Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 08. Sept. 2017 - 11 B 33/17

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2017:0908.11B33.17.00
bei uns veröffentlicht am08.09.2017

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 8.623,80 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag,

2

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verurteilen, an den Antragsteller monatlich 718,65 EUR zu zahlen,

3

ist, verstanden als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung, gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – zulässig aber unbegründet.

4

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VwGO, § 920 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. In jedem Fall sind gemäß § 123 VwGO i.V.m. §§ 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO die Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund) und das geforderte Recht (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen. Zudem darf kein Fall einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache gegeben sein.

5

In Fällen – wie dem vorliegenden –, in denen es um die Wahrung der Würde des Menschen geht, verlangt Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. In einer solchen Konstellation sind die Gerichte, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Interessenabwägung, sondern an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Dabei müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen und haben eine Verletzung der Menschenwürde zu verhindern, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert (vgl. zu diesem Maßstab: BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.02.2009 – 1 BvR 120/09 m.w.N. – zitiert nach Juris). Daraus folgt, dass eine einstweilige Anordnung in entsprechenden Konstellationen zu erlassen wäre, wenn sich die Erfolgsaussichten der Hauptsache jedenfalls als offen darstellten (Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.05.2016 – 2 MB 6/16, Rn. 4 – juris).

6

Das ist jedoch nicht der Fall. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten weitergehenden Beihilfeanspruch des Antragstellers kommt allein § 17 Abs. 2 Landesverordnung über die Gewährung von Beihilfen an Beamtinnen und Beamte in Schleswig Holstein (Beihilfeverordnung – BhVO) in Betracht, dessen Tatbestandsvoraussetzungen – im Unterschied zu dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren 11 A 302/15 – nunmehr bejaht worden sind. Ein unmittelbarer Anspruch aus den Regelungen der Beihilfeverordnung steht dem Antragsteller nicht zu (Urteil der Kammer vom 01.03.2017 – 11 A 302/15, Rn. 29 – juris). Gem. § 17 Abs. 2 BhVO kann die für das Beihilferecht zuständige oberste Landesbehörde – gemäß Absatz 3 für die Beihilfeberechtigten der Kreise die oberste Dienstbehörde – in besonders begründeten Fällen Ausnahmen von den Bestimmungen dieser Verordnung zulassen.

7

Der unbestimmte Rechtsbegriff des besonderen Ausnahmefalls ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass den Anforderungen des durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Alimentationsgrundsatzes Rechnung getragen wird; die Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts erstreckt sich auch auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründen.

8

Ein Anordnungsanspruch liegt bereits deshalb nicht vor, weil Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Liegt dem geltend gemachten materiellen Anspruch eine Ermessensvorschrift zu Grunde, kann eine einstweilige Anordnung ohne weiteres bei einer Ermessensreduzierung auf Null erlassen werden. Nach noch h. M. bedarf es dieser Ermessensreduzierung aber auch, um die einstweilige Anordnung treffen zu können. Dies basiert auf der Annahme, dass im Eilverfahren nicht zugesprochen werden darf, was im Hauptsacheverfahren nicht erreichbar ist; außerdem wird anderenfalls die Hauptsacheentscheidung unzulässigerweise vorweggenommen (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Schoch VwGO § 123 Rn. 158, beck-online m.w.Nw.). Ein Anspruch kann aufgrund des in dieser Norm eingeräumten Ermessens nur bestehen, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, also aufgrund der konkreten Umstände des Falles nur eine einzige bestimmte Entscheidung in Betracht kommt (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.04.2017 – 2 MB 3/17, Beschlussabdruck S. 3; Beschluss der Kammer vom 30.01.2017 – 11 B 2/17, Beschlussabdruck S. 4).

9

Es liegen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass – in der Hauptsache – die monatliche Zahlung in der beantragten Höhe von 718,65 EUR die allein ermessensfehlerfreie Entscheidung des Antragsgegners wäre. Wie der Dienstherr dem Fürsorgeprinzip Rechnung trägt, ist ihm im Rahmen der Ermessenausübung selbst überlassen. Von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sind dabei eine Vielzahl möglicher Erwägungen, u.a. die entsprechende Heranziehung von § 12 c Abs. 2 BhVO in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null ergeben sich auch nicht aus dem Leitsatz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.01.2012 (2 C 24/10). Diese Entscheidung betrifft § 12 Abs. 5 der Verordnung über Beihilfen in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfenverordnung NRW), wonach der Beihilfebemessungssatz in besonderen Ausnahmefällen erhöht werden kann. Diese Erwägungen sind auf das weit gefasste normative Prüfprogramm von § 17 Abs. 2 BhVO, mit dem Ausnahmen von sämtlichen Bestimmungen der BhVO zugelassen werden, nicht übertragbar (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 01.03.2017 – 11 A 302/15, Rn. 42 – juris). Auch aus der Entscheidung der Kammer vom 01.03.2017 (Az.: 11 A 302/15) ergibt sich nichts anderes. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass daraus eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich der Höhe folgt. Denn der vom Antragsteller begehrte Betrag in Höhe von 718,65 EUR setzt sich zusammen, aus den Leistungen gem. § 12 Abs. 1 Wohngeldgesetz und den Regelbedarfsleistungen nach § 20 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Diese Beträge hat die Kammer im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen von § 17 Abs. 2 BhVO herangezogen.

10

Mangels Ermessensreduzierung auf Null kommt es auch nicht darauf an, dass vorliegend die unzuständige Behörde das Ermessen ausgeübt hat. Im Rahmen des noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens wird zu beachten sein, dass gemäß § 17 Abs. 3 BhVO für Beihilfeberechtigte der Kreise in den Fällen des Absatzes 2 an die Stelle der obersten Landesbehörde die oberste Dienstbehörde tritt. Dies ist gem. § 51 Abs. 1 Satz 3 KrO die Landrätin oder der Landrat. Gem. § 2 Abs. 6 Satz 2 Gesetz über die Versorgungsausgleichskasse der Kommunalverbände in Schleswig-Holstein trifft die Versorgungsausgleichskasse im Namen des Mitglieds die notwendigen Entscheidungen und vertritt das Mitglied in Rechtsstreitigkeiten.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 3 GKG i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 BhVO, wonach die errechnete Beihilfe je Kalenderjahr, in dem die Aufwendungen entstanden sind (§ 8 Abs. 1), um die darin im Folgenden geregelten Selbstbehalte gekürzt wird. Der in dieser Vorschrift genannte Jahreszeitraum gibt auch den Maßstab für die hier anzunehmende Härteregelung des § 17 Abs. 2 BhVO vor.


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Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Auf die Anordnung einstweiliger Verfügungen und das weitere Verfahren sind die Vorschriften über die Anordnung von Arresten und über das Arrestverfahren entsprechend anzuwenden, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer - vom 08.03.2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf  23.796,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 08.03.2016 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

2

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nacheile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der zu sichernde bzw. zu regelnde Anspruch und auch der Grund der Anordnung sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO glaubhaft zu machen.

3

Ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat, kann offen bleiben, jedenfalls hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend einen Anordnungsanspruch verneint.

4

In Fällen - wie dem vorliegenden -, in denen es um die Wahrung der Würde des Menschen geht, verlangt Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. In einer solchen Konstellation sind die Gerichte, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Interessenabwägung, sondern an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Dabei müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen und haben eine Verletzung der Menschenwürde zu verhindern, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert (vgl. zu diesem Maßstab: BVerfG Kammerbeschl. v. 25.02.2009 - 1 BvR 120/09 -, m.w.N., zitiert nach Juris). Daraus folgt, dass eine einstweilige Anordnung in entsprechenden Konstellationen zu erlassen wäre, wenn sich die Erfolgsaussichten der Hauptsache jedenfalls als offen darstellten. Das ist hier jedoch nicht der Fall.

5

Denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf Bewilligung von weiteren Leistungen nach der BhVO SH hat. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass weitergehende Leistungen nach der BhVO SH in Höhe von 1.983,00 Euro monatlich für die Unterbringung des Antragstellers in einer Wohn-Pflege-Gemeinschaft allenfalls auf Grundlage einer Einzelfallentscheidung nach § 17 Abs. 2 BhVO SH in Betracht kämen. Davon geht auch der Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift aus. Er macht geltend, es liege ein „besonders begründeter Fall“ im Sinne dieser Vorschrift vor, der die Zulassung einer Ausnahme von den Bestimmungen der BhVO SH rechtfertige. Ohne einen stattgebenden Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wäre er gezwungen, seinen Platz in der Seniorenwohngemeinschaft ... aufzugeben und in eine den besonderen Anforderungen an sein Krankheitsbild (Demenzerkrankung) nicht gerecht werdende und eine schlechtere Versorgung bietende vollstationäre Pflegeeinrichtung umziehen zu müssen.

6

Gemäß § 17 Abs. 2 BhVO kann die für das Beihilferecht zuständige oberste Landesbehörde (gemäß Abs. 3 für die Beihilfeberechtigten der Gemeinden, Kreise etc. die oberste Dienstbehörde) in besonders begründeten Fällen Ausnahmen von den Bestimmungen dieser Verordnung zulassen. Eine entsprechende Ausnahme hat der Antragsgegner durch Bescheid vom 19.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.09.2015 unter Hinweis auf ein ablehnendes Schreiben des Finanzministeriums vom 20.07.2015 versagt.

7

Der unbestimmte Rechtsbegriff des besonderen Ausnahmefalls ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass den Anforderungen des durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Alimentationsgrundsatzes Rechnung getragen wird; die Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts erstreckt sich auch auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründen (vgl. BVerwG Urt. v. 24.01.2012 - 2 C 24.10 -, Juris Rn. 14 f. zu § 12 Abs. 5 Buchst. c BVO NRW). Hier kann ein solcher Ausnahmefall, der zudem zur Sicherung der Existenz des Antragstellers den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderte, schon deshalb nicht angenommen werden, weil die finanzielle Situation des Antragstellers nicht hinreichend bekannt ist.

8

In seiner Beschwerdeschrift gibt der Antragsteller dazu lediglich an, die besondere Notwendigkeit einer positiven Einzelfallentscheidung sei aufgrund seiner Einkommensverhältnisse und seiner zu berücksichtigenden Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau gegeben; nicht nur seine Ehegattin müsse von ihm versorgt werden, sondern er sei auch seinen beiden Kindern unterhaltsverpflichtet. Soweit der Antragsteller zudem auf sein gesamtes Vorbringen im erstinstanzlichen Eilrechtsschutz- und Klageverfahren Bezug nimmt, genügt dies einer Darlegung im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 21. Aufl. 2015, § 146 Rn. 41). Selbst wenn man den Vortrag des Klägers aus der Antragsschrift vom 04.11.2015 berücksichtigte, hat er diesen nicht glaubhaft gemacht im Sinne von § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO. Auch fehlt es an Angaben dazu, warum es der derzeit nicht berufstätigen Ehefrau des Antragstellers nicht zuzumuten sein soll, selbst für ihren Unterhalt aufzukommen. Gleiches gilt hinsichtlich der zurzeit studierenden Kinder im Hinblick auf ihren eigenen Unterhalt.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

10

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2015 verpflichtet, über den Beihilfeantrag des Klägers vom 03.07.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Beihilfen für den Aufenthalt des Klägers in einer Demenzwohngruppe im Monat Juni 2015.

2

Der am …1953 geborene Kläger ist verheiratet und hat gemeinsam mit seiner Ehefrau, zugleich gesetzlichen Vertreterin, die Kinder xxx und xxx. Er ist als Versorgungsempfänger beihilfeberechtigt mit einem Beihilfebemessungssatz von 70 Prozent. Bis zu seiner krankheitsbedingten vorzeitigen Pensionierung 2009 stand er, zuletzt als Personalleiter, im Dienst des Beklagten. Im Jahr 2006 fielen bei dem Kläger deutliche Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen auf. Es erfolgte zunächst die Diagnose eines Burn-out-Syndroms. Da trotz Rehabilitation keine Besserung der Hirnleistung eintrat, erfolgte 2009 die vorzeitige Pensionierung. Eine Untersuchung im Zentrum für integrative Psychiatrie im Universitätsklinikum B-Stadt ergab den dringenden Verdacht eines Morbus Alzheimer mit frühem Beginn. Seit Mai 2015 liegt bei dem Kläger ausweislich des Gutachtens des „Medizinischen Dienstes der Privaten (MEDICPROOF)“ vom 30.06.2015 eine Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I und eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz vor.

3

Der Kläger erhält Versorgungsbezüge der Besoldungsordnung A 13 Stufe 12 mit einem Abschlag aufgrund der vorzeitigen Pensionierung von 10,8 Prozent. Über weitere Einkünfte verfügt er nicht. Im Juni 2015 erhielt er Nettoversorgungsbezüge – einschließlich des kindbezogenen Anteils am Familienzuschlag von 106,95 EUR – in Höhe von 2.918,72 EUR sowie Kindergeld für seine Tochter xxx in Höhe von 184,00 EUR.

4

Die Ehefrau des Klägers war seit der Geburt des ersten Kindes nicht mehr berufstätig. Ein Versuch zur Rückkehr in die Berufstätigkeit nach Beendigung der Grundschulzeit der Kinder gelang nicht. Sie widmete sich der Kindererziehung sowie der Pflege ihrer Mutter und ihrer Tante. Von August 2015 bis Dezember 2016 übte die Ehefrau des Klägers einen Minijob aus, mit einem Nettoerwerbseinkommen in Höhe von monatlich 300,00 EUR. Im Januar 2017 musste sie diesen aufgrund von Rückproblemen aufgeben und ist seither arbeitssuchend.

5

Dem Kläger entstehen für seine private Kranken- und Pflegeversicherung Kosten in Höhe von monatlich 211,67 EUR. Ferner hat er einen monatlichen Bedarf von 120,00 EUR als Taschengeld für Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sowie Kosten in Höhe von 60,00 EUR für die Versorgung seines Hundes. Die Ehefrau des Klägers beziffert ihre eigenen monatlichen Wohnkosten mit 500,00 EUR, die Kosten für den eigenen Lebensunterhalt mit 700,00 EUR. Darüber hinaus entstehen ihr Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 233,15 EUR. Gegenüber dem Sohn xxx, der bis voraussichtlich 2017 Elektrotechnik studieren wird, bestanden Unterhaltsverpflichtungen von Juni 2015 bis September 2015 in Höhe von monatlich 186,55 EUR. Der Tochter xxx, die nach Ausbildungsabschluss und Zeiten der Arbeitslosigkeit ein Fernstudium absolvierte, wurde von Juni 2015 bis Juli 2016 das durch den Kläger bezogene Kindergeld monatlich vollständig weitergeleitet. Sie verfügte über Erwerbseinkommen in Höhe von monatlich 300,00 EUR.

6

Seit dem 01.06.2015 lebt der Kläger, nachdem er zuvor gegenüber seiner Ehefrau aggressiv geworden war, in der Seniorengemeinschaft xxx GmbH (sogenannten Demenzwohngruppe) in xxx. Diese verfügt über keine Zulassung als Pflegeeinrichtung im Sinne von § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). In dem mit der Einrichtung geschlossenen Alltagsgestaltungsvertrag heißt es auszugsweise:

7

„[…] Die Einrichtung hält keine Pflegeleistungen durch ständige Anwesenheit von Pflegekräften vor. Der Mieter hat jedoch das Wahlrecht, den kooperierenden ambulanten Pflegedienst der Einrichtung mit der Erbringung von Pflegeleistungen zu beauftragen. Der Leistungsnehmer ist nicht verpflichtet, Pflegeleistungen durch den kooperierenden Pflegedienst der Einrichtung in Anspruch zu nehmen. Er ist vielmehr in der Wahl des jeweiligen Dienstleistungsunternehmens frei.

8

§ 6 Die Leistungen der Grund- und Behandlungspflege sind nicht Gegenstand dieses Vertrages.

9

§ 7 Das monatliche Entgelt für die Leistungen dieses Vertrages beträgt derzeit für den Leistungsnehmer 1.483,00 EUR. Darin enthalten sind die Alltagsbegleitung, die Leistungen der Verpflegung und in Teilen die Leistung der Hauswirtschaft. Das monatliche Entgelt für wahlfreie Zusatzleistungen beträgt für die Reinigung der persönlichen Räume 68,00 EUR und für die Reinigung der persönlichen Wäsche 70,00 EUR.“

10

Ausweislich des abgeschlossenen Mietvertrages entstehen zudem Gesamtmietkosten in Höhe von 500,00 EUR monatlich.

11

Die Aufgaben der ambulanten Pflege werden durch den ambulanten Pflegedienst der Diakonie wahrgenommen, mit der ein gesonderter Pflegevertrag abgeschlossen wurde. Diese Kosten werden jeweils anteilig durch die private Pflegeversicherung und den Beklagten getragen und sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.

12

Mit Schreiben vom 18.06.2015 erhielt der Kläger für die Unterbringung in der Demenzwohngruppe eine Kostenaufstellung für den Monat Juni 2015, die sich zusammensetzte, aus einer Forderung in Höhe von 1.483,00 EUR aus dem Alltagsgestaltungsvertrag, in Höhe von 500,00 EUR aus dem Mietvertrag sowie weiterer 1.000,00 EUR als Mietsicherheit, verbunden mit der Aufforderung, den Gesamtbetrag in Höhe von 2.983,00 EUR zu überweisen.

13

Mit Schreiben vom 03.07.2015 beantragte der Kläger die Übernahme dieser Kosten, mit Ausnahme der Mietsicherheit, in Höhe von insgesamt 1.983,00 EUR. Die Kosten für die Wohn-Pflege-Gemeinschaft seien nicht geringer, als bei einer stationären Unterbringung. Die Lebensqualität sei aber erheblich höher. Das Pflegegeld und die Pflegesachleistungen würden entsprechen der Pflegestufe gesondert von dem Pflegedienst der Diakonie als ambulante Leistungen in Rechnung gestellt. Aus der Pflegeversicherung sei ein Wohngruppenzuschlag beantragt worden, der aber nur 205,00 EUR im Monat betrage. Er beantrage eine Einzelfallentscheidung.

14

Der Beklagte leitete den Antrag an das Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein weiter. Dieses führte mit Schreiben vom 20.07.2015 aus, dass die Voraussetzungen für eine Einzelfallentscheidung nicht vorlägen. Aus dem Wortlaut von § 17 Absatz 2 Beihilfeverordnung (BhVO) sei ersichtlich, dass es sich um eine Ausnahmeregelung handele, deren Anwendung auf wenige, besonders gelagerte Tatbestände beschränkt werden müsse. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da im Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen – Pflegestufe I mit Demenz – keine gravierenden Besonderheiten bestünden. Die Höhe der monatlichen Kosten allein genüge hierfür nicht. Hinzu komme, dass es sich zum Großteil um allgemeine Lebenshaltungskosten handele, die jedermann zu tragen habe. Die Unterbringung führe auch nicht zu einer finanziellen Notlage. Im Januar 2015 habe der Auszahlungsbetrag für die Versorgung 3.063,27 EUR betragen. Selbst wenn dies so wäre, müssten zunächst anderweitige Möglichkeiten für eine kostengünstigere Unterbringung gesucht werden.

15

Mit Bescheid vom 19.08.2015 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung gab er die Ausführungen aus dem Schreiben des Finanzministeriums wieder und führte ergänzend aus, die Ehefrau des Klägers erhalte monatlich 689,00 EUR Pflegegeld, zusätzliche Betreuungsleistungen in Höhe von 208,00 EUR sowie einen Wohngruppenzuschlag in Höhe von 205,00 EUR. Hinzu kämen Pflegesachleistungen, die entsprechend der Pflegestufe gesondert von der Diakonie in Rechnung gestellt würden.

16

Seinen Widerspruch vom 25.08.2015 begründete der Kläger damit, dass der Ausgangsbescheid von falschen Voraussetzungen ausgehe. Pflegegeld könne nur geltend gemacht werden, wenn er zu Hause gepflegt werde. In der Wohngemeinschaft rechne der ambulante Pflegedienst die Pflege- und Betreuungsleistungen ab. Ein Umzug in ein Pflegeheim stelle eine unzumutbare Härte dar. Zudem bestehe entgegen der Annahme im Ausgangsbescheid eine Notlage, da seine Ehefrau den Lebensunterhalt aus Rücklagen finanziere. Zudem resultiere ein Großteil der Kosten nicht aus allgemeinen Lebenshaltungskosten, sondern aus personalintensiver Alltagsbetreuung und hauswirtschaftlicher Versorgung. Auch liege infolge der Mietkosten eine doppelte Mietbelastung vor.

17

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die beihilferechtlichen Erstattungen seien in Anlehnung an die Entscheidung der Pflegekasse erfolgt. Eine Ausnahmegenehmigung sei durch das Finanzministerium nicht ausgesprochen worden. Infolge des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes könne seit dem 01.01.2015 ein Zuschlag für ambulante Wohngruppen nach § 38 a SGB XI bezogen werden. Die beihilferechtlichen Grundlagen seien in Anlehnung an die Erweiterung der Ansprüche entsprechend angepasst worden. Hierdurch solle gewährleistet werden, dass Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen könnten. Zudem solle die Selbständigkeit der Betroffenen gewahrt und gefördert werden. Ziel und Wesensinhalt der Bezuschussung der Wohngruppen und der Aufnahme der eingeschränkten Alltagskompetenz sei in erster Linie aber die Personengruppe der demenziell Erkrankten, die noch nicht den Grad der Pflegestufe I erreichten. Die Wohngruppe des Klägers begründe sich daher konzeptionell am Leitgedanken der Alltagsbegleitung. Ausdrücklich ausgeschlossen seien pflegerische Leistungen. Dies führe zu der durch den Kläger dargelegten doppelten Haushaltsführung. Hintergrund sei aber, dass es mittlerweile Einrichtungen gebe, die auf Bedürfnisse der an Demenz erkrankten Menschen speziell ausgerichtet seien.

18

Der Kläger hat am 21.09.2015 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Er habe durch Abschluss einer privaten Pflegeversicherung eine angemessene Eigenvorsorge getroffen, die aber für die streitgegenständlichen Unterbringungskosten nicht aufkomme. Die Versorgung sei mit derjenigen in einem vollstationären Pflegeheim mit dem Schwerpunkt der Versorgung demenzkranker Menschen vergleichbar. Es handele sich nicht um ein betreutes Wohnen oder eine teilstationäre Einrichtung, sondern um eine neuartige Unterbringungsform im Sinne von § 8 Selbstbestimmungsstärkungsgesetz. Bei Erlass des Selbstbestimmungsstärkungsgesetzes sei es ausdrückliches Anliegen des Gesetzgebers gewesen, besondere Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen zu gewährleisten und diese neuen Formen von Einrichtungen für Menschen mit Pflegebedürftigkeit zu schützen und zu fördern. Dies sei bei der Auslegung von § 12c BhVO zu berücksichtigen. Zu Unrecht habe der Beklagte bislang allein auf § 12a BhVO abgestellt. Auch der Hinweis auf das Pflege-Neuausrichtungsgesetz gehe daher fehl. Zwar sei es grundsätzlich zutreffend, dass auch eine Unterbringung in einer ambulanten Wohngruppe oder in einer stationären Pflegeeinrichtung mit demenziellem Schwerpunkt in Betracht komme. Eine solche würde für ihn aber keine Verbesserung bedeuten. Es sei weder sachgerecht noch zumutbar oder vom Gesetzgeber gewollt, dass ein solcher Wechsel erfolge. Entscheidend sei allein, dass eine möglichst hinreichende und menschenwürdige Versorgung erreicht werde. Die Aufnahme in die Demenzwohngemeinschaft xxx habe die psychische wie physische Situation des Klägers deutlich stabilisiert und verbessert. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.01.2012 – 2 C 24.10 folge, dass ein Anspruch auf Erhöhung des Beihilfesatzes für die Erstattung der Aufwendungen für eine stationäre Pflegeeinrichtung bestehe, wenn ansonsten ein amtsangemessener Lebensunterhalt nicht gewährleistet sei. Das in der Beihilfeverordnung verankerte Ermessen sei dann auf Null reduziert. Die in Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz (GG) verankerte Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhaltes erstrecke sich auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründeten. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für eine Einzelfallentscheidung in einem besonders begründeten Fall im Sinne von § 17 Absatz 2 BhVO vor, weil für Demenzerkrankte mit der Pflegestufe I nur ein sehr eingeschränktes Angebot einer bedarfsgerechten pflegerischen Versorgung außerhalb der eigenen Häuslichkeit in einer ständigen Einrichtung gegeben sei. Ohne Kostenerstattung sei er zum Umzug gezwungen. Zudem ergäben sich besondere Fürsorgegründe aus seinen Einkommensverhältnissen. Er sei seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet. Der Ehefrau sei eine Rückkehr in das Erwerbsleben nicht zumutbar. Hinzu komme, dass er bereits in verhältnismäßig jungem Alter an Demenz erkrankt sei. Für diese Altersgruppe sei es typisch, dass einerseits noch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den eigenen Kindern bestünden, andererseits aber auch eine Verantwortung für die eigenen Eltern. In den stationären Pflegeeinrichtungen gebe es kein passendes Angebot für jüngere Demenzkranke. Die jetzige Unterbringung biete ihm die Möglichkeit, auf dem Freigelände mit seinem Hund spazieren zu gehen sowie individuelle Beschäftigungs- und Betreuungsmöglichkeiten. Schließlich habe die Demenzerkrankung die gesamte Familie schwer getroffen und die Lebensplanung zerstört. Artikel 19 der UN-Behindertenkonvention garantiere Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben. Die Konvention stehe etwa dem Versuch von Sozialhilfeträgern entgegen, Menschen mit hohem Assistenzbedarf gegen ihren Willen in ein stationäres Pflegeheim abzuschieben, um Kosten zu sparen.

19

Der Kläger beantragt,

20

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2015 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe gemäß seinem Antrag vom 03.07.3015 zu bewilligen.

21

Der Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Den Antrag des Klägers vom 05.11.2015, den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens zu verpflichten, an den Kläger für die Dauer des Aufenthaltes in der Demenzwohngruppe xxx 1.983,00 EUR monatlich an Beihilfe für Kosten der Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten zu zahlen, hat die Kammer mit Beschluss vom 08.03.2016 abgelehnt (Az. 11 B 37/15). Die Beschwerde hiergegen hat das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.05.2016 zurückgewiesen (Az. 2 MB 6/16).

24

In dem Verfahren 11 B 37/15 hat der Beklagte ergänzend zu der in Bezug genommenen Begründung des Widerspruchsbescheides ausgeführt, dass die beihilferechtlichen Erstattungen in Anlehnung an die Entscheidung der Pflegekasse erfolgt seien. Da Kombinationsleistungen in Form von Pflegesachleistungen und des Pflegegeldes in Anspruch genommen worden seien, sei hier der Bereich der häuslichen Pflege beihilferechtlich berührt. Aufwendungen für Unterkunft, Verpflegung und Investition würden hingegen nur im Bereich der stationären Pflege übernommen. Bei dem Kläger liege aber der Sache nach eine stationäre Unterbringung mit ambulanter Pflege vor, die nicht in dem gewünschten Umfang erstattungsfähig sei. Das in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stelle allein sicher, dass die pflegerischen Leistungen gedeckt würden. Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulanten Wohngruppen würden nach geltender Gesetzeslage pauschal erbracht. Diese Förderung in Höhe von 205,00 EUR erhalte der Kläger bereits. Dem Bestreben der Landesregierung, Demenzkranken ein Leben in Würde zu ermöglichen, werde seit dem 01.01.2015 verstärkt Rechnung getragen. In der Situation des Klägers bestehe die Möglichkeit einer häuslichen Betreuung mit ambulanter Pflegeunterstützung und die Unterbringung in einer ambulanten Wohngruppe oder aber die Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung mit demselben Ziel. Die finanzielle Hauptlast bei der Unterbringungsform des Klägers sei die Alltagsgestaltung, auf welche ein Kostenanteil von 1.100,00 EUR entfalle. Diese sei nicht durch die Kosten der Unterkunft, Verpflegung und Investition gedeckt, sodass die Argumentation des Klägers, die diesbezügliche Erstattung müsse analog der stationären Unterbringung erfolgen, nicht verfange. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn reiche nicht so weit, dass jede Unterbringungsform unterstützt werden könne.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

Streitgegenstand sind Beihilfen für die im Juni 2015 entstandenen Kosten der Unterbringung in der Demenzwohngruppe in Höhe von 1.483,00 EUR aus dem Alltagsgestaltungsvertrag und 500,00 EUR aus dem Mietvertrag, wie sie sich aus der Rechnung vom 18.06.2015 ergeben, nicht dagegen die grundsätzliche Beihilfefähigkeit der insoweit zukünftig entstehenden Aufwendungen (so wohl VG Würzburg, Urteil vom 25. März 2013 – W 1 K 12.815, Rn. 23 – Juris), denn einem solchen Antrag fehlt angesichts der Regelung in § 5 Absatz 2 Landesverordnung über die Gewährung von Beihilfen an Beamtinnen und Beamte in Schleswig-Holstein (Beihilfeverordnung – BhVO) in der Fassung vom 04.04.2011 (GVOBl. Schleswig-Holstein Seite 122) das Rechtsschutzbedürfnis. Danach wird eine Beihilfe nur für Aufwendungen gewährt, die durch Belege nachgewiesen sind, soweit nichts anderes bestimmt ist. An einer anderen Bestimmung im Sinne dieser Regelung fehlt es, denn eine mit § 51 Absatz 2 Satz 4 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV) vergleichbare Regelung enthält die BhVO nicht. Hiermit korrespondiert die Regelung in § 12 Absatz 6 BhVO, wonach die Beihilfe ab Beginn des Monats der erstmaligen Antragstellung gewährt wird. Diese Formulierung zeigt, dass eine fortlaufende Antragstellung erforderlich ist, denn die Verwendung des Wortes „erstmalig“ wäre entbehrlich, wenn es lediglich einer Antragstellung bedürfen würde (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2016 – 14 ZB 14.1508, Rn. 13 – Juris).

27

Die zulässige Klage ist in dem tenorierten Umfang begründet, weil der Beklagte zu Unrecht die Annahme eines besonders begründeten Falles im Sinne von § 17 Absatz 2 BhVO verneint hat. Nach Maßgabe der nachstehenden Erwägungen ist der Beklagte daher verpflichtet, den Kläger neu zu bescheiden, § 113 Absatz 5 Satz 2, § 114 VwGO.

28

Gemäß § 80 Absatz 1 Satz 1 Landesbeamtengesetz (LBG) vom 26.03.2009 (GVOBl. Schleswig-Holstein Seite 93, berichtigt Seite 261) erhalten Versorgungsempfänger in Pflegefällen eine Beihilfe nach Maßgabe der BhVO. In der BhVO sind für die verschiedenen Arten der Pflege beihilfefähige Höchstbeträge, gestaffelt nach der Pflegestufe, entsprechend dem SGB XI vorgesehen. Daran anknüpfend hat der Kläger entsprechend § 80 Absatz 7 Satz 2 Nummer 2 LBG, § 6 Absatz 1 Nummer 2 BhVO einen Anspruch (§ 1 Absatz 1 Satz 1 BhVO) auf Gewährung von Beihilfe mit einem Bemessungssatz von 70 Prozent, was vorliegend einem Anteil von 1.388,10 EUR entspricht.

29

Zwar steht dem Kläger über die erhaltenen und hier nicht streitigen Beihilfeleistungen hinaus kein unmittelbarer Anspruch aus den Regelungen der BhVO zu. Insbesondere fehlt es für die Heranziehung von § 12 c BhVO an der unstreitig nicht vorhandenen Zulassung der Demenzwohngruppe als Pflegeeinrichtung im Sinne von § 72 SGB XI. Für die klägerische Auffassung, wonach § 12 c BhVO analog anzuwenden sein müsse, weil die Versorgung mit derjenigen in einem vollstationären Pflegeheim mit dem Schwerpunkt der Versorgung demenzkranker Menschen vergleichbar sei, finden sich keine Anhaltspunkte. Aus dem Verweis auf die Regelung im Pflegeversicherungsrecht wird deutlich, dass der Verordnungsgeber das in § 72 SGB XI beschriebene Verfahren zur Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit stationärer Pflegeleistungen machen wollte. An einer Erweiterung des Tatbestandes, wie er sich etwa in § 39 Absatz 1 Satz 1 BBhV findet, wonach „vergleichbaren Pflegeeinrichtung“ einzubeziehen sind, fehlt es.

30

Dennoch hat der Kläger, auch wenn damit kein Rechtsanspruch auf die Feststellung der Beihilfefähigkeit einhergeht, einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrages gemäß § 17 Absatz 2 BhVO, der Ausdruck der verfassungsrechtlich verbürgten Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist. Danach kann die für das Beihilferecht zuständige oberste Landesbehörde – gemäß Absatz 3 für die Beihilfeberechtigten der Kreise die oberste Dienstbehörde – in besonders begründeten Fällen Ausnahmen von den Bestimmungen dieser Verordnung zulassen.

31

Zwar gilt insoweit der Grundsatz, dass es den Gerichten nicht zusteht, die Vorschrift des § 45 BeamtStG für eine Argumentation in Anspruch zu nehmen, die im Ergebnis darauf abzielt, im Einzelfall (vermeintliche) „Härten“ zu beseitigen, die sich aus dem (notwendig) pauschalierenden und typisierenden Charakter der in der Rechtsverordnung enthaltenen Regelungen zwingend (und bindend) ergeben, wenn der Verordnungsgeber für einen Teilkomplex der dem Dienstherrn nach § 45 Beamtenstatusgesetz gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten obliegenden Fürsorge eine abschließende Spezialregelung – dieses hat der schleswig-holsteinische Verordnungsgeber durch den Erlass der Beihilfeverordnung getan – trifft. Allerdings bleiben von diesem Grundsatz unberührt Härteregelungen, die sich – namentlich in Richtung auf eine Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes – in der Rechtsverordnung selbst finden (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Aufl., § 10 Rn. 4, mit Rechtsprechungsnachweis). Als Härteregelung im letztgenannten Sinne ist die Vorschrift des § 17 Absatz 2 BhVO anzusehen. Dieser Vorschrift liegt der in der bisherigen Rechtsprechung entwickelte Gedanke zugrunde, dass ungeachtet des abschließenden Charakters der Beihilfevorschriften (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.06.1999 – 2 C 29.98, Rn. 21 – Juris) im Ausnahmefall die verfassungsrechtlich verbürgte Fürsorgepflicht unmittelbar Grundlage eines Beihilfeanspruchs sein kann, wenn anderenfalls der Beamtin oder dem Beamten eine auch unter Berücksichtigung des pauschalierenden und typisierenden Charakters der Beihilfevorschriften nicht mehr zumutbare Belastung abverlangt würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.06.1985 – 6 C 24.84, Rn. 20 – Juris) und die Ablehnung der Beihilfe die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.6.1999 – 2 C 29.98, Rn. 22; Urteil vom 13.12.2012 – 5 C 3.12, Rn. 21 – Juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.05.2014 – 2 LB 9/13, Rn. 25 – Juris). Der unbestimmte Rechtsbegriff des besonderen Ausnahmefalls ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass den Anforderungen des durch Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz gewährleisteten Alimentationsgrundsatzes Rechnung getragen wird. Die Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts erstreckt sich auch auf Lebenslagen, die einen besonderen Bedarf begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.01.2012 – 2 C 24.10, Rn. 15; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.05.2016 – 2 MB 6/16, Rn. 7 – Juris). Dabei ist die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht wegen des Zusammenhangs mit der sich ebenfalls aus Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz ergebenden Alimentationspflicht des Dienstherrn verletzt, wenn der Beihilfeberechtigte infolge eines für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehenen Leistungsausschlusses oder einer Leistungsbegrenzung mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann (BVerwG, Urteil vom 26.03.2015 – 5 C 8/14, Rn. 36; Urteil vom 06.11.2009 - 2 C 60.08, Rn. 19; Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12, Rn. 22 – Juris). Die Verpflichtung des Dienstherrn zur amtsangemessenen Alimentation beschränkt sich nicht nur auf den Beamten selbst. Anerkanntermaßen hat der Dienstherr dafür Sorge zu tragen, dass jeder Beamte auch seine Unterhaltspflichten gegenüber seiner Familie erfüllen kann. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass zur Beamtenfamilie Ehegatten und die Gemeinschaft eines Beamten mit seinen Kindern zählt (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.11.2007 – 2 BvR 2334/06, Rn. 25 – Juris). Mit diesen Maßstäben zumindest im Ergebnis übereinstimmend sehen die zu § 17 ergangenen Durchführungsbestimmungen (§ 1 Absatz 3 BhVO) vor, dass eine solche Entscheidung getroffen werden kann, wenn dies aus medizinischen oder besonderen Fürsorgegründen erforderlich erscheint.

32

Gemessen an diesen Grundsätzen ist im Rahmen der gebotenen Gesamtbewertung (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 25.03.2013 – W 1 K 12.815, Rn. 24 – Juris) von einem besonders begründeten Ausnahmefall auszugehen, da der Kläger infolge des sich aus der Struktur der BhVO ergebenden Leistungsausschlusses mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann. Die Annahme des Tatbestandes eines solchen Ausnahmefalls scheidet auch nicht bereits deshalb aus, weil sich der Kläger auf eine andere Unterbringungsform verweisen lassen muss.

33

Im streitgegenständlichen Monat Juni 2015 verfügte der Kläger über Nettoversorgungsbezüge (zu deren Maßgeblichkeit für die Amtsangemessenheit der Alimentation vgl. BVerfGE 44, 249, 266; 81, 363, 376; 99, 300, 3121; 107, 218, 237; 114, 258, 286; 11, 330, 350) in Höhe von 2.918,72 EUR sowie eine Kindergeldzahlung in Höhe von 184,00 EUR für das Kind Anne. In die Gesamtalimentation sind zudem die hier nicht streitigen Beihilfen des Beklagten und Leistungen der Pflegeversicherung für die Pflegesachleistungen einzubeziehen. Dem standen im Juni 2015 folgende Kosten des Klägers und seiner Familie im oben beschriebenen Sinne gegenüber:

34

Kosten des Klägers

                 
        

1.100,00 EUR

Alltagsgestaltungsvertrag

        

 245,00 EUR

Verpflegungskosten

        

 500,00 EUR

Unterkunftskosten

        

 68,00 EUR

Zimmerreinigungskosten

        

 70,00 EUR

Wäschereinigungskosten

        

 211,67 EUR

Private Kranken- und Pflegeversicherung

        

 120,00 EUR

Taschengeld

        

 60,00 EUR

Hundeversorgung

        

2.374,67 EUR

        

Kosten der Ehefrau

                 
        

 233,15 EUR

Private Kranken- und Pflegeversicherung

        

 500,00 EUR

Wohnkosten

        

 700,00 EUR

Lebensunterhalt

        

1.433,15 EUR

        

Kosten der Kinder

                 
        

184,00 EUR

Unterhalt Tochter xxx

        

186,55 EUR

Unterhalt Sohn xxx

        

370,55 EUR

        

Gesamt

4.178,37

        

35

Aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich, dass der Kläger im Juni 2015 mit erheblichen finanziellen Kosten belastet blieb, die er durch die Regelalimentation nicht bewältigen konnte. Vor Abzug der hier streitigen Pflegekosten in Höhe von 1.983,00 EUR verblieben von seiner Regelalimentation einschließlich des Kindergeldes 907,35 EUR. Dabei ist nicht ersichtlich, dass von dem Kläger geltend gemachte Kostenpositionen von Vornherein unberücksichtigt bleiben müssten. Insbesondere ist das geltend gemachte Taschengeld zur Deckung seines persönlichen Bedarfs, der durch die abgerechneten Heimkosten nicht umfasst war (z. B. Hygienebedarf, Friseur, Bekleidung) in Höhe der hier veranschlagten 120,00 EUR als angemessen anzusehen. Dass die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern nicht bestanden haben, ist von dem Beklagten nicht geltend gemacht worden und auch unter Heranziehung der §§ 1601, 1610 Bürgerliches Gesetzbuch nicht ersichtlich. Insbesondere ist der Sohn Fabian insoweit der Obliegenheit nachgekommen, erreichbare BAföG-Leistungen zu beantragen. Die Höhe des gewährten Unterhalts von zunächst 186,55 EUR und später 227,21 EUR ist nicht zu beanstanden (vgl. auch Bescheid über Ausbildungsförderung, Bl. 31 d. Gerichtsakte 11 A 302/15, der einen Gesamtbedarf von 670,00 EUR zugrunde legt).

36

Dahinstehen kann auch, ob von der Ehefrau des Klägers grundsätzlich verlangt werden musste, sich um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen, denn jedenfalls in dem unmittelbar auf die zuvor durch sie über einen langen Zeitraum durchgeführte häusliche Pflege folgenden Monat konnte dies nicht verlangt werden. Der Umzug in die Demenzwohngruppe erfolgte aufgrund der aufgetretenen Aggressivität des Klägers und war nicht planbar. Angesichts der Dauer der Nichterwerbstätigkeit und des Alters der Ehefrau des Klägers dürften die Anforderungen diesbezüglich ohnehin nicht überspannt werden, zumal ab August 2015 ein Minijob ausgeübt wurde.

37

Von den verbleibenden 907,35 EUR konnte der Kläger die anfallenden Kosten für die Unterbringung in der Demenzwohngruppe in Höhe von 1.983,00 EUR offensichtlich nicht bewältigen. Keiner abschließenden Klärung bedurfte vor diesem Hintergrund die – im Übrigen durch den Beklagten nicht in Abrede gestellte – Angemessenheit der von der Ehefrau des Klägers geltend gemachten Kosten. Denn selbst bei Heranziehung des im Juni 2015 geltenden Regelsatzes für einen alleinstehenden Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe von 399,00 EUR sowie den als Mindestkosten in der Wohngeldtabelle gemäß § 12 Absatz 1 Wohngeldgesetz vorgesehenen 434,00 EUR für einen Haushalt in A-Stadt (Mietenstufe IV) mit einem Mitglied verblieben ungedeckte Pflegekosten in Höhe von über 708,65 EUR. Es ist auch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Kläger im Hinblick auf die hier streitgegenständlichen Kosten Eigenvorsorge hätte betreiben können, welche über den Abschluss seiner privaten Pflegeversicherung bei der Allianz Private Krankenversicherungs-AG hinausgeht (zum Erfordernis der zumutbare Eigenvorsorge vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.08.2013 – 1 A 1481/10, Rn. 81 – Juris).

38

Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung war zudem ausschlaggebend, dass der Kläger als in verhältnismäßig jungem Alter an Demenz erkrankter Pflegebedürftiger das Bedürfnis hat, nicht ausschließlich mit pflegebedürftigen alten Menschen mit rein geriatrischen Problemen zusammenzuleben, sondern bei der Tagesgestaltung auch mit jüngeren Menschen und vergleichbar schweren Lebensschicksalen zusammenzutreffen. Die Erwägungen des Finanzministeriums, der Kläger unterscheide sich nicht von der Gruppe der Demenzkranken mit Pflegestufe I, greifen an dieser Stelle ersichtlich zu kurz. Bei dem Kläger traten bereits mit 53 Jahren deutliche Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen auf, die im Alter von 56 Jahren zu seiner vorzeitigen Pensionierung führten. Damit unterscheidet sich der Kläger von der Masse der Demenzerkrankten mit Pflegestufe I. In dem Informationsblatt der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. „Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen“ (Juni 2016) heißt es insoweit auszugsweise: „Im mittleren Lebensalter sind Demenzen vergleichsweise selten. Weniger als 2% der Erkrankungen entfallen auf ein Alter von unter 65 Jahren. Internationale Schätzungen deuten auf eine Prävalenzrate von 0,1 % in der Altersgruppe von 45 bis 64 Jahren hin. In Deutschland sind demnach ca. 20.000 Personen von früh beginnenden Demenzen betroffen“ (aaO., Seite 2). Mit dem verhältnismäßig jungen Alter des Klägers bei Krankheitsbeginn korrespondieren zudem Besonderheiten hinsichtlich seiner leidensgerechten Unterbringung. Stationäre Pflegeeinrichtungen richten sich zumeist an einen deutlich älteren Adressatenkreis. Spezifische Angebote für jüngere Demenzkranke werden dort nach unwidersprochener Darlegung des Klägers nicht vorgehalten. Dieser Umstand resultiert aus der statistischen Verteilung der Altersgruppen Pflegebedürftiger. Ausweislich der Pflegestatistik 2015 (Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung – Deutschlandergebnisse – 2015, Statistisches Bundesamt vom 16.01.2017) liegt die Pflegequote der Bevölkerungsgruppe der 15 bis 60-jährigen (insgesamt 48.792.324 Menschen) bei 0,6 Prozent, während sie bei der Altersgruppe der 70-75-jährigen bei 5,4 Prozent, der 75-80-jährigen bei 9,9%, der 80-85-jährigen bei 21,1 Prozent, den 85-90-jährigen bei 39,7 Prozent und den über 90-jährigen bei 66,1 Prozent liegt. Nach den Darlegungen des Klägers ist für ihn die Möglichkeit von Bewegung und sinnvoller Beschäftigung besonders wichtig. Diesen Bedürfnissen wird die Demenzwohngruppe gerecht. Ausweislich des Internetauftritts der Einrichtung (http://www.swg-koppelsberg.de/) setzt das Konzept dieser Wohngemeinschaft für an Demenz erkrankte Menschen neue Schwerpunkte. Zusätzlich zu der pflegenden Versorgung wird besonderer Wert auf die individuelle Betreuung und Beschäftigung gelegt und die Einbindung in Alltagstätigkeiten gefördert, wobei die Bewohner nach individuellem Werdegang den ihnen vertrauten Tätigkeiten nachgehen können und – soweit möglich – ihren Alltag selbst bestimmen. Die Außenanlagen und ein besonderes Konzept mit naturnahen Aktivitäten, einschließlich Nutztierhaltung bieten gerade jungen Demenzerkrankten ein breites Betätigungsfeld. Der Kläger verfügt über die Möglichkeit, sich mit seinem Hund auf dem Außengelände zu bewegen. Die Einrichtung bietet zudem den Aufbau einer Tagesstruktur an und motiviert die Demenzkranken am Leben in der Wohngemeinschaft teilzunehmen.

39

Die Gesamtbetrachtung gebietet schließlich die Einbeziehung der Aussage des Hausarztes des Klägers, dass sich dessen psychische und körperliche Situation deutlich stabilisiert und verbessert hat. Die Versorgungs- und Lebenssituation ist nach seinen Darlegungen in dieser Unterbringung hervorragend und eine Verlegung in ein Pflegeheim nicht sinnvoll. Die Prognose sei bei dieser Versorgung deutlich günstiger (Bl. 77 d. Gerichtsakte 11 B 37/15).

40

Bestätigt wird die Atypik der bei dem Kläger vorliegenden Konstellation letztlich dadurch, dass der Umstand der frühzeitigen Erkrankung dazu führte, dass er einerseits zu einem deutlich vorzeitigen Pensionseintritt, der mit Versorgungseinbußen von 10,8 Prozent einherging, gezwungen war. Gleichzeitig wurden damit die Möglichkeiten der privaten Altersvorsorge zeitlich wie auch der Höhe nach eingeschränkt. Andererseits bestanden zu diesem Zeitpunkt noch Unterhaltspflichten gegenüber seinen Kindern.

41

Zu keinem anderen Ergebnis führen zumindest auf Tatbestandsebene die von dem Beklagten vorgebrachten Bedenken, die aus der Struktur der Beihilfeverordnung resultieren. Weder § 8 Absatz 1 BhVO noch die im Grundsatz vorgesehene Trennung zwischen § 12 a BhVO einerseits und § 12 c BhVO andererseits stehen der Annahme eines besonders begründeten Ausnahmefalls entgegen. Hierfür sprechen sowohl der Wortlaut als auch die normsystematische Stellung von § 17 Absatz 2 BhVO, die eine Ausnahme von sämtlichen Bestimmungen der Beihilfeverordnung ermöglichen. Der Verordnungsgeber hat damit die Möglichkeit geschaffen, auch von der im Grundsatz gegebenen Struktur der Trennung von Leistungen im Bereich der häuslichen Pflege einerseits und der stationären Pflege andererseits im Anwendungsbereich der Beihilfeverordnung eine Ausnahme zuzulassen, auch wenn es zutreffen mag, dass diese Systematik sich im Ausgangspunkt an der Struktur des SGB XI orientiert. Letztlich zwingt aber weder die Ermächtigungsgrundlage noch anderweitiges höherrangiges Recht dazu, bestimmte Regelungen der BhVO bereits vom Tatbestand des § 17 Absatz 2 BhVO auszunehmen. Im Gegenteil ist angesichts der strukturellen Unterschiede der Sicherungssysteme "gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung" und "private Eigenvorsorge mit ergänzender Beihilfe", die sich etwa in der verfassungsrechtlichen Verankerung, der Finanzierung, der Leistungsvoraussetzungen, des Leistungsspektrums und der Leistungsformen niederschlagen, eine schematische Orientierung am SGB XI nicht von Vornherein zwingend, auch nicht unter Heranziehung von Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz.

42

Ist danach von dem Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalls auszugehen, hat auf Rechtsfolgenseite der Verordnungsgeber der zuständigen Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 05.082014 – 11 A 7/14, Rn. 37 – Juris; Urteil vom 02.07.2007 – 11 A 17/07 – nicht veröffentlicht). Die insoweit für die Entscheidung notwendigen Umstände sind von dem Beklagten bislang nicht in den Blick genommen worden. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null liegen nicht vor. Aus dem Leitsatz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.01.2012 (2 C 24/10) folgt insoweit nichts anderes. Diese Entscheidung betrifft § 12 Absatz 5 der Verordnung über Beihilfen in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfenverordnung NRW), wonach der Beihilfebemessungssatz in besonderen Ausnahmefällen erhöht werden kann. Diese Erwägungen sind auf das weit gefasste normative Prüfprogramm von § 17 Absatz 2 BhVO, mit dem Ausnahmen von sämtlichen Bestimmungen der BhVO zugelassen werden, nicht übertragbar.

43

Von dem eingeräumten Entschließungs- und Auswahlermessen hat die zuständige Behörde bislang keinen Gebrauch gemacht, da sie mit dem Negieren eines besonders begründeten Ausnahmefalls bereits zu Unrecht den Tatbestand von § 17 Absatz 2 BhVO verneint hat. In der Folge ist von einem Ermessensausfall auszugehen (Decker in Beck‘scher Online-Kommentar VwGO, Posser / Wolf, 40. Edition, § 114 Rn. 17 - Beck-online). Damit war es dem Beklagten auch verwehrt, Ermessenserwägungen im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO zu ergänzen.

44

Bei der Neubescheidung des Klägers wird der Beklagte zu berücksichtigen haben, dass es Ziel von § 17 Absatz 2 BhVO ist, der verfassungsrechtlich verbürgten Fürsorgepflicht zu genügen. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Stärkung von Selbstbestimmung und Schutz von Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung (Selbstbestimmungsstärkungsgesetz - SbStG) Pflegegesetzbuch Schleswig-Holstein – Zweites Buch vom 17.07.2009 die Rechte von volljährigen Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung auf Sicherung einer Qualität des Wohnens, der Pflege und der Betreuung, die dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entspricht, verwirklichen wollen (§ 1 Satz 1 Nummer 3 SbStG) und ausdrücklich klargestellt, dass bei der Ausübung von Ermessen zu beachten ist, dass diese Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, § 1 Satz 2 SbStG. Darüber hinaus muss die Ermessensausübung der dargestellten besonderen Situation des Klägers gerecht werden, wie auch dem Umstand, dass sich die psychische und körperliche Situation seit seiner Unterbringung in der Demenzwohngruppe deutlich stabilisiert und verbessert hat, dass eine Verlegung in ein Pflegeheim unter diesem Gesichtspunkt ungünstig sein dürfte und welche Kosten hiermit verbunden wären.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 11.792,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners, die zum 31.01.2017 beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand nicht vorzunehmen, bis über seinen Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand rechtskräftig entschieden worden ist.

2

Der am …1953 geborene Antragsteller ist Polizeihauptkommissar – Besoldungsgruppe A 11 – und seit Oktober 1972 im Polizeidienst des Landes Schleswig-Holstein tätig. Seiner im August 2013 beantragten Hinausschiebung der Versetzung in den Ruhestand um zwei Jahre entsprach der Antragsgegner, wie auch den weiteren Anträgen vom März 2015 um ein weiteres Jahr und vom Juli 2016 um weitere zwei Monate.

3

Den erneuten Antrag vom 10.11.2016 auf Hinausschiebung des Ruhestandes um weitere zwei Jahre lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 06.12.2016, zugegangen am 16.12.2016, unter Hinweis auf § 108 Abs. 1 Landesbeamtengesetz (LBG) ab. Für Beamte des Geburtenjahrgangs 1953 werde die Altersgrenze auf 60 Jahre und zwei Monate festgesetzt. Der gesetzliche Ruhestandseintritt erfolge demnach gem. § 35 Abs. 1 Satz 3 LBG mit Ablauf des Monats, in dem das Alter von 60 Jahren und zwei Monaten vollendet werde. Dies sei mit Ablauf des 14.01.2014 erfolgt, sodass grundsätzlich mit Ablauf des Monats Januar 2014 der gesetzliche Ruhestandseintritt erfolgt sei. Der Ruhestandseintritt sei um bis zu drei Jahre entsprechend § 35 Abs. 4 LBG hinausgeschoben worden. Hieraus ergebe sich das gesetzlich höchstzulässige Maß. Ermessen für eine ausnahmsweise Bewilligung von Verlängerungen über diesen Zeitraum hinaus werde nicht eingeräumt.

4

Seinen Widerspruch vom 13.01.2017 begründete der Antragsteller im Wesentlichen damit, dass der Gesetzgeber eine grundsätzliche Diensttätigkeit des (normalen) Beamten bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres und eines Polizeivollzugsbeamten bis zum 62. Lebensjahr für vertretbar ansehe, wie aus § 35 Abs. 1 und § 108 Abs. 1 LBG folge. Gleichwohl sei eine Übergangsregelung für die Geburtenjahrgänge 1962 bis 1968 geschaffen worden, welche die Altersgrenze schrittweise auf 62 Jahre anhebe. Die Aufnahme der Übergangsregelung diene nur dem Zweck, den Vertrauensschutz des betroffenen Beamten zu wahren. Es müsse dem Beamten daher freistehen, auf diesen Vertrauensschutz zu verzichten und die Anwendung der Grundregelung in § 108 Abs. 1 LBG zu verlangen.

5

Eine Bescheidung des Widerspruchs erfolgte bislang nicht.

6

Der Antragsteller hat am 27.01.2017 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Ergänzend zu den Ausführungen im Widerspruch trägt er im Wesentlichen vor, ihm werde aufgrund seines Alters die Möglichkeit genommen, die gesetzliche Neuregelung in § 108 Abs. 1 LBG für sich in Anspruch zu nehmen. Gem. § 7 Abs. 1 AGG sei eine Benachteiligung wegen des Alters unzulässig. Eine Rechtfertigung liege nicht vor. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass die Dienstfähigkeit der von der Übergangsregelung betroffenen Beamten derart eingeschränkt sei, dass die Besorgnis bestehe, dass die Erhaltung der Dienstfähigkeit bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres ernstlich in Frage stehe.

7

Der Antragsteller beantragt,

8

den Antragsgegner zu verpflichten, die zum 31.01.2017 beabsichtigte Versetzung des Antragstellers in den Ruhestand nicht vorzunehmen, solange über den Antrag des Antragstellers vom 10.11.2016 auf Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand bis zum 30.11.2018 nicht rechtskräftig entschieden ist.

9

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 27.01.2017 verwiesen.

II.

10

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig aber nicht begründet.

11

Gemäß § 123 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 VwGO, § 920 ZPO kann das Gericht auch schon vor Klagerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. In jedem Fall sind gemäß § 123 VwGO i.V.m. §§ 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO die Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund) und das geforderte Recht (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen. Voraussetzung für das Vorliegen eines Anordnungsanspruches in diesem Sinne ist es, dass überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen, d.h. eine in der Hauptsache erhobene Klage oder sonstiger Rechtsbehelf müsste zulässig und zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit begründet sein. Voraussetzung für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist grundsätzlich, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.

12

Dahinstehen kann, ob aufgrund der drohenden Veränderung des beamtenrechtlichen Status mit Übertritt in den Ruhestand die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache vorliegen, weil das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller unzumutbar wäre (BVerwG, Beschluss vom 21.01.1999 – 11 VR 8/98 – NVwZ 1999, 650; zu den Voraussetzung einer solchen Ausnahme vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – BVerfGE 79, 69; BVerwG, Beschluss vom 13.08.1999 – 2 VR 1.99 – BVerwGE 109, 258; Beschluss der Kammer vom 31.08.2016 – 11 B 23/16).

13

Denn jedenfalls hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen von § 108 Abs. 3 LBG i.V.m. § 35 Abs. 4 Nr. 2 LBG sind nicht erfüllt. Danach kann die oberste Dienstbehörde auf Antrag der Beamtin oder des Beamten den Eintritt in den Ruhestand um bis zu drei Jahre hinausschieben, wenn dienstliche Interessen nicht entgegenstehen.

14

Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § § 108 Absätze 1 und 2 LBG beträgt die für den Antragsteller maßgebliche Altersgrenze 60 Jahre und zwei Monate. Aufgrund der bereits dreimal gewährten Hinausschiebung des Ruhestandseintritts um insgesamt drei Jahre und zwei Monate ist die gesetzlich vorgesehene Höchstdauer einer Hinausschiebung gem. § 35 Abs. 4 Nr. 2 LBG erreicht.

15

Es bedarf keiner abschließenden Klärung der vom Antragsteller aufgeworfenen Frage, ob der Berechnung der Höchstdauer eines möglichen Hinausschiebens entsprechend der gemäß § 108 Absätze 1 und 2 LBG zu ermittelnden Altersgrenze die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes – AGG – sowie der diesem Gesetz zugrundeliegenden Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf entgegensteht. Hiergegen spricht der Wortlaut des 14. Erwäggrundes dieser Richtlinie, wonach nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand berührt werden.

16

Denn selbst wenn man der Auffassung des Antragstellers insoweit folgte, könnte dieser aus § 35 Abs. 4 Nr. 2 LBG keinen Anordnungsanspruch herleiten, denn in diesem Fall hätte der Antragsgegner das ihm durch die Norm eröffnete Rechtsfolgeermessen auszuüben (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.08.2010 – 3 MB 18/10, Rn. 28 – Juris; vgl. auch Seeck, Praxis der Kommunalverwaltung, LBG SH – Kommentar, § 35, Stand: 07.2016). Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null sind nicht vorgetragen und für die Kammer auch sonst nicht ersichtlich.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Da das Verfahren den Zeitpunkt der Versetzung des im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit stehenden Antragstellers in den Ruhestand betrifft, ist der Streitwert nach dem 6-fachen Monatsbetrag des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 11 entsprechend Anlage 5 des SHBesG (3.930,83 EUR) im Zeitpunkt der Antragstellung zu bemessen. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geht die Kammer von der Hälfte des so ermittelten Betrages aus.


Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2015 verpflichtet, über den Beihilfeantrag des Klägers vom 03.07.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Beihilfen für den Aufenthalt des Klägers in einer Demenzwohngruppe im Monat Juni 2015.

2

Der am …1953 geborene Kläger ist verheiratet und hat gemeinsam mit seiner Ehefrau, zugleich gesetzlichen Vertreterin, die Kinder xxx und xxx. Er ist als Versorgungsempfänger beihilfeberechtigt mit einem Beihilfebemessungssatz von 70 Prozent. Bis zu seiner krankheitsbedingten vorzeitigen Pensionierung 2009 stand er, zuletzt als Personalleiter, im Dienst des Beklagten. Im Jahr 2006 fielen bei dem Kläger deutliche Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen auf. Es erfolgte zunächst die Diagnose eines Burn-out-Syndroms. Da trotz Rehabilitation keine Besserung der Hirnleistung eintrat, erfolgte 2009 die vorzeitige Pensionierung. Eine Untersuchung im Zentrum für integrative Psychiatrie im Universitätsklinikum B-Stadt ergab den dringenden Verdacht eines Morbus Alzheimer mit frühem Beginn. Seit Mai 2015 liegt bei dem Kläger ausweislich des Gutachtens des „Medizinischen Dienstes der Privaten (MEDICPROOF)“ vom 30.06.2015 eine Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I und eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz vor.

3

Der Kläger erhält Versorgungsbezüge der Besoldungsordnung A 13 Stufe 12 mit einem Abschlag aufgrund der vorzeitigen Pensionierung von 10,8 Prozent. Über weitere Einkünfte verfügt er nicht. Im Juni 2015 erhielt er Nettoversorgungsbezüge – einschließlich des kindbezogenen Anteils am Familienzuschlag von 106,95 EUR – in Höhe von 2.918,72 EUR sowie Kindergeld für seine Tochter xxx in Höhe von 184,00 EUR.

4

Die Ehefrau des Klägers war seit der Geburt des ersten Kindes nicht mehr berufstätig. Ein Versuch zur Rückkehr in die Berufstätigkeit nach Beendigung der Grundschulzeit der Kinder gelang nicht. Sie widmete sich der Kindererziehung sowie der Pflege ihrer Mutter und ihrer Tante. Von August 2015 bis Dezember 2016 übte die Ehefrau des Klägers einen Minijob aus, mit einem Nettoerwerbseinkommen in Höhe von monatlich 300,00 EUR. Im Januar 2017 musste sie diesen aufgrund von Rückproblemen aufgeben und ist seither arbeitssuchend.

5

Dem Kläger entstehen für seine private Kranken- und Pflegeversicherung Kosten in Höhe von monatlich 211,67 EUR. Ferner hat er einen monatlichen Bedarf von 120,00 EUR als Taschengeld für Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sowie Kosten in Höhe von 60,00 EUR für die Versorgung seines Hundes. Die Ehefrau des Klägers beziffert ihre eigenen monatlichen Wohnkosten mit 500,00 EUR, die Kosten für den eigenen Lebensunterhalt mit 700,00 EUR. Darüber hinaus entstehen ihr Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 233,15 EUR. Gegenüber dem Sohn xxx, der bis voraussichtlich 2017 Elektrotechnik studieren wird, bestanden Unterhaltsverpflichtungen von Juni 2015 bis September 2015 in Höhe von monatlich 186,55 EUR. Der Tochter xxx, die nach Ausbildungsabschluss und Zeiten der Arbeitslosigkeit ein Fernstudium absolvierte, wurde von Juni 2015 bis Juli 2016 das durch den Kläger bezogene Kindergeld monatlich vollständig weitergeleitet. Sie verfügte über Erwerbseinkommen in Höhe von monatlich 300,00 EUR.

6

Seit dem 01.06.2015 lebt der Kläger, nachdem er zuvor gegenüber seiner Ehefrau aggressiv geworden war, in der Seniorengemeinschaft xxx GmbH (sogenannten Demenzwohngruppe) in xxx. Diese verfügt über keine Zulassung als Pflegeeinrichtung im Sinne von § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). In dem mit der Einrichtung geschlossenen Alltagsgestaltungsvertrag heißt es auszugsweise:

7

„[…] Die Einrichtung hält keine Pflegeleistungen durch ständige Anwesenheit von Pflegekräften vor. Der Mieter hat jedoch das Wahlrecht, den kooperierenden ambulanten Pflegedienst der Einrichtung mit der Erbringung von Pflegeleistungen zu beauftragen. Der Leistungsnehmer ist nicht verpflichtet, Pflegeleistungen durch den kooperierenden Pflegedienst der Einrichtung in Anspruch zu nehmen. Er ist vielmehr in der Wahl des jeweiligen Dienstleistungsunternehmens frei.

8

§ 6 Die Leistungen der Grund- und Behandlungspflege sind nicht Gegenstand dieses Vertrages.

9

§ 7 Das monatliche Entgelt für die Leistungen dieses Vertrages beträgt derzeit für den Leistungsnehmer 1.483,00 EUR. Darin enthalten sind die Alltagsbegleitung, die Leistungen der Verpflegung und in Teilen die Leistung der Hauswirtschaft. Das monatliche Entgelt für wahlfreie Zusatzleistungen beträgt für die Reinigung der persönlichen Räume 68,00 EUR und für die Reinigung der persönlichen Wäsche 70,00 EUR.“

10

Ausweislich des abgeschlossenen Mietvertrages entstehen zudem Gesamtmietkosten in Höhe von 500,00 EUR monatlich.

11

Die Aufgaben der ambulanten Pflege werden durch den ambulanten Pflegedienst der Diakonie wahrgenommen, mit der ein gesonderter Pflegevertrag abgeschlossen wurde. Diese Kosten werden jeweils anteilig durch die private Pflegeversicherung und den Beklagten getragen und sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.

12

Mit Schreiben vom 18.06.2015 erhielt der Kläger für die Unterbringung in der Demenzwohngruppe eine Kostenaufstellung für den Monat Juni 2015, die sich zusammensetzte, aus einer Forderung in Höhe von 1.483,00 EUR aus dem Alltagsgestaltungsvertrag, in Höhe von 500,00 EUR aus dem Mietvertrag sowie weiterer 1.000,00 EUR als Mietsicherheit, verbunden mit der Aufforderung, den Gesamtbetrag in Höhe von 2.983,00 EUR zu überweisen.

13

Mit Schreiben vom 03.07.2015 beantragte der Kläger die Übernahme dieser Kosten, mit Ausnahme der Mietsicherheit, in Höhe von insgesamt 1.983,00 EUR. Die Kosten für die Wohn-Pflege-Gemeinschaft seien nicht geringer, als bei einer stationären Unterbringung. Die Lebensqualität sei aber erheblich höher. Das Pflegegeld und die Pflegesachleistungen würden entsprechen der Pflegestufe gesondert von dem Pflegedienst der Diakonie als ambulante Leistungen in Rechnung gestellt. Aus der Pflegeversicherung sei ein Wohngruppenzuschlag beantragt worden, der aber nur 205,00 EUR im Monat betrage. Er beantrage eine Einzelfallentscheidung.

14

Der Beklagte leitete den Antrag an das Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein weiter. Dieses führte mit Schreiben vom 20.07.2015 aus, dass die Voraussetzungen für eine Einzelfallentscheidung nicht vorlägen. Aus dem Wortlaut von § 17 Absatz 2 Beihilfeverordnung (BhVO) sei ersichtlich, dass es sich um eine Ausnahmeregelung handele, deren Anwendung auf wenige, besonders gelagerte Tatbestände beschränkt werden müsse. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da im Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen – Pflegestufe I mit Demenz – keine gravierenden Besonderheiten bestünden. Die Höhe der monatlichen Kosten allein genüge hierfür nicht. Hinzu komme, dass es sich zum Großteil um allgemeine Lebenshaltungskosten handele, die jedermann zu tragen habe. Die Unterbringung führe auch nicht zu einer finanziellen Notlage. Im Januar 2015 habe der Auszahlungsbetrag für die Versorgung 3.063,27 EUR betragen. Selbst wenn dies so wäre, müssten zunächst anderweitige Möglichkeiten für eine kostengünstigere Unterbringung gesucht werden.

15

Mit Bescheid vom 19.08.2015 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung gab er die Ausführungen aus dem Schreiben des Finanzministeriums wieder und führte ergänzend aus, die Ehefrau des Klägers erhalte monatlich 689,00 EUR Pflegegeld, zusätzliche Betreuungsleistungen in Höhe von 208,00 EUR sowie einen Wohngruppenzuschlag in Höhe von 205,00 EUR. Hinzu kämen Pflegesachleistungen, die entsprechend der Pflegestufe gesondert von der Diakonie in Rechnung gestellt würden.

16

Seinen Widerspruch vom 25.08.2015 begründete der Kläger damit, dass der Ausgangsbescheid von falschen Voraussetzungen ausgehe. Pflegegeld könne nur geltend gemacht werden, wenn er zu Hause gepflegt werde. In der Wohngemeinschaft rechne der ambulante Pflegedienst die Pflege- und Betreuungsleistungen ab. Ein Umzug in ein Pflegeheim stelle eine unzumutbare Härte dar. Zudem bestehe entgegen der Annahme im Ausgangsbescheid eine Notlage, da seine Ehefrau den Lebensunterhalt aus Rücklagen finanziere. Zudem resultiere ein Großteil der Kosten nicht aus allgemeinen Lebenshaltungskosten, sondern aus personalintensiver Alltagsbetreuung und hauswirtschaftlicher Versorgung. Auch liege infolge der Mietkosten eine doppelte Mietbelastung vor.

17

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die beihilferechtlichen Erstattungen seien in Anlehnung an die Entscheidung der Pflegekasse erfolgt. Eine Ausnahmegenehmigung sei durch das Finanzministerium nicht ausgesprochen worden. Infolge des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes könne seit dem 01.01.2015 ein Zuschlag für ambulante Wohngruppen nach § 38 a SGB XI bezogen werden. Die beihilferechtlichen Grundlagen seien in Anlehnung an die Erweiterung der Ansprüche entsprechend angepasst worden. Hierdurch solle gewährleistet werden, dass Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen könnten. Zudem solle die Selbständigkeit der Betroffenen gewahrt und gefördert werden. Ziel und Wesensinhalt der Bezuschussung der Wohngruppen und der Aufnahme der eingeschränkten Alltagskompetenz sei in erster Linie aber die Personengruppe der demenziell Erkrankten, die noch nicht den Grad der Pflegestufe I erreichten. Die Wohngruppe des Klägers begründe sich daher konzeptionell am Leitgedanken der Alltagsbegleitung. Ausdrücklich ausgeschlossen seien pflegerische Leistungen. Dies führe zu der durch den Kläger dargelegten doppelten Haushaltsführung. Hintergrund sei aber, dass es mittlerweile Einrichtungen gebe, die auf Bedürfnisse der an Demenz erkrankten Menschen speziell ausgerichtet seien.

18

Der Kläger hat am 21.09.2015 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Er habe durch Abschluss einer privaten Pflegeversicherung eine angemessene Eigenvorsorge getroffen, die aber für die streitgegenständlichen Unterbringungskosten nicht aufkomme. Die Versorgung sei mit derjenigen in einem vollstationären Pflegeheim mit dem Schwerpunkt der Versorgung demenzkranker Menschen vergleichbar. Es handele sich nicht um ein betreutes Wohnen oder eine teilstationäre Einrichtung, sondern um eine neuartige Unterbringungsform im Sinne von § 8 Selbstbestimmungsstärkungsgesetz. Bei Erlass des Selbstbestimmungsstärkungsgesetzes sei es ausdrückliches Anliegen des Gesetzgebers gewesen, besondere Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen zu gewährleisten und diese neuen Formen von Einrichtungen für Menschen mit Pflegebedürftigkeit zu schützen und zu fördern. Dies sei bei der Auslegung von § 12c BhVO zu berücksichtigen. Zu Unrecht habe der Beklagte bislang allein auf § 12a BhVO abgestellt. Auch der Hinweis auf das Pflege-Neuausrichtungsgesetz gehe daher fehl. Zwar sei es grundsätzlich zutreffend, dass auch eine Unterbringung in einer ambulanten Wohngruppe oder in einer stationären Pflegeeinrichtung mit demenziellem Schwerpunkt in Betracht komme. Eine solche würde für ihn aber keine Verbesserung bedeuten. Es sei weder sachgerecht noch zumutbar oder vom Gesetzgeber gewollt, dass ein solcher Wechsel erfolge. Entscheidend sei allein, dass eine möglichst hinreichende und menschenwürdige Versorgung erreicht werde. Die Aufnahme in die Demenzwohngemeinschaft xxx habe die psychische wie physische Situation des Klägers deutlich stabilisiert und verbessert. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.01.2012 – 2 C 24.10 folge, dass ein Anspruch auf Erhöhung des Beihilfesatzes für die Erstattung der Aufwendungen für eine stationäre Pflegeeinrichtung bestehe, wenn ansonsten ein amtsangemessener Lebensunterhalt nicht gewährleistet sei. Das in der Beihilfeverordnung verankerte Ermessen sei dann auf Null reduziert. Die in Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz (GG) verankerte Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhaltes erstrecke sich auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründeten. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für eine Einzelfallentscheidung in einem besonders begründeten Fall im Sinne von § 17 Absatz 2 BhVO vor, weil für Demenzerkrankte mit der Pflegestufe I nur ein sehr eingeschränktes Angebot einer bedarfsgerechten pflegerischen Versorgung außerhalb der eigenen Häuslichkeit in einer ständigen Einrichtung gegeben sei. Ohne Kostenerstattung sei er zum Umzug gezwungen. Zudem ergäben sich besondere Fürsorgegründe aus seinen Einkommensverhältnissen. Er sei seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet. Der Ehefrau sei eine Rückkehr in das Erwerbsleben nicht zumutbar. Hinzu komme, dass er bereits in verhältnismäßig jungem Alter an Demenz erkrankt sei. Für diese Altersgruppe sei es typisch, dass einerseits noch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den eigenen Kindern bestünden, andererseits aber auch eine Verantwortung für die eigenen Eltern. In den stationären Pflegeeinrichtungen gebe es kein passendes Angebot für jüngere Demenzkranke. Die jetzige Unterbringung biete ihm die Möglichkeit, auf dem Freigelände mit seinem Hund spazieren zu gehen sowie individuelle Beschäftigungs- und Betreuungsmöglichkeiten. Schließlich habe die Demenzerkrankung die gesamte Familie schwer getroffen und die Lebensplanung zerstört. Artikel 19 der UN-Behindertenkonvention garantiere Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben. Die Konvention stehe etwa dem Versuch von Sozialhilfeträgern entgegen, Menschen mit hohem Assistenzbedarf gegen ihren Willen in ein stationäres Pflegeheim abzuschieben, um Kosten zu sparen.

19

Der Kläger beantragt,

20

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2015 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe gemäß seinem Antrag vom 03.07.3015 zu bewilligen.

21

Der Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Den Antrag des Klägers vom 05.11.2015, den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens zu verpflichten, an den Kläger für die Dauer des Aufenthaltes in der Demenzwohngruppe xxx 1.983,00 EUR monatlich an Beihilfe für Kosten der Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten zu zahlen, hat die Kammer mit Beschluss vom 08.03.2016 abgelehnt (Az. 11 B 37/15). Die Beschwerde hiergegen hat das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.05.2016 zurückgewiesen (Az. 2 MB 6/16).

24

In dem Verfahren 11 B 37/15 hat der Beklagte ergänzend zu der in Bezug genommenen Begründung des Widerspruchsbescheides ausgeführt, dass die beihilferechtlichen Erstattungen in Anlehnung an die Entscheidung der Pflegekasse erfolgt seien. Da Kombinationsleistungen in Form von Pflegesachleistungen und des Pflegegeldes in Anspruch genommen worden seien, sei hier der Bereich der häuslichen Pflege beihilferechtlich berührt. Aufwendungen für Unterkunft, Verpflegung und Investition würden hingegen nur im Bereich der stationären Pflege übernommen. Bei dem Kläger liege aber der Sache nach eine stationäre Unterbringung mit ambulanter Pflege vor, die nicht in dem gewünschten Umfang erstattungsfähig sei. Das in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stelle allein sicher, dass die pflegerischen Leistungen gedeckt würden. Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulanten Wohngruppen würden nach geltender Gesetzeslage pauschal erbracht. Diese Förderung in Höhe von 205,00 EUR erhalte der Kläger bereits. Dem Bestreben der Landesregierung, Demenzkranken ein Leben in Würde zu ermöglichen, werde seit dem 01.01.2015 verstärkt Rechnung getragen. In der Situation des Klägers bestehe die Möglichkeit einer häuslichen Betreuung mit ambulanter Pflegeunterstützung und die Unterbringung in einer ambulanten Wohngruppe oder aber die Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung mit demselben Ziel. Die finanzielle Hauptlast bei der Unterbringungsform des Klägers sei die Alltagsgestaltung, auf welche ein Kostenanteil von 1.100,00 EUR entfalle. Diese sei nicht durch die Kosten der Unterkunft, Verpflegung und Investition gedeckt, sodass die Argumentation des Klägers, die diesbezügliche Erstattung müsse analog der stationären Unterbringung erfolgen, nicht verfange. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn reiche nicht so weit, dass jede Unterbringungsform unterstützt werden könne.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

Streitgegenstand sind Beihilfen für die im Juni 2015 entstandenen Kosten der Unterbringung in der Demenzwohngruppe in Höhe von 1.483,00 EUR aus dem Alltagsgestaltungsvertrag und 500,00 EUR aus dem Mietvertrag, wie sie sich aus der Rechnung vom 18.06.2015 ergeben, nicht dagegen die grundsätzliche Beihilfefähigkeit der insoweit zukünftig entstehenden Aufwendungen (so wohl VG Würzburg, Urteil vom 25. März 2013 – W 1 K 12.815, Rn. 23 – Juris), denn einem solchen Antrag fehlt angesichts der Regelung in § 5 Absatz 2 Landesverordnung über die Gewährung von Beihilfen an Beamtinnen und Beamte in Schleswig-Holstein (Beihilfeverordnung – BhVO) in der Fassung vom 04.04.2011 (GVOBl. Schleswig-Holstein Seite 122) das Rechtsschutzbedürfnis. Danach wird eine Beihilfe nur für Aufwendungen gewährt, die durch Belege nachgewiesen sind, soweit nichts anderes bestimmt ist. An einer anderen Bestimmung im Sinne dieser Regelung fehlt es, denn eine mit § 51 Absatz 2 Satz 4 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV) vergleichbare Regelung enthält die BhVO nicht. Hiermit korrespondiert die Regelung in § 12 Absatz 6 BhVO, wonach die Beihilfe ab Beginn des Monats der erstmaligen Antragstellung gewährt wird. Diese Formulierung zeigt, dass eine fortlaufende Antragstellung erforderlich ist, denn die Verwendung des Wortes „erstmalig“ wäre entbehrlich, wenn es lediglich einer Antragstellung bedürfen würde (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2016 – 14 ZB 14.1508, Rn. 13 – Juris).

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Die zulässige Klage ist in dem tenorierten Umfang begründet, weil der Beklagte zu Unrecht die Annahme eines besonders begründeten Falles im Sinne von § 17 Absatz 2 BhVO verneint hat. Nach Maßgabe der nachstehenden Erwägungen ist der Beklagte daher verpflichtet, den Kläger neu zu bescheiden, § 113 Absatz 5 Satz 2, § 114 VwGO.

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Gemäß § 80 Absatz 1 Satz 1 Landesbeamtengesetz (LBG) vom 26.03.2009 (GVOBl. Schleswig-Holstein Seite 93, berichtigt Seite 261) erhalten Versorgungsempfänger in Pflegefällen eine Beihilfe nach Maßgabe der BhVO. In der BhVO sind für die verschiedenen Arten der Pflege beihilfefähige Höchstbeträge, gestaffelt nach der Pflegestufe, entsprechend dem SGB XI vorgesehen. Daran anknüpfend hat der Kläger entsprechend § 80 Absatz 7 Satz 2 Nummer 2 LBG, § 6 Absatz 1 Nummer 2 BhVO einen Anspruch (§ 1 Absatz 1 Satz 1 BhVO) auf Gewährung von Beihilfe mit einem Bemessungssatz von 70 Prozent, was vorliegend einem Anteil von 1.388,10 EUR entspricht.

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Zwar steht dem Kläger über die erhaltenen und hier nicht streitigen Beihilfeleistungen hinaus kein unmittelbarer Anspruch aus den Regelungen der BhVO zu. Insbesondere fehlt es für die Heranziehung von § 12 c BhVO an der unstreitig nicht vorhandenen Zulassung der Demenzwohngruppe als Pflegeeinrichtung im Sinne von § 72 SGB XI. Für die klägerische Auffassung, wonach § 12 c BhVO analog anzuwenden sein müsse, weil die Versorgung mit derjenigen in einem vollstationären Pflegeheim mit dem Schwerpunkt der Versorgung demenzkranker Menschen vergleichbar sei, finden sich keine Anhaltspunkte. Aus dem Verweis auf die Regelung im Pflegeversicherungsrecht wird deutlich, dass der Verordnungsgeber das in § 72 SGB XI beschriebene Verfahren zur Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit stationärer Pflegeleistungen machen wollte. An einer Erweiterung des Tatbestandes, wie er sich etwa in § 39 Absatz 1 Satz 1 BBhV findet, wonach „vergleichbaren Pflegeeinrichtung“ einzubeziehen sind, fehlt es.

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Dennoch hat der Kläger, auch wenn damit kein Rechtsanspruch auf die Feststellung der Beihilfefähigkeit einhergeht, einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrages gemäß § 17 Absatz 2 BhVO, der Ausdruck der verfassungsrechtlich verbürgten Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist. Danach kann die für das Beihilferecht zuständige oberste Landesbehörde – gemäß Absatz 3 für die Beihilfeberechtigten der Kreise die oberste Dienstbehörde – in besonders begründeten Fällen Ausnahmen von den Bestimmungen dieser Verordnung zulassen.

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Zwar gilt insoweit der Grundsatz, dass es den Gerichten nicht zusteht, die Vorschrift des § 45 BeamtStG für eine Argumentation in Anspruch zu nehmen, die im Ergebnis darauf abzielt, im Einzelfall (vermeintliche) „Härten“ zu beseitigen, die sich aus dem (notwendig) pauschalierenden und typisierenden Charakter der in der Rechtsverordnung enthaltenen Regelungen zwingend (und bindend) ergeben, wenn der Verordnungsgeber für einen Teilkomplex der dem Dienstherrn nach § 45 Beamtenstatusgesetz gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten obliegenden Fürsorge eine abschließende Spezialregelung – dieses hat der schleswig-holsteinische Verordnungsgeber durch den Erlass der Beihilfeverordnung getan – trifft. Allerdings bleiben von diesem Grundsatz unberührt Härteregelungen, die sich – namentlich in Richtung auf eine Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes – in der Rechtsverordnung selbst finden (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Aufl., § 10 Rn. 4, mit Rechtsprechungsnachweis). Als Härteregelung im letztgenannten Sinne ist die Vorschrift des § 17 Absatz 2 BhVO anzusehen. Dieser Vorschrift liegt der in der bisherigen Rechtsprechung entwickelte Gedanke zugrunde, dass ungeachtet des abschließenden Charakters der Beihilfevorschriften (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.06.1999 – 2 C 29.98, Rn. 21 – Juris) im Ausnahmefall die verfassungsrechtlich verbürgte Fürsorgepflicht unmittelbar Grundlage eines Beihilfeanspruchs sein kann, wenn anderenfalls der Beamtin oder dem Beamten eine auch unter Berücksichtigung des pauschalierenden und typisierenden Charakters der Beihilfevorschriften nicht mehr zumutbare Belastung abverlangt würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.06.1985 – 6 C 24.84, Rn. 20 – Juris) und die Ablehnung der Beihilfe die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.6.1999 – 2 C 29.98, Rn. 22; Urteil vom 13.12.2012 – 5 C 3.12, Rn. 21 – Juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.05.2014 – 2 LB 9/13, Rn. 25 – Juris). Der unbestimmte Rechtsbegriff des besonderen Ausnahmefalls ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass den Anforderungen des durch Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz gewährleisteten Alimentationsgrundsatzes Rechnung getragen wird. Die Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts erstreckt sich auch auf Lebenslagen, die einen besonderen Bedarf begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.01.2012 – 2 C 24.10, Rn. 15; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.05.2016 – 2 MB 6/16, Rn. 7 – Juris). Dabei ist die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht wegen des Zusammenhangs mit der sich ebenfalls aus Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz ergebenden Alimentationspflicht des Dienstherrn verletzt, wenn der Beihilfeberechtigte infolge eines für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehenen Leistungsausschlusses oder einer Leistungsbegrenzung mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann (BVerwG, Urteil vom 26.03.2015 – 5 C 8/14, Rn. 36; Urteil vom 06.11.2009 - 2 C 60.08, Rn. 19; Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12, Rn. 22 – Juris). Die Verpflichtung des Dienstherrn zur amtsangemessenen Alimentation beschränkt sich nicht nur auf den Beamten selbst. Anerkanntermaßen hat der Dienstherr dafür Sorge zu tragen, dass jeder Beamte auch seine Unterhaltspflichten gegenüber seiner Familie erfüllen kann. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass zur Beamtenfamilie Ehegatten und die Gemeinschaft eines Beamten mit seinen Kindern zählt (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.11.2007 – 2 BvR 2334/06, Rn. 25 – Juris). Mit diesen Maßstäben zumindest im Ergebnis übereinstimmend sehen die zu § 17 ergangenen Durchführungsbestimmungen (§ 1 Absatz 3 BhVO) vor, dass eine solche Entscheidung getroffen werden kann, wenn dies aus medizinischen oder besonderen Fürsorgegründen erforderlich erscheint.

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Gemessen an diesen Grundsätzen ist im Rahmen der gebotenen Gesamtbewertung (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 25.03.2013 – W 1 K 12.815, Rn. 24 – Juris) von einem besonders begründeten Ausnahmefall auszugehen, da der Kläger infolge des sich aus der Struktur der BhVO ergebenden Leistungsausschlusses mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann. Die Annahme des Tatbestandes eines solchen Ausnahmefalls scheidet auch nicht bereits deshalb aus, weil sich der Kläger auf eine andere Unterbringungsform verweisen lassen muss.

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Im streitgegenständlichen Monat Juni 2015 verfügte der Kläger über Nettoversorgungsbezüge (zu deren Maßgeblichkeit für die Amtsangemessenheit der Alimentation vgl. BVerfGE 44, 249, 266; 81, 363, 376; 99, 300, 3121; 107, 218, 237; 114, 258, 286; 11, 330, 350) in Höhe von 2.918,72 EUR sowie eine Kindergeldzahlung in Höhe von 184,00 EUR für das Kind Anne. In die Gesamtalimentation sind zudem die hier nicht streitigen Beihilfen des Beklagten und Leistungen der Pflegeversicherung für die Pflegesachleistungen einzubeziehen. Dem standen im Juni 2015 folgende Kosten des Klägers und seiner Familie im oben beschriebenen Sinne gegenüber:

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Kosten des Klägers

                 
        

1.100,00 EUR

Alltagsgestaltungsvertrag

        

 245,00 EUR

Verpflegungskosten

        

 500,00 EUR

Unterkunftskosten

        

 68,00 EUR

Zimmerreinigungskosten

        

 70,00 EUR

Wäschereinigungskosten

        

 211,67 EUR

Private Kranken- und Pflegeversicherung

        

 120,00 EUR

Taschengeld

        

 60,00 EUR

Hundeversorgung

        

2.374,67 EUR

        

Kosten der Ehefrau

                 
        

 233,15 EUR

Private Kranken- und Pflegeversicherung

        

 500,00 EUR

Wohnkosten

        

 700,00 EUR

Lebensunterhalt

        

1.433,15 EUR

        

Kosten der Kinder

                 
        

184,00 EUR

Unterhalt Tochter xxx

        

186,55 EUR

Unterhalt Sohn xxx

        

370,55 EUR

        

Gesamt

4.178,37

        

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Aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich, dass der Kläger im Juni 2015 mit erheblichen finanziellen Kosten belastet blieb, die er durch die Regelalimentation nicht bewältigen konnte. Vor Abzug der hier streitigen Pflegekosten in Höhe von 1.983,00 EUR verblieben von seiner Regelalimentation einschließlich des Kindergeldes 907,35 EUR. Dabei ist nicht ersichtlich, dass von dem Kläger geltend gemachte Kostenpositionen von Vornherein unberücksichtigt bleiben müssten. Insbesondere ist das geltend gemachte Taschengeld zur Deckung seines persönlichen Bedarfs, der durch die abgerechneten Heimkosten nicht umfasst war (z. B. Hygienebedarf, Friseur, Bekleidung) in Höhe der hier veranschlagten 120,00 EUR als angemessen anzusehen. Dass die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern nicht bestanden haben, ist von dem Beklagten nicht geltend gemacht worden und auch unter Heranziehung der §§ 1601, 1610 Bürgerliches Gesetzbuch nicht ersichtlich. Insbesondere ist der Sohn Fabian insoweit der Obliegenheit nachgekommen, erreichbare BAföG-Leistungen zu beantragen. Die Höhe des gewährten Unterhalts von zunächst 186,55 EUR und später 227,21 EUR ist nicht zu beanstanden (vgl. auch Bescheid über Ausbildungsförderung, Bl. 31 d. Gerichtsakte 11 A 302/15, der einen Gesamtbedarf von 670,00 EUR zugrunde legt).

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Dahinstehen kann auch, ob von der Ehefrau des Klägers grundsätzlich verlangt werden musste, sich um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen, denn jedenfalls in dem unmittelbar auf die zuvor durch sie über einen langen Zeitraum durchgeführte häusliche Pflege folgenden Monat konnte dies nicht verlangt werden. Der Umzug in die Demenzwohngruppe erfolgte aufgrund der aufgetretenen Aggressivität des Klägers und war nicht planbar. Angesichts der Dauer der Nichterwerbstätigkeit und des Alters der Ehefrau des Klägers dürften die Anforderungen diesbezüglich ohnehin nicht überspannt werden, zumal ab August 2015 ein Minijob ausgeübt wurde.

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Von den verbleibenden 907,35 EUR konnte der Kläger die anfallenden Kosten für die Unterbringung in der Demenzwohngruppe in Höhe von 1.983,00 EUR offensichtlich nicht bewältigen. Keiner abschließenden Klärung bedurfte vor diesem Hintergrund die – im Übrigen durch den Beklagten nicht in Abrede gestellte – Angemessenheit der von der Ehefrau des Klägers geltend gemachten Kosten. Denn selbst bei Heranziehung des im Juni 2015 geltenden Regelsatzes für einen alleinstehenden Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe von 399,00 EUR sowie den als Mindestkosten in der Wohngeldtabelle gemäß § 12 Absatz 1 Wohngeldgesetz vorgesehenen 434,00 EUR für einen Haushalt in A-Stadt (Mietenstufe IV) mit einem Mitglied verblieben ungedeckte Pflegekosten in Höhe von über 708,65 EUR. Es ist auch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Kläger im Hinblick auf die hier streitgegenständlichen Kosten Eigenvorsorge hätte betreiben können, welche über den Abschluss seiner privaten Pflegeversicherung bei der Allianz Private Krankenversicherungs-AG hinausgeht (zum Erfordernis der zumutbare Eigenvorsorge vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.08.2013 – 1 A 1481/10, Rn. 81 – Juris).

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Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung war zudem ausschlaggebend, dass der Kläger als in verhältnismäßig jungem Alter an Demenz erkrankter Pflegebedürftiger das Bedürfnis hat, nicht ausschließlich mit pflegebedürftigen alten Menschen mit rein geriatrischen Problemen zusammenzuleben, sondern bei der Tagesgestaltung auch mit jüngeren Menschen und vergleichbar schweren Lebensschicksalen zusammenzutreffen. Die Erwägungen des Finanzministeriums, der Kläger unterscheide sich nicht von der Gruppe der Demenzkranken mit Pflegestufe I, greifen an dieser Stelle ersichtlich zu kurz. Bei dem Kläger traten bereits mit 53 Jahren deutliche Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen auf, die im Alter von 56 Jahren zu seiner vorzeitigen Pensionierung führten. Damit unterscheidet sich der Kläger von der Masse der Demenzerkrankten mit Pflegestufe I. In dem Informationsblatt der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. „Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen“ (Juni 2016) heißt es insoweit auszugsweise: „Im mittleren Lebensalter sind Demenzen vergleichsweise selten. Weniger als 2% der Erkrankungen entfallen auf ein Alter von unter 65 Jahren. Internationale Schätzungen deuten auf eine Prävalenzrate von 0,1 % in der Altersgruppe von 45 bis 64 Jahren hin. In Deutschland sind demnach ca. 20.000 Personen von früh beginnenden Demenzen betroffen“ (aaO., Seite 2). Mit dem verhältnismäßig jungen Alter des Klägers bei Krankheitsbeginn korrespondieren zudem Besonderheiten hinsichtlich seiner leidensgerechten Unterbringung. Stationäre Pflegeeinrichtungen richten sich zumeist an einen deutlich älteren Adressatenkreis. Spezifische Angebote für jüngere Demenzkranke werden dort nach unwidersprochener Darlegung des Klägers nicht vorgehalten. Dieser Umstand resultiert aus der statistischen Verteilung der Altersgruppen Pflegebedürftiger. Ausweislich der Pflegestatistik 2015 (Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung – Deutschlandergebnisse – 2015, Statistisches Bundesamt vom 16.01.2017) liegt die Pflegequote der Bevölkerungsgruppe der 15 bis 60-jährigen (insgesamt 48.792.324 Menschen) bei 0,6 Prozent, während sie bei der Altersgruppe der 70-75-jährigen bei 5,4 Prozent, der 75-80-jährigen bei 9,9%, der 80-85-jährigen bei 21,1 Prozent, den 85-90-jährigen bei 39,7 Prozent und den über 90-jährigen bei 66,1 Prozent liegt. Nach den Darlegungen des Klägers ist für ihn die Möglichkeit von Bewegung und sinnvoller Beschäftigung besonders wichtig. Diesen Bedürfnissen wird die Demenzwohngruppe gerecht. Ausweislich des Internetauftritts der Einrichtung (http://www.swg-koppelsberg.de/) setzt das Konzept dieser Wohngemeinschaft für an Demenz erkrankte Menschen neue Schwerpunkte. Zusätzlich zu der pflegenden Versorgung wird besonderer Wert auf die individuelle Betreuung und Beschäftigung gelegt und die Einbindung in Alltagstätigkeiten gefördert, wobei die Bewohner nach individuellem Werdegang den ihnen vertrauten Tätigkeiten nachgehen können und – soweit möglich – ihren Alltag selbst bestimmen. Die Außenanlagen und ein besonderes Konzept mit naturnahen Aktivitäten, einschließlich Nutztierhaltung bieten gerade jungen Demenzerkrankten ein breites Betätigungsfeld. Der Kläger verfügt über die Möglichkeit, sich mit seinem Hund auf dem Außengelände zu bewegen. Die Einrichtung bietet zudem den Aufbau einer Tagesstruktur an und motiviert die Demenzkranken am Leben in der Wohngemeinschaft teilzunehmen.

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Die Gesamtbetrachtung gebietet schließlich die Einbeziehung der Aussage des Hausarztes des Klägers, dass sich dessen psychische und körperliche Situation deutlich stabilisiert und verbessert hat. Die Versorgungs- und Lebenssituation ist nach seinen Darlegungen in dieser Unterbringung hervorragend und eine Verlegung in ein Pflegeheim nicht sinnvoll. Die Prognose sei bei dieser Versorgung deutlich günstiger (Bl. 77 d. Gerichtsakte 11 B 37/15).

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Bestätigt wird die Atypik der bei dem Kläger vorliegenden Konstellation letztlich dadurch, dass der Umstand der frühzeitigen Erkrankung dazu führte, dass er einerseits zu einem deutlich vorzeitigen Pensionseintritt, der mit Versorgungseinbußen von 10,8 Prozent einherging, gezwungen war. Gleichzeitig wurden damit die Möglichkeiten der privaten Altersvorsorge zeitlich wie auch der Höhe nach eingeschränkt. Andererseits bestanden zu diesem Zeitpunkt noch Unterhaltspflichten gegenüber seinen Kindern.

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Zu keinem anderen Ergebnis führen zumindest auf Tatbestandsebene die von dem Beklagten vorgebrachten Bedenken, die aus der Struktur der Beihilfeverordnung resultieren. Weder § 8 Absatz 1 BhVO noch die im Grundsatz vorgesehene Trennung zwischen § 12 a BhVO einerseits und § 12 c BhVO andererseits stehen der Annahme eines besonders begründeten Ausnahmefalls entgegen. Hierfür sprechen sowohl der Wortlaut als auch die normsystematische Stellung von § 17 Absatz 2 BhVO, die eine Ausnahme von sämtlichen Bestimmungen der Beihilfeverordnung ermöglichen. Der Verordnungsgeber hat damit die Möglichkeit geschaffen, auch von der im Grundsatz gegebenen Struktur der Trennung von Leistungen im Bereich der häuslichen Pflege einerseits und der stationären Pflege andererseits im Anwendungsbereich der Beihilfeverordnung eine Ausnahme zuzulassen, auch wenn es zutreffen mag, dass diese Systematik sich im Ausgangspunkt an der Struktur des SGB XI orientiert. Letztlich zwingt aber weder die Ermächtigungsgrundlage noch anderweitiges höherrangiges Recht dazu, bestimmte Regelungen der BhVO bereits vom Tatbestand des § 17 Absatz 2 BhVO auszunehmen. Im Gegenteil ist angesichts der strukturellen Unterschiede der Sicherungssysteme "gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung" und "private Eigenvorsorge mit ergänzender Beihilfe", die sich etwa in der verfassungsrechtlichen Verankerung, der Finanzierung, der Leistungsvoraussetzungen, des Leistungsspektrums und der Leistungsformen niederschlagen, eine schematische Orientierung am SGB XI nicht von Vornherein zwingend, auch nicht unter Heranziehung von Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz.

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Ist danach von dem Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalls auszugehen, hat auf Rechtsfolgenseite der Verordnungsgeber der zuständigen Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 05.082014 – 11 A 7/14, Rn. 37 – Juris; Urteil vom 02.07.2007 – 11 A 17/07 – nicht veröffentlicht). Die insoweit für die Entscheidung notwendigen Umstände sind von dem Beklagten bislang nicht in den Blick genommen worden. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null liegen nicht vor. Aus dem Leitsatz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.01.2012 (2 C 24/10) folgt insoweit nichts anderes. Diese Entscheidung betrifft § 12 Absatz 5 der Verordnung über Beihilfen in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfenverordnung NRW), wonach der Beihilfebemessungssatz in besonderen Ausnahmefällen erhöht werden kann. Diese Erwägungen sind auf das weit gefasste normative Prüfprogramm von § 17 Absatz 2 BhVO, mit dem Ausnahmen von sämtlichen Bestimmungen der BhVO zugelassen werden, nicht übertragbar.

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Von dem eingeräumten Entschließungs- und Auswahlermessen hat die zuständige Behörde bislang keinen Gebrauch gemacht, da sie mit dem Negieren eines besonders begründeten Ausnahmefalls bereits zu Unrecht den Tatbestand von § 17 Absatz 2 BhVO verneint hat. In der Folge ist von einem Ermessensausfall auszugehen (Decker in Beck‘scher Online-Kommentar VwGO, Posser / Wolf, 40. Edition, § 114 Rn. 17 - Beck-online). Damit war es dem Beklagten auch verwehrt, Ermessenserwägungen im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO zu ergänzen.

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Bei der Neubescheidung des Klägers wird der Beklagte zu berücksichtigen haben, dass es Ziel von § 17 Absatz 2 BhVO ist, der verfassungsrechtlich verbürgten Fürsorgepflicht zu genügen. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Stärkung von Selbstbestimmung und Schutz von Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung (Selbstbestimmungsstärkungsgesetz - SbStG) Pflegegesetzbuch Schleswig-Holstein – Zweites Buch vom 17.07.2009 die Rechte von volljährigen Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung auf Sicherung einer Qualität des Wohnens, der Pflege und der Betreuung, die dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entspricht, verwirklichen wollen (§ 1 Satz 1 Nummer 3 SbStG) und ausdrücklich klargestellt, dass bei der Ausübung von Ermessen zu beachten ist, dass diese Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, § 1 Satz 2 SbStG. Darüber hinaus muss die Ermessensausübung der dargestellten besonderen Situation des Klägers gerecht werden, wie auch dem Umstand, dass sich die psychische und körperliche Situation seit seiner Unterbringung in der Demenzwohngruppe deutlich stabilisiert und verbessert hat, dass eine Verlegung in ein Pflegeheim unter diesem Gesichtspunkt ungünstig sein dürfte und welche Kosten hiermit verbunden wären.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.