Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 30. Jan. 2017 - 11 B 2/17
Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 11.792,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners, die zum 31.01.2017 beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand nicht vorzunehmen, bis über seinen Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand rechtskräftig entschieden worden ist.
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Der am …1953 geborene Antragsteller ist Polizeihauptkommissar – Besoldungsgruppe A 11 – und seit Oktober 1972 im Polizeidienst des Landes Schleswig-Holstein tätig. Seiner im August 2013 beantragten Hinausschiebung der Versetzung in den Ruhestand um zwei Jahre entsprach der Antragsgegner, wie auch den weiteren Anträgen vom März 2015 um ein weiteres Jahr und vom Juli 2016 um weitere zwei Monate.
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Den erneuten Antrag vom 10.11.2016 auf Hinausschiebung des Ruhestandes um weitere zwei Jahre lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 06.12.2016, zugegangen am 16.12.2016, unter Hinweis auf § 108 Abs. 1 Landesbeamtengesetz (LBG) ab. Für Beamte des Geburtenjahrgangs 1953 werde die Altersgrenze auf 60 Jahre und zwei Monate festgesetzt. Der gesetzliche Ruhestandseintritt erfolge demnach gem. § 35 Abs. 1 Satz 3 LBG mit Ablauf des Monats, in dem das Alter von 60 Jahren und zwei Monaten vollendet werde. Dies sei mit Ablauf des 14.01.2014 erfolgt, sodass grundsätzlich mit Ablauf des Monats Januar 2014 der gesetzliche Ruhestandseintritt erfolgt sei. Der Ruhestandseintritt sei um bis zu drei Jahre entsprechend § 35 Abs. 4 LBG hinausgeschoben worden. Hieraus ergebe sich das gesetzlich höchstzulässige Maß. Ermessen für eine ausnahmsweise Bewilligung von Verlängerungen über diesen Zeitraum hinaus werde nicht eingeräumt.
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Seinen Widerspruch vom 13.01.2017 begründete der Antragsteller im Wesentlichen damit, dass der Gesetzgeber eine grundsätzliche Diensttätigkeit des (normalen) Beamten bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres und eines Polizeivollzugsbeamten bis zum 62. Lebensjahr für vertretbar ansehe, wie aus § 35 Abs. 1 und § 108 Abs. 1 LBG folge. Gleichwohl sei eine Übergangsregelung für die Geburtenjahrgänge 1962 bis 1968 geschaffen worden, welche die Altersgrenze schrittweise auf 62 Jahre anhebe. Die Aufnahme der Übergangsregelung diene nur dem Zweck, den Vertrauensschutz des betroffenen Beamten zu wahren. Es müsse dem Beamten daher freistehen, auf diesen Vertrauensschutz zu verzichten und die Anwendung der Grundregelung in § 108 Abs. 1 LBG zu verlangen.
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Eine Bescheidung des Widerspruchs erfolgte bislang nicht.
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Der Antragsteller hat am 27.01.2017 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Ergänzend zu den Ausführungen im Widerspruch trägt er im Wesentlichen vor, ihm werde aufgrund seines Alters die Möglichkeit genommen, die gesetzliche Neuregelung in § 108 Abs. 1 LBG für sich in Anspruch zu nehmen. Gem. § 7 Abs. 1 AGG sei eine Benachteiligung wegen des Alters unzulässig. Eine Rechtfertigung liege nicht vor. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass die Dienstfähigkeit der von der Übergangsregelung betroffenen Beamten derart eingeschränkt sei, dass die Besorgnis bestehe, dass die Erhaltung der Dienstfähigkeit bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres ernstlich in Frage stehe.
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Der Antragsteller beantragt,
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den Antragsgegner zu verpflichten, die zum 31.01.2017 beabsichtigte Versetzung des Antragstellers in den Ruhestand nicht vorzunehmen, solange über den Antrag des Antragstellers vom 10.11.2016 auf Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand bis zum 30.11.2018 nicht rechtskräftig entschieden ist.
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Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 27.01.2017 verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig aber nicht begründet.
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Gemäß § 123 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 VwGO, § 920 ZPO kann das Gericht auch schon vor Klagerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. In jedem Fall sind gemäß § 123 VwGO i.V.m. §§ 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO die Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund) und das geforderte Recht (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen. Voraussetzung für das Vorliegen eines Anordnungsanspruches in diesem Sinne ist es, dass überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen, d.h. eine in der Hauptsache erhobene Klage oder sonstiger Rechtsbehelf müsste zulässig und zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit begründet sein. Voraussetzung für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist grundsätzlich, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.
- 12
Dahinstehen kann, ob aufgrund der drohenden Veränderung des beamtenrechtlichen Status mit Übertritt in den Ruhestand die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache vorliegen, weil das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller unzumutbar wäre (BVerwG, Beschluss vom 21.01.1999 – 11 VR 8/98 – NVwZ 1999, 650; zu den Voraussetzung einer solchen Ausnahme vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – BVerfGE 79, 69; BVerwG, Beschluss vom 13.08.1999 – 2 VR 1.99 – BVerwGE 109, 258; Beschluss der Kammer vom 31.08.2016 – 11 B 23/16).
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Denn jedenfalls hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen von § 108 Abs. 3 LBG i.V.m. § 35 Abs. 4 Nr. 2 LBG sind nicht erfüllt. Danach kann die oberste Dienstbehörde auf Antrag der Beamtin oder des Beamten den Eintritt in den Ruhestand um bis zu drei Jahre hinausschieben, wenn dienstliche Interessen nicht entgegenstehen.
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Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § § 108 Absätze 1 und 2 LBG beträgt die für den Antragsteller maßgebliche Altersgrenze 60 Jahre und zwei Monate. Aufgrund der bereits dreimal gewährten Hinausschiebung des Ruhestandseintritts um insgesamt drei Jahre und zwei Monate ist die gesetzlich vorgesehene Höchstdauer einer Hinausschiebung gem. § 35 Abs. 4 Nr. 2 LBG erreicht.
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Es bedarf keiner abschließenden Klärung der vom Antragsteller aufgeworfenen Frage, ob der Berechnung der Höchstdauer eines möglichen Hinausschiebens entsprechend der gemäß § 108 Absätze 1 und 2 LBG zu ermittelnden Altersgrenze die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes – AGG – sowie der diesem Gesetz zugrundeliegenden Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf entgegensteht. Hiergegen spricht der Wortlaut des 14. Erwäggrundes dieser Richtlinie, wonach nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand berührt werden.
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Denn selbst wenn man der Auffassung des Antragstellers insoweit folgte, könnte dieser aus § 35 Abs. 4 Nr. 2 LBG keinen Anordnungsanspruch herleiten, denn in diesem Fall hätte der Antragsgegner das ihm durch die Norm eröffnete Rechtsfolgeermessen auszuüben (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.08.2010 – 3 MB 18/10, Rn. 28 – Juris; vgl. auch Seeck, Praxis der Kommunalverwaltung, LBG SH – Kommentar, § 35, Stand: 07.2016). Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null sind nicht vorgetragen und für die Kammer auch sonst nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Da das Verfahren den Zeitpunkt der Versetzung des im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit stehenden Antragstellers in den Ruhestand betrifft, ist der Streitwert nach dem 6-fachen Monatsbetrag des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 11 entsprechend Anlage 5 des SHBesG (3.930,83 EUR) im Zeitpunkt der Antragstellung zu bemessen. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geht die Kammer von der Hälfte des so ermittelten Betrages aus.
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Annotations
(1) Im Planprüfungstermin soll auch die Art der Entschädigung sowie darüber verhandelt werden, welche Rechte aufrechterhalten bleiben und welche Rechte erlöschen (§ 20 Abs. 1).
(2) Dem Eigentümer kann eine angemessene Frist gestellt werden, innerhalb der er einen Antrag auf Entschädigung in Land (§ 22) stellen kann.
(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.
(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Auf die Anordnung einstweiliger Verfügungen und das weitere Verfahren sind die Vorschriften über die Anordnung von Arresten und über das Arrestverfahren entsprechend anzuwenden, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.
(1) Im Planprüfungstermin soll auch die Art der Entschädigung sowie darüber verhandelt werden, welche Rechte aufrechterhalten bleiben und welche Rechte erlöschen (§ 20 Abs. 1).
(2) Dem Eigentümer kann eine angemessene Frist gestellt werden, innerhalb der er einen Antrag auf Entschädigung in Land (§ 22) stellen kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.