwen-/Witwerversorgung in angemessener Höhe gewähren zu können, nicht angemessen und erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG ist.

66

(a) Die in der Spätehenklausel auf die Vollendung des 60. Lebensjahres bestimmte Altersgrenze ist - in unionsrechtskonformer Auslegung von § 10 Satz 2 AGG - nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlaubt, das mit der Spätehenklausel verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Arbeitnehmer zu führen, denen aufgrund der Klausel die Witwen-/Witwerversorgung vorenthalten wird, weil sie bei Eheschließung bereits das 60. Lebensjahr vollendet hatten (vgl. etwa EuGH 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 25) und sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 59).

67

(b) Die in VII Ziff. 1 Satz 2 VO S auf die Vollendung des 60. Lebensjahres festgelegte Altersgrenze ist nicht angemessen und erforderlich, weil sie zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der Versorgungsberechtigten führt, die - weil sie bei Eheschließung das 60. Lebensjahr vollendet hatten - von der Witwen-/Witwerversorgung vollständig ausgeschlossen werden. Zudem geht sie zum Teil auch über das hinaus, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist.

68

(aa) Die Zusage der Witwen-/Witwerversorgung nach der VO S ist Teil einer umfassenden Versorgungsregelung. Durch die Zusage sollen die Arbeitnehmer in der Sorge um die finanzielle Lage ihrer Hinterbliebenen entlastet werden. Die Hinterbliebenenversorgung nach dem Betriebsrentengesetz knüpft an das typisierte Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers an (vgl. BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 38). Für dieses Versorgungsinteresse ist es jedoch unerheblich, zu welchem Zeitpunkt die Ehe geschlossen wurde. Es existiert vor allem kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass die Versorgungsberechtigten, die die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres schließen, ein geringeres Interesse an der Versorgung ihrer Witwen und Witwer haben als Versorgungsberechtigte, die die Ehe in einem jüngeren Lebensalter schließen. Sowohl die Versorgungsberechtigten, die die Ehe vor der Vollendung ihres 60. Lebensjahres als auch die Versorgungsberechtigten, die die Ehe erst danach geschlossen haben, haben ein gleichermaßen anerkennenswertes Interesse an der Versorgung ihrer Ehepartner.

69

(bb) Zudem wirkt sich aus, dass die Hinterbliebenenversorgung ihren Ursprung in der dem Arbeitnehmer und der Arbeitnehmerin erteilten Versorgungszusage hat und dass betriebliche Altersversorgung auch Entgelt der berechtigten - männlichen wie weiblichen - Arbeitnehmer ist, das diese als Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebszugehörigkeit erhalten (vgl. etwa BAG 12. November 2013 - 3 AZR 274/12 - Rn. 27 mwN). Danach ist es regelmäßig nicht angemessen, die unter Geltung einer Versorgungszusage abgeleistete Betriebszugehörigkeit im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung allein deshalb vollständig unberücksichtigt zu lassen, weil der Versorgungsberechtigte bei Eheschließung das 60. Lebensjahr bereits vollendet hatte.

70

(cc) Die Vollendung des 60. Lebensjahres stellt auch - anders als das Ende des Arbeitsverhältnisses (vgl. hierzu BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 38) oder der Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer selbst (vgl. hierzu BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 294/11 - Rn. 32, BAGE 146, 200) - keine „Zäsur“ dar, die es der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausnahmsweise hätte gestatten können, in den Bestimmungen über die Witwen-/Witwerversorgung zur Begrenzung des mit der Versorgungszusage verbundenen Risikos und Aufwands hieran anzuknüpfen und die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers ab diesem Zeitpunkt bei der Abgrenzung ihrer Leistungspflichten unberücksichtigt zu lassen.

71

Dies folgt aus den Wertungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, wonach betriebliche Altersversorgung iSd. Betriebsrentengesetzes nur vorliegt, wenn dem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung vom Arbeitgeber „aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses“ zugesagt werden. Danach muss zwischen dem Arbeitsverhältnis und der Zusage ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. etwa BAG 20. April 2004 - 3 AZR 297/03 - zu I 2 der Gründe, BAGE 110, 176; 25. Januar 2000 - 3 AZR 769/98 - zu II 2 der Gründe). Im Hinblick darauf übernimmt der Arbeitgeber mit der Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bestimmte Risiken, die Altersversorgung deckt einen Teil der „Langlebigkeitsrisiken“, die Invaliditätssicherung einen Teil der Invaliditätsrisiken und die Hinterbliebenenversorgung einen Teil der Todesfallrisiken ab (vgl. etwa BAG 25. Juni 2013 - 3 AZR 219/11 - Rn. 13, BAGE 145, 314). Vor diesem Hintergrund sind zwar das Ende des Arbeitsverhältnisses und der Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer, zu dem typischerweise auch das Arbeitsverhältnis sein Ende findet, sachgerechte Anknüpfungspunkte für Regelungen über den Ausschluss von der Hinterbliebenenversorgung, nicht aber ein vom Ende des Arbeitsverhältnisses unabhängiges Alter.

72

Die Nähe der Vollendung des 60. Lebensjahres zum Versorgungsfall „Alter“ ändert daran entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nichts. Es besteht für sich genommen kein hinreichender innerer Zusammenhang zwischen dem Abstand zu diesem Versorgungsfall und der Hinterbliebenenversorgung.

73

(dd) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts, die die Beklagte verteidigt, lässt sich die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S bestimmte Spätehenklausel auch nicht mit der zusätzlichen Begründung rechtfertigen, die Berufstätigkeit des Arbeitnehmers, der bei Eheschließung das 60. Lebensjahr vollendet hat, werde nicht mehr entscheidend durch die Fürsorge des Ehegatten mitgetragen. Die Beklagte hat kein anerkennenswertes Interesse daran, zur Abgrenzung ihrer Leistungspflichten zwischen den Ehen, die vor der Vollendung des 60. Lebensjahres des Versorgungsberechtigten und den Ehen, die erst danach geschlossen wurden, mit dieser Begründung zu differenzieren. Auch dies macht die in der Spätehenklausel bestimmte Altersgrenze nicht angemessen.

74

Die etwaige „Fürsorge“ des Ehegatten für sich betrachtet steht in keinem rechtlich relevanten Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Versorgungsberechtigten, anlässlich dessen die Hinterbliebenenversorgung zugesagt wurde, sondern betrifft die private Lebensgestaltung. Soweit nicht der „Fürsorgegedanke“ im Vordergrund stehen sollte, sondern beabsichtigt war, nach der noch möglichen Ehedauer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls „Alter“, mit dem das Arbeitsverhältnis regelmäßig endet, zu differenzieren, besteht zwar ein Bezug zum Arbeitsverhältnis. Die Dauer der Ehe während des Arbeitsverhältnisses ist aber kein angemessener Anknüpfungspunkt für Leistungen der Hinterbliebenenversorgung, weil diese Leistungen Gegenleistung für die Beschäftigungszeit, nicht aber für die Ehedauer sind. Zudem führt ein Abstellen auf eine noch mögliche Ehedauer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls „Alter“ zu einer unangemessenen Benachteiligung der Versorgungsberechtigten gegenüber anderen Arbeitnehmern, die bei Eintritt des Nachversorgungsfalls ebenfalls noch nicht für eine bestimmte Zeit während des Arbeitsverhältnisses verheiratet waren.

75

Aus der von der Beklagten angezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 2010 (- 1 BvR 2584/06 - BVerfGK 17, 120) folgt nichts Abweichendes. Zum einen hatte sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010 (- 1 BvR 2584/06 - aaO) mit einer Satzungsbestimmung eines Versorgungswerks einer Ärztekammer zu befassen, das durch eigene Beitragsleistungen der Versicherten finanziert wurde, und bei dem nur die originär eigene Rente des Versicherten (Alters- und Invaliditätsversorgung) Gegenleistung der Beitragsleistung war, während die Hinterbliebenenversorgung - anders als die arbeitgeberfinanzierte betriebliche Hinterbliebenenversorgung nach der VO S - ausschließlich Versorgungscharakter hatte, weil sie nicht auf einer dem Versicherten zurechenbaren Eigenleistung beruhte. Zum anderen sah die vom Bundesverfassungsgericht zu beurteilende Satzungsbestimmung des Versorgungswerks der Ärztekammer - anders als die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S - nicht vor, dass Versorgungsberechtigte, die die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen hatten, von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen waren. Vielmehr bestimmte sie, dass der verwitwete Eheteil aus einer Ehe, die das Versorgungswerksmitglied erst nach Beginn der Altersrente geschlossen hatte, keinen Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung hat. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Satzungsbestimmung mit der Begründung gebilligt, der Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung könne davon abhängig gemacht werden, dass der Versicherte und der Hinterbliebene bereits während der Erwerbstätigkeit des Versicherten miteinander verheiratet gewesen seien; es sei nicht zu beanstanden, wenn der Satzungsgeber Hinterbliebenenrente nur denjenigen Hinterbliebenen gewähren wolle, die zumindest zu einem Teil den Berufsweg des Versicherten als Ehegatten begleitet haben.

76

(ee) Entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts, die die Beklagte in der Revision ebenfalls verteidigt, lässt sich die Anknüpfung an das 60. Lebensjahr in der Spätehenklausel auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, mit ihr würden zulässigerweise Ansprüche auf eine Witwen-/Witwerversorgung in den Fällen ausgeschlossen, in denen nur eine sog. Versorgungsehe geführt wird. Zwar läge darin eine Begrenzung des Risikos auf Fälle, in denen das Versorgungsrisiko nicht gezielt zulasten des Arbeitgebers geschaffen wird. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S überhaupt dem Zweck dient, Versorgungsehen von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen und das arbeitgeberseitige Risiko entsprechend zu begrenzen. Die Beklagte hat sich auf diesen Zweck der Klausel zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich berufen. Aber selbst wenn die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S - wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - dem Zweck dienen sollte, sog. Versorgungsehen von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen, ließe sich die durch die Altersgrenze von 60 Jahren bewirkte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nicht nach § 10 Satz 2 AGG rechtfertigen. Die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S wäre zur Erreichung des mit ihr angestrebten Ziels nicht geeignet.

77

Von einer Versorgungsehe kann nur dann gesprochen werden, wenn die Heirat allein oder überwiegend zu dem Zweck erfolgte, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen (Definition in Anlehnung an § 46 Abs. 2a SGB VI, § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG). Zwar kann bei einer Ehe, die zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls „Tod“ - unabhängig vom gleichzeitigen Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Versorgungsschuldner - erst von kurzer Dauer war, die Vermutung gerechtfertigt sein kann, dass die Ehe unter Versorgungsgesichtspunkten geschlossen wurde. So enthalten beispielsweise § 46 Abs. 2a SGB VI und § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG für Ehen, die nicht mindestens ein Jahr vor Eintritt des Versicherungs- bzw. Versorgungsfalls geschlossen wurden, eine gesetzlich widerlegbare Vermutung, dass die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war. Hingegen existiert kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine Eheschließung nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Versorgungsberechtigten ausschließlich oder überwiegend unter Versorgungsgesichtspunkten erfolgte. Vielmehr ist bei Eheschließungen nach Vollendung des 60. Lebensjahres ein anderer Zweck der Eheschließung mindestens ebenso wahrscheinlich wie der Versorgungszweck.

78

(ff) Die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S lässt sich entgegen den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, bei Eingehung einer versorgungsnahen Ehe sei eher davon auszugehen, dass der Ehegatte über eigene Versorgungsanwartschaften oder Vermögen verfüge und deshalb auf eine Hinterbliebenenversorgung nicht in dem Maße angewiesen sei wie eine junge Familie. Auch unter diesem Gesichtspunkt liegt keine angemessene Risikobegrenzung vor. Es kann dahinstehen, ob die Annahme des Landesarbeitsgerichts überhaupt zutrifft. Nach den Wertungen der VO S kommt es hierauf nicht an. Die VO S knüpft mit der in X zur Höhe der Witwen-/Witwerrente getroffenen Bestimmung ausschließlich an das Ausmaß an, in dem der durch den Tod des Versorgungsberechtigten verursachte Wegfall der erreichbaren bzw. bezogenen Betriebsrente kompensiert werden soll und definiert so den Versorgungsbedarf. Bestimmungen über eine Anrechnung von Einkünften oder Vermögen des hinterbliebenen Ehegatten auf die Witwen-/Witwerrente enthält die VO S nicht. Diese Umstände machen deutlich, dass es nach den Wertungen der VO S für den Anspruch auf Witwen-/Witwerversorgung unerheblich ist, wie die private Lebensgestaltung des Witwers oder der Witwe im Hinblick auf Erwerbseinkommen und Versorgung vor der Eheschließung war.

79

(gg) Aus dem Umstand, dass nach I Ziff. 3 der VO S Arbeitnehmer, „die bei ihrem letzten Diensteintritt in die Firma das 60. Lebensjahr vollendet haben“, keine Versorgungszusage erhalten, mithin von vornherein weder Anspruch auf eine Altersrente noch auf eine Invaliden- oder Witwen-/Witwerrente erwerben können, kann die Beklagte ebenfalls nichts für sich herleiten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Senat mit Urteil vom 12. Februar 2013 (- 3 AZR 100/11 - BAGE 144, 231) sogar einer Bestimmung in einer vom Arbeitgeber geschaffenen Versorgungsordnung Wirksamkeit zuerkannt hat, nach der ein Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur besteht, wenn der Arbeitnehmer eine mindestens 15-jährige Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zurücklegen kann. Mit der unter I Ziff. 3 der VO S getroffenen Bestimmung wird zum Ausdruck gebracht, dass für den Fall, dass der Arbeitnehmer bei seinem Eintritt in das Unternehmen das 60. Lebensjahr bereits vollendet hat, überhaupt kein Versorgungsrisiko übernommen werden soll. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine bereits grundsätzlich erfolgte Risikoübernahme, dh. zugesagte Versorgung - hier die Hinterbliebenenversorgung - von zusätzlichen anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzungen abhängig gemacht werden darf und damit Personen, die diese Voraussetzungen (nicht) erfüllen, von der Versorgung ihrer Hinterbliebenen ausgeschlossen werden dürfen.

80

(hh) Aus den in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG getroffenen Regelungen, wonach ein Anspruch auf Witwenrente nicht besteht, wenn die Ehe erst nach dem Eintritt des Beamten in den Ruhestand geschlossen worden ist und der Ruhestandsbeamte zur Zeit der Eheschließung die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und Abs. 2 BBG bereits erreicht hatte, kann die Beklagte ebenfalls nichts für sich herleiten. Dies folgt bereits daraus, dass diese Bestimmung - soweit sie an das Lebensalter anknüpft - auf die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und Abs. 2 BBG und damit auf den Zeitpunkt abstellt, zu dem regelmäßig das Dienstverhältnis zum Dienstherrn endet. Eine solche Anknüpfung an eine derartige „Zäsur“ enthält die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S hingegen nicht.

81

(ii) Entgegen ihrer Rechtsauffassung spricht auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2009 (- 8 CN 1.09 - BVerwGE 134, 99) nicht für die Beklagte. Die Erwägungen, die das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung angestellt hat, sind auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragbar und können deshalb die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S nicht rechtfertigen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung eine Bestimmung in der Satzung eines Versorgungswerks als nicht altersdiskriminierend gebilligt, wonach die Witwen-/Witwerrente nicht gewährt wird, wenn die Ehe nach Vollendung des 62. Lebensjahres oder nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Mitglieds geschlossen wurde und nicht mindestens drei Jahre bestanden hat. Allerdings ging es in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Verfahren um ein Versorgungswerk einer Rechtsanwaltskammer, das sich - wie eine Versicherung - ausschließlich durch Beiträge seiner Mitglieder finanzierte. Zudem wurde die Hinterbliebenenversorgung ohne erhöhten Beitrag des Mitglieds für seine Hinterbliebenen gewährt, wovon das verheiratete Mitglied des Versorgungswerks profitierte. Der Zweck der Satzungsregelung bestand mithin in der finanziellen Risikobegrenzung der Versichertengemeinschaft als Solidargemeinschaft. Anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Verfahren bilden die nach der VO S Versorgungsberechtigten indes keine Solidar- oder Gefahrengemeinschaft, die die Lasten, die dem Einzelnen und den Hinterbliebenen aus der Verwirklichung der Risiken Alter, Invalidität oder Tod erwachsen, auf den gesamten Stand verteilen.

82

Aus den Urteilen des Senats vom 28. Juli 2005 (- 3 AZR 457/04 - BAGE 115, 317) und vom 19. Dezember 2000 (- 3 AZR 186/00 -) folgt bereits deshalb nichts Abweichendes, weil die dort vom Senat gebilligten Spätehenklauseln nicht am AGG zu messen waren.

83

(jj) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S auch nicht angemessen und erforderlich, weil die Möglichkeit bestanden hätte, anstelle der Spätehenklausel eine Altersabstandsklausel in die Versorgungsordnung aufzunehmen. Zwar begrenzen Altersabstandsklauseln das Risiko des Arbeitgebers, nämlich nach demographischen Kriterien. Je jünger die Ehepartner im Verhältnis zu den Arbeitnehmern sind, denen eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt wurde, desto länger ist der Zeitraum, während dessen der Arbeitgeber durchschnittlich die Hinterbliebenenversorgung zu gewähren hat. Auch bewirken Altersabstandsklauseln, dass sich die für die Witwen-/Witwerversorgung insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel auf einen kleineren Kreis von Hinterbliebenen verteilen, sodass diese bei Eintritt des Versorgungsfalls „Tod“ eine höhere Witwen-/Witwerversorgung erhalten. Schließlich ist einem hohen Altersabstand innerhalb einer Ehe immanent, dass der jüngere Ehepartner einen erheblichen Teil seines Lebens ohne den älteren Ehepartner und die an dessen Einkommenssituation gekoppelten Versorgungsmöglichkeiten verbringt. Es kann dahinstehen, ob diese Erwägungen unter Geltung des AGG, und wenn ja, für welche Klauseln überhaupt noch tragen. Die streitbefangene Spätehenklausel stellt gerade keine Altersabstandsklausel dar.

84

4. Da die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S getroffene Spätehenklausel wegen Verstoßes gegen das in § 7 Abs. 1 AGG normierte Verbot der Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist, steht sie dem Anspruch der Klägerin auf Witwenrente nicht entgegen. Die Beklagte ist deshalb verpflichtet, an die Klägerin ab dem 1. März 2011 eine Witwenrente in unstreitiger Höhe von monatlich 723,49 Euro zu zahlen. Dass dadurch der bei Schaffung der VO S für die Hinterbliebenenversorgung bereitgestellte Dotierungsrahmen ggf. in einem Maße überschritten wird, dass die Finanzierung der Betriebsrenten insgesamt ins „Ungleichgewicht“ gerät und die Beklagte deshalb Zusagen für künftige Mitarbeiter reduziert, ändert daran nichts. Die Beklagte kann im Hinblick auf eine Einhaltung des für die Hinterbliebenenversorgung nach der VO S ursprünglich festgelegten Dotierungsrahmens keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. Der zeitliche Geltungsbereich des AGG wird deshalb hier nicht durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (zu derartigen Beschränkungen BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Die Anwendung der Bestimmungen des AGG auf die von der Klägerin geltend gemachte Witwenrente nach der VO S bewirkt keine echte, sondern lediglich eine unechte Rückwirkung. Diese ist zulässig.

85

Eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet oder wenn die Rechtsfolgen einer Norm zwar erst nach ihrer Verkündung eintreten, deren Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung „ins Werk gesetzt“ worden sind (vgl. BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 558/10 - Rn. 25 mwN). Die belastende Rechtsfolge von § 7 Abs. 2 AGG, die für die Beklagte erst nach Verkündung des AGG eintritt, wurde tatbestandlich von der dem verstorbenen Ehemann der Klägerin erteilten Versorgungszusage und damit von einem bereits „ins Werk gesetzten“, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt ausgelöst.

86

Die Grenzen einer zulässigen unechten Rückwirkung einer gesetzgeberischen Entscheidung sind erst überschritten, wenn die unechte Rückwirkung nicht geeignet oder erforderlich ist, um den Gesetzeszweck zu erreichen, oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen. Knüpft der Gesetzgeber für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte an, sind die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage abzuwägen. Der vom Gesetzgeber zu beachtende Vertrauensschutz geht allerdings nicht so weit, den normunterworfenen Personenkreis vor Enttäuschungen zu bewahren (vgl. BAG 27. März 2014 - 6 AZR 204/12 - Rn. 46, BAGE 147, 373). Die bloße allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde künftig unverändert fortbestehen, genießt keinen verfassungsrechtlichen Schutz, wenn keine besonderen Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten (vgl. BVerfG 7. Juli 2010 - 2 BvL 14/02 ua. - Rn. 57, BVerfGE 127, 1).

87

Danach hat die Beklagte kein schutzwürdiges Vertrauen dahin, dass die Wirksamkeit der in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S bestimmten Spätehenklausel nicht an den Bestimmungen des AGG scheitert und der ursprünglich für die Hinterbliebenenversorgung festgelegte Dotierungsrahmen nicht infolgedessen überschritten wird. Der Zweck des AGG, in Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG und vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 GG Ungleichbehandlungen zu beseitigen, kann vorliegend nur durch die Unwirksamkeit der Klausel erreicht werden. Zudem hält sich die Änderung der Gesetzeslage im Rahmen dessen, was als mögliche Rechtsentwicklung bereits zuvor angelegt war. Besondere Momente der Schutzwürdigkeit bestehen nicht.

88

5. Vor dem Hintergrund der zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union bedarf es vorliegend weder der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 iVm. § 11 RsprEinhG noch der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV. Die Frage, ob die von der Beklagten zur Rechtfertigung der Spätehenklausel angeführten Ziele legitime Ziele iSv. § 10 Satz 1 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung sind, musste vom Senat nicht entschieden werden.

89

III. Der Zinsanspruch ergibt sich hinsichtlich der mit dem Antrag zu 1. geltend gemachten Rückstände aus § 286 Abs. 1, § 288 BGB. Gemäß XVI Ziff. 1 Buchst. a der VO S wird die Firmenrente jeweils am Ende eines Monats fällig.

90

C. Die Kostentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    H. Trunsch    

        

    Möller    

                 

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.