Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 20. März 2015 - 12 A 261/13

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2015:0320.12A261.13.0A
bei uns veröffentlicht am20.03.2015

Tenor

Die Mitteilungen des Beklagten vom 17. April 2013 und vom 30. August 2013 werden insoweit aufgehoben, als darin der Kläger von der Dienstverrichtung freigestellt worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der jeweils zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Dienstunfähigkeit und die Freistellung des Klägers vom Dienst.

2

Der im Jahre 1956 geborene Kläger steht als Erster Polizeihauptkommissar (EPHK) im Dienste der Beklagten. Er war bei der Bundespolizeiakademie in A-Stadt als Fachlehrer und Lehrgruppenleiter eingesetzt.

3

Der Kläger leidet an verschiedenen Erkrankungen, im Vordergrund steht eine Hüftnekrose rechts. Seit Oktober 2010 ist er - mit kurzen Unterbrechungen - krankgeschrieben. Das Landesamt für Soziale Dienste erkannte bei ihm einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 an (Bescheid vom 24. Juni 2013). Ein Wiedereingliederungsversuch nach dem „Hamburger Modell" wurde Anfang 2012 beendet. Der sozialmedizinische Dienst der Beklagten kam in seinem Gutachten vom 04. April 2013 zusammenfassend zu der Einschätzung, dass der Kläger für den Polizeivollzugsdienst und auch für den allgemeinen Verwaltungsdienst nicht (mehr) geeignet sei. Entsprechende Fragen der Beklagten beantwortete der sozialmedizinische Dienst wie folgt:

4

„Es ist eher nicht zu erwarten, dass der Beamte innerhalb der nächsten zwei Jahre seine volle Verwendungsfähigkeit wiedererlangen kann. ... Herr A. ist nicht uneingeschränkt gesundheitlich geeignet für den allgemeinen Verwaltungsdienst des Bundes. Er ist nicht in der Lage, den körperlichen Anforderungen zu genügen (längeres Sitzen, Dienstreisen, Besprechungen sind nicht in ausreichender Kontinuität möglich). Innerhalb der nächsten sechs Monate ist keine uneingeschränkte Dienstfähigkeit im allgemeinen Verwaltungsdienst zu erwarten. Herr A. ist in der Lage, bis zu vier Stunden Verwaltungsaufgaben zu bewältigen, Umschulungsmaßnahmen sind ihm nicht zumutbar.“

5

Aufgrund dieses Gutachtens stellte die Beklagte mit Schreiben vom 17. April 2013 gemäß § 4 Abs. 1 Bundespolizeibeamtengesetz (BPolBG) die Polizeidienstunfähigkeit und gemäß § 44 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) die allgemeine Dienstunfähigkeit des Klägers fest. Die Beklagte teilte ihm ferner mit, dass sie beabsichtige, ihn zum nächstmöglichen Zeitpunkt wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen. Weiter wird in dem Schreiben aufgeführt, an welchen Erkrankungen der Kläger leide, welches Ergebnis das sozialmedizinische Gutachten erbracht habe und dass beim Kläger von dessen Polizeidienstunfähigkeit und von seiner allgemeinen Dienstunfähigkeit ausgegangen werde. Schließlich wiederholt die Beklagte, dass sie beabsichtige, den Kläger zum nächst möglichen Zeitpunkt wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen und er gegen diese „Mitteilung“ innerhalb eines Monats nach Zustellung Einwendungen erheben könne. Es folgt sodann ein Hinweis, dass, „sobald der Bescheid rechtskräftig ist“ und der Kläger keine beachtlichen Einwendungen erhebt, sie - die Beklagte - nach Abschluss der Beteiligung der Interessenvertretung das erforderliche Einvernehmen beim Bundesministerium des Innern (BMI) für die vorzeitige Versetzung des Klägers in den Ruhestand beantragen werde. Im letzten Absatz des Schreibens heißt es, dass wegen der in diesem „Bescheid“ erfolgten Feststellung seiner Dienstunfähigkeit der Kläger ab Zugang dieses „Bescheides“ aus Fürsorgegründen von der Dienstverrichtung freigestellt werde. Dem Schreiben ist eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt

6

Den vom Kläger mit Schreiben vom 14. Mai 2013 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Schreiben vom 30. August 2013, welchem ebenfalls eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, zurück.

7

Der Kläger hat unter dem 04. Oktober 2013 Klage erhoben. Er weist zunächst darauf hin, dass das sozialmedizinische Gutachten Widersprüche enthalte und letztlich nicht die Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit und der allgemeinen Dienstunfähigkeit trage. Es sei nicht zutreffend, dass er auf das Angebot eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht reagiert habe. Die Beklagte räume selbst ein, dass er vier Stunden täglich noch arbeiten könne. Voraussetzung sei lediglich, dass ein Wechsel zwischen Stehen und Sitzen stattfinde. Die Versetzung in den Ruhestand sei nach allem nicht gerechtfertigt. Für eine Freistellung von der Dienstverrichtung sei ebenfalls kein Raum. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn könne dafür nicht herangezogen werden, es gäbe keine rechtliche Grundlage, um ihn vom Dienst freizustellen.

8

Schließlich habe die Beklagte ihrer von der Rechtsprechung vorgegebenen „Suchpflicht" nicht ausreichend Genüge getan. Auch nach der grundlegenden Umstrukturierung in der Bundespolizeiakademie gebe es Möglichkeiten, insbesondere als Fachlehrer, beschäftigt zu werden.

9

Der Kläger beantragt,

10

den „Bescheid" der Beklagten vom 17. April 2013 und den „Widerspruchsbescheid" vom 30. August 2013 aufzuheben,

11

hilfsweise,

12

unter Aufhebung der Freistellung des Klägers festzustellen, dass die mit „Bescheid" vom 17. April 2013 in der Fassung des „Widerspruchsbescheides" vom 30. August 2013 getroffene Feststellung seiner Polizeidienstunfähigkeit und der allgemeinen Dienstunfähigkeit rechtswidrig ist.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus ihrem Schreiben vom 30. August 2013 weist sie darauf hin, dass das sozialmedizinische Gutachten vom 04. April 2013 in sich schlüssig und nachvollziehbar sei. Dem untersuchenden Polizeiarzt hätten alle einschlägigen Gutachten und ärztlichen Aussagen vorgelegen. Er habe diese seiner Stellungnahme zugrunde gelegt. Beim Kläger sei Polizeidienstunfähigkeit und die allgemeine Dienstunfähigkeit festzustellen. Aus diesem Grund sehe sie keine Möglichkeit, ihn weiter zu verwenden und habe ihm deshalb ihre Absicht seiner Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand mitgeteilt.

16

Die Kammer hat den Rechtstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter durch Beschluss vom 24. Juli 2014 zur Entscheidung übertragen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

1. Die Klage ist nur zum Teil zulässig und begründet. Soweit in dem Schreiben vom 17. April 2013 (am Ende) der Kläger von der Dienstverrichtung freigestellt wird, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

19

Im Übrigen ist die Klage unzulässig, weil sowohl eine Anfechtungs- als auch eine Feststellungsklage nicht statthaft sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 C 26.89 - Juris) ist die einem Beamten mitgeteilte Feststellung, er werde für dienstunfähig gehalten und es sei deshalb eine Versetzung in den Ruhestand beabsichtigt, ein unselbständiger Teil des Zwangspensionierungsverfahrens ohne Verwaltungsaktcharakter. Die Feststellung ist nicht auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, sondern lediglich darauf, den beabsichtigten Verwaltungsakt der Versetzung in den Ruhestand vorzubereiten. Daraus folgt, dass diese Mitteilung erst im Rahmen der Anfechtungsklage gegen die Versetzung in den Ruhestand überprüfbar ist. Die Mitteilung der Dienstunfähigkeit ist ein unselbständiger Verfahrensabschnitt, dessen Aufgabe es ist, die abschließende Entscheidung (Zurruhesetzung) vorzubereiten. Nach der Bestimmung des § 44 a VwGO sind selbständige Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen ausdrücklich ausgeschlossen, die als Zwischenentscheidungen nur der geordneten Weiterführung des Verfahrens dienen. Diese Rechtsprechung ist auf die vorliegend gemäß § 2 BPolBG anwendbaren Regelungen der §§ 44, 47 BBG übertragbar. Dass der ganz überwiegende Inhalt des Schreibens vom 17. April 2013 (mit Ausnahme des letzten Absatzes) keinen abschließend regelnden, sondern nur vorbereitenden Charakter hat und ihm damit keine unmittelbare Außenwirkung im Sinne des § 35 Abs. 1 VwVfG zukommt, lässt sich bei Auslegung vom objektiven Empfängerhorizont den dort verwendeten Formulierungen entnehmen. Bereits im ersten Absatz ist lediglich davon die Rede, dass die Beklagte „beabsichtigt“, den Kläger in den Ruhestand zu versetzen. Dies wird auf Seite 2 nochmals wiederholt. Dort findet sich auch der Hinweis, dass gegen diese „Mitteilung“ Einwendungen erhoben werden können. Auch die weiteren Ausführungen, die als „Hinweis“ gekennzeichnet werden, lassen den vorbereitenden Charakter insoweit erkennen, als dass sich dieser Verfahrensabschnitt (lediglich) auf die Feststellung der Dienstunfähigkeit durch den unmittelbaren Dienstvorgesetzten bezieht und dem Kläger die Möglichkeit geben soll, bereits in diesem Stadium Einwendungen gegen die Einschätzung seiner Dienstunfähigkeit zu erheben, die die zuständige Behörde vor der Entscheidung über die Versetzung in den Ruhestand zu überprüfen hat, (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 C 7.11 - Juris). Auch der Umstand, dass nach neuem Recht der Versetzung in den Ruhestand eine anderweitige Verwendbarkeit vorgeht (§ 44 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 - 5 BBG hier Modifikationen § 4 Abs. 3 BPolBG), ändert nicht die Rechtsnatur der (bloßen) Mitteilung der Dienstunfähigkeit. Der Vorrang der anderweitigen Verwendbarkeit bewirkt lediglich, dass die Mitteilung als unselbständiger Verfahrensabschnitt zunächst die Entscheidung vorbereitet, ob der Beamte einer der in § 44 Abs. 2 - 4 BBG normierten Verwendung zugeführt werden kann (vgl. OVG Berlin - Brandenburg, Beschluss vom 12. November 2014 - OVG 7 S 58.14 - Juris).

20

Es finden sich auch keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass die von der Beklagten getroffene Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit und der allgemeinen Dienstunfähigkeit durch Verwaltungsakt getroffen werden sollte. Allerdings ist dem Kläger zuzugeben, dass in der Mitteilung dreimal der Begriff „Bescheid“ und einmal das Wort „rechtskräftig“ verwendet wird. Abgesehen davon, dass die korrekte Bezeichnung „bestandskräftig“ gewesen wäre, wird diese Mitteilung, die nach den obigen Ausführungen keinen Verwaltungsaktcharakter aufweist, auch durch Verwendung dieser Begrifflichkeiten nicht zu einem solchen. Insoweit dürfte es sich bei der Verwendung des Begriffes „Bescheid“ lediglich um eine unschädliche Falschbezeichnung („falsa demonstratio non nocet“) handeln. Eine Maßnahme, die kein Verwaltungsakt ist, wird nämlich nicht dadurch zu einem solchen, dass die Beklagte über sie durch Widerspruchsbescheid entschieden oder sie von ihr oder der Widerspruchsbehörde als solcher bezeichnet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 2 C 68/11 -; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 02. März 2006 - 2 C 3/05 - beide Juris, wonach eine Änderung der Rechtsnatur durch einen Widerspruchsbescheid allenfalls dann in Betracht kommt, wenn ansonsten die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht ermöglicht werden kann).

21

Letzteres ist indes vorliegend nicht der Fall; denn der Kläger ist nicht rechtschutzlos gestellt. Er kann vielmehr gegen die (abschließende) Entscheidung der Beklagten, ihn zur Ruhe zu setzen (Zurruhesetzungsverfügung) vorgehen und diese anfechten. Im Rahmen der folgenden (gerichtlichen) Überprüfung kann dann die Frage der Dienstunfähigkeit (als wesentliche Voraussetzung für die Zurruhesetzung) inzident einer Überprüfung zugeführt werden. Der Kläger muss auch nicht befürchten, dass - wie vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf das Mitbestimmungsverfahren bei der Zurruhesetzung des Klägers noch einmal hervorgehoben - dem Personalrat die Bestandskraft der Feststellung der Dienstunfähigkeit entgegengehalten wird. Aus den obigen Ausführungen folgt vielmehr, dass diese Feststellung gerade nicht der Bestandskraft fähig ist und sie auch im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzungsverfügung nicht als solche angesehen, sondern vielmehr inzident überprüft werden würde.

22

Letztlich führt auch die Beifügung der Rechtsbehelfsbelehrung nicht dazu, dass das Schreiben vom 17. April 2013 als Verwaltungsakt anzusehen wäre. Dies ergibt sich sowohl aus der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30. April 2013 a.a.O.) als auch aus der Tatsache, dass das Schreiben vom 17. April 2013 in seinem letzten Absatz ja tatsächlich eine Regelung mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen enthält und damit - insoweit - Verwaltungsaktqualität aufweist. Wenn dort der Kläger ausdrücklich (wegen der von der Beklagten angenommenen Dienstunfähigkeit) von der Dienstverrichtung freigestellt wird, stellt dies eine Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung und damit einen Verwaltungsakt dar. Insoweit war auch (bezogen auf diesen Teil des Schreibens) eine Rechtsbehelfsbelehrung erforderlich. Das Gericht hält es für unschädlich, dass die Beklagte sich dieser Differenzierung möglicherweise nicht bewusst gewesen ist. Die Rechtsbehelfsbelehrung mag bei isolierter Betrachtung vielleicht zunächst Unsicherheit ausgelöst haben. Sie läuft im vorliegenden Fall, jedenfalls soweit nicht der letzte Absatz des Schreibens vom 17. April 2013 betroffen ist, ersichtlich leer, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt.

23

Auch der Hilfsantrag, der auf Feststellung der Rechtwidrigkeit der Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit und der allgemeinen Dienstunfähigkeit gerichtet ist, ist nicht statthaft. Denn die Vorschrift des § 44 a VwGO gilt trotz des ausdrücklichen Wortlauts „gegen" nicht nur für die Anfechtung, sondern auch für alle Leistungsbegehren bzw. Unterlassungs- und Feststellungsklagen in Bezug auf Verfahrenshandlungen von Behörden (vgl. Bayrischer VGH, Beschluss vom 08. Dezember 2003 - 12 CE 03.2899 - Juris; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. §44 a Rn. 4 m.w.N.).

24

Da die gegen die Feststellung der Dienstunfähigkeit gerichteten Anträge bereits nicht statthaft sind, braucht den weiteren, von den Beteiligten kontrovers diskutierten Fragen (Schlüssigkeit des sozialmedizinischen Gutachtens, Erfüllung der „Suchpflicht" durch die Beklagte, ausreichendes Angebot an betrieblichem Eingliederungsmanagement) und über die in der mündlichen Verhandlung angesprochene Frage nach einer ggf. begrenzten Dienstfähigkeit, nicht weiter nachgegangen werden.

25

2. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig und begründet, soweit der Kläger sich gegen seine in dem Schreiben vom 17. April 2013 enthaltene Freistellung von der Dienstverrichtung wendet. Insoweit ist diese Maßnahme rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

26

Die Maßnahme der Beklagten, den Kläger (aufgrund seiner vermeintlichen Dienstunfähigkeit) vom Dienst freizustellen, lässt sich nicht auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. § 78 BBG) stützen. Nach dieser Bestimmung hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie zu sorgen. Hierbei handelt es sich um eine Auffangvorschrift, die eine formelle und materielle Lückenlosigkeit des Systems der Rechte des Beamten sicherstellen soll; allerdings ist ein unmittelbarer Rückgriff auf diese Bestimmung als Grundlage (für einen Leistungsanspruch) nur dann möglich, wenn keine spezialgesetzliche Regelung besteht (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. Dezember 1993-3 CE 92.33/22 - Juris).

27

Vorliegend scheidet § 78 BBG als Rechtsgrundlage aus, weil der Gesetzgeber durch die Bestimmungen der §§ 2 BPolBG, 44, 47 BBG das Zurruhesetzungsverfahren wegen Dienstunfähigkeit abschließend geregelt hat. Zwar ist in den genannten Vorschriften nicht geregelt, was mit einem Beamten geschehen soll, den der Dienstherr für dienstunfähig, der sich selbst aber für dienstfähig hält. Grundsätzlich dürfte die Beklagte verpflichtet sein - soweit der Kläger seine Arbeitskraft bzw. Dienstleistung anbietet - diesen zu beschäftigen. Dabei dürfte der Beklagten auch ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung stehen, um dem Kläger - solange das Zurruhesetzungsverfahren nicht abgeschlossen ist - seinem Amt entsprechende Aufgaben zu übertragen. Wenn sich dadurch eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes einstellen sollte, so fiele dies in die Risikosphäre des Klägers. Eine Entbindung von der Dienstleistungspflicht könnte der Kläger nach Auffassung des Gerichts nur aufgrund einer Krankschreibung erreichen.

28

Das Gericht vermag auch keine Regelungslücke festzustellen, die durch einen Rückgriff auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn zu schließen wäre. Dies setzte voraus, dass der Gesetzgeber eine Fallgestaltung, die erkennbar den übrigen geregelten Fällen vergleichbar ist und daher nach einer entsprechenden Regelung verlangt, versehentlich nicht geregelt hätte. Diese Voraussetzung ist aus den o. g. Gründen nicht erfüllt. Der Gesetzgeber hat vielmehr (lediglich) noch eine andere Fallgestaltung geregelt, die zu einer (unfreiwilligen) Freistellung vom Dienst führt, nämlich die Anordnung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte (vgl. § 66 BBG). Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift dem Grunde nach vorliegen (sie spricht neben Disziplinarverfahren auch von einem sonstigen . . . auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichteten Verfahren . . .) oder entsprechend herangezogen werden könnte, kann dahinstehen. Unbeschadet der Tatsache, dass die Beklagte darauf ersichtlich nicht abgestellt hat, wäre ein solches Verbot erloschen, weil nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges . . . Verfahren eingeleitet worden ist (§ 66 S. 2 BBG). Die Anordnung, den Kläger von der Dienstverrichtung freizustellen, ist unter dem 17. April 2013 getroffen worden; das eigentliche Zurruhesetzungsverfahren ist aber bis zum heutigen Tage nicht eingeleitet worden. Insoweit hätte ein solches Verbot/eine solche Anordnung inzwischen seine/ihre Rechtswirkungen verloren.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO; sie ist gemäß §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.


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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Auf die Polizeivollzugsbeamten finden die für Bundesbeamte allgemein geltenden Vorschriften Anwendung, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Die Beamtin auf Lebenszeit oder der Beamte auf Lebenszeit ist in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist.

(2) Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn ein anderes Amt, auch einer anderen Laufbahn, übertragen werden kann. Die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung ist zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und zu erwarten ist, dass die Beamtin oder der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt.

(3) Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann einer Beamtin oder einem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.

(4) Zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand kann die Beamtin oder der Beamte nach dem Erwerb der Befähigung für eine neue Laufbahn auch ohne Zustimmung in ein Amt dieser Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt versetzt werden, wenn eine dem bisherigen Amt entsprechende Verwendung nicht möglich und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist. Das neue Amt muss derselben Laufbahngruppe zugeordnet sein wie das derzeitige Amt. Für die Übertragung bedarf es keiner Ernennung.

(5) Die Beamtin oder der Beamte, die oder der nicht die Befähigung für eine andere Laufbahn besitzt, ist verpflichtet, an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen.

(6) Bestehen Zweifel über die Dienstunfähigkeit, besteht die Verpflichtung, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen und, falls dies aus amtsärztlicher Sicht für erforderlich gehalten wird, auch beobachten zu lassen.

(7) Gesetzliche Vorschriften, die für einzelne Gruppen von Beamtinnen und Beamten andere Voraussetzungen für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit bestimmen, bleiben unberührt.

(1) Hält die oder der Dienstvorgesetzte die Beamtin oder den Beamten aufgrund eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand für dienstunfähig und ist eine anderweitige Verwendung nicht möglich oder liegen die Voraussetzungen für die begrenzte Dienstfähigkeit nicht vor, teilt sie oder er der Beamtin oder dem Beamten mit, dass die Versetzung in den Ruhestand beabsichtigt ist. Dabei sind die Gründe für die Versetzung in den Ruhestand anzugeben.

(2) Die Beamtin oder der Beamte kann innerhalb eines Monats Einwendungen erheben. Danach entscheidet die für die Ernennung zuständige Behörde über die Versetzung in den Ruhestand mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die oberste Dienstbehörde kann bestimmen, dass ihre Zustimmung nicht erforderlich ist.

(3) Die Versetzungsverfügung ist der Beamtin oder dem Beamten schriftlich zuzustellen. Sie kann bis zum Beginn des Ruhestands zurückgenommen werden.

(4) Der Ruhestand beginnt mit dem Ende des Monats, in dem die Versetzung in den Ruhestand der Beamtin oder dem Beamten bekannt gegeben worden ist. Zu diesem Zeitpunkt wird die Besoldung einbehalten, die das Ruhegehalt übersteigt.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Die Beamtin auf Lebenszeit oder der Beamte auf Lebenszeit ist in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist.

(2) Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn ein anderes Amt, auch einer anderen Laufbahn, übertragen werden kann. Die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung ist zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und zu erwarten ist, dass die Beamtin oder der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt.

(3) Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann einer Beamtin oder einem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.

(4) Zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand kann die Beamtin oder der Beamte nach dem Erwerb der Befähigung für eine neue Laufbahn auch ohne Zustimmung in ein Amt dieser Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt versetzt werden, wenn eine dem bisherigen Amt entsprechende Verwendung nicht möglich und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist. Das neue Amt muss derselben Laufbahngruppe zugeordnet sein wie das derzeitige Amt. Für die Übertragung bedarf es keiner Ernennung.

(5) Die Beamtin oder der Beamte, die oder der nicht die Befähigung für eine andere Laufbahn besitzt, ist verpflichtet, an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen.

(6) Bestehen Zweifel über die Dienstunfähigkeit, besteht die Verpflichtung, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen und, falls dies aus amtsärztlicher Sicht für erforderlich gehalten wird, auch beobachten zu lassen.

(7) Gesetzliche Vorschriften, die für einzelne Gruppen von Beamtinnen und Beamten andere Voraussetzungen für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit bestimmen, bleiben unberührt.

(1) Der Polizeivollzugsbeamte ist dienstunfähig, wenn er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, daß er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb zweier Jahre wiedererlangt (Polizeidienstunfähigkeit), es sei denn, die auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt.

(2) Die Polizeidienstunfähigkeit wird durch den Dienstvorgesetzten auf Grund des Gutachtens eines Amtsarztes oder eines beamteten Arztes, in der Bundespolizei eines beamteten Bundespolizeiarztes, festgestellt.

(3) Die Bundesregierung kann jährlich bestimmen, in welchem Umfang für die nach § 44 Abs. 2 bis 5 des Bundesbeamtengesetzes anderweitig zu verwendenden Polizeivollzugsbeamten freie, frei werdende und neu geschaffene Planstellen für Beamte des mittleren, des gehobenen und des höheren Dienstes beim Bund und bei den bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts vorbehalten werden.

(1) Die Beamtin auf Lebenszeit oder der Beamte auf Lebenszeit ist in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist.

(2) Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn ein anderes Amt, auch einer anderen Laufbahn, übertragen werden kann. Die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung ist zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und zu erwarten ist, dass die Beamtin oder der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt.

(3) Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann einer Beamtin oder einem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.

(4) Zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand kann die Beamtin oder der Beamte nach dem Erwerb der Befähigung für eine neue Laufbahn auch ohne Zustimmung in ein Amt dieser Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt versetzt werden, wenn eine dem bisherigen Amt entsprechende Verwendung nicht möglich und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist. Das neue Amt muss derselben Laufbahngruppe zugeordnet sein wie das derzeitige Amt. Für die Übertragung bedarf es keiner Ernennung.

(5) Die Beamtin oder der Beamte, die oder der nicht die Befähigung für eine andere Laufbahn besitzt, ist verpflichtet, an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen.

(6) Bestehen Zweifel über die Dienstunfähigkeit, besteht die Verpflichtung, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen und, falls dies aus amtsärztlicher Sicht für erforderlich gehalten wird, auch beobachten zu lassen.

(7) Gesetzliche Vorschriften, die für einzelne Gruppen von Beamtinnen und Beamten andere Voraussetzungen für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit bestimmen, bleiben unberührt.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre vorzeitige Versetzung in den Ruhestand.

2

Die 1946 geborene Klägerin stand seit 1973 als beamtete Realschullehrerin im Dienst des Beklagten. Zuletzt war sie an einer Realschule in Teilzeitbeschäftigung in den Fächern Englisch, Französisch und Bildende Kunst tätig.

3

Seit März 2008 bemängelten der Schulleiter und Elternvertreter den Englischunterricht der Klägerin. Beratungsgespräche und Unterrichtsbesuche führten nicht zu einer Verbesserung. Da sich die Beschwerden häuften und wegen der Fehlzeiten der Klägerin von 21 Arbeitstagen innerhalb eines Schuljahres forderte das Regierungspräsidium das Gesundheitsamt des Landkreises auf, die Klägerin amtsärztlich zu untersuchen sowie festzustellen, welche gesundheitlichen Probleme die Klägerin habe und gegebenenfalls Behandlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Diese Aufforderung wurde der Klägerin nachrichtlich übersandt. Sie leistete weder dieser noch einer zweiten Untersuchungsaufforderung Folge.

4

Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage gegen die Untersuchungsaufforderung erklärte die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht aufgrund eines gerichtlichen Hinweises für erledigt; der Beklagte stimmte zu.

5

Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Zurruhesetzungsverfügung aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:

6

Der Verstoß gegen die besondere Pflicht zur Anhörung vor Erlass der Zurruhesetzungsverfügung sei unbeachtlich. Der Beklagte habe von der Dienstunfähigkeit der Klägerin ausgehen können, weil diese zweimal die angeordnete Untersuchung verweigert habe. Die Untersuchungsaufforderung könne nicht mehr inhaltlich untersucht werden, weil sie bestandskräftig geworden sei.

7

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Oktober 2011 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. Februar 2009 zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Landesbeamtenrecht (§ 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG; § 127 Nr. 2 BRRG). Die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand verstößt gegen §§ 53 und 55 des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg - LBG BW - in der hier anwendbaren Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Landesbeamtengesetzes vom 19. März 1996 (GBl S. 285), geändert durch das Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes, des Landespersonalvertretungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 3. Mai 2005 (GBl S. 321).

10

Die angegriffene Verfügung hat sich nicht dadurch erledigt, dass die Klägerin inzwischen die gesetzliche Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand erreicht hat. Denn die vorzeitige Zurruhesetzung entfaltet weiterhin Rechtswirkungen. Zum einen bleibt der Zeitraum bis zum Erreichen der Altersgrenze für die Bemessung des Ruhegehalts außer Betracht. Auch ist sie Grundlage für die Einbehaltung eines Teils ihrer Bezüge (§ 55 Satz 3 LBG BW).

11

Für die Rechtmäßigkeit einer Versetzung in den Ruhestand kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an (Urteile vom 16. Oktober 1997 - BVerwG 2 C 7.97 - BVerwGE 105, 267 <269 ff.> = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 22 S. 4 f.; vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25 jeweils Rn. 12, vom 26. Januar 2012 - BVerwG 2 C 7.11 - Buchholz 237.95 § 208 SHLBG Nr. 1 Rn. 11 und vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 - Buchholz 237.6 § 226 NdsLBG Nr. 1 Rn. 9).

12

Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 LBG BW ist der Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Nach Satz 3 ist der Beamte, sofern Zweifel über seine Dienstunfähigkeit bestehen, verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen und, falls ein Amtsarzt dies für erforderlich hält, auch beobachten zu lassen. Entzieht sich der Beamte trotz zweimaliger schriftlicher Aufforderung, ohne hierfür einen hinreichenden Grund nachzuweisen, der Verpflichtung, sich nach Weisung der Behörde untersuchen oder beobachten zu lassen, so kann er nach Satz 4, wenn er die Versetzung in den Ruhestand nicht beantragt hat, so behandelt werden, als ob seine Dienstunfähigkeit amtsärztlich festgestellt worden wäre. Satz 5 verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten auf die Rechtsfolge des Satzes 4 hinzuweisen.

13

Die Zurruhesetzung der Klägerin ist rechtswidrig, weil die Annahme der Dienstunfähigkeit der Klägerin entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs nicht auf § 53 Abs. 1 Satz 4 LBG BW gestützt werden kann. Denn die zugrundeliegende Untersuchungsaufforderung vom März 2008 ist ihrerseits rechtswidrig (1). Zudem hat das Regierungspräsidium die Klägerin entgegen § 55 Satz 2 LBG BW vor Erlass der Verfügung nicht angehört (2) sowie der Suchpflicht des § 53 Abs. 3 LBG BW nicht genügt (3).

14

1. Der Behörde ist durch § 53 Abs. 1 Satz 4 LBG BW kein Ermessen eröffnet, dessen Ausübung an den Anforderungen des § 40 LVwVfG BW zu messen oder nach § 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG BW zu begründen wäre. Das Wort "kann" in § 53 Abs. 1 Satz 4 LBG BW bringt die Berechtigung der Behörde zum Ausdruck, von der Verweigerung der geforderten Begutachtung auf die - amtsärztlich festgestellte - Dienstunfähigkeit des Beamten zu schließen. Die Regelung des § 53 Abs. 1 Satz 4 LBG BW stellt vergleichbar mit dem allgemeinen Rechtsgedanken der §§ 427, 444 und 446 ZPO eine Beweisregel dar. Sie gestattet, im Rahmen der Beweiswürdigung Schlüsse aus dem Verhalten des Beamten zu ziehen, der die rechtmäßig abverlangte Mitwirkung an der Klärung des Sachverhalts verweigert hat. Auch wenn die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 4 LBG BW erfüllt sind, darf die Behörde den Beamten nicht schematisch in den Ruhestand versetzen. Vielmehr muss sie die Gründe, die der Beamte für sein Verhalten angegeben hat, berücksichtigen und in die Entscheidungsfindung einbeziehen (vgl. Urteile vom 26. Januar 2012 - BVerwG 2 C 7.11 - a.a.O. Rn. 14 und vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 - a.a.O. Rn. 12). Dies wird durch die Begründung des Entwurfs des Gesetzes, durch das § 53 Abs. 1 Satz 4 und 5 LBG BW angefügt worden sind (LTDrucks 11/6585, S. 28 zu Nr. 11 a), bestätigt. Danach soll die Regelung des Satzes 4 die Grundlage bieten, die Dienstunfähigkeit des betreffenden Beamten vermuten zu können. Daraus folgt, dass die Vermutung widerlegt werden kann.

15

Die Dienstunfähigkeit der Klägerin kann hier nicht auf § 53 Abs. 1 Satz 4 LBG BW gestützt werden. Da die erste Untersuchungsaufforderung rechtswidrig ist, musste die Klägerin ihr nicht Folge leisten (Urteile vom 26. Januar 2012 a.a.O. Rn. 15 und vom 26. April 2012 a.a.O. Rn. 13).

16

Der Senat ist an der Prüfung der Rechtmäßigkeit der ersten Untersuchungsaufforderung nicht gehindert. Diese konnte nicht in Bestandskraft erwachsen, weil es sich nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Die Anordnung ist nicht auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, wie dies die Begriffsbestimmung gemäß § 35 Satz 1 LVwVfG BW als Merkmal eines Verwaltungsaktes verlangt. Dieses Merkmal fehlt Maßnahmen gegenüber Beamten, die nach ihrem objektiven Sinngehalt auf organisationsinterne Wirkung abzielen, weil sie dazu bestimmt sind, den Beamten nicht als Träger subjektiver Rechte, sondern als Amtswalter und Glied der Verwaltung anzusprechen (Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 = Buchholz 237.8 § 84 RhPLBG Nr. 1 jeweils Rn. 10). Die Aufforderung zur Untersuchung regelt lediglich einen einzelnen Schritt in einem gestuften Verfahren, das bei Feststellung der Dienstunfähigkeit mit der Zurruhesetzung endet (Urteil vom 26. April 2012 a.a.O. Rn. 14 f.). Eine Maßnahme, die kein Verwaltungsakt ist, wird auch nicht dadurch zu einem solchen, dass über sie durch Widerspruchsbescheid entschieden oder sie von der Widerspruchsbehörde als solcher bezeichnet wurde (Urteil vom 2. März 2006 a.a.O. Rn. 11) oder die Behörde ihren Sofortvollzug angeordnet hat.

17

Die erste Untersuchungsaufforderung vom März 2008 konnte den Schluss auf die Dienstunfähigkeit der Klägerin nach § 53 Abs. 1 Satz 4 LBG BW aus mehreren Gründen nicht rechtfertigen. Sie war nicht an die Klägerin, sondern an das Gesundheitsamt des Landratsamts adressiert. Dieser wurde lediglich eine Mehrfertigung übersandt. Wegen ihrer weitgehenden Wirkungen muss die vollständig begründete Untersuchungsaufforderung an den Beamten gerichtet sein. Denn Adressat ist der Betroffene; dieser muss in die Lage versetzt werden, an Hand ihrer konkreten Begründung ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

18

Die Aufforderung genügt auch nicht den inhaltlichen und formellen Anforderungen (Urteil vom 26. April 2012 a.a.O. Rn. 17 f.).

19

Nach § 53 Abs. 1 Satz 3 LBG BW ist die Behörde zu einer Untersuchungsaufforderung berechtigt, wenn Zweifel über die Dienstunfähigkeit des Beamten bestehen. Aufgrund hinreichend gewichtiger tatsächlicher Umstände muss zweifelhaft sein, ob der Beamte wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die Dienstpflichten seines abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen (vgl. Urteile vom 28. Juni 1990 - BVerwG 2 C 18.89 - Buchholz 237.6 § 56 NdsLBG Nr. 1, vom 23 September 2004 - BVerwG 2 C 27.03 - BVerwGE 122, 53 <55> = Buchholz 239.1 § 36 BeamtVG Nr. 2 und vom 3. März 2005 - BVerwG 2 C 4.04 - Buchholz 237.7 § 194 NWLBG Nr. 2 Rn. 10). Dies ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstunfähig. Der Aufforderung müssen tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als nahe liegend erscheinen lassen (BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1993 - 1 BvR 689/92 - BVerfGE 89, 69 <85 f.>; Beschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 - NJW 2002, 2378; BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 a.a.O. Rn. 19). Die Feststellung, die für die Anordnung sprechenden Gründe "seien nicht aus der Luft gegriffen", reicht für die Rechtmäßigkeit der Aufforderung nicht aus.

20

Die Behörde muss die tatsächlichen Umstände, auf die sie die Zweifel an der Dienstfähigkeit stützt, in der Aufforderung angeben. Der Beamte muss anhand dieser Begründung die Auffassung der Behörde nachvollziehen und prüfen können, ob die angeführten Gründe tragfähig sind (Urteil vom 23. Oktober 1980 - BVerwG 2 A 4.78 - Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 14 S. 6). Er muss erkennen können, welcher Vorfall oder welches Ereignis zur Begründung der Aufforderung herangezogen wird. Die Behörde darf insbesondere nicht nach der Überlegung vorgehen, der Adressat werde schon wissen, "worum es geht".

21

Eine unzureichende Begründung kann nicht durch das Nachschieben weiterer Gründe geheilt werden. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Anordnung tatsächliche Umstände vorlagen, die den Schluss auf Zweifel eine Dienstfähigkeit gerechtfertigt hätten. Für eine Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 2 LVwVfG BW ist wegen des Zwecks der Untersuchungsaufforderung kein Raum. Erkennt die Behörde die Begründungsmängel der ersten Aufforderung zur Untersuchung, kann sie eine neue Aufforderung mit verbesserter Begründung erlassen.

22

Ferner muss die Anordnung Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die Behörde darf dies nicht dem Arzt überlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich der Beamte einer fachpsychiatrischen Untersuchung unterziehen soll. Erhebungen des Psychiaters zum Lebenslauf des Beamten, wie etwa Kindheit, Ausbildung, besondere Krankheiten, und zum konkreten Verhalten auf dem Dienstposten stehen dem Bereich privater Lebensgestaltung noch näher als die rein medizinischen Feststellungen, die bei der angeordneten Untersuchung zu erheben sind. Deshalb sind die mit einer solchen Untersuchung verbundenen Eingriffe in das Recht des Beamten aus Art. 2 Abs. 2 GG wie auch in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht regelmäßig weitgehend (BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1993 a.a.O. S. 82 ff.; BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 a.a.O. Rn. 17).

23

Nur wenn in der Aufforderung selbst Art und Umfang der geforderten ärztlichen Untersuchung nachvollziehbar sind, kann der Betroffene auch nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Dementsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber klar werden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind.

24

Danach ist die Untersuchungsaufforderung vom März 2008 bereits deshalb rechtswidrig, weil das Regierungspräsidium Art und Umfang der Untersuchung nicht einmal in den Grundzügen bestimmt, sondern diese vollständig dem Gesundheitsamt überlassen und damit der Klägerin die inhaltliche Prüfung der Anordnung unmöglich gemacht hat.

25

Zur Begründung der Aufforderung hat das Regierungspräsidium auf Klagen von Elternvertretern und Schülern über die nachlassende Qualität des Unterrichts der Klägerin sowie auf deren wiederholte Krankmeldungen und die damit verbundenen unterrichtlichen Defizite verwiesen. Zudem sei das Verhältnis zum Schulleiter durch die Beratungsgespräche belastet worden, weil die Klägerin Vereinbarungen und Ratschläge nicht annehme. Durch die ständigen dienstlichen Auseinandersetzungen seien das Schulklima außerordentlich belastet und der Schulfrieden gefährdet.

26

Diese Umstände sind in der Aufforderung vom März 2008 nicht in einer Weise dargestellt und belegt, dass der Klägerin die Prüfung ihrer inhaltlichen Richtigkeit möglich gewesen wäre.

27

Zwar können Fehlzeiten grundsätzlich Zweifel an der Dienstfähigkeit des Beamten im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 3 LBG BW begründen. Dies muss aber schlüssig dargelegt werden. Denn Fehlzeiten können auch auf Erkrankungen zurückzuführen sein, die die Dienstfähigkeit eines Beamten tatsächlich nicht dauerhaft berühren. Zur Klärung hätte das Regierungspräsidium den Schulleiter beauftragen können, die Klägerin nach den Ursachen ihrer Fehlzeiten zu befragen. Sollte das Regierungspräsidium Zweifel an der Belastbarkeit der privatärztlichen Bescheinigungen über die Dienstunfähigkeit der Klägerin gehabt haben, so wäre es in Betracht gekommen, dieser aufzuerlegen, künftig zum Nachweis ihrer Dienstunfähigkeit ein amtsärztliches Attest ab dem ersten Werktag vorzulegen (Beschluss vom 23. Februar 2006 - BVerwG 2 A 12.04 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 29).

28

2. Die Zurruhesetzungsverfügung ist auch deshalb rechtswidrig, weil das Regierungspräsidium die Klägerin vor ihrem Erlass entgegen § 55 Satz 2 LBG BW nicht angehört hat.

29

§ 55 Satz 2 LBG BW schreibt vor, dass der Beamte Gelegenheit erhält, sich zu den für die Zurruhesetzung erheblichen Tatsachen innerhalb eines Monats schriftlich zu äußern. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat das Regierungspräsidium die Klägerin vor der Bekanntgabe der Verfügung nicht nach § 55 Satz 2 LBG BW angehört. Die besondere Anhörung nach § 55 Satz 2 LBG BW ist auch den Fällen des § 53 Abs. 1 Satz 4 LBG BW geboten. Ist der Beamte der zweimaligen Aufforderung zu einer ärztlichen Untersuchung nicht nachgekommen, so kann er im Rahmen der Anhörung geltend machen, die Untersuchungsanordnung als solche genüge nicht den formellen oder inhaltlichen Anforderungen mit der Folge, dass aus der Verweigerung der Untersuchung nicht auf seine Dienstunfähigkeit geschlossen werden dürfe.

30

Die Anhörung nach § 55 Satz 2 LBG BW konnte nicht nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 LVwVfG BW im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden. Der Gesetzgeber hat durch mehrere gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht spezielle Regelungen, wie das zwingende Erfordernis einer Anhörung, die Schriftform und die Anhörungsfrist, deutlich gemacht, dass der Beamte vor der Entscheidung über seine Zurruhesetzung anzuhören ist (LTDrucks 13/3783, S. 20).

31

§ 46 LVwVfG BW ist aber auf den festgestellten Verstoß gegen § 55 Satz 2 LBG BW nicht anwendbar. Nach § 46 LVwVfG BW kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 44 LVwVfG BW nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die Annahme der "Offensichtlichkeit" im Sinne von § 46 LVwVfG BW ist aber bereits dann ausgeschlossen, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen worden wäre (Urteile vom 8. Juni 1995 - BVerwG 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <361 f.>, vom 25. Januar 1996 -BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <250>, vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 38 und vom 26. Januar 2012 - BVerwG 2 C 7.11 - a.a.O. Rn. 20 und 23).

32

Sind im Verfahren der Zurruhesetzung ärztliche Gutachten erstellt worden, so scheidet die Anwendung von § 46 LVwVfG BW regelmäßig aus. Die Entscheidung über die Dienstunfähigkeit des Beamten anhand dieser Gutachten ist in der Regel tatsächlich und rechtlich schwierig. Die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung aufgrund einer Stellungnahme des Betroffenen zu diesen ärztlichen Feststellungen ist nicht auszuschließen. Aber auch in den Fällen, in denen der Beamte die Begutachtung verweigert hat, kann die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung aufgrund der Angaben des Beamten im Rahmen seiner Anhörung nicht ausgeschlossen werden. Die gesetzliche Regelung des § 53 Abs. 1 Satz 4 LBG BW ist Ausdruck des allgemeinen, aus §§ 427, 444 und 446 ZPO abgeleiteten Rechtsgrundsatzes, wonach das die Beweisführung vereitelnde Verhalten eines Beteiligten zu dessen Nachteil berücksichtigt werden kann. Dieser Schluss ist aber auch bei einer gesetzlichen Regelung nicht zwingend vorgegeben, so dass die Behörde auch hier sämtliche Umstände zu würdigen hat (Urteil vom 26. April 2012 a.a.O. Rn. 23 m.w.N.).

33

Hier lässt es sich nicht ausschließen, dass die Klägerin im Falle ihrer Anhörung nach § 55 Satz 2 LBG BW vor Erlass der Verfügung geltend gemacht hätte, die konkrete Untersuchungsanordnung genüge nicht den an sie zu stellenden formellen und inhaltlichen Anforderungen und das Regierungspräsidium deshalb vom Erlass der Zurruhesetzungsverfügung abgesehen hätte.

34

3. Die Zurruhesetzungsverfügung ist schließlich deshalb rechtswidrig, weil das Regierungspräsidium nicht der Suchpflicht des § 53 Abs. 3 LBG BW genügt hat.

35

Nach § 53 Abs. 3 Satz 1 LBG BW soll von der Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden, wenn ihm ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass der Vorrang der Weiterverwendung eines Beamten vor seiner Versorgung nicht gelten soll, wenn die Annahme der Dienstunfähigkeit des Beamten auf der Verweigerung einer von der Behörde angeordneten ärztlichen Begutachtung beruht.

36

§ 53 Abs. 3 Satz 1 LBG BW begründet für den Dienstherrn die Pflicht, nach einer anderweitigen Verwendung des Beamten zu suchen. Die Soll-Vorschrift gestattet eine Abweichung von der gesetzlichen Regel nur in atypischen Ausnahmefällen, in denen das Festhalten an diese Regel auch unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt ist. Wie sich aus § 53 Abs. 3 Satz 2 LBG BW ergibt, ist die Suche nach einer anderweitigen Verwendung regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken. Da es um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn geht, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind, ist es Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er entsprechend § 53 Abs. 3 LBG BW nach einer Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung des dienstunfähigen Beamten gesucht hat (Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25 jeweils Rn. 20 ff.).

37

Aus den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs und auch aus den Verwaltungsakten, auf die der Verwaltungsgerichtshof nach § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO verwiesen hat, ergibt sich nicht, dass der Beklagte als Dienstherr der ihm obliegenden Suchpflicht Genüge getan hat.

38

4. Ist eine Verwaltungsentscheidung, wie hier nach § 53 Abs. 1 Satz 1 LBG BW, gebunden und trifft die von der Behörde gegebene Begründung nicht zu, so obliegt dem Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Prüfung, ob der Verwaltungsakt aus anderen als den von der Behörde genannten Gründen rechtmäßig ist (Urteil vom 19. August 1988 - BVerwG 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96).

39

Hier scheidet jedoch die Prüfung im gerichtlichen Verfahren aus, ob die Klägerin zum Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids nach § 53 Abs. 1 Satz 1 LBG dienstunfähig war. Denn hierfür bestand kein tatsächlicher Anhaltspunkt.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung.

Auf die Polizeivollzugsbeamten finden die für Bundesbeamte allgemein geltenden Vorschriften Anwendung, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde kann einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.