Verwaltungsgericht Regensburg Beschluss, 29. Jan. 2014 - 5 S 14.30057

published on 29/01/2014 00:00
Verwaltungsgericht Regensburg Beschluss, 29. Jan. 2014 - 5 S 14.30057
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Gericht

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Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine Abschiebungsanordnung in einem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt).

Der am ...1988 geborene Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge sierra-leonischer Staatsangehöriger. Er reiste am 28.11.2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 19.2.2013 einen Asylantrag stellte. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 1.10.2013 gab der Antragsteller an, bereits im August 2011 nach Italien gekommen zu sein. Dort habe er sich ein Jahr und neun Monate aufgehalten. In Italien habe er Asyl beantragt. Zunächst habe er eine negative Entscheidung über seinen Antrag erhalten. Dann habe er bei Gericht geklagt und habe einen positiven Bescheid erhalten. Diesen Bescheid habe er im Dezember 2012 bekommen. In Italien habe er einen Aufenthaltstitel (Permesso di soggiono) gehabt, der ein Jahr lang gültig gewesen sei. Italien habe er verlassen, weil man dort die Durchführung einer notwendigen Operation abgelehnt habe.

Dem Bundesamt legte der Antragsteller zahlreiche ärztliche Untersuchungsberichte vor, die unter anderem folgende Diagnosen enthalten:

- Einsteifende Coxarthrose rechts

- Verdacht auf Hüftkopfnekrose links

- Atypische Veränderungen im proximalen Femurschaft beidseits

- Chronisches Schmerzsyndrom durch Fehlstellung

- Posttraumatische Belastungsstörung mit massiven Schlafstörungen

- Angstneurose mit Panikstörung

- Skelettdeformitäten, extrem schmale Hüften und Thorax.

Aufgrund der physikalischen und röntgenneurologischen Untersuchung wurde seitens der orthopädischen Fachklinik Schwarzach (Drs. ... und ...) die klare Indikation zur Hüft-TEP-Inplantation auf der rechten Seite gesehen.

Aufgrund eines EURODAC-Treffers stellte das Bundesamt am 15.10.2013 ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Mit Schreiben vom 24.10.2013 erklärte sich das Ministero del Ínterno in Übereinstimmung mit Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 (ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1 ff. - im Folgenden: Dublin-II-VO) bereit, den Antragsteller wieder aufzunehmen.

Mit Bescheid vom 17.12.2013, der am 15.1.2014 gemäß § 4 Abs. 2 VwZG zur Post gegeben wurde, stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig ist (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2). Aufgrund des in Italien gestellten Asylantrags sei Italien gemäß Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei die italienische Gesundheitsfürsorge grundsätzlich für alle Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis seien, gewährleistet. Auch soweit es um die Behandlung von psychischen bzw. traumatisierten Erkrankungen gehe, sei die ärztliche Versorgung in Italien sichergestellt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Begründung des Bescheides Bezug genommen.

Am 22.1.2014 ließ der Antragsteller Klage erheben, die unter dem Az. RN 5 K 14.30058 geführt wird. Zugleich beantragte er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO.

Bei einer Rückführung nach Italien habe der Antragsteller mit einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung zu rechnen, weshalb eine Rückführung auszuscheiden habe. Er verweist insoweit auf verschiedene Auskünfte, Stellungnahmen und Gerichtsentscheidungen. Insbesondere das Verwaltungsgericht Frankfurt a. M. habe zutreffend herausgearbeitet, dass das Asylverfahren in Italien an systematischen Mängeln leide (VG Frankfurt a. M. vom 9.7.2013, Az. 7 K 560/11.F.A ). Das Verwaltungsgericht Frankfurt a. M. habe sich mit dem Beschluss des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 2.4.2013 (ZAR 2013, 336 - ... ... und andere gegen die Niederlande und Italien) kritisch auseinandergesetzt und herausgearbeitet, dass diese Entscheidung trotz des negativen Ausgangs für die dortigen Beschwerdeführer gewissermaßen als „Schuss vor den Bug“ für die italienischen Behörden gewertet werden müsse. Die Quintessenz der Entscheidung laute, dass die Republik Italien mit einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte rechnen müsse und dass auch EU-Mitgliedstaaten, die Asylsuchende im Rahmen der Dublin-II-Regeln nach Italien abschieben, eine entsprechende Verurteilung wegen eines Bruchs der europäischen Menschenrechtskonvention drohe.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes vom 17.12.2013 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat bislang noch keinen Antrag gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf das den Antragsteller betreffende Aktengeheft des Bundesamtes, das dem Gericht vorgelegen hat, Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.

Grundsätzlich kann das Verwaltungsgericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn der Sofortvollzug eines Verwaltungsaktes durch Gesetz angeordnet ist, wie dies vorliegend der Fall ist (vgl. §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 75 Satz 1 AsylVfG). Seit dem 6.9.2013 gilt dies auch für nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG angeordnete Abschiebungen. Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind in derartigen Fällen nach § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen.

Vorliegend hat das Bundesamt die Anordnung der Abschiebung nach Italien auf § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützt. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Da die italienischen Behörden mit Schreiben vom 24.10.2013 ihre Zuständigkeit nach Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO erklärt haben und sich zur Übernahme des Antragstellers bereit erklärt haben, steht jedenfalls fest, dass die Abschiebung nach Italien - als EU-Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat im Sinne des § 26 a AsylVfG - durchgeführt werden kann.

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass für die Frage der Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags hier noch allein die Dublin-II-VO maßgeblich ist. Zwar trat die Dublin-III-VO (Verordnung (EU) Nr. 604/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 ff.) als Nachfolgeregelung bereits im Juli 2013 in Kraft. Allerdings finden die Zuständigkeitskriterien der Dublin-II-VO nach Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-VO auf Asylanträge, die vor dem 1.1.2014 gestellt worden sind, weiterhin Anwendung.

Dabei kann zunächst dahinstehen, ob Italien tatsächlich nach der Dublin-II-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Ausschlaggebend ist allein, dass Italien sich bereit erklärt hat, den Antragsteller wieder aufzunehmen. Bei den Zuständigkeitsvorschriften in der Dublin-II-VO handelt es sich nämlich um reine zwischenstaatliche Regelungen, die grundsätzlich keine subjektiven Rechte von Asylbewerbern begründen, wonach das Asylverfahren in einem bestimmten Mitgliedstaat durchgeführt werden muss (VG Regensburg vom 18.7.2013, Az. RN 5 K 13.30027 ; VG Regensburg vom 18.7.2013, Az. RN 5 K 13.30029 ; VG Trier vom 30.5.2012, Az. 5 K 967/11.TR m. w. N.). Deshalb kann ein Asylbewerber aus der Dublin-II-VO im Regelfall kein subjektives Recht herleiten, wonach sein Asylantrag tatsächlich im zuständigen Mitgliedstaat der EU geprüft wird. Die Dublin-II-VO geht nämlich davon aus, dass alle EU-Mitgliedstaaten ein gleichwertiges Asylrecht besitzen und damit einen gleichwertigen Schutz bieten.

Dem trägt die Regelung des § 34 a AsylVfG Rechnung, wonach die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat oder in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat ohne materielle Prüfung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags erfolgen soll. Grundlage des gemeinsamen europäischen Asylsystems ist auch hier die Vermutung, dass das Asylverfahren und die Aufnahme der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat im Einklang steht mit den Anforderungen der Charta der Grundrechte der EU, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention (Konzept der normativen Vergewisserung).

Eine Ausnahme in Bezug auf die Gewährung subjektiver Rechte durch die zwischenstaatlichen Zuständigkeitsregelungen muss nach Auffassung des Gerichts allerdings im Rahmen des den Mitgliedstaaten zustehenden Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO gelten. Danach kann jeder Mitgliedstaat den von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Dublin-II-VO festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Zwar kann Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO nicht als uneingeschränkte Öffnungsklausel zur Durchsetzung individueller Ansprüche betrachtet werden. Gleichwohl dient die Vorschrift der Durchsetzung eines den Geboten der Rechtsstaatlichkeit im Sinne von Art. 2 EUV und der Charta der Grundrechte im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EUV i. V. m. Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union genügenden Asylverfahrens. Liegen daher im Einzelfall humanitäre Gründe vor oder ist - wie dies der Europäische Gerichtshof formuliert (EuGH vom 21.12.2011, verbundene Rs. C 411/10 und C 393/10, NVwZ 2012, 417) - ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Zielstaat der Abschiebung systematische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Asylbewerbers im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union implizieren, so ist eine Durchbrechung des Konzepts der normativen Vergewisserung geboten. Liegen daher besondere humanitäre Gründe vor, so hat der Ausländer im Einzelfall ein subjektives Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung, welches sich im Falle einer ihm drohenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Zielstaat seiner Abschiebung dahingehend auf Null reduzieren kann, dass die Bundesrepublik Deutschland zur Ausübung des ihr nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO eingeräumten Selbsteintrittsrechts verpflichtet ist (vgl. auch: VG Potsdam vom 14.11.2013, Az. 6 L 787/13.A ; VG Berlin vom 27.11.2013, Az. 33 L 500.13 A ; VG Ansbach vom 18.9.2013, Az. AN 2 K 13.30675 ).

Zu prüfen ist demnach, ob die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern im Allgemeinen eingehalten werden. Fehlleistungen im Einzelfall stellen das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage. Erst wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im nach der Dublin-II-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat grundlegende, systembedingte Mängel aufweisen, die gleichsam zwangsläufig eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber befürchten lassen, ist ein Abweichen von den Bestimmungen der Dublin-II-VO mit der Folge geboten, dass die Bundesrepublik Deutschland von ihrem Selbsteintrittsrechten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen muss. Mit anderen Worten muss in derartigen Fällen in der Bundesrepublik Deutschland ein Asylverfahren durchgeführt werden und die Abschiebung in den die Mindeststandards nicht einhaltenden Mitgliedsstaat ist unzulässig.

Nach Auffassung des Gerichts sind derzeit in Italien keine systematischen Mängel im eben beschriebenen Sinn festzustellen.

Die Situation von Migranten in Italien wird im Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, Februar 2011, veröffentlicht von Pro-Asyl und im gemeinsamen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und von Juss-Buss, Norwegen „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien“, Mai 2011, veröffentlicht von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe als äußerst dramatisch geschildert. Insbesondere aufgrund dieser Berichte haben verschiedene Gerichte in der Vergangenheit eine Überstellung von Flüchtlingen nach Italien als unzulässig angesehen und Abschiebungen nach Italien im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes ausgesetzt (vgl. nur: VG Meinigen vom 21.9.2011, Az. 8 E 20262/11Me ; VG Stuttgart vom 1.8.2011, Az. A 6 K 2577/11 ; VG Düsseldorf vom 29.7.2011, Az. 21 L 1127/11.A ; VG Augsburg vom 8.7.2011, Az. Au 6 S 11.30229 ; VG Köln vom 1.6.2011, Az. 14 L 564/11.A ; VG Braunschweig vom 9.5.2011, Az. 7 B 58/11 ; VG Regensburg vom 12.7.2011, Az. RN 9 E 11.30232 ).

Aus Sicht des entscheidenden Einzelrichters ist jedoch die sich aus den oben zitierten Berichten ergebende Einschätzung, dass die Situation in Italien im Hinblick auf die Versorgung von Asylbewerbern mit Unterkunft, Verpflegung und mit medizinischen Leistungen dem europäischen Mindeststandard nicht entspricht, aufgrund neuerer Berichte des Auswärtigen Amtes (AA) und insbesondere des UNHCR überholt. Grundaussagen der beiden oben zitierten Berichte war, dass den italienischen Behörden aufgrund der großen Anzahl von Asylbewerbern die Situation „über den Kopf gewachsen“ war und sie nicht in der Lage waren, Asylbewerbern in ausreichendem Maße die notwendige Versorgung mit Unterkunft etc. zukommen zu lassen. Zentraler systematischer Mangel war die unzureichende Kapazität an Unterkünften. Unterkünfte waren und sind die Basis für die Abdeckung der Grundbedürfnisse der Asylbewerber wie Nahrung oder persönliche Hygiene. Sie sind auch für den Zugang zur medizinischen Versorgung von großer Bedeutung. Die Berichte beruhen allerdings auf Erhebungen im Zeitraum September bis Dezember 2010. Die dort dargestellte Situation ist nunmehr jedoch überholt. Nach aktuellen dem Gericht vorliegenden Auskünften des Auswärtigen Amtes und des UNHCR hat sich die Situation in Italien wie folgt entwickelt:

Durch die sehr hohen Immigrationszahlen und Asylanträge (10.860) in der ersten Jahreshälfte 2011 („Notstand Nord-Afrika“) ist das Asylsystem Italiens vorübergehend unter Druck geraten (doppelte Antragsquote gegenüber Vorjahreszeitraum). Deshalb konnte die Verfahrensdauer vielfach nicht eingehalten werden und die Aufnahmezentren waren überbelegt. Mittlerweile hat sich die Situation jedoch mit nachlassendem Zustrom und der verbesserten Koordinierung der Unterbringung durch das Innenministerium und den Zivilschutz wieder reguliert (AA vom 9.12.2011 an VG Braunschweig; AA vom 29.11.2011 an VG Darmstadt). Das Aufnahmesystem in Italien wurde in den letzten Jahren verbessert und erst kürzlich um einen Notfallaufnahmeplan (verwaltet von der Abteilung für Zivilschutz) ergänzt, der eingeführt wurde, um auf die Migrationsbewerbungen aus Nord-Afrika seit Januar 2011 zu reagieren (UNHCR vom 24.4.2012 an VG Braunschweig). Das Aufnahmesystem umfasst derzeit Aufnahmezentren für Asylsuchende (CARA), Aufnahmezentren für Migranten (CDA), lokale Projekte im Rahmen des Schutzsystems für Asylsuchende und Flüchtlinge (SPRAR) und Zentren in sog. „großstädtischen Gebieten“ (UNHCR vom 24.42012 an VG Braunschweig). Asylbewerber werden derzeit praktisch vollständig untergebracht und versorgt, da die Aufnahmekapazitäten vorhanden sind. Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf Unterbringung, Verpflegung, medizinische Versorgung, psychologische Hilfe und Dolmetscher. Finanzielle Hilfe ist allerdings nur für den Fall vorgesehen, dass alle Plätze in den Aufnahmezentren belegt sind. Diese Möglichkeit wurde bisher nicht umgesetzt. Nach Italien zurückgeführten Personen wird eine Unterkunft zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt wird bzw. das Asylverfahren noch weiter geführt wird. Allerdings stellen viele Rückkehrer, da sie nicht in Italien bleiben wollen, keinen Asyl- oder Schutzantrag, weshalb ihnen die staatlichen Aufnahmezentren und andere Leistungen nicht offen stehen (AA vom 29.11.2011 an VG Darmstadt; AA vom 9.12.2011 an VG Braunschweig; AA vom 11.7.2012 an VG Freiburg). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass aufgrund der dem Gericht vorliegenden Berichte davon auszugehen ist, dass Italien Asylbewerbern in ausreichendem Maß Unterkünfte zur Verfügung stellen und damit einhergehend auch deren Grundbedürfnisse nach Nahrung etc. decken kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein formeller Asylantrag gestellt worden ist. Wird dagegen kein Asylantrag gestellt, so ist die sich daraus ergebende Situation für den Ausländer nicht durch die Verfahrensregelungen des italienischen Asylverfahrens verursacht. Es ist vielmehr allein dem Drittstaatsangehörigen anzulasten, wenn er sich bewusst außerhalb des geltenden Asylsystems in Italien aufhält.

Nach alledem vermag das Gericht keine durchgreifenden Anhaltspunkte für systematische Mängel bezüglich des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen in Italien zu erkennen. Insbesondere lassen sich systematische Mängel auch nicht durch das von J. G. (Flüchtlingsorganisation borderline-europe) erstellte Gutachten vom Dezember 2012 „Zur Lage von Asylsuchenden und Dublin-Rückkehrern“ (abgedruckt in: Asylmagazin 2013, 26), welches im Auftrag des Verwaltungsgerichts Braunschweig erstellt worden ist, herleiten. Das Gutachten beschäftigt sich in erster Linie mit den Aufnahmebedingungen, der Sicherung des Lebensunterhaltes und der Gesundheitsfürsorge der Asylsuchenden in Italien. Mit dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Beschluss vom 6.2.2013, Az. 17 L 150/13.A ) anerkennt auch das entscheidende Gericht, dass die Aufnahmebedingungen in Italien Mängel aufweisen. Insbesondere die durch überlastete Aufnahmeeinrichtungen bestehende Gefahr der Obdachlosigkeit, die etwa durch das vorzitierte Gutachten von J. G. geschildert wird, ist vor dem Hintergrund der Art. 13 Abs. 2 und 14 der Richtlinie 2009/9/EG des Rates vom 27.1.2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (ABl. L 31 vom 6.2.2003, S. 18) durchaus prekär. Allerdings ist das Gericht mit dem Verwaltungsgericht Düsseldorf der Auffassung, dass es sich bei den im Gutachten von J. G. aufgelisteten Missständen nicht um solche handelt, die einen systematischen Mangel charakterisieren. Es handelt sich nicht um strukturelle landesweite Missstände, die eine individuelle Gefährdung eines jeden einzelnen oder einer nennenswerten Anzahl von Asylbewerbern im Falle der Abschiebung nach Italien begründen und von den italienischen Behörden tatenlos hingenommen werden. Eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung herbeiführende beachtliche Unterschreitung der von dem Unionsrecht vorgesehenen Mindestanforderungen kann deshalb nicht ausgemacht werden.

Bestätigt wird dies durch eine neuere Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt vom 21.1.2013 (Gz. 508-9-516.80/47560). Darin ist ausgeführt, dass nach Erkenntnissen der Botschaft derzeit alle Asylbewerber/Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden können. Gegebenenfalls gebe es lokale/regionale Überbelegungen, italienweit seien aber genügend Plätze vorhanden. Es sei nicht davon auszugehen, dass jene Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz finden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssten. Auch könne in der Praxis nicht davon ausgegangen werden, dass Asylbewerber und Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt regelmäßig durch Betteln und Prostitution sichern müssten. Auch seien die Verhältnisse in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften nicht dergestalt, dass die Bewohner in ständiger Angst leben müssten, „angegriffen, ausgeraubt oder gar vergewaltigt“ zu werden. Im Regelfall oder gar überwiegend sei nicht davon auszugehen, dass Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien bzw. Rückkehrer nach der Dublin-II-VO nach Italien dort unter Verhältnissen leben müssten, welche man gemeinhin als „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums“ (Betteln, Leben auf der Straße etc.) bezeichnen könne. Hierbei handele es sich um Einzelfälle.

Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Situation in Italien dergestalt ist, dass ausnahmsweise ein Abweichen von der Regelung des § 34 a Abs. 2 AsylVfG gerechtfertigt wäre.

Dass die derzeitigen Verhältnisse in Italien die Bundesrepublik Deutschland zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts verpflichten könnten, ergibt sich auch nicht aus der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 2.4.2013 (ZAR 2013, 336 - ... ... und andere gegen die Niederlande und Italien). Mit dem Verwaltungsgericht Ansbach (Beschluss vom 18.9.2013, Az. AN 2 K 13.30675 ) vermag der zur Entscheidung berufene Einzelrichter insbesondere die Interpretation dieser Entscheidung durch das Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. in der vom Antragsteller zitierten Entscheidung vom 9.7.2013 (Az. 7 K 560/11 ) nicht nachzuvollziehen. Das Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. zieht aus der Entscheidung des Menschenrechtsgerichtshofes den Schluss, dass die Republik Italien aufgrund der dortigen Verhältnisse mit ihrer Verurteilung durch den Gerichtshof wegen eines Bruches von Art. 3 EMRG rechnen müsse, was auch für EU-Mitgliedstaaten gelte, die Asylsuchende im Rahmen der Dublin-II-Regeln nach Italien abschieben. Das Verwaltungsgericht Ansbach hat dazu ausgeführt, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe in Ansehung der von ihm zitierten, weit gespannten Auskunftslage Ausführungen zur Bewertung der Verhältnisse in Italien gemacht. Sodann habe er ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe im dortigen Verfahren nicht nachgewiesen, dass sie im Falle einer Rückführung nach Italien einer ernsthaften und unmittelbar drohenden Gefahr ausgesetzt wäre, in materieller, physischer oder psychischer Hinsicht in eine Notlage zu geraten, die ausreichend gravierend sei, um in den Anwendungsbereich von Art. 3 EMRK zu fallen. Im Ergebnis gelange der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte somit zur Einschätzung, dass das Asylverfahren in Italien zwar gewisse Mängel aufweise, dass diese jedoch nicht so gravierend seien, als dass insgesamt von systembedingten Mängeln ausgegangen werden könne, die ein Abweichen vom Konzept der normativen Vergewisserung rechtfertigen könnten. Dieser Interpretation schließt sich Gericht vollumfänglich an.

Eine Abweichung vom Konzept der normativen Vergewisserung war somit mangels feststellbarer systembedingter Mängel des italienischen Asylverfahrens nicht geboten.

Das Bundesamt hat darüber hinaus das ihm im Rahmen der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO eingeräumte Ermessen im Hinblick auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers fehlerfrei ausgeübt. Es hat eingehend geprüft, ob eine Überstellung des Antragstellers nach Italien aufgrund der bei ihm diagnostizierten Krankheiten aus humanitären Gründen unterbleiben sollte. Es ist dabei in nicht zu beanstandender Weise zum Ergebnis gelangt, dass der Antragsteller in Italien nicht befürchten muss, keine medizinische Versorgung zu erhalten. Die Gesundheitsfürsorge sei in Italien grundsätzlich für alle Ausländer gewährleistet, die - wie der Antragsteller - im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind. Erforderlich sei eine Anmeldung beim Servizio Sanitario Nationale, die dann zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und bei Spezialisten oder zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtige.

Diese Einschätzung stimmt mit der dem Gericht bekannten Auskunftslage überein. Danach können sich alle Ausländer beim Servizio Sanitario Nazionale melden und registrieren lassen. Dafür benötigen sie ihren Aufenthaltstitel, ihre Steuernummer, die sie bei der Agenzia delle Entrate erhalten, sowie eine feste Adresse. Selbst wenn kein fester Wohnsitz besteht, kann über Sammeladressen bei der Caritas eine entsprechende Anmeldung erreicht werden. Mit der Registrierung haben alle Zugang zu einem Allgemeinarzt und kostenloser Behandlung. Überweisungen an Spezialisten bzw. Fachärzte werden kostenlos übernommen. Eine ärztliche Versorgung ist im Allgemeinen auch gewährleistet, soweit es um die Behandlung von psychischen bzw. traumatischen Erkrankungen geht. Eine kostenfreie medizinische Versorgung steht auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (vgl. dazu: AA an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21.1.2013, Gz. 508-9-516.80/47560).

Das Bundesamt ist somit bei der Ausübung seines Ermessens im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO von einer zutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen und es hat eine in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Ermessensausübung, die ohnehin seitens des Gerichts nur in den Grenzen des § 114 Satz 1 VwGO überprüft werden kann, vorgenommen. Es gelangte zum Ergebnis, dass vom Selbsteintrittsrecht kein Gebrauch gemacht werde, weil der Antragsteller auch in Italien die notwendige medizinische Betreuung erhalten könne.

Nach alledem wird die Hauptsacheklage voraussichtlich keinen Erfolg haben, weshalb der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen war.

Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83 b AsylVfG.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch
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published on 27/10/2015 00:00

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg RN 5 K 14.30058 Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache ... - Kläger - bevollmächtigt: Rechtsanwältin I. G.-St. E2S2, M2.-str. ..., München gegen
published on 30/05/2012 00:00

Diese Entscheidung wird zitiert Tenor 1. Die Beklagte wird verpflichtet, im Asylverfahren des Klägers das ihr durch Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO eröffnete Selbsteintrittsrechts auszuüben und das Asylverfahren durchzuführen. Im Übrige
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Annotations

(1) Ein Dokument kann durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe oder mittels Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden.

(2) Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein. Im Übrigen gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen. Der Tag der Aufgabe zur Post ist in den Akten zu vermerken.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.