Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 27. Mai 2016 - RO 9 K 16.30509

bei uns veröffentlicht am27.05.2016

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Anerkennung als Asylberechtigte, hilfsweise die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten.

Die Kläger sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten eigenen Angaben zufolge am 7. Mai 2013 in die Bunderepublik Deutschland ein und stellten am 21. Mai 2013 Asylanträge.

Der Kläger zu 1. wurde am 1. März 2016 zu seinem Verfolgungsschicksal angehört (Bl. 166ff. d. A.). Dort gab er im Wesentlichen an, dass er in seiner Heimat Unternehmer gewesen sei und einen Lebensmittelladen geführt habe. Er sei mit dem Vorwurf konfrontiert worden, dass er die Rebellen unterstützen würde. Im Herbst 2012 sei ein „Föderaler“ gekommen und habe sich mit ihm unterhalten wollen. Er habe ihn nach seinen Kunden befragt und wissen wollen, ob unter diesen auch Rebellen seien. Einen Monat später seien mehrere Personen gekommen und hätten ihn abgeholt, ihn ein bisschen verprügelt und wieder auf freien Fuß gesetzt. Im Dezember 2012 hätten sie ihn abermals mitgenommen und „voll konkret“ verprügelt. Sie hätten ihm wieder unterstellt, die Rebellen zu unterstützen. Er habe es dann mit der Angst zu tun bekommen und begonnen, sich zu verstecken. Er habe auch Angst um seine Familie, denn seine Frau habe zuvor eine Fehlgeburt erlitten. Beim ersten Besuch habe ihm der „Föderale“ einige Fragen gestellt. Er habe sich dann etwas notiert und sei wieder gegangen. Beim zweiten Mal sei nicht lange geredet und gefragt worden. Sie zögen dir einen Sack über den Kopf und nähmen dich mit. Gefahren werde in einem Kleintransporter. Die einzige Frage, an die er sich konkret erinnern könne, sei wieder gewesen, ob er an die Rebellen verkaufen würde. Beim dritten Mal sei er mit dem Auto im Dorf unterwegs gewesen. Sie hätten ihn „rausgezupft“ und weggebracht. Sie hätten ihn geschlagen. Sie hätten ihn wieder gefragt, ob er die Rebellen unterstützen würde. Er habe nicht mitbekommen und wisse nicht, wohin man ihn gebracht habe. Während der ganzen Fahrt sei ihm eine Mütze übergezogen gewesen. Erst als sie ihn wieder aus dem Auto geworfen hätten, habe man sie ihm wieder abgenommen. Die ganze Zeit, als sie ihn misshandelt hätten, habe er die Mütze aufgehabt. Man habe ihm die Arme verdreht und die üblichen Schläge verpasst. Er wisse jetzt nicht, wie man das jetzt genau beschreiben solle. Die erste Person, die in seinen Laden gekommen sei, seien ein echter Russe gewesen. Die anderen später seien Tschetschenen gewesen, die mit ihm tschetschenisch gesprochen hätten. Nach diesen Vorfällen sei er nicht so richtig abgetaucht. Sie hätten dann in S. bei Angehörigen seiner Frau gelebt. Im März seien sie wieder nach Tschetschenien zurückgekehrt und von dort im April ausgereist. Sie seien dort nicht weiter gesucht worden. Allerdings sei er nicht der Meinung gewesen, dass er in der Russischen Föderation sicher gewesen wäre. In der Zeit ihrer Abwesenheit hätte der Angestellte seinen Laden weitergeführt.

Die Klägerin zu 2. schilderte anlässlich ihrer Anhörung am gleichen Tag, dass ihr Mann schon 1999 Probleme gehabt habe, sie aber in der Heimat geblieben seien. Im Jahr 2012 sei es aber richtig losgegangen, man habe sie verfolgt. Wann das erste Mal gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Aber im Oktober 2012 sei ihr Mann das zweite Mal abgeholt worden. Sie habe damals eine Fehlgeburt erlitten. Er sei verprügelt worden. Da sie Angst um ihre Kinder gehabt hätten, die sehr nervös auf die ganze Sache reagiert hätten, hätten sie beschlossen, das Land zu verlassen. Beim zweiten Mal habe sie selbst erlebt, dass jemand zu ihrem Mann gekommen sei. Sie habe aber nur gesehen, dass er im Hof abgeholt worden sei. Wer ihn abgeholt habe, wisse sie nicht. Die Leute seien maskiert gewesen; sie hätten einen Mix aus russisch und tschetschenisch gesprochen. Ihr Mann sei zweimal abgeholt worden. Als ihr Mann wieder einmal freigelassen worden sei, seien sie so fertig gewesen, dass sie nach S. gegangen seien. Dort seien sie nicht geblieben, weil sie die Russen nicht möge. Sie habe ja gesehen, was diese in ihrem Land getrieben hätten. Sie wolle dort nicht leben. Als sie aus S. zurückgekommen seien, hätten sie bei ihrer Schwester und bei anderen Verwandten übernachtet. Ihr Mann habe auch eine Tante in K. Auch dort seien sie gewesen.

Mit Bescheid vom 4. März 2016 lehnte die Beklagte sowohl die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte als auch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen. Die Kläger seien keine Flüchtlinge im Sinne des § 3 AsylG. Die strafrechtliche Verfolgung der Unterstützung der sog. tschetschenischen „Rebellen“ knüpfe allein an das strafrechtlich relevante Merkmal der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung an. Sie sei insbesondere unabhängig von Nationalität, Religion und politischer Überzeugung und Ziele im gleichen Maße auf Verdächtige aller Ethnien und Religionen ab. Das Vorliegen einer solchen strafrechtlichen Verfolgung durch den russischen Staat ermögliche daher nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen auch nicht vor. Den Klägern könne nicht geglaubt werden, dass der Kläger zu 1. mehrmals von Sicherheitskräften abgeführt und geschlagen worden sei. Dazu seien ihre Ausführungen zu oberflächlich und vage und ließen insbesondere den für wirklich Erlebtes typischen Detailreichtum vermissen. Der Kläger zu 1. habe nicht zu sagen vermocht, von wem er abgeführt und vernommen worden sei, obwohl ihm dies mehrmals zugestoßen sein soll. Er habe trotz Nachfragen zu jedem einzelnen der Vorkommnisse keine wirklich konkretisierenden Angaben wie Details zu Personen, Orten und dem genauen Ablauf der Ereignisse nennen können. Vielmehr habe er stets nur die gleiche Behauptung wiederholt, dass er geschlagen worden sei. Auf die direkte Frage hin, wie er denn misshandelt worden sei, habe der Kläger zu 1. wiederum nur kurz und ausweichend geantwortet. Seine Ausführungen ließen insgesamt nicht den Schluss darauf zu, dass ihm das behauptete Schicksal wirklich zugestoßen sei. Dem Sachvortrag ermangele es durch diese Art des Vorbringens auch an Schlüssigkeit. Denn der Kläger zu 1. habe im Laufe der Anhörung nicht zu erhellen vermocht, welchen Anlass es überhaupt gegeben haben sollte, gegen ihn zu ermitteln. Selbst wenn er persönlich einen solchen nicht sehe, so sei zu unterstellen, dass er während der drei konsekutiven Vernehmungen seitens der ermittelnden Beamten mit einem solchen konfrontiert worden wäre. Selbst bei Wahrunterstellung könne der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt werden. Ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG drohe dem Kläger zu 1. nur dann, wenn er im Rahmen des Vorgehens der ermittelnden Behörden gefoltert oder unmenschlich oder erniedrigend behandelt würde. Einer solchen Behandlung des Klägers zu 1. könnten sich die Kläger aber jederzeit dadurch entziehen, dass sie sich an einem anderen Ort in der Russischen Föderation niederließen. Es sei Tschetschenen möglich, sich legal in der gesamten Russischen Föderation niederzulassen. Eventuell dabei zu überwindende administrative Hürden seien den vom Bundesverwaltungsgericht als Anfangsschwierigkeiten bezeichneten Hindernissen zuzuordnen, deren Überwindung möglich und zumutbar sei. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate sei im vorliegenden Fall angemessen. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange seien weder vorgetragen worden noch lägen sie nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vor.

Die Kläger ließen am 23. März 2016 ohne Begründung Klage gegen diesen Bescheid erheben.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des BAMF vom 01.03.2016, zugestellt am 10.03.2016, Az. 5633807-160, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen,

hilfsweise, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

hilfsweise, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2-5 und 7 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den streitgegenständlichen Bescheid,

die Klage abzuweisen

Der Rechtsstreit ist mit Beschluss vom 7. April 2016 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen worden.

Zur Ergänzung der Sachverhaltswiedergabe wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte sowie der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2016 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I.

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden. Sie wurden insbesondere fristgerecht geladen; die Ladung enthielt den nach § 102 Abs. 2 VwGO erforderlichen Hinweis. Bezüglich der mit Telefax vom 27. Mai 2016 beantragten Terminsverlegung wird auf die einschlägigen Ausführungen in der Niederschrift verwiesen.

II.

Die Kläger haben weder Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Anerkennung als Asylberechtigte noch Zuerkennung subsidiären Schutzes noch Feststellung eines Abschiebungsverbotes (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Vielmehr ist die vom Bundesamt getroffene Entscheidung auch im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht zu beanstanden. Das Gericht folgt zunächst den Feststellungen und der Begründung des streitbefangenen Verwaltungsakts und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf diesen Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Der Verlauf des gerichtlichen Verfahrens veranlasst keine anderweitige Bewertung der Sach- und Rechtslage.

1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG insbesondere voraus, dass der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Verfolgung im Sinne dieser Vorschrift kann nach § 3c AsylG vom Staat (Buchst. a) oder von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Buchst. b), aber auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen (Buchst. c). Letzteres gilt jedoch nur, sofern die staatlichen Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure zu bieten, unabhängig davon, ob in dem betreffenden Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (vgl. § 3e AsylG).

1.1 Das Gericht teilt die Einschätzung des Bundesamtes, dass die klägerischen Schilderungen nicht rechtfertigen, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgung in o.g. Sinne anzunehmen. Die Kläger zu 1. und 2. konnten auch nach Ansicht des Gerichts das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht glaubhaft machen; auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid (dort S. 3) wird Bezug genommen. Die Kläger selbst, für die eine Hinderung an der Terminswahrnehmung nicht geltend gemacht worden ist, ließen die Möglichkeit zur Befragung, Klarstellung und Aufklärung bei Gericht ungenutzt.

1.2 Selbst unter Zugrundelegung der Annahme, dem Kläger zu 1. drohte durch tschetschenische Sicherheitskräfte eine Rechtsverletzung in flüchtlingsrelevanten Merkmalen, stünde der Flüchtlingsanerkennung die Bestimmung des § 3e AsylG entgegen, weil dem Kläger zu 1. die Möglichkeit internen Schutzes offen steht. Nach den vorliegenden Erkenntnissen steht politisch unverdächtigen und erwerbsfähigen Kaukasiern, zu denen der Kläger zu 1. nach dem Ergebnis des Verfahrens gehört, in den meisten Teilen der Russischen Föderation interner Schutz zur Verfügung (vgl. VG Berlin, U.v. 16.6.2015 - 33 K 57.14 A - juris Rn. 37 m. w. N.; VGH Baden-Württemberg, U.v. 15.2.2012 - A 3 S 1876/09 - juris Rn. 42ff.) Der Aufenthalt von Personen aus den Krisengebieten im Nordkaukasus in anderen Teilen der Russischen Föderation ist zwar durch verschiedene Probleme erschwert, aber grundsätzlich möglich (BayVGH, U.v. 7.1.2015 - 11 B 12.30471 - juris Rn. 34; Lagebericht Auswärtiges Amtes vom 5.1.2016, S. 22).

Nach den Schilderungen des Klägers zu 1. beim Bundesamt sind bislang allein tschetschenische Sicherheitskräfte in unangemessener Weise gegen ihn vorgegangen. In der von ihm geschilderten Ermittlung unter Beteiligung eines „Föderalen“ ist hingegen für verfolgungsrelevante Rechtsverstöße nichts ersichtlich. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass ihm eine landesweite Verfolgung droht, zumal die Kläger nicht nur während ihres mehrmonatigen Aufenthalts bei Angehörigen der Klägerin zu 2. in S. sondern auch in der Zeit zwischen Rückkehr in die Heimatregion im März und der Ausreise im April unbehelligt geblieben sind (Bl. 168 d. A.). Auch konnte ein Angestellter den klägerischen Laden - welcher Anlass für die Ermittlungen gewesen sein soll - ohne jeglichen Zwischenfall weiterführen (Bl. 168 d. A.); der Laden existiert nach Angaben des Klägers zu 1. noch heute.

1.3 Spezifische eigene Verfolgungsgründe betreffend die Kläger zu 2. bis 5. sind weder vorgetragen noch ersichtlich. § 26 AsylG ist ebenfalls nicht einschlägig.

2. Einer Anerkennung der Kläger als Asylberechtigte steht bereits die Einreise aus Polen entgegen (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).

3. Anhaltspunkte für die Zuerkennung subsidiären Schutzes oder eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere nach dem unter 1. Ausgeführten liegen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vor, dass den Klägern im Herkunftsland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 AsylG).

4. Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung entsprechen den gesetzlichen Anforderungen gem. §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG, § 59 AufenthG.

5. Die nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erforderliche Ermessensentscheidung über die Befristung des nach § 11 Abs. 1 AufenthG im Falle der Abschiebung von Gesetzes wegen eintretenden Einreise- und Aufenthaltsverbotes hat die Beklagte getroffen, ohne dass ihr dabei ein Fehler unterlaufen wäre (§ 114 Satz 1 VwGO, § 40 VwVfG). Insbesondere ist sie bei der Festsetzung von 30 Monaten als Mittelwert des nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Regelrahmens von fünf Jahren weder von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen noch hat sie die widerstreitenden Interessen unvertretbar gewichtet, zumal im Bundesgebiet keinerlei spezifische Bindungen bestehen. Solche ergeben sich insbesondere auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers zu 1. anlässlich seiner Anhörung beim Bundesamt. Dass er hierzulande arbeite und seine Kinder gut in der Schule seien, sind keine besonderen Aspekte, sondern im Lichte der Dauer eines Asylverfahrens oft zu beobachtende Begleitentwicklungen. Unabhängig davon können die Kläger den Eintritt der gesetzlichen Wirkungen des Einreise- und Aufenthaltsverbotes durch freiwillige Ausreise vermeiden.

Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gerichtskosten: § 83b AsylG.

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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. August 2004 - A 18 K 11963/04 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, die dieser auf sich behält.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG.
Der Kläger wurde am ... in B.../Nord-Kasachstan geboren. Er ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation tschetschenischer Volks- und moslemischer Glaubenszugehörigkeit. Nach seinen Angaben hielt sich die Kläger zuletzt in Grosny auf und reiste zusammen mit seinen Söhnen D... (geb. am ...) und M... K... (geb. am ...) am 20.10.2003 auf dem Landweg nach Deutschland ein. Er stellte am 21.10.2003 einen Asylantrag.
Der Kläger ist verheiratet mit P... H..., die am 31.03.1968 geboren wurde. Sie war zusammen mit zwei Kindern (geb. am ...) bereits im Jahr 2000 aus Grosny kommend nach Deutschland ausgereist. Die Asylanträge der Ehefrau und der Kinder des Klägers sind seit 2004 unanfechtbar abgelehnt.
Der Kläger wurde am 30.10.2003 beim Bundesamt zu seinen Asylgründen angehört. Zusammengefasst erklärte der Kläger, im Februar 1996 sei er mit seinem Bruder festgenommen worden, danach nicht mehr. Sein Bruder M... sei im März 1996 verstorben. Seine Brüder S... und R... seien im August 1996 spurlos verschwunden. Er habe die Fachschule des Innenministeriums 1988 in Charkow mit dem Diplom als Techniker für Spezialtechnik abgeschlossen. Er sei von 1994 bis 1999 beim Innenministerium in Grosny beschäftigt gewesen. Er habe für die tschetschenische Regierung bei Dudajew gearbeitet. Es seien Kollegen verschwunden. Dann habe er begriffen, dass alle Angehörigen des Innenministeriums beseitigt werden sollten. Von wem er verfolgt worden sei, habe er nicht gewusst. Aber dies sei zielgerichtet gemacht worden. Seine Familie habe er im Juli 2000 zuletzt gesehen. Auf Nachfrage erklärte er, die Verfolgung komme aus den Kreisen des FSB, der nationalen Sicherheit. Er habe Aufklärung geleistet. Man habe ihn zum Major ernannt, aber den Dienstausweis habe er schon nicht mehr umtauschen können. Von 1999 bis zu seiner Ausreise 2003 habe er sich in Grosny versteckt.
Wegen seiner weiteren Angaben wird auf die darüber gefertigte Niederschrift verwiesen.
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 11.05.2004 den Asylantrag des Klägers ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 und § 53 AuslG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise die Abschiebung in die Russische Föderation an.
Die vom Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart am 09.06.2004 erhobene Klage hat dieses nach Anhörung des Klägers und der Vernehmung seiner Ehefrau als Zeugin in der mündlichen Verhandlung mit Urteil vom 25.08.2004 - A 18 K 11963/04 - abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Angaben des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal seien nicht glaubhaft. Zwar sei dem Kläger eine Rückkehr nach Tschetschenien nicht zumutbar. Ihm stehe aber in anderen Teilen der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung.
Der Senat hat mit Beschluss vom 01.02.2005 - A 3 S 1228/04 - die Berufung gegen das Verwaltungsgericht Stuttgart zugelassen, soweit es die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (§ 60 Abs. 1 AufenthG) betrifft. Der Beschluss wurde dem Kläger am 07.02.2005 zugestellt.
Der Kläger hat die Berufung am 07.03.2005 begründet. Er beantragt,
10 
1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.08.2004 - A 18 K 11963/04 - insoweit zu ändern, als es die Klage gegen Nr. 2 bis 4 des Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 11.05.2004 abweist, und die Beklagte unter Aufhebung von Nr. 2 bis 4 des Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 11.05.2004 zu verpflichten festzustellen, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation vorliegen;
11 
2. hilfsweise festzustellen, dass in seiner Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorliegen;
12 
3. höchsthilfsweise festzustellen, dass in seiner Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG vorliegen;
13 
4. hilfsweise Beweis entsprechend den in den als Anlage zur Niederschrift genommenen Schriftsätzen des Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2012 aufgeführten vier Beweisanträgen zu erheben
14 
Zur Begründung trägt der Kläger zusammengefasst vor, er habe mehrere Ausbildungen absolviert. Zunächst habe er die Fachschule des Innenministeriums in Charkow und sodann ein Hochschulstudium (Philologie) absolviert. Daneben habe er sich zum Fahrlehrer ausbilden lassen und eine Fahrschule in Grosny betrieben. Bis Mai 1999 habe er im tschetschenischen Innenministerium als „Kurator“ im Bereich Aufsicht über Feuerwehren und Gefängnisse gearbeitet. Er habe dann im ersten Tschetschenienkrieg auf Seiten der tschetschenischen Truppen in einer Einheit gekämpft, die für Aufklärungsarbeit zuständig gewesen sei. Nach dem Ende dieses Krieges sei er von seinem Dienstherrn mit Aufklärungsarbeiten betraut worden. Spätestens seit Frühjahr 1999 habe er Anlass für die Befürchtung gehabt, dass er als Angehöriger des tschetschenischen Innenministeriums liquidiert werden solle. Vorausgegangen seien Säuberungsaktionen, die mit „Verschwinden“ einiger Kollegen aus dem tschetschenischen Innenministerium einhergegangen seien. In einem Fall habe er erfahren, dass die Leiche des Betreffenden in einem Waldstück mit Folterspuren aufgefunden worden sei. Er habe diese Information u.a. von den Familienangehörigen der verschwundenen Kollegen erhalten. Er habe deshalb allen Anlass gehabt für die Annahme, dass der russische Geheimdienst FSB hinter diesen professionellen Säuberungsaktionen stehe - ggf. unterstützt durch islamistische „Wahabisten“ -. er habe deshalb annehmen müssen, dass auch sein Leben in Gefahr sei, zumal er erfahren habe, dass die verschwundenen Kollegen nicht etwa mit Sonderaufgaben betraut worden seien. Er sei deshalb im Frühjahr 1999 zunächst untergetaucht. Seine Familie habe er zu Verwandten gebracht, bis er deren Ausreise im Sommer 2000 habe organisieren können. Weder in Tschetschenien noch in der Russischen Föderation bestehe ein interner Schutz. Die russischen Behörden wüssten über sein Asylverfahren und über die Asylantragstellung sowie über den Aufenthalt seiner Familie in Deutschland Bescheid. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass das Regierungspräsidium Stuttgart beim Konsul des russischen Generalkonsulats über die Umstände einer Passbeschaffung für die gesamte Familie nachgefragt habe. Seine damalige Stellung in Tschetschenien und die Tatsache der Asylantragstellung und des jahrelangen Auslandsaufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland seien für die russischen Behörden Grund genug, ihn bei einer Rückkehr zu verfolgen. Außerdem leide er an einer posttraumatischen Belastungsstörung und deshalb würde bei einer Rückkehr ein sog. Wiederholungstrauma die derzeitige psychische Erkrankung akut verschlimmern.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Zur Begründung weist er daraufhin, dass die Angaben des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal nicht überzeugten; im Übrigen stehe dem Kläger jedenfalls in anderen Teilen der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung.
18 
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat keinen Antrag gestellt. Zusammengefasst hat er ausgeführt, Tschetschenen seien in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens von keiner Verfolgung betroffen.
19 
Mit Beschluss vom 01.08.2007 - A 3 S 104/05 - hat der Senat auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Berufungsverfahrens angeordnet. Die Wiederanrufung des Verfahrens erfolgte durch das Bundesamt am 20.08.2009.
20 
In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger zu den Gründen seines Asylantrags angehört worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf die darüber gefertigte Niederschrift verwiesen.
21 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten der Beklagten, auch soweit sie P... H... betreffen, und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart A 18 K 11963/04 und A 18 12023/03 (P... H... betreffend) und des Senats A 3 S 625/04 (gleichfalls P... H... betreffend) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten entscheiden, da dieser mit der Ladung nach § 102 Abs. 2 VwGO auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
23 
Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige - insbesondere mit ihrer Begründung den Vorgaben des § 124a Abs. 6 VwGO entsprechende - Berufung des Klägers ist unbegründet.
24 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist - entgegen der Zulassung der Berufung durch den Senat nicht nur der Anspruch des Klägers auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in seiner Person hinsichtlich der Russischen Föderation und damit der Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16.02.2010 - 10 C 7.09 -, NVwZ 2010, 974), sondern auch sein hilfsweise geltend gemachter Anspruch auf Feststellung unionsrechtlicher und nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes von 2007 bilden die auf Unionsrecht beruhenden Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG 2004 zum einen und die nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG 2004 zum anderen jeweils eigenständige Streitgegenstände, wobei die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote vorrangig vor dem nationalen Abschiebungsverbot u.a. nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG 2004 zu prüfen sind. Damit sind die auf Unionsrecht beruhenden Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG 2004 in dem Verfahren angewachsen (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198; Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360; Urteil vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226; Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, juris = DVBl 2011, 1565 [Ls.]; Beschluss vom 10.10.2011 - 10 B 24/11-, juris; Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 23.10 -, NVwZ 2012, 244). Für die nationalen Abschiebungsverbote gilt nichts anderes.
25 
Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat zu dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG113 Abs. 5 Satz 1 VwGO; I.). In der Person des Klägers liegen ferner weder unionsrechtliche (II.) noch nationalrechtliche (III.) Abschiebungsverbote vor. Die Abschiebungsandrohung ist gleichfalls rechtlich nicht zu beanstanden (IV.).
I.
26 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation nicht vorliegen.
27 
Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf in Anwendung dieses Abkommens ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, sind Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12) - RL 2004/83/EG - ergänzend anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Die RL 2004/83/EG ist vorliegend auch noch maßgeblich, da nach Art. 40 RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung der RL 2004/83/EG) diese Richtlinie erst mit Wirkung vom 21.12.2013 aufgehoben wird.
28 
Nach Art. 2 Buchst. c) RL 2004/83/EG ist Flüchtling unter anderem derjenige Drittstaatsangehörige, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
29 
Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist beziehungsweise dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG).
30 
Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (BVerfG, Beschluss vom 02.07.1980 - 1 BvR 147, 181-, BVerfGE 54, 341; BVerwG, Urteil vom 31.03.1981 - 9 C 237.80 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Verfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (BVerwG, Urteil vom 18.02.1997 - 9 C 9.96 -, BVerwGE 104, 97), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (BVerwG, Urteil vom 27.04.1982 - 9 C 308.81 -, BVerwGE 65, 250). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (BVerwG, Urteil vom 18.02.1997, a.a.O. S. 99).
31 
Die Richtlinie 2004/83/EG modifiziert diese - asylrechtliche - Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4. Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab bleibt unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 RL 2004/83/EG erlitten hat (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, BVerwGE 136, 377; Urteil vom 01.06.2011 - 10 C 25.10 -, InfAuslR 2011, 408; vgl. auch EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdulla -, NVwZ 2010, 505). Der in dem Tatbestandsmerkmal „... tatsächlich Gefahr liefe ...“ des Art. 2 Buchst. e) RL 2004/83/EG enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28.02.2008 - Nr. 37201/06 - Saadi -, NVwZ 2008, 1330); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Urteil vom 18.04.1996 - 9 C 77.95 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 07.02.2008 - 10 C 33.07 -, ZAR 2008, 192). Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG privilegiert den Vorverfolgten beziehungsweise Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung beziehungsweise einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdulla, NVwZ 2010, 505). Dadurch wird der Vorverfolgte beziehungsweise Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden beziehungsweise schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28.02.2008 - Nr. 37201/06 - Saadi -, NVwZ 2008, 1330). Demjenigen, der im Herkunftsstaat Verfolgung erlitten hat oder dort unmittelbar von Verfolgung bedroht war, kommt die Beweiserleichterung unabhängig davon zugute, ob er zum Zeitpunkt der Ausreise in einem anderen Teil seines Heimatlandes hätte Zuflucht finden können; der Verweis auf eine inländische Fluchtalternative vor der Ausreise ist nicht mehr zulässig (BVerwG, Urteil vom 19.01.2009 - 10 C 52.07 -, BVerwGE 133, 55 = NVwZ 2009, 982).
32 
Die Vermutung nach Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung beziehungsweise des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09, BVerwGE 136, 377 = NVwZ 2011, 51). Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie bezieht sich insoweit nur auf eine zukünftig drohende Verfolgung. Maßgeblich ist danach, ob stichhaltige Gründe gegen eine erneute Verfolgung sprechen, die in einem inneren Zusammenhang mit der vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung stünde (BVerwG, Beschluss vom 23.11.2011- 10 B 32/11 -, juris).
33 
Als Verfolgung im Sinne des Art. 1 A GFK gelten nach Art. 9 Abs. 1 RL 2004/83/EG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Buchst. a)) oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchst. a) beschrieben Weise betroffen ist (Buchst. b)). Beim Flüchtlingsschutz bedeutet allein die Gefahr krimineller Übergriffe ohne Anknüpfung an einen flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsgrund keine Verfolgung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG (BVerwG, Beschluss vom 23.11.2011- 10 B 32/11 -, juris). Art. 9 Abs. 3 RL 2004/83/EG bestimmt, dass eine Verknüpfung zwischen den in Art. 10 RL 2004/83/EG genannten Verfolgungsgründen und den in Art. 9 Abs. 1 RL 2004/83/EG als Verfolgung eingestuften Handlungen bestehen muss.
34 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gruppenverfolgung; vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 -, BVerwGE 126, 243; Urteil vom 01.02.2007 - 1 C 24.06 -, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 30, jeweils m.w.N.). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200) - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2006, a.a.O.). Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.07.1994, a.a.O.). Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, das heißt wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss.
35 
Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a) und b) AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (BVerwG, Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11.08 -, NVwZ 2009, 1237).
36 
Die dargelegten Maßstäbe für die Gruppenverfolgung beanspruchen auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG Gültigkeit. Das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar und steht insoweit mit den Grundgedanken sowohl der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Richtlinie 2004/83/EG in Einklang. Die relevanten Verfolgungshandlungen werden in Art. 9 Abs. 1 RL 2004/83/EG und die asylerheblichen Merkmale als Verfolgungsgründe in Art. 10 RL 2004/83/EG definiert (BVerwG, Urteil vom 21.04.2009, - 10 C 11.08 -, NVwZ 2009, 1237; vgl. zur Gruppenverfolgung zuletzt auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2010 - A 10 S 689/08 -, juris; Urteil vom 09.11.2010 - A 4 S 703/10 -, juris; Beschluss vom 04.08.2011 - A 2 S 1381/11 -, juris).
37 
Die Bundesrepublik Deutschland hat in § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG von der den Mitgliedstaaten in Art. 8 RL 2004/83/EG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, internen Schutz im Rahmen der Flüchtlingsanerkennung zu berücksichtigen. Gemäß Art. 8 Abs. 1 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Art. 8 Abs. 2 RL 2004/83/EG verlangt von den Mitgliedstaaten bei Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, die Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und der persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Gemäß Absatz 3 kann Absatz 1 auch angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen (BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 20.08 -, juris).
38 
1. In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben war der Kläger zum Zeitpunkt seiner Ausreise keiner anlassgeprägten Einzelverfolgung ausgesetzt, weshalb ihm insoweit die Privilegierung aus Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG nicht zu Gute kommt.
39 
Das Vorbringen des Klägers zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal ist wegen erheblicher Widersprüchen, insbesondere wegen deutlich gesteigerten Vorbringens sowie wegen stereotyper Angaben insgesamt nicht glaubhaft. Beim Bundesamt hat der Kläger vorgetragen, er sei beim Innenministerium tätig gewesen und zwar in einer Sonderabteilung. Sie hätten operative Aufgaben durchgeführt. Sie hätten Informationen über die Bewegung der Truppen, ihre Bewaffnung und ihre Zahl gesammelt. Er sei zum Major befördert worden. Substantiierte Angaben zu seiner Tätigkeit im Innenministerium hat der Kläger beim Bundesamt nicht gemacht. Bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart hat er erstmals angegeben, nach dem Kriegsende sei er wieder beim Innenministerium als Aufsicht über Feuerwehr und Gefängnisse eingesetzt worden. Daneben sei er noch in einer Aufklärungstruppe tätig gewesen. Seine Gruppe sei u.a. bei den Kämpfen gegen Wahabiten beteiligt gewesen. Dieses aber hat der Kläger beim Bundesamt nicht erwähnt. Auf die Frage beim Bundesamt, von wem er denn verfolgt worden sei, hat der Kläger geantwortet, wenn er das gewusst hätte. Aber das werde zielgerichtet gemacht. Auf Nachfrage hat er angegeben, er glaube, dass dies aus den Kreisen des FSB, der Nationalen Sicherheit komme. Demgegenüber hat der Kläger in seiner Anhörung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erklärt, er vermute, dass es die Wahabiten gewesen seien, die sie verfolgt hätten. Nicht nachvollziehbar ist auch die Aussage des Klägers beim Bundesamt, er habe von 1994 bis 1999 für die tschetschenische Regierung bei Dudajew gearbeitet. Denn Dschochar Mussajewitsch Dudajew starb bereits im April 1996. Sein Nachfolger im Amt des Präsidenten wurde 1997 Aslan Maschadow. Zu seinen Aufgaben beim Innenministerium hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine weiteren substantiierten Angaben gemacht. Völlig widersprüchlich sind auch die Angaben des Klägers zu seiner Ausbildung. Auf entsprechende Frage beim Bundesamt hat der Kläger angegeben, er habe die Fachschule des Innenministeriums 1988 in Charkov abgeschlossen und zwar mit einem Diplom als Techniker für Spezialtechnik. Auf Nachfrage hat er erklärt, es habe sich um Waffen- und Fahrzeugtechnik, spezielle Technik für das Innenministerium gehandelt. Demgegenüber hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart angegeben, er habe in Grosny im Jahre 1994 mit dem Hochschulabschluss als Philologe abgeschlossen. Über seine Ausbildung als Fahrlehrer und das Betreiben einer Fahrschule in Grosny hat der Kläger weder beim Bundesamt noch beim Verwaltungsgericht berichtet. Das Vorbringen des Klägers steht ferner auch im Widerspruch zu den Angaben seiner Ehefrau. Diese hat bereits bei ihrer persönlichen Anhörung beim Bundesamt am 25.08.2000 im Rahmen ihres eigenen Asylverfahrens erklärt, die Russen hätten ihren Ehemann im Winter 1999/2000 bei ihr gesucht. Bei ihrer Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung hat sie dies bestätigt und ergänzt, die Männer hätten ihr gesagt, sie seien von der Rayon-Abteilung für Inneres, also der Miliz. Sie habe ihrem Mann nichts davon erzählt. Später hat sie dann ausgeführt, Soldaten seien mit einem Panzer gekommen und hätten ihr Haus, in dem inzwischen eine Nachbarin gewohnt habe, in die Luft gejagt. Das habe sie ihrem Mann erzählt, als sie ihn das letzte Mal gesehen habe. Dies hat der Kläger indessen weder beim Bundesamt noch bei seiner gerichtlichen Anhörung beim Verwaltungsgericht Stuttgart noch bei seiner Anhörung vor dem Senat erwähnt. Auch der Senat hält es nicht für glaubhaft, dass die Ehefrau ihrem Mann nichts davon erzählt hätte, wenn russische Milizionäre nach ihm gesucht hätten. Widersprüchlich sind weiterhin die Angaben zu den Umständen der Flucht der Ehefrau des Klägers. Der Kläger hat beim Bundesamt erklärt, die Ausreise seiner Frau hätten seine Schwiegereltern organisiert und auch finanziert. Demgegenüber hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart angegeben, zwei Freunde von ihm hätten auf seine Bitte das Ganze über weitere Bekannte organisiert. Bereits diese dargestellten Widersprüche zeigen die Unglaubhaftigkeit der Angaben des Klägers. Diese wird durch seine weiteren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt. Hier hat der Kläger nunmehr erstmals angegeben, er habe, während er sich in der Zeit von 1999 bis 2003 versteckt bzw. im Untergrund aufgehalten habe, mit Menschenrechtsorganisationen zusammengearbeitet. Er habe mit seinem Freund R... Meetings organisiert und an Demonstrationen teilgenommen, allerdings nicht offiziell. Er habe Fälle von Misshandlungen und Angriffe an R... weitergegeben, die dieser dann wiederum an I... E... weitergeleitet habe. Auf Nachfrage gab der Kläger dann an, an Demonstrationen habe er nicht teilgenommen. Er habe aus dem Untergrund Informationen gesammelt. I... E... habe er erst im August 2003 kennengelernt. Aber auch dieses Vorbringen bleibt, abgesehen davon, dass der Kläger diese für ihn wichtige Tätigkeit erstmals vor dem Senat schildert, im Ungefähren. Dem Kläger war es nicht möglich anzugeben, für welche Menschenrechtsorganisationen er angeblich Informationen gesammelt habe, obwohl I... E... - wie der Kläger weiter behauptet hat - Vorsitzender und Leiter der Organisation gewesen sei. Auf Frage, wer ihn verfolgt habe, gibt der Kläger nun wieder an, er sei von russischen Streitkräften verfolgt worden, nicht so sehr von Wahabiten. Eine Erklärung für die Behauptung, es sei herausgekommen, dass er Informationen an I... E... geliefert habe, konnte der Kläger nicht geben. Aufgrund all dessen konnte sich der Senat nicht von der Wahrheit der Angaben des Klägers überzeugen.
40 
Vor diesem Hintergrund war dem hilfsweise gestellten Antrag Ziffer 4 (vgl. den als Anhang zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung genommenen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2012) zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger im Rang eines Majors im Innenministerium in Grosny gearbeitet habe, dass er festgenommen, gefoltert, misshandelt und erniedrigt worden sei, dass man ihn getötet hätte, wenn er nicht geflohen wäre, I... E... als Zeuge zu vernehmen, nicht nachzugehen. Darüber hinaus hat der Kläger angegeben, er habe I... E... erst im August 2003 persönlich kennengelernt, wobei das Treffen ca. 10 bis 30 Minuten gedauert habe. Aus eigener Kenntnis könnte I... E... daher zu den unter Beweis gestellten Umständen, soweit es sich überhaupt um Tatsachen und nicht nur um Mutmaßungen - wie z.B. hinsichtlich der Tötung des Klägers - handelt, keine Angaben machen. Im Übrigen ist das Vorbringen des Klägers zu I... E... ebenfalls widersprüchlich. Vor dem Senat hat der Kläger angegeben, I... E... habe keinen regulären Beruf gehabt. Zur Begründung des hilfsweise gestellten Beweisantrags hat der Kläger aber angegeben, der Zeuge sei früheres Mitglied der tschetschenischen Regierung gewesen und kenne ihn aus früheren Zeiten. Er arbeite jetzt für amnesty international. Demgegenüber hat der Kläger - wie oben bereits ausgeführt - keine Angaben dazu machen können, für welche Menschenrechtsorganisationen er und I... E... gearbeitet habe.
41 
2. Ob der Kläger zum Zeitpunkt seiner Ausreise einer - regionalen - Gruppenverfolgung in Tschetschenien ausgesetzt war und noch ist (letzteres verneinend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.03.2009 - OVG 3 B 16.08 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.01.2010 - 11 B 07.30343 -, juris; Urteil vom 11.11.2010 – 11 B 09.30087 -, juris; OVG Bremen, Urteil vom 29.04.2010 - 2 A 315/08.A -, EZAR-NF 62 Nr. 20) bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn dem Kläger steht jedenfalls in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens eine inländische Fluchtalternative nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG und damit ein interner Schutz im Sinne des Art. 8 RL 2004/83/EG zur Verfügung. Es ist ihm zuzumuten und kann von ihm daher auch vernünftigerweise erwartet werden, dass er seinen Aufenthalt in einem anderen Landesteil der Russischen Föderation nimmt, an dem er vor Verfolgung sicher ist und wo sein soziales und wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet ist.
42 
Der Senat geht zugunsten des Klägers davon aus, dass die Bewohner Tschetscheniens im Zeitpunkt seiner Ausreise einer regionalen Gruppenverfolgung ausgesetzt waren. Ob dies tatsächlich der Fall war - ob mithin tschetschenische Volkszugehörige aus Tschetschenien dort aus asylerheblichen Gründen (wegen ihres Volkstums oder ihrer politischen Überzeugung) in der erforderlichen Verfolgungsdichte und -intensität von staatlichen russischen [oder der tschetschenischen Republik zuzuordnenden] Stellen verfolgt wurden - braucht demgemäß nicht entschieden zu werden. Die Gefahr einer künftigen Verfolgung des Klägers ist deshalb zwar unter Zubilligung der sich aus Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG ergebenden Beweiserleichterung zu prüfen. Es sprechen im Sinn dieser Bestimmung jedoch stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger gegenwärtig jedenfalls in den übrigen Teilen der Russischen Föderation von irgendeiner Art von Verfolgung betroffen sein wird oder dass eine tatsächliche Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 RL 2004/83/EG). Das gilt auch für Vorfälle, denen sich die Bevölkerung Tschetscheniens bis zur Ausreise des Kläger allgemein ausgesetzt gesehen hat.
43 
Auch unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Art. 8 RL 2004/83/EG, an denen die Zumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative zu messen ist (BVerwG vom 1.2.2007 - 1 C 24.06 -, NVwZ 2007,590), steht politisch unverdächtigen und erwerbsfähigen Tschetschenen in den meisten Teilen der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative bzw. interner Schutz im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 und 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 RL 2004/83/EG zur Verfügung (vgl. BayVGH, Urteil vom 29.01.2010 - 11 B 07.30343 -, juris; Urteil vom 21.06.2010 – 11 B 08.30103 -, juris; Urteil vom 09.08.2010 - 11 B 09.30091 -, juris; Urteil vom 11.11.2010 – 11 B 09.30087 -, juris; OVG Bremen, Urteil vom 29.04.2010 - 2 A 315/08.A -, EZAR-NF 62 Nr. 20; OVG Hamburg, Beschluss vom 27.11.2009 - 2 Bf 337/02.A -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.03.2009 - OVG 3 B 16.08 -, juris; OVG Sachen-Anhalt, Urteil vom 31.07.2008 - 2 L 23/06 -, juris; HessVGH, Urteil vom 21.02.2008 - 3 UE 191/07.A -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.10.2006 - A 3 S 46/06 -, juris; OVG Saarland, Beschluss vom 29.05.2006 - 3 Q 1/06 -; juris; NdsOVG, Beschluss vom 16.01.2007 - 13 LA 67/06 -, juris; Sächsisches OVG, Beschluss vom 07.02.2011 - A 5 A 152/09 -). Davon ist auch für den Fall des Klägers auszugehen.
44 
a.) Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger politisch unverdächtig ist. Eine politisch relevante gegen die tschetschenische Republik, gegen Russland und die Russische Föderation insgesamt gerichtete Tätigkeit hat der Kläger nicht glaubhaft dargelegt. Dies gilt insbesondere - wie der Senat oben aufgezeigt hat - für die Behauptung des Klägers, er habe in den Jahren 1999 bis 2003 für Menschenrechtsorganisationen Informationen gesammelt. Den Angaben des Klägers, soweit sie überhaupt glaubhaft sind, ist auch nichts für ein Strafverfahren gegen ihn zu entnehmen. Ebenso wenig führt allein der Umstand, dass der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, dazu, dass er nach seiner Rückkehr in die Russische Föderation - jedenfalls außerhalb Tschetscheniens - deshalb staatlich verfolgt wird (vgl. AA, Lagebericht vom 07.03.2011). Vor diesem Hintergrund hat der Senat keinen Anlass, entsprechend den in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Anträgen Ziff. 1 und Ziff. 2 (vgl. den als Anhang zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung genommenen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2012) Beweis zu erheben. Weder die vom Senat als widersprüchlich erachteten Angaben des Klägers noch seine Asylantragstellung und sein langjähriger Auslandsaufenthalt vermögen die in den hilfsweise gestellten Beweisanträgen aufgestellte Behauptung zu begründen, er könnte bei einer Rückkehr als Verräter und Spion oder als tschetschenischer Terrorist angesehen werden.
45 
b.) Dem Kläger ist es auch möglich, sich in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens niederzulassen.
46 
Art. 27 der russischen Verfassung von 1993 garantiert die Niederlassungsfreiheit. Dieses Recht ist allerdings strikt begrenzt durch regionale und lokale Bestimmungen und durch das de facto vielerorts noch gültige Propiska-System, das vor dem mit dem Föderationsgesetz im Jahre 1993 eingeführten Registrierungssystem galt und das nicht nur eine Meldung durch den Bürger, sondern auch die Gestattung oder Verweigerung durch die Behörden vorsah. Nach dem Registrierungssystem ist Voraussetzung für eine dauerhafte Registrierung, dass der Antragsteller einen Wohnraumnachweis führen kann und über einen russischen Inlandspass verfügt. Ein in Deutschland ausgestelltes Passersatzpapier reicht für eine dauerhafte Registrierung nicht aus (AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 26). Trotz der Systemumstellung durch das Föderationsgesetz wenden viele Regionalbehörden der Russischen Föderation restriktive örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken an, weshalb Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens erhebliche Schwierigkeiten haben, eine offizielle Registrierung zu erhalten. Besonders in Moskau haben zurückgeführte Tschetschenen in der Regel nur dann eine Chance, in der Stadt Aufnahme zu finden, wenn sie über genügend Geld verfügen oder auf ein Netzwerk von Bekannten oder Verwandten zurückgreifen können.
47 
Die genannten Registrierungsvoraussetzungen gelten im ganzen Land. Gleichwohl ist eine offizielle Registrierung in anderen Regionen der Russischen Föderation, vor allem in Südrussland, grundsätzlich leichter möglich als in Moskau, unter anderem weil Wohnraum - eine der Registrierungsvoraussetzungen - dort erheblich billiger ist als in der russischen Hauptstadt mit ihren hohen Mieten. Neben Moskau, wo etwa 200.000 Tschetschenen leben, ist es Tschetschenen auch gelungen, sich in den Gebieten Rostow, Wolgograd, Stawropol, Krasnodar, Astrachan, Nordossetien und in Karatschajewo-Tscherkessien anzusiedeln (AA, Lagebericht vom 07.03.2011; Memorial-Bericht Oktober 2007, Hrsg. Svetlana Gannuschkina, „ Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation, August 2006 - Oktober 2007 - im Folgenden: Memorial-Bericht Oktober 2007).
48 
Der für die Registrierung erforderliche Inlandspass kann nach der Verordnung der Regierung der Russischen Föderation Nr. 779 vom 20.12.2006 „am Wohnort, Aufenthaltsort oder dem Ort der Antragstellung“ und damit auch außerhalb Tschetschenien beantragt werden (AA, Lagebericht vom 07.03.2011). Ethnische Tschetschenen, die sich außerhalb Tschetscheniens in der Russischen Föderation niederlassen wollen, müssen zwar damit rechnen, dass ihnen die Bestätigung der Anmeldung (die sog. "Registrierung") verweigert werden könnte (vgl. dazu die Abschnitte II.4 und IV.2 des Lageberichts vom 04.04.2010 und vom 07.03.2011). Diese - rechtswidrige - Praxis ist unter dem Blickwinkel des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 9 RL 2004/83/EG indessen nicht erheblich, da das Vorenthalten der Einstempelung in den Inlandspass, durch den die erfolgte Anmeldung einer Person beurkundet wird, als solches nicht mit einer Verletzung der in § 60 Abs. 1 AufenthG erwähnten Schutzgüter "Leben", "körperliche Unversehrtheit" und "Freiheit" einhergeht. Auch werden durch ein derartiges behördliches Verhalten nicht grundlegende Menschenrechte im Sinn von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a RL 2004/83/EG schwerwiegend beeinträchtigt. Zwar legalisiert erst eine Registrierung den Aufenthalt des Betroffenen; zudem ist sie Voraussetzung für den Zugang zur Sozialhilfe, zu staatlich geförderten Wohnungen, zum kostenlosen Gesundheitssystem, zum offiziellen Arbeitsmarkt sowie für den Bezug von Kindergeld und Rente (vgl. AA, Lagebericht vom 4.4.2010 und vom 07.03.2011; Memorial-Bericht Oktober 2007). Mit der Nichterteilung einer Zuzugsgenehmigung in eine bestimmte Gemeinde oder Stadt ist nach dem Charakter der Maßnahme aber nicht ein - zielgerichteter - Eingriff in das Leben oder die Gesundheit intendiert, sondern lediglich eine Aufenthaltsnahme in anderen Landesteilen (vgl. AA, Lagebericht vom 07.03.2011; BVerwG, 19.01.2009 - 10 C 52.07 -, BVerwGE 133, 55 = NVwZ 2009, 982). Ferner ergibt sich aufgrund der Erkenntnislage, dass gerade in bestimmten Großstädten der Russischen Föderation, teilweise aber auch darüber hinaus die Registrierungsverweigerung der lokalen Behörden nicht an die tschetschenische Volkszugehörigkeit oder die Herkunft aus dem Nordkaukasus anknüpft, sondern sämtliche Zuzugswilligen in gleicher Weise betrifft (vgl. etwa Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 16.01.2007 - 13 LA 67/06 -, juris; Beschluss vom 24.06.2006 - 13 LA 398/05 -, juris ; OVG Bremen, Urteil vom 31.05.2006 - 2 A 112/06.A -, juris). Schließlich wird die Ausgrenzung aus der staatlichen Rechtsgemeinschaft, die der Nichtbesitz einer Registrierung in Bezug auf wichtige Lebensbereiche deshalb nach sich ziehen kann, dadurch spürbar gemildert, dass die Registrierungspflicht - nach Änderung der Registrierungsvorschrift am 22.12. 2004 - nunmehr erst nach 90 Tagen ab dem Beginn des Aufenthalts an einem Ort Platz greift (Memorial-Bericht Oktober 2007; OVG Bremen, Urteil vom 29.04.2010 - 2 A 315/08.A -, EZAR-NF 62 Nr. 20; BayVGH, Urteil vom 09.08.2010 - 11 B 09.30091 -, juris). Anhaltspunkte dafür, dass diese Regelung tatsächlich keine Anwendung findet, sind nicht ersichtlich.
49 
Ungeachtet dessen können sich Tschetschenen mit sehr guten Erfolgsaussichten gegen derartige Rechtsverstöße zur Wehr setzen, ohne dass sie vorübergehend nach Tschetschenien zurückkehren müssten. In den zum Gegenstand dieses Verfahrens gemachten, seit 2002 erschienenen Berichten der Menschenrechtsorganisation "Memorial" sind zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen es durch die Einschaltung von Abgeordneten, Journalisten, Menschenrechtsorganisationen oder Rechtsanwälten sowie erforderlichenfalls durch das Beschreiten des Rechtswegs gelungen ist, Tschetschenen eine Registrierung zu verschaffen. In Gestalt der 58 Beratungsstellen, über die die Organisation "Migration und Recht" verfügt, steht Betroffenen ein russlandweites Netz zur Verfügung, in dem jährlich mehr als 20.000 Menschen beraten werden. Soweit nicht bereits mit außerprozessualen Mitteln Abhilfe geschaffen werden kann, darf zumindest in aller Regel davon ausgegangen werden, dass der Betroffene vor Gericht Recht erhalten wird. Denn die russischen Gerichte üben Verwaltungskontrolle nach US-Vorbild aus; behördliche Bescheide können vor dem örtlich zuständigen Bezirksgericht angefochten werden. Die Gerichte sind die einzigen staatlichen Institutionen in Russland, die Tschetschenen Rechtsschutz gewähren. Da stattgebende gerichtliche Entscheidungen im Durchschnitt nach einigen Monaten ab Verfahrenseinleitung ergehen, kann ungeachtet des Umstandes, dass die Verwaltung fallweise rechtswidrige Bescheide trotz ihrer Aufhebung mehrmals erlassen hat, nicht davon gesprochen werden, eine Verweigerung der Registrierung stelle einen Eingriff in nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a RL 2004/83/EG geschützte Rechte dar, der zudem die nach diesen Bestimmungen erforderliche Schwere erreicht. Soweit es einige Monate dauern sollte, bis der Kläger eine Registrierung erhält, kann dieser Zeitraum durch Rückkehrhilfen nach dem REAG/GARP-Programm und durch Aushilfstätigkeiten überbrückt werden (vgl. BayVGH, Urteil vom 11.11.2010 - 11 B 09.30087 -, juris).
50 
c.) Bei einer Niederlassung in anderen Teilen der Russischen Föderation als Tschetschenien hätte der Kläger auch keine asyl- bzw. flüchtlingsrelevante Verfolgung im Hinblick auf ihm dort etwa drohende polizeiliche Maßnahmen zu befürchten.
51 
Auch wenn der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen etwas abgenommen hat, berichten russische Menschenrechtsorganisationen nach wie vor von einem willkürlichen Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit; die Angehörigen dieses Personenkreises stünden unter einer Art Generalverdacht (AA, Lageberichte vom 04.04.2010 und vom 07.03.2011). Personenkontrollen auf der Straße oder in der U-Bahn sowie Hausdurchsuchungen fänden weiterhin statt, hätten jedoch an Intensität nachgelassen; Anweisungen russischer Innenbehörden zur spezifischen erkennungsdienstlichen Behandlung von Tschetschenen seien nicht bekannt (AA, Lageberichte vom 4.4.2010 und vom 07.03.2011).
52 
Auch derartige Vorgänge sind indessen unter dem Blickwinkel des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 9 RL 2004/83/EG grundsätzlich noch nicht rechtserheblich. Muss ein Tschetschene häufiger seinen Ausweis vorzeigen oder sieht er sich öfter mit Durchsuchungsmaßnahmen konfrontiert, als das bei sonstigen Bewohnern der Russischen Föderation der Fall ist, so mag diese Schlechterstellung zwar an die Volkszugehörigkeit, das körperliche Erscheinungsbild oder die regionale Herkunft - und damit an ein Merkmal im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. Art. 10 Abs. 1 RL 2004/83/EG - anknüpfen. Da solche polizeiliche Handlungen indes weder die in § 60 Abs. 1 AufenthG erwähnten Schutzgüter "Leben", "körperliche Unversehrtheit" oder "Freiheit" noch grundlegende Menschenrechte (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a RL 2004/83/EG) verletzen und sie die Betroffenen auch nicht im Sinn von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/83/EG in ähnlich gravierender Weise beeinträchtigen, kommt diesen Praktiken - ungeachtet ihres diskriminierenden Charakters - im Regelfall keine flüchtlingsrechtliche Relevanz zu.
53 
Eine hiervon abweichende Betrachtung wäre dann geboten, wenn es bei derartigen Kontroll- oder Durchsuchungsmaßnahmen zu Übergriffen auf Leib oder Leben der Betroffenen käme oder sie mit einem Freiheitsentzug einhergehen würden, der von seiner zeitlichen Länge her den Rahmen übersteigt, innerhalb dessen eine Person auch in einem Rechtsstaat durch die vollziehende Gewalt vorübergehend festgehalten werden darf. Dass sich der Kläger solchen Praktiken ausgesetzt sehen wird, lässt sich jedoch mit praktischer Sicherheit ausschließen. Gleiches gilt für die Besorgnis, ihm könnten gefälschte Beweismittel untergeschoben werden, um ihn ungerechtfertigt mit einem Strafverfahren zu überziehen. Denn eine Auswertung der einschlägigen Erkenntnismittel ergibt, dass jedenfalls solche Tschetschenen, bei denen es sich nicht um junge Männer handelt, die sich - unmittelbar aus dem früheren Bürgerkriegsgebiet kommend - in andere Teile der Russischen Föderation begeben haben, und die auch nicht durch individuelles rechtswidriges Vorverhalten Anlass für ein polizeiliches Einschreiten gegeben haben, bei Kontakten mit den staatlichen Sicherheitsorganen keine Übergriffe befürchten müssen, denen flüchtlingsrechtliche Relevanz zukommt. So liegt der Fall beim Kläger. Zum einen hat er etwa neun Jahre im Ausland verbracht, so dass keine Rede davon sein kann, dass er direkt aus dem Bürgerkriegsgebiet in andere Gebiete der Russischen Föderation eingereist ist. Zum anderen hat er auch nicht glaubhaft angegeben, in einer militärisch organisierten Rebelleneinheit gekämpft zu haben. Aus den Erkenntnismitteln geht hervor, dass bei Tschetschenen, die nicht die vorbezeichneten Ausnahmekriterien erfüllen, stichhaltige Gründe dagegen sprechen, sie könnten mit ungerechtfertigten strafrechtlichen Vorwürfen überzogen werden (vgl. hierzu BayVGH, Urteil vom 09.08.2010 - 11 B 09.30091 -, juris; Urteil vom 11.11.2010 - 11 B 09.30087 -, juris).
54 
d.) Die in der Russischen Föderation zu beobachtenden Vorkommnisse, deren Ursache in rassistischen oder fremdenfeindlichen Motiven zu suchen sind, stehen der Annahme einer inländischen Fluchtalternative bzw. eines internen Schutzes nach § 60 Abs. 1 Satz 4 und 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 RL 2004/83/EG gleichfalls nicht entgegen.
55 
Der Senat übersieht nicht, dass Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens in gesteigertem Maße Anfeindungen und Misstrauen begegnen. M. Grob (SFH vom 12.09.2011) spricht davon, dass Rassismus gegenüber Kaukasiern in Russland weit verbreitet sei und auch gewalttätigen Charakter habe. Hierbei handelt es sich allerdings lediglich um eine allgemeine Aussage; nachvollziehbare Einzelheiten werden nicht angegeben. Auch R. Mattern (SFH vom 03.06.2010) berichtet von Rassismus als gesellschaftliches Problem. Gefährdungen bestünden für Ausländer mit dunkler Hautfarbe. Allerdings würden russische Sicherheitskräfte versuchen, rassistische Gewalt mit repressiven Methoden zu bekämpfen. Allein im ersten Quartal 2010 seien in 18 Urteilen 74 Personen wegen rassistischer Gewalt verurteilt worden. Im Lagebericht des AA vom 07.03.2011 werden keine asyl- bzw. flüchtlingsrelevanten Rassismusvorfälle gegenüber Tschetschenen berichtet, die nicht nach Tschetschenien, sondern in andere Teile der Russischen Föderation zurückkehren. Im Bericht von U. Rybi (FFH vom 25.11.2009) finden sich hierzu gleichfalls keine Angaben. Zwar spricht auch der Memorial-Bericht April 2009 (Hrsg. Svetlana Gannuschkina, „ Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation, Oktober 2007 - April 2009 - im Folgenden: Memorial-Bericht April 2009) von einem „neuen“ Feindbild in Russland, das sich gegen Tschetschenen richte. Die Berichterstattung beschreibt aber im Wesentlichen ein geistiges Klima. Gewalttätige Übergriffe rechtsradikaler russischer Kräfte auf Tschetschenen, die staatlicherseits initiiert oder geduldet würden, werden in einem asyl- bzw. flüchtlingsrelevanten Ausmaß hingegen - auch im vorausgehenden Memorial-Bericht Oktober 2007, - nicht geschildert. Soweit es Mitte August 2005 im südrussischen Jandyki und in Naltschik - der Hauptstadt der Republik Kabardino-Balkarien - zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Tschetschenen und Angehörigen anderer Volksgruppen gekommen ist (vgl. Memorial-Bericht 2006 [Juli 2005 - Juli 2006]), sind solche Vorkommnisse, bei denen die Gewalttätigkeiten im Übrigen auch von der tschetschenischen Seite ausgingen, in jüngerer Zeit nicht mehr bekannt geworden (vgl. hierzu BayVGH, Urteil vom 09.08.2010 - 11 B 09.30091 -, juris; Urteil vom 11.11.2010 - 11 B 09.30087 -, juris). Den Erkenntnismitteln kann bei der gebotenen Objektivität nicht entnommen werden, dass ethnische Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich Opfer gewalttätiger Übergriffe aus fremdenfeindlichen Beweggründen werden. Angesichts der Vielzahl von in der Russischen Föderation sowohl als Binnenflüchtlinge als auch als Migranten lebenden Tschetschenen bieten die nicht mit näherer Quantifizierung verbundenen Angaben über gegen sie gerichteten Maßnahmen keine zureichenden Anhaltspunkte für die Annahme einer auch nur geringen Wahrscheinlichkeit einer eigenen asyl- bzw. flüchtlingserheblichen Verfolgungsbetroffenheit (vgl. auch OVG Bremen, Urteil vom 29.04.2010 - 2 A 315/08.A -, EZAR-NF 62 Nr. 20. Die Frage, inwieweit sich der russische Staat solche von gesellschaftlichen Kräften ausgehenden Übergriffe gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG zurechnen lassen muss, kann deshalb auf sich beruhen.
56 
e.) Dem Kläger droht aufgrund seines Alters von 55 Jahren auch nicht mehr die Einberufung zum Wehrdienst in der russische Armee (vgl. Lagebericht vom 4.4.2010, wonach die allgemeine Wehrpflicht nur für Männer zwischen 18 und 28 Jahren besteht).
57 
f.) Dem Auswärtigen Amt sind ferner keine Fälle bekannt geworden, in denen tschetschenische Volkszugehörige bei oder nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt waren (Lageberichte vom 4.4.2010 und vom 07.03.2011). Zwar geht das Auswärtige Amt davon aus, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren; diese Befürchtung bezieht sich jedoch insbesondere auf solche Personen, die sich in der Tschetschenienfrage besonders engagiert haben bzw. denen die russischen Behörden ein solches Engagement unterstellen, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren (Lageberichte vom 4.4.2010 und vom 07.03.201; vgl. insoweit auch BayVGH, Urteil vom 11.11.2010 – 11 B 09.30087 -, juris). Zu diesen besonderen Risikogruppen gehört der Kläger indessen nicht.
58 
g.) Dem Kläger ist auch mit Blick auf die Gewährleistung des Existenzminimums eine Aufenthaltsnahme in den übrigen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zumutbar.
59 
Eine interne Fluchtalternative im Sinne von Art. 8 Abs. 1 RL 2004/83/EG setzt neben der - oben dargelegten - Verfolgungssicherheit voraus, dass von dem Kläger vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Maßgeblich ist insofern, ob der Kläger im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative existentiellen Bedrohungen ausgesetzt sein wird, wobei es im Hinblick auf die Neufassung des § 60 AufenthG zur Umsetzung der RL 2004/83/EG nicht (mehr) darauf ankommt, ob diese Gefahren am Herkunftsort ebenso bestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.05.2008 - 10 C 11/07 -, BVerwGE 131, 186). Zur Interpretation des Begriffs der persönlichen Umstände im Sinne des Art. 8 Abs. RL 2004/83/EG kann auf Art. 4 Abs. 3 Buchst. c RL 2004/83/EG zurückgegriffen werden, wonach die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Asylsuchenden einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, bei der Entscheidung zugrunde zu legen sind. Zu fragen ist sodann auf der Grundlage dieses gemischt objektiv-individuellen Maßstabs, ob von einem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich am Ort der internen Fluchtalternative aufhält. Erforderlich hierfür ist, dass er am Zufluchtsort unter persönlich zumutbaren Bemühungen jedenfalls sein Existenzminimum sichern kann. Fehlt es an einer solchen Möglichkeit der Existenzsicherung, ist eine interne Schutzmöglichkeit nicht gegeben.
60 
Eine existentielle Bedrohung ist gegeben, wenn das Existenzminimum nicht gesichert ist. Erwerbsfähigen Personen bietet ein verfolgungssicherer Ort das wirtschaftliche Existenzminimum in aller Regel, wenn sie dort - was grundsätzlich zumutbar ist - durch eigene und notfalls auch weniger attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer "Schatten- oder Nischenwirtschaft" stattfinden. Der Verweis auf eine entwürdigende oder eine kriminelle Arbeit - etwa durch Beteiligung an Straftaten im Rahmen „mafiöser“ Strukturen - ist dagegen nicht zumutbar (BVerwG, Beschluss vom 17.05.2005 - 1 B 100/05 -, juris). Maßgeblich ist grundsätzlich auch nicht, ob der Staat den Flüchtlingen einen durchgehend legalen Aufenthaltsstatus gewähren würde, vielmehr ist in tatsächlicher Hinsicht zu fragen, ob das wirtschaftliche Existenzminimum zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.08.2006 - 1 B 96.06 -, juris; Urteil vom 01.02.2007 - 1 C 24.06 -, NVwZ 2007, 590), d.h. ob mit den erlangten Mitteln auch die notwendigsten Aufwendungen für Leben und Gesundheit bestritten werden können. Ein Leben in der Illegalität, das den Kläger jederzeit der Gefahr polizeilicher Kontrollen und der strafrechtlichen Sanktionierung aussetzt, stellt demgegenüber keine zumutbare Fluchtalternative dar (BVerwG, Urteil vom 01.02.2007 - 1 C 24.06 -, NVwZ 2007, 590).
61 
Gemessen an diesen Grundsätzen ist es dem Kläger - nach der gegenwärtigen Sachlage (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG sowie Art. 8 Abs. 2 RL 2004/83/EG) - zuzumuten und kann von ihm daher auch vernünftigerweise erwartet werden, dass er seinen Aufenthalt in einem anderen Landesteil der Russischen Föderation nimmt, in dem er vor Verfolgung sicher ist und wo sein soziales und wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet ist.
62 
Wie bereits ausgeführt erweitert die Verordnung der Regierung der Russischen Föderation Nr. 779 vom 20.12.2006 die Möglichkeit zur Beantragung und Ausstellung des Inlandspasses in räumlicher Hinsicht. Dieser kann nunmehr am Wohnort, Aufenthaltsort oder dem Ort der Antragstellung ausgestellt werden (vgl. AA, Lageberichte vom 22.11.2008 und vom 07.03.2011; ebenso Memorial-Bericht Oktober 2007). Die Innehabung eines gültigen Inlandspasses ist ihrerseits Voraussetzung für die in diesen Pass zu stempelnde Wohnsitzregistrierung. Die Registrierung, die dem Kläger - wie oben ausgeführt - wenn auch ggf. mit leichter Verzögerung ebenso wie seiner Ehefrau möglich ist, legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt (vgl. AA, Lagebericht vom 07.03.2011; Memorial-Bericht, Oktober 2007). Mit der Registrierung besteht auch für die Kinder des Klägers Zugang zur Bildung (Memorial-Bericht Oktober 2007). Svetlana Gannuschkina berichtet im Memorial-Bericht Oktober 2007, dass im vergangenen Jahr keine Klagen von Menschen aus Tschetschenien über Diskriminierung bei der Arbeitsaufnahme vorlägen.
63 
Die persönlichen Umstände des Klägers rechtfertigen keine andere Einschätzung. Der Kläger ist mit 55 Jahren noch in einem arbeitsfähigen Alter. Hinzu kommt, dass seine Ehefrau mit 44 Jahren deutlich jünger ist und damit ebenfalls durch legale Arbeit infolge Registrierung zum notwendigen Lebensunterhalt beitragen kann. So berichtet Svetlana Gannuschkina, dass tschetschenische Frauen auf der Straße und den Märkten durch Handel ihr Geld verdienen können (Memorial-Bericht Oktober 2007). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch keine seine Arbeitsfähigkeit wesentlich einschränkende Erkrankung substantiiert dargelegt. Dem Senat liegt zwar das psychologische Gutachten des Evangelischen Migrationsdienstes in Württemberg e.V. vom 26.10.2006 über den Kläger vor. Darin wird angegeben, der Kläger leide an einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung. Zusätzlich bestehe eine Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger indessen lediglich angegeben, er gehe ein- bis zweimal im Monat zum Arzt. Er leide an Bluthochdruck. Er sei auch in Behandlung wegen der Nerven und wegen Operationen. Weitere detaillierte Angaben hat der Kläger nicht gemacht. Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass für den Kläger infolge der Registrierung ein Zugang zum kostenlosen Gesundheitssystem besteht und posttraumatische Belastungsstörungen in der Russischen Föderation in großen und größeren Städten grundsätzlich behandelt werden können (vgl. R. Mattern, SFH, Auskunft vom 20.04.2009), kann vom Kläger vernünftigerweise erwartet werden, in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens Aufenthalt zusammen mit seiner Ehefrau und seinen Kindern zu nehmen. Angesichts dessen, dass der Kläger zu seiner psychischen Erkrankung, wie sie im psychologischen Gutachten vom 26.10.2006 - also vor mehr als sechs Jahren - dargestellt wird, keine weiteren substantiierten Angaben gemacht hat, insbesondere dem Senat nicht erläutert hat, ob die seinerzeit diagnostizierte psychische Erkrankung überhaupt noch besteht und wenn ja, welche Behandlungsmaßnahmen erfolgen, war dem vom Kläger hilfsweise gestellten Beweisantrag Ziff. 3 (vgl. den als Anhang zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung genommenen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2012) auf Einholung eines Gutachtens von Herrn Dr. T... S... zum Beweis der Tatsache, dass „der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, an einer jetzt schon chronifizierten Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, dass diese psychische Erkrankung bereits jetzt schon chronifiziert ist aufgrund der Dauer des Verfahrens, dass diese psychische Erkrankung auch Auswirkungen auf sein Aussageverhalten hat im Sinne eines Verdrängungsmechanismus, so dass bei einer Rückkehr oder Abschiebung der Kläger ein akutes Wiederholungstrauma erleiden würde, eine sog. Retraumatisierung in jedem Fall jedoch diese Erkrankung behandlungsbedürftig ist und zwar in einem sicheren Rahmen in der Bundesrepublik Deutschland, ansonsten sich die Erkrankung akut verschlimmert“, nicht nachzugehen. Den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind keine zureichenden Anhaltspunkte für eine akute posttraumatische Belastungsstörung und erst recht nicht für eine chronifizierte Persönlichkeitsänderung zu entnehmen. Die entsprechenden Behauptungen im Beweisantrag werden daher nicht durch tatsächliche Indizien gestützt. Sie erscheinen vielmehr als „ins Blaue hinein“ erhoben; der Beweisantrag ist daher als Ausforschungsbeweisantrag unzulässig. Für den Senat kommt hinzu, dass - wie bereits aufgezeigt - in der Russischen Föderation posttraumatische Belastungsstörungen behandelt werden können. Weiterhin wird in dem psychologischen Gutachten vom 26.10.2006 ausgeführt, dass die Sorge um die Rückkehr aufgrund massiver Ängste vor einer möglichen Folterung und/oder Ermordung zwar die Symptomatik verstärke, jedoch nicht die Ursache der Erkrankung sei. Die Symptomatik und die Verhaltensweisen könnten zudem nicht durch eine Sorge vor einer möglichen Rückkehr erklärt werden. Auch könne die Entwurzelung im Exilland (Unkenntnis der Landessprache, sozialer Abstieg, Arbeitslosigkeit, enge Wohnverhältnisse) als Ursache der bestehenden psychischen Störung ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang ist allerdings zusätzlich festzustellen, dass das Gutachten von einer Rückkehr nach Tschetschenien ausgegangen ist. Da der Kläger sowohl tschetschenisch als auch russisch versteht und spricht, kann von einer Unkenntnis der Landessprache wohl nicht ausgegangen werden. Auch besteht angesichts der fehlenden inhaltlich aussagekräftigen Angaben des Klägers zu seiner derzeitigen psychischen Verfassung keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass er bei einer Niederlassung in einem anderen Teil der Russischen Föderation als Tschetschenien eine Registrierung erst nach dem Ablauf einer Zeitspanne erhalten wird, die so lange ist, dass sich ein aus seiner psychischen Verfassung ergebendes Lebens- bzw. Gesundheitsrisiko - wie im Beweisantrag behauptet - bis dahin realisieren könnte.
64 
In Würdigung all dessen kann vom Kläger vernünftigerweise verlangt werden, dass er sich in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens aufhält. Nach den eben beschriebenen dortigen allgemeinen Gegebenheiten besteht für den Kläger weder eine begründete Furcht vor Verfolgung noch die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
II.
65 
Der Kläger erfüllt ferner nicht die Voraussetzungen für die Feststellung eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 sowie Abs. 7 Satz 2 AufenthG (i.V.m. Abs. 11 und Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 sowie Art. 6 bis 8 RL 2004/83/EG).
66 
Über die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 sowie Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist auch in den Fällen zu entscheiden, in denen das Bundesamt - wie vorliegend - vor Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes über das (Nicht-)Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten entschieden hat und hiergegen Klage erhoben worden ist. In den anhängigen gerichtlichen Verfahren wächst der am 28.08.2007 neu hinzugetretene unionsrechtlich begründete Abschiebungsschutz automatisch an und ist damit zwingend zu prüfen. Über dieses Prüfprogramm können die Verfahrensbeteiligten nicht disponieren und damit in Übergangsfällen das Anwachsen des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes während des gerichtlichen Verfahrens nicht verhindern. In diesen Fällen bedarf es keiner ausdrücklichen Einbeziehung des neuen, auf Unionsrecht beruhenden subsidiären Abschiebungsschutzes in das anhängige gerichtliche Verfahren durch einen der Verfahrensbeteiligten (zur prozessrechtlichen Bedeutung dieser Abschiebungsverbote und zu ihrem Verhältnis zu § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 3 AufenthG sowie zum Streitgegenstand im asylrechtlichen Verwaltungsprozess vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198; Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360; Urteil vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226; Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, juris = DVBl 2011, 1565 [Ls.]; Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 23.10 -, NVwZ 2012, 244).
67 
1. Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG (i.V.m. Art. 15 Buchst. b RL 2004/83/EG und Art. 3 EMRK) liegen nicht vor.
68 
Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Die Regelung des § 60 Abs. 2 AufenthG dient der Umsetzung von Artikel 15 Buchst. b) RL 2004/83/EG, der seinerseits im Wesentlichen dem Grundrecht aus Art. 3 EMRK entspricht (vgl. EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C-465/07 – Elgafaji, InfAuslR 2009, 138 = NVwZ 2009, 705). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen bestehen in der Person des Klägers insbesondere auch deshalb keine zureichenden Anhaltspunkte, weil kein Strafverfahren gegen ihn anhängig ist oder ihm droht.
69 
2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG liegt gleichfalls nicht vor.
70 
Nach § 60 Abs. 3 AufenthG i.V.m. Art. 15 Buchst. a RL 2004/83/EG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht. Im vorliegenden Fall gibt es keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen Gefahr.
71 
3. Die Voraussetzungen für eine Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben.
72 
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685 - EMRK -) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Für das Vorliegen eines solchen Abschiebungsverbotes ist nichts ersichtlich, insbesondere muss der Kläger - wie oben ausgeführt - nicht befürchten, außerhalb Tschetscheniens in unmenschlicher oder erniedrigender Weise behandelt oder gar gefoltert zu werden (Art. 3 EMRK). Andere Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention sind im Fall des Klägers tatbestandlich nicht einschlägig. Dies gilt auch mit Blick auf Art. 8 EMRK. Denn die Asylanträge seiner Ehefrau und seiner Kinder bleiben gleichfalls ohne Erfolg; ein Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik Deutschland besteht nicht.
73 
4. Auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 Buchst. c RL 2004/83/EG sind nicht erfüllt.
74 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, durch den die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c und Art. 2 Buchst. e RL 2004/83/EG ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG und ist in diesem Sinne auszulegen (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198; Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris; Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris).
75 
Es kann vorliegend dahinstehen, ob in Tschetschenien derzeit noch ein - regional begrenzter (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008, - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198) - innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht und ob deshalb in dieser Region auch eine individuelle Bedrohung des Klägers wegen eines außergewöhnlich hohen Niveaus allgemeiner Gefahren im Rahmen des bewaffneten Konflikts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360 = NVwZ 2011, 56 Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG; Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris ) unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG i.V.m. § 60 Abs. 11 AufenthG (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360 = NVwZ 2011, 56; Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris; Beschluss vom 23.11.2011- 10 B 32/11 -, juris) anzunehmen ist. Denn ein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG besteht bei einem - nur - regional begrenzten Konflikt dann nicht, wenn dem Betroffenen ein interner Schutz nach Art. 8 RL 2004/83/EG (i.V.m. § 60 Abs. 11 AufenthG) zur Verfügung steht, weil außerhalb der Region keine Gefahrenlage im oben dargestellten Sinn besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.2009, - 10 C 9.08 -, BVerwGE 134, 188; Urteil vom 29.05.2008 - 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186; vgl. ferner EuGH, Urteil vom 17.02.2009, - C-465/07 - Elgafaji, InfAuslR 2009, 138 = NVwZ 2009, 705). Dies ist vorliegend der Fall. Denn dem Kläger steht nach den obigen Ausführungen in anderen Teilen der Russischen Föderation eine zumutbare interne Schutzalternative zur Verfügung. Diese ist auch erreichbar und es kann von ihm - wie dargelegt - auch unter Würdigung seiner persönlichen Belange und bei Bewertung der gesamten Umstände vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält.
III.
76 
In der Person des Klägers liegen schließlich auch nicht die Voraussetzungen für die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG einschließlich der verfassungskonformen Anwendung von Satz 1 und 3 (vgl. zum einheitlichen Streitgegenstand mit mehreren Anspruchsgrundlagen BVerwG, Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, juris) vor.
77 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 Buchst. c RL 2004/83/EG für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt.
78 
Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nur bei Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke (Art. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07-, BVerwGE 131, 198). Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
79 
Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360 = InfAuslR 2010, 404 = NVwZ 2011, 56; Urteil vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226 = AuAS 2010, 249 = InfAuslR 2010, 458 = NVwZ 2011, 48; Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, juris; Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 23.10 -, NVwZ 2012, 244).
80 
In Anwendung dieser Grundsätze besteht, wie der Senat unter I. 2. festgestellt hat, eine solche extreme konkrete Gefahrenlage für den Kläger in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens nicht.
IV.
81 
Die in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamts vom 11.05.2004 enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung entspricht den gesetzlichen Vorschriften (vgl. § 34 und § 38 Abs. 1 AsylVfG) und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
82 
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
83 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entsprach nicht der Billigkeit (§ 154 Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung), dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten aufzuerlegen, da dieser keinen Antrag gestellt und somit auch kein Kostenrisiko übernommen hat (§ 162 Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung).
84 
Gerichtskosten werden nach § 83b AsylVfG nicht erhoben.
85 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
22 
Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten entscheiden, da dieser mit der Ladung nach § 102 Abs. 2 VwGO auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
23 
Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige - insbesondere mit ihrer Begründung den Vorgaben des § 124a Abs. 6 VwGO entsprechende - Berufung des Klägers ist unbegründet.
24 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist - entgegen der Zulassung der Berufung durch den Senat nicht nur der Anspruch des Klägers auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in seiner Person hinsichtlich der Russischen Föderation und damit der Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16.02.2010 - 10 C 7.09 -, NVwZ 2010, 974), sondern auch sein hilfsweise geltend gemachter Anspruch auf Feststellung unionsrechtlicher und nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes von 2007 bilden die auf Unionsrecht beruhenden Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG 2004 zum einen und die nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG 2004 zum anderen jeweils eigenständige Streitgegenstände, wobei die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote vorrangig vor dem nationalen Abschiebungsverbot u.a. nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG 2004 zu prüfen sind. Damit sind die auf Unionsrecht beruhenden Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG 2004 in dem Verfahren angewachsen (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198; Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360; Urteil vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226; Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, juris = DVBl 2011, 1565 [Ls.]; Beschluss vom 10.10.2011 - 10 B 24/11-, juris; Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 23.10 -, NVwZ 2012, 244). Für die nationalen Abschiebungsverbote gilt nichts anderes.
25 
Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat zu dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG113 Abs. 5 Satz 1 VwGO; I.). In der Person des Klägers liegen ferner weder unionsrechtliche (II.) noch nationalrechtliche (III.) Abschiebungsverbote vor. Die Abschiebungsandrohung ist gleichfalls rechtlich nicht zu beanstanden (IV.).
I.
26 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation nicht vorliegen.
27 
Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf in Anwendung dieses Abkommens ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, sind Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12) - RL 2004/83/EG - ergänzend anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Die RL 2004/83/EG ist vorliegend auch noch maßgeblich, da nach Art. 40 RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung der RL 2004/83/EG) diese Richtlinie erst mit Wirkung vom 21.12.2013 aufgehoben wird.
28 
Nach Art. 2 Buchst. c) RL 2004/83/EG ist Flüchtling unter anderem derjenige Drittstaatsangehörige, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
29 
Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist beziehungsweise dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG).
30 
Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (BVerfG, Beschluss vom 02.07.1980 - 1 BvR 147, 181-, BVerfGE 54, 341; BVerwG, Urteil vom 31.03.1981 - 9 C 237.80 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Verfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (BVerwG, Urteil vom 18.02.1997 - 9 C 9.96 -, BVerwGE 104, 97), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (BVerwG, Urteil vom 27.04.1982 - 9 C 308.81 -, BVerwGE 65, 250). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (BVerwG, Urteil vom 18.02.1997, a.a.O. S. 99).
31 
Die Richtlinie 2004/83/EG modifiziert diese - asylrechtliche - Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4. Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab bleibt unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 RL 2004/83/EG erlitten hat (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, BVerwGE 136, 377; Urteil vom 01.06.2011 - 10 C 25.10 -, InfAuslR 2011, 408; vgl. auch EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdulla -, NVwZ 2010, 505). Der in dem Tatbestandsmerkmal „... tatsächlich Gefahr liefe ...“ des Art. 2 Buchst. e) RL 2004/83/EG enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28.02.2008 - Nr. 37201/06 - Saadi -, NVwZ 2008, 1330); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Urteil vom 18.04.1996 - 9 C 77.95 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 07.02.2008 - 10 C 33.07 -, ZAR 2008, 192). Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG privilegiert den Vorverfolgten beziehungsweise Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung beziehungsweise einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdulla, NVwZ 2010, 505). Dadurch wird der Vorverfolgte beziehungsweise Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden beziehungsweise schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28.02.2008 - Nr. 37201/06 - Saadi -, NVwZ 2008, 1330). Demjenigen, der im Herkunftsstaat Verfolgung erlitten hat oder dort unmittelbar von Verfolgung bedroht war, kommt die Beweiserleichterung unabhängig davon zugute, ob er zum Zeitpunkt der Ausreise in einem anderen Teil seines Heimatlandes hätte Zuflucht finden können; der Verweis auf eine inländische Fluchtalternative vor der Ausreise ist nicht mehr zulässig (BVerwG, Urteil vom 19.01.2009 - 10 C 52.07 -, BVerwGE 133, 55 = NVwZ 2009, 982).
32 
Die Vermutung nach Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung beziehungsweise des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09, BVerwGE 136, 377 = NVwZ 2011, 51). Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie bezieht sich insoweit nur auf eine zukünftig drohende Verfolgung. Maßgeblich ist danach, ob stichhaltige Gründe gegen eine erneute Verfolgung sprechen, die in einem inneren Zusammenhang mit der vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung stünde (BVerwG, Beschluss vom 23.11.2011- 10 B 32/11 -, juris).
33 
Als Verfolgung im Sinne des Art. 1 A GFK gelten nach Art. 9 Abs. 1 RL 2004/83/EG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Buchst. a)) oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchst. a) beschrieben Weise betroffen ist (Buchst. b)). Beim Flüchtlingsschutz bedeutet allein die Gefahr krimineller Übergriffe ohne Anknüpfung an einen flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsgrund keine Verfolgung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG (BVerwG, Beschluss vom 23.11.2011- 10 B 32/11 -, juris). Art. 9 Abs. 3 RL 2004/83/EG bestimmt, dass eine Verknüpfung zwischen den in Art. 10 RL 2004/83/EG genannten Verfolgungsgründen und den in Art. 9 Abs. 1 RL 2004/83/EG als Verfolgung eingestuften Handlungen bestehen muss.
34 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gruppenverfolgung; vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 -, BVerwGE 126, 243; Urteil vom 01.02.2007 - 1 C 24.06 -, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 30, jeweils m.w.N.). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200) - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2006, a.a.O.). Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.07.1994, a.a.O.). Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, das heißt wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss.
35 
Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a) und b) AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (BVerwG, Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11.08 -, NVwZ 2009, 1237).
36 
Die dargelegten Maßstäbe für die Gruppenverfolgung beanspruchen auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG Gültigkeit. Das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar und steht insoweit mit den Grundgedanken sowohl der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Richtlinie 2004/83/EG in Einklang. Die relevanten Verfolgungshandlungen werden in Art. 9 Abs. 1 RL 2004/83/EG und die asylerheblichen Merkmale als Verfolgungsgründe in Art. 10 RL 2004/83/EG definiert (BVerwG, Urteil vom 21.04.2009, - 10 C 11.08 -, NVwZ 2009, 1237; vgl. zur Gruppenverfolgung zuletzt auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2010 - A 10 S 689/08 -, juris; Urteil vom 09.11.2010 - A 4 S 703/10 -, juris; Beschluss vom 04.08.2011 - A 2 S 1381/11 -, juris).
37 
Die Bundesrepublik Deutschland hat in § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG von der den Mitgliedstaaten in Art. 8 RL 2004/83/EG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, internen Schutz im Rahmen der Flüchtlingsanerkennung zu berücksichtigen. Gemäß Art. 8 Abs. 1 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Art. 8 Abs. 2 RL 2004/83/EG verlangt von den Mitgliedstaaten bei Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, die Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und der persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Gemäß Absatz 3 kann Absatz 1 auch angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen (BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 20.08 -, juris).
38 
1. In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben war der Kläger zum Zeitpunkt seiner Ausreise keiner anlassgeprägten Einzelverfolgung ausgesetzt, weshalb ihm insoweit die Privilegierung aus Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG nicht zu Gute kommt.
39 
Das Vorbringen des Klägers zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal ist wegen erheblicher Widersprüchen, insbesondere wegen deutlich gesteigerten Vorbringens sowie wegen stereotyper Angaben insgesamt nicht glaubhaft. Beim Bundesamt hat der Kläger vorgetragen, er sei beim Innenministerium tätig gewesen und zwar in einer Sonderabteilung. Sie hätten operative Aufgaben durchgeführt. Sie hätten Informationen über die Bewegung der Truppen, ihre Bewaffnung und ihre Zahl gesammelt. Er sei zum Major befördert worden. Substantiierte Angaben zu seiner Tätigkeit im Innenministerium hat der Kläger beim Bundesamt nicht gemacht. Bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart hat er erstmals angegeben, nach dem Kriegsende sei er wieder beim Innenministerium als Aufsicht über Feuerwehr und Gefängnisse eingesetzt worden. Daneben sei er noch in einer Aufklärungstruppe tätig gewesen. Seine Gruppe sei u.a. bei den Kämpfen gegen Wahabiten beteiligt gewesen. Dieses aber hat der Kläger beim Bundesamt nicht erwähnt. Auf die Frage beim Bundesamt, von wem er denn verfolgt worden sei, hat der Kläger geantwortet, wenn er das gewusst hätte. Aber das werde zielgerichtet gemacht. Auf Nachfrage hat er angegeben, er glaube, dass dies aus den Kreisen des FSB, der Nationalen Sicherheit komme. Demgegenüber hat der Kläger in seiner Anhörung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erklärt, er vermute, dass es die Wahabiten gewesen seien, die sie verfolgt hätten. Nicht nachvollziehbar ist auch die Aussage des Klägers beim Bundesamt, er habe von 1994 bis 1999 für die tschetschenische Regierung bei Dudajew gearbeitet. Denn Dschochar Mussajewitsch Dudajew starb bereits im April 1996. Sein Nachfolger im Amt des Präsidenten wurde 1997 Aslan Maschadow. Zu seinen Aufgaben beim Innenministerium hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine weiteren substantiierten Angaben gemacht. Völlig widersprüchlich sind auch die Angaben des Klägers zu seiner Ausbildung. Auf entsprechende Frage beim Bundesamt hat der Kläger angegeben, er habe die Fachschule des Innenministeriums 1988 in Charkov abgeschlossen und zwar mit einem Diplom als Techniker für Spezialtechnik. Auf Nachfrage hat er erklärt, es habe sich um Waffen- und Fahrzeugtechnik, spezielle Technik für das Innenministerium gehandelt. Demgegenüber hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart angegeben, er habe in Grosny im Jahre 1994 mit dem Hochschulabschluss als Philologe abgeschlossen. Über seine Ausbildung als Fahrlehrer und das Betreiben einer Fahrschule in Grosny hat der Kläger weder beim Bundesamt noch beim Verwaltungsgericht berichtet. Das Vorbringen des Klägers steht ferner auch im Widerspruch zu den Angaben seiner Ehefrau. Diese hat bereits bei ihrer persönlichen Anhörung beim Bundesamt am 25.08.2000 im Rahmen ihres eigenen Asylverfahrens erklärt, die Russen hätten ihren Ehemann im Winter 1999/2000 bei ihr gesucht. Bei ihrer Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung hat sie dies bestätigt und ergänzt, die Männer hätten ihr gesagt, sie seien von der Rayon-Abteilung für Inneres, also der Miliz. Sie habe ihrem Mann nichts davon erzählt. Später hat sie dann ausgeführt, Soldaten seien mit einem Panzer gekommen und hätten ihr Haus, in dem inzwischen eine Nachbarin gewohnt habe, in die Luft gejagt. Das habe sie ihrem Mann erzählt, als sie ihn das letzte Mal gesehen habe. Dies hat der Kläger indessen weder beim Bundesamt noch bei seiner gerichtlichen Anhörung beim Verwaltungsgericht Stuttgart noch bei seiner Anhörung vor dem Senat erwähnt. Auch der Senat hält es nicht für glaubhaft, dass die Ehefrau ihrem Mann nichts davon erzählt hätte, wenn russische Milizionäre nach ihm gesucht hätten. Widersprüchlich sind weiterhin die Angaben zu den Umständen der Flucht der Ehefrau des Klägers. Der Kläger hat beim Bundesamt erklärt, die Ausreise seiner Frau hätten seine Schwiegereltern organisiert und auch finanziert. Demgegenüber hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart angegeben, zwei Freunde von ihm hätten auf seine Bitte das Ganze über weitere Bekannte organisiert. Bereits diese dargestellten Widersprüche zeigen die Unglaubhaftigkeit der Angaben des Klägers. Diese wird durch seine weiteren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt. Hier hat der Kläger nunmehr erstmals angegeben, er habe, während er sich in der Zeit von 1999 bis 2003 versteckt bzw. im Untergrund aufgehalten habe, mit Menschenrechtsorganisationen zusammengearbeitet. Er habe mit seinem Freund R... Meetings organisiert und an Demonstrationen teilgenommen, allerdings nicht offiziell. Er habe Fälle von Misshandlungen und Angriffe an R... weitergegeben, die dieser dann wiederum an I... E... weitergeleitet habe. Auf Nachfrage gab der Kläger dann an, an Demonstrationen habe er nicht teilgenommen. Er habe aus dem Untergrund Informationen gesammelt. I... E... habe er erst im August 2003 kennengelernt. Aber auch dieses Vorbringen bleibt, abgesehen davon, dass der Kläger diese für ihn wichtige Tätigkeit erstmals vor dem Senat schildert, im Ungefähren. Dem Kläger war es nicht möglich anzugeben, für welche Menschenrechtsorganisationen er angeblich Informationen gesammelt habe, obwohl I... E... - wie der Kläger weiter behauptet hat - Vorsitzender und Leiter der Organisation gewesen sei. Auf Frage, wer ihn verfolgt habe, gibt der Kläger nun wieder an, er sei von russischen Streitkräften verfolgt worden, nicht so sehr von Wahabiten. Eine Erklärung für die Behauptung, es sei herausgekommen, dass er Informationen an I... E... geliefert habe, konnte der Kläger nicht geben. Aufgrund all dessen konnte sich der Senat nicht von der Wahrheit der Angaben des Klägers überzeugen.
40 
Vor diesem Hintergrund war dem hilfsweise gestellten Antrag Ziffer 4 (vgl. den als Anhang zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung genommenen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2012) zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger im Rang eines Majors im Innenministerium in Grosny gearbeitet habe, dass er festgenommen, gefoltert, misshandelt und erniedrigt worden sei, dass man ihn getötet hätte, wenn er nicht geflohen wäre, I... E... als Zeuge zu vernehmen, nicht nachzugehen. Darüber hinaus hat der Kläger angegeben, er habe I... E... erst im August 2003 persönlich kennengelernt, wobei das Treffen ca. 10 bis 30 Minuten gedauert habe. Aus eigener Kenntnis könnte I... E... daher zu den unter Beweis gestellten Umständen, soweit es sich überhaupt um Tatsachen und nicht nur um Mutmaßungen - wie z.B. hinsichtlich der Tötung des Klägers - handelt, keine Angaben machen. Im Übrigen ist das Vorbringen des Klägers zu I... E... ebenfalls widersprüchlich. Vor dem Senat hat der Kläger angegeben, I... E... habe keinen regulären Beruf gehabt. Zur Begründung des hilfsweise gestellten Beweisantrags hat der Kläger aber angegeben, der Zeuge sei früheres Mitglied der tschetschenischen Regierung gewesen und kenne ihn aus früheren Zeiten. Er arbeite jetzt für amnesty international. Demgegenüber hat der Kläger - wie oben bereits ausgeführt - keine Angaben dazu machen können, für welche Menschenrechtsorganisationen er und I... E... gearbeitet habe.
41 
2. Ob der Kläger zum Zeitpunkt seiner Ausreise einer - regionalen - Gruppenverfolgung in Tschetschenien ausgesetzt war und noch ist (letzteres verneinend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.03.2009 - OVG 3 B 16.08 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.01.2010 - 11 B 07.30343 -, juris; Urteil vom 11.11.2010 – 11 B 09.30087 -, juris; OVG Bremen, Urteil vom 29.04.2010 - 2 A 315/08.A -, EZAR-NF 62 Nr. 20) bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn dem Kläger steht jedenfalls in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens eine inländische Fluchtalternative nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG und damit ein interner Schutz im Sinne des Art. 8 RL 2004/83/EG zur Verfügung. Es ist ihm zuzumuten und kann von ihm daher auch vernünftigerweise erwartet werden, dass er seinen Aufenthalt in einem anderen Landesteil der Russischen Föderation nimmt, an dem er vor Verfolgung sicher ist und wo sein soziales und wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet ist.
42 
Der Senat geht zugunsten des Klägers davon aus, dass die Bewohner Tschetscheniens im Zeitpunkt seiner Ausreise einer regionalen Gruppenverfolgung ausgesetzt waren. Ob dies tatsächlich der Fall war - ob mithin tschetschenische Volkszugehörige aus Tschetschenien dort aus asylerheblichen Gründen (wegen ihres Volkstums oder ihrer politischen Überzeugung) in der erforderlichen Verfolgungsdichte und -intensität von staatlichen russischen [oder der tschetschenischen Republik zuzuordnenden] Stellen verfolgt wurden - braucht demgemäß nicht entschieden zu werden. Die Gefahr einer künftigen Verfolgung des Klägers ist deshalb zwar unter Zubilligung der sich aus Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG ergebenden Beweiserleichterung zu prüfen. Es sprechen im Sinn dieser Bestimmung jedoch stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger gegenwärtig jedenfalls in den übrigen Teilen der Russischen Föderation von irgendeiner Art von Verfolgung betroffen sein wird oder dass eine tatsächliche Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 RL 2004/83/EG). Das gilt auch für Vorfälle, denen sich die Bevölkerung Tschetscheniens bis zur Ausreise des Kläger allgemein ausgesetzt gesehen hat.
43 
Auch unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Art. 8 RL 2004/83/EG, an denen die Zumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative zu messen ist (BVerwG vom 1.2.2007 - 1 C 24.06 -, NVwZ 2007,590), steht politisch unverdächtigen und erwerbsfähigen Tschetschenen in den meisten Teilen der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative bzw. interner Schutz im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 und 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 RL 2004/83/EG zur Verfügung (vgl. BayVGH, Urteil vom 29.01.2010 - 11 B 07.30343 -, juris; Urteil vom 21.06.2010 – 11 B 08.30103 -, juris; Urteil vom 09.08.2010 - 11 B 09.30091 -, juris; Urteil vom 11.11.2010 – 11 B 09.30087 -, juris; OVG Bremen, Urteil vom 29.04.2010 - 2 A 315/08.A -, EZAR-NF 62 Nr. 20; OVG Hamburg, Beschluss vom 27.11.2009 - 2 Bf 337/02.A -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.03.2009 - OVG 3 B 16.08 -, juris; OVG Sachen-Anhalt, Urteil vom 31.07.2008 - 2 L 23/06 -, juris; HessVGH, Urteil vom 21.02.2008 - 3 UE 191/07.A -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.10.2006 - A 3 S 46/06 -, juris; OVG Saarland, Beschluss vom 29.05.2006 - 3 Q 1/06 -; juris; NdsOVG, Beschluss vom 16.01.2007 - 13 LA 67/06 -, juris; Sächsisches OVG, Beschluss vom 07.02.2011 - A 5 A 152/09 -). Davon ist auch für den Fall des Klägers auszugehen.
44 
a.) Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger politisch unverdächtig ist. Eine politisch relevante gegen die tschetschenische Republik, gegen Russland und die Russische Föderation insgesamt gerichtete Tätigkeit hat der Kläger nicht glaubhaft dargelegt. Dies gilt insbesondere - wie der Senat oben aufgezeigt hat - für die Behauptung des Klägers, er habe in den Jahren 1999 bis 2003 für Menschenrechtsorganisationen Informationen gesammelt. Den Angaben des Klägers, soweit sie überhaupt glaubhaft sind, ist auch nichts für ein Strafverfahren gegen ihn zu entnehmen. Ebenso wenig führt allein der Umstand, dass der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, dazu, dass er nach seiner Rückkehr in die Russische Föderation - jedenfalls außerhalb Tschetscheniens - deshalb staatlich verfolgt wird (vgl. AA, Lagebericht vom 07.03.2011). Vor diesem Hintergrund hat der Senat keinen Anlass, entsprechend den in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Anträgen Ziff. 1 und Ziff. 2 (vgl. den als Anhang zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung genommenen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2012) Beweis zu erheben. Weder die vom Senat als widersprüchlich erachteten Angaben des Klägers noch seine Asylantragstellung und sein langjähriger Auslandsaufenthalt vermögen die in den hilfsweise gestellten Beweisanträgen aufgestellte Behauptung zu begründen, er könnte bei einer Rückkehr als Verräter und Spion oder als tschetschenischer Terrorist angesehen werden.
45 
b.) Dem Kläger ist es auch möglich, sich in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens niederzulassen.
46 
Art. 27 der russischen Verfassung von 1993 garantiert die Niederlassungsfreiheit. Dieses Recht ist allerdings strikt begrenzt durch regionale und lokale Bestimmungen und durch das de facto vielerorts noch gültige Propiska-System, das vor dem mit dem Föderationsgesetz im Jahre 1993 eingeführten Registrierungssystem galt und das nicht nur eine Meldung durch den Bürger, sondern auch die Gestattung oder Verweigerung durch die Behörden vorsah. Nach dem Registrierungssystem ist Voraussetzung für eine dauerhafte Registrierung, dass der Antragsteller einen Wohnraumnachweis führen kann und über einen russischen Inlandspass verfügt. Ein in Deutschland ausgestelltes Passersatzpapier reicht für eine dauerhafte Registrierung nicht aus (AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 26). Trotz der Systemumstellung durch das Föderationsgesetz wenden viele Regionalbehörden der Russischen Föderation restriktive örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken an, weshalb Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens erhebliche Schwierigkeiten haben, eine offizielle Registrierung zu erhalten. Besonders in Moskau haben zurückgeführte Tschetschenen in der Regel nur dann eine Chance, in der Stadt Aufnahme zu finden, wenn sie über genügend Geld verfügen oder auf ein Netzwerk von Bekannten oder Verwandten zurückgreifen können.
47 
Die genannten Registrierungsvoraussetzungen gelten im ganzen Land. Gleichwohl ist eine offizielle Registrierung in anderen Regionen der Russischen Föderation, vor allem in Südrussland, grundsätzlich leichter möglich als in Moskau, unter anderem weil Wohnraum - eine der Registrierungsvoraussetzungen - dort erheblich billiger ist als in der russischen Hauptstadt mit ihren hohen Mieten. Neben Moskau, wo etwa 200.000 Tschetschenen leben, ist es Tschetschenen auch gelungen, sich in den Gebieten Rostow, Wolgograd, Stawropol, Krasnodar, Astrachan, Nordossetien und in Karatschajewo-Tscherkessien anzusiedeln (AA, Lagebericht vom 07.03.2011; Memorial-Bericht Oktober 2007, Hrsg. Svetlana Gannuschkina, „ Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation, August 2006 - Oktober 2007 - im Folgenden: Memorial-Bericht Oktober 2007).
48 
Der für die Registrierung erforderliche Inlandspass kann nach der Verordnung der Regierung der Russischen Föderation Nr. 779 vom 20.12.2006 „am Wohnort, Aufenthaltsort oder dem Ort der Antragstellung“ und damit auch außerhalb Tschetschenien beantragt werden (AA, Lagebericht vom 07.03.2011). Ethnische Tschetschenen, die sich außerhalb Tschetscheniens in der Russischen Föderation niederlassen wollen, müssen zwar damit rechnen, dass ihnen die Bestätigung der Anmeldung (die sog. "Registrierung") verweigert werden könnte (vgl. dazu die Abschnitte II.4 und IV.2 des Lageberichts vom 04.04.2010 und vom 07.03.2011). Diese - rechtswidrige - Praxis ist unter dem Blickwinkel des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 9 RL 2004/83/EG indessen nicht erheblich, da das Vorenthalten der Einstempelung in den Inlandspass, durch den die erfolgte Anmeldung einer Person beurkundet wird, als solches nicht mit einer Verletzung der in § 60 Abs. 1 AufenthG erwähnten Schutzgüter "Leben", "körperliche Unversehrtheit" und "Freiheit" einhergeht. Auch werden durch ein derartiges behördliches Verhalten nicht grundlegende Menschenrechte im Sinn von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a RL 2004/83/EG schwerwiegend beeinträchtigt. Zwar legalisiert erst eine Registrierung den Aufenthalt des Betroffenen; zudem ist sie Voraussetzung für den Zugang zur Sozialhilfe, zu staatlich geförderten Wohnungen, zum kostenlosen Gesundheitssystem, zum offiziellen Arbeitsmarkt sowie für den Bezug von Kindergeld und Rente (vgl. AA, Lagebericht vom 4.4.2010 und vom 07.03.2011; Memorial-Bericht Oktober 2007). Mit der Nichterteilung einer Zuzugsgenehmigung in eine bestimmte Gemeinde oder Stadt ist nach dem Charakter der Maßnahme aber nicht ein - zielgerichteter - Eingriff in das Leben oder die Gesundheit intendiert, sondern lediglich eine Aufenthaltsnahme in anderen Landesteilen (vgl. AA, Lagebericht vom 07.03.2011; BVerwG, 19.01.2009 - 10 C 52.07 -, BVerwGE 133, 55 = NVwZ 2009, 982). Ferner ergibt sich aufgrund der Erkenntnislage, dass gerade in bestimmten Großstädten der Russischen Föderation, teilweise aber auch darüber hinaus die Registrierungsverweigerung der lokalen Behörden nicht an die tschetschenische Volkszugehörigkeit oder die Herkunft aus dem Nordkaukasus anknüpft, sondern sämtliche Zuzugswilligen in gleicher Weise betrifft (vgl. etwa Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 16.01.2007 - 13 LA 67/06 -, juris; Beschluss vom 24.06.2006 - 13 LA 398/05 -, juris ; OVG Bremen, Urteil vom 31.05.2006 - 2 A 112/06.A -, juris). Schließlich wird die Ausgrenzung aus der staatlichen Rechtsgemeinschaft, die der Nichtbesitz einer Registrierung in Bezug auf wichtige Lebensbereiche deshalb nach sich ziehen kann, dadurch spürbar gemildert, dass die Registrierungspflicht - nach Änderung der Registrierungsvorschrift am 22.12. 2004 - nunmehr erst nach 90 Tagen ab dem Beginn des Aufenthalts an einem Ort Platz greift (Memorial-Bericht Oktober 2007; OVG Bremen, Urteil vom 29.04.2010 - 2 A 315/08.A -, EZAR-NF 62 Nr. 20; BayVGH, Urteil vom 09.08.2010 - 11 B 09.30091 -, juris). Anhaltspunkte dafür, dass diese Regelung tatsächlich keine Anwendung findet, sind nicht ersichtlich.
49 
Ungeachtet dessen können sich Tschetschenen mit sehr guten Erfolgsaussichten gegen derartige Rechtsverstöße zur Wehr setzen, ohne dass sie vorübergehend nach Tschetschenien zurückkehren müssten. In den zum Gegenstand dieses Verfahrens gemachten, seit 2002 erschienenen Berichten der Menschenrechtsorganisation "Memorial" sind zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen es durch die Einschaltung von Abgeordneten, Journalisten, Menschenrechtsorganisationen oder Rechtsanwälten sowie erforderlichenfalls durch das Beschreiten des Rechtswegs gelungen ist, Tschetschenen eine Registrierung zu verschaffen. In Gestalt der 58 Beratungsstellen, über die die Organisation "Migration und Recht" verfügt, steht Betroffenen ein russlandweites Netz zur Verfügung, in dem jährlich mehr als 20.000 Menschen beraten werden. Soweit nicht bereits mit außerprozessualen Mitteln Abhilfe geschaffen werden kann, darf zumindest in aller Regel davon ausgegangen werden, dass der Betroffene vor Gericht Recht erhalten wird. Denn die russischen Gerichte üben Verwaltungskontrolle nach US-Vorbild aus; behördliche Bescheide können vor dem örtlich zuständigen Bezirksgericht angefochten werden. Die Gerichte sind die einzigen staatlichen Institutionen in Russland, die Tschetschenen Rechtsschutz gewähren. Da stattgebende gerichtliche Entscheidungen im Durchschnitt nach einigen Monaten ab Verfahrenseinleitung ergehen, kann ungeachtet des Umstandes, dass die Verwaltung fallweise rechtswidrige Bescheide trotz ihrer Aufhebung mehrmals erlassen hat, nicht davon gesprochen werden, eine Verweigerung der Registrierung stelle einen Eingriff in nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a RL 2004/83/EG geschützte Rechte dar, der zudem die nach diesen Bestimmungen erforderliche Schwere erreicht. Soweit es einige Monate dauern sollte, bis der Kläger eine Registrierung erhält, kann dieser Zeitraum durch Rückkehrhilfen nach dem REAG/GARP-Programm und durch Aushilfstätigkeiten überbrückt werden (vgl. BayVGH, Urteil vom 11.11.2010 - 11 B 09.30087 -, juris).
50 
c.) Bei einer Niederlassung in anderen Teilen der Russischen Föderation als Tschetschenien hätte der Kläger auch keine asyl- bzw. flüchtlingsrelevante Verfolgung im Hinblick auf ihm dort etwa drohende polizeiliche Maßnahmen zu befürchten.
51 
Auch wenn der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen etwas abgenommen hat, berichten russische Menschenrechtsorganisationen nach wie vor von einem willkürlichen Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit; die Angehörigen dieses Personenkreises stünden unter einer Art Generalverdacht (AA, Lageberichte vom 04.04.2010 und vom 07.03.2011). Personenkontrollen auf der Straße oder in der U-Bahn sowie Hausdurchsuchungen fänden weiterhin statt, hätten jedoch an Intensität nachgelassen; Anweisungen russischer Innenbehörden zur spezifischen erkennungsdienstlichen Behandlung von Tschetschenen seien nicht bekannt (AA, Lageberichte vom 4.4.2010 und vom 07.03.2011).
52 
Auch derartige Vorgänge sind indessen unter dem Blickwinkel des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 9 RL 2004/83/EG grundsätzlich noch nicht rechtserheblich. Muss ein Tschetschene häufiger seinen Ausweis vorzeigen oder sieht er sich öfter mit Durchsuchungsmaßnahmen konfrontiert, als das bei sonstigen Bewohnern der Russischen Föderation der Fall ist, so mag diese Schlechterstellung zwar an die Volkszugehörigkeit, das körperliche Erscheinungsbild oder die regionale Herkunft - und damit an ein Merkmal im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. Art. 10 Abs. 1 RL 2004/83/EG - anknüpfen. Da solche polizeiliche Handlungen indes weder die in § 60 Abs. 1 AufenthG erwähnten Schutzgüter "Leben", "körperliche Unversehrtheit" oder "Freiheit" noch grundlegende Menschenrechte (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a RL 2004/83/EG) verletzen und sie die Betroffenen auch nicht im Sinn von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/83/EG in ähnlich gravierender Weise beeinträchtigen, kommt diesen Praktiken - ungeachtet ihres diskriminierenden Charakters - im Regelfall keine flüchtlingsrechtliche Relevanz zu.
53 
Eine hiervon abweichende Betrachtung wäre dann geboten, wenn es bei derartigen Kontroll- oder Durchsuchungsmaßnahmen zu Übergriffen auf Leib oder Leben der Betroffenen käme oder sie mit einem Freiheitsentzug einhergehen würden, der von seiner zeitlichen Länge her den Rahmen übersteigt, innerhalb dessen eine Person auch in einem Rechtsstaat durch die vollziehende Gewalt vorübergehend festgehalten werden darf. Dass sich der Kläger solchen Praktiken ausgesetzt sehen wird, lässt sich jedoch mit praktischer Sicherheit ausschließen. Gleiches gilt für die Besorgnis, ihm könnten gefälschte Beweismittel untergeschoben werden, um ihn ungerechtfertigt mit einem Strafverfahren zu überziehen. Denn eine Auswertung der einschlägigen Erkenntnismittel ergibt, dass jedenfalls solche Tschetschenen, bei denen es sich nicht um junge Männer handelt, die sich - unmittelbar aus dem früheren Bürgerkriegsgebiet kommend - in andere Teile der Russischen Föderation begeben haben, und die auch nicht durch individuelles rechtswidriges Vorverhalten Anlass für ein polizeiliches Einschreiten gegeben haben, bei Kontakten mit den staatlichen Sicherheitsorganen keine Übergriffe befürchten müssen, denen flüchtlingsrechtliche Relevanz zukommt. So liegt der Fall beim Kläger. Zum einen hat er etwa neun Jahre im Ausland verbracht, so dass keine Rede davon sein kann, dass er direkt aus dem Bürgerkriegsgebiet in andere Gebiete der Russischen Föderation eingereist ist. Zum anderen hat er auch nicht glaubhaft angegeben, in einer militärisch organisierten Rebelleneinheit gekämpft zu haben. Aus den Erkenntnismitteln geht hervor, dass bei Tschetschenen, die nicht die vorbezeichneten Ausnahmekriterien erfüllen, stichhaltige Gründe dagegen sprechen, sie könnten mit ungerechtfertigten strafrechtlichen Vorwürfen überzogen werden (vgl. hierzu BayVGH, Urteil vom 09.08.2010 - 11 B 09.30091 -, juris; Urteil vom 11.11.2010 - 11 B 09.30087 -, juris).
54 
d.) Die in der Russischen Föderation zu beobachtenden Vorkommnisse, deren Ursache in rassistischen oder fremdenfeindlichen Motiven zu suchen sind, stehen der Annahme einer inländischen Fluchtalternative bzw. eines internen Schutzes nach § 60 Abs. 1 Satz 4 und 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 RL 2004/83/EG gleichfalls nicht entgegen.
55 
Der Senat übersieht nicht, dass Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens in gesteigertem Maße Anfeindungen und Misstrauen begegnen. M. Grob (SFH vom 12.09.2011) spricht davon, dass Rassismus gegenüber Kaukasiern in Russland weit verbreitet sei und auch gewalttätigen Charakter habe. Hierbei handelt es sich allerdings lediglich um eine allgemeine Aussage; nachvollziehbare Einzelheiten werden nicht angegeben. Auch R. Mattern (SFH vom 03.06.2010) berichtet von Rassismus als gesellschaftliches Problem. Gefährdungen bestünden für Ausländer mit dunkler Hautfarbe. Allerdings würden russische Sicherheitskräfte versuchen, rassistische Gewalt mit repressiven Methoden zu bekämpfen. Allein im ersten Quartal 2010 seien in 18 Urteilen 74 Personen wegen rassistischer Gewalt verurteilt worden. Im Lagebericht des AA vom 07.03.2011 werden keine asyl- bzw. flüchtlingsrelevanten Rassismusvorfälle gegenüber Tschetschenen berichtet, die nicht nach Tschetschenien, sondern in andere Teile der Russischen Föderation zurückkehren. Im Bericht von U. Rybi (FFH vom 25.11.2009) finden sich hierzu gleichfalls keine Angaben. Zwar spricht auch der Memorial-Bericht April 2009 (Hrsg. Svetlana Gannuschkina, „ Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation, Oktober 2007 - April 2009 - im Folgenden: Memorial-Bericht April 2009) von einem „neuen“ Feindbild in Russland, das sich gegen Tschetschenen richte. Die Berichterstattung beschreibt aber im Wesentlichen ein geistiges Klima. Gewalttätige Übergriffe rechtsradikaler russischer Kräfte auf Tschetschenen, die staatlicherseits initiiert oder geduldet würden, werden in einem asyl- bzw. flüchtlingsrelevanten Ausmaß hingegen - auch im vorausgehenden Memorial-Bericht Oktober 2007, - nicht geschildert. Soweit es Mitte August 2005 im südrussischen Jandyki und in Naltschik - der Hauptstadt der Republik Kabardino-Balkarien - zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Tschetschenen und Angehörigen anderer Volksgruppen gekommen ist (vgl. Memorial-Bericht 2006 [Juli 2005 - Juli 2006]), sind solche Vorkommnisse, bei denen die Gewalttätigkeiten im Übrigen auch von der tschetschenischen Seite ausgingen, in jüngerer Zeit nicht mehr bekannt geworden (vgl. hierzu BayVGH, Urteil vom 09.08.2010 - 11 B 09.30091 -, juris; Urteil vom 11.11.2010 - 11 B 09.30087 -, juris). Den Erkenntnismitteln kann bei der gebotenen Objektivität nicht entnommen werden, dass ethnische Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich Opfer gewalttätiger Übergriffe aus fremdenfeindlichen Beweggründen werden. Angesichts der Vielzahl von in der Russischen Föderation sowohl als Binnenflüchtlinge als auch als Migranten lebenden Tschetschenen bieten die nicht mit näherer Quantifizierung verbundenen Angaben über gegen sie gerichteten Maßnahmen keine zureichenden Anhaltspunkte für die Annahme einer auch nur geringen Wahrscheinlichkeit einer eigenen asyl- bzw. flüchtlingserheblichen Verfolgungsbetroffenheit (vgl. auch OVG Bremen, Urteil vom 29.04.2010 - 2 A 315/08.A -, EZAR-NF 62 Nr. 20. Die Frage, inwieweit sich der russische Staat solche von gesellschaftlichen Kräften ausgehenden Übergriffe gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG zurechnen lassen muss, kann deshalb auf sich beruhen.
56 
e.) Dem Kläger droht aufgrund seines Alters von 55 Jahren auch nicht mehr die Einberufung zum Wehrdienst in der russische Armee (vgl. Lagebericht vom 4.4.2010, wonach die allgemeine Wehrpflicht nur für Männer zwischen 18 und 28 Jahren besteht).
57 
f.) Dem Auswärtigen Amt sind ferner keine Fälle bekannt geworden, in denen tschetschenische Volkszugehörige bei oder nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt waren (Lageberichte vom 4.4.2010 und vom 07.03.2011). Zwar geht das Auswärtige Amt davon aus, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren; diese Befürchtung bezieht sich jedoch insbesondere auf solche Personen, die sich in der Tschetschenienfrage besonders engagiert haben bzw. denen die russischen Behörden ein solches Engagement unterstellen, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren (Lageberichte vom 4.4.2010 und vom 07.03.201; vgl. insoweit auch BayVGH, Urteil vom 11.11.2010 – 11 B 09.30087 -, juris). Zu diesen besonderen Risikogruppen gehört der Kläger indessen nicht.
58 
g.) Dem Kläger ist auch mit Blick auf die Gewährleistung des Existenzminimums eine Aufenthaltsnahme in den übrigen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zumutbar.
59 
Eine interne Fluchtalternative im Sinne von Art. 8 Abs. 1 RL 2004/83/EG setzt neben der - oben dargelegten - Verfolgungssicherheit voraus, dass von dem Kläger vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Maßgeblich ist insofern, ob der Kläger im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative existentiellen Bedrohungen ausgesetzt sein wird, wobei es im Hinblick auf die Neufassung des § 60 AufenthG zur Umsetzung der RL 2004/83/EG nicht (mehr) darauf ankommt, ob diese Gefahren am Herkunftsort ebenso bestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.05.2008 - 10 C 11/07 -, BVerwGE 131, 186). Zur Interpretation des Begriffs der persönlichen Umstände im Sinne des Art. 8 Abs. RL 2004/83/EG kann auf Art. 4 Abs. 3 Buchst. c RL 2004/83/EG zurückgegriffen werden, wonach die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Asylsuchenden einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, bei der Entscheidung zugrunde zu legen sind. Zu fragen ist sodann auf der Grundlage dieses gemischt objektiv-individuellen Maßstabs, ob von einem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich am Ort der internen Fluchtalternative aufhält. Erforderlich hierfür ist, dass er am Zufluchtsort unter persönlich zumutbaren Bemühungen jedenfalls sein Existenzminimum sichern kann. Fehlt es an einer solchen Möglichkeit der Existenzsicherung, ist eine interne Schutzmöglichkeit nicht gegeben.
60 
Eine existentielle Bedrohung ist gegeben, wenn das Existenzminimum nicht gesichert ist. Erwerbsfähigen Personen bietet ein verfolgungssicherer Ort das wirtschaftliche Existenzminimum in aller Regel, wenn sie dort - was grundsätzlich zumutbar ist - durch eigene und notfalls auch weniger attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer "Schatten- oder Nischenwirtschaft" stattfinden. Der Verweis auf eine entwürdigende oder eine kriminelle Arbeit - etwa durch Beteiligung an Straftaten im Rahmen „mafiöser“ Strukturen - ist dagegen nicht zumutbar (BVerwG, Beschluss vom 17.05.2005 - 1 B 100/05 -, juris). Maßgeblich ist grundsätzlich auch nicht, ob der Staat den Flüchtlingen einen durchgehend legalen Aufenthaltsstatus gewähren würde, vielmehr ist in tatsächlicher Hinsicht zu fragen, ob das wirtschaftliche Existenzminimum zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.08.2006 - 1 B 96.06 -, juris; Urteil vom 01.02.2007 - 1 C 24.06 -, NVwZ 2007, 590), d.h. ob mit den erlangten Mitteln auch die notwendigsten Aufwendungen für Leben und Gesundheit bestritten werden können. Ein Leben in der Illegalität, das den Kläger jederzeit der Gefahr polizeilicher Kontrollen und der strafrechtlichen Sanktionierung aussetzt, stellt demgegenüber keine zumutbare Fluchtalternative dar (BVerwG, Urteil vom 01.02.2007 - 1 C 24.06 -, NVwZ 2007, 590).
61 
Gemessen an diesen Grundsätzen ist es dem Kläger - nach der gegenwärtigen Sachlage (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG sowie Art. 8 Abs. 2 RL 2004/83/EG) - zuzumuten und kann von ihm daher auch vernünftigerweise erwartet werden, dass er seinen Aufenthalt in einem anderen Landesteil der Russischen Föderation nimmt, in dem er vor Verfolgung sicher ist und wo sein soziales und wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet ist.
62 
Wie bereits ausgeführt erweitert die Verordnung der Regierung der Russischen Föderation Nr. 779 vom 20.12.2006 die Möglichkeit zur Beantragung und Ausstellung des Inlandspasses in räumlicher Hinsicht. Dieser kann nunmehr am Wohnort, Aufenthaltsort oder dem Ort der Antragstellung ausgestellt werden (vgl. AA, Lageberichte vom 22.11.2008 und vom 07.03.2011; ebenso Memorial-Bericht Oktober 2007). Die Innehabung eines gültigen Inlandspasses ist ihrerseits Voraussetzung für die in diesen Pass zu stempelnde Wohnsitzregistrierung. Die Registrierung, die dem Kläger - wie oben ausgeführt - wenn auch ggf. mit leichter Verzögerung ebenso wie seiner Ehefrau möglich ist, legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt (vgl. AA, Lagebericht vom 07.03.2011; Memorial-Bericht, Oktober 2007). Mit der Registrierung besteht auch für die Kinder des Klägers Zugang zur Bildung (Memorial-Bericht Oktober 2007). Svetlana Gannuschkina berichtet im Memorial-Bericht Oktober 2007, dass im vergangenen Jahr keine Klagen von Menschen aus Tschetschenien über Diskriminierung bei der Arbeitsaufnahme vorlägen.
63 
Die persönlichen Umstände des Klägers rechtfertigen keine andere Einschätzung. Der Kläger ist mit 55 Jahren noch in einem arbeitsfähigen Alter. Hinzu kommt, dass seine Ehefrau mit 44 Jahren deutlich jünger ist und damit ebenfalls durch legale Arbeit infolge Registrierung zum notwendigen Lebensunterhalt beitragen kann. So berichtet Svetlana Gannuschkina, dass tschetschenische Frauen auf der Straße und den Märkten durch Handel ihr Geld verdienen können (Memorial-Bericht Oktober 2007). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch keine seine Arbeitsfähigkeit wesentlich einschränkende Erkrankung substantiiert dargelegt. Dem Senat liegt zwar das psychologische Gutachten des Evangelischen Migrationsdienstes in Württemberg e.V. vom 26.10.2006 über den Kläger vor. Darin wird angegeben, der Kläger leide an einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung. Zusätzlich bestehe eine Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger indessen lediglich angegeben, er gehe ein- bis zweimal im Monat zum Arzt. Er leide an Bluthochdruck. Er sei auch in Behandlung wegen der Nerven und wegen Operationen. Weitere detaillierte Angaben hat der Kläger nicht gemacht. Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass für den Kläger infolge der Registrierung ein Zugang zum kostenlosen Gesundheitssystem besteht und posttraumatische Belastungsstörungen in der Russischen Föderation in großen und größeren Städten grundsätzlich behandelt werden können (vgl. R. Mattern, SFH, Auskunft vom 20.04.2009), kann vom Kläger vernünftigerweise erwartet werden, in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens Aufenthalt zusammen mit seiner Ehefrau und seinen Kindern zu nehmen. Angesichts dessen, dass der Kläger zu seiner psychischen Erkrankung, wie sie im psychologischen Gutachten vom 26.10.2006 - also vor mehr als sechs Jahren - dargestellt wird, keine weiteren substantiierten Angaben gemacht hat, insbesondere dem Senat nicht erläutert hat, ob die seinerzeit diagnostizierte psychische Erkrankung überhaupt noch besteht und wenn ja, welche Behandlungsmaßnahmen erfolgen, war dem vom Kläger hilfsweise gestellten Beweisantrag Ziff. 3 (vgl. den als Anhang zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung genommenen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2012) auf Einholung eines Gutachtens von Herrn Dr. T... S... zum Beweis der Tatsache, dass „der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, an einer jetzt schon chronifizierten Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, dass diese psychische Erkrankung bereits jetzt schon chronifiziert ist aufgrund der Dauer des Verfahrens, dass diese psychische Erkrankung auch Auswirkungen auf sein Aussageverhalten hat im Sinne eines Verdrängungsmechanismus, so dass bei einer Rückkehr oder Abschiebung der Kläger ein akutes Wiederholungstrauma erleiden würde, eine sog. Retraumatisierung in jedem Fall jedoch diese Erkrankung behandlungsbedürftig ist und zwar in einem sicheren Rahmen in der Bundesrepublik Deutschland, ansonsten sich die Erkrankung akut verschlimmert“, nicht nachzugehen. Den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind keine zureichenden Anhaltspunkte für eine akute posttraumatische Belastungsstörung und erst recht nicht für eine chronifizierte Persönlichkeitsänderung zu entnehmen. Die entsprechenden Behauptungen im Beweisantrag werden daher nicht durch tatsächliche Indizien gestützt. Sie erscheinen vielmehr als „ins Blaue hinein“ erhoben; der Beweisantrag ist daher als Ausforschungsbeweisantrag unzulässig. Für den Senat kommt hinzu, dass - wie bereits aufgezeigt - in der Russischen Föderation posttraumatische Belastungsstörungen behandelt werden können. Weiterhin wird in dem psychologischen Gutachten vom 26.10.2006 ausgeführt, dass die Sorge um die Rückkehr aufgrund massiver Ängste vor einer möglichen Folterung und/oder Ermordung zwar die Symptomatik verstärke, jedoch nicht die Ursache der Erkrankung sei. Die Symptomatik und die Verhaltensweisen könnten zudem nicht durch eine Sorge vor einer möglichen Rückkehr erklärt werden. Auch könne die Entwurzelung im Exilland (Unkenntnis der Landessprache, sozialer Abstieg, Arbeitslosigkeit, enge Wohnverhältnisse) als Ursache der bestehenden psychischen Störung ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang ist allerdings zusätzlich festzustellen, dass das Gutachten von einer Rückkehr nach Tschetschenien ausgegangen ist. Da der Kläger sowohl tschetschenisch als auch russisch versteht und spricht, kann von einer Unkenntnis der Landessprache wohl nicht ausgegangen werden. Auch besteht angesichts der fehlenden inhaltlich aussagekräftigen Angaben des Klägers zu seiner derzeitigen psychischen Verfassung keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass er bei einer Niederlassung in einem anderen Teil der Russischen Föderation als Tschetschenien eine Registrierung erst nach dem Ablauf einer Zeitspanne erhalten wird, die so lange ist, dass sich ein aus seiner psychischen Verfassung ergebendes Lebens- bzw. Gesundheitsrisiko - wie im Beweisantrag behauptet - bis dahin realisieren könnte.
64 
In Würdigung all dessen kann vom Kläger vernünftigerweise verlangt werden, dass er sich in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens aufhält. Nach den eben beschriebenen dortigen allgemeinen Gegebenheiten besteht für den Kläger weder eine begründete Furcht vor Verfolgung noch die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
II.
65 
Der Kläger erfüllt ferner nicht die Voraussetzungen für die Feststellung eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 sowie Abs. 7 Satz 2 AufenthG (i.V.m. Abs. 11 und Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 sowie Art. 6 bis 8 RL 2004/83/EG).
66 
Über die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 sowie Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist auch in den Fällen zu entscheiden, in denen das Bundesamt - wie vorliegend - vor Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes über das (Nicht-)Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten entschieden hat und hiergegen Klage erhoben worden ist. In den anhängigen gerichtlichen Verfahren wächst der am 28.08.2007 neu hinzugetretene unionsrechtlich begründete Abschiebungsschutz automatisch an und ist damit zwingend zu prüfen. Über dieses Prüfprogramm können die Verfahrensbeteiligten nicht disponieren und damit in Übergangsfällen das Anwachsen des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes während des gerichtlichen Verfahrens nicht verhindern. In diesen Fällen bedarf es keiner ausdrücklichen Einbeziehung des neuen, auf Unionsrecht beruhenden subsidiären Abschiebungsschutzes in das anhängige gerichtliche Verfahren durch einen der Verfahrensbeteiligten (zur prozessrechtlichen Bedeutung dieser Abschiebungsverbote und zu ihrem Verhältnis zu § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 3 AufenthG sowie zum Streitgegenstand im asylrechtlichen Verwaltungsprozess vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198; Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360; Urteil vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226; Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, juris = DVBl 2011, 1565 [Ls.]; Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 23.10 -, NVwZ 2012, 244).
67 
1. Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG (i.V.m. Art. 15 Buchst. b RL 2004/83/EG und Art. 3 EMRK) liegen nicht vor.
68 
Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Die Regelung des § 60 Abs. 2 AufenthG dient der Umsetzung von Artikel 15 Buchst. b) RL 2004/83/EG, der seinerseits im Wesentlichen dem Grundrecht aus Art. 3 EMRK entspricht (vgl. EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C-465/07 – Elgafaji, InfAuslR 2009, 138 = NVwZ 2009, 705). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen bestehen in der Person des Klägers insbesondere auch deshalb keine zureichenden Anhaltspunkte, weil kein Strafverfahren gegen ihn anhängig ist oder ihm droht.
69 
2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG liegt gleichfalls nicht vor.
70 
Nach § 60 Abs. 3 AufenthG i.V.m. Art. 15 Buchst. a RL 2004/83/EG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht. Im vorliegenden Fall gibt es keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen Gefahr.
71 
3. Die Voraussetzungen für eine Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben.
72 
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685 - EMRK -) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Für das Vorliegen eines solchen Abschiebungsverbotes ist nichts ersichtlich, insbesondere muss der Kläger - wie oben ausgeführt - nicht befürchten, außerhalb Tschetscheniens in unmenschlicher oder erniedrigender Weise behandelt oder gar gefoltert zu werden (Art. 3 EMRK). Andere Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention sind im Fall des Klägers tatbestandlich nicht einschlägig. Dies gilt auch mit Blick auf Art. 8 EMRK. Denn die Asylanträge seiner Ehefrau und seiner Kinder bleiben gleichfalls ohne Erfolg; ein Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik Deutschland besteht nicht.
73 
4. Auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 Buchst. c RL 2004/83/EG sind nicht erfüllt.
74 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, durch den die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c und Art. 2 Buchst. e RL 2004/83/EG ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG und ist in diesem Sinne auszulegen (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198; Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris; Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris).
75 
Es kann vorliegend dahinstehen, ob in Tschetschenien derzeit noch ein - regional begrenzter (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008, - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198) - innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht und ob deshalb in dieser Region auch eine individuelle Bedrohung des Klägers wegen eines außergewöhnlich hohen Niveaus allgemeiner Gefahren im Rahmen des bewaffneten Konflikts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360 = NVwZ 2011, 56 Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG; Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris ) unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG i.V.m. § 60 Abs. 11 AufenthG (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360 = NVwZ 2011, 56; Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris; Beschluss vom 23.11.2011- 10 B 32/11 -, juris) anzunehmen ist. Denn ein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG besteht bei einem - nur - regional begrenzten Konflikt dann nicht, wenn dem Betroffenen ein interner Schutz nach Art. 8 RL 2004/83/EG (i.V.m. § 60 Abs. 11 AufenthG) zur Verfügung steht, weil außerhalb der Region keine Gefahrenlage im oben dargestellten Sinn besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.2009, - 10 C 9.08 -, BVerwGE 134, 188; Urteil vom 29.05.2008 - 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186; vgl. ferner EuGH, Urteil vom 17.02.2009, - C-465/07 - Elgafaji, InfAuslR 2009, 138 = NVwZ 2009, 705). Dies ist vorliegend der Fall. Denn dem Kläger steht nach den obigen Ausführungen in anderen Teilen der Russischen Föderation eine zumutbare interne Schutzalternative zur Verfügung. Diese ist auch erreichbar und es kann von ihm - wie dargelegt - auch unter Würdigung seiner persönlichen Belange und bei Bewertung der gesamten Umstände vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält.
III.
76 
In der Person des Klägers liegen schließlich auch nicht die Voraussetzungen für die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG einschließlich der verfassungskonformen Anwendung von Satz 1 und 3 (vgl. zum einheitlichen Streitgegenstand mit mehreren Anspruchsgrundlagen BVerwG, Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, juris) vor.
77 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 Buchst. c RL 2004/83/EG für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt.
78 
Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nur bei Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke (Art. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07-, BVerwGE 131, 198). Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
79 
Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360 = InfAuslR 2010, 404 = NVwZ 2011, 56; Urteil vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226 = AuAS 2010, 249 = InfAuslR 2010, 458 = NVwZ 2011, 48; Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, juris; Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 23.10 -, NVwZ 2012, 244).
80 
In Anwendung dieser Grundsätze besteht, wie der Senat unter I. 2. festgestellt hat, eine solche extreme konkrete Gefahrenlage für den Kläger in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens nicht.
IV.
81 
Die in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamts vom 11.05.2004 enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung entspricht den gesetzlichen Vorschriften (vgl. § 34 und § 38 Abs. 1 AsylVfG) und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
82 
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
83 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entsprach nicht der Billigkeit (§ 154 Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung), dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten aufzuerlegen, da dieser keinen Antrag gestellt und somit auch kein Kostenrisiko übernommen hat (§ 162 Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung).
84 
Gerichtskosten werden nach § 83b AsylVfG nicht erhoben.
85 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Feststellung unionsrechtlicher oder nationaler Abschiebungsverbote.

Er ist nach eigenen Angaben russischer Staatsangehöriger kumykischer Volkszugehörigkeit und muslimischen Glaubens. Er trägt zuletzt vor, am 31. Januar 1988 in N., Gebiet C. in der Region Dagestan geboren zu sein.

Am 16. Mai 2010 reiste der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 22. Juni 2010 einen Asylantrag. Er gab dabei an, er sei am 20. März 1993 geboren. Mit Bescheid vom 6. Juli 2010 setzte die Regierung von Mittelfranken sein Geburtsdatum auf 1. Januar 1992 fest.

Der Kläger gab bei seiner Asylantragstellung an, seine Eltern seien verstorben. Nach dem Tod der Mutter am 23. November 2000 bis zu seiner Ausreise aus der Russischen Föderation am 13. Mai 2010 habe er bei einer Schwester seines Vaters in N. gelebt. In dem Jahr, in dem er 16 Jahre alt geworden sei, sei er einer Musterungsuntersuchung beim Militärkommissariat in C. unterzogen worden. Eine Entscheidung darüber habe er nicht erhalten.

Zu seinem Verfolgungsschicksal führte er aus, er sei im Januar 2010 für drei Tage inhaftiert und der Unterstützung der Wahabiten verdächtigt worden. Nach seiner Freilassung habe er bis zu seiner Ausreise noch mehrere Monate bei seiner Tante in dem Dorf gelebt.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 15. Oktober 2010 ab (Nr. 1), stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 2) und Abschiebungsverbote (Nr. 3) nicht vorliegen und forderte den Kläger auf, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen (Nr. 4 Satz 1). Sollte er die Ausreisefrist nicht einhalten, drohte die Beklagte dem Kläger die Abschiebung in die Russische Föderation oder einen anderen Staat an, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist (Nr. 4 Satz 2).

Das Verwaltungsgericht Würzburg wies die gegen die Nrn. 2 bis 4 des Bescheids gerichtete Klage mit Urteil vom 14. Februar 2011 ab.

Zur Begründung der mit Beschluss vom 20. Dezember 2012 zugelassenen Berufung führt der Kläger aus, ihm drohe die Einberufung in das russische Militär und dort die Misshandlung durch Vorgesetzte oder ältere Rekruten. Er sei gesundheitlich vorbelastet, so dass ihn die Situation in der Armee noch härter treffen würde als andere. Die in Deutschland durchgeführte Behandlung sei in Russland nur begrenzt verfügbar und müsse von ihm selbst finanziert werden, was er nicht könne. Zudem drohe ihm die Misshandlung durch Sicherheitskräfte, da davon auszugehen sei, dass die seinerzeitige Festnahme registriert worden sei.

Gemäß ärztlichen Attesten vom 18. Dezember 2013 und 26. September 2014 leidet der Kläger an einer chronischen Hepatitis B, die von November 2011 bis November 2012 mit Interferon behandelt wurde. Seitdem befinde er sich in einer stabilen Situation. Die Viruslast liege stabil in einem niedrigen Bereich. Grundsätzlich sei von einer Infektiosität bei Blutkontakten auszugehen.

Es wurde Beweis erhoben durch Einholung ergänzender Ausführungen des Instituts für Ostrecht vom 27. Dezember 2013 zum im Verfahren 11 B 11.30487 eingeholten Rechtsgutachten vom 28. August 2013. Auf die Auskunft wird verwiesen.

Am 29. Juli 2013 und am 27. November 2013 wurde vor dem Senat mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschriften wird verwiesen.

Die Erkenntnismittelliste „Russische Föderation“ (Stand: 19.11.2014) wurde zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Mit Schriftsätzen vom 3. und 19. Dezember 2014 haben die Beteiligten auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung, über die ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, da die Beteiligten nach § 125 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 101 Abs. 2 VwGO ihr Einverständnis damit erklärt haben, hat keinen Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. Februar 2011 ist rechtmäßig, denn der Kläger hat weder Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (I.), noch auf Feststellung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz (II.) oder nationalen Abschiebungsverboten (III.).

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG. Gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG ist einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland Bedrohungen seines Lebens, seiner Freiheit oder anderer in § 3a Abs. 2 AsylVfG geschützter Rechtsgüter wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung ausgesetzt ist. Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67). Dazu muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass aufgrund der im Zeitpunkt der Entscheidung im Herkunftsstaat des Asylsuchenden herrschenden politischen Verhältnisse in absehbarer Zeit mit Verfolgungsmaßnahmen ernsthaft zu rechnen ist (BVerwG, U.v. 18.10.1983 - 9 C 158.80 - BVerwGE 68, 106). Wurde der Betroffene bereits verfolgt oder hat er einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten bzw. war er von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht, so ist dies nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Richtlinie 2011/95/EU) ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden.

Nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG solche Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG kann eine Verfolgungshandlung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 3 AsylVfG muss eine Verknüpfung zwischen den Verfolgungsgründen des § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylVfG und den Verfolgungshandlungen nach § 3a Abs. 1 und 2 AsylVfG bestehen.

Gemessen an diesen Vorgaben droht dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Kläger sein Heimatland wegen bereits erlittener oder unmittelbar drohender individueller Verfolgung verlassen hat. Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU kommt ihm daher nicht zugute. Die Schilderungen des Klägers hinsichtlich der mehrere Monate vor seiner Ausreise behaupteten Vorkommnisse im Januar 2010 sind nicht glaubhaft, denn sie sind teilweise nicht nachvollziehbar und sehr detailarm. Der Kläger hat regelmäßig erst auf Nachfrage Einzelheiten genannt, seine Antworten korrigiert und den Fragestellungen angepasst. Die Ausführungen erwecken den Eindruck, dass der Kläger die Situationen tatsächlich so nicht erlebt hat, sondern versucht hat, passende Antworten zu geben. Darüber hinaus sind die Ausführungen vor dem Bundesamt und vor dem Verwaltungsgerichtshof jeweils in sich widersprüchlich, wurden beständig gesteigert und stimmen auch nicht überein.

Vor dem Bundesamt hat der Kläger zuerst ausgeführt, die Polizei habe ihn im Januar 2010 von zu Hause mitgenommen. Weitere Vorfälle habe es nicht gegeben. Kurz darauf korrigierte er sich und sagte, er sei aus der Wohnung eines Nachbarn mitgenommen worden. Auf die Frage, was mit dem Nachbarn passiert sei, sagte er, dass er ihn eine Woche später auf der Straße getroffen habe, der Nachbar aber nichts gesagt habe. Später berichtete der Kläger dann, dass das Leben bei ihm daheim sehr gefährlich sei und sein Nachbar R. von den Sicherheitsbehörden umgebracht worden sei. Auf Nachfrage, wie der Nachbar geheißen habe, bei dem er damals mitgenommen worden sei, behauptete er dann, dass dies Herr R. gewesen sei. Diese Schilderung bezüglich des Nachbarn wirkt völlig konstruiert. Es ist insbesondere nicht nachvollziehbar, wieso der Kläger auf die Frage, was mit dem Nachbarn passiert sei, nicht sofort angegeben hat, dass dieser von Sicherheitskräften umgebracht wurde, wenn dies den Tatsachen entsprechen würde.

Weiter berichtete der Kläger, er sei drei Tage an einem ihm unbekannten Ort festgehalten worden. Im Widerspruch dazu führte er später aus, der Ort sei in der Nähe seines Heimatortes gewesen. Bei seiner Freilassung sei er zur Straße gebracht worden und dann in zehn Minuten nach Hause gelaufen. Es ist nicht glaubhaft, dass der bei seiner Ausreise schon 22 Jahre alte Kläger einen solchen Ort in der Nähe seines Heimatortes nicht gekannt hat. Hinsichtlich der Personen, die ihn angeblich mitgenommen hatten, gab er zuerst an, diese seien nicht in Uniform gewesen. Auf Nachfrage ergänzte er später, die Personen seien mit schwarzer Tarnkleidung bekleidet gewesen. Würden den Schilderungen tatsächlich erlebte Begebenheiten zugrunde liegen, wäre aber zu erwarten gewesen, dass er im Zusammenhang mit der Uniformierung, die Tarnkleidung sofort erwähnt hätte. Bezüglich der Behandlung während der Inhaftierung berichtete er zuerst, dass er am zweiten Tag geschlagen worden sei. Später korrigierte er sich und trug vor, er sei am ersten Tag zwei oder drei Stunden geschlagen worden und zwar mit Kissen, damit keine Spuren verblieben. Er habe aber Schmerzen gehabt. Am zweiten Tag sei er weniger geschlagen worden. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen er diesbezüglich zuerst andere Angaben gemacht hat.

Weiterhin machte er widersprüchliche Angaben zu seiner Ausreise. Er führte aus, er sei ungefähr vier Tage vor seiner Ausreise auf einem Bergpfad etwa eineinhalb Stunden zu einer Hirtenhütte gelaufen und habe sich dort versteckt. Dann gab er an, am Abend des 13. Mai 2010 sei er mit einem Pkw in eine ca. 700 Kilometer entfernte Stadt gebracht worden. Ebenfalls am 13. Mai 2010 sei er mit einem Lkw von der Stadt P. losgefahren und habe die Russische Föderation verlassen. Auf Nachfrage, dass dies nicht stimmen könne, führte er aus, dann sei er eben am 14. Mai 2010 aus P. weggefahren.

Auch in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 29. Juli 2013 hat der Kläger widersprüchliche und erheblich gesteigerte Angaben gemacht. Er führte nunmehr aus, fünf bis sechs maskierte Männer seien in das Haus des Nachbarn eingedrungen und hätten ihn mitgenommen. Sie hätten schwarze Mützen mit Augenschlitzen getragen. Von einer solchen Bekleidung war vor dem Bundesamt noch nicht die Rede gewesen. Nach seiner Freilassung sei er zum Arzt gegangen und habe Tabletten und Salben erhalten. Auch dies hatte er vor dem Bundesamt nicht vorgetragen.

Des Weiteren steigerte er seinen Vortrag erheblich und machte geltend, die Personen seien nach dem ersten Vorfall hin und wieder erneut zu ihm nach Hause gekommen, hätten ihn aber nicht angetroffen, weil er sich rechtzeitig versteckt habe. Auf Vorhalt des Beklagtenvertreters, weshalb er dies nicht schon bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt vorgetragen habe, erklärte der Kläger, nach seiner Freilassung und Rückkehr nach Hause zu seiner Tante habe er gehört, dass er gesucht werde. Im Widerspruch zu seinen Angaben vor dem Bundesamt und zu den zuvor gemachten Aussagen, erklärte er dann, seine Verfolger hätten ihn zu Hause aufgesucht und auch angetroffen. Sie hätten die Tür eingeschlagen und die Tante zur Seite geschoben. Er sei durch das Fenster entkommen und habe sich zwei bis drei Tage bei Bekannten versteckt gehalten, bevor die Tante mit dem Fahrer dorthin gekommen sei. Auf Vorhalt, weshalb er diese Begebenheiten nicht schon früher geschildert habe, gab er an, er habe stets seine Verfolgungsgeschichte erzählt und die Fragen beantwortet.

Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in die Russische Föderation ist auch im Übrigen nicht zu erwarten. Eine Gruppenverfolgung der Kumyken oder moslemischer Religionszugehöriger hat der Kläger nicht behauptet und lässt sich den Erkenntnismitteln auch nicht entnehmen. Eine bestimmte politische oder religiöse Einstellung, die zu einer Verfolgung führen könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen. Selbst wenn der Kläger Anfang 2010 tatsächlich kurzfristig von den Sicherheitsbehörden festgehalten und der Unterstützung der Wahabiten verdächtigt worden sein sollte, so wurde er wieder entlassen und konnte mehrere Monate unbehelligt bei seiner Tante in seinem Heimatland leben. Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass der Kläger in einer Fahndungsliste registriert ist und bei seiner Rückkehr wegen einer vermeintlichen Unterstützung der Wahabiten oder anderer islamistischer Extremisten verhaftet wird. Andere Gründe, aus denen ihm eine Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylVfG drohen könnte, hat der Kläger nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

II.

Es liegen auch keine Gründe für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Voraussetzung ist, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den geschützten Rechtsgütern droht (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454). Die Beweiserleichterungen des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU finden nach Art. 18 Richtlinie 2011/95/EU ebenfalls Anwendung. Nach der Überzeugung des Gerichts droht dem Kläger in der Russischen Föderation keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG.

1. Der Kläger hat in seinem Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung als Wehrdienstleistender zu befürchten. Zum Ablauf der im Bescheid vom 15. Oktober 2010 in Nr. 4 Satz 1 gesetzten Ausreisefrist und damit der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nach § 50 Abs. 1 und 2, § 58 Abs. 1 AufenthG, wird er das 27. Lebensjahr schon vollendet haben und damit der Wehrpflicht nicht mehr unterliegen. Nach Art. 22 Pkt. 1 Nr. 1 Buchst. a des russischen Militärdienstgesetzes (MilitärdienstG) unterliegen der Einberufung zum Militärdienst männliche Staatsangehörige der Russischen Föderation im Alter von 18 bis 27 Jahren (Institut für Ostrecht v. 27.8.2013, S. 3). Gemeint ist damit der Zeitpunkt der Vollendung des 27. Lebensjahrs (Institut für Ostrecht v. 27.12.2013, S. 2). Der Kläger hat zuletzt vorgetragen, er sei am 31. Januar 1988 geboren. Er unterliegt daher ab Februar 2015 nicht mehr der Wehrpflicht. Auf die Fragen, ob er als Angehöriger der Minderheit der Kumyken aus Dagestan mit muslimischem Glauben überhaupt eine Einberufung zum Wehrdienst zu befürchten hätte und ob sich die Menschenrechtslage in den Streitkräften der Russischen Föderation, z. B. auch durch die Schaffung einer Militärpolizei (Radio Stimme Russlands v. 4.2.2014), nennenswert verbessert hat (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: August 2014, S. 12 f.), kommt es mithin nicht an.

2. Dem Kläger droht auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung, denn eine strafbare Wehrdienstentziehung liegt voraussichtlich nicht vor. Nach Art. 328 Pkt. 1 des russischen Strafgesetzbuches (russ. StGB) macht sich strafbar, wer sich der Einberufung zum Militärdienst entzieht, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von diesem Dienst nicht vorliegen (Institut für Ostrecht v. 27.8.2013, S. 3). Dabei kann eine Ausreise aus der Russischen Föderation ohne Aufhebung der militärischen Erfassung die Erfüllung des Tatbestands der Militärdienstentziehung darstellen (Institut für Ostrecht v. 27.8.2013, S. 8). Der Kläger trägt vor, dass er in dem Jahr, in dem er das 16. Lebensjahr vollendet habe (2004), militärisch erfasst worden sei und eine Musterungsuntersuchung gehabt habe. Seitdem habe er von den Militärbehörden nichts mehr gehört. Geht man davon aus, dass er tatsächlich 2004 militärisch erfasst wurde, obgleich nach der Auskunftslage eine Erfassung regelmäßig erst in dem Jahr erfolgt, in dem das 17. Lebensjahr vollendet wird (Institut für Ostrecht v. 27.8.2013, S. 4), wäre mit einer Ausreise ohne Aufhebung der militärischen Erfassung der objektive Tatbestand der Wehrdienstentziehung erfüllt.

Eine Straftat nach Art. 328 Pkt. 1 russ. StGB kann aber nur begangen werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung vom Militärdienst in der Person des Militärdienstpflichtigen fehlen (Institut für Ostrecht v. 27.8.2013, S. 10). Nach Art. 23 Pkt. 1 MilitärdienstG ist vom Militärdienst befreit, wer aus gesundheitlichen Gründen für untauglich befunden wurde. Ein Drittel jedes Jahrgangs wird aus gesundheitlichen Gründen als untauglich für den Dienst in den Streitkräften eingestuft (Stiftung Wissenschaft und Politik: Russlands Militärreform: Herausforderung Personal, November 2013 - SWP - S. 25). Der Kläger leidet an einer ansteckenden Hepatitis B-Erkrankung, die bei seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland diagnostiziert und von November 2011 bis November 2012 mit Interferon behandelt wurde. Es ist daher davon auszugehen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung vom Militärdienst aus gesundheitlichen Gründen nach Art. 23 Pkt. 1 MilitärdienstG schon bei der Ausreise des Klägers aus der Russischen Föderation tatsächlich vorlagen.

Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der gesetzlich genannte Grund erst während des Sich Entziehens entstanden ist, wäre der Kläger nach Art. 80 Pkt. 1 russ. StGB von der Strafe zu befreien (Institut für Ostrecht v. 27.8.2013, S. 10).

Des Weiteren setzt Art. 328 Pkt. 1 russ. StGB auf der subjektiven Seite direkten Vorsatz voraus. Nach Art. 25 Pkt. 2 russ. StGB bedeutet dies, dass die Person die Gesellschaftsgefährlichkeit ihrer Handlung erkennt, die Möglichkeit oder Unvermeidbarkeit des Eintritts gesellschaftsgefährlicher Folgen vorhergesehen und ihren Eintritt gewollt hat (Institut für Ostrecht v. 27.8.2013, S. 11). Aus den nordkaukasischen Republiken im südlichen Militärdistrikt werden seit mehreren Jahren wegen Sicherheitsbedenken nur sporadisch Wehrpflichtige eingezogen (SWP, a. a. O. S. 26). Der Kläger musste daher sechs Jahre nach seiner behaupteten Musterung ohne weitere militärische Maßnahmen und als Angehöriger der Minderheit der muslimischen Kumyken im Jahr 2010 nicht mehr mit einer Einberufung zum russischen Militär rechnen. Er hat auch bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt nicht vorgetragen, dass er befürchtet habe, eingezogen zu werden. Er ist daher offensichtlich selbst davon ausgegangen, dass eine solche Einberufung nicht mehr zu erwarten war und hat damit keinen direkten Vorsatz zur Entziehung von dem Wehrdienst gehabt.

Im Übrigen liegt auch kein direkter Vorsatz hinsichtlich einer Wehrdienstentziehung vor, weil der Kläger das Recht auf einen Ersatzdienst hätte in Anspruch nehmen können. Nach Art. 2 des russischen Zivildienstgesetzes hat jeder Staatsbürger das Recht, anstelle des Wehrdienstes einen Zivildienst abzuleisten, wenn die Ableistung des Wehrdienstes seinen Überzeugungen oder seinem religiösen Glauben zuwiderläuft oder die betreffende Person einer indigenen Gruppe angehört, einen traditionellen Lebensstil führt, traditionell wirtschaftet und einer traditionellen handwerklichen Tätigkeit nachgeht (ACCORD, Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Strafen bei Wehrdienstverweigerung, 12.11.2014). Dies muss mindestens sechs Monate vor der Einberufung (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Tschetschenien: Rückkehr von russischen Staatsbürgern und Wehrdienstpflicht, 11.8.2009) der zuständigen örtlichen Einberufungskommission mitgeteilt werden, die dann über den Antrag entscheidet (ACCORD, a. a. O.). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst ausgeführt, dass er für den Fall der Rückkehr in die Russische Föderation einen Ersatzdienst in Anspruch genommen hätte. Nachdem er das entsprechende Gesuch auch noch fristgerecht hätte einreichen können, da bislang keine Einberufung erfolgte, kann ihm eine Wehrdienstentziehung wohl nicht vorgeworfen werden.

Selbst wenn der Kläger sich einer Wehrdienstentziehung schuldig gemacht haben sollte, wäre nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer Freiheitsstrafe zu rechnen. Art. 328 Pkt. 1 russ. StGB sieht für den Tatbestand der Wehrdienstentziehung eine Geldstrafe in Höhe von bis zu 200.000 Rubeln oder in Höhe des Arbeitsentgelts oder eines sonstigen Einkommens für die Dauer von bis zu 18 Monaten, Zwangsarbeit für die Dauer von bis zu zwei Jahren, Arrest für die Dauer von bis zu sechs Monaten oder Freiheitsstrafe für die Dauer von bis zu zwei Jahren vor (Institut für Ostrecht v. 27.8.2013, S. 12). In der Praxis wird nach der Auskunftslage aber nur eine kleine Anzahl an Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, bestraft und die Strafen für Wehrdienstverweigerung fallen sehr gering aus (ACCORD, a. a. O.). Dem Institut für Ostrecht (Gutachten v. 27.8.2013, S. 13) lagen Gerichtsentscheidungen vor, die eine Geldstrafe in Höhe von 50.000 bis 80.000 Rubel oder Freiheitsentzug für die Dauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr, überwiegend auf Bewährung, beinhalteten. Bei der Strafzumessung sind der Charakter und der Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit der Straftat und die Persönlichkeit des Täters zu berücksichtigten. Als mildernde Umstände gelten z. B. die erstmalige Begehung einer Straftat von geringer oder mittlerer Schwere infolge eines zufälligen Zusammentreffens von Umständen (Institut für Ostrecht v. 27.8.2013, S. 13). Es wäre daher bei dem Kläger auf jeden Fall zu berücksichtigen, dass er nicht vorbestraft ist und seit Jahren an einer ansteckenden Krankheit leidet, erst sechs Jahre nach der Musterungsuntersuchung ausgereist ist, ohne dass eine Einberufung erfolgte, und er einen Ersatzdienst leisten wollte. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die russische Regierung bestrebt ist, die Zahl der Gefängnisinsassen weiter zu verringern (Lagebericht, a. a. O. S. 22). In der Zusammenschau aller dieser Umstände erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass der Kläger zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt werden würde. Die Frage, ob es bei der Verbüßung einer kurzen Freiheitsstrafe überhaupt zu relevanten Menschenrechtsverletzungen kommen würde, muss daher nicht entschieden werden.

3. Eine Gefahr nach § 4 Abs. 1 AsylVfG ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger aus Dagestan stammt. Zwar ist die Sicherheitslage in der Region Dagestan sehr angespannt (Lagebericht, a. a. O. S. 17), es ist aber nicht ersichtlich, dass dem Kläger dort ein ernsthafter Schaden droht. Insbesondere hat er bei seiner Rückkehr keine unmenschliche Behandlung im Rahmen einer Inhaftierung zu befürchten. Die Schilderung der Vorkommnisse im Januar 2010 ist unglaubwürdig. Es ist daher nicht zu erwarten, dass der Kläger in eine Fahndungsliste eingetragen ist und bei seiner Rückkehr verhaftet werden wird (s. I.).

Im Übrigen hat der Kläger auch die Möglichkeit, sich in anderen Landesteilen niederzulassen. Der Aufenthalt von Personen aus den Krisengebieten im Nordkaukasus in anderen Teilen der Russischen Föderation ist zwar durch verschiedene Probleme erschwert, aber grundsätzlich möglich (Lagebericht, a. a. O. S. 19). Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats können sich z. B. aus Tschetschenien stammende ethnische Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens in der Russischen Föderation niederlassen (zuletzt U.v. 17.4.2012 - 11 B 11.30469 - juris Rn. 28 f.). Für Personen aus Dagestan gilt nichts anderes.

III.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG.

1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) in der Fassung vom 22. Oktober 2010 (BGBl II S. 1198) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Der sachliche Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK ist dabei weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über dieses nicht hinaus (BVerwG, U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = juris Rn. 25). Eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung droht dem Kläger nicht (s. II.).

2. Auch ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht ersichtlich. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei kann sich auch aus einer Erkrankung des Betroffenen eine entsprechende individuelle Gefahr ergeben. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen dann vor, wenn sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d. h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 1 C 3.11 - BVerwGE 142, 179; B.v. 17.8.2011 - 10 B 13.11 u. a. - juris Rn. 3).

Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben, denn eine lebensbedrohliche oder zumindest wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung des Klägers alsbald nach seiner Rückkehr ist nicht zu befürchten. Der Kläger leidet zwar nach den vorgelegten Attesten an einer chronischen Hepatitis B-Erkrankung, die bei Blutkontakten weiterhin infektiös ist. Er befindet sich derzeit aber in einer stabilen Situation, in der keine unmittelbare Indikation zu einer erneuten spezifischen therapeutischen Intervention besteht. Der behandelnde Arzt sieht eine regelmäßige ärztliche Überwachung alle sechs Monate und bei Verschlechterung die frühzeitige Einleitung einer antiviralen Therapie als erforderlich an. Hinsichtlich der medizinischen Versorgung ist zu berücksichtigen, dass diese in Russland zwar auf einfachem Niveau, aber grundsätzlich ausreichend gewährleistet ist (Lagebericht, a. a. O. S. 24). Jeder russische Bürger hat ein Recht auf kostenfreie medizinische Grundversorgung, die in der Praxis aber regelmäßig erst nach verdeckter privater Zuzahlung geleistet wird (Lagebricht, a. a. O.). Nach der Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau vom 15. April 2013 an das BAMF ist eine chronische Hepatitis B-Erkrankung in Russland grundsätzlich behandelbar. Verschiedene Antiviruspräparate, darunter auch Interferon, können zur Behandlung eingesetzt und kostenfrei bezogen werden. Nachdem beim Kläger derzeit keine therapeutische Behandlung seiner Erkrankung, sondern nur eine regelmäßige Kontrolle erforderlich ist, ist davon auszugehen, dass er diese Leistungen auch in seinem Heimatland kostenfrei oder allenfalls gegen geringe Kostenbeteiligung erhalten kann. Aber auch ohne die regelmäßige Kontrolle wäre eine wesentliche Verschlimmerung seiner Erkrankung alsbald nach der Rückkehr nicht zu erwarten. Nach den Attesten besteht zwar bei unzureichender Betreuung grundsätzlich auch das Risiko eines Fortschreitens der Leberfibrose mit letztlich Entstehung einer Leberzirrhose oder der Entwicklung eines Leberzell-Carcinoms, eine unmittelbare und erhebliche Verschlimmerung der Erkrankung bei einer Rückkehr in sein Heimatland ist danach aber nicht zu befürchten.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO, § 711 ZPO.

V. Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Der Verwaltungsvorgang ist mit dem Nachweis der Zustellung unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht zu übermitteln.

(3) Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen; eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig. Die Entscheidung soll innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ergehen. Die Kammer des Verwaltungsgerichts kann die Frist nach Satz 5 um jeweils eine weitere Woche verlängern. Die zweite Verlängerung und weitere Verlängerungen sind nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig, insbesondere wenn eine außergewöhnliche Belastung des Gerichts eine frühere Entscheidung nicht möglich macht. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Die Entscheidung ist ergangen, wenn die vollständig unterschriebene Entscheidungsformel der Geschäftsstelle der Kammer vorliegt. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.

(4) Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.