Verwaltungsgericht Regensburg Gerichtsbescheid, 27. Okt. 2015 - RN 5 K 14.30058
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg
RN 5 K 14.30058
Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
...
- Kläger -
bevollmächtigt: Rechtsanwältin I. G.-St. E2S2, M2.-str. ..., München
gegen
Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Rothenburger Str. 29, Zirndorf
- Beklagte -
beteiligt:
Regierung von Niederbayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Postfach, Landshut
wegen Abschiebungsanordnung (Italien)
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg, 5. Kammer, durch den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Hohmann als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung
am
folgenden
Gerichtsbescheid:
I.
Das Verfahren wird eingestellt soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens beantragt hat und soweit sich die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des Bescheids vom 17.12.2013 gerichtet hat.
II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
IV.
Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Ursprünglich wendete sich der Kläger gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), der die Feststellung enthält, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig sei. Insoweit beantragte der Kläger zunächst die Bescheidsaufhebung sowie die Verpflichtung des Bundesamts zur Durchführung eines Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland. Ferner begehrte er die Aufhebung der im Bescheid enthaltenen Abschiebungsanordnung nach Italien.
Der am
Am
Auf Nachfrage des Gerichts hat das Bundesamt mit Schreiben vom
Daraufhin hat das Gericht mit Schreiben an die Beteiligten vom
Zum Erlass eines Gerichtsbescheids kam es jedoch zunächst nicht, da die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom
Mit Schreiben vom
Mit am
Mit Schriftsatz vom
Mit Bescheid vom
Dieser Bescheid wurde gemäß § 4 Abs. 2 VwZG am
Klage erheben. Das Asylverfahren in Italien leide an Systemmängeln, weshalb eine Abschiebung dorthin zu unterbleiben habe. In Italien drohe dem Kläger eine massive Unterversorgung hinsichtlich seiner Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, der Unterbringung und der medizinischen Versorgung.
Der Kläger beantragte zunächst schriftsätzlich,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Die Beklagte beantragte unter Bezugnahme auf die Gründe des angegriffenen Bescheides,
die Klage abzuweisen.
Einen mit Klageerhebung gestellten Eilrechtsschutzantrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung hat das Gericht mit Beschluss vom 29.1.2014
Ferner hat das Bundesamt dem Gericht eine Aufgriffsakte vorgelegt, aus der sich Folgendes ergibt:
Am
Am
Mit Bescheid vom
Am
Am
- Ankylosierende posttraumatische Coxarthrose des rechten Hüftgelenkes mit begleitender Beinverkürzung.
- Verdacht auf Plexusschädigung rechtes Bein.
In der Zusammenschau bestehe beim Kläger eine relative Notfall-Indikation zur operativen Intervention, ein weiter verbessernder Spontanverlauf im Sinne einer Spontan-Arthrodese sei bis auf weiteres nicht zu erwarten. Bei regelrechtem Heilungsverlauf nach Implantation der Hüftendoprothese sei 3 bis 6 Monate postoperativ das Leistungsbild einer vollschichtigen Arbeitsfähigkeit für leichte und mittlere körperliche Tätigkeiten zu erwarten, die noch resultierende Einschränkung werde voraussichtlich aus der verbleibenden Plexus-Restschädigung bestehen.
Aus einer weiteren fachärztlichen Bescheinigung des Benedictus Krankenhauses Tutzing vom
Die Klägerseite ist der Auffassung, dass eine Rücküberstellung des Klägers nach Italien nicht (mehr) möglich sei. Der Kläger sei zwar inhaftiert gewesen, weshalb die Rücküberstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 Dublin-lll-VO auf höchstens 1 Jahr verlängert werden könne. Aus dem Gebrauch des Wortes „kann“ ergebe sich, dass das Bundesamt insoweit eine Ermessensentscheidung zu treffen habe. Bei der Jahresfrist handele es sich um eine Höchstfrist und nicht um eine festgeschriebene automatische Verlängerung. Die Beklagte habe weder hinsichtlich des „ob“ noch hinsichtlich der Dauer der Verlängerung dieser Frist eine Ermessensentscheidung getroffen, so dass dieser Ermessensausfall nicht korrigiert werden könne. Der Umstand, dass sich der Kläger zwischenzeitlich im Kirchenasyl befinde führe im Übrigen nicht dazu, dass er „flüchtig“ sei, was eine Verlängerung der Rücküberstellungsfrist auf 18 Monate ermögliche. Der Kläger habe die Anschrift des Kirchenasyls den zuständigen Behörden gemeldet, weshalb er nicht als „flüchtig“ angesehen werden könne.
Hinzu komme, dass der Kläger aufgrund der erst durchgeführten Hüftgelenksoperation nicht reisefähig sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im Hauptsache- und Eilrechtsschutzverfahren sowie auf die Akten des Bundesamtes, die dem Gericht vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, konnte das Gericht nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, § 84 Abs. 1 VwGO.
1. Soweit die Klage zurückgenommen worden ist (Antrag zur Verpflichtung des Bundesamts zur Durchführung eines Asylverfahrens) war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO findet darüber hinaus analoge Anwendung, soweit das Verfahren in der Hauptsache durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet worden ist, was vorliegend in Bezug auf die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des Bescheids vom 17.12.2013 geschehen ist. Auch insoweit war das Verfahren somit einzustellen.
2. Das ausschließlich noch streitgegenständliche Begehren, die Ziffer 1 des Bescheids des Bundesamts vom
Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Anfechtungsklage die zutreffende Klageart gegen einen Bescheid, mit dem festgestellt wird, dass ein Asylverfahren unzulässig ist. Eine Klage auf Verpflichtung zur Durchführung eines Asylverfahrens - wie vom Kläger ursprünglich beantragt - bzw. auf Verpflichtung zur Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist dagegen unzulässig, da mit der Aufhebung des Bescheids die Beklagte kraft Gesetzes verpflichtet ist, das Asylverfahren fortzuführen. Außerdem ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestaltet ist, wenn das Gericht durchentscheiden müsste (vgl. nur: BayVGH
Die Anfechtungsklage ist unbegründet, da die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, der gemäß § 77 Abs. 1 Alt. 2 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, rechtmäßig ist. Grundlage für die rechtliche Prüfung durch das Gericht ist somit das seit dem 24.10.2015 geltende AsylG (vgl. dazu das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.10.2015, BGBl Teil I Nr. 40 vom
a) Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamts war Italien zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig, da die italienischen Behörden mit Schreiben vom 24.10.2013 ihre Zuständigkeit nach Art. 16 Abs. 2 der sog. Dublin-ll-VO (Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003, ABI. L50 vom 25.2.2003, Seiten 1 ff) ihre Zuständigkeit erklärt haben und sich zur Übernahme des Klägers bereit erklärt haben. Zwar trat die Dublin-lll-VO als Nachfolgeregelung bereits im Juli 2013 in Kraft. Allerdings fanden die Zuständigkeitskriterien der Dublin-ll-VO nach Art. 49 Abs. 2 Dublin-lll-VO zur damaligen Zeit noch Anwendung, da der Asylantrag vor dem 1.1,2014 gestellt worden ist.
b) Die streitgegenständliche Anordnung hat sich auch nicht durch die Überstellung des Klägers nach Italien am 6.3.2014 erledigt. Zwar hat die streitentscheidende Kammer in der Vergangenheit die Auffassung vertreten, dass sich durch eine vollzogene Abschiebung auch der Ausspruch des Bundesamts, wonach das Asylverfahren unzulässig ist, erledigt. Die Zuständigkeit des aufnehmenden Mitgliedstaates sei aufgrund der Rückführung endgültig eingetreten und eine Änderung dieser Rechtsfolge sei gemeinschaftsrechtlich gar nicht mehr zulässig (VG Regensburg
Mit Blick auf die Regelungen der nunmehr geltenden Dublin-lll-VO dürfte diese Einschätzung nicht mehr haltbar sein. Dort ist in Art. 29 Abs. 3 ausdrücklich bestimmt, dass in den Fällen, in denen eine Person irrtümlich überstellt oder einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellungsentscheidung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird, der Mitgliedsstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die Person unverzüglich wieder aufnimmt. Hieraus folgt, dass sich eine Klage gegen die Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig mit der Rückführung nicht erledigt und eine Überprüfung der Entscheidung des Bundesamts,
auch dann noch möglich sein muss, wenn der Ausländer bereits in den (vermeintlich) zuständigen Mitgliedsstaat überstellt worden ist. Zwar enthält die Dublin-ll-VO keine dem Art. 29 Abs. 3 Dublin-lll-VO entsprechende Regelung. Gleichwohl ist der nunmehr geltenden Regelung, bei der es sich um eine reine zwischenstaatliche Zuständigkeitsregelung handelt, der Rechtsgedanke zu entnehmen, dass der europäische Verordnungsgeber davon ausgeht, dass eine Überprüfung der nationalen „Unzuständigkeitsentscheidung“ auch noch nach Rücküberstellung in den zuständigen Mitgliedstaat möglich sein muss (vgl. VG Trier
c) Die Zuständigkeit Italiens blieb auch erhalten, nachdem der Kläger erneut in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Zu diesem Zeitpunkt galt bereits die Dublin-lll-VO. Da die italienischen Behörden dem Kläger bereits einmal einen Aufenthaltstitel erteilt haben, oblag ihnen nach wie vor die Prüfung des Asylantrags gemäß Art. 19 Abs. 1 Dublin-lll-VO. Zwar war zu diesem Zeitpunkt eine erneute Rücküberstellung nach Italien noch nicht möglich, da eine Rücküberstellung die Einleitung eines erneuten Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahrens voraussetzt.
Vorliegend hat das Bundesamt ein entsprechendes Wiederaufnahmeverfahren auch fristgemäß eingeleitet und die Rücküberstellungsfrist ist noch nicht abgelaufen, weshalb die streitgegenständliche Entscheidung nach wie vor rechtmäßig ist. Erst wenn nämlich eine Überstellung nach Italien nicht mehr möglich ist, geht nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-lll-VO die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland über.
Hier war Italien nach Art. 18 Abs. 1d) Dublin-lll-VO verpflichtet, den Kläger wieder aufzunehmen. Da das Bundesamt gemäß Art. 24 Abs. 2 Dublin-lll-VO eine erneute Abfrage über das Eurodac-System durchgeführt hat, war das Wiederaufnahmegesuch innerhalb von 2 Monaten nach dem Erhalt der Eurodac-Treffermeldung den italienischen Behörden zu unterbreiten. Dies ist vorliegend geschehen; denn die Eurodac-Treffermeldung datiert ausweislich der Akten des Bundesamts vom 5.12.2014. Das Übernahmeersuchen an Italien wurde bereits am 10.12.2014 gestellt.
Nachdem die italienischen Behörden auf dieses Gesuch nicht innerhalb der gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin-lll-VO geltenden Frist von 2 Wochen geantwortet haben, war gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-lll-VO davon auszugehen, dass die italienischen Behörden dem Wiederaufnahmegesuch mit Ablauf des 24.12.2015 stattgegeben haben.
Somit begann die Rücküberstellungsfrist, die grundsätzlich gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin-lll-VO 6 Monate beträgt, am 25.12.2014.
Allerdings war eine Verlängerung der Rücküberstellungsfrist möglich, da die Überstellung aufgrund einer Inhaftierung des Klägers zunächst nicht möglich war, was dem Bundesamt seitens der zuständigen Ausländerbehörde mitgeteilt worden ist.
Wegen dieser Inhaftierung konnte das Bundesamt grundsätzlich die Rücküberstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin-lll-VO auf höchstens 1 Jahr verlängern.
Soweit der Kläger diesbezüglich meint, das Bundesamt habe in Bezug auf die Fristverlängerung eine Ermessenentscheidung zu treffen und etwaige Ermessensdefizite würden sich zu seinen Gunsten auswirken, so ist zunächst zu bemerken, dass die Dublin-lll-VO grundsätzlich nur subjektive Rechte der Mitgliedsstaaten begründet, nicht aber der einzelnen Asylbewerber. Insbesondere sind aus dem Ablauf von Fristen keine subjektiven Rechte abzuleiten (vgl. Günther in: Beck-OK AusIR, § 27a AsylVfG, Rn. 29 f.). Subjektive Rechte eines Klägers können deshalb erst dann entstehen, wenn entweder eine unangemessen lange Verfahrensdauer verstrichen ist (vgi. EUGH vom 21.12.2011, Rs. C-411/10
Die Fristverlängerung gegenüber den italienischen Behörden ist hier seitens des Bundesamts ordnungsgemäß erfolgt. Aus Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin-lll-VO, wonach die Frist „verlängert werden kann“ folgt, dass eine Fristverlängerung eine Absprache zwischen den beteiligten Mitgliedsstaaten erfordert. Andernfalls hätte der Verordnungsgeber formuliert, dass „sich die Frist verlängert“. Angesichts der Wortwahl ist deshalb davon auszugehen, dass es einer einvernehmlichen Regelung zwischen der ersuchenden und dem ersuchten Mitgliedsstaat bedarf. Eine solche Vereinbarung kann ausdrücklich oder - wie vorliegend - dadurch konkludent getroffen werden, dass der ersuchende Mitgliedsstaat den ersuchten Mitgliedsstaat vor Ablauf der regulären 6-monatigen Frist über die Gründe der Verzögerung informiert, eine Fristverlängerung geltend macht und der ersuchte Mitgliedsstaat hierauf schweigt (VG Hamburg
Zum Schutz der Grundrechte der einzelnen Asylbewerber ist es der Beklagten aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer verwehrt, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der an sich unzuständige Mitgliedsstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin-ll-VO (jetzt: Art. 17 Abs. 1 Dublin-lll-VO) selbst prüfen (EUGH vom 21.12.2011, Rs. C-411/10
Ferner geht der zur Entscheidung berufene Einzelrichter nach wie vor davon aus, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien keine systemischen Mängel aufweisen, die dazu führen müssten, dass die Beklagte gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-lll-VO eine Überprüfung des Asylantrags vornehmen müsste. Nach der aktuellen Auskunftslage muss davon ausgegangen werden, dass Asylbewerbern im Falle ihrer Rücküberstellung nach Italien keine menschenunwürdige Behandlung droht. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern in Italien schon im Allgemeinen nicht eingehalten werden.
Die Situation von Migranten in Italien wird im Bericht von M. Bethke und D. Bender „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, Februar 2011, veröffentlicht von ProAsyl und im gemeinsamen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und von Juss-Buss (Norwegen) „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien“, Mai 2011 (veröffentlicht von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe) als äußerst dramatisch geschildert. Insbesondere aufgrund dieser Berichte haben verschiedene Gerichte in der Vergangenheit eine Überstellung von Flüchtlingen nach Italien als unzulässig angesehen und Abschiebungen nach Italien im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes ausgesetzt (vgl. nur: VG Meiningen
Aus Sicht des entscheidenden Einzelrichters ist jedoch die sich aus den oben zitierten Berichten ergebende Einschätzung, dass die Situation in Italien im Hinblick auf die Versorgung von Asylbewerbern mit Unterkunft, Verpflegung und mit medizinischen Leistungen dem europäischen Mindeststandard nicht entspricht, aufgrund neuerer Berichte des Auswärtigen Amtes und insbesondere des UNHCR überholt. Grundaussagen der beiden oben zitierten Berichte war, dass den italienischen Behörden aufgrund der großen Anzahl von Asylbewerbern die Situation „über den Kopf gewachsen“ war und sie nicht in der Lage waren, Asylbewerbern in ausreichendem Maße die notwendige Versorgung mit Unterkunft etc. zukommen zu lassen. Zentraler systemischer Mangel war danach die unzureichende Kapazität an Unterkünften. Unterkünfte waren und sind die Basis für die Abdeckung der Grundbedürfnisse der Asylbewerber wie Nahrung oder persönliche Hygiene. Sie sind auch für den Zugang zur medizinischen Versorgung von großer Bedeutung. Die Berichte beruhen allerdings auf Erhebungen im Zeitraum September bis Dezember 2010. Die dort dargestellte Situation ist nunmehr jedoch überholt. Nach aktuellen dem Gericht vorliegenden Auskünften des Auswärtigen Amtes und des UNHCR hat sich die Situation in Italien wie folgt entwickelt:
Durch die sehr hohen Immigrationszahlen und Asylanträge (10.860) in der ersten Jahreshälfte 2011 („Notstand Nord-Afrika“) ist das Asylsystem Italiens vorübergehend unter Druck geraten (doppelte Antragsquote gegenüber Vorjahreszeitraum). Deshalb konnte die Verfahrensdauer vielfach nicht eingehalten werden und die Aufnahmezentren waren überbelegt. Mittlerweile hat sich die Situation jedoch mit nachlassendem Zustrom und der verbesserten Koordinierung der Unterbringung durch das Innenministerium und den Zivilschutz wieder reguliert (AA vom 9.12.2011 an VG Braunschweig; AA vom 29.11.2011 an VG Darmstadt). Das Aufnahmesystem in Italien wurde in den letzten Jahren verbessert und erst kürzlich um einen Notfallaufnahmeplan (verwaltet von der Abteilung für Zivilschutz) ergänzt, der eingeführt wurde, um auf die Migrationsbewegungen aus Nord-Afrika seit Januar 2011 zu reagieren (UNHCR vom 24.4.2012 an VG Braunschweig). Das Aufnahmesystem umfasst derzeit Aufnahmezentren für Asylsuchende (CARA), Aufnahmezentren für Migranten (CDA), lokale Projekte im Rahmen des Schutzsystems für Asylsuchende und Flüchtlinge (SPRAR) und Zentren in sogenannten „großstädtischen Gebieten“ (UNHCR vom 24.42012 an VG Braunschweig). Asylbewerber werden derzeit praktisch vollständig untergebracht und versorgt, da die Aufnahmekapazitäten vorhanden sind. Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf Unterbringung, Verpflegung, medizinische Versorgung, psychologische Hilfe und Dolmetscher. Finanzielle Hilfe ist allerdings nur für den Fall vorgesehen, dass alle Plätze in den Aufnahmezentren belegt sind. Diese Möglichkeit wurde bisher nicht umgesetzt. Nach Italien zurückgeführten Personen wird eine Unterkunft zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt wird bzw. das Asylverfahren noch weiter geführt wird. Allerdings stellen viele Rückkehrer, da sie nicht in Italien bleiben wollen, keinen Asyl- oder Schutzantrag, weshalb ihnen die staatlichen Aufnahmezentren und andere Leistungen nicht offen stehen (AA vom 29.11.2011 an VG Darmstadt; AA vom 9.12.2011 an VG Braunschweig; AA vom 11.7.2012 an VG Freiburg). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass aufgrund der dem Gericht vorliegenden Berichte davon auszugehen ist, dass Italien Asylbewerbern in ausreichendem Maß Unterkünfte zur Verfügung stellen und damit einhergehend auch deren Grundbedürfnisse nach Nahrung etc. decken kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein formeller Asylantrag gestellt worden ist. Wird dagegen kein Asylantrag gestellt, so ist die sich daraus ergebende Situation für den Ausländer nicht durch die Verfahrensregelungen des italienischen Asylverfahrens verursacht. Es ist vielmehr allein dem Drittstaatsangehörigen anzulasten, wenn er sich bewusst außerhalb des geltenden Asylsystems in Italien aufhält.
Nach alledem vermag das Gericht keine durchgreifenden Anhaltspunkte für systemische Mängel bezüglich des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen in Italien zu erkennen. Insbesondere lassen sich systemische Mängel auch nicht durch das von J. Gleitze (Flüchtlingsorganisation borderline-europe) erstellte Gutachten vom Dezember 2012 „Zur Lage von Asylsuchenden und Dublin-Rückkehrern“ (abgedruckt in: Asylmagazin 2013, 26), welches im Auftrag des Verwaltungsgerichts Braunschweig erstellt worden ist, herleiten. Das Gutachten beschäftigt sich in erster Linie mit den Aufnahmebedingungen, der Sicherung des Lebensunterhaltes und der Gesundheitsfürsorge der Asylsuchenden in Italien. Mit dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Beschluss vom 6.2.2013, Az. 17 L 150/13.A
Bestätigt wird dies durch eine neuere Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt
Ferner vermag auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien zu erkennen. Nach dessen Rechtsprechung steht Art. 3 EMRK der Überstellung von Asylbewerbern nach Italien im Rahmen des Dublin-Systems regelmäßig nicht entgegen. Dies gelte unter Berücksichtigung der zahlreichen Berichte von Nichtregierungsorganisationen auch für besonders schutzbedürftige Personengruppen, wie etwa Alleinerziehende mit Kleinkindern oder traumatisierte Personen (EGMR vom 2.4.2013, ZAR 2013, 336) sowie auch für Asylbewerber mit einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer somatoformen Schmerzstörung (EGMR vom 18.6.2013, ZAR 2013, 338). In der erstgenannten Entscheidung hat der Gerichtshof ferner ausgeführt, allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse der Beschwerdeführerin im dortigen Verfahren durch eine Rückführung nach Italien bedeutend geschmälert würden, sei nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. Allerdings verlangt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 4.11.2014 (ASYLMAGAZIN 12/2014, S. 424 f.) für die Abschiebung von Familien mit Kleinkindern, dass eine individuelle Garantie vor der Abschiebung vorliegen muss, dass die Familie gemeinsam untergebracht wird und eine dem Alter der Kinder angemessene Betreuung vorhanden ist. Ebenso verlangt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 17.9.2014, (Az. 2 BvR 732/14
Die medizinische Versorgung in Italien erscheint ebenso gesichert. Die Gesundheitsversorgung in Italien ist grundsätzlich für alle Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, gewährleistet. Alle Ausländer müssen sich aber bei der Servizio Sanitanö Nazionale melden und registrieren lassen. Dafür benötigen sie einen Aufenthaltstitel, deren Codice Viscale sowie eine feste Adresse, wobei die Selbstauskunft für eine Adresse ausreicht. Die Caritas bietet darüber hinaus Sammeladressen für Personen an, die keinen festen Wohnsitz haben, diesen jedoch für alle bürokratischen und Verwaltungsangelegenheiten benötigen. Dementsprechend muss davon ausgegangen werden, dass in Italien ohne weiteres eine Nachbehandlung der beim Kläger durchgeführten Hüftgelenksoperation möglich ist.
Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Situation in Italien dergestalt ist, dass die Beklagte in Anwendung des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-lll-VO ausnahmsweise prüfen müsste, ob ein anderer Staat oder sie selbst zur Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist (vgl. auch die Beschlüsse der entscheidenden Kammer
Nach alledem ist die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids getroffene Regelung derzeit nicht zu beanstanden.
Soweit der Kläger im Verfahren geltend macht, er sei aufgrund der erst im Juli 2015 erfolgten Hüftgelenksoperation reiseunfähig, so spielt dies im vorliegenden Verfahren keine Rolle. Streitgegenständlich ist hier allein der Ausspruch des Bundesamtes, wonach das Asylverfahren unzulässig ist. Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse können allenfalls einer nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG zu erlassenden Abschiebungsanordnung entgegenstehen, denn die genannte Vorschrift bestimmt, dass die Abschiebungsanordnung erst dann erfolgen darf, wenn feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Abschiebung muss daher nicht nur rechtlich möglich sein, sondern sie muss auch tatsächlich durchführbar sein. Andernfalls ist die Abschiebung auszusetzen (Duldung). Liegen somit Duldungsgründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor, so ist die Abschiebung unmöglich und kann auch im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht durchgeführt werden. Im Rahmen dieser Vorschrift sind folglich inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu überprüfen. Somit wird deutlich, dass eine mögliche Reiseunfähigkeit des Klägers im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides keine Rolle spielt, sondern ausschließlich im Rahmen der Prüfung der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Die derzeit gültige Abschiebungsanordnung vom 26.1.2015 wurde seitens des Klägers jedoch nicht angefochten und ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2 VwGO, soweit die Klage zurückgenommen worden ist.
Soweit der Rechtsstreit dagegen übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, folgt die Kostenentscheidung aus § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat danach nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Diesbezüglich war zu berücksichtigen, dass bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses (Rückführung des Klägers nach Italien) die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids nicht zu beanstanden war, was das Gericht bereits ausführlich im Eilrechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO
Soweit dagegen eine streitige Entscheidung erfolgt ist, beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 ff. ZPO.
6. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Rechtsmittelbelehrung
Soweit das Verfahren eingestellt worden ist (Ziffer I), ist der Gerichtsbescheid unanfechtbar, § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO, § 80 AsylVfG.
Im Übrigen steht den Beteiligten gegen diesen Gerichtsbescheid die Berufung zu, wenn sie von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg schriftlich zu stellen (Haidplatz 1, 93047 Regensburg oder Postfach 110165, 93014 Regensburg).
Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg - Adresse wie oben - schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mündliche Verhandlung beantragen.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt. Dem Antrag eines Beteiligten sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Hinweis auf Vertretungszwang: Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich alle Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder die anderen in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; Einzelheiten ergeben sich aus § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Regensburg Gerichtsbescheid, 27. Okt. 2015 - RN 5 K 14.30058
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Regensburg Gerichtsbescheid, 27. Okt. 2015 - RN 5 K 14.30058 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).
(1) Ein Dokument kann durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe oder mittels Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden.
(2) Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein. Im Übrigen gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen. Der Tag der Aufgabe zur Post ist in den Akten zu vermerken.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.
(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,
- 1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a), - 2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist, - 4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.
(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.
(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2014 wird hinsichtlich der unter seiner Nr. 1 getroffenen Entscheidung aufgehoben. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, wobei ein Drittel der Kosten auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrensteil entfällt.
3. Das Urteil ist wegen 2/3 der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf insoweit die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich des weiteren Drittels der Kosten ist das Urteil vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt Rechtsschutz gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die Unzulässigkeit des von ihr gestellten Asylantrags festgestellt wurde. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
- 2
Am 28. Januar 2014 stellte die Klägerin bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Trier (Bundesamt) einen Asylantrag, nachdem sie am 16. Januar 2014 in Trier als Asylbewerberin erfasst worden war.
- 3
Bei der Asylbeantragung gab die Klägerin an, ägyptischer Staatsangehörigkeit und am ... in ... geboren zu sein; sie sei arabischer Volkszugehörigkeit und koptisch-orthodoxer Religionszugehörigkeit.
- 4
Bei einem Gespräch zur Bestimmung des zuständigen EU-Staates zur Durchführung des Asylverfahrens am 28. Januar 2014 führte die Klägerin aus, am 15. Januar 2014 zusammen mit ihrer Schwester von Kairo aus nach Deutschland geflogen zu sein. Ausweispapiere könne sie nicht vorlegen, der Schleuser habe ihr einen Pass besorgt, sie selbst besitze lediglich eine Taufbescheinigung.
- 5
Eine in Bezug auf die Klägerin durchgeführte Visums-Recherche ergab, dass am 4. Dezember 2013 in Kairo ein französisches Schengen-Visum auf den Namen ..., geboren am ... in ... ausgestellt worden ist.
- 6
Auf entsprechendes, auf das am 4. Dezember 2013 ausgestellte Visum gestütztes Übernahmeersuchen der Beklagten vom 15. April 2014, in dem auf die unterschiedlichen Namensangaben hingewiesen wurde, teilten die französischen Behörden unter dem 12. Juni 2014 mit, dass auf der Grundlage von Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) 604/2013 – Dublin III-VO – einer Überstellung der Klägerin zugestimmt werde, woraufhin die Beklagte in den Akten das Ende der Überstellungsfrist auf den 12. Dezember 2014 notierte.
- 7
Mit Bescheid vom 13. Juni 2014, der am 17. Juni 2014 zur Post gegeben wurde, entschied die Beklagte alsdann, dass der Asylantrag der Klägerin gemäß § 27a AsylVfG unzulässig sei; Frankreich sei der zuständige Staat zur Bearbeitung des Antrags, nachdem es mit Schreiben vom 12. Juni 2014 seine Zuständigkeit bejaht habe. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, das ihr durch Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO eingeräumte Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Außerdem heißt es in dem Bescheid, dass die Abschiebung der Klägerin nach Frankreich angeordnet werde. Deutschland sei verpflichtet, eine Abschiebung innerhalb der in Art. 29 Dublin-III-Verordnung festgesetzten Fristen durchzuführen.
- 8
Am 25. Juni 2014 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie schriftsätzlich vorträgt, dass sie nie ein Visum für Frankreich beantragt habe und das Visum auf andere Personalien ausgestellt worden sei. Sie sei koptische Christin und bereits zu Zeiten des Präsidenten Mursi – ebenso wie ihre zusammen mit ihr eingereiste Schwester – in der Öffentlichkeit belästigt und verfolgt worden. Sie habe einem A..., der behauptet habe, vor der koptischen Kirche zu kommen, ein Passbild und 2.000 € gegeben, um ihr beim Verlassen des Landes behilflich zu sein. Zwei bis drei Wochen später sei A... dann gekommen und habe sie und ihre Schwester zum Flughafen gebracht. Dort seien sie einem anderen Mann übergeben worden, von dem sie grüne ägyptische Reisepässe erhalten hätten, in die jedoch nicht hätten hineinschauen können. Fingerabdrücke habe sie nur auf ihrer ägyptischen Arbeitsstelle und auf ihrem ägyptischen Personalausweis abgegeben, den sie jedoch dem A... nicht ausgehändigt habe.
- 9
Nachdem der von der Klägerin gestellte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2014 mit Beschluss der erkennenden Kammer vom 25. Juli 2014 – 5 L 1177/14.TR –, in dem die Kammer ausgeführt hat, dass der Bescheid aller Wahrscheinlichkeit nach rechtmäßig sei, nachdem die Beklagte ausweislich der Verwaltungsakten anhand einer Fingerdruckauswertung festgestellt habe, dass das französische Visum trotz der abweichenden Namensangabe für die Klägerin ausgestellt worden sei, und nach Art. 12 Abs. 5 Dublin III-VO der Umstand, dass ein Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, nicht daran hindere, dem Mitgliedstaat, der das Visum erteilt habe, die Zuständigkeit zuzuweisen, wurde die Klägerin am 7. Oktober 2014 nach Frankreich überstellt und stellte in der Folgezeit dort einen Asylantrag, der indessen ihren Angaben zufolge nicht in der Sache bearbeitet worden sei. Eine Woche lang habe sie in einer Pariser U-Bahn-Station, in der die Verhältnisse sehr schlecht gewesen seien und sie von Männern bedrängt worden sei, schlafen müssen, weil sie keine Unterkunft erhalten habe. Am 5. März 2015 sei sie dann nach Deutschland zurückgekehrt und habe hier einen weiteren Asylantrag gestellt, weil sie keinen Platz zum Wohnen gehabt habe.
- 10
In der mündlichen Verhandlung vor Gericht hat die Klägerin die ihr eingeräumte Möglichkeit, sich ergänzend zum Klagebegehren zu äußern, genutzt und Angaben zur Sache gemacht. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Angaben wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift.
- 11
In Bezug auf die ursprünglich vom Klagebegehren mit umfasste Aufhebung der unter Nr. 2 des Bescheides vom 13. Juli 2014 ergangenen Abschiebungsanordnung haben die Beteiligten des Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte sich schriftsätzlich dahingehend geäußert hat, dass die Abschiebungsanordnung verbraucht sei; für die Klägerin werde ein Aufgriffsverfahren angelegt und nach einer Zustimmung Frankreichs erneut eine Abschiebungsanordnung erlassen.
- 12
Die Klägerin beantragt,
- 13
den Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2014 hinsichtlich der unter Nr. 1 getroffenen Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags aufzuheben.
- 14
Die in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertretene Beklagte ist dem Vorbringen der Klägerin schriftsätzlich entgegengetreten und bittet,
- 15
die Klage abzuweisen.
- 16
Sie führt aus, dass das Visa-Informationssystem (VIS) neben biographischen Daten auch biometrische Informationen (Fingerabdrücke und Lichtbilder) von Personen, die ein Schengen-Visum beantragt hätten, enthalte und durch einen Abgleich der Fingerabdrücke belegt werde, dass die Visums-Beantragung durch die Klägerin erfolgt sei. Eine Verwechslung der Personalien sei ausgeschlossen.
- 17
Die Kammer hat mit Beschluss vom 3. Juli 2014 den Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.
- 18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2015. Die Verwaltungsakten der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 19
Die Klage, über die das Gericht gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden kann, denn die Beklagte wurde zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen und mit der Ladung darauf hingewiesen, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann, ist, soweit über sie nach der teilweisen Hauptsacheerledigungserklärung noch streitig zu entscheiden ist – in Bezug auf den für erledigt erklärten Verfahrensteil ist das Verfahren aus Klarstellungsgründen in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen -, als Anfechtungsklage zulässig (vgl. insoweit den im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss der Kammer) und führt nunmehr auch in der Sache zum Erfolg.
- 20
Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2014 kann nämlich hinsichtlich der unter Nr. 1 getroffenen Entscheidung in dem gemäß § 77 Abs. 1, Satz 1, Halbsatz 2 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG - maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Kammer keinen Bestand mehr haben, weil er sich derzeit als rechtswidrig darstellt.
- 21
Zwar ist die Kammer der Überzeugung, dass der Bescheid im Zeitpunkt seines Erlasses aus den im Beschluss der Kammer vom 25. Juli 2014 – 5 L 1177/14.TR – genannten Gründen rechtmäßig war.
- 22
Weiterhin ist die Kammer der Auffassung, dass sich der im Bescheid der Beklagten enthaltenen Ausspruchs zu § 27a AsylVfG nicht durch die am 7. Oktober 2014 erfolgte Überstellung der Klägerin nach Frankreich erledigt hat, denn eine Erledigung eines belastenden Verwaltungsakts tritt grundsätzlich noch nicht durch seine Vollziehung ein, sondern in aller Regel erst dann, wenn seine Vollziehung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (vgl. hierzu in Bezug auf die Erledigung behördlicher Entscheidungen auf der Grundlage der §§ 27a, 34a AsylVfG ausführlich VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30029 – mit weiteren Nachweisen, juris). An Letzterem fehlt es indessen bei einer Überstellung eines Ausländers in einen anderen EU-Staat auf der Grundlage der Dublin III-VO, da Art. 29 Abs. 3 dieser Verordnung ausdrücklich bestimmt, dass in den Fällen, in denen eine Person irrtümlich überstellt oder einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellungentscheidung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird, der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die Person unverzüglich wieder auf nimmt.
- 23
Allerdings ist das Gericht der Überzeugung, dass der Ausspruch der Beklagten zu § 27a AsylVfG im vorliegenden Fall mit der Wiedereinreise der Klägerin nach Deutschland rechtswidrig geworden ist. Ihre Überstellung nach Frankreich erfolgte auf der Grundlage des Art. 12 Abs. 2 der Dublin III-VO, nachdem – wovon die Kammer aufgrund des Vorbringens der Beklagten zur Identität der Fingerabdrücke überzeugt ist – die französischen Behörden ihr ein Visum zur Einreise in den Schengenraum ausgestellt hatten. Wenn die Klägerin aber alsdann in Frankreich als Zielstaat der Überstellung einen Asylantrag gestellt und sich anschließend erneut in die Bundesrepublik Deutschland, die die Überstellung veranlasst hat, begeben hat, bedarf es einer erneuten behördlichen Prüfung, ob Frankreich zu einer erneuten Übernahme der Klägerin verpflichtet und bereit ist, weil die Aufnahmepflichten des EU-Mitgliedstaats, in dem der Ausländer nach seiner Überstellung einen Asylantrag gestellt hat, nunmehr auf der Grundlage der Art. 18 Dublin III-VO neu zu prüfen sind und statt des Aufnahmeverfahrens im Sinne der Art. 21 und 22 Dublin III-VO nunmehr ein Wiederaufnahmeverfahren im Sinne der Art. 23 ff. Dublin III-VO durchzuführen ist, ehe feststeht, dass der betreffende Ausländer erneut in den anderen EU-Staat überstellt werden kann.
- 24
Da indessen vorliegend nichts dafür ersichtlich ist, dass im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Kammer ein Wiederaufnahmeverfahren mit dem Ergebnis durchgeführt worden wäre, dass Frankreich erneut einer Überstellung der Klägerin zugestimmt hätte, kann die auf § 27a AsylVfG gegründete Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags der Klägerin derzeit keinen Bestand haben, weil sie sich im jetzigen Zeitpunkt als rechtswidrig darstellt und die Klägerin in ihren Rechten verletzt.
- 25
Ist aber demnach der Bescheid der Beklagten insoweit rechtswidrig, als er auf § 27a AsylVfG gestützt wurde, ist er nunmehr mit der auf § 154 Abs. 1 VwGO beruhenden Kostenentscheidung aufzuheben; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
- 26
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der unter Nummer 2 der Bescheides ergangenen Abschiebungsanordnung übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nur noch über die Frage zu befinden, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Diese Entscheidung ist in das Ermessen des Gerichts gestellt, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts sind die Kosten in erster Linie demjenigen aufzuerlegen, der bei Fortsetzung des Verfahrens voraussichtlich unterlegen wäre. War der Ausgang des Rechtsstreits bislang offen, kommt eine Kostenentscheidung in Betracht, die die Beteiligten gleichmäßig belastet. Schließlich kann bei der nach § 161 Abs. 2 VwGO zu treffenden Entscheidung noch ins Gewicht fallen, wer das erledigende Ereignis herbeigeführt hat. Vorliegend entspricht es der Billigkeit, die Kosten des für erledigt erklärten Verfahrensteils der Beklagten aufzuerlegen, da die Abschiebungsanordnung ohne rechtmäßige Entscheidung zu § 27a AsylVfG ebenfalls keinen Bestand hätte haben können.
- 27
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des die streitige Entscheidung betreffenden Urteils beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO; soweit die Kostenentscheidung auf § 161 VwGO beruht, ist die Entscheidung vollstreckbar.
Tenor
Das angegriffene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger, ein 23jähriger lediger Kurde yezidischen Glaubens mit syrischer Staatsangehörigkeit, beantragte am 7.7.2011 gegenüber der Beklagten die Gewährung von Asyl. In seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 28.7.2011 gab er an, von der Türkei mit einem Schiff nach Italien und von dort mit dem Zug nach Deutschland gefahren zu sein. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, nicht den sonst bevorstehenden Wehrdienst leisten zu wollen, weil er dann auf das unschuldige Volk zu schießen habe. Er habe auch an einigen Demonstrationen in Hassake teilgenommen, was die Polizei aber festgestellt und ihm eine Vorladung geschickt habe, zu der er nicht hingegangen sei.
3Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten erklärte Italien unter dem 6.10.2011 seine Übernahmebereitschaft. Mit Bescheid vom 11.10.2011 stufte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ein und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Der Asylantrag sei gemäß § 27a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) unzulässig, da nach § 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 (ABl. L 50/1 vom 25.2.2003 ‑ Dublin II‑VO ‑) Italien für die Prüfung des Asylantrags zuständig sei. Die Abschiebungsanordnung beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
4Mit der am 26.1.2011 erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen diesen Bescheid gewandt und vorgetragen: Er erhalte in Italien wegen der dortigen Überlastung der Behörden keinen Schutz entsprechend der europaweit vereinbarten Mindeststandards. Im Fall der Abschiebung drohe ihm, dem Kläger, in Italien ein menschenrechtswidriges und europäisches Recht verletzendes Verfahren. Das Konzept normativer Vergewisserung bei der Einstufung sicherer Drittstaaten greife hier nicht. Es lägen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe vor, dass er aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Fall einer Überstellung nach Italien Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Die Beklagte sei daher zum Selbsteintritt gemäß § 3 Abs. 2 Dublin II‑VO verpflichtet.
5Er könne auch über eine bloße Aufhebung des Bescheides die Verurteilung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. zur Feststellung von Abschiebungshindernissen beanspruchen, da das Gericht durchzuentscheiden habe und nicht etwa bloß an die Asylbehörde zurückverweisen dürfe. Er habe einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, da ihm generell wegen zu erwartender Verhöre bei Rückkehr, seiner illegalen Ausreise, seiner Asylantragstellung und des längeren Auslandsaufenthalts, aber auch wegen seiner kurdischen Volkszugehörigkeit und der von Kurden organisierten Demonstrationen in Hassake, an denen er teilgenommen habe, politische Verfolgung drohe.
6Der Kläger hat beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.10.2011 zu verpflichten,
81. dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sowie
92. hilfsweise festzustellen, dass hinsichtlich des Klägers Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG vorliegen.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat vorgetragen, dass kein Fall einer Ausnahme vom Konzept der normativen Vergewisserung vorliege.
13Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Dagegen richtet sich die zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung der Beklagten, mit der sie vorträgt: In Italien lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen einschließlich der Gesundheitsversorgung vor, die einer Abschiebung dorthin entgegenstünden.
14Sie beantragt,
15unter Abänderung des angegriffenen Urteils die Klage abzuweisen.
16Der Kläger tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Der Berichterstatter ist auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten zur Entscheidung (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 87a Abs. 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑) ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO) berufen.
20Die Klage umfasst im Anfechtungsteil jedenfalls die Aufhebung des Bescheides vom 11.10.2011 und ist darüber hinaus auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung internationalen Schutzes gerichtet. Die zulässige Berufung ist begründet. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11.10.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), der Kläger hat auch keinen Anspruch (§ 113 Abs. 5 VwGO) auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch die Beklagte oder auf deren Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes.
21Der Asylantrag vom 7.7.2011 ist nämlich gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschiften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das ist hier nach Art. 10 Abs. 1, 5 Abs. 2 Dublin II‑VO Italien, da der Kläger über Italien eingereist, hier den Asylantrag gestellt und Italien seine Übernahmebereitschaft nach Art. 18 Dublin II‑VO erklärt hat. Die Anwendbarkeit dieser Vorschriften ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 (ABl. L 180/31 vom 29.6.2013 ‑ Dublin III‑VO ‑), wonach diese Nachfolgeverordnung erst für Anträge auf internationalen Schutz gilt, die im Laufe des Jahres 2014 gestellt werden. Aus der Unzulässigkeit des Asylantrags folgt, dass die Beklagte befugt war, gemäß Art. 19 Abs. 3 Dublin II‑VO die Überstellung des Klägers an den zuständigen Mitgliedstaat Italien zu betreiben. Nach Art. 19 Abs. 1 Dublin II‑VO war die Beklagte daher unionsrechtlich befugt, dem Kläger durch den angefochtenen Bescheid die Entscheidung, den Asylantrag nicht zu prüfen, sowie die Verpflichtung, den Kläger an den zuständigen Mitgliedstaat Italien zu überstellen, mitzuteilen. Die Abschiebungsanordnung rechtfertigt sich aus § 34a Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das ist mit der Übernahmeerklärung Italiens vom 6.10.2011 der Fall.
22Gegen den so unionsrechtlich legitimierten Bescheid kann zwar nach Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin II‑VO der vorliegende Rechtsbehelf eingelegt werden. Entgegen dem angegriffenen Urteil besteht jedoch die Zuständigkeit Italiens und stehen einer Überstellung nach Italien keine Hinderungsgründe entgegen. Das wäre unionsrechtlich nur dann nicht der Fall, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCharta) (= Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ‑ EMRK ‑) ausgesetzt zu werden. Dabei berührt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten, die Dublin II‑VO zu beachten. Denn auf Grund des Konzepts der sicheren europäischen Drittstaaten (Art. 36 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 ‑ ABl. L 326/13 vom 13.12.2005 ‑, heute Art. 39 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 ‑ ABl. L 180/60 vom 29.6.2013 ‑) und des Prinzips gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten untereinander muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GRCharta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht.
23EuGH, Urteil vom 21.12.2011 ‑ C‑411 und 493/10, NVwZ 2012, 417 Rn. 78 - 80, 82, 94; Urteil vom 14.11.2013 ‑ C‑4/11 ‑, NVwZ 2014, 129 Rn. 36; Urteil vom 10.12.2013 ‑ C‑394/12 ‑, NVwZ 2014, 208 Rn. 60, 62.
24Ein Asylbewerber kann der Überstellung in den nach der Dublin II‑VO für ihn zuständigen Mitgliedstaat daher nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCharta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann.
25Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.6.2014 ‑ 10 B 35.14 ‑, NVwZ 2014, 1677.
26Dieser unionsrechtlichen Lage, die ohnehin Vorrang vor nationalem Recht hat, entspricht auch im Kern die nationale Rechtslage. Dass Italien als Mitglied der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat ist, steht kraft normativer Vergewisserung des Verfassungsgesetzgebers fest (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes). Dem kann nur damit entgegengetreten werden, dass es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Kläger von einem der vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist, wobei an diese Darlegung strenge Anforderungen zu stellen sind.
27Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 ‑ 2 BvR 1938, 2315/93, ‑, BVerfGE 94, 49 (99 f.); zu den Fallgruppen vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl., § 26a Rn. 3 ff.
28Nicht umfasst vom Konzept normativer Vergewisserung über einen Schutz für Flüchtlinge durch den Drittstaat sind ‑ hier allenfalls in Betracht kommende ‑ Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art. 3 EMRK = Art. 4 GRCharta) greift. Dabei ist der Asylbewerber ‑ wie im Unionsrecht ‑ mit dem Einwand ausgeschlossen, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort in seinem Einzelfall - trotz normativer Vergewisserung - die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden.
29Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 ‑ 2 BvR 1938, 2315/93, ‑, BVerfGE 94, 49 (98 f.)
30Maßgebend für die gerichtliche Verneinung des Status eines sicheren Drittstaates ist nicht, wie das Verwaltungsgericht meint, ob die flüchtlingsrechtlichen Gewährleistungen und die Verfahrenspraxis in Italien an die zu fordernden und bei Einführung des § 27a AsylVfG vorausgesetzten unions- bzw. völkerrechtlichen Standards reichen oder ob eine prekäre Situation von Asylbewerbern im Hinblick auf die materiellen Aufnahmebedingen gegeben ist, sondern ob wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, in Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
31Für den Schutzumfang ist dabei zu berücksichtigen, dass Art. 4 GRCharta bzw. Art. 3 EMRK zuvörderst eine Unterlassenspflicht für Italien begründen (Verbot, jemanden einer bestimmten Behandlung zu unterwerfen). Dass Italien seine Asylbewerber aktiv unmenschlich oder erniedrigend behandelt, und zwar nicht in Einzelfällen, sondern systemisch, wird von keiner Erkenntnisquelle gestützt und auch vom angegriffenen Urteil nicht behauptet. Vielmehr geht es darum, dass Italien materielle Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nicht in ausreichendem Maße gewährleisten soll. Es geht also nicht um einen Verstoß gegen Unterlassenspflichten, sondern um einen Verstoß gegen Gewährleistungsrechte, insbesondere Schutzpflichten, soweit sie aus Art. 4 GRCharta bzw. Art. 3 EMRK abgeleitet werden können.
32Vgl. zum Unterschied in der Beeinträchtigungsform Jarass, GRCharta, 2. Aufl., Art. 4 Rn. 7; Höfling in: Tettinger/Stern, Kölner Gemeinschaftskommentar zur GRCharta, Art. 4 Rn. 3; Borowsky in: Meyer, GRCharta, 4. Aufl., Art. 4 Rn. 20.
33Im Bereich von medizinischer und sozialer Fürsorge kann es unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das Verbot, jemanden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu unterwerfen, von vorneherein nur um die Gewährleistung einer unabdingbaren Grundversorgung gehen. Dagegen würde etwa verstoßen, wenn Asylbewerber aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen monatelang obdachlos und ohne Zugang zu jeder Versorgung wären.
34Bank in: Dörr/Grote/Marauhn, Konkordanzkommentar EMRK/GG, 1. Bd., 2. Aufl., Kap. 11 Rn. 110 ff., insbes. 115.
35Die Eingriffsschwelle von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCharta wird durch Missstände im sozialen Bereich nur unter strengen Voraussetzungen überschritten.
36Vgl. die Rechtsprechungsnachweise für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bei Iliopoulos-Strangas in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. VI/1, § 145 Rn. 72; Filzwieser/Sprung, Dublin III-VO, Art. 27 Anm. K9: hinsichtlich Gesundheitsversorgung und Unterbringung nur bei gänzlicher Versorgungsverweigerung mit existenzbedrohenden oder unmenschlicher Behandlung gleichkommenden Folgen.
37Nach diesen Maßstäben kann nicht festgestellt werden, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen, die die Annahme erlaubten, dass der Kläger tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Das ist in der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts geklärt.
38Vgl. das den Beteiligten mitgeteilte Urteil vom 7.3.2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, NRWE; zuletzt Beschluss vom 28.1.2015 ‑ 11 A 2550/14.A ‑, S. 5 f. des Beschlussabdrucks; zuletzt durch den beschließenden Senat Beschluss vom 18.8.2014 ‑ 14 A 1613/13.A ‑, S. 2 f. des Beschlussabdrucks.
39Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung anderer Bundesländer,
40vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 27.5.2014 ‑ 2 LA 308/13 ‑, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.4.2014 ‑ A 11 S 1721/13 ‑, InfAuslR 2014, 293; Bay. VGH, Urteil vom 28.2.2014 ‑ 13a B 13.30295 ‑, BayVBl. 2014, 628; Hess. VGH, Beschluss vom 28.2.2014 ‑ 10 A 681/13.Z.A ‑, juris; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21.2.2014 ‑ 10 A 10656/13 ‑, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 14.11.2013 ‑ 4 L 44/13 ‑, juris,
41und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte,
42vgl. zuletzt Decision vom 13.1.2015 ‑ 51428/10 ‑, juris.
43Nach der im hiesigen Verfahren eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6.1.2015 (dort irrtümlich 6.1.2014) hat sich an der Erkenntnislage, die der Entscheidung des beschließenden Gerichts vom 7.3.2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑ zu Grunde lag, nichts geändert. Auch sonst liegen dem Senat keine Erkenntnisse über relevante Veränderungen vor. Insbesondere stellt die gegenwärtig besonders hohe Zahl von Einwanderern nach Italien keinen Umstand dar, der eine veränderte Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden. Davon kann nicht ausgegangen werden.
44Stellt sich die verfügte Unzulässigkeit des Asylantrags als rechtmäßig dar, besteht der im Verpflichtungswege verfolgte Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung und hilfsweise subsidiären Schutz durch die Beklagte nicht.
45Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylVfG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
46Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
1Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die Klägerin stützt ihn auf die Zulassungsgründe grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) sowie des Vorliegens eines Verfahrensmangels in Gestalt der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, § 138 Nr. 3 VwGO). Keiner dieser Zulassungsgründe liegt vor.
2I. Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
3Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
41. Nach diesen Maßstäben begründet zunächst die aufgeworfene Frage keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf,
5"ob die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates für die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß Art. 20 Abs. 1 d, Abs. 2 Dublin-II-VO auch dann nach sechs - bzw. im Falle des Untertauchens nach 18 - Monaten nach Annahme des Antrages auf Wiederaufnahme durch den anderen Mitgliedstaat übergeht, wenn noch unter Geltung des alten § 34a AsylVfG, der die Möglichkeit eines einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich ausschloss, das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet hat".
6Die aufgeworfene Frage ist in der Rechtsprechung geklärt, so dass ihre Erheblichkeit im Streitfall dahinstehen kann. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. d Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist - Dublin II-VO -, ABl. L 50 vom 25. Februar 2003, S. 1, erfolgt die Überstellung in den wiederaufnehmenden Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Im Falle des Untertauchens kann die Frist gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO auf höchstens 18 Monate verlängert werden. Nach der Rechtsprechung des OVG NRW ist es für das Vorliegen der Voraussetzung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung unerheblich, dass nach § 34a Abs. 2 AsylVfG in seiner bis zum 5. September 2013 gültig gewesenen, also im Zeitpunkt des Ablehnungsbescheides anwendbaren Fassung eine Aussetzung der Abschiebung im Wege der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dem Gesetzeswortlaut nach ausgeschlossen, bei verfassungskonformen Verständnis der Vorschrift
7vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 -, BVerfGE 94, 49 = juris Rdn.198, 234,
8aber möglich war. Zunächst stellt die Vorschrift des Art. 20 Abs. 1 lit. d Satz 2 Dublin-II-VO ihrem Wortlaut nach darauf ab, dass einem eingelegten Rechtsbehelf tatsächlich aufschiebende Wirkung zukommt und nicht darauf, ob es nach dem innerstaatlichen Recht zulässig ist, die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Abgesehen war es im Lichte der erwähnten Rechtsprechung des BVerfG auch zulässig, die aufschiebende Wirkung anzuordnen; dies bestimmt sich nach der Rechtsordnung des betroffenen Staates insgesamt, namentlich auch des Verfassungsrechts, und nicht allein nach dem Wortlaut des geschriebenen (einfachen) Gesetzesrechts.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2014 - 13 A 827/14.A -, juris Rdn. 5; Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A -, juris Rdn. 59 mit weiteren Nachweisen; auch Nds. OVG, Beschluss vom 2. August 2012 - 4 MC 133/12 -, juris Rdn. 17; VGH Bad- Württ., Urteil vom 19. Juni 2012 - A 2 S 1355/11 -, juris Rdn. 24 ff.
102. Die Frage,
11"wann von einem systemischen Mangel ausgegangen werden muss"
12ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach sind systemische Schwachstellen - zusammengefasst - solche Mängel, die entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird.
13Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 - 10 B 17.04 -, juris Rdn. 3 ff., und vom 19. März 2014 ‑ 10 B 6.14 -, juris Rdn. 9.
143. Auch die Frage,
15"ob Italien nach den aktuellen Erkenntnissen über die dort bestehenden konkreten Verhältnisse ein[en] Ausnahmefall vom Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 -) darstellt und die allgemein europaweit vereinbarten Mindeststandards aufgrund von innerstaatlichen systemischen Mängeln des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen nicht (mehr) gewährleistet bzw. gewährleisten kann, indem die humanitäre, vor allem wirtschaftliche, gesundheitliche und Wohnungssituation nicht dem Art. 4 der Grundrechte-Charta oder den in einschlägigen Richtlinien des Gemeinschaftsrechts vereinbarten Standards entspricht, so dass letztlich die Gefahr besteht, dass zurückkehrende Flüchtlinge einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt werden",
16ist in der aktuellen Rechtsprechung des beschließenden Gerichts im verneinenden Sinne geklärt und somit nicht klärungsbedürftig.
17Vgl. OVG NRW, Urteile vom 25. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, und vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, sowie Beschluss vom 28. Januar 2015 - 11 A 2550/14.A. S. 5; auch OVG Saarland, Beschluss vom 26. Januar 2015 - 2 A 196/14 -; OVG Rh-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris Rdn. 41, 49 ff., sowie EGMR, Decision vom 13. Januar 2015 - 51428/10 - (A.M.E./Niederlande), juris.
184. Die weiter aufgeworfene Frage,
19"ob die Abschiebungsanordnung nicht bereits deshalb rechtswidrig ist, weil sie keine Befristungsentscheidung enthält",
20ist ebenfalls nicht grundsatzbedeutsam. Die Klägerin verweist zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Frage allein darauf, es handele sich bei der Abschiebungsanordnung um eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 (ABl. L 348 vom 24. Dezember 2008, S. 98 - Rückführungsrichtlinie -); das Erfordernis einer Befristung will sie hiervon ausgehend möglicherweise - ohne dass dies dargelegt würde - aus Art. 11 der Richtlinie ableiten. Es lässt sich jedoch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens in Übereinstimmung mit vorliegender obergerichtlicher Rechtsprechung feststellen, dass die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 27a AsylVfG, wie sie hier gegeben ist, keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie darstellt, weil keine Abschiebung in einen Drittstaat, sondern in einen Mitgliedsstaat des Dublin-Raums erfolgen soll. Diese Fallgestaltung erfasst die genannte Richtlinie nicht, wie sich aus der Legaldefinition des Begriffs "Rückkehr" in Art. 3 Nr. 3 der Rückführungsrichtlinie ergibt. Danach bezeichnet der Ausdruck "Rückkehr" im Sinne der Richtlinie die Rückreise von Drittstaatsangehörigen in deren Herkunftsland, ein Transitland oder ein anderes Drittland, nicht aber in einen anderen Mitgliedstaat.
21Vgl. VGH Baden-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris Rdn. 59; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 6. März 2014 - 1 LA 21/14 ‑, juris Rdn. 14; Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Loseblatt, § 59 Rdn. 268; Bergmann, ZAR 2015, 81 (89).
22Es kann angesichts dessen auf sich beruhen, ob die fehlende Befristung der Abschiebungsanordnung überhaupt geeignet wäre, die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 3. Mai 2012 in Frage zu stellen, oder die Klägerin nur eine nachträgliche Ergänzung der Entscheidung der Beklagten bzw. eine Entscheidung über die Dauer der Abschiebungswirkungen im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung verlangen könnte.
23Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 6. März 2014 - 1 LA 21/14 -, juris Rdn. 11 mit weiteren Nachweisen sowie VGH Bad-Württ., Beschlüsse vom 19. Dezember 2012 - 11 S 2303/12 -, juris Rdn. 8, und vom 19. November 2013 - A 10 S 2362/13 -, juris Rdn. 11.
24II. Der weiter gerügte Verfahrensmangel der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, § 138 Nr. 3 VwGO) liegt gleichfalls nicht vor.
251. Zunächst ist eine unzulässige Überraschungsentscheidung nicht gegeben. Eine solche ist anzunehmen, wenn sich das Gericht ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
26Die Klägerin macht dazu im Wesentlichen geltend, sie habe den Beweisantrag, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben über die Tatsache, dass sie, selbst wenn sie einen Asylfolgeantrag stellen würde, in Italien nicht als Asylsuchende behandelt werden würde, so dass sie ggfs. einen besseren Zugang zum Unterbringungssystem haben würde, nur deshalb nicht gestellt, weil das Gericht erklärt habe, es sei nicht beabsichtigt, sie im Falle der Rückkehr auf einen Asylfolgeantrag zu verweisen, mit dem sie sich ggfs. den Status einer Asylbewerberin verschaffen würde. In der Entscheidung habe das Gericht sie aber doch auf die Stellung eines Asylfolgeantrags verwiesen, worin eine Überraschungsentscheidung liege.
27Letztere Darstellung trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat die Klägerin in der angegriffenen Entscheidung nicht "auf die Stellung eines Asylfolgeantrags verwiesen". Es hat zwar ausgeführt, die Klägerin habe die Möglichkeit, in Italien einen weiteren Asylantrag zu stellen mit dem Ziel, eine "bessere" Rechtsposition zu erlangen. Unmittelbar im Anschluss hat das Gericht indessen festgestellt, da die Klägerin erklärt habe, die von ihr geltend gemachten Ansprüche mögen nicht mit Blick auf eine solche Entwicklung geprüft werden, gehe die Kammer davon aus, "dass die Klägerin in Italien - eine Rückführung einmal angenommen - kein weiteres Asylverfahren betreiben, sondern dort aufgrund eines Aufenthaltstitels leben würde, der ihr aus humanitären Gründen erteilt worden" sei. Die weiteren Ausführungen des Gerichts gehen ausdrücklich von dieser Annahme aus. Soweit das Verwaltungsgericht abschließend nochmals auf die Möglichkeit der Klägerin eingeht, einen weiteren Asylantrag zu stellen, und feststellt, dies würde ihre Stellung nur verbessern und deshalb das Ergebnis nicht ändern, erfolgen diese Ausführungen nur ergänzend ("im Übrigen").
282. Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt ein Gehörsverstoß schließlich nicht aus der Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2014 gestellten Beweisanträge. Die Ablehnung von Beweisanträgen führt nur dann zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO, § 244 StPO). Das ist dem Zulassungsvorbringen nicht zu entnehmen.
29Es war zunächst prozessordnungsgemäß, die Beweisanträge mit der Begründung abzulehnen, die Kammer habe bereits ein Gutachten eingeholt, das sie als ausreichend ansehe. Liegen zu einer erheblichen Tatsache bereits amtliche Auskünfte oder gutachtliche Stellungnahmen vor, richtet sich die im Ermessen des Gerichts stehende Entscheidung über einen Antrag auf Einholung weiterer Auskünfte oder Gutachten nach § 98 VwGO in Verbindung mit § 412 Abs. 1 ZPO. Danach kann das Gericht einen Beweisantrag auf Einholung weiterer Auskünfte unter Berufung auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen, wenn es seine Sachkunde ggf. im Rahmen der Beweiswürdigung darstellt und belegt.
30Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2013 - 10 B 34.12 -, juris Rdn. 4.
31Die Antragsbegründung legt nicht dar, dass die Ablehnung der Beweisanträge gestützt auf § 98 VwGO in Verbindung mit § 412 Abs. 1 ZPO gemessen daran fehlerhaft wäre. Überdies zieht sie auch den weiteren Grund für die Ablehnung der Beweiserhebung nicht durchgreifend in Zweifel. Das Verwaltungsgericht hat sich daneben ("im Übrigen") darauf gestützt, es komme für die Frage des Vorliegens eines grundlegenden bzw. systemischen Mangels mit dem für eine Verletzung des Art. 4 EuGrdCh bzw. Art. 3 EMRK erforderlichen Gewicht nicht an auf die unter Beweis gestellten Tatsachen an, ob die Klägerin in bestimmten Situationen Unterstützung erwarten könne, namentlich, ob sie Anspruch auf Unterkunft (etwa) in einer CARA habe und auf dem Flughafen betreut werde. Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Unerheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache ist ein allgemein anerkannter Grund für die Ablehnung eines unbedingten Beweisantrags. Maßgeblich ist dabei die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des entscheidenden Gerichts.
32Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 -, juris Rdn. 26 mit weiteren Nachweisen.
33Dem Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht zu entnehmen, dass für das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung die Beweiserhebung erheblich gewesen wäre; die Klägerin legt die Erheblichkeit der Beweistatsachen lediglich für die von ihr vertretene Auffassung dar, aus dem Fehlen von Unterstützung der genannten Art folge für sie eine konkrete Lebensgefahr.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylVfG.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 22. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die Unzulässigkeit eines von ihm in Deutschland gestellten Asylantrags festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wird. Er begehrt die Ausübung des Selbsteintrittsrechts und die sachliche Prüfung des Asylantrags in Deutschland.
- 2
Der Kläger stellte am 2. August 2012 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Trier (Bundesamt) einen Asylantrag, nachdem er am 17. Juli 2012 als Asylbewerber erfasst worden war. Bei der Antragstellung gab er an, am 5. August 1988 in Mogadischu geboren zu sein und die somalische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Er sei Mitglied der Volksgruppe der Hawadle und sunnitischer Religionszugehörigkeit.
- 3
Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 29. August 2012 trug der Kläger vor, zwei Jahre lang als Schneider ausgebildet worden zu sein und diesen Beruf ein Jahr lang selbständig ausgeübt zu haben. Seine Schneiderei habe in der Nähe einer Fabrikruine gelegen, auf deren Gelände äthiopische Soldaten campiert hätten. Immer wieder seien diese von Mitgliedern der Al Shabaab attackiert worden. Auch die äthiopischen Soldaten hätten angegriffen. Die Al Shabaab sei zu ihm gekommen und habe gesagt, sie brauche Hilfe. Er habe nicht kämpfen wollen und sei im August 2008 geflohen. Hierzu habe er Mogadischu mit einem Kraftfahrzeug verlassen und sei über Addis Abeba und Khartum nach Tripolis gelangt, wo er am 18. November 2008 angekommen sei. Von dort aus sei er mit einem Boot nach Sizilien gefahren und am 25. Mai 2009 gelandet. Auf seinen Asylantrag hin habe er in Italien den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erhalten. Danach habe er das Flüchtlingslager verlassen müssen und sei nach Florenz gegangen. Dort habe ihm die Caritas einmal am Tag etwas zu essen gegeben. Einen Monat lang habe er in einem verlassenen Haus ohne Wasser und Strom gelebt. Dann sei er insgesamt zwei Mal in die Niederlande gefahren und habe versucht, dort Asyl zu bekommen. Er sei aber jedesmal nach Italien zurückgeflogen worden. Die Polizisten am Flughafen Rom hätten ihm gesagt, er solle zum Bahnhof gehen. Dort seien viele Somalis gewesen, die ihn zur somalischen Botschaft in Rom gebracht hätten. Die Botschaft sei aufgegeben und von Flüchtlingen zum Übernachten genutzt worden. Es sei furchtbar dreckig gewesen und man habe krank werden können. Es habe Wasser, aber keinen Strom gegeben. Schließlich habe er sich auf den Weg nach Deutschland gemacht, wo er am 14. Juli 2012 angekommen sei.
- 4
Er sei krank. Er leide an einer schiefen Wirbelsäule und könne manchmal nicht gehen, außerdem habe er einen Vitamin-D-Mangel und eine Magenerkrankung. In Italien habe man ihm im Krankenhaus nur eine Schmerzspritze gegeben, weil er keinen Gesundheitsausweis habe vorzeigen können.
- 5
Die niederländischen Behörden wiesen ein Übernahmeersuchen der Beklagten zurück und teilten mit, dass sie den Kläger ihrerseits am 23. Dezember 2010 und 10. Oktober 2011 nach Italien überstellt hätten.
- 6
Auf entsprechenden Antrag vom 17. Dezember 2012 akzeptierten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - ihre Zuständigkeit, wobei der Kläger dort mit syrischer Staatsangehörigkeit und dem Geburtsdatum 1. Januar 1988 geführt wurde, und stimmten einer Überstellung bis zum 20. Juni 2013 zu.
- 7
Vom 14. bis 24. Oktober 2012 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung wegen Schmerzen im Hüftbereich. Entzündliche sowie autoimmune Erkrankungen konnten laborchemisch ausgeschlossen werden. In einer Magnetresonanztomographie zeigten sich arthropische Veränderungen des Hüftgelenks. Es wurden eine ausgewogene eiweißreiche Ernährung und ambulante Krankengymnastik-Maßnahmen beziehungsweise Reha-Sport sowie eine ambulante psychiatrische Betreuung empfohlen. Am 6. und 7. Januar 2013 befand sich der Kläger wegen epigastrischer Schmerzen unklarer Genese erneut in stationärer Krankenhausbehandlung. Nachdem die Laborbefunde sowie eine Gastroskopie keine Auffälligkeiten aufwiesen und der Patient sich subjektiv beschwerdegebessert zeigte, wurde er ohne weitere Medikation entlassen. In privatärztlichen Attesten einer allgemeinmedizinischen Praxis vom 7. Februar 2013 und 29. Januar 2014 werden als Diagnosen Oberbauschschmerzen bei rezidivierender Gastritis, Lws-Syndrom, Coxalgie, Vitamin-D-Mangel und Mangelernährung bei Appetitlosigkeit aufgezählt. Der Patient sei auf regelmäßige medizinische Behandlung und Medikamente angewiesen. Eine Abschiebung nach Italien wäre mit einem hohen Risiko der Verschlechterung des Gesundheitszustandes verbunden.
- 8
Mit Bescheid vom 13. Februar 2013 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG für unzulässig. Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und habe seine Zuständigkeit auch anerkannt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich. Insbesondere hinderten die vorgelegten Atteste eine Überstellung des Klägers nach Italien nicht, denn in Italien habe der Kläger wie jeder italienischer Staatsbürger Zugang zum dortigen Gesundheitssystem.
- 9
Am 19. Februar 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens sei auf die Beklagte übergegangen, da der Übernahmeantrag an Italien erst nach Ablauf der Frist des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt worden sei. Im Übrigen dürfe der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Italien überstellt werden, weil er sich in ständiger ärztlicher Behandlung befinde. Schließlich sei die Beklagte zur Prüfung des Antrags verpflichtet, weil in Italien systemische Mängel im Asylverfahren herrschten. Die Mindeststandards in Bezug auf Unterbringung, soziale und medizinische Versorgung würden erheblich unterschritten. Das gelte insbesondere für Sizilien, wohin der Kläger abgeschoben werden sollte. Ihm drohte daher nach seiner Rückführung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ohne Perspektive auf Arbeit oder Obdach.
- 10
Der Kläger hat beantragt,
- 11
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,
- 12
hilfsweise,
- 13
die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.
- 14
Die Beklagte hat beantragt,
- 15
die Klage abzuweisen.
- 16
Sie weist darauf hin, dass Personen mit Schutzstatus hinsichtlich der Unterbringung und der medizinischen Versorgung die gleichen Rechte genössen wie italienische Staatsangehörige. Damit seien Unterkunft und Wohnung in eigener Verantwortung zu besorgen. Die entsprechenden Kosten seien selbst zu tragen. Nach Meldung bei dem „Servizio Sanitario Nazionale“ erhielten Personen mit Schutzstatus eine „Tessera Sanitaria“, mit deren Hilfe Zugang zu allen ärztlichen Leistungen erfolge. Die Kosten der Behandlungen würden vom italienischen Staat getragen. Nach Auskunft der deutschen Liaisonbeamtin des Bundesamtes in Rom sei die Gewährung dieser medizinischen Versorgung unabhängig von einem festen Wohnsitz. Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus erhielten, hätten das Recht zu arbeiten (guida practica per i titolari di protezione internazionale). Nach Auskunft der Liaisionbeamtin sei die Arbeitserlaubnis eigentlich an eine „residenza“, also einen festen Wohnsitz geknüpft. Viele Vereinigungen böten den betroffenen Personen aber ihre Adresse als Briefkastenadresse an. Schließlich habe der Kläger auch keine Krankheit substantiiert, die ihn reiseunfähig machen beziehungsweise besondere Lebens- oder Gesundheitsgefahren begründen würde.
- 17
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 2013 abgewiesen. Die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrags ergebe sich aus Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung, da Italien dem Kläger einen Aufenthaltstitel ausgestellt habe. Die Fristvorschriften des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO begründeten keine subjektiven Rechte, so dass es auf deren Versäumung nicht ankomme. Zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts sei die Beklagte nicht verpflichtet. Es sei nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte, Gutachten sowie Berichte und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung weder zu befürchten, dass dem Kläger keine hinreichende soziale beziehungsweise medizinische Versorgung zugute käme, noch herrschten systemische Mängel im italienischen Asylverfahren, die befürchten ließen, dass dem Kläger in Italien eine menschenunwürdige Behandlung drohte.
- 18
Auf entsprechenden Antrag ließ der Senat die Berufung zu und untersagte der Beklagten mit Beschluss vom 19. Juni 2013, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen.
- 19
Der Kläger wiederholt und vertieft zur Begründung der Berufung seinen Vortrag aus dem Klageverfahren. Als Schutzberechtigtem stünde ihm weder Anspruch auf Unterkunft, noch auf staatliche Sozialleistungen zu. Er habe auch keinen Anspruch auf Integrationsmaßnahmen und könne allenfalls in ländlichen Gebieten zeitlich befristet und schlecht bezahlt als Erntehelfer arbeiten. Außerhalb von Rom habe er keine Möglichkeit, sich eine virtuelle Adresse geben zu lassen, so dass er vermutlich auch keinen Zugang zum Gesundheitssystem habe. In Not geratene italienische Staatsangehörige könnten in der Regel auf Hilfe durch die (Groß-) Familie hoffen. Diese Möglichkeit hätten Flüchtlinge nicht.
- 20
Der Kläger beantragt,
- 21
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,
- 22
hilfsweise,
- 23
die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.
- 24
Die Beklagte beantragt,
- 25
die Berufung zurückzuweisen.
- 26
Sie macht sich im Wesentlichen eine Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Verfahren zu Eigen. Danach liegen außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, nicht vor. Italien erfülle seine Verpflichtung nach den Artikeln 20 bis 24 Genfer Flüchtlingskonvention, Flüchtlinge im Sozial- und Arbeitsrecht ebenso zu behandeln wie eigene Staatsangehörige. Eine Besserstellung von Asylbewerbern sei danach nicht vorgesehen. Aus dem Umstand, dass Italien kein ähnliches soziales Netz biete wie Deutschland und andere Mitgliedstaaten, könne nicht geschlossen werden, dass es sich von seiner Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention gelöst habe. Die von dem Kläger zitierten Gutachten ergäben keine neuen Erkenntnisse, insbesondere kein belastbares Zahlenmaterial darüber, welcher Anteil der Schutzberechtigten für wie lange tatsächlich der Obdachlosigkeit anheimgefallen sei.
- 27
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte, die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 28
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Er hat keinen Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland. Die Beklagte ist weder nach den allgemeinen Regeln zuständig (I), noch besteht ein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts (II). Daher ist auch die Abschiebungsanordnung nach Italien rechtlich nicht zu beanstanden (III).
I.
- 29
Die Frage, welcher Staat für das Asylverfahren des Klägers zuständig ist, bestimmt sich vorliegend nach den Regeln der Dublin-II-Verordnung (1). Danach ist Italien der zuständige Mitgliedstaat (2). Die Zuständigkeit ist nachträglich weder nach der Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO (3), noch nach der Vorschrift des Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO (4) auf die Beklagte übergegangen.
- 30
1. Im vorliegenden Fall kommt unbeschadet der Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch die Dublin-II-Verordnung und nicht die mittlerweile in Kraft getretene Nachfolgeverordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) zur Anwendung. Gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Dublin-III-VO gilt diese nämlich erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme, die nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurden. Vorliegend hat der Kläger seinen Asylantrag bei der Beklagten bereits im Jahr 2012 gestellt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 akzeptiert.
- 31
2. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien nach der Vorschrift des Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Danach fallen dem Mitgliedstaat die Pflichten zur Wiederaufnahme und abschließenden Prüfung eines Asylverfahrens zu, sofern er einem Antragsteller einen Aufenthaltstitel erteilt. Italien hat dem Kläger in Folge der Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter einen Aufenthaltstitel erteilt und diesen im Jahr 2012 nochmals verlängert.
- 32
3. Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach dieser Vorschrift sind Aufnahmegesuche an andere Mitgliedstaaten spätestens innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrags zu stellen. Wird das Gesuch nicht innerhalb dieser Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung zuständig.
- 33
Zum einen vermittelt diese Vorschrift dem Asylbewerber aber keine subjektiven Rechte, sondern dient als innerstaatliche Organisationsvorschrift in erster Linie der klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16 der Verordnung). Im Vordergrund steht daher das Interesse, die Zuständigkeit zeitnah festzustellen und den Asylantrag durch einzig den zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nicht aber, die Prüfung einem ganz bestimmten Mitgliedstaat zuzusprechen, in dem der Antragsteller einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat.
- 34
Zum anderen ist die Vorschrift auf den vorliegenden Fall schon nicht anwendbar. Die Beklagte hat kein Aufnahmegesuch nach Art. 17, sondern ein Wiederaufnahmegesuch nach den Art. 16. Abs. 2, Abs. 1 lit. c), 20 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt. Für Wiederaufnahmegesuche sieht die Dublin-II-VO aber keine Frist vor.
- 35
4. Schließlich ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens auch nicht deshalb nach Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. d) nämlich erst nach rechtskräftigem Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens zu laufen, sofern diesem aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2009 – C 19/08 –, Juris-Rn. 44 ff.; OVG Niedersachen, Urteil vom 04.07.2012 – 2 LB 163/10 – Juris-Rn. 36 m.w.Nw.). Vorliegend hatte der Senat noch vor Ablauf der Frist der Beklagten untersagt, den Kläger nach Italien abzuschieben.
II.
- 36
Es besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO.
- 37
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die mittlerweile ihren Niederschlag in Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO gefunden hat, kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011-0000, Rn. 68 ff.).
- 38
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (sogenanntes Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung, vgl. grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996, 2 BvR 1938/93, Juris-Rn. 179 ff.). Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
- 39
Allerdings berührt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat das in der Dublin-II- bzw. Dublin-III-Verordnung niedergelegte Zuständigkeitssystem. Der Europäische Gerichtshof macht deutlich, dass nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel steht (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deshalb nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta ausgesetzt zu sein (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 bis Rn. 106).
- 40
Anhaltspunkte dafür, wann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anzunehmen ist, lassen sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK entnehmen, der mit Art. 4 der Europäischen Grundrechtecharta übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden (Urteil vom 21.01.2011, M.S.S. gegen Belgien und Griechenland, Beschwerde-Nr. 30696/09, Rn. 226 und Rn. 254 ff.).
- 41
Der Senat kommt nach Auswertung der vorliegenden Gutachten, Auskünfte und Berichte und unter Würdigung des Vortrags des Klägers zu dem Ergebnis, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, auf Grund derer dem Antragstellers nach seiner Rückführung eine menschenunwürdige Behandlung droht (ebenso OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, OVG Nds, Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - und vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - und vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 -; VG Ansbach, Beschluss vom 18.09.2013 - An 2 K 13.30675 -; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me -; VG Lüneburg, Urteil vom 04.06.2013 - 6 A 176/11 - (n.V.); VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A -; VG Osnabrück, Urteil vom 02.04.2012 - 5 A 309/11 - (n.V.) a.A. OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A -; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As -; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A -; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A, soweit veröffentlicht zitiert nach Juris).
- 42
Italien verfügt über ein planvolles und ausdifferenziertes Asylsystem (a). Dieses System leidet zwar an Mängeln (b), nicht aber an systemischen Mängel (c). Das gilt auch für Personen mit Schutzstatus (d).
- 43
(a) Zunächst ist festzuhalten, dass Italien über ein planvolles und ausdifferenziertes Aufnahmesystem für Asylbewerber verfügt, das in zwei Phasen gegliedert ist. Nach Stellung des Asylantrags ist die Unterbringung in Aufnahmezentren für Asylsuchende, den sogenannten CARA (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo) vorgesehen. Die maximale Aufenthaltsdauer dort soll grundsätzlich 35 Tage betragen. Daneben gibt es noch Aufnahmeeinrichtungen für Migranten, die keine Asylsuchenden sind, die so genannten CDA (Centri di Accoglienza). Diese werden in der Praxis ebenfalls für die Erstaufnahme von Asylsuchenden verwendet. In der zweiten Phase sollen die Antragsteller in einer Einrichtung des Aufnahmesystems SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati) untergebracht werden. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk von Unterkünften, das auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGOs basiert. Die SPRAR-Projekte umfassen nicht nur eine Wohnmöglichkeit, sondern ein individualisiertes Integrationsprojekt mit Sprachkursen, Berufsbildung und Unterstützung bei der Arbeitssuche. Die Aufenthaltsdauer im einem SPRAR beträgt normalerweise 6 Monate und kann bis zu einem Jahr verlängert werden (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.).
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Endet das Asylverfahren mit der Zuerkennung eines Schutzstatus, werden den Schutzsuchenden Aufenthaltsberechtigungen („permessi die soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien formal dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige. Sie haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und kostenfreien Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Freiburg vom 11.07.2012). In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden sie nicht mehr aufgenommen. In Einrichtungen des SPRAR können sie Unterkunft finden, sofern sie die vorgesehene maximale Aufenthaltsdauer noch nicht ausgeschöpft haben und ein Platz frei ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 und S. 25; borderline-europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28.09.2012, S. 50).
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(b) In der Praxis litt - und leidet - das italienische Aufnahmesystem an Mängeln. Die Berichtslage zeigt übereinstimmen, dass es insbesondere auf die sehr hohen Antragszahlen in den Jahren 2008 und 2011 nicht ausreichend vorbereitet war (Bethke & Bender, Zur Situation von Flüchtlingen in Italien - Bericht über die Recherchereise nach Rom und Turin im Oktober 2010 -; Schweizer Flüchtlingshilfe/Juss-Buss: Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und „Dublin-Rückkehrern“, Bericht vom Mai 2011; borderline-europe/Judith Gleitze: Zur Lage von Asylsuchenden und „Dublin-Rückkehrern“, Stellungnahme vom Dezember 2012; Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Darmstadt vom 29.11.2011 und an VG Braunschweig vom 09.12.2011). In der Folge verlängerten sich die Verfahrenszeiten deutlich über die vorgesehenen Fristen hinaus. Die zeitliche Lücke zwischen der Stellung des Asylantrags und dessen formeller Registrierung (verbalizzazione) führte zu der Gefahr der Obdachlosigkeit, da in der Praxis Zugang zu den Erstaufnahmeeinrichtungen erst ab dem Zeitpunkt der Registrierung gewährt wurde (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 12). Zudem waren die Aufnahmekapazitäten der staatlicherseits zur Verfügung gestellten Plätze überlastet. Für Personen mit Schutzstatus bedeutete dies, dass sie Schwierigkeiten hatten, im SPRAR-Aufnahmesystem unterzukommen, auch wenn sie die maximale Verweildauer noch nicht ausgeschöpft hatten. Hinzu kam die wirtschaftliche schwierige Lage, in der sich auch Italien nach der Wirtschaftskrise befand und noch befindet. Nach den Informationen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe lebt vor allem in Rom eine ganz erhebliche Zahl von Asylbewerbern und Personen mit Schutzstatus (die Schätzungen sprechen von 1.200 bis 1.700) in Slums oder besetzten Häusern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, a.a.O., S. 36).
- 46
(c) Diese Mängel begründen aber keine systemischen Mängel im oben dargestellten Sinne. Dabei versteht der Senat unter systemischen Mängeln solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar betroffen sind oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem faktisch in weiten Teilen funktionsunfähig wird. Nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte kommt der Senat zu der Überzeugung, dass die systembedingten Missstände von den italienischen Behörden angegangen werden und sich die Situation deshalb verbessert hat und aller Voraussicht nach weiter verbessern wird. Außerdem ist festzustellen, dass die Zustände punktuell, aber nicht flächendeckend unzureichend sind, so dass nicht davon gesprochen werden kann, dass das Asyl- und Aufnahmesystem faktisch außer Kraft gesetzt ist.
- 47
Ein im System angelegter Mangel ist die Tatsache, dass der Zugang zum Erstaufnahmesystem offensichtlich von der Registrierung (verbalizzazione) abhängt und dies bei einer Verzögerung des Verfahrens zur Obdachlosigkeit führen kann. Allerdings hat das italienische Innenministerium in der ersten Jahreshälfte 2013 eine Weisung herausgegeben, wonach die Registrierung zeitlich mit der Asylgesuchstellung zusammenfallen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). Auch die Überlastung des Aufnahmesystems nimmt Italien nicht tatenlos hin. Auf die hohen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 reagierte das Land zunächst mit einem Notstandskonzept, bei dem unter Führung des Zivilschutzes (Protezione Civile) Aufnahmestrukturen in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; UNHCR an VG Braunschweig, S. 3; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 9). Daneben wurden und werden die Plätze, die im SPRAR-Projekt zur Verfügung stehen, in erheblichem Umfang aufgestockt (siehe zur Bedeutung dieser Plätze für das Aufnahmesystem den Report von Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, 18.09.2012, Abs. 152). Standen ursprünglich 3.000 Plätze zur Verfügung, waren es Anfang Juni 2013 bereits 4.800 Plätze, wobei hierzu auch bereits vorhandene Unterkunftsplätze gezählt wurden, die um die im SPRAR-System vorgesehen Integrationsleistungen ergänzt wurden. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die Kapazität im Zeitraum 2014 bis 2016 nochmals auf insgesamt 16.000 Plätze erhöht werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Außerdem wurde ein neues Informatiksystem „Vestanet“ eingeführt, das ebenfalls zu einer Verbesserung des Verfahrens beitragen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). In seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig vom 24. April 2012 hat der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen ausdrücklich anerkannt, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben. Gleiches gilt für die Auskunft des Auswärtige Amtes vom 21. Januar 2013 an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt.
- 48
Der Senat geht außerdem davon aus, dass die aufgezeigten Missstände in bestimmten Städten und Regionen auftreten, die Funktionsfähigkeit des Asyl- und Aufnahmesystems aber nicht insgesamt in Frage stellen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Aufklärungsreisen die Problemschwerpunkte in den Blick nehmen (so ausdrücklich der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe mit Schwerpunkt Rom und Mailand, S. 1; in der Sache nicht anders der Bericht von Maria Bethke & Dominik Bender mit Schwerpunkt Rom und Turin; Gutachten von borderline-europe e.V. mit Schwerpunkt Rom und Sizilien). Diese Situationen sind aber nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar. So geht der UNHCR, dessen Dokumente bei der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften von besonderer Relevanz sind (vgl. EuGH, Urteil vom 30.05.2013 - C-528/11 - Rn. 44), in seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig davon aus, dass die CARA, CDA und SPRAR-Projekte in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl an Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR an VG Braunschweig vom 24. April 2012, S. 3). Anders als im Falle Griechenlands oder jüngst Bulgariens (UNHCR Briefing Notes vom 03.01.2014) hat der UNHCR bislang in keiner seiner Stellungnahmen eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten ausgesprochen, Überstellungen nach Italien nicht mehr vorzunehmen (siehe zuletzt UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, July 2013). Auch die Auskünfte des Auswärtigen Amtes sprechen gegen die Annahme eines systemischen Mangels des italienischen Asylsystems. Sie basieren auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR und UNHCR in Rom, grenzpolizeilicher Verbindungsbeamter der Bundespolizei im italienischen Innenministerium, Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Landesamtes ISTAT, Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen sowie Informationen des SPRAR und sind daher geeignet, einen Überblick über die Situation im Land zu geben. Nach der Auskunft an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt konnten seinerzeit (Januar 2013) alle Asylbewerber und Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Gegebenenfalls gebe es lokale und regionale Überbelegungen, italienweit seien aber genügen Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen/öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen, so dass meist ein Unterbringungsplatz in der Nähe gefunden werden könne. Es sei nicht davon auszugehen, dass Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz fänden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos auf der Straße oder in Elendsquartieren leben müssten.
- 49
(d) Mit Blick auf den hier vorliegenden Fall ist weiter festzuhalten, dass sich aus der Auskunftslage auch keine systemischen Mängel für Personen ergeben, denen bereits ein Schutzstatus zugesprochen wurde. Die mit der Anerkennung verbundene Erteilung eines Aufenthaltsrechts (permession di soggiorno) bedeutet in der Praxis, dass sich die Personen mit Schutzstatus grundsätzlich selbst um eine Unterkunft und eine Arbeit kümmern müssen. Sie können nicht mehr in CARA unterkommen, da diese nur Asylbewerbern offenstehen. Sie können sich aber für Plätze im SPRAR-System bewerben, sofern sie die maximale Verweildauer noch nicht überschritten haben. Tatsächlich wird eine große Zahl der Plätze im SPRAR-System von Personen mit Schutzstatus belegt. Allerdings bestehen zum Teil lange Wartezeiten (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Hier dürfte die geplante Ausweitung der SPRAR-Plätze eine deutliche Entlastung bringen. Daneben bieten die Gemeinden Unterkünfte an. Jedenfalls in Rom betrug die durchschnittliche Wartezeit auf einen solchen Platz allerdings drei Monate und in Mailand einen bis drei Monate (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 27 und S. 30). Schließlich können sich Personen mit Schutzstatus, die keine Unterkunft finden, an kirchliche Organisationen und Nichtregierungsorganisationen wie die Caritas oder das Consiglio Italiano per i Rifugiati wenden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.01.2013 an das OVG des Landes Sachsen-Anhalt). Verlässliche Zahlen, wie viele Schutzberechtigte von keiner dieser Möglichkeiten Gebrauch machen können und letztlich obdachlos werden, fehlen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist im Regelfall oder gar überwiegend aber nicht davon auszugehen, dass Flüchtlinge in Italien beziehungsweise Rückkehrer nach der Dublin-II-Verordnung dort unter Verhältnissen leben müssen, welche man gemeinhin als „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (Betteln, Leben auf der Straße etc.)“ bezeichnen könne. Hierbei handle es sich eher um Einzelfälle (Auswärtiges Amtes an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
- 50
In Italien gibt es auch für italienische Staatsangehörige kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Lebensunterhaltssicherung vor dem 65. Lebensjahr. Die Zuständigkeit für die Festsetzung von Sozialhilfeleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen wird die Höhe des Sozialgeldes durch die Kommune festgesetzt. Öffentliche Fürsorgeleistungen weisen daher deutliche Unterschiede je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft auf (Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Fall; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 48).
- 51
Auch wenn sich die Situation damit deutlich schlechter und unsicherer darstellt als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet dies für sich genommen keinen systemischen Mangel. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ausdrücklich festgehalten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsparteien nicht verpflichte, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen. Die Norm enthalte auch keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmen Lebensstandard zu bieten. Ausländer, die von einer Ausweisung betroffen seien, gewähre die Konvention grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren, die vom ausweisenden Staat zur Verfügung gestellt werde. Wenn keine außergewöhnlichen zwingenden humanitären Gründe vorlägen, die gegen eine Ausweisung sprächen, sei allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse des Antragstellers bedeutend geschmälert würden, falls er oder sie ausgewiesen würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMR zu begründen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, a.a.O. Rn. 70 f.).
- 52
Keine systematischen Mängel bestehen schließlich auch im Hinblick auf den Zugang zum Gesundheitssystem. Personen mit Schutzstatus sind in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim Nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtigt. Hierzu benötigen Schutzberechtigte den Aufenthaltstitel, die Steuernummer sowie eine feste Adresse. Personen ohne festen Wohnsitz können sich zumindest in Rom unter Sammeladressen karitativer Einrichtungen melden, die von den Behörden akzeptiert werden. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (Auswärtiges Amt an OVG des Landes Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
- 53
(e) Die Einschätzung, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, wird durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt. In seinem Beschluss vom 2. April 2013 hat er die Überstellung der dortigen Beschwerdeführerin, der - wie dem Kläger - in Italien bereits ein Schutzstatus zugesprochen worden war, mit Art. 3 EMRK für vereinbar gehalten. Dabei hat er - neben der konkreten Situation der Antragstellerin - eine Vielzahl von Stellungnahmen sowie Berichten von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen über die generelle Situation in Italien ausgewertet. Er kommt nach ausführlicher Würdigung der festzustellenden Mängel - und keineswegs nur unter Bezug auf den ihm vorgelegten konkreten Sachverhalt - zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, Rn. 70 ff., in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 336, besprochen von Thym in ZAR 2013, 331; siehe auch Hailbronner, AuslR, Dezember 2013, § 34a Rn. 29 f.; ebenso Beschluss vom 18.06.2013, Halimi gegen Österreich und Italien, Rn. 68, in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 338). Diese Einschätzung hat er jüngst nochmals ausdrücklich bestätigt (Beschluss vom 10.09.2013 - Nr. 2314/10 -, Hussein Diirshi u.a. gegen Niederlande und Italien, zitiert nach HUDOC).
- 54
(f) Es sind auch keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien eine mit Art. 4 der Grundrechtecharta nicht vereinbare Behandlung drohen würde. Er leidet insbesondere nicht an außerordentlich schweren oder seltenen Krankheiten, deren Behandlung in Italien nicht möglich erschiene. Nach seiner Schilderung bekam er in Italien in Notfallsituationen zumindest Schmerzmittel verabreicht. Die Probleme bei einer weiterführenden Behandlung resultierten offenbar daraus, dass er mangels festen Wohnsitzes keine Gesundheitskarte beantragt hat. Dem hätte der Kläger nach der Auskunftslage aber zumindest in Rom dadurch abhelfen können, dass er sich bei einer gemeinnützigen Organisation eine fiktive Meldeadresse hätte geben lassen. Aus den Angaben des Klägers lässt sich außerdem schließen, dass er noch keinen Platz im SPRAR-System beansprucht hat. Damit steht ihm nach seiner Rückkehr die Möglichkeit offen, sich für einen solchen Platz zu bewerben. Auf die von dem Kläger zuletzt aufgeworfene Frage, ob die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013 zutrifft, nach der alle im Rahmen der Dublin-Verordnung zurückgeführten Personen von der Questura in eine Unterkunft verteilt werden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Auskunft dürfte sich auf Personen ohne Schutzstatus bezogen haben, die - wie oben dargestellt - ohnehin einem anderen Aufnahmeregime unterfallen.
III.
- 55
Die Abschiebungsanordnung ist nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien seine Zuständigkeit akzeptiert hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.
IV.
- 56
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
- 57
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
- 58
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen. Streitentscheidend ist vorliegend die Würdigung der tatsächlichen Umstände in Italien.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Der Antrag,
2die aufschiebende Wirkung der Klage 7a K 3463/15.A gegen die Abschiebungsanordnung nach Italien im Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Juli 2015 anzuordnen,
3hat keinen Erfolg.
4Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung.
5Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 und 2 Asylverfahrensgesetz ‑ AsylVfG ‑ ordnet das Bundesamt, wenn die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) erfolgen soll, die Abschiebung an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Gegenüber dem Antragsteller ist die Abschiebung nach Italien, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und insofern in einen kraft verfassungsrechtlicher Bestimmung sicheren Drittstaat (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG; § 26a Abs. 2 AsylVfG), angeordnet worden. Darüber hinaus ergibt sich die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens aus § 27a AsylVfG i. V. m. Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) bzw. Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO). Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das ist hier grundsätzlich der Fall, weil der Antragsteller sich vor seiner Einreise ins Bundesgebiet in Italien aufgehalten hat (Art. 10 Abs. 1, 2 Dublin-II-VO; vgl. Art. 13 Abs. 1, 2 Dublin-III-VO). Das hat ein Treffer in der EURODAC-Datenbank (Fingerabdruckabgleich) eindeutig ergeben und ist auch vom Antragsteller so angegeben worden: Einreise 9. uni 2014. Zu diesem Zeitpunkt war der im Mai 1996 geborene Antragsteller auch volljährig, weshalb Art. 8 Abs. 4 Dublin-III-VO nicht greift.
6Die Zuständigkeit Italiens ist schließlich nicht aufgrund von systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem Aufnahmestaat entfallen. Insoweit ist die Antragsgegnerin nicht zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO, vgl. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO) verpflichtet. Nach der Rechtsprechung der Kammer, der sich das Gericht für das vorliegende Verfahren anschließt, sind bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung systemische Schwachstellen derzeit jedenfalls nicht im Hinblick auf Asylsuchende anzunehmen, die nicht zum Kreis der verletzlichen bzw. besonders schutzbedürftigen Personen gehören.
7VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 26. März 2015 ‑ 7a L 498/15.A.; Beschluss vom 13. März 2015, 7a L 462/15.A ‑ juris; Beschluss vom 6. März 2015 ‑ 7a L 327/15.A – und vom 5. August 2015 – 7a L 1435/15.A -.
8In den genannten Entscheidungen wird hierzu ausgeführt:
9„Die Kammer hält an ihrer bisherigen Rechtsprechung
10vgl. u. a. Urteil vom 18. Dezember 2014 ‑ 7a K 4590/14.A, Beschluss vom 13. November 2014 ‑ 7a L 1718/14.A, beide nrwe,
11wonach festgestellte systemische Mängel des Asylverfahrens in Italien, die auch gegenwärtig noch nicht beseitigt sind, für alle Asylbewerber ungeachtet ihrer individuellen Verhältnisse schwere Rechtsverletzungen i. S. d. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ‑ EUGrdRCH ‑, Art. 3 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ‑ EMRK ‑ nach sich ziehen, die eine Selbsteintrittspflicht der Bundesrepublik nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO begründen, nicht mehr uneingeschränkt fest. Vielmehr geht sie nach der jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ‑ EGMR ‑
12Urteil 51428/10 vom 13. Januar 2015 ‑ A.M.E. vs. The Netherlands,
13davon aus, dass systemische Mängel des Asylverfahrens in Italien für den Kreis der Antragsteller, die nicht zu einem besonders schützenswerten Personenkreis („underprivileged and vulnerable population group in need of special protection“, s. EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015, a.a.O.) i. S. der Genfer Konvention und der ihr folgenden Richtlinien zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedsstaaten ‑ Aufnahmerichtlinien ‑ (Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013) zählen, nicht den Schweregrad einer Verletzung von Art. 3 EMRK erreichen. Gesunde Männer ohne Familienangehörige, die den Weg aus ihrer Heimat nach Italien allein geschafft haben, sind den dort vorzufindenden Schwierigkeiten und Engpässen bei der Unterbringung und Versorgung regelmäßig weit eher gewachsenen als dies für Familien mit Kindern oder Minderjährige zutrifft. Sie sind grundsätzlich in der Lage, auch eine Übergangsfrist unter schwierigen Bedingungen auszuhalten, ohne dass dies zu einer Rechtsverletzung im oben dargelegten Sinne führt.“
14Der Antragsteller ist als alleinstehender, junger und kinderloser Mann diesem Personenkreis, der keines besonderen ‑ über die allgemeinen Standards hinausgehenden ‑ Schutzes bedarf, zuzurechnen. Er ist nach seinen Angaben auf die Unterstützung seiner Familie nicht angewiesen, hat seine Heimat unbegleitet verlassen und sich seitdem in Tunesien, Libyen, Italien und in Österreich aufgehalten.
15Die Abschiebung kann nach dem Stand des Eilverfahrens auch durchgeführt werden. Zielstaats- oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sind nicht ersichtlich. Eine fehlende Übernahmebereitschaft Italiens ist ebenfalls nicht gegeben, da Italien innerhalb der vorgesehenen Zwei-Wochen-Frist auf das Ersuchen um Übernahme nicht geantwortet hat und danach davon auszugehen ist, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung Italiens zur Aufnahme und zu entsprechenden Vorkehrungen für die Versorgung des Betreffenden nach sich zieht (vgl. Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO). Ein Widerspruch zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW (Beschluss vom 3. März 2015 ‑ 14 B 102/15.A ‑) besteht nicht, da in jenem Verfahren eine ausdrückliche Ablehnung seitens des Wiederaufnahmestaates (Bulgarien) vorlag und somit die Regeln des Art. 25 Dublin-III-VO nicht greifen konnten.
16Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
II.
Tenor
Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. aus E. werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden
1
Gründe:
2Der am 22. Januar 2014 sinngemäß bei Gericht anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 387/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Januar 2014 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichtern gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg.
5Er ist zwar zulässig aber unbegründet.
6Der hier gestellte Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG in seiner durch Artikel 1 Nummer 27 Buchstabe b des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Absatz 1 AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsanordnung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
7Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 14. Januar 2014 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde ausweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Postzustellungsurkunde am 17. Januar 2014 gemäß § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG dem Antragsteller persönlich zugestellt. Er hat am 22. Januar 2014 innerhalb der Wochenfrist den Eilantrag gestellt und Klage erhoben.
8Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg.
9Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Absatz 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Absatz 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
10vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR -, juris, Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 – juris, Rn 3 f; siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf , Beschlüsse vom 7. Januar 2014 – 13 L 2168/13.A – und vom 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A -, beide juris.
11Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich – nicht ausschließlich – an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich nach summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zurecht als unzulässig abgelehnt und geht von der Zuständigkeit Italiens für dessen Prüfung aus. Gemäߠ § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
13Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Antragstellers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. in Eilverfahren auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Artikel 49 Absatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO weiter anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt nur im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die – anders als vorliegend – ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO),
14vgl. bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf , Beschlüsse vom 24. Februar 2014 – 13 L 2685/14.A-, vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A – und vom 7. Januar 2014 – 13 L 2168/13.A -, juris.
15Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Italien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Antragsteller gestellten Asylantrags. Der Antragsteller hat ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank bereits am 13. September 2011 in Italien einen Asylantrag gestellt und bei der zuständigen Ausländerbehörde in E. zwischenzeitlich einen am 15. Dezember 2012 in C. ausgestellten italienischen Reiseausweis mit Gültigkeit bis zum 15. Dezember 2013 sowie eine italienische Aufenthaltserlaubnis mit gleicher Gültigkeitsdauer vorgelegt. Nachdem Italien auf das am 27. November 2013 vom Bundesamt gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Antragstellers nach Artikel 16 Absatz 1 Bst c Dublin II-VO nicht innerhalb der nach Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Bst c Dublin II-VO im Falle eines EURODAC-Treffers maßgeblichen Frist von zwei Wochen nach Stellung des Wiederaufnahmeersuchens, mithin bis zum 11. Dezember 2013, seine Zuständigkeit erklärt hat, ist nach Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Bst d Dublin II-VO davon auszugehen, dass Italien die Wiederaufnahme des Antragstellers akzeptiert hat. Italien ist daher gemäß Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Bst d Dublin II-VO grundsätzlich verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ebenfalls noch nicht abgelaufen.
16Der Überstellung des Antragstellers nach Italien steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 7. März 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens an Italien am 27. November 2013 mehr als 8 Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin-II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Italien) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Antragsgegnerin daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt,
17vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf , Beschluss vom 6. Februar 2014 – 17 L 150/13.A -, juris Rn 40; Verwaltungsgericht Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273-, juris Rn 24; Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A -, juris Rn 8.
18Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Antragstellers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Antragsgegnerin verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen.,
19vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. -, juris Rn 108.
20Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein,
21vgl. Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 2 B 806/13 -, juris, Rn 10; a.A. Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A – juris, Rn 8.
22Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Absatz 2 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin-III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch Artikel 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehene Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann,
23vgl. i.E. VG Düsseldorf , Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A -, S. 8 des Urteilsabdrucks, n.v.
24Hier sind seit der Asylantragstellung am 7. März 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 27. November 2013 erst gut 8 ½ Monate verstrichen, so dass unter keinen Umständen von einer unangemessen langen Frist auszugehen ist.
25Die Antragsgegnerin ist vorliegend auch nicht deshalb an der Überstellung des Antragstellers nach Italien gehindert und zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO verpflichtet, weil das italienische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist,
26EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C/411/10 et al. -, juris Rn 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
27Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 7 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
28vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11-, juris Rn 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 – C 4/11-, juris Rn 57 f.
29Die Antragsgegnerin ist auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO zugunsten des Antragstellers – gehindert, diesen nach Italien zu überstellen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der zitierten Rechtsprechung,
30EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10- et al. -, juris Rn 83 ff., 99, EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09-, NVwZ 2011, 413,
31der Fall wäre, liegen nicht vor. Danach ist die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche der erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 der Grundrechtecharta implizieren,
32EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2911 – C-411/10 et al. -, juris Rn 86.
33Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 GrCh bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
34EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al.-, juris Rn 94.
35Der hier noch nicht anzuwendende Art. 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO hat diese Rechtsprechung normativ übernommen, indem er die Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat für unmöglich erklärt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen.
36Diese Voraussetzungen sind aus den in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. März 2014 dargelegten Gründen,
37OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A - , juris.
38denen sich das erkennende Gericht anschließt, für Italien nicht gegeben. Sowohl mit Blick auf das Rechtssystem als auch insbesondere die Verwaltungspraxis des Asylverfahrens ist danach davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches trotz ggf. vorliegender einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der „vor Ort“ tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber „im Normalfall“, also bei nach der Erkenntnislage vorhersehbarem Verlauf der Dinge, nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen, namentlich nicht solchen i.S.d. Gewährleistung aus Artikel 4 GRCh, rechnen muss. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das Asylverfahren des Antragstellers - die Eurodac-Kennziffer 1 wird nach Artikel 2 Absatz 3 Satz 5 der VO (EG) Nr. 407/2002 für den Fall der Asylantragstellung vergeben - in Italien bereits abgeschlossen ist. Gründe, aus denen die Ausführungen in der Entscheidung des OVG NRW auf die konkrete Situation des Antragstellers nicht zutreffen, sind daher für das Gericht weder ersichtlich, noch vom Antragsteller selbst vorgetragen.
39Da die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet, war auch der Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen, §§ 166 VwGO, § 114 ZPO.
40Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
41Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn
- 1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, - 2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, - 3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, - 4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, - 5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder - 6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.
(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.
(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur
- 1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen, - 2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, - 3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten, - 3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen, - 4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, - 5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, - 6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, - 7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.
(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.
(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.
(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:
- 1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung, - 2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - 3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes, - 4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt, - 5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.
(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung
- 1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis, - 2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung, - 3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle, - 4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder - 5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
Personen, die bis zum 9. September 1996 die fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 des Rechtsanwaltsgesetzes vom 13. September 1990 (GBl. I Nr. 61 S. 1504) erfüllt haben, stehen in den nachfolgenden Vorschriften einer Person mit Befähigung zum Richteramt gleich:
- 1.
§ 6 Abs. 2 Satz 1 und § 7 Abs. 2 Satz 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes, - 2.
§ 78 Absatz 2 und § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 der Zivilprozessordnung, - 3.
§ 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - 4.
§ 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes, - 5.
§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes, - 6.
§ 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 7.
§ 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, - 8.
§ 97 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Patentgesetzes, - 9.
§ 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Markengesetzes.
(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.
(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur
- 1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen, - 2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, - 3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten, - 3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen, - 4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, - 5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, - 6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, - 7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.
(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.
(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.