Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 26. Jan. 2017 - 4 K 471/16.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2017:0126.4K471.16.NW.0A
bei uns veröffentlicht am26.01.2017

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Wiederaufnahme eines bauordnungsrechtlichen Verfahrens und die Beseitigung der Vollstreckbarkeit einer bestandskräftigen Beseitigungsverfügung.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks Flurstück-Nr. ... in der Gemarkung A, A-Straße …. Das Grundstück steigt von der Straße aus nach Norden hin an und ist maximal 163 m tief. Das Wohngebäude reicht bis in eine Bautiefe von ca. 76 m, nördlich davon befindet sich der Gartenbereich der Klägerin. Westlich des Grundstücks Flurstück-Nr. ... liegen die Grundstücke Flurstück-Nrn. … und ..., die der B gehören und auf denen diese ein … mit Freizeiteinrichtungen betreibt. Östlich des Grundstücks Flurstück-Nr. ... befindet sich die Bebauung entlang der B-Straße. Im Norden liegen die Waldgrundstücke Flurstück-Nrn. … und ….

3

Das Grundstück der Klägerin stand zuvor im Eigentum ihrer Eltern. Diese hatten nach eigenen Angaben im Jahre 2000 im hinteren Bereich des Grundstücks am Waldrand ein Gartenhaus mit einem umbauten Raum von weniger als 50 m³ errichtet.

4

Am 16. August 2001 trat der Bebauungsplan „…“ der Ortsgemeinde A in Kraft, in dessen Geltungsbereich auch das Grundstück der Klägerin liegt. Der Bebauungsplan weist das Anwesen der Klägerin als allgemeines Wohngebiet aus. Die textlichen Festsetzungen dieses Bebauungsplans sehen unter Nr. 6 vor, dass Nebenanlagen, die Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 Landesbauordnung – LBauO – darstellen, Stellplätze und Garagen nur innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen und/oder innerhalb der dafür ausgewiesenen Flächen zulässig sind. Das Gartenhaus befindet sich außerhalb dieser überbaubaren Grundstücksfläche.

5

Bei einer Ortskontrolle am 18. August 2004 erhielt der Beklagte Kenntnis von der Errichtung des Gartenhauses. Die Eltern der Klägerin stellten daraufhin am 2. November 2004 in Bezug auf das Gartenhaus einen Antrag auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans, den sie damit begründeten, sie seien täglich Lärmbelästigungen durch das angrenzende B. ausgesetzt. Zum Schutz vor diesem Lärm hätten sie an der äußersten Grenze ihres Grundstücks das Gartenhaus errichtet. Mit Bescheid vom 9. August 2005 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Befreiung ab.

6

Im Jahre 2007 übertrugen die Eltern der Klägerin dieser das vorgenannte Grundstück. In dem notariellen Kaufvertrag vom 4. April 2007 bestellte die Klägerin zugunsten ihren Eltern ein ins Grundbuch einzutragendes Wohnungsrecht auf Lebenszeit, das neben der alleinigen und ausschließlichen Benutzung von allen Räumen des Hausanwesens die Mitbenutzung von Hof und Garten sowie sämtlicher zum gemeinschaftlichen Gebrauch der Hausbewohner bestimmten Einrichtungen und Anlagen umfassen sollte.

7

Nachdem der Beklagte vom Eigentümerwechsel Kenntnis erlangt hatte, verlangte er von der Klägerin mit Bescheid vom 17. Juni 2010 die Beseitigung des Gartenhauses innerhalb einer bestimmten Frist. Die dagegen von der Klägerin nach erfolgloser Durchführung eines Vorverfahrens erhobene Klage wies die erkennende Kammer mit Urteil vom 22. März 2012 – 4 K 1159/11.NW – ab. Den hiergegen eingelegten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 22. August 2012 – 8 A 10577/12.OVG – ab.

8

Mit Bescheid vom 1. Oktober 2012 erließ der Beklagte zwei jeweils gleichlautende Duldungsanordnungen gegen die Eltern der Klägerin. Darin wurde verfügt, dass die Beseitigungsverfügung vom 17. Juni 2010 vollinhaltlich gegen die Eltern der Klägerin wirke und sie die gegen die Adressatin der Verfügung gerichtete Anordnung in vollem Umfang zu dulden hätten. Dagegen erhoben die Eltern der Klägerin Klage, die von der erkennenden Kammer mit Urteil vom 6. September 2013 – 4 K 460/13.NW – abgewiesen wurde. Den hiergegen eingelegten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 20. November 2013 – 8 A 11003/13.OVG – ab.

9

Am 8. Oktober 2014 fand eine Besprechung zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem Beklagten über das weitere Vorgehen statt. Den Inhalt dieser Besprechung fasste der Beklagte in einem Schreiben an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin in einem Schreiben vom 28. Oktober 2014 wie folgt zusammen:

10

Bei der Besprechung am 8. Oktober 2014 wurde folgendes vereinbart:

11

Damit das Gartenhaus kein Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 LBauO darstellt, soll das Dach von dem Gebäude (Wegfall des Kriteriums „überdacht") Ihre Mandantin umgehend, spätestens jedoch bis 17. November 2014 entfernt werden. Durch eine Feststellungsklage, eingereicht bis spätestens 17. November 2014 beim Verwaltungsgericht Neustadt/Weinstraße soll geklärt werden, ob es sich bei dem Gartenhaus dann noch um ein Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 LBauO handelt und dieses beseitigt werden muss.

12

Bei Nichteinhaltung der Vereinbarung bzw. nicht fristgerechter Stellung der Klage wird das Gartenhaus im Wege der Ersatzvornahme seitens der Kreisverwaltung Bad Dürkheim durch eine beauftragte Firma ab dem 18. November komplett beseitigt. Die anfallenden Kosten sind von Ihrer Mandantin zu tragen.

13

Im Gespräch wurde auch ein alternatives Zumauern der Tür und der Fenster (Wegfall des Kriteriums „ begehbar") erörtert. Auch dann wären die Tatbestandsvoraussetzungen für den Gebäudebegriff nicht mehr erfüllt. Hiervon wollte Ihre Mandantschaft aber kein Gebrauch machen.

14

Zwischenzeitlich hat Herr … Tür und Fenster zugemauert.

15

Es bleibt daher zumindest dabei, dass bis spätestens 17. November 2014 eine Feststellungsklage erhoben sein muss.“

16

Anlässlich einer Ortskontrolle des Beklagten am 30. Oktober 2014 wurde festgestellt, dass an dem Gartenhaus die Tür und die Fenster zugemauert worden waren.

17

Am 14. November 2014 erhob die Klägerin daraufhin unter dem Aktenzeichen 4 K 989/14.NW Klage auf Feststellung, dass nach dem Zumauern von Tür und Fenstern das Gartenhaus nunmehr den Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans entspreche. Zuvor hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 11. November 2014 den Klageentwurf mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Nach dem gerichtlichen Hinweis des Einzelrichters in der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2015, dass er die erhobene Feststellungsklage für unzulässig halte und es der Klägerin freistehe, bei der zuständigen Kreisverwaltung in Bad Dürkheim einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zu stellen, nahm die Klägerin ihre Klage zurück.

18

Mit Verfügung vom 24. April 2015 drohte der Beklagte der Klägerin die Durchführung der Ersatzvornahme an. Den dagegen eingelegten Eilantrag lehnte die Kammer mit Beschluss vom 28. Mai 2015 – 4 L 412/15.NW – ab. Zur Begründung führte die Kammer aus, die Zwangsmittelandrohung habe ergehen dürfen, da die Grundverfügung in Form der Beseitigungsverfügung vom 17. Juni 2010 bestandskräftig gewesen sei. Auf die von der Klägerin aufgestellte Behauptung, der derzeitige Zustand sei nicht baurechtswidrig, da Fenster und Türen des Gartenhauses inzwischen zugemauert seien, komme es vorliegend nicht an, da im isolierten Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung die Rechtmäßigkeit der sofort vollziehbaren oder bestandskräftigen Grundverfügung außer Betracht bleibe.

19

Die Klägerin stellte daraufhin beim Beklagten am 12. Juni 2015 einen ausdrücklichen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens. Zur Begründung führte sie aus, sie habe dem Beklagten bereits im November 2014 eine Änderung der tatsächlichen Umstände mitgeteilt und zwar, dass das Gartenhaus zugemauert worden sei und daher den Charakter als „Gebäude“ verloren habe. Diese Mitteilung vom November 2014 sei bereits als Antrag nach § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – zu werten gewesen. Sie wiederhole diesen Antrag hiermit ausdrücklich.

20

Mit weiterem Schreiben vom 28. Juli 2015 erweiterte die Klägerin ihren Antrag vom 12. Juni 2015 um einen Antrag auf Vollstreckungsaufschub.

21

Der Beklagte lehnte das Begehren der Klägerin mit Bescheid vom 13. August 2015 mit der Begründung ab, der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens sei schon nicht fristgerecht erhoben worden. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung komme nicht in Betracht. Selbst wenn es sich bei dem zugemauerten Gartenhaus nicht mehr um ein „Gebäude“ handeln sollte, sei es immer noch eine bauliche Anlage. Von baulichen Anlagen gingen aber zumindest zum Teil die gleichen Beeinträchtigungen aus wie von Gebäuden. Diese bauliche Anlage habe einen Durchmesser von ca. 4,50 m, eine Traufhöhe von ca. 2,30 m, eine Firsthöhe von ca. 3,50 m und sei grenzständig errichtet. Gleichzeitig dominiere diese bauliche Anlage die nähere Umgebung, Sie sei massiv und geschlossen gebaut. Deshalb sei der Charakter des Gartenhauses als Gebäude nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Landesbauordnung nicht verloren gegangen. Somit lägen keine Einwendungen nach § 16 Abs. 2 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz – LVwVG – vor.

22

Am 11. September 2015 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein und machte geltend, der Bebauungsplan sei fehlerhaft. Das Gartenhaus verstoße im Übrigen nicht gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans „…, 1. Änderung". Das Gartenhaus stelle nunmehr durch die baulichen Veränderungen kein Gebäude mehr im Sinne der Festsetzungen des Bebauungsplans dar. Die bauliche Anlage könne nach dem Zumauern der Tür und der Fenster nicht mehr von Menschen betreten werden.

23

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2016 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, es lägen keine Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vor. Die Sach- und Rechtslage habe sich durch das Zumauern von Tür und Fenster des Gartenhauses nicht nachträglich zu Gunsten der Klägerin geändert. Zwar sei der Klägerin zuzugeben, dass die landesgesetzliche Definition eines Gebäudes als eine selbstständig benutzbare überdeckte bauliche Anlage, die von Menschen betreten werden könne und geeignet oder bestimmt sei, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen, nun nicht mehr zutreffe. In der Tat könne das Gebäude zurzeit nicht mehr von Menschen betreten werden. Hierauf komme es letztlich aber nicht an, weil die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO nur im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Nr. 4 BaugesetzbuchBauGB – gesehen werden könne. § 9 BauGB bestimme, was eine Gemeinde aus städtebaulichen Gründen festsetzen könne. Im Bebauungsplan „…" habe sich die Ortsgemeinde A dazu entschieden, dass Nebenanlagen, die Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO darstellten, nur innerhalb der dafür ausgewiesenen Flächen zulässig seien. Dies bedeute jedoch nicht, dass sämtliche baulichen Anlagen, die keine Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO darstellten, vollkommen frei an jeder Stelle im Geltungsbereich des Bebauungsplans..." errichtet werden dürften. Auch diese seien nur innerhalb der überbaubaren Flächen zulässig. Aus den gleichen Gründen scheide auch ein Anspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus.

24

Die Klägerin hat am 16. Juni 2016 Klage erhoben. Sie führt aus, entgegen der Behauptung des Beklagten sei das streitbefangene Gartenhaus nicht grenzständig errichtet worden. Auch dominiere diese bauliche Anlage nicht die nähere Umgebung. Darüber hinaus sei die Rechtsansicht des Beklagten unrichtig, Bebauungen mit Nebengebäuden seien nur innerhalb des Baufensters möglich. Letztlich sei das Gartenhaus ein genehmigungsfreier Bau nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 Landesbauordnung und könne nicht beanstandet werden. Es bestehe im Übrigen derzeit kein Gebäudecharakter.

25

Weiter sei von erheblicher Bedeutung, dass das Verwaltungsgericht Neustadt in seinem Urteil vom 13. Dezember 2007 in dem Verfahren 4 K 367/07.NW – in diesem ging es um die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Erweiterung zum bestehenden Einfamilienhaus auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … – seine Entscheidung damit begründet habe, dass das streitbefangene Grundstück mit „Z3“ versiegelt sei, das heiße, dass landespflegerische Maßnahmen eine weitere Bebauung des Grundstücks verhindern sollten. Diese Annahme habe das Gericht seiner Entscheidung zugrundgelegt als Folge der Aussage der Mitarbeiterin der Gemeinde H, Frau W. Diese Angaben seien aber unwahr gewesen.

26

Die Klägerin beantragt,

27

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 13. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsausschusses bei der Kreisverwaltung Bad Dürkheim vom 11. Mai 2016 zu verpflichten, sie, die Klägerin, hinsichtlich ihres Antrags vom 12. Juni 2015 in Bezug auf die Beseitigungsverfügung vom 17. Juni 2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären.

28

Der Beklagte beantragt,

29

die Klage abzuweisen.

30

Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Behördenakten und die Gerichtsakten 4 K 1159/11.NW, 4 L 412/15.NW und 4 K 989/14.NW verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2017.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat in Bezug auf die bestandskräftige Beseitigungsverfügung vom 17. Juni 2010 gegen den Beklagten weder einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens im engeren (1.) oder im weiteren Sinne (2.) noch einen Anspruch darauf, die Vollstreckung der genannten Beseitigungsverfügung für unzulässig zu erklären (3.). Der Bescheid des Beklagten vom 13. August 2015 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses bei der Kreisverwaltung Bad Dürkheim vom 11. Mai 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

33

1. Nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage in Bezug auf eine bauordnungsrechtliche Beseitigungsanordnung sind gemäß § 1 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG in einem gesonderten Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. August 1992 – 4 B 161/92 –, NVwZ 1993, 476). Danach hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Die Zulässigkeit des Antrags setzt nach § 51 Abs. 2 VwVfG voraus, dass der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Zudem muss der Antrag binnen drei Monaten ab dem Tag gestellt werden, an dem der Betroffene Kenntnis vom Grund des Wiederaufgreifens erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).

34

Der Wiederaufgreifensantrag der Klägerin ist zwar statthaft (1.1.), aber unzulässig, weil er nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG gestellt worden ist (1.2.). Er ist darüber hinaus auch unbegründet, weil das Zumauern von Tür und Fenstern des Gartenhauses keine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtlage zugunsten der Klägerin darstellt (1.3.).

35

1.1. Der von der Klägerin gestellte Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ist statthaft.

36

Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrags ist zunächst die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 23 und 87). Dies ist hier gegeben. Der Beklagte hatte der Klägerin mit Bescheid vom 17. Juni 2010 die Beseitigung des streitgegenständlichen Gartenhauses aufgegeben. Dieser Bescheid war, nachdem die erkennende Kammer die dagegen erhobene Klage der Klägerin mit Urteil vom 22. März 2012 – 4 K 1159/11.NW – abgewiesen und das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 22. August 2012 – 8 A 10577/12.OVG – den hiergegen eingelegten Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt hatte, bestandskräftig geworden.

37

1.2. Der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ist aber unzulässig, weil er nicht fristgerecht erhoben wurde.

38

1.2.1. Die Frist beginnt gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 VwVfG mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Kennenmüssen, auch grob fahrlässige Unkenntnis, ist nicht ausreichend (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 51 Rn. 133). Die Kenntnis vom Wiederaufgreifensgrund erhält der Betroffene vielmehr erst dann, wenn er die sichere Kenntnis der Tatsachen gewinnt, die den Wiederaufgreifensgrund erfüllen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 51 Rn. 47; Pautsch in Pautsch/Hoffmann, VwVfG. 1. Auflage 2016, § 51 Rn. 24). Dabei genügt die Kenntnis eines Wiederaufgreifensgrundes überhaupt, nicht erst die Kenntnis aller Details (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1997 – 1 C 29/95 –, NJW 1998, 173). Nicht erforderlich für den Fristbeginn ist eine rechtliche Einordnung als Wiederaufgreifensgrund (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. November 2016 – 1 S 472/16 –, juris; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 47).

39

1.2.2. Vorliegend hat sich die Klägerin in ihrem Antrag vom 12. Juni 2015 auf eine nachträgliche Änderung der Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG berufen, indem sie geltend gemacht hat, Tür und Fenster des Gartenhauses seien im Oktober 2014 zugemauert worden mit der Folge, dass es sich nunmehr bei dem Gartenhaus nicht mehr um ein Gebäude handele. Diesen nachträglichen tatsächlichen Umstand hat die Klägerin indessen zu spät vorgetragen.

40

Sichere Kenntnis von den Tatsachen, die möglicherweise den Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG erfüllten, hatte die Klägerin bereits nach dem Zumauern von Tür und Fenstern des Gartenhauses Ende Oktober 2014. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Schreiben des Beklagten an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 28. Oktober 2014, in dem der Inhalt der Besprechung zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem Beklagten über das weitere Vorgehen in Bezug auf das Gartenhaus zusammengefasst wurde. In dem genannten Schreiben wurden zwei Punkte angesprochen, die möglicherweise eine Änderung der Sach- und Rechtslage herbeiführen sollten, nämlich den Verlust der Gebäudeeigenschaft des Gartenhauses durch Zumauern von Tür und Fenstern oder das Entfernen des Dachs. Alleiniger Grund für die „Vereinbarung“ vom 8. Oktober 2014 war gerade die mögliche Schaffung einer veränderten Sach- und Rechtslage, um gegebenenfalls der bestandskräftigen Beseitigungsverfügung vom 17. Juni 2010 nicht nachkommen zu müssen. Der Umstand, dass sowohl der Prozessbevollmächtigte der Klägerin als auch der Beklagte innerhalb der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG übereinstimmend davon ausgingen, die neuen Tatsachen seien im Wege einer Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht geltend zu machen, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Wie ausgeführt, ist eine rechtliche Einordnung als Wiederaufgreifensgrund für den Fristbeginn nicht erforderlich.

41

Demgemäß hätte die Klägerin ihren Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens spätestens Ende Januar 2015 stellen müssen. Der Antrag der Klägerin vom 12. Juni 2015 ging aber erst nach Ablauf dieser Frist beim Beklagten ein.

42

1.2.3. Die Klägerin kann sich nach Ansicht der Kammer auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe dem Beklagten bereits im November 2014 die Änderung der tatsächlichen Umstände mitgeteilt; diese Mitteilung sei bereits als Antrag nach § 51 VwVfG zu werten gewesen.

43

Ein Antrag des Betroffenen, mit dem er sein Begehren bei der Behörde innerhalb der Dreimonatsfrist anbringt, das Verwaltungsverfahren zu einem bestandskräftigen Verwaltungsverfahren wieder aufzugreifen, muss hinreichend deutlich einen der Wiederaufnahmegründe des § 51 Abs. 1 VwVfG geltend machen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 11). Dies folgt aus dem Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 51 VwVfG. Der Gesetzgeber hat in Abwägung des Prinzips der materiellen Gerechtigkeit gegenüber dem formalen Prinzip der Bestands- bzw. Rechtskraft nur die in § 51 Abs. 1 Nrn. 1 – 3 VwVfG enumerativ aufgeführten Gründe als so gravierend und den Rechtsfrieden nachhaltig beeinträchtigend angesehen, dass er in diesen Fällen den Konflikt zugunsten des Prinzips der materiellen Gerechtigkeit gelöst und dem Betroffenen einen Anspruch auf neue Sachentscheidung zugestanden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 – BVerwG 2 C 12.92 –, NVwZ 1995, 388). Zugleich hat er mit dem Antragserfordernis und der Ausschlussfrist die Möglichkeiten zur Einschränkung der Bestandskraft von Verwaltungsakten im Interesse der Rechtssicherheit eng begrenzt (vgl. Peuker in Knack/Henneke, VwVfG, 10. Auflage 2014, § 51 Rn. 54). Mit Blick darauf, dass zum einen der Betroffene mit seinem Antrag den Gegenstand des Wiederaufgreifensverfahrens dergestalt bestimmt, dass die zuständige Behörde ebenso wie gegebenenfalls nachfolgend das Gericht nicht befugt sind, andere als vom Antragsteller geltend gemachte Gründe ihrer Entscheidung über die Wiederaufnahme zu Grunde zu legen (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. November 2016 – 1 S 472/16 –, juris), und zum anderen für jeden Wiederaufnahmegrund die Antragsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG gesondert läuft (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 51 Rn. 139 m.w.N.), ist der antragstellende Betroffene gehalten, mit seinem Antrag – soll dieser geeignet sein, die Antragsfrist zu wahren – deutlich erkennbar zu machen, auf welchen der Wiederaufgreifensgründe des § 51 Abs. 1 VwVfG er sein Begehren stützt, d.h. beispielsweise ob von einer Änderung der Sach- oder Rechtslage (Nr. 1) oder dem Vorliegen neuer Beweismittel (Nr. 2) ausgeht.

44

In Anwendung dieser Grundsätze beinhaltet die Mitteilung der Klägerin über der Änderung der tatsächlichen Umstände im November 2014 keinen wirksamen Wiederaufgreifensantrag. Die Mitteilung genügt den dargestellten formellen Anforderungen nicht, die an einen solchen Antrag zu stellen sind. Die Klägerin entschied sich zu diesem Zeitpunkt gerade nicht für einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens sondern für die Erhebung einer Feststellungsklage.

45

1.2.4. Der Klägerin kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Maßgabe des § 1 LVwVfG i.V.m. § 32 VwVfG gewährt werden. Dass die Klägerin von den vorgenannten Antragsfristen nichts gewusst haben mag, rechtfertigt weder eine Wiedereinsetzung in die Antragsfrist nach § 51 Abs. 3 VwVfG noch eine Wiedereinsetzung in die Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung. Fehlende Kenntnis von Rechtsvorschriften ist insbesondere dann kein Wiedereinsetzungsgrund, wenn der Betroffene sich nicht in geeigneter und zuverlässiger Weise erkundigt hat (vgl. Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O. 2014, § 32 Rn. 15 ff.). Selbst wenn man zugunsten der Klägerin zur Bestimmung des Fristbeginns nicht auf Ende Oktober 2014 sondern auf den 9. März 2015 abstellen würde, an dem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung der Kammer in dem Verfahren 4 K 989/14.NW darüber informiert wurde, dass statt der erhobenen Feststellungsklage ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens statthaft sei, ist sowohl die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG als auch die zweiwöchige Frist des § 32 Abs. 2 Satz 1 VwVfG versäumt.

46

1.3. Ungeachtet der Fristversäumung ist der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne nach Auffassung der Kammer aber auch unbegründet. Das Zumauern von Tür und Fenstern des Gartenhauses der Klägerin auf ihrem Grundstück Flurstück-Nr. ... im Oktober 2014 hat nicht zu einer Änderung der Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG geführt.

47

Als Änderung der Sachlage werden alle tatsächlichen Vorgänge angesehen, die eine Änderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts zur Folge haben. Die Änderung der Sachlage muss zugunsten des Betroffenen erfolgt sein, d. h. sie muss für den fraglichen Verwaltungsakt entscheidungserhebliche Voraussetzungen betreffen, so dass die Änderung eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung erfordert oder doch ermöglicht (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 51 Rn. 92). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

48

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sich an der durch die Kammer mit Urteil vom 22. März 2012 – 4 K 1159/11.NW – festgestellten materiellen Illegalität des Gartenhauses nichts dadurch geändert, dass dessen Tür und Fenster nachträglich zugemauert worden sind. Das Gartenhaus unterfällt im Ergebnis auch in der jetzigen Gestalt der Regelung Nr. 6 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans. Es handelt sich weiterhin um eine untergeordnete Nebenanlage im Sinne des § 14 BaunutzungsverordnungBauNVO –. Gemäß § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO können auch auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen zugelassen werden, wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist. Dies ist hier aber der Fall, weil der Satzungsgeber in Nr. 6 der textlichen Festsetzungen zum Bebauungsplan angeordnet hat, dass Nebenanlagen, die Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 LBauO darstellen, nur innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen und/oder der dafür ausgewiesenen Flächen zulässig sind.

49

Zwar sind Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 LBauO nach der Legaldefinition selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet oder bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Die vier im Gesetz genannten Begriffsmerkmale eines Gebäudes müssen kumulativ erfüllt sein (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Februar 2016 – 1 A 10530/15 –, NVwZ-RR 2016, 690 zur fehlenden Gebäudeeigenschaft eines Kinderspielturms mangels Überdeckung). Eine bauliche Anlage ist selbständig benutzbar, wenn sie unabhängig von anderen baulichen Anlagen selbständig den Verwendungszweck zu erfüllen vermag. Maßgeblich ist alleine die Möglichkeit der selbständigen Benutzung (Bay. VGH, Urteil vom 26. September 1988 – 14 B 87.02669 –, BayVBl 1989, 181). Unabdingbare Voraussetzung für die selbständige Benutzbarkeit eines Gebäudes ist dessen Betretbarkeit mittels eigenen Zugangs (s. Bay. VGH, Beschluss vom 3. April 2014 – 1 ZB 13.2536 –, NVwZ-RR 2014, 631). Dieser muss groß genug sein, damit Menschen die Anlage in natürlicher, aufrechter Haltung betreten können (Jeromin in Jeromin, LBauO RhPf, 4. Auflage 2016, § 2 Rn. 36; VG Cottbus, Urteil vom 13. Dezember 2016 – 3 K 1455/14 –, juris; vgl. auch Bay. VGH, Urteil vom 9. März 1976 – 90 I 71 –, BayVBl 1977, 49 zur fehlenden Gebäudeeigenschaft eines Gärfutterbehälters).

50

Durch das Zumauern der Fenster des Gartenhauses hat dieses seine Gebäudeeigenschaft nicht verloren, weil der Gebäudebegriff des § 2 Abs. 2 LBauO nicht voraussetzt, dass die bauliche Anlage über Fenster verfügt. Die Landesbauordnung differenziert zwischen Aufenthaltsräumen – diese müssen gemäß § 43 Abs. 2 LBauO über Fenster verfügen – und sonstigen Räumen ohne Aufenthaltsräumen wie Heizräumen oder Lagerräumen, die keine Fenster haben müssen und gemäß § 8 Abs. 9 Nr. 3 LBauO innerhalb der Abstandsflächen zulässig sein können (näher dazu s. Jeromin in Jeromin, a.a.O., § 8 Rn. 124).

51

Die Gebäudeeigenschaft des Gartenhauses ist auch nicht dadurch entfallen, dass die Klägerin den Zugang zu dem Bauwerk zugemauert hat. Zwar kann es derzeit nicht betreten werden (s. die Lichtbilder in der Verwaltungsakte). Der Baukörper des Gartenhauses, das einen Durchmesser von ca. 4,50 m, eine Traufhöhe von ca. 2,30 m und eine Firsthöhe von ca. 3,50 m hat, hat aber weiterhin das Gepräge eines Gebäudes und verfügt nach wie vor über eine potentielle Zugangsmöglichkeit für einen Menschen in aufrechter Haltung. Denn das Verschließen der Tür ist mit einem vergleichsweise geringen Aufwand rückgängig zu machen. Kein vernünftig denkender Mensch würde ein solches, in zugemauertem Zustand nutzloses Bauwerk errichten. Die Klägerin hat den Zugang zu dem Bauwerk vielmehr ausschließlich in der Absicht geschlossen, die Vollstreckung der bestandskräftigen Beseitigungsverfügung zu verhindern. Die sinnlos erfolgte Umgestaltung eines Gebäudes durch Zumauern des Zugangs, die keiner anderweitigen Zweckbestimmung des bisherigen Bauwerks dient, lässt daher die bauordnungsrechtliche Gebäudeeigenschaft nicht entfallen.

52

Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der auf § 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB beruhenden Regelung Nr. 6 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans. Denn danach wollte der Satzungsgeber den nordöstlichen Bereich des Bebauungsplangebiets von baulichen Anlagen freihalten, die zum Betreten von Menschen geeignet sind (s. die Begründung des Bebauungsplans, insbesondere Nr. 4.2.), zumal sich dieser Bereich in der Ausgleichsfläche Z 3 des Bebauungsplans befindet.

53

2. Die Klägerin hat ferner keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf der Beseitigungsverfügung des Beklagten vom 17. Juni 2010 nach § 1 Abs. 1 LVwVfG, § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne).

54

Nach § 51 Abs. 5 VwVfG bleiben die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG und des § 49 Abs. 1 VwVfG unberührt. Die in § 51 Abs. 5 VwVfG verankerte Ermächtigung der Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren im Ermessenswege wiederaufzugreifen, ermöglicht auch bei rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahren die nachträgliche Kontrolle inhaltlich unrichtiger Entscheidungen. Trifft die Behörde eine positive Entscheidung zum Wiederaufgreifen, wird hierdurch die Bestandskraft durchbrochen und der Weg für eine neue Sachentscheidung eröffnet. Mit der Befugnis zum Wiederaufgreifen korrespondiert ein gerichtlich einklagbarer Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung. Dabei handelt die Behörde grundsätzlich ermessensfehlerfrei, wenn sie ein Wiederaufgreifen im Hinblick auf die rechtskräftige Bestätigung ihrer Entscheidung in dem früheren Verwaltungsverfahren und das Fehlen der Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ablehnt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. November 2016 – 1 S 472/16 –, juris; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 51). In diesen Fällen bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen der Behörde.

55

Daran gemessen ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte ein Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verfahrens unter Hinweis auf die Bestandskraft der Beseitigungsverfügung vom 17. Juni 2010 und die versäumte Frist für einen Wiederaufgreifensantrag nach § 51 Abs. 3 VwVfG abgelehnt hat.

56

3. Schließlich haben es der Beklagte in dem Bescheid vom 13. August 2015 und der Kreisrechtsausschuss bei der Kreisverwaltung Bad Dürkheim in dem Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2016 zu Recht abgelehnt, die Vollstreckung der Beseitigungsverfügung vom 17. Juni 2010 für unzulässig zu erklären.

57

Wie die Kammer in ihrem Beschluss vom 28. Mai 2015 – 4 L 412/15.NW – im Einzelnen ausgeführt hat, kann die Klägerin ihre nachträglich entstandenen materiellen Einwendungen gegen die Beseitigungsverfügung vom 17. Juni 2010 nicht in dem noch nicht abgeschlossenen Anfechtungsverfahren gegen die Androhung der Ersatzvornahme vom 24. April 2015 geltend machen, da im isolierten Verfahren gegen eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung die Rechtmäßigkeit der sofort vollziehbaren oder bestandskräftigen Grundverfügung außer Betracht bleibt und Einwendungen gegen den Grundverwaltungsakt im Streit um die Rechtmäßigkeit der Zwangsmittelandrohung daher ausgeschlossen sind. Deshalb hat sich der Betroffene, der nachträgliche Einwendungen gegen einen bestandskräftig gewordenen, zu vollstreckenden Verwaltungsakt erhebt, in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 2 LVwVG mit einem Antrag an die Behörde zu wenden, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären (s. ausführlich dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Juli 2011 – 8 A 10394/11 –, NVwZ-RR 2012, 15 und Beschluss vom 17. November 1981 – 1 B 60/81 –, NJW 1982, 2276).

58

Die Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung des § 16 Abs. 2 LVwVG sind hier aber nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift sind Einwendungen, welche den Anspruch selbst betreffen, bei der Behörde geltend zu machen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Sie sind nur zulässig, soweit die Gründe, auf denen sie beruhen, nach Erlass des Verwaltungsaktes entstanden sind und durch Anfechtung nicht mehr geltend gemacht werden konnten.

59

Zwar hat die Klägerin nachträgliche Einwendungen gegen den von dem Beklagten durch die Beseitigungsverfügung vom 17. Juni 2010 titulierten Anspruch erhoben. Diese rechtfertigen, wie sich aus den Ausführungen der Kammer unter 1.3 ergibt, es aber nicht, die Vollstreckung der Beseitigungsverfügung für unzulässig zu erklären.

60

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

61

Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZivilprozessordnungZPO –.

Beschluss

62

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens


(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn 1. sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen g

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erhebliche

Baugesetzbuch - BBauG | § 9 Inhalt des Bebauungsplans


(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden: 1. die Art und das Maß der baulichen Nutzung;2. die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;2a. vom

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 49 Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 23 Überbaubare Grundstücksfläche


(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. (2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut wer

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 14 Nebenanlagen; Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen


(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht wide

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(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. (2) Der Antrag ist innerhalb v

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(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 12. Januar 2016 - 4 K 1915/15 - wird teilweise geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Löschung von Daten, die der Polizeivollzugsdienst über ihn in dem polizeilichen Auskunftssystem POLAS-BW gespeichert hat.
Gegen den am 04.11.1989 geborenen Kläger wurden wegen verschiedener Vorfälle aus dem Zeitraum 2010 bis Oktober 2012 folgende strafrechtliche Ermittlungsverfahren geführt:
- Das Amtsgericht Freiburg verurteilte ihn zu einer Geldauflage wegen einer am 12.06.2010 begangenen Körperverletzung (Az.: ......).
- Am 08.02.2012 gab es gegen 21.50 Uhr eine Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seiner früheren Freundin ..., in deren Verlauf ... den Kläger angespuckt und ihm eine Ohrfeige versetzt haben soll. Dem Kläger wurde vorgeworfen, ... gewaltsam festgehalten, sie am Einsteigen in ihren Pkw gehindert sowie ihr und ihrem neuen Freund gedroht zu haben, sie und ihre Familien umzubringen. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 16.03.2012 (Az: ...) wurde das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da die Tatbeteiligten die Vorwürfe jeweils bestritten und den Sachverhalt kontrovers geschildert hätten und keine unabhängigen Zeugen vorhanden seien.
- Zu einem weiteren Vorfall vom 08.02.2012 wurde dem Kläger vorgeworfen, gegen 23.00 Uhr ... mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihm mehrere Fußtritte gegen Beine und Oberkörper versetzt zu haben, sodass dieser eine Gehirnerschütterung erlitten habe. Das Verfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 26.07.2012 (Az: ...) mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil nicht zweifelsfrei zu belegen sei, dass der Kläger sich nicht nur gegen Angriffe des... habe schützen und zur Wehr setzen wollen.
- Am 27.10.2012 gab es gegen 01.00 Uhr eine Auseinandersetzung zwischen zwei Türstehern einer Diskothek in Person des Klägers und eines Kollegen von ihm auf der einen Seite und einer Gruppe mehrerer Männer auf der anderen Seite, in deren Verlauf der Kläger einem ...... mit einem Schlagstock auf die Hand geschlagen habe. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 05.03.2013 (Az: ......) wurde das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da dem Kläger aufgrund kontroverser Aussagen der am Geschehen Beteiligten nicht habe nachgewiesen werden können, dass er nicht in Notwehr gehandelt habe.
Am 21.02.2012 kreuzte ein Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Freiburg auf dem Formblatt „Aussonderungsprüfung / Einzelfalllöschung" an: Keine Änderungen der Speicher- und Aufbewahrungsfristen; das Feld für eine Begründung wurde nicht ausgefüllt. Auf einem solchen Formblatt kreuzte ein Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Freiburg am 20.08.2012 wiederum an, dass sich die Speicher- und Aufbewahrungsfristen nicht ändern, und vermerkte handschriftlich zur Begründung unter a) Tatverdacht „§ 170 (2) StPO, Restverdacht aufgrund d. Aussagen der Beteiligten selbst sowie Zeugenaussagen" und unter b) Wiederholungsgefahr „ja, Vortaten im gleichen Deliktsbereich, Aggressionspotential". Am 08.05.2013 kreuzte ein Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Freiburg auf einem solchen Formblatt erneut an, dass sich die Speicher- und Aufbewahrungsfristen nicht ändern, und führte zur Begründung maschinenschriftlich unter a) Tatverdacht: „Angaben des Geschädigten" und unter b) Wiederholungsgefahr: „Ja Mehrfachtäter, einschlägig" an.
Am 20.11.2012 stellte der Kläger bei der Polizeidirektion Freiburg einen Antrag auf Löschung seiner personenbezogenen Daten. Diesen Antrag lehnte die Polizeidirektion Freiburg mit Bescheid vom 25.11.2012 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für die Speicherung von Daten lägen bei dem Kläger weiterhin vor. Er sei einmal wegen einer am 12.06.2010 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Geldauflage verurteilt worden und gegen ihn sei wegen zweier Körperverletzungsdelikte am 08.02.2012 und wegen einer gefährlichen Körperverletzung und Beleidigung am 27.10.2012 strafrechtlich ermittelt worden. Die Verfahren wegen der Körperverletzungen am 08.02.2012 seien von der Staatsanwaltschaft Freiburg gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, das Verfahren wegen der Taten am 27.10.2012 sei noch anhängig. Nach kriminalistischer Erfahrung und unter Einbeziehung aller Tatsachen zu Art und Ausführung der Taten und seiner Persönlichkeit bestehe bei dem Kläger eine Wiederholungsgefahr. Die gespeicherten Daten seien geeignet, künftige polizeiliche Ermittlungen zu fördern. Falls keine neuen Erkenntnisse hinzuträten, sei eine Überprüfung der Löschung dieser Daten zum 08.02.2017 vorgesehen. Gegen den Bescheid vom 25.11.2012 legte der Kläger keinen Rechtsbehelf ein.
Im Anschluss daran wurde dem Kläger bezüglich eines Vorfalls vom 22.12.2012 vorgeworfen, ebenfalls in seiner Eigenschaft als Türsteher einer Diskothek Gäste dieser Diskothek, die ihrerseits andere Gäste angegriffen hätten, durch Faustschläge verletzt zu haben. Die Staatsanwaltschaft stellte dieses Verfahren gegen den Kläger mit Verfügung vom 30.07.2013 (Az: ......) wegen fehlenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO ein, weil sein Einschreiten zur Verhinderung der Verletzung anderer gerechtfertigt gewesen sei.
10 
Am 26.02.2015 stellte der Kläger beim Polizeipräsidium Freiburg erneut einen Antrag auf Löschung des Vorfalls aus dem Jahr 2010 aus dem Polizeiregister. Mit Schreiben vom 02.03.2015 teilte das Polizeipräsidium Freiburg dem Kläger mit: Derselbe Antrag sei bereits mit Bescheid vom 25.11.2012 abgelehnt worden. Es seien keine Gesichtspunkte für eine andere Bewertung und für eine Verkürzung der Löschungsfrist zu erkennen. Im Gegenteil sei der Kläger durch einen neuen Datensatz erfasst worden. Dadurch verlängere sich die Frist zur Datenaussonderung vom 08.02.2017 bis zum 22.12.2017.
11 
Mit Schreiben vom 31.03.2015 wiederholte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten seinen Antrag auf Löschung seiner personenbezogenen Daten. Er lebe seit dem 12.06.2010 straffrei. Der Verdacht der Köperverletzung am 08.02.2012 habe sich nicht erhärten lassen. Das Verfahren sei nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Deshalb sei keine Speicherung nach § 38 PolG zulässig.
12 
Darauf antwortete das Polizeipräsidium Freiburg mit Schreiben vom 09.04.2015: Der neuerliche Antrag könne als Antrag auf Wiederaufgreifen des durch Bescheid vom 25.11.2012 bestandskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens ausgelegt werden. Dafür sei jedoch die Frist des § 51 Abs. 3 LVwVfG verstrichen. Dem Antrag könne aber auch aus materiellen Gründen nicht entsprochen werden. Denn aus den Verfügungen über die Einstellung der Strafverfahren gegen den Kläger ergebe sich nicht, dass er die ihm vorgeworfen Straftaten nicht oder nicht in rechtswidriger Weise begangen habe.
13 
Mit Schreiben vom 29.04.2015 bat der Kläger ausdrücklich um Neubescheidung seines Löschungsantrags. Die Bestandskraft des alten (rechtswidrigen) Bescheids stehe dem nicht entgegen. Falls nicht bis zum 13.05.2015 über seinen Antrag entschieden sei, werde er Klage auf Löschung beim Verwaltungsgericht erheben.
14 
Mit Schreiben vom 05.05.2015 teilte das Polizeipräsidium Freiburg dem Kläger mit, dass es sein Schreiben als Antrag auf Löschung der Daten im Zusammenhang mit dem Strafverfahren wegen Körperverletzung vom 22.12.2012 auslege und dass es zeitnah darüber entscheiden werde. Für eine Neubescheidung des bestandskräftigen Bescheids vom 25.11.2012 bestehe keine Veranlassung. Mit weiterem Schreiben vom 12.05.2015 teilte das Polizeipräsidium Freiburg dem Kläger mit, dass die Daten im Zusammenhang mit dem Strafverfahren wegen Körperverletzung vom 22.12.2012 gelöscht würden, da nach der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg insoweit kein Restverdacht gegen den Kläger mehr vorliege.
15 
Am 30.07.2015 erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht auf Löschung sämtlicher vom Polizeivollzugsdienst über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten. Zur Begründung trug er vor, dass er sich beim Staat bewerben wolle und wegen der Eintragungen Nachteile bei der Bewerberauswahl befürchte. Wegen der Eintragungen in den polizeilichen Informationssystemen sei er bereits drei Mal mit Bewerbungen bei Behörden gescheitert. Er beabsichtige, sich weiterhin zu bewerben. Aus den Verfügungen der Staatsanwaltschaft über die Einstellung der gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren ergäben sich keine Gründe für das Bestehen eines Restverdachts gegen ihn. Es sei unzulässig, wenn die Polizei immer von einem solchen Restverdacht ausgehe, selbst wenn der Betroffene völlig unschuldig sei und die strafrechtlichen Vorwürfe auf falschen Beschuldigungen beruhten. Gewissheit über das Vorliegen einer Straftat habe man erst nach einer Hauptverhandlung. Wenn aber die Staatsanwaltschaft die Verfahren aus Gründen der Opportunität und der Prozessökonomie einstelle, könne dies bei der polizeilichen Datenverarbeitung zu Lasten des Betreffenden gehen. Speziell bei der ihm vorgeworfenen Tat am 27.10.2012 habe es sich um Notwehr gehandelt. Bei der Tat am 08.02.2012 um 21.50 Uhr sei die Aussage seiner Ex-Freundin falsch gewürdigt worden. Die Formulierung in einer Einstellungsverfügung könne nicht entscheidend sein. Aus einer Einstellung wegen widersprechender Aussagen von Beteiligten ließen sich keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Tat ziehen und damit keine Restzweifel begründen. Seit 2012 sei er in keiner Weise mehr aufgefallen. Sein familiäres Umfeld spreche gegen eine Negativprognose; sein jüngerer Bruder sei Beamter beim Finanzamt.
16 
Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, der Antrag des Klägers auf Löschung seiner Daten sei bereits mit Bescheid vom 25.11.2012 bestandskräftig abgelehnt worden. Er habe aber auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Anspruch auf die begehrte Löschung seiner Daten. Die Daten hätten nach § 38 Abs. 1 bis 3 PolG gespeichert werden dürfen. Bei den beiden am 08.02.2012 und der am 27.10.2012 begangenen Körperverletzung ergebe sich aus den Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft nicht, dass er die Taten nicht oder nicht rechtswidrig begangen habe, wie das nach § 38 Abs. 2 Satz 2 PolG für eine Löschung der Daten erforderlich sei. Diese Taten seien deshalb anders zu beurteilen als der gelöschte Vorwurf der Körperverletzung am 22.12.2012, bei dem der Kläger nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft gerechtfertigt gehandelt habe. Die drei eingestellten Verfahren wegen Körperverletzungsdelikten am 08.02.2012 und 27.10.2012 hätten daher neben der abgeurteilten Tat vom 12.06.2010 nach § 38 Abs. 3 Satz 1 und 3 PolG auch über zwei Jahre hinaus gespeichert werden dürfen, weil wegen der wiederholten Tatbegehung innerhalb von zwei Jahren tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Kläger auch künftig eine Straftat begehen werde. Darüber hinaus sei während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens ein weiterer Eintrag über den Kläger wegen einer Körperverletzung und Beleidigung am 24.05.2015 erfolgt. Das Ermittlungsverfahren sei inzwischen durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 11.12.2015 (Az. ...) nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, weil der Geschädigte keinen Strafantrag gestellt habe und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht bejaht worden sei, da es zu keinen erheblichen Verletzungen gekommen sei und die Beteiligten die Situation als Durcheinander und mehr als Gerangel statt als Schlägerei bezeichnet hätten.
17 
Das Verwaltungsgericht verpflichtete mit Urteil vom 12.01.2016 den Beklagten, die vom Polizeivollzugsdienst über den Kläger gespeicherten Eintragungen zum Vorfall vom 12.06.2010 im System POLAS-BW zu löschen und die dazugehörigen Unterlagen zu vernichten, und wies im Übrigen die Klage ab. Bezüglich des Vorfalls vom 12.06.2010 habe der Kläger einen Löschungsanspruch nach § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG und/oder § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG. Ermächtigungsgrundlage für die Speicherung dieses Vorfalls sei § 38 PolG in der ab dem 22.11.2008 geltenden Fassung des Gesetzes vom 18.11.2008. Dass die Daten über die Verurteilung des Klägers wegen der am 12.06.2010 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu Recht gespeichert worden seien, werde auch vom Kläger im Grunde nicht bestritten. Die genannten Vorschriften erlaubten eine Speicherung von Daten über einen Vorfall jedoch zunächst nur für die Dauer von zwei Jahren. Eine Speicherung über diesen Zeitraum hinaus sei nur nach Maßgabe von § 38 Abs. 3 PolG zulässig. Bei der Beurteilung der nach § 38 Abs. 3 PolG erforderlichen Wiederholungsgefahr stehe dem Polizeivollzugsdienst ein Prognosespielraum zu. Insoweit überprüften die Gerichte, ob eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Beurteilungsspielraum bestehe und ob die Behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei, Verfahrensvorschriften eingehalten, den gesetzlichen Rahmen zutreffend erkannt, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und keine sachfremden Erwägungen angestellt habe. Zur Rechtmäßigkeit der Prognose der Wiederholungsgefahr nach § 38 Abs. 3 PolG bedürfe es daher einer auf den Einzelfall bezogenen, auf schlüssigen, verwertbaren nachvollziehbar dokumentierten Tatsachen beruhenden Entscheidung. Danach lägen die Voraussetzungen für eine Speicherung des Vorfalls vom 12.06.2010 über die Dauer von zwei Jahren hinaus nicht vor. Denn es fehle an einer nach den vorstehenden Ausführungen erforderlichen rechtzeitigen Dokumentation der Bejahung bzw. Begründung einer Wiederholungsgefahr. Nach den von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen habe der Polizeivollzugsdienst erstmals am 20.08.2012 stichwortartig in den Akten vermerkt, dass bei dem Kläger eine Wiederholungsgefahr bestehe. Der Vermerk sei damit erst nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraum für die Speicherung eines Prüffalls erstellt worden. Der Zeitpunkt, an dem der Polizeivollzugsdienst den Vorfall vom 12.06.2010 in POLAS-BW eingetragen habe, und damit auch der genaue Zeitpunkt, ab dem der Zwei-Jahreszeitraum exakt zu laufen begonnen habe, lasse sich den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen nicht sicher entnehmen. Die gesamten Umstände des Falls und die Einlassungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ließen aber den Schluss zu, dass die Speicherung tatsächlich im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Tat vom 12.06.2010 erfolgt sei. Der Zwei-Jahreszeitraum für die Speicherung des ersten den Kläger betreffenden Vorfalls vom 12.06.2010 ende damit im Juni 2012. Der Vermerk vom 20.08.2012 sei daher verspätet erstellt worden und stehe nicht in dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums. Auf die Bestandskraft des Bescheids der Polizeidirektion Freiburg vom 25.11.2012 könne sich der Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil sich die Sach- und Rechtslage danach unter anderem insoweit auch zu Gunsten des Klägers verändert habe, als die Zweijahresfrist für die Speicherung des Vorfalls abgelaufen und eine weitere Speicherung nur nach Prüfung der Wiederholungsgefahr und Dokumentation dieser Prüfung zulässig gewesen sei. Abgesehen davon müsse die Polizei dem mit einer langjährigen Datenspeicherung einhergehenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fortlaufend Rechnung tragen und entweder aufgrund konkreter Erkenntnisse oder im Rahmen gesetzlicher Überprüfungsfristen sowie nach Ablauf anderer gesetzlicher Prüfzeiträume, wie zum Beispiel des Zwei-Jahreszeitraums nach § 38 Abs. 2 Satz 1 PolG die Rechtmäßigkeit gespeicherter personenbezogener Daten unter Kontrolle halten und gegebenenfalls auch nach Erlass eines bestandskräftigen Bescheids, mit dem eine Datenlöschung abgelehnt worden sei, im Wege von Ermessensentscheidungen nach Maßgabe der § 51 Abs. 5, § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG überprüfen. Demgegenüber habe der Kläger keinen Anspruch auf Löschung der Daten über die zwei Vorfälle vom 08.02.2012 sowie die Vorfälle vom 27.10.2012 und vom 24.05.2015. Die Speicherung dieser Daten sei rechtmäßig erfolgt. Die Voraussetzungen für ihre Löschung lägen nicht vor.
18 
Der Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt, mit der er die vollständige Abweisung der Klage begehrt. Zur Begründung trägt er vor, das angefochtene Urteil erfasse die Regelungssystematik des § 38 Abs. 3 PolG nicht vollständig. § 38 Abs. 3 PolG habe zwei Alternativen. Die weitere Speicherung sei zum einen zulässig, wenn bezüglich der betroffenen Person die Prognose der Wiederholungsgefahr gestellt werden könne. In Fällen mittlerer und leichter Kriminalität sei es jedoch nach der alten Rechtslage im Zeitpunkt der Speicherung der Daten häufig schwierig gewesen, diese positiv anzustellen. Um praktische Schwierigkeiten bei der Anwendung der Vorschrift zu vermeiden und mit dem Ziel, den Kreis der Personen, über die Daten gespeichert würden, auf diejenigen zu begrenzen, der für die polizeiliche Arbeit tatsächlich relevant sei, sei durch das Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes vom 18.11.2008 die zweite Alternative in § 38 Abs. 3 Satz 3 eingefügt worden. Seither sei eine über die Zwei-Jahresfrist hinausgehende Weiterverwendung der Daten auch dann zulässig, wenn die betroffene Person während der zweijährigen Prüffrist in den Verdacht geraten sei, eine weitere Straftat begangen zu haben. Die Person gelte nach dieser gesetzlichen Fiktion per se als Wiederholungstäter. Damit werde in diesen Fällen die Negativprognose auf eine sichere Basis gestellt und lasse sich in der Praxis anhand objektiver Kriterien eindeutig und überprüfbar stellen.
19 
Das Verwaltungsgericht habe im angefochtenen Urteil zwar beide Varianten von § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG zutreffend dargestellt, die zweite Variante finde bei der weiteren Würdigung jedoch keine Beachtung. Unstreitig sei die Rechtmäßigkeit der Speicherung der am 12.06.2010 begangenen gefährlichen Körperverletzung, da die Schuld des Klägers aufgrund eines rechtskräftigen Urteils feststehe. Dieser Vorgang sei gemäß § 38 Abs. 2 PolG als sogenannter Prüffall in POLAS-BW erfasst worden und wäre insoweit nach Ablauf einer Speicherfrist von zwei Jahren am 12.06.2012 wieder gelöscht worden. Der Kläger sei jedoch am 08.02.2012, also vier Monate vor Ablauf der zweijährigen Prüffrist, erneut in den Verdacht geraten, eine weitere Körperverletzung begangen zu haben. Es sei bezüglich dieses Vorgangs nicht rechtskräftig freigesprochen worden, aus der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 19.03.2012 ergebe sich auch nicht positiv, dass der Kläger die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen habe. Daher sei dieser zweite Vorgang rechtmäßig in POLAS-BW erfasst worden. Wegen dieses einschlägigen Verdachts aufgrund des Vorfalls vom 08.02.2012 gelte der Kläger gemäß § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG hinsichtlich der am 12.06.2010 begangenen gefährlichen Körperverletzung per se als Wiederholungstäter. Insoweit komme es auf die weitergehende Prüfung und Begründung einer Wiederholungsgefahr nach § 38 Abs. 3 Satz 1 PolG vorliegend nicht an.
20 
Der Beklagte beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 12.01.2016 - 4 K 1915/15 - teilweise zu ändern und die Klage abzuweisen.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts, des Beklagten und der Staatsanwaltschaft Freiburg zu den Verfahren ...... vor.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist teilweise zu ändern. Die Klage ist vollständig abzuweisen.
26 
1. Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim Verwaltungsgericht eingelegt (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO).
27 
2. Die Berufung ist begründet. Die auf Löschung aller über den Kläger in POLAS-BW gespeicherten personenbezogenen Daten gerichtete Klage ist vollständig abzuweisen. Der Kläger hat auch bezüglich der über den Vorfall vom 12.06.2010 in POLAS-BW über ihn gespeicherten Daten keinen Anspruch auf Löschung nach § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG oder § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG. Denn ein etwaiger Löschungsanspruch ist durch den Bescheid der Polizeidirektion Freiburg vom 25.11.2012 bestandskräftig abgelehnt worden (a). Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren (b) oder im weiteren Sinne (c) besteht nicht.
28 
Dem Senat ist nicht verwehrt, die Klage im Hinblick auf die Bestandskraft des Bescheids vom 25.11.2012 vollständig abzuweisen, obwohl sich der Beklagte zweitinstanzlich hierauf nicht beruft. Mit der zulässigen Berufung ist dem Berufungsgericht innerhalb des Streitgegenstands die vollständige Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils eröffnet. Das Berufungsurteil muss sich auch im Falle des Erfolgs der Berufung nicht auf die mit der Berufungsbegründung angeführten Punkte stützen. Denn die Berufungsbegründung wird nicht dadurch mangelhaft, dass die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils und die Berufungsbegründung nicht übereinstimmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.04.2000 - 9 M 170/00 - NVwZ 2000, 1042).
29 
a) Der Beklagte hat mit Bescheid vom 25.11.2012 auch über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Löschung der in POLAS-BW über den Kläger gespeicherten Daten zum Vorfall vom 12.06.2010 entschieden. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid ist unanfechtbar geworden, da der Kläger hiergegen keinen Widerspruch eingelegt hat. Die Bestandskraft des Bescheides hat - in den Grenzen der Regelungen über das Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und das Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG (s. dazu unter b und c) - zur Folge, dass der Kläger aufgrund der abschließenden Entscheidung im genannten Bescheid nicht erneut geltend machen kann, er habe einen Anspruch auf Löschung dieser Daten.
30 
b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG. Die Behörde hat nach § 51 Abs. 1 LVwVfG auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2), oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3). Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 LVwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 Satz 1 und 2 LVwVfG).
31 
Eine nachträgliche Änderung der Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG liegt nur vor, wenn sich die Sachlage nach Erlass des Verwaltungsakts geändert hat. Insoweit reicht es nicht aus, wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden, aber im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts bereits vorlagen (vgl. Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 51 Rn. 33; Ziekow, VwVfG, 2. Aufl., § 51 Rn. 7; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 51 Rn. 25; Falkenbach, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 51 Rn. 30).
32 
Die Kenntnis vom Wiederaufgreifensgrund i.S.d. § 51 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG erhält der Betroffene, wenn er die sichere Kenntnis der Tatsachen gewinnt, die den Wiederaufgreifensgrund erfüllen. Ein rechtliche Einordnung als Wiederaufgreifensgrund ist für den Fristbeginn nicht erforderlich (vgl. Baumeister, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl., § 51 Rn. 43; Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 47; je m.w.N).
33 
Ist ein Antrag nach § 51 Abs. 1 LVwVfG gestellt, sind die Verwaltungsgerichte nicht befugt, andere als vom Antragsteller selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Antrags zugrunde zu legen.Denn das Erfordernis der Antragstellung und deren Fristgebundenheit nach § 51 Abs. 1 und 3 LVwVfG haben zur Folge, dass der Antragsteller die seiner Ansicht nach vorliegenden Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens selbst vortragen muss (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 30.08.1988 - 9 C 47/87 - NVwZ 1989, 161, m.w.N.; Beschl. v. 11.12.1989 - 9 B 320/89 - NVwZ 1990, 359; Baumeister, a.a.O., § 51 Rn. 47 f.).
34 
Im vorliegenden Fall scheidet die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 LVwVfG bereits deshalb aus, weil der Kläger mit seinen Schreiben vom 31.03.2015 und 29.04.2015 die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 Satz 1 LVwVfG nicht eingehalten hat. Der Antrag auf Neubescheidung ist - nachdem der Kläger im Schreiben vom 26.02.2015 lediglich die Löschung beantragt hat, ohne in irgendeiner Weise ein Wiederaufgreifen geltend zu machen - im Schreiben vom 31.03.2015 darauf gestützt, dass der Kläger seit dem 12.06.2010 straffrei lebe, sich der Verdacht der Körperverletzung vom 08.02.2012 nicht habe erhärten lassen und das Verfahren daher gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei und auch das Verfahren wegen Körperverletzung vom 27.10.2012 eingestellt worden sei. Die Einstellung des Verfahrens wegen des Vorfalls am 08.02.2012 um 21.50 Uhr erfolgte mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 16.03.2012, diejenige wegen des Vorfalls vom 08.02.2012 um 23.00 Uhr mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 26.07.2012. Das Verfahren wegen des Vorfalls am 27.10.2012 stellte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 05.03.2013 ein. Mit Erhalt der Einstellungsverfügungen hatte der Kläger Kenntnis von den Tatsachen, auf die er seinen Wiederaufnahmeantrag stützt. Dieser wurde jedoch erst über zwei Jahre nach Kenntnis der geltend gemachten Umstände gestellt. Die Einstellungsverfügungen vom 16.03.2012 und vom 26.07.2012 können zudem keine neue Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG herbeiführen, da sie im Zeitpunkt des bestandskräftigen Bescheids vom 25.11.2012 bereits vorlagen.
35 
Auch eine fehlende bzw. verspätete Dokumentation der Wiederholungsgefahr nach Ablauf der Zwei-Jahresfrist im Anschluss an die Tat vom 12.06.2010 kann entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts einen Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht begründen. Das Verwaltungsgericht hat - von den Beteiligten nicht angegriffen - zugrunde gelegt, dass die Speicherung des Vorfalls vom 12.06.2010 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat erfolgt ist und daher die Dokumentation der Wiederholungsgefahr mit dem Vermerk vom 20.08.2012 nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums des § 38 Abs. 2 PolG erfolgt ist (UA S. 13, 14). Sowohl der Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums als auch der Vermerk vom 20.08.2012 liegen zeitlich vor Erlass des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 25.11.2012. Daher fehlt es insoweit es an einer nachträglich entstandenen neuen Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG.
36 
c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf des Bescheids des Beklagten vom 25.11.2012 nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne).
37 
Nach § 51 Abs. 5 LVwVfG bleiben die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG und des § 49 Abs. 1 LVwVfG unberührt. Die in § 51 Abs. 5 LVwVfG verankerte Ermächtigung der Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren im Ermessenswege wiederaufzugreifen, ermöglicht auch bei rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahren die nachträgliche Kontrolle inhaltlich unrichtiger Entscheidungen. Trifft die Behörde eine positive Entscheidung zum Wiederaufgreifen, wird hierdurch die Bestandskraft durchbrochen und der Weg für eine neue Sachentscheidung eröffnet. Mit der Befugnis zum Wiederaufgreifen korrespondiert ein gerichtlich einklagbarer Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung. Dabei handelt die Behörde grundsätzlich ermessensfehlerfrei, wenn sie ein Wiederaufgreifen im Hinblick auf die rechtskräftige Bestätigung ihrer Entscheidung in dem früheren Verwaltungsverfahren und das Fehlen der Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG ablehnt. In diesen Fällen bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen der Behörde. Umstände, die ausnahmsweise eine erneute Sachentscheidung und damit ein Wiederaufgreifen gebieten, müssen in ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht mit einem der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 LVwVfG geregelten zwingenden Wiederaufgreifensgründe vergleichbar sein. Allein der Umstand, dass der bestandskräftige Verwaltungsakt nicht rechtmäßig verfügt werden durfte, genügt hierfür nicht. Dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit kommt nämlich prinzipiell kein größeres Gewicht zu als dem Gebot der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit verdichtet sich das Ermessen der Behörde zugunsten des Betroffenen, wenn das Festhalten an dem bestandskräftigen Verwaltungsakt schlechthin unerträglich wäre (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2009 - 1 C 15.08 - BVerwGE 135, 121; Urt. v. 13.12.2011 - 5 C 9.11 - juris Rn. 29; BayVGH, Beschl. v. 09.03.2015 - 12 ZB 12.1640 - juris; je m.w.N.; Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 6).
38 
Daran gemessen ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte ein Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verfahrens unter Hinweis auf den Bescheid vom 25.11.2012 und die versäumte Frist für einen Wiederaufgreifensantrag nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG abgelehnt hat. Das Festhalten am bestandskräftigen Bescheid vom 25.11.2012 ist nicht schlechthin unerträglich. Aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht Freiburg vom 30.11.2010 steht fest, dass der Kläger am 12.06.2010 eine gefährliche Körperverletzung begangen hat. Wie das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil zutreffend und vom Kläger nicht angegriffen ausgeführt hat, ist bezüglich der beiden Vorfälle vom 08.02.2012 ebenso wie bezüglich der Vorfälle vom 17.10.2012 und 24.05.2015 ein Restverdacht zulasten des Klägers gegeben. Die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 und 2 PolG für die Speicherung der Daten aus der Tat vom 12.06.2010 sind daher insoweit erfüllt. Auch der vom Verwaltungsgericht beanstandete Umstand, dass die Dokumentation der Wiederholungsgefahr für den Vorfall vom 12.06.2010 erst am 20.08.2012 erfolgte, macht das Festhalten am Bescheid vom 25.11.2012 nicht schlechthin unerträglich. Denn die Dokumentation der Wiederholungsgefahr erfolgte relativ bald nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums. Zudem setzt § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG nach seinem Wortlaut keine gesonderte Feststellung einer Wiederholungsgefahr voraus.
39 
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht dem Festhalten an dem rechtskräftigen Bescheid vom 25.11.2012 nicht entgegen, dass die Polizei dem mit einer langjährigen Datenspeicherung einhergehenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fortlaufend Rechnung tragen müsse. Zwar trifft der Ausgangspunkt zu, dass die Speicherung personenbezogener Daten nach § 38 PolG während der Speicherdauer einen dauerhaften Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bewirkt. Dies führt jedoch nicht zu von § 51 LVwVfG abweichenden Rechtsfolgen. Denn der Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG kann von vornherein nur für Veränderungen gelten, die die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung unmittelbar berühren. Die Regelung erfasst somit praktisch nur Dauerverwaltungsakte (vgl. Ramsauer, § 51 Rn. 27). Der Umstand, dass die Speicherung personenbezogener Daten nach § 38 PolG zu einer dauerhaften Belastung des Betroffenen führt, ist somit im Hinblick auf § 51 Abs. 1 LVwVfG kein Ausnahmefall, sondern die typischerweise gegebene Situation. Dieser Umstand bewirkt insoweit eine Pflicht der Behörde, die Rechtmäßigkeit der Datenspeicherung unter Kontrolle zu halten, als sie zum einen über einen Wiederaufgreifensantrag unter Beachtung der Regelungen des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 LVwVfG zu entscheiden und zum anderen die Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung der personenbezogenen Daten nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfristen zu prüfen hat. Nur im Ausnahmefall ist die Löschung vor Ablauf der Regelspeicherfristen geboten, wenn die Überprüfung im Einzelfall ergibt, dass die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist (vgl. dazu ausf. Senat, Urt. v. 10.02.2015 - 1 S 554/13 - VBlBW 2015, 506). Für einen solchen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich. Mit den Regelungen des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 LVwVfG sowie der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung der personenbezogenen Daten nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfristen ist dem Umstand, dass ein dauernder Eingriff vorliegt, daher ausreichend Rechnung getragen.
40 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
41 
Beschluss vom 30. November 2016
42 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
25 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist teilweise zu ändern. Die Klage ist vollständig abzuweisen.
26 
1. Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim Verwaltungsgericht eingelegt (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO).
27 
2. Die Berufung ist begründet. Die auf Löschung aller über den Kläger in POLAS-BW gespeicherten personenbezogenen Daten gerichtete Klage ist vollständig abzuweisen. Der Kläger hat auch bezüglich der über den Vorfall vom 12.06.2010 in POLAS-BW über ihn gespeicherten Daten keinen Anspruch auf Löschung nach § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG oder § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG. Denn ein etwaiger Löschungsanspruch ist durch den Bescheid der Polizeidirektion Freiburg vom 25.11.2012 bestandskräftig abgelehnt worden (a). Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren (b) oder im weiteren Sinne (c) besteht nicht.
28 
Dem Senat ist nicht verwehrt, die Klage im Hinblick auf die Bestandskraft des Bescheids vom 25.11.2012 vollständig abzuweisen, obwohl sich der Beklagte zweitinstanzlich hierauf nicht beruft. Mit der zulässigen Berufung ist dem Berufungsgericht innerhalb des Streitgegenstands die vollständige Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils eröffnet. Das Berufungsurteil muss sich auch im Falle des Erfolgs der Berufung nicht auf die mit der Berufungsbegründung angeführten Punkte stützen. Denn die Berufungsbegründung wird nicht dadurch mangelhaft, dass die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils und die Berufungsbegründung nicht übereinstimmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.04.2000 - 9 M 170/00 - NVwZ 2000, 1042).
29 
a) Der Beklagte hat mit Bescheid vom 25.11.2012 auch über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Löschung der in POLAS-BW über den Kläger gespeicherten Daten zum Vorfall vom 12.06.2010 entschieden. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid ist unanfechtbar geworden, da der Kläger hiergegen keinen Widerspruch eingelegt hat. Die Bestandskraft des Bescheides hat - in den Grenzen der Regelungen über das Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und das Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG (s. dazu unter b und c) - zur Folge, dass der Kläger aufgrund der abschließenden Entscheidung im genannten Bescheid nicht erneut geltend machen kann, er habe einen Anspruch auf Löschung dieser Daten.
30 
b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG. Die Behörde hat nach § 51 Abs. 1 LVwVfG auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2), oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3). Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 LVwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 Satz 1 und 2 LVwVfG).
31 
Eine nachträgliche Änderung der Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG liegt nur vor, wenn sich die Sachlage nach Erlass des Verwaltungsakts geändert hat. Insoweit reicht es nicht aus, wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden, aber im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts bereits vorlagen (vgl. Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 51 Rn. 33; Ziekow, VwVfG, 2. Aufl., § 51 Rn. 7; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 51 Rn. 25; Falkenbach, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 51 Rn. 30).
32 
Die Kenntnis vom Wiederaufgreifensgrund i.S.d. § 51 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG erhält der Betroffene, wenn er die sichere Kenntnis der Tatsachen gewinnt, die den Wiederaufgreifensgrund erfüllen. Ein rechtliche Einordnung als Wiederaufgreifensgrund ist für den Fristbeginn nicht erforderlich (vgl. Baumeister, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl., § 51 Rn. 43; Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 47; je m.w.N).
33 
Ist ein Antrag nach § 51 Abs. 1 LVwVfG gestellt, sind die Verwaltungsgerichte nicht befugt, andere als vom Antragsteller selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Antrags zugrunde zu legen.Denn das Erfordernis der Antragstellung und deren Fristgebundenheit nach § 51 Abs. 1 und 3 LVwVfG haben zur Folge, dass der Antragsteller die seiner Ansicht nach vorliegenden Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens selbst vortragen muss (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 30.08.1988 - 9 C 47/87 - NVwZ 1989, 161, m.w.N.; Beschl. v. 11.12.1989 - 9 B 320/89 - NVwZ 1990, 359; Baumeister, a.a.O., § 51 Rn. 47 f.).
34 
Im vorliegenden Fall scheidet die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 LVwVfG bereits deshalb aus, weil der Kläger mit seinen Schreiben vom 31.03.2015 und 29.04.2015 die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 Satz 1 LVwVfG nicht eingehalten hat. Der Antrag auf Neubescheidung ist - nachdem der Kläger im Schreiben vom 26.02.2015 lediglich die Löschung beantragt hat, ohne in irgendeiner Weise ein Wiederaufgreifen geltend zu machen - im Schreiben vom 31.03.2015 darauf gestützt, dass der Kläger seit dem 12.06.2010 straffrei lebe, sich der Verdacht der Körperverletzung vom 08.02.2012 nicht habe erhärten lassen und das Verfahren daher gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei und auch das Verfahren wegen Körperverletzung vom 27.10.2012 eingestellt worden sei. Die Einstellung des Verfahrens wegen des Vorfalls am 08.02.2012 um 21.50 Uhr erfolgte mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 16.03.2012, diejenige wegen des Vorfalls vom 08.02.2012 um 23.00 Uhr mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 26.07.2012. Das Verfahren wegen des Vorfalls am 27.10.2012 stellte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 05.03.2013 ein. Mit Erhalt der Einstellungsverfügungen hatte der Kläger Kenntnis von den Tatsachen, auf die er seinen Wiederaufnahmeantrag stützt. Dieser wurde jedoch erst über zwei Jahre nach Kenntnis der geltend gemachten Umstände gestellt. Die Einstellungsverfügungen vom 16.03.2012 und vom 26.07.2012 können zudem keine neue Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG herbeiführen, da sie im Zeitpunkt des bestandskräftigen Bescheids vom 25.11.2012 bereits vorlagen.
35 
Auch eine fehlende bzw. verspätete Dokumentation der Wiederholungsgefahr nach Ablauf der Zwei-Jahresfrist im Anschluss an die Tat vom 12.06.2010 kann entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts einen Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht begründen. Das Verwaltungsgericht hat - von den Beteiligten nicht angegriffen - zugrunde gelegt, dass die Speicherung des Vorfalls vom 12.06.2010 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat erfolgt ist und daher die Dokumentation der Wiederholungsgefahr mit dem Vermerk vom 20.08.2012 nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums des § 38 Abs. 2 PolG erfolgt ist (UA S. 13, 14). Sowohl der Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums als auch der Vermerk vom 20.08.2012 liegen zeitlich vor Erlass des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 25.11.2012. Daher fehlt es insoweit es an einer nachträglich entstandenen neuen Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG.
36 
c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf des Bescheids des Beklagten vom 25.11.2012 nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne).
37 
Nach § 51 Abs. 5 LVwVfG bleiben die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG und des § 49 Abs. 1 LVwVfG unberührt. Die in § 51 Abs. 5 LVwVfG verankerte Ermächtigung der Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren im Ermessenswege wiederaufzugreifen, ermöglicht auch bei rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahren die nachträgliche Kontrolle inhaltlich unrichtiger Entscheidungen. Trifft die Behörde eine positive Entscheidung zum Wiederaufgreifen, wird hierdurch die Bestandskraft durchbrochen und der Weg für eine neue Sachentscheidung eröffnet. Mit der Befugnis zum Wiederaufgreifen korrespondiert ein gerichtlich einklagbarer Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung. Dabei handelt die Behörde grundsätzlich ermessensfehlerfrei, wenn sie ein Wiederaufgreifen im Hinblick auf die rechtskräftige Bestätigung ihrer Entscheidung in dem früheren Verwaltungsverfahren und das Fehlen der Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG ablehnt. In diesen Fällen bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen der Behörde. Umstände, die ausnahmsweise eine erneute Sachentscheidung und damit ein Wiederaufgreifen gebieten, müssen in ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht mit einem der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 LVwVfG geregelten zwingenden Wiederaufgreifensgründe vergleichbar sein. Allein der Umstand, dass der bestandskräftige Verwaltungsakt nicht rechtmäßig verfügt werden durfte, genügt hierfür nicht. Dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit kommt nämlich prinzipiell kein größeres Gewicht zu als dem Gebot der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit verdichtet sich das Ermessen der Behörde zugunsten des Betroffenen, wenn das Festhalten an dem bestandskräftigen Verwaltungsakt schlechthin unerträglich wäre (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2009 - 1 C 15.08 - BVerwGE 135, 121; Urt. v. 13.12.2011 - 5 C 9.11 - juris Rn. 29; BayVGH, Beschl. v. 09.03.2015 - 12 ZB 12.1640 - juris; je m.w.N.; Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 6).
38 
Daran gemessen ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte ein Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verfahrens unter Hinweis auf den Bescheid vom 25.11.2012 und die versäumte Frist für einen Wiederaufgreifensantrag nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG abgelehnt hat. Das Festhalten am bestandskräftigen Bescheid vom 25.11.2012 ist nicht schlechthin unerträglich. Aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht Freiburg vom 30.11.2010 steht fest, dass der Kläger am 12.06.2010 eine gefährliche Körperverletzung begangen hat. Wie das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil zutreffend und vom Kläger nicht angegriffen ausgeführt hat, ist bezüglich der beiden Vorfälle vom 08.02.2012 ebenso wie bezüglich der Vorfälle vom 17.10.2012 und 24.05.2015 ein Restverdacht zulasten des Klägers gegeben. Die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 und 2 PolG für die Speicherung der Daten aus der Tat vom 12.06.2010 sind daher insoweit erfüllt. Auch der vom Verwaltungsgericht beanstandete Umstand, dass die Dokumentation der Wiederholungsgefahr für den Vorfall vom 12.06.2010 erst am 20.08.2012 erfolgte, macht das Festhalten am Bescheid vom 25.11.2012 nicht schlechthin unerträglich. Denn die Dokumentation der Wiederholungsgefahr erfolgte relativ bald nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums. Zudem setzt § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG nach seinem Wortlaut keine gesonderte Feststellung einer Wiederholungsgefahr voraus.
39 
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht dem Festhalten an dem rechtskräftigen Bescheid vom 25.11.2012 nicht entgegen, dass die Polizei dem mit einer langjährigen Datenspeicherung einhergehenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fortlaufend Rechnung tragen müsse. Zwar trifft der Ausgangspunkt zu, dass die Speicherung personenbezogener Daten nach § 38 PolG während der Speicherdauer einen dauerhaften Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bewirkt. Dies führt jedoch nicht zu von § 51 LVwVfG abweichenden Rechtsfolgen. Denn der Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG kann von vornherein nur für Veränderungen gelten, die die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung unmittelbar berühren. Die Regelung erfasst somit praktisch nur Dauerverwaltungsakte (vgl. Ramsauer, § 51 Rn. 27). Der Umstand, dass die Speicherung personenbezogener Daten nach § 38 PolG zu einer dauerhaften Belastung des Betroffenen führt, ist somit im Hinblick auf § 51 Abs. 1 LVwVfG kein Ausnahmefall, sondern die typischerweise gegebene Situation. Dieser Umstand bewirkt insoweit eine Pflicht der Behörde, die Rechtmäßigkeit der Datenspeicherung unter Kontrolle zu halten, als sie zum einen über einen Wiederaufgreifensantrag unter Beachtung der Regelungen des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 LVwVfG zu entscheiden und zum anderen die Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung der personenbezogenen Daten nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfristen zu prüfen hat. Nur im Ausnahmefall ist die Löschung vor Ablauf der Regelspeicherfristen geboten, wenn die Überprüfung im Einzelfall ergibt, dass die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist (vgl. dazu ausf. Senat, Urt. v. 10.02.2015 - 1 S 554/13 - VBlBW 2015, 506). Für einen solchen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich. Mit den Regelungen des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 LVwVfG sowie der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung der personenbezogenen Daten nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfristen ist dem Umstand, dass ein dauernder Eingriff vorliegt, daher ausreichend Rechnung getragen.
40 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
41 
Beschluss vom 30. November 2016
42 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 12. Januar 2016 - 4 K 1915/15 - wird teilweise geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Löschung von Daten, die der Polizeivollzugsdienst über ihn in dem polizeilichen Auskunftssystem POLAS-BW gespeichert hat.
Gegen den am 04.11.1989 geborenen Kläger wurden wegen verschiedener Vorfälle aus dem Zeitraum 2010 bis Oktober 2012 folgende strafrechtliche Ermittlungsverfahren geführt:
- Das Amtsgericht Freiburg verurteilte ihn zu einer Geldauflage wegen einer am 12.06.2010 begangenen Körperverletzung (Az.: ......).
- Am 08.02.2012 gab es gegen 21.50 Uhr eine Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seiner früheren Freundin ..., in deren Verlauf ... den Kläger angespuckt und ihm eine Ohrfeige versetzt haben soll. Dem Kläger wurde vorgeworfen, ... gewaltsam festgehalten, sie am Einsteigen in ihren Pkw gehindert sowie ihr und ihrem neuen Freund gedroht zu haben, sie und ihre Familien umzubringen. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 16.03.2012 (Az: ...) wurde das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da die Tatbeteiligten die Vorwürfe jeweils bestritten und den Sachverhalt kontrovers geschildert hätten und keine unabhängigen Zeugen vorhanden seien.
- Zu einem weiteren Vorfall vom 08.02.2012 wurde dem Kläger vorgeworfen, gegen 23.00 Uhr ... mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihm mehrere Fußtritte gegen Beine und Oberkörper versetzt zu haben, sodass dieser eine Gehirnerschütterung erlitten habe. Das Verfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 26.07.2012 (Az: ...) mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil nicht zweifelsfrei zu belegen sei, dass der Kläger sich nicht nur gegen Angriffe des... habe schützen und zur Wehr setzen wollen.
- Am 27.10.2012 gab es gegen 01.00 Uhr eine Auseinandersetzung zwischen zwei Türstehern einer Diskothek in Person des Klägers und eines Kollegen von ihm auf der einen Seite und einer Gruppe mehrerer Männer auf der anderen Seite, in deren Verlauf der Kläger einem ...... mit einem Schlagstock auf die Hand geschlagen habe. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 05.03.2013 (Az: ......) wurde das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da dem Kläger aufgrund kontroverser Aussagen der am Geschehen Beteiligten nicht habe nachgewiesen werden können, dass er nicht in Notwehr gehandelt habe.
Am 21.02.2012 kreuzte ein Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Freiburg auf dem Formblatt „Aussonderungsprüfung / Einzelfalllöschung" an: Keine Änderungen der Speicher- und Aufbewahrungsfristen; das Feld für eine Begründung wurde nicht ausgefüllt. Auf einem solchen Formblatt kreuzte ein Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Freiburg am 20.08.2012 wiederum an, dass sich die Speicher- und Aufbewahrungsfristen nicht ändern, und vermerkte handschriftlich zur Begründung unter a) Tatverdacht „§ 170 (2) StPO, Restverdacht aufgrund d. Aussagen der Beteiligten selbst sowie Zeugenaussagen" und unter b) Wiederholungsgefahr „ja, Vortaten im gleichen Deliktsbereich, Aggressionspotential". Am 08.05.2013 kreuzte ein Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Freiburg auf einem solchen Formblatt erneut an, dass sich die Speicher- und Aufbewahrungsfristen nicht ändern, und führte zur Begründung maschinenschriftlich unter a) Tatverdacht: „Angaben des Geschädigten" und unter b) Wiederholungsgefahr: „Ja Mehrfachtäter, einschlägig" an.
Am 20.11.2012 stellte der Kläger bei der Polizeidirektion Freiburg einen Antrag auf Löschung seiner personenbezogenen Daten. Diesen Antrag lehnte die Polizeidirektion Freiburg mit Bescheid vom 25.11.2012 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für die Speicherung von Daten lägen bei dem Kläger weiterhin vor. Er sei einmal wegen einer am 12.06.2010 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Geldauflage verurteilt worden und gegen ihn sei wegen zweier Körperverletzungsdelikte am 08.02.2012 und wegen einer gefährlichen Körperverletzung und Beleidigung am 27.10.2012 strafrechtlich ermittelt worden. Die Verfahren wegen der Körperverletzungen am 08.02.2012 seien von der Staatsanwaltschaft Freiburg gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, das Verfahren wegen der Taten am 27.10.2012 sei noch anhängig. Nach kriminalistischer Erfahrung und unter Einbeziehung aller Tatsachen zu Art und Ausführung der Taten und seiner Persönlichkeit bestehe bei dem Kläger eine Wiederholungsgefahr. Die gespeicherten Daten seien geeignet, künftige polizeiliche Ermittlungen zu fördern. Falls keine neuen Erkenntnisse hinzuträten, sei eine Überprüfung der Löschung dieser Daten zum 08.02.2017 vorgesehen. Gegen den Bescheid vom 25.11.2012 legte der Kläger keinen Rechtsbehelf ein.
Im Anschluss daran wurde dem Kläger bezüglich eines Vorfalls vom 22.12.2012 vorgeworfen, ebenfalls in seiner Eigenschaft als Türsteher einer Diskothek Gäste dieser Diskothek, die ihrerseits andere Gäste angegriffen hätten, durch Faustschläge verletzt zu haben. Die Staatsanwaltschaft stellte dieses Verfahren gegen den Kläger mit Verfügung vom 30.07.2013 (Az: ......) wegen fehlenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO ein, weil sein Einschreiten zur Verhinderung der Verletzung anderer gerechtfertigt gewesen sei.
10 
Am 26.02.2015 stellte der Kläger beim Polizeipräsidium Freiburg erneut einen Antrag auf Löschung des Vorfalls aus dem Jahr 2010 aus dem Polizeiregister. Mit Schreiben vom 02.03.2015 teilte das Polizeipräsidium Freiburg dem Kläger mit: Derselbe Antrag sei bereits mit Bescheid vom 25.11.2012 abgelehnt worden. Es seien keine Gesichtspunkte für eine andere Bewertung und für eine Verkürzung der Löschungsfrist zu erkennen. Im Gegenteil sei der Kläger durch einen neuen Datensatz erfasst worden. Dadurch verlängere sich die Frist zur Datenaussonderung vom 08.02.2017 bis zum 22.12.2017.
11 
Mit Schreiben vom 31.03.2015 wiederholte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten seinen Antrag auf Löschung seiner personenbezogenen Daten. Er lebe seit dem 12.06.2010 straffrei. Der Verdacht der Köperverletzung am 08.02.2012 habe sich nicht erhärten lassen. Das Verfahren sei nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Deshalb sei keine Speicherung nach § 38 PolG zulässig.
12 
Darauf antwortete das Polizeipräsidium Freiburg mit Schreiben vom 09.04.2015: Der neuerliche Antrag könne als Antrag auf Wiederaufgreifen des durch Bescheid vom 25.11.2012 bestandskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens ausgelegt werden. Dafür sei jedoch die Frist des § 51 Abs. 3 LVwVfG verstrichen. Dem Antrag könne aber auch aus materiellen Gründen nicht entsprochen werden. Denn aus den Verfügungen über die Einstellung der Strafverfahren gegen den Kläger ergebe sich nicht, dass er die ihm vorgeworfen Straftaten nicht oder nicht in rechtswidriger Weise begangen habe.
13 
Mit Schreiben vom 29.04.2015 bat der Kläger ausdrücklich um Neubescheidung seines Löschungsantrags. Die Bestandskraft des alten (rechtswidrigen) Bescheids stehe dem nicht entgegen. Falls nicht bis zum 13.05.2015 über seinen Antrag entschieden sei, werde er Klage auf Löschung beim Verwaltungsgericht erheben.
14 
Mit Schreiben vom 05.05.2015 teilte das Polizeipräsidium Freiburg dem Kläger mit, dass es sein Schreiben als Antrag auf Löschung der Daten im Zusammenhang mit dem Strafverfahren wegen Körperverletzung vom 22.12.2012 auslege und dass es zeitnah darüber entscheiden werde. Für eine Neubescheidung des bestandskräftigen Bescheids vom 25.11.2012 bestehe keine Veranlassung. Mit weiterem Schreiben vom 12.05.2015 teilte das Polizeipräsidium Freiburg dem Kläger mit, dass die Daten im Zusammenhang mit dem Strafverfahren wegen Körperverletzung vom 22.12.2012 gelöscht würden, da nach der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg insoweit kein Restverdacht gegen den Kläger mehr vorliege.
15 
Am 30.07.2015 erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht auf Löschung sämtlicher vom Polizeivollzugsdienst über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten. Zur Begründung trug er vor, dass er sich beim Staat bewerben wolle und wegen der Eintragungen Nachteile bei der Bewerberauswahl befürchte. Wegen der Eintragungen in den polizeilichen Informationssystemen sei er bereits drei Mal mit Bewerbungen bei Behörden gescheitert. Er beabsichtige, sich weiterhin zu bewerben. Aus den Verfügungen der Staatsanwaltschaft über die Einstellung der gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren ergäben sich keine Gründe für das Bestehen eines Restverdachts gegen ihn. Es sei unzulässig, wenn die Polizei immer von einem solchen Restverdacht ausgehe, selbst wenn der Betroffene völlig unschuldig sei und die strafrechtlichen Vorwürfe auf falschen Beschuldigungen beruhten. Gewissheit über das Vorliegen einer Straftat habe man erst nach einer Hauptverhandlung. Wenn aber die Staatsanwaltschaft die Verfahren aus Gründen der Opportunität und der Prozessökonomie einstelle, könne dies bei der polizeilichen Datenverarbeitung zu Lasten des Betreffenden gehen. Speziell bei der ihm vorgeworfenen Tat am 27.10.2012 habe es sich um Notwehr gehandelt. Bei der Tat am 08.02.2012 um 21.50 Uhr sei die Aussage seiner Ex-Freundin falsch gewürdigt worden. Die Formulierung in einer Einstellungsverfügung könne nicht entscheidend sein. Aus einer Einstellung wegen widersprechender Aussagen von Beteiligten ließen sich keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Tat ziehen und damit keine Restzweifel begründen. Seit 2012 sei er in keiner Weise mehr aufgefallen. Sein familiäres Umfeld spreche gegen eine Negativprognose; sein jüngerer Bruder sei Beamter beim Finanzamt.
16 
Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, der Antrag des Klägers auf Löschung seiner Daten sei bereits mit Bescheid vom 25.11.2012 bestandskräftig abgelehnt worden. Er habe aber auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Anspruch auf die begehrte Löschung seiner Daten. Die Daten hätten nach § 38 Abs. 1 bis 3 PolG gespeichert werden dürfen. Bei den beiden am 08.02.2012 und der am 27.10.2012 begangenen Körperverletzung ergebe sich aus den Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft nicht, dass er die Taten nicht oder nicht rechtswidrig begangen habe, wie das nach § 38 Abs. 2 Satz 2 PolG für eine Löschung der Daten erforderlich sei. Diese Taten seien deshalb anders zu beurteilen als der gelöschte Vorwurf der Körperverletzung am 22.12.2012, bei dem der Kläger nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft gerechtfertigt gehandelt habe. Die drei eingestellten Verfahren wegen Körperverletzungsdelikten am 08.02.2012 und 27.10.2012 hätten daher neben der abgeurteilten Tat vom 12.06.2010 nach § 38 Abs. 3 Satz 1 und 3 PolG auch über zwei Jahre hinaus gespeichert werden dürfen, weil wegen der wiederholten Tatbegehung innerhalb von zwei Jahren tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Kläger auch künftig eine Straftat begehen werde. Darüber hinaus sei während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens ein weiterer Eintrag über den Kläger wegen einer Körperverletzung und Beleidigung am 24.05.2015 erfolgt. Das Ermittlungsverfahren sei inzwischen durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 11.12.2015 (Az. ...) nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, weil der Geschädigte keinen Strafantrag gestellt habe und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht bejaht worden sei, da es zu keinen erheblichen Verletzungen gekommen sei und die Beteiligten die Situation als Durcheinander und mehr als Gerangel statt als Schlägerei bezeichnet hätten.
17 
Das Verwaltungsgericht verpflichtete mit Urteil vom 12.01.2016 den Beklagten, die vom Polizeivollzugsdienst über den Kläger gespeicherten Eintragungen zum Vorfall vom 12.06.2010 im System POLAS-BW zu löschen und die dazugehörigen Unterlagen zu vernichten, und wies im Übrigen die Klage ab. Bezüglich des Vorfalls vom 12.06.2010 habe der Kläger einen Löschungsanspruch nach § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG und/oder § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG. Ermächtigungsgrundlage für die Speicherung dieses Vorfalls sei § 38 PolG in der ab dem 22.11.2008 geltenden Fassung des Gesetzes vom 18.11.2008. Dass die Daten über die Verurteilung des Klägers wegen der am 12.06.2010 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu Recht gespeichert worden seien, werde auch vom Kläger im Grunde nicht bestritten. Die genannten Vorschriften erlaubten eine Speicherung von Daten über einen Vorfall jedoch zunächst nur für die Dauer von zwei Jahren. Eine Speicherung über diesen Zeitraum hinaus sei nur nach Maßgabe von § 38 Abs. 3 PolG zulässig. Bei der Beurteilung der nach § 38 Abs. 3 PolG erforderlichen Wiederholungsgefahr stehe dem Polizeivollzugsdienst ein Prognosespielraum zu. Insoweit überprüften die Gerichte, ob eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Beurteilungsspielraum bestehe und ob die Behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei, Verfahrensvorschriften eingehalten, den gesetzlichen Rahmen zutreffend erkannt, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und keine sachfremden Erwägungen angestellt habe. Zur Rechtmäßigkeit der Prognose der Wiederholungsgefahr nach § 38 Abs. 3 PolG bedürfe es daher einer auf den Einzelfall bezogenen, auf schlüssigen, verwertbaren nachvollziehbar dokumentierten Tatsachen beruhenden Entscheidung. Danach lägen die Voraussetzungen für eine Speicherung des Vorfalls vom 12.06.2010 über die Dauer von zwei Jahren hinaus nicht vor. Denn es fehle an einer nach den vorstehenden Ausführungen erforderlichen rechtzeitigen Dokumentation der Bejahung bzw. Begründung einer Wiederholungsgefahr. Nach den von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen habe der Polizeivollzugsdienst erstmals am 20.08.2012 stichwortartig in den Akten vermerkt, dass bei dem Kläger eine Wiederholungsgefahr bestehe. Der Vermerk sei damit erst nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraum für die Speicherung eines Prüffalls erstellt worden. Der Zeitpunkt, an dem der Polizeivollzugsdienst den Vorfall vom 12.06.2010 in POLAS-BW eingetragen habe, und damit auch der genaue Zeitpunkt, ab dem der Zwei-Jahreszeitraum exakt zu laufen begonnen habe, lasse sich den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen nicht sicher entnehmen. Die gesamten Umstände des Falls und die Einlassungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ließen aber den Schluss zu, dass die Speicherung tatsächlich im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Tat vom 12.06.2010 erfolgt sei. Der Zwei-Jahreszeitraum für die Speicherung des ersten den Kläger betreffenden Vorfalls vom 12.06.2010 ende damit im Juni 2012. Der Vermerk vom 20.08.2012 sei daher verspätet erstellt worden und stehe nicht in dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums. Auf die Bestandskraft des Bescheids der Polizeidirektion Freiburg vom 25.11.2012 könne sich der Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil sich die Sach- und Rechtslage danach unter anderem insoweit auch zu Gunsten des Klägers verändert habe, als die Zweijahresfrist für die Speicherung des Vorfalls abgelaufen und eine weitere Speicherung nur nach Prüfung der Wiederholungsgefahr und Dokumentation dieser Prüfung zulässig gewesen sei. Abgesehen davon müsse die Polizei dem mit einer langjährigen Datenspeicherung einhergehenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fortlaufend Rechnung tragen und entweder aufgrund konkreter Erkenntnisse oder im Rahmen gesetzlicher Überprüfungsfristen sowie nach Ablauf anderer gesetzlicher Prüfzeiträume, wie zum Beispiel des Zwei-Jahreszeitraums nach § 38 Abs. 2 Satz 1 PolG die Rechtmäßigkeit gespeicherter personenbezogener Daten unter Kontrolle halten und gegebenenfalls auch nach Erlass eines bestandskräftigen Bescheids, mit dem eine Datenlöschung abgelehnt worden sei, im Wege von Ermessensentscheidungen nach Maßgabe der § 51 Abs. 5, § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG überprüfen. Demgegenüber habe der Kläger keinen Anspruch auf Löschung der Daten über die zwei Vorfälle vom 08.02.2012 sowie die Vorfälle vom 27.10.2012 und vom 24.05.2015. Die Speicherung dieser Daten sei rechtmäßig erfolgt. Die Voraussetzungen für ihre Löschung lägen nicht vor.
18 
Der Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt, mit der er die vollständige Abweisung der Klage begehrt. Zur Begründung trägt er vor, das angefochtene Urteil erfasse die Regelungssystematik des § 38 Abs. 3 PolG nicht vollständig. § 38 Abs. 3 PolG habe zwei Alternativen. Die weitere Speicherung sei zum einen zulässig, wenn bezüglich der betroffenen Person die Prognose der Wiederholungsgefahr gestellt werden könne. In Fällen mittlerer und leichter Kriminalität sei es jedoch nach der alten Rechtslage im Zeitpunkt der Speicherung der Daten häufig schwierig gewesen, diese positiv anzustellen. Um praktische Schwierigkeiten bei der Anwendung der Vorschrift zu vermeiden und mit dem Ziel, den Kreis der Personen, über die Daten gespeichert würden, auf diejenigen zu begrenzen, der für die polizeiliche Arbeit tatsächlich relevant sei, sei durch das Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes vom 18.11.2008 die zweite Alternative in § 38 Abs. 3 Satz 3 eingefügt worden. Seither sei eine über die Zwei-Jahresfrist hinausgehende Weiterverwendung der Daten auch dann zulässig, wenn die betroffene Person während der zweijährigen Prüffrist in den Verdacht geraten sei, eine weitere Straftat begangen zu haben. Die Person gelte nach dieser gesetzlichen Fiktion per se als Wiederholungstäter. Damit werde in diesen Fällen die Negativprognose auf eine sichere Basis gestellt und lasse sich in der Praxis anhand objektiver Kriterien eindeutig und überprüfbar stellen.
19 
Das Verwaltungsgericht habe im angefochtenen Urteil zwar beide Varianten von § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG zutreffend dargestellt, die zweite Variante finde bei der weiteren Würdigung jedoch keine Beachtung. Unstreitig sei die Rechtmäßigkeit der Speicherung der am 12.06.2010 begangenen gefährlichen Körperverletzung, da die Schuld des Klägers aufgrund eines rechtskräftigen Urteils feststehe. Dieser Vorgang sei gemäß § 38 Abs. 2 PolG als sogenannter Prüffall in POLAS-BW erfasst worden und wäre insoweit nach Ablauf einer Speicherfrist von zwei Jahren am 12.06.2012 wieder gelöscht worden. Der Kläger sei jedoch am 08.02.2012, also vier Monate vor Ablauf der zweijährigen Prüffrist, erneut in den Verdacht geraten, eine weitere Körperverletzung begangen zu haben. Es sei bezüglich dieses Vorgangs nicht rechtskräftig freigesprochen worden, aus der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 19.03.2012 ergebe sich auch nicht positiv, dass der Kläger die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen habe. Daher sei dieser zweite Vorgang rechtmäßig in POLAS-BW erfasst worden. Wegen dieses einschlägigen Verdachts aufgrund des Vorfalls vom 08.02.2012 gelte der Kläger gemäß § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG hinsichtlich der am 12.06.2010 begangenen gefährlichen Körperverletzung per se als Wiederholungstäter. Insoweit komme es auf die weitergehende Prüfung und Begründung einer Wiederholungsgefahr nach § 38 Abs. 3 Satz 1 PolG vorliegend nicht an.
20 
Der Beklagte beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 12.01.2016 - 4 K 1915/15 - teilweise zu ändern und die Klage abzuweisen.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts, des Beklagten und der Staatsanwaltschaft Freiburg zu den Verfahren ...... vor.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist teilweise zu ändern. Die Klage ist vollständig abzuweisen.
26 
1. Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim Verwaltungsgericht eingelegt (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO).
27 
2. Die Berufung ist begründet. Die auf Löschung aller über den Kläger in POLAS-BW gespeicherten personenbezogenen Daten gerichtete Klage ist vollständig abzuweisen. Der Kläger hat auch bezüglich der über den Vorfall vom 12.06.2010 in POLAS-BW über ihn gespeicherten Daten keinen Anspruch auf Löschung nach § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG oder § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG. Denn ein etwaiger Löschungsanspruch ist durch den Bescheid der Polizeidirektion Freiburg vom 25.11.2012 bestandskräftig abgelehnt worden (a). Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren (b) oder im weiteren Sinne (c) besteht nicht.
28 
Dem Senat ist nicht verwehrt, die Klage im Hinblick auf die Bestandskraft des Bescheids vom 25.11.2012 vollständig abzuweisen, obwohl sich der Beklagte zweitinstanzlich hierauf nicht beruft. Mit der zulässigen Berufung ist dem Berufungsgericht innerhalb des Streitgegenstands die vollständige Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils eröffnet. Das Berufungsurteil muss sich auch im Falle des Erfolgs der Berufung nicht auf die mit der Berufungsbegründung angeführten Punkte stützen. Denn die Berufungsbegründung wird nicht dadurch mangelhaft, dass die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils und die Berufungsbegründung nicht übereinstimmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.04.2000 - 9 M 170/00 - NVwZ 2000, 1042).
29 
a) Der Beklagte hat mit Bescheid vom 25.11.2012 auch über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Löschung der in POLAS-BW über den Kläger gespeicherten Daten zum Vorfall vom 12.06.2010 entschieden. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid ist unanfechtbar geworden, da der Kläger hiergegen keinen Widerspruch eingelegt hat. Die Bestandskraft des Bescheides hat - in den Grenzen der Regelungen über das Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und das Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG (s. dazu unter b und c) - zur Folge, dass der Kläger aufgrund der abschließenden Entscheidung im genannten Bescheid nicht erneut geltend machen kann, er habe einen Anspruch auf Löschung dieser Daten.
30 
b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG. Die Behörde hat nach § 51 Abs. 1 LVwVfG auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2), oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3). Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 LVwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 Satz 1 und 2 LVwVfG).
31 
Eine nachträgliche Änderung der Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG liegt nur vor, wenn sich die Sachlage nach Erlass des Verwaltungsakts geändert hat. Insoweit reicht es nicht aus, wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden, aber im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts bereits vorlagen (vgl. Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 51 Rn. 33; Ziekow, VwVfG, 2. Aufl., § 51 Rn. 7; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 51 Rn. 25; Falkenbach, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 51 Rn. 30).
32 
Die Kenntnis vom Wiederaufgreifensgrund i.S.d. § 51 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG erhält der Betroffene, wenn er die sichere Kenntnis der Tatsachen gewinnt, die den Wiederaufgreifensgrund erfüllen. Ein rechtliche Einordnung als Wiederaufgreifensgrund ist für den Fristbeginn nicht erforderlich (vgl. Baumeister, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl., § 51 Rn. 43; Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 47; je m.w.N).
33 
Ist ein Antrag nach § 51 Abs. 1 LVwVfG gestellt, sind die Verwaltungsgerichte nicht befugt, andere als vom Antragsteller selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Antrags zugrunde zu legen.Denn das Erfordernis der Antragstellung und deren Fristgebundenheit nach § 51 Abs. 1 und 3 LVwVfG haben zur Folge, dass der Antragsteller die seiner Ansicht nach vorliegenden Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens selbst vortragen muss (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 30.08.1988 - 9 C 47/87 - NVwZ 1989, 161, m.w.N.; Beschl. v. 11.12.1989 - 9 B 320/89 - NVwZ 1990, 359; Baumeister, a.a.O., § 51 Rn. 47 f.).
34 
Im vorliegenden Fall scheidet die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 LVwVfG bereits deshalb aus, weil der Kläger mit seinen Schreiben vom 31.03.2015 und 29.04.2015 die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 Satz 1 LVwVfG nicht eingehalten hat. Der Antrag auf Neubescheidung ist - nachdem der Kläger im Schreiben vom 26.02.2015 lediglich die Löschung beantragt hat, ohne in irgendeiner Weise ein Wiederaufgreifen geltend zu machen - im Schreiben vom 31.03.2015 darauf gestützt, dass der Kläger seit dem 12.06.2010 straffrei lebe, sich der Verdacht der Körperverletzung vom 08.02.2012 nicht habe erhärten lassen und das Verfahren daher gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei und auch das Verfahren wegen Körperverletzung vom 27.10.2012 eingestellt worden sei. Die Einstellung des Verfahrens wegen des Vorfalls am 08.02.2012 um 21.50 Uhr erfolgte mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 16.03.2012, diejenige wegen des Vorfalls vom 08.02.2012 um 23.00 Uhr mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 26.07.2012. Das Verfahren wegen des Vorfalls am 27.10.2012 stellte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 05.03.2013 ein. Mit Erhalt der Einstellungsverfügungen hatte der Kläger Kenntnis von den Tatsachen, auf die er seinen Wiederaufnahmeantrag stützt. Dieser wurde jedoch erst über zwei Jahre nach Kenntnis der geltend gemachten Umstände gestellt. Die Einstellungsverfügungen vom 16.03.2012 und vom 26.07.2012 können zudem keine neue Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG herbeiführen, da sie im Zeitpunkt des bestandskräftigen Bescheids vom 25.11.2012 bereits vorlagen.
35 
Auch eine fehlende bzw. verspätete Dokumentation der Wiederholungsgefahr nach Ablauf der Zwei-Jahresfrist im Anschluss an die Tat vom 12.06.2010 kann entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts einen Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht begründen. Das Verwaltungsgericht hat - von den Beteiligten nicht angegriffen - zugrunde gelegt, dass die Speicherung des Vorfalls vom 12.06.2010 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat erfolgt ist und daher die Dokumentation der Wiederholungsgefahr mit dem Vermerk vom 20.08.2012 nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums des § 38 Abs. 2 PolG erfolgt ist (UA S. 13, 14). Sowohl der Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums als auch der Vermerk vom 20.08.2012 liegen zeitlich vor Erlass des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 25.11.2012. Daher fehlt es insoweit es an einer nachträglich entstandenen neuen Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG.
36 
c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf des Bescheids des Beklagten vom 25.11.2012 nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne).
37 
Nach § 51 Abs. 5 LVwVfG bleiben die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG und des § 49 Abs. 1 LVwVfG unberührt. Die in § 51 Abs. 5 LVwVfG verankerte Ermächtigung der Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren im Ermessenswege wiederaufzugreifen, ermöglicht auch bei rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahren die nachträgliche Kontrolle inhaltlich unrichtiger Entscheidungen. Trifft die Behörde eine positive Entscheidung zum Wiederaufgreifen, wird hierdurch die Bestandskraft durchbrochen und der Weg für eine neue Sachentscheidung eröffnet. Mit der Befugnis zum Wiederaufgreifen korrespondiert ein gerichtlich einklagbarer Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung. Dabei handelt die Behörde grundsätzlich ermessensfehlerfrei, wenn sie ein Wiederaufgreifen im Hinblick auf die rechtskräftige Bestätigung ihrer Entscheidung in dem früheren Verwaltungsverfahren und das Fehlen der Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG ablehnt. In diesen Fällen bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen der Behörde. Umstände, die ausnahmsweise eine erneute Sachentscheidung und damit ein Wiederaufgreifen gebieten, müssen in ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht mit einem der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 LVwVfG geregelten zwingenden Wiederaufgreifensgründe vergleichbar sein. Allein der Umstand, dass der bestandskräftige Verwaltungsakt nicht rechtmäßig verfügt werden durfte, genügt hierfür nicht. Dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit kommt nämlich prinzipiell kein größeres Gewicht zu als dem Gebot der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit verdichtet sich das Ermessen der Behörde zugunsten des Betroffenen, wenn das Festhalten an dem bestandskräftigen Verwaltungsakt schlechthin unerträglich wäre (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2009 - 1 C 15.08 - BVerwGE 135, 121; Urt. v. 13.12.2011 - 5 C 9.11 - juris Rn. 29; BayVGH, Beschl. v. 09.03.2015 - 12 ZB 12.1640 - juris; je m.w.N.; Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 6).
38 
Daran gemessen ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte ein Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verfahrens unter Hinweis auf den Bescheid vom 25.11.2012 und die versäumte Frist für einen Wiederaufgreifensantrag nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG abgelehnt hat. Das Festhalten am bestandskräftigen Bescheid vom 25.11.2012 ist nicht schlechthin unerträglich. Aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht Freiburg vom 30.11.2010 steht fest, dass der Kläger am 12.06.2010 eine gefährliche Körperverletzung begangen hat. Wie das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil zutreffend und vom Kläger nicht angegriffen ausgeführt hat, ist bezüglich der beiden Vorfälle vom 08.02.2012 ebenso wie bezüglich der Vorfälle vom 17.10.2012 und 24.05.2015 ein Restverdacht zulasten des Klägers gegeben. Die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 und 2 PolG für die Speicherung der Daten aus der Tat vom 12.06.2010 sind daher insoweit erfüllt. Auch der vom Verwaltungsgericht beanstandete Umstand, dass die Dokumentation der Wiederholungsgefahr für den Vorfall vom 12.06.2010 erst am 20.08.2012 erfolgte, macht das Festhalten am Bescheid vom 25.11.2012 nicht schlechthin unerträglich. Denn die Dokumentation der Wiederholungsgefahr erfolgte relativ bald nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums. Zudem setzt § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG nach seinem Wortlaut keine gesonderte Feststellung einer Wiederholungsgefahr voraus.
39 
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht dem Festhalten an dem rechtskräftigen Bescheid vom 25.11.2012 nicht entgegen, dass die Polizei dem mit einer langjährigen Datenspeicherung einhergehenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fortlaufend Rechnung tragen müsse. Zwar trifft der Ausgangspunkt zu, dass die Speicherung personenbezogener Daten nach § 38 PolG während der Speicherdauer einen dauerhaften Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bewirkt. Dies führt jedoch nicht zu von § 51 LVwVfG abweichenden Rechtsfolgen. Denn der Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG kann von vornherein nur für Veränderungen gelten, die die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung unmittelbar berühren. Die Regelung erfasst somit praktisch nur Dauerverwaltungsakte (vgl. Ramsauer, § 51 Rn. 27). Der Umstand, dass die Speicherung personenbezogener Daten nach § 38 PolG zu einer dauerhaften Belastung des Betroffenen führt, ist somit im Hinblick auf § 51 Abs. 1 LVwVfG kein Ausnahmefall, sondern die typischerweise gegebene Situation. Dieser Umstand bewirkt insoweit eine Pflicht der Behörde, die Rechtmäßigkeit der Datenspeicherung unter Kontrolle zu halten, als sie zum einen über einen Wiederaufgreifensantrag unter Beachtung der Regelungen des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 LVwVfG zu entscheiden und zum anderen die Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung der personenbezogenen Daten nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfristen zu prüfen hat. Nur im Ausnahmefall ist die Löschung vor Ablauf der Regelspeicherfristen geboten, wenn die Überprüfung im Einzelfall ergibt, dass die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist (vgl. dazu ausf. Senat, Urt. v. 10.02.2015 - 1 S 554/13 - VBlBW 2015, 506). Für einen solchen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich. Mit den Regelungen des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 LVwVfG sowie der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung der personenbezogenen Daten nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfristen ist dem Umstand, dass ein dauernder Eingriff vorliegt, daher ausreichend Rechnung getragen.
40 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
41 
Beschluss vom 30. November 2016
42 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
25 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist teilweise zu ändern. Die Klage ist vollständig abzuweisen.
26 
1. Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim Verwaltungsgericht eingelegt (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO).
27 
2. Die Berufung ist begründet. Die auf Löschung aller über den Kläger in POLAS-BW gespeicherten personenbezogenen Daten gerichtete Klage ist vollständig abzuweisen. Der Kläger hat auch bezüglich der über den Vorfall vom 12.06.2010 in POLAS-BW über ihn gespeicherten Daten keinen Anspruch auf Löschung nach § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG oder § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG. Denn ein etwaiger Löschungsanspruch ist durch den Bescheid der Polizeidirektion Freiburg vom 25.11.2012 bestandskräftig abgelehnt worden (a). Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren (b) oder im weiteren Sinne (c) besteht nicht.
28 
Dem Senat ist nicht verwehrt, die Klage im Hinblick auf die Bestandskraft des Bescheids vom 25.11.2012 vollständig abzuweisen, obwohl sich der Beklagte zweitinstanzlich hierauf nicht beruft. Mit der zulässigen Berufung ist dem Berufungsgericht innerhalb des Streitgegenstands die vollständige Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils eröffnet. Das Berufungsurteil muss sich auch im Falle des Erfolgs der Berufung nicht auf die mit der Berufungsbegründung angeführten Punkte stützen. Denn die Berufungsbegründung wird nicht dadurch mangelhaft, dass die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils und die Berufungsbegründung nicht übereinstimmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.04.2000 - 9 M 170/00 - NVwZ 2000, 1042).
29 
a) Der Beklagte hat mit Bescheid vom 25.11.2012 auch über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Löschung der in POLAS-BW über den Kläger gespeicherten Daten zum Vorfall vom 12.06.2010 entschieden. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid ist unanfechtbar geworden, da der Kläger hiergegen keinen Widerspruch eingelegt hat. Die Bestandskraft des Bescheides hat - in den Grenzen der Regelungen über das Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und das Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG (s. dazu unter b und c) - zur Folge, dass der Kläger aufgrund der abschließenden Entscheidung im genannten Bescheid nicht erneut geltend machen kann, er habe einen Anspruch auf Löschung dieser Daten.
30 
b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG. Die Behörde hat nach § 51 Abs. 1 LVwVfG auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2), oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3). Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 LVwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 Satz 1 und 2 LVwVfG).
31 
Eine nachträgliche Änderung der Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG liegt nur vor, wenn sich die Sachlage nach Erlass des Verwaltungsakts geändert hat. Insoweit reicht es nicht aus, wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden, aber im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts bereits vorlagen (vgl. Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 51 Rn. 33; Ziekow, VwVfG, 2. Aufl., § 51 Rn. 7; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 51 Rn. 25; Falkenbach, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 51 Rn. 30).
32 
Die Kenntnis vom Wiederaufgreifensgrund i.S.d. § 51 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG erhält der Betroffene, wenn er die sichere Kenntnis der Tatsachen gewinnt, die den Wiederaufgreifensgrund erfüllen. Ein rechtliche Einordnung als Wiederaufgreifensgrund ist für den Fristbeginn nicht erforderlich (vgl. Baumeister, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl., § 51 Rn. 43; Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 47; je m.w.N).
33 
Ist ein Antrag nach § 51 Abs. 1 LVwVfG gestellt, sind die Verwaltungsgerichte nicht befugt, andere als vom Antragsteller selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Antrags zugrunde zu legen.Denn das Erfordernis der Antragstellung und deren Fristgebundenheit nach § 51 Abs. 1 und 3 LVwVfG haben zur Folge, dass der Antragsteller die seiner Ansicht nach vorliegenden Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens selbst vortragen muss (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 30.08.1988 - 9 C 47/87 - NVwZ 1989, 161, m.w.N.; Beschl. v. 11.12.1989 - 9 B 320/89 - NVwZ 1990, 359; Baumeister, a.a.O., § 51 Rn. 47 f.).
34 
Im vorliegenden Fall scheidet die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 LVwVfG bereits deshalb aus, weil der Kläger mit seinen Schreiben vom 31.03.2015 und 29.04.2015 die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 Satz 1 LVwVfG nicht eingehalten hat. Der Antrag auf Neubescheidung ist - nachdem der Kläger im Schreiben vom 26.02.2015 lediglich die Löschung beantragt hat, ohne in irgendeiner Weise ein Wiederaufgreifen geltend zu machen - im Schreiben vom 31.03.2015 darauf gestützt, dass der Kläger seit dem 12.06.2010 straffrei lebe, sich der Verdacht der Körperverletzung vom 08.02.2012 nicht habe erhärten lassen und das Verfahren daher gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei und auch das Verfahren wegen Körperverletzung vom 27.10.2012 eingestellt worden sei. Die Einstellung des Verfahrens wegen des Vorfalls am 08.02.2012 um 21.50 Uhr erfolgte mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 16.03.2012, diejenige wegen des Vorfalls vom 08.02.2012 um 23.00 Uhr mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 26.07.2012. Das Verfahren wegen des Vorfalls am 27.10.2012 stellte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 05.03.2013 ein. Mit Erhalt der Einstellungsverfügungen hatte der Kläger Kenntnis von den Tatsachen, auf die er seinen Wiederaufnahmeantrag stützt. Dieser wurde jedoch erst über zwei Jahre nach Kenntnis der geltend gemachten Umstände gestellt. Die Einstellungsverfügungen vom 16.03.2012 und vom 26.07.2012 können zudem keine neue Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG herbeiführen, da sie im Zeitpunkt des bestandskräftigen Bescheids vom 25.11.2012 bereits vorlagen.
35 
Auch eine fehlende bzw. verspätete Dokumentation der Wiederholungsgefahr nach Ablauf der Zwei-Jahresfrist im Anschluss an die Tat vom 12.06.2010 kann entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts einen Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht begründen. Das Verwaltungsgericht hat - von den Beteiligten nicht angegriffen - zugrunde gelegt, dass die Speicherung des Vorfalls vom 12.06.2010 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat erfolgt ist und daher die Dokumentation der Wiederholungsgefahr mit dem Vermerk vom 20.08.2012 nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums des § 38 Abs. 2 PolG erfolgt ist (UA S. 13, 14). Sowohl der Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums als auch der Vermerk vom 20.08.2012 liegen zeitlich vor Erlass des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 25.11.2012. Daher fehlt es insoweit es an einer nachträglich entstandenen neuen Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG.
36 
c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf des Bescheids des Beklagten vom 25.11.2012 nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne).
37 
Nach § 51 Abs. 5 LVwVfG bleiben die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG und des § 49 Abs. 1 LVwVfG unberührt. Die in § 51 Abs. 5 LVwVfG verankerte Ermächtigung der Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren im Ermessenswege wiederaufzugreifen, ermöglicht auch bei rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahren die nachträgliche Kontrolle inhaltlich unrichtiger Entscheidungen. Trifft die Behörde eine positive Entscheidung zum Wiederaufgreifen, wird hierdurch die Bestandskraft durchbrochen und der Weg für eine neue Sachentscheidung eröffnet. Mit der Befugnis zum Wiederaufgreifen korrespondiert ein gerichtlich einklagbarer Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung. Dabei handelt die Behörde grundsätzlich ermessensfehlerfrei, wenn sie ein Wiederaufgreifen im Hinblick auf die rechtskräftige Bestätigung ihrer Entscheidung in dem früheren Verwaltungsverfahren und das Fehlen der Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG ablehnt. In diesen Fällen bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen der Behörde. Umstände, die ausnahmsweise eine erneute Sachentscheidung und damit ein Wiederaufgreifen gebieten, müssen in ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht mit einem der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 LVwVfG geregelten zwingenden Wiederaufgreifensgründe vergleichbar sein. Allein der Umstand, dass der bestandskräftige Verwaltungsakt nicht rechtmäßig verfügt werden durfte, genügt hierfür nicht. Dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit kommt nämlich prinzipiell kein größeres Gewicht zu als dem Gebot der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit verdichtet sich das Ermessen der Behörde zugunsten des Betroffenen, wenn das Festhalten an dem bestandskräftigen Verwaltungsakt schlechthin unerträglich wäre (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2009 - 1 C 15.08 - BVerwGE 135, 121; Urt. v. 13.12.2011 - 5 C 9.11 - juris Rn. 29; BayVGH, Beschl. v. 09.03.2015 - 12 ZB 12.1640 - juris; je m.w.N.; Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 6).
38 
Daran gemessen ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte ein Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verfahrens unter Hinweis auf den Bescheid vom 25.11.2012 und die versäumte Frist für einen Wiederaufgreifensantrag nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG abgelehnt hat. Das Festhalten am bestandskräftigen Bescheid vom 25.11.2012 ist nicht schlechthin unerträglich. Aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht Freiburg vom 30.11.2010 steht fest, dass der Kläger am 12.06.2010 eine gefährliche Körperverletzung begangen hat. Wie das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil zutreffend und vom Kläger nicht angegriffen ausgeführt hat, ist bezüglich der beiden Vorfälle vom 08.02.2012 ebenso wie bezüglich der Vorfälle vom 17.10.2012 und 24.05.2015 ein Restverdacht zulasten des Klägers gegeben. Die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 und 2 PolG für die Speicherung der Daten aus der Tat vom 12.06.2010 sind daher insoweit erfüllt. Auch der vom Verwaltungsgericht beanstandete Umstand, dass die Dokumentation der Wiederholungsgefahr für den Vorfall vom 12.06.2010 erst am 20.08.2012 erfolgte, macht das Festhalten am Bescheid vom 25.11.2012 nicht schlechthin unerträglich. Denn die Dokumentation der Wiederholungsgefahr erfolgte relativ bald nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums. Zudem setzt § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG nach seinem Wortlaut keine gesonderte Feststellung einer Wiederholungsgefahr voraus.
39 
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht dem Festhalten an dem rechtskräftigen Bescheid vom 25.11.2012 nicht entgegen, dass die Polizei dem mit einer langjährigen Datenspeicherung einhergehenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fortlaufend Rechnung tragen müsse. Zwar trifft der Ausgangspunkt zu, dass die Speicherung personenbezogener Daten nach § 38 PolG während der Speicherdauer einen dauerhaften Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bewirkt. Dies führt jedoch nicht zu von § 51 LVwVfG abweichenden Rechtsfolgen. Denn der Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG kann von vornherein nur für Veränderungen gelten, die die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung unmittelbar berühren. Die Regelung erfasst somit praktisch nur Dauerverwaltungsakte (vgl. Ramsauer, § 51 Rn. 27). Der Umstand, dass die Speicherung personenbezogener Daten nach § 38 PolG zu einer dauerhaften Belastung des Betroffenen führt, ist somit im Hinblick auf § 51 Abs. 1 LVwVfG kein Ausnahmefall, sondern die typischerweise gegebene Situation. Dieser Umstand bewirkt insoweit eine Pflicht der Behörde, die Rechtmäßigkeit der Datenspeicherung unter Kontrolle zu halten, als sie zum einen über einen Wiederaufgreifensantrag unter Beachtung der Regelungen des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 LVwVfG zu entscheiden und zum anderen die Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung der personenbezogenen Daten nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfristen zu prüfen hat. Nur im Ausnahmefall ist die Löschung vor Ablauf der Regelspeicherfristen geboten, wenn die Überprüfung im Einzelfall ergibt, dass die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist (vgl. dazu ausf. Senat, Urt. v. 10.02.2015 - 1 S 554/13 - VBlBW 2015, 506). Für einen solchen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich. Mit den Regelungen des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 LVwVfG sowie der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung der personenbezogenen Daten nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfristen ist dem Umstand, dass ein dauernder Eingriff vorliegt, daher ausreichend Rechnung getragen.
40 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
41 
Beschluss vom 30. November 2016
42 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Behörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Behörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.


Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin mit der Klage die Anfechtung des Abhilfebescheides vom 20. Mai 2014 betrieben und die Verpflichtung des Beklagten begehrt hat, die Beseitigung des auf dem Grundstück der Beigeladenen zwischen der Garage und dem Gerätehaus errichteten Holzkonstruktion (überdachtes Brennholzlager) anzuordnen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 15. Januar 2015 (1 K 827/14.KO) ist hinsichtlich des ersten und des dritten Satzes des Tenors dieses Urteils wirkungslos.

Die Berufung, die sich nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen nur noch gegen zweiten Satz des Tenors das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 15. Januar 2015 richtet, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben, werden der Klägerin auferlegt.

Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und die im Berufungsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen der Beklagte und die Beigeladenen zu je 1/2. Ihre außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz tragen der Beklagte und die Beigeladenen jeweils selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt eine Verpflichtung des Beklagten zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten gegen die Beigeladenen auf Beseitigung eines an der gemeinsamen Grenze errichteten Spielturms.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung G..., Flur … Parzelle Nr. … an das nach Nordosten hin das ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück der Beigeladenen (Parzelle Nr. ...) angrenzt. Die Beigeladenen haben teils unmittelbar auf der Grenze zum Grundstück der Klägerin, teils mit einem geringen Abstand zur Grenze folgende Bauwerke errichtet:

3

1. eine 7,50 m lange Garage, daran sich nach Nordwesten anschließend

4

2. ein nach zwei Seiten hin geschlossenes Holzgerüst, das entlang der Grenze etwa 1,30 m - 1,40 m breit, wegen der Dachschräge 3,10 m - 3,50 m hoch, mit einem Plastikdach versehen ist und zur Lagerung von Brennholz bestimmt war,

5

3. ein giebelständiges Gartenhaus von 3 m Länge und

6

4. einen Spielturm aus Holz, der aus vier tragenden Holzbalken, einer in der Höhe von ca. 1,80 m bis 2,00 m angebrachten Plattform mit den Ausmaßen 3,17 m x 2,70 m und einer darüber sich erhebenden, umlaufenden Brüstung aus senkrecht angebrachten Brettern von etwa 1 m Höhe sowie einer Bretterwand zur Grenze hin besteht. Die Plattform kann über eine Sprossenleiter erreicht werden. Unter der Plattform befinden sich ein Sandkasten, eine Schaukel und auf zwei Seiten Sitzbänke für Kinder.

7

Das Grundstück der Beigeladenen, nicht jedoch dasjenige der Klägerin liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „S…“ der Ortsgemeinde G….

8

Die Klägerin wandte sich mit Schriftsatz vom 7. April 2014 gegen „… die Bauaktivitäten auf dem Nachbargrundstück …“ und beantragte, gegenüber den Beigeladenen anzuordnen, dass die im Bau begriffenen baulichen Anlagen beseitigt werden. Daraufhin erließ der Beklagte unter dem 17. April 2014 gegen die Beigeladenen eine Verfügung, mit der die Bauarbeiten zur Errichtung des Spielturms und des überdachten Holzlagers eingestellt wurden. Dem dagegen von den Beigeladenen eingelegten Widerspruch half der Beklagte mit Bescheid vom 20. Mai 2014 ab und hob den Bescheid über die Baueinstellung vom 17. April 2014 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Spielturm sei ohne eigene Abstandsfläche zulässig. Zur Begründetheit des Widerspruches bezüglich des überdachten Holzlagers hieß es, da der Spielturm in die Berechnung nicht einzubeziehen sei, werde durch das Holzlager die Höchstlänge von 12 m nicht überschritten. Der Antrag auf Beseitigung wurde nicht bearbeitet.

9

Mit der am 26. August 2014 bei dem Verwaltungsgericht Koblenz erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, der Spielturm und das Holzgerüst seien nicht ohne eigene Abstandsflächen zulässig, da sie die Beleuchtung mit Tageslicht erheblich beeinträchtigten und der Brandschutz nicht gewährleistet sei.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

den Beklagten unter Aufhebung des Abhilfebescheides vom 20. Mai 2014 zu verpflichten, die Beseitigung der auf dem Grundstück der Beigeladenen in der Gemarkung G..., Flur … Flurstück Nr. … entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze in den Grenzabständen errichteten Bauwerke mit Ausnahme der Garage und des Abstellgerätehauses anzuordnen,

12

hilfsweise

13

den Beklagten unter Aufhebung des Abhilfebescheides vom 20. Mai 2014 zu verpflichten, über ihren Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten vom 7. April 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

14

Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Die Beigeladenen haben

17

keinen Antrag

18

gestellt.

19

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat durch Urteil vom 15. Januar 2015 den Abhilfebescheid des Beklagten vom 20. Mai 2014 aufgehoben, soweit durch dessen Ziffer 1) die bauaufsichtliche Verfügung vom 17. April 2014(Baueinstellung gegen den Spielturm) aufgehoben worden war. Ferner wurde der Beklagte verpflichtet, gegenüber den Beigeladenen die Beseitigung der auf deren Grundstück errichteten Spielkonstruktion (Spielturm im Bereich der südlichen Grundstücksgrenze) zu verfügen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

20

In den Entscheidungsgründen heißt es im Wesentlichen, die Errichtung des Spielturms verstoße gegen die nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften des § 8 LBauO, weil er nicht den Mindestabstand zum Grundstück der Klägerin von 3 m gemäß § 8 Abs. 6 Satz 3 LBauO einhalte und auch nicht nach § 8 Abs. 8 Nr. 9 LBauO ohne Abstandsfläche zugelassen werden könne. Da es sich bei dem Spielturm um ein Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO handele, werde unter Berücksichtigung der weiteren Gebäude an der gemeinsamen Grenze die nach § 8 Abs. 9 Satz 1 Buchst. b) LBauO zulässige Gesamtlänge von 12 m überschritten.

21

Das überdachte Holzlager dürfe gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 LBauO ohne Abstandsfläche errichtet werden, weil es zusammen mit der Garage und dem Gartenhaus die nach §8 Abs. 9 Satz 1 Buchst. b) LBauO zulässige Gesamtlänge von 12 m nicht überschreite. Zwar wiesen Garage (7,50 m), Holzregal (1,30 m) und Gartenhaus (3 m) einschließlich der Dachüberstände bzw. Dachrinnen eine Gesamtlänge von 12,30 m auf. Die Dachüberstände des Gartenhauses seien bei dieser Berechnung im vorliegenden Fall indes nicht zu berücksichtigen, sodass eine Gesamtgebäudelänge von ca. 11,80 m vorliege.

22

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung machen die Beigeladenen im Wesentlichen geltend, der Spielturm sei bereits kein Gebäude. Die Plattform bestehe nämlich aus nebeneinander verlegten Holzplanken mit Zwischenräumen; eine Folie sei darunter nicht angebracht. Diese reine Holzbeplankung sei nicht dazu bestimmt und geeignet, Niederschläge sicher abzuleiten. Die Belichtung des Klägergrundstücks sei nicht erheblich beeinträchtigt und der Brandschutz gewährleistet. Selbst wenn man aber von der Gebäudeeigenschaft des Spielturms ausgehe, so ergebe sich der baurechtswidrige Zustand lediglich bei einer Gesamtschau der vier Anlagen (Garage, Holzunterstellplatz, Gartengerätehaus, Spielturm). Jede einzelne Anlage sei für sich betrachtet zulässig. Da sich ein Verstoß nur aus der Gesamtschau mehrerer Anlagen ergebe, könne der Beklagte nicht verpflichtet werden, die Beseitigung gerade einer bestimmten Anlage zu verfügen.

23

Die Klägerin hat ihre Anfechtungsklage gegen den Abhilfebescheid vom 20. Mai 2014 und die Klage auf Verpflichtung des Beklagten, die Beseitigung des auf dem Grundstück der Beigeladenen zwischen der Garage und dem Gerätehaus errichteten Holzkonstruktion (überdachtes Brennholzlager) anzuordnen, zunächst im Wege der Anschlussberufung weiterverfolgt. Hinsichtlich der Anfechtungsklage hat sie die Hauptsache in der mündlichen Verhandlung, hinsichtlich der Verpflichtungsklage durch nachgereichten Schriftsatz für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich beiden Erledigungserklärungen angeschlossen.

24

Die Beigeladenen beantragen,

25

das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 15. Januar 2015 teilweise abzuändern und die Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten auch gegen den auf ihrem Grundstück errichteten Spielturm abzuweisen.

26

Der Beklagte beantragt ebenfalls,

27

das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 15. Januar 2015 teilweise abzuändern und die Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten auch gegen den auf dem Grundstück der Beigeladenen errichteten Spielturm abzuweisen.

28

Er trägt im Wesentlichen vor, bei dem Spielturm handele es sich nicht um ein Gebäude, da es an der nötigen Überdeckung fehle. Entscheidend für die Eigenschaft der Überdeckung sei dabei, dass die sichere Ableitung von Niederschlägen gewährleistet werde. Da hier die Plattform aus mit Zwischenabständen verlegten Holzbohlen bestehe, seien diese Anforderungen nicht erfüllt. Der Beklagte weist ferner darauf hin, dass nach dem Inhalt der Stellungnahme der Brandschutzdienststelle seines Hauses von dem Spielturm keine Brandgefahr ausgehe.

29

Die Klägerin beantragt,

30

die Berufung zurückzuweisen.

31

Sie macht im Wesentlichen geltend, der Spielturm stelle sich als bauliche Anlage dar, die sämtliche Voraussetzungen eines Gebäudes im Sinne von § 2 Abs. 2 LBauO verwirkliche. Insbesondere habe die Konstruktion eine ausreichende Überdachung. Dass hier möglicherweise „Ritzen“ vorhanden seien, sei irrelevant, da es nur darauf ankomme, dass der Raum nach oben überdeckt – nicht geschlossen – sei. Die Konstruktion sei auch nicht über § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 LBauO privilegiert. Es handele sich nämlich hier um einen Aufenthaltsraum, was sich aus den installierten Bänken, Schaukeln und sonstigen Gerätschaften ergebe. Ihr Sinn und Zweck bestehe darin, dass sich innerhalb dieser Konstruktion Kinder aufhielten.

32

Die hier streitgegenständliche Konstruktion habe auch Wirkungen, wie sie von Gebäuden ausgehe. Denn wenn bereits von überdachten Stellplätzen, Terrassen, die höher als 1 m seien und auch Aufschüttungen bereits ab einer Höhe von 1 m Wirkungen wie Gebäude ausgingen, habe auch die hier streitgegenständliche Konstruktion, die insgesamt mit dem erforderlichen Geländer weit mehr als 2 m hoch sei, ebenfalls Wirkungen wie ein Gebäude. Letztendlich sei die Konstruktion als eine „erhöhte Terrasse“ anzusehen. Überdies sei auch der Brandschutz nicht gewährleistet. Im Übrigen verstoße der Spielturm auch gegen die Festsetzungen des hier maßgeblichen Bebauungsplans „S…“, da die festgesetzten Baugrenzen nicht berücksichtigt würden. Die Festsetzungen von Baugrenzen dienten selbstverständlich auch dem Schutz des Nachbarn und zwar nicht nur innerhalb des maßgeblichen Bebauungsplanes, sondern gerade auch außerhalb des Plangebietes.

33

Der Senat hat den Brandschutzsachverständigen E…, einen Mitarbeiter der Kreisverwaltung Altenkirchen, im Rahmen der mündlichen Verhandlung angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Niederschrift über die Sitzung vom 12. Februar 2016 Bezug genommen.

34

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie den vorliegenden Verwaltungsakten (2 Hefte), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

35

Entscheidungsgründe

36

Die Berufung der Beigeladenen ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Spielturm zu Recht stattgegeben.

37

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Verpflichtung des Beklagten gegenüber den Beigeladenen ist § 81 Satz 1 Landesbauordnung Rheinland-Pfalz – LBauO –, wonach die Bauaufsichtsbehörde gegen solche baulichen Anlagen einschreiten kann, die gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen. Dabei ist ein Einschreiten grundsätzlich in das pflichtgemäße Ermessen des Beklagten gestellt. Für die Bauaufsichtsbehörde besteht auf den Antrag eines Nachbarn grundsätzlich eine Pflicht zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustandes, wenn die Errichtung oder Nutzung der Anlage zu einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften führt (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. September 2000 – 1 A 10952/00.OVG –, juris). Eine solche Ermessensreduzierung tritt nur dann nicht ein, wenn eine Abweichung von der auch im Interesse des Nachbarn liegenden Vorschrift in Betracht kommt, übergeordnete, sich aus der Sache selbst ergebende öffentliche Interessen einem Einschreiten entgegenstehen oder sich die Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift im Bagatellbereich hält (vgl. OVG RP, Urteile vom 3. November 1966 – 1 A 54/65 –, BRS Bd. 17 Nr. 12, und vom 22. Oktober 1987 – 1 A 108/85 –; Beschluss vom 6. Juni 2011 – 8 A 10377/11.OVG –, ESOVGRP, st. Rspr.; zur Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit Bundesrecht vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1987 – 4 B 248/87 –; juris).

38

Nach diesen Maßstäben kann sich die Klägerin mit Erfolg auf die Verletzung von drittschützenden Vorschrift berufen, da der Spielturm gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 8 LBauO verstößt,

39

a. § 8 Abs. 1, 6 LBauO, wonach vor Außenwänden oberirdischer Gebäude Flächen mit einer Mindesttiefe von 3 m von Gebäuden freizuhalten sind, ist auf den Spielturm nicht unmittelbar anwendbar. Der hier streitige Spielturm müsste nur dann nach § 8 Abs. 1, 6 LBauO eine Abstandsfläche einhalten, wenn es sich bei diesem Bauwerk um ein Gebäude im Sinne des § 8 Abs. 1 LBauO handeln würde. Gemäß der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO ist ein Gebäude eine selbständig benutzbare überdeckte Anlage, die von Menschen betreten werden kann und geeignet oder bestimmt ist, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Fehlt es bereits an einer „Überdeckung“, die dazu bestimmt und geeignet ist, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen, so liegt kein Gebäude im Sinne der LBauO vor. Eine solche „Überdeckung“ liegt daher nur dann vor, wenn die bauliche Anlage geeignet ist, Schutz vor Niederschlägen sicherzustellen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Wie sich aus den dem Senat vorliegenden Lichtbildern zweifelsfrei ergibt, besteht die Plattform des streitigen Spielturms aus auf einem Balkengerüst verlegten Holzbrettern, die derart nebeneinander genagelt sind, dass jeweils ein Zwischenraum von ca. 0,5 cm verbleibt. Mit dieser Bauweise ist die Plattform nicht geeignet, den darunterliegenden Spielplatz (Sandkasten, Schaukle, Sitzbänke) gegen Niederschläge zu sichern.

40

b. Stellt der Spielturm somit kein Gebäude dar, so ist er aber als eine bauliche Anlage einzuordnen, da es sich zweifellos um eine mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlage handelt (vgl. § 2 Abs. 1 LBauO). Für bauliche Anlagen, andere Anlagen und Einrichtungen, von denen Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden ausgehen, bestimmt § 8 Abs. 8 Satz 1 LBauO, dass die Absätze 1 bis 7 entsprechend gelten.Die Beurteilung der Frage, ob von einem Vorhaben „Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden“ ausgehen, muss sich an den Zielsetzungen des Abstandsflächenrechts orientieren, wie sie in § 8 Absätze 8 Satz 2, 9 Satz 3 und 10 Satz 1 LBauO zum Ausdruck kommen, nämlich, dass eine ausreichende Beleuchtung mit Tageslicht, eine ausreichende Belüftung von Aufenthaltsräumen sichergestellt und der Brandschutz gewährleistet wird. Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden gehen von einer baulichen Anlage daher unter anderem dann aus, wenn sie nach ihrer baulichen Ausführung oder ihrer Anordnung auf dem Grundstück geeignet ist, die Belichtung, die Besonnung oder die Belüftung oder den Brandschutz zu beinträchtigen. Dies ist hier für den Spielturm zu bejahen. Wie sich aus den bei den Gerichts- und Verwaltungsakten befindlichen Lichtbildern ersehen lässt, ist der Spielturm mit einem auf ca. 2 m Höhe angebrachten Boden und einer Wand zur Grundstücksgrenze hin versehen sowie mit einem geringen Abstand an das Gerätehaus angebaut. Durch diese Gestaltung ist ein derartiger Spielturm geeignet, den Einfall von Tageslicht zu beeinträchtigen.

41

c. Da somit der Spielturm gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 LBauO i.V.m. § 8 Abs. 1, 6 LBauO grundsätzlich eine Abstandfläche beachten muss, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Sonderregelung des § 8 Abs. 8 Satz 2 LBauO erfüllt sind. § 8 Abs. 8 Satz 2 LBauO regelt einen von dem Grundsatz des § 8 Abs. 8 Satz 1 LBauO abweichenden, speziellen Zulässigkeitstatbestand (vgl. dazu Begründung zum Entwurf eines Landesgesetzes zur Änderung der LBauO vom 05. Mai 1998, LT-Drs. 13/3040, S. 51 linke Spalte; Beschluss des Senats vom 30. April 2013 – 1 A 10693/12.OVG –), wonach bauliche Anlagen, die nicht Gebäude sind, in Abstandflächen und ohne eigene Abstandsflächen zulässig sind, wenn die Beleuchtung mit Tageslicht nicht erheblich beeinträchtigt und der Brandschutz gewährleistet ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend zum rechtlich relevanten Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht erfüllt.

42

Allerdings liegt hier eine erhebliche Beeinträchtigung der Beleuchtung mit Tageslicht nicht vor. Eine derartige Beeinträchtigung im Sinne von § 8 Abs. 8 Satz 2 LBauO ist im Allgemeinen dann zu verneinen, wenn bezogen auf die untere Kante des betroffenen Fensters auf dem Nachbargrundstück ein Belichtungswinkel von 45° eingehalten wird (vgl. Beschluss des Senats vom 30. April 2013 – 1 A 10693/12.OVG –). Dieser Belichtungswinkel von 45° wird hier zweifelslos von einer Bebauung freigehalten. Da die auf dem Grundstück der Beigeladenen errichteten baulichen Anlagen eine Höhe von 3,20 m nicht überschreiten und das Gebäude der Klägerin einen Abstand von 4,50 m zur Grundstücksgrenze einhält, wird die Belichtung der Untergeschossfenster des Wohngebäudes der Klägerin nicht beeinträchtigt. Dies ergibt sich aus der vom Beklagten vorgelegten zeichnerischen Darstellung, die von der Klägerin nicht bestritten worden ist und dem Senat plausibel erscheint. Hinzu kommt, dass der Spielturm ohnehin nicht unmittelbar gegenüber den fraglichen Fenstern errichtet worden ist, sondern seitlich versetzt in nordwestlicher Richtung, sodass er schon deshalb nicht in den Belichtungsbereich des relevanten Fensters im Hause der Klägerin hineinragen kann.

43

Der Brandschutz ist hier jedoch nicht gewährleistet.

44

Bei der Auslegung der Wortfolge „wenn...der Brandschutz gewährleistet ist.“ (§ 8 Abs. 8 Satz 2 LBauO) muss die brandschutzrechtliche Grundnorm des § 15 Abs. 1 LBauO hergezogen werden. Danach ist der Brandschutz dann gewährleistet, wenn bauliche Anlagen so angeordnet und beschaffen sind, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand wirksame Löscharbeiten möglich sind.

45

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, da durch die Anordnung des Spielturms, der überdachten Brennholzlagerstätte und des hölzernen Gartenhauses entlang der Grenze eine Feuergefahr besteht. Wie der Brandsachverständige des Beklagten mit seiner Stellungnahme vom 3. Dezember 2015 dargelegt hat, kann „…durch die Aneinanderreihung von Regal, Gartenhaus und Spielturm…“ eine Gefährdung des Nachbargrundstücks durch Brand beim Zusammentreffen mehrerer ungünstiger Faktoren nicht ausgeschlossen werden. Dazu hat er in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage erläutert, dass für seine Annahme einer Brandweiterleitung die Lagerung von Brennholz in der überdachten Holzkonstruktion maßgeblich gewesen war; ohne das Brennholz bestünden keine Bedenken hinsichtlich der Brandgefahr. Damit steht aufgrund der nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Brandsachverständigen E..., deren Richtigkeit von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen worden sind, zur Überzeugung des Senats fest, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat der Brandschutz nicht gewährleistet war.

46

Der im Verlaufe der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführte Sachvortrag, wonach inzwischen kein Brennholz mehr in der überdachten Holzkonstruktion gelagert werde, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Hinsichtlich der Gewährleistung des Brandschutzes sind die „…baulichen Anlagen…von denen Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden ausgehen…“ in den Blick zu nehmen, mithin die bauliche Anlage mit der Nutzungsmöglichkeit, für die sie bestimmt oder geeignet ist. Auf einen konkreten, tagesaktuellen Stand der Nutzung kommt es dagegen nicht an. Ob der Brandschutz gewährleistet ist, bestimmt sich daher hier danach, ob die bauliche Anlage vom Bauherrn dazu bestimmt oder objektiv dazu geeignet ist, als Brennholzlager zu dienen. Dies ist zweifellos der Fall: Die überdachte Holzkonstruktion wurde mit der Zweckbestimmung als Brennholzlager errichtet und als solches längere Zeit genutzt. Die somit festzustellende Eignung und Bestimmung entfällt nicht schon dadurch, dass zurzeit dort kein Brennholz mehr gelagert wird, da die Anlage zweifellos auch weiterhin für diese Verwendung geeignet und es den Beigeladenen unbenommen ist, die Brennholzlagerung jederzeit wieder aufzunehmen. Bei bestimmungsgemäßer Nutzung wird das Brennholz gegen Ende des Winters ohnehin häufig aufgebraucht und ein Lager leer sein. Anderes würde allerdings dann gelten, wenn die Beigeladenen entsprechend der Protokollerklärung ihres Prozessbevollmächtigten das überdachte Brennholzlager abbauen und aus dem 3 m - Bereich entlang der Grundstücksgrenze entfernen sollten.

47

Der Spielturm ist zwar nach den überzeugenden Ausführungen des Brandsachverständigen E... für sich genommen brandtechnisch unproblematisch. Zusammen mit dem Gartenhaus und dem Holzlager ist aber der Brandschutz nicht sichergestellt. Die Klage ist daher – zurzeit – begründet.

48

d. Anderes ergibt sich im Übrigen auch dann nicht, wenn man entgegen den Überlegungen zu a. annehmen wollte, dass der Spielturm als ein Gebäude einzuordnen ist. Die Einhaltung einer Abstandsfläche ist dann nach § 8 Abs. 1, 6 LBauO geboten. § 8 Abs. 9 Satz 1 LBauO greift nicht ein. Nach dieser gesetzlichen Regelung dürfen unter anderem sonstige Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten gegenüber Grundstücksgrenzen ohne eigene Abstandsflächen bei Beachtung von hier nicht zu erörternden weiteren Voraussetzungen errichtet werden, wenn die unter den Nummern 1 bis 3 genannten Gebäude eine Länge von 12 m nicht überschreiten. Da die Garage und das Garten-/Gerätehaus zusammen entlang der Grenze bereits 10,5 m lang sind, wird durch das Hinzutreten des Spielturms das nach § 8 Abs. 9 Satz 1 b LBauO zulässige Höchstmaß von 12 m zweifellos überschritten.

49

Darüber hinaus ist auch nach § 8 Abs. 9 Satz 3 LBauO ein Gebäude ohne Abstandsflächen nur dann zulässig, wenn der Brandschutz gewährleistet ist und die Beleuchtung von Aufenthaltsräumen mit Tageslicht nicht erheblich beeinträchtigt wird. Da – wie oben ausgeführt – der Brandschutz nicht gewährleistet ist, solange das Brennholzlager noch vorhanden ist, kann der Spielturm somit auch nach § 8 Abs. 9 Satz 1 LBauO nicht zugelassen werden.

50

e. Ohne dass dies hier entscheidungserheblich wäre, soll schließlich noch darauf hingewiesen werden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Einschreiten gegen die Beigeladenen wegen eines Verstoßes gegen den Bebauungsplan „St…“ der Ortsgemeinde G…. nicht zusteht. Es trifft zwar zu, dass nach den Festsetzungen dieses Bebauungsplanes ein Geländestreifen mit einer Breite von 8 m entlang der Grundstücksgrenze zum Klägergrundstück durch eine Baugrenze als nicht überbaubare Fläche ausgewiesen ist. Gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 BauNVO sind aber Nebenanlagen, wie hier ein Spielgerät, in den nicht überbaubaren Flächen zulässig. Im Übrigen erstreckt sich der Geltungsbereich des Bebauungsplanes nicht auf das Klägergrundstück und es fehlt an Anhaltpunkten dafür, dass die Ortgemeinde G... den fraglichen Regelungen nachbarschützende Wirkung beimessen wollte.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 161 Abs. 2 VwGO. Bei der nach § 161 Abs. 2 VwGO gebotenen Entscheidung nach billigem Ermessen lässt sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten:

52

Da der Bau des Spielturms längst vollendet war, fehlte es für die Anfechtungsklage gegen den Abhilfebescheid an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Es entsprach daher der Billigkeit die Kosten insoweit der Klägerin aufzuerlegen. Die Kosten der Beigeladenen erster Instanz müssen diese allerdings selbst tragen, da sie dort keinen Antrag gestellt und sich damit nicht dem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).

53

Anders verhält es sich hinsichtlich der Klage mit der die Verpflichtung des Beklagten begehrt wurde, die Beseitigung der auf dem Grundstück der Beigeladenen zwischen der Garage und dem Gerätehaus errichteten Holzkonstruktion (überdachtes Brennholzlager) anzuordnen. Diese Klage hatte Aussicht auf Erfolg, da der gebotene Grenzabstand nicht eingehalten ist und die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 9 Satz 1, 3 LBauO aus den oben genannten Gründen nicht eingreift. Es entspricht daher der Billigkeit die Kosten des Verfahrens insoweit dem Beklagten und den Beigeladenen je zur Hälfte aufzuerlegen.

54

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

55

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

Beschluss

56

Der Wert des Streitgegenstandes wird

57

- soweit mit der Klage die Anfechtung des Abhilfebescheides vom 20. Mai 2014 betrieben wird,

58

- soweit die Verpflichtung des Beklagten begehrt wurde, die Beseitigung des auf dem Grundstück der Beigeladenen zwischen der Garage und dem Gerätehaus errichteten Holzkonstruktion (überdachtes Brennholzlager) anzuordnen, und

59

- soweit die Verpflichtung des Beklagten begehrt wurde, die Beseitigung des auf dem Grundstück der Beigeladenen errichteten Spielturms anzuordnen

60

auf jeweils 5.000,00 €, zusammen 15.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs.2 GKG).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Bauantrags und eine Nutzungsuntersagung.

Am 31. August 2011 beantragte der Kläger die Genehmigung für einen Umbau und eine Nutzungsänderung des Nebengebäudes auf seinem Grundstück Fl. Nr. ... Gemarkung H. Das 10,825 m lange und 5,99 m breite Nebengebäude, das ca. 50 bis 80 cm von der westlichen Grundstücksgrenze entfernt ist, wurde bisher teils als Doppelgarage und teils als Lager und WC für einen in einem Anbau untergebrachten Laden genutzt. Nach dem Bauplan soll künftig der überwiegende Teil des Nebengebäudes ebenfalls als Ladenfläche genutzt werden. Im Übrigen sind drei Lagerräume und ein WC vorgesehen.

Eine Baukontrolle am 25. Oktober 2011 ergab, dass das Nebengebäude bereits umgebaut worden war, die in dem Bauplan eingezeichneten Zwischenwände und Innentüren aber fehlten. Die vorhandene Multifunktionsfläche wurde von dem Mieter des Ladens, der dann im Januar 2012 verstorben ist, u. a. als Büro und Lager genutzt.

Mit Bescheid vom 14. August 2012 lehnte das Landratsamt S. den Bauantrag ab und untersagte die Nutzung des Nebengebäudes als Designer-Möbel-Laden. Falls der Kläger diese Pflicht nicht bis spätestens 30. Oktober 2012 oder bei Einlegung von Rechtsmitteln nicht spätestens zwei Monate nach Bestandskraft des Bescheids erfülle, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro fällig. Das Vorhaben halte die Abstandsflächen nicht ein. Für Aufenthaltsräume in grenznahen Gebäuden könne regelmäßig keine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO zugelassen werden, weil es hierfür an den gesetzlichen Voraussetzungen der gerechten Würdigung nachbarlicher Interessen fehle. Nach der typisierenden Bewertung des Gesetzgebers müssten Gebäude mit Aufenthaltsräumen im Interesse der Vermeidung von Nachbarstreitigkeiten in der offenen Bauweise grundsätzlich Abstandsflächen zur Nachbargrenze einhalten. Eine Fallkonstellation nach Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO liege nicht vor. Für die Nutzungsuntersagung genüge, dass die Nutzung ohne Genehmigung ausgeübt werde. Zudem sei das Vorhaben auch materiell illegal. Der Kläger könne als Zustandsstörer in Anspruch genommen werden. Wegen einer früheren ungenehmigten Nutzung der ehemaligen Garage als Blumenladen sei er durch das Landratsamt in persönlichen Gesprächen umfassend darüber informiert worden, dass eine anderweitige Nutzung des grenznahen Gebäudes, insbesondere zu Aufenthaltszwecken, mangels Einhaltung der Abstandsflächen unzulässig sei. Gleichwohl habe er das Garagengebäude erneut ohne Vorliegen einer baurechtlichen Genehmigung zur Nutzung als Laden vermietet.

Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. Oktober 2013 macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend.

Der Beklagte beantragt, den Antrag abzulehnen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat sowohl die Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung (1.) als auch die Anfechtungsklage gegen die verfügte Nutzungsuntersagung (2.) zu Recht abgewiesen.

1. Die beantragte Baugenehmigung durfte gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO versagt werden, weil das Bauvorhaben des Klägers die gesetzlich vorgeschriebene Abstandsflächentiefe von 3 m zur Grundstücksgrenze nicht einhält (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BayBO) und somit gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt.

a) Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO verneint. Nach dem Umbau und der Nutzungsänderung handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude nicht mehr um ein Gebäude ohne Aufenthaltsräume. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 2 BayBO nicht, dass die einzelnen Lagerräume jeweils für sich gesehen ein Gebäude bilden, sofern sie einen Zugang von außen haben. Ein eigener Zugang ist zwar unabdingbare Voraussetzung für die selbstständige Benutzbarkeit eines Gebäudes; er reicht aber für die Bejahung der Gebäudeeigenschaft nicht aus. Vielmehr ist zur Abgrenzung zusätzlich auf die Funktion und die bautechnische Ausführung abzustellen (vgl. OVG NW, U. v. 16.10.2008 - 7 A 3096/07 - NVwZ-RR 2009, 277). Im vorliegenden Fall zeigen bereits die Türen zwischen der Ladenfläche und den Lageräumen deren dienende, untergeordnete Funktion. Selbst ein Verzicht auf diese Türen würde aber nichts daran ändern, dass nach der bautechnischen Ausführung die einzelnen Räume nur (unselbstständiger) Teil eines einheitlichen Gebäudes sind, wie dies das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat.

Abgesehen davon ermöglicht Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO nur eine Bebauung ohne Einhaltung der Abstandsflächen bis zu einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m, während das streitgegenständliche Gebäude 10,825 m lang ist.

b) Auch Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Ein solcher Fall ist hier schon deshalb nicht gegeben, weil das streitgegenständliche Gebäude nicht unmittelbar an der Grundstücksgrenze liegt, sondern zu dieser einen Abstand zwischen ca. 50 und 80 cm einhält (vgl. BayVGH, U. v. 22.11.2006 - 25 B 05.1714 - NVwZ-RR 2007, 512/513 zu einem Abstand zwischen ca. 35 und 60 cm). Nach seinem klaren Wortlaut regelt Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO nur den unmittelbaren Anbau an die Grundstücksgrenze, nicht aber einen grenznahen Anbau mit Abstandsflächen, die kleiner als die gesetzlich vorgeschriebenen sind, wie z. B. bei Traufgassen oder „engen Reihen“ (vgl. BayVGH, U. v. 22.11.2006 a. a. O. m. w. N.). Dies wird durch Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO bestätigt, der die Zulässigkeit von „Abstandsflächen größerer oder geringerer Tiefe“ regelt und letztlich leerlaufen würde, wenn man Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO generell entsprechend auf grenznahe Gebäude anwenden würde. Zwar ist hierdurch nicht ausgeschlossen, dass diese Vorschrift bei sehr geringen seitlichen Grenzabständen ausnahmsweise entsprechend angewendet wird (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 6 Rn. 17), doch ist hierfür im konkreten Fall weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.

c) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO berufen. Nach dieser Vorschrift gelten Abstandsflächen größerer oder geringerer Tiefe, wenn sich einheitlich abweichende Abstandsflächentiefen aus der umgebenden Bebauung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ergeben. Diesbezüglich fehlt es bereits in mehrfacher Hinsicht an der gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO erforderlichen Darlegung von Bezugsfällen. Das Vorbringen des Klägers beschränkt sich insoweit auf die bloße Bezugnahme auf das Augenscheinprotokoll, eine im Verwaltungsverfahren abgegebene Stellungnahme und die Klagebegründung, ohne sich mit der diesbezüglichen Argumentation des Verwaltungsgerichts in den Gründen des angefochtenen Urteils auseinanderzusetzen. Zudem fehlt die gebotene Differenzierung zwischen Grenzbebauung und grenznaher Bebauung. Dass sich eine einheitliche seitliche Abstandsflächentiefe aus den genannten Bezugsfällen ergibt, wird auch nicht ansatzweise behauptet. Vielmehr liegt eine einheitlich reduzierte seitliche Abstandsflächentiefe offenkundig nicht vor. Da Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO einen Sonderfall der (offenen) Bauweise regelt, ist bei der Frage, ob sich das Vorhaben des Klägers nach diesem Kriterium im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, ohnehin nicht auf die Bebauung an der M. Straße und der S.-straße, sondern auf die Bebauung an der W.-straße abzustellen. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass bei der überbaubaren Grundstücksfläche der maßgebliche Bereich in der Regel (deutlich) enger zu begrenzen ist als bei der Art der baulichen Nutzung, weil die Prägung, die von der für die Bestimmung der überbaubaren Grundstücksflächen maßgeblichen Stellung der Gebäude auf den Grundstücken ausgeht, im allgemeinen (deutlich) weniger weit reicht als die Wirkungen der Art der baulichen Nutzung (vgl. zuletzt BayVGH, B. v. 25.2.2014 -1 ZB 11.1739 - juris m. w. N.). Entsprechendes gilt bei der Bauweise, die in der Baunutzungsverordnung im gleichen Abschnitt wie die überbaubare Grundstücksfläche geregelt ist und in Bezug auf die Grundstücksgrenzen bestimmt, inwieweit ein Grundstück bebaubar ist (vgl. § 22 Abs. 4 Satz 2 BauNVO). Insoweit wird in aller Regel auf Straßenzüge oder abgegrenzte Teile von Straßenzügen abzustellen sein. Die (offene) Bauweise in der W.-straße wird ersichtlich nicht von der Bauweise in anderen Straßen geprägt.

d) Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zulassung einer Abweichung von den gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen noch hat er insoweit einen Anspruch auf erneute Verbescheidung. Zwar trifft die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zu, der Kläger habe keinen schriftlichen Antrag nach Art. 63 Abs. 2 BayBO bei der Baugenehmigungsbehörde gestellt (vgl. Bl. 58 und 68 der Bauakte). Gleichwohl ist das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis richtig, weil - wie bereits das Landratsamt auf Seite 3 des Bescheids vom 14. August 2012 festgestellt hat - die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO nicht gegeben sind. Nach dieser Vorschrift kann eine Abweichung nur zugelassen werden, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Dies ist hier wegen der typisierenden Bewertung des Gesetzgebers, wonach Gebäude mit Aufenthaltsräumen im Interesse der Vermeidung von Nachbarstreitigkeiten bei offener Bauweise grundsätzlich Abstandsflächen zur Grundstücksgrenze einhalten müssen, zu verneinen (vgl. BayVGH, U. v. 8.11.1990 - 2 B 89.339 - nicht veröffentlicht). Entgegen der Auffassung des Klägers liegt ein Ausnahmefall nicht deshalb vor, weil die grenzständige überdachte Tiefgaragenzufahrt auf dem Nachbargrundstück die zum Zeitpunkt ihrer Genehmigung gemäß Art. 7 Abs. 5 Satz 1 BayBO 1982 zulässige Gesamtnutzfläche von 50 m² um etwas mehr als 10% überschreitet. Abgesehen davon, dass diese Überschreitung relativ gering ist und die Begrenzung der abstandsflächenrechtlichen Privilegierung bei Garagen auf 50 m² Gesamtnutzfläche inzwischen entfallen ist, würde die Zulassung eines Aufenthaltsraums in den Abstandsflächen wegen des anderen Nutzungszwecks eine neue Qualität haben. Damit würde das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis aus dem Gleichgewicht gebracht, das bisher auch dadurch gekennzeichnet ist, dass das streitgegenständliche Gebäude ebenfalls eine größere Gesamtnutzfläche als 50 m² hat und schon wegen seiner Länge von 10,825 m der Zulassung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO bedarf.

2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch insoweit nicht, als das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Nutzungsuntersagung abgewiesen hat, mit der die weitere Nutzung des Nebengebäudes als Designer-Möbel-Laden verhindert werden soll.

Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung ist Art. 76 Satz 2 BayBO. Nach dieser Bestimmung kann eine rechtswidrige Nutzung auch vorbeugend untersagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine solche beabsichtigt ist (vgl. BayVGH, U. v. 5.12.2005 - 1 B 03.2567 - juris zum inhaltsgleichen Art. 82 Satz 2 BayBO 1998). So liegt der Fall hier. Der Kläger hat das fragliche Gebäude umgebaut und zur Nutzung als Designer-Möbel-Laden vermietet, obwohl er bereits früher vom Landratsamt darüber unterrichtet worden war, dass eine Nutzung des grenznahen Gebäudes zu Aufenthaltszwecken unzulässig ist. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht ihn auch nach dem Tod des Mieters als Störer im sicherheitsrechtlichen Sinn angesehen hat. Im Übrigen hat der Kläger in der Klagebegründung vom 8. März 2013 lediglich geltend gemacht, der an den Mieter gerichtete Bescheid gehe wegen dessen Tod ins Leere, nicht aber, dass dies auch für die an ihn gerichtete Nutzungsuntersagung gelte. Vielmehr hat er durch den Vortrag, die für die Aufgabe der untersagten Nutzung gesetzte Frist sei zu kurz (vgl. Klagebegründung vom 31.10.2012), zu erkennen gegeben, dass er diese Nutzung mit einem anderen Mieter fortsetzen will.

Gerade dadurch, dass diese Frist an die Bestandskraft der Nutzungsuntersagung geknüpft wird, bleibt dem Kläger ausreichend Zeit für eine eventuell notwendig werdende Beendigung eines Mietvertrags.

3. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1 sowie § 52 Abs. 1 GKG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 12. Januar 2016 - 4 K 1915/15 - wird teilweise geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Löschung von Daten, die der Polizeivollzugsdienst über ihn in dem polizeilichen Auskunftssystem POLAS-BW gespeichert hat.
Gegen den am 04.11.1989 geborenen Kläger wurden wegen verschiedener Vorfälle aus dem Zeitraum 2010 bis Oktober 2012 folgende strafrechtliche Ermittlungsverfahren geführt:
- Das Amtsgericht Freiburg verurteilte ihn zu einer Geldauflage wegen einer am 12.06.2010 begangenen Körperverletzung (Az.: ......).
- Am 08.02.2012 gab es gegen 21.50 Uhr eine Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seiner früheren Freundin ..., in deren Verlauf ... den Kläger angespuckt und ihm eine Ohrfeige versetzt haben soll. Dem Kläger wurde vorgeworfen, ... gewaltsam festgehalten, sie am Einsteigen in ihren Pkw gehindert sowie ihr und ihrem neuen Freund gedroht zu haben, sie und ihre Familien umzubringen. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 16.03.2012 (Az: ...) wurde das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da die Tatbeteiligten die Vorwürfe jeweils bestritten und den Sachverhalt kontrovers geschildert hätten und keine unabhängigen Zeugen vorhanden seien.
- Zu einem weiteren Vorfall vom 08.02.2012 wurde dem Kläger vorgeworfen, gegen 23.00 Uhr ... mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihm mehrere Fußtritte gegen Beine und Oberkörper versetzt zu haben, sodass dieser eine Gehirnerschütterung erlitten habe. Das Verfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 26.07.2012 (Az: ...) mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil nicht zweifelsfrei zu belegen sei, dass der Kläger sich nicht nur gegen Angriffe des... habe schützen und zur Wehr setzen wollen.
- Am 27.10.2012 gab es gegen 01.00 Uhr eine Auseinandersetzung zwischen zwei Türstehern einer Diskothek in Person des Klägers und eines Kollegen von ihm auf der einen Seite und einer Gruppe mehrerer Männer auf der anderen Seite, in deren Verlauf der Kläger einem ...... mit einem Schlagstock auf die Hand geschlagen habe. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 05.03.2013 (Az: ......) wurde das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da dem Kläger aufgrund kontroverser Aussagen der am Geschehen Beteiligten nicht habe nachgewiesen werden können, dass er nicht in Notwehr gehandelt habe.
Am 21.02.2012 kreuzte ein Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Freiburg auf dem Formblatt „Aussonderungsprüfung / Einzelfalllöschung" an: Keine Änderungen der Speicher- und Aufbewahrungsfristen; das Feld für eine Begründung wurde nicht ausgefüllt. Auf einem solchen Formblatt kreuzte ein Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Freiburg am 20.08.2012 wiederum an, dass sich die Speicher- und Aufbewahrungsfristen nicht ändern, und vermerkte handschriftlich zur Begründung unter a) Tatverdacht „§ 170 (2) StPO, Restverdacht aufgrund d. Aussagen der Beteiligten selbst sowie Zeugenaussagen" und unter b) Wiederholungsgefahr „ja, Vortaten im gleichen Deliktsbereich, Aggressionspotential". Am 08.05.2013 kreuzte ein Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Freiburg auf einem solchen Formblatt erneut an, dass sich die Speicher- und Aufbewahrungsfristen nicht ändern, und führte zur Begründung maschinenschriftlich unter a) Tatverdacht: „Angaben des Geschädigten" und unter b) Wiederholungsgefahr: „Ja Mehrfachtäter, einschlägig" an.
Am 20.11.2012 stellte der Kläger bei der Polizeidirektion Freiburg einen Antrag auf Löschung seiner personenbezogenen Daten. Diesen Antrag lehnte die Polizeidirektion Freiburg mit Bescheid vom 25.11.2012 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für die Speicherung von Daten lägen bei dem Kläger weiterhin vor. Er sei einmal wegen einer am 12.06.2010 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Geldauflage verurteilt worden und gegen ihn sei wegen zweier Körperverletzungsdelikte am 08.02.2012 und wegen einer gefährlichen Körperverletzung und Beleidigung am 27.10.2012 strafrechtlich ermittelt worden. Die Verfahren wegen der Körperverletzungen am 08.02.2012 seien von der Staatsanwaltschaft Freiburg gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, das Verfahren wegen der Taten am 27.10.2012 sei noch anhängig. Nach kriminalistischer Erfahrung und unter Einbeziehung aller Tatsachen zu Art und Ausführung der Taten und seiner Persönlichkeit bestehe bei dem Kläger eine Wiederholungsgefahr. Die gespeicherten Daten seien geeignet, künftige polizeiliche Ermittlungen zu fördern. Falls keine neuen Erkenntnisse hinzuträten, sei eine Überprüfung der Löschung dieser Daten zum 08.02.2017 vorgesehen. Gegen den Bescheid vom 25.11.2012 legte der Kläger keinen Rechtsbehelf ein.
Im Anschluss daran wurde dem Kläger bezüglich eines Vorfalls vom 22.12.2012 vorgeworfen, ebenfalls in seiner Eigenschaft als Türsteher einer Diskothek Gäste dieser Diskothek, die ihrerseits andere Gäste angegriffen hätten, durch Faustschläge verletzt zu haben. Die Staatsanwaltschaft stellte dieses Verfahren gegen den Kläger mit Verfügung vom 30.07.2013 (Az: ......) wegen fehlenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO ein, weil sein Einschreiten zur Verhinderung der Verletzung anderer gerechtfertigt gewesen sei.
10 
Am 26.02.2015 stellte der Kläger beim Polizeipräsidium Freiburg erneut einen Antrag auf Löschung des Vorfalls aus dem Jahr 2010 aus dem Polizeiregister. Mit Schreiben vom 02.03.2015 teilte das Polizeipräsidium Freiburg dem Kläger mit: Derselbe Antrag sei bereits mit Bescheid vom 25.11.2012 abgelehnt worden. Es seien keine Gesichtspunkte für eine andere Bewertung und für eine Verkürzung der Löschungsfrist zu erkennen. Im Gegenteil sei der Kläger durch einen neuen Datensatz erfasst worden. Dadurch verlängere sich die Frist zur Datenaussonderung vom 08.02.2017 bis zum 22.12.2017.
11 
Mit Schreiben vom 31.03.2015 wiederholte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten seinen Antrag auf Löschung seiner personenbezogenen Daten. Er lebe seit dem 12.06.2010 straffrei. Der Verdacht der Köperverletzung am 08.02.2012 habe sich nicht erhärten lassen. Das Verfahren sei nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Deshalb sei keine Speicherung nach § 38 PolG zulässig.
12 
Darauf antwortete das Polizeipräsidium Freiburg mit Schreiben vom 09.04.2015: Der neuerliche Antrag könne als Antrag auf Wiederaufgreifen des durch Bescheid vom 25.11.2012 bestandskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens ausgelegt werden. Dafür sei jedoch die Frist des § 51 Abs. 3 LVwVfG verstrichen. Dem Antrag könne aber auch aus materiellen Gründen nicht entsprochen werden. Denn aus den Verfügungen über die Einstellung der Strafverfahren gegen den Kläger ergebe sich nicht, dass er die ihm vorgeworfen Straftaten nicht oder nicht in rechtswidriger Weise begangen habe.
13 
Mit Schreiben vom 29.04.2015 bat der Kläger ausdrücklich um Neubescheidung seines Löschungsantrags. Die Bestandskraft des alten (rechtswidrigen) Bescheids stehe dem nicht entgegen. Falls nicht bis zum 13.05.2015 über seinen Antrag entschieden sei, werde er Klage auf Löschung beim Verwaltungsgericht erheben.
14 
Mit Schreiben vom 05.05.2015 teilte das Polizeipräsidium Freiburg dem Kläger mit, dass es sein Schreiben als Antrag auf Löschung der Daten im Zusammenhang mit dem Strafverfahren wegen Körperverletzung vom 22.12.2012 auslege und dass es zeitnah darüber entscheiden werde. Für eine Neubescheidung des bestandskräftigen Bescheids vom 25.11.2012 bestehe keine Veranlassung. Mit weiterem Schreiben vom 12.05.2015 teilte das Polizeipräsidium Freiburg dem Kläger mit, dass die Daten im Zusammenhang mit dem Strafverfahren wegen Körperverletzung vom 22.12.2012 gelöscht würden, da nach der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg insoweit kein Restverdacht gegen den Kläger mehr vorliege.
15 
Am 30.07.2015 erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht auf Löschung sämtlicher vom Polizeivollzugsdienst über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten. Zur Begründung trug er vor, dass er sich beim Staat bewerben wolle und wegen der Eintragungen Nachteile bei der Bewerberauswahl befürchte. Wegen der Eintragungen in den polizeilichen Informationssystemen sei er bereits drei Mal mit Bewerbungen bei Behörden gescheitert. Er beabsichtige, sich weiterhin zu bewerben. Aus den Verfügungen der Staatsanwaltschaft über die Einstellung der gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren ergäben sich keine Gründe für das Bestehen eines Restverdachts gegen ihn. Es sei unzulässig, wenn die Polizei immer von einem solchen Restverdacht ausgehe, selbst wenn der Betroffene völlig unschuldig sei und die strafrechtlichen Vorwürfe auf falschen Beschuldigungen beruhten. Gewissheit über das Vorliegen einer Straftat habe man erst nach einer Hauptverhandlung. Wenn aber die Staatsanwaltschaft die Verfahren aus Gründen der Opportunität und der Prozessökonomie einstelle, könne dies bei der polizeilichen Datenverarbeitung zu Lasten des Betreffenden gehen. Speziell bei der ihm vorgeworfenen Tat am 27.10.2012 habe es sich um Notwehr gehandelt. Bei der Tat am 08.02.2012 um 21.50 Uhr sei die Aussage seiner Ex-Freundin falsch gewürdigt worden. Die Formulierung in einer Einstellungsverfügung könne nicht entscheidend sein. Aus einer Einstellung wegen widersprechender Aussagen von Beteiligten ließen sich keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Tat ziehen und damit keine Restzweifel begründen. Seit 2012 sei er in keiner Weise mehr aufgefallen. Sein familiäres Umfeld spreche gegen eine Negativprognose; sein jüngerer Bruder sei Beamter beim Finanzamt.
16 
Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, der Antrag des Klägers auf Löschung seiner Daten sei bereits mit Bescheid vom 25.11.2012 bestandskräftig abgelehnt worden. Er habe aber auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Anspruch auf die begehrte Löschung seiner Daten. Die Daten hätten nach § 38 Abs. 1 bis 3 PolG gespeichert werden dürfen. Bei den beiden am 08.02.2012 und der am 27.10.2012 begangenen Körperverletzung ergebe sich aus den Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft nicht, dass er die Taten nicht oder nicht rechtswidrig begangen habe, wie das nach § 38 Abs. 2 Satz 2 PolG für eine Löschung der Daten erforderlich sei. Diese Taten seien deshalb anders zu beurteilen als der gelöschte Vorwurf der Körperverletzung am 22.12.2012, bei dem der Kläger nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft gerechtfertigt gehandelt habe. Die drei eingestellten Verfahren wegen Körperverletzungsdelikten am 08.02.2012 und 27.10.2012 hätten daher neben der abgeurteilten Tat vom 12.06.2010 nach § 38 Abs. 3 Satz 1 und 3 PolG auch über zwei Jahre hinaus gespeichert werden dürfen, weil wegen der wiederholten Tatbegehung innerhalb von zwei Jahren tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Kläger auch künftig eine Straftat begehen werde. Darüber hinaus sei während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens ein weiterer Eintrag über den Kläger wegen einer Körperverletzung und Beleidigung am 24.05.2015 erfolgt. Das Ermittlungsverfahren sei inzwischen durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 11.12.2015 (Az. ...) nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, weil der Geschädigte keinen Strafantrag gestellt habe und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht bejaht worden sei, da es zu keinen erheblichen Verletzungen gekommen sei und die Beteiligten die Situation als Durcheinander und mehr als Gerangel statt als Schlägerei bezeichnet hätten.
17 
Das Verwaltungsgericht verpflichtete mit Urteil vom 12.01.2016 den Beklagten, die vom Polizeivollzugsdienst über den Kläger gespeicherten Eintragungen zum Vorfall vom 12.06.2010 im System POLAS-BW zu löschen und die dazugehörigen Unterlagen zu vernichten, und wies im Übrigen die Klage ab. Bezüglich des Vorfalls vom 12.06.2010 habe der Kläger einen Löschungsanspruch nach § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG und/oder § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG. Ermächtigungsgrundlage für die Speicherung dieses Vorfalls sei § 38 PolG in der ab dem 22.11.2008 geltenden Fassung des Gesetzes vom 18.11.2008. Dass die Daten über die Verurteilung des Klägers wegen der am 12.06.2010 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu Recht gespeichert worden seien, werde auch vom Kläger im Grunde nicht bestritten. Die genannten Vorschriften erlaubten eine Speicherung von Daten über einen Vorfall jedoch zunächst nur für die Dauer von zwei Jahren. Eine Speicherung über diesen Zeitraum hinaus sei nur nach Maßgabe von § 38 Abs. 3 PolG zulässig. Bei der Beurteilung der nach § 38 Abs. 3 PolG erforderlichen Wiederholungsgefahr stehe dem Polizeivollzugsdienst ein Prognosespielraum zu. Insoweit überprüften die Gerichte, ob eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Beurteilungsspielraum bestehe und ob die Behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei, Verfahrensvorschriften eingehalten, den gesetzlichen Rahmen zutreffend erkannt, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und keine sachfremden Erwägungen angestellt habe. Zur Rechtmäßigkeit der Prognose der Wiederholungsgefahr nach § 38 Abs. 3 PolG bedürfe es daher einer auf den Einzelfall bezogenen, auf schlüssigen, verwertbaren nachvollziehbar dokumentierten Tatsachen beruhenden Entscheidung. Danach lägen die Voraussetzungen für eine Speicherung des Vorfalls vom 12.06.2010 über die Dauer von zwei Jahren hinaus nicht vor. Denn es fehle an einer nach den vorstehenden Ausführungen erforderlichen rechtzeitigen Dokumentation der Bejahung bzw. Begründung einer Wiederholungsgefahr. Nach den von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen habe der Polizeivollzugsdienst erstmals am 20.08.2012 stichwortartig in den Akten vermerkt, dass bei dem Kläger eine Wiederholungsgefahr bestehe. Der Vermerk sei damit erst nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraum für die Speicherung eines Prüffalls erstellt worden. Der Zeitpunkt, an dem der Polizeivollzugsdienst den Vorfall vom 12.06.2010 in POLAS-BW eingetragen habe, und damit auch der genaue Zeitpunkt, ab dem der Zwei-Jahreszeitraum exakt zu laufen begonnen habe, lasse sich den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen nicht sicher entnehmen. Die gesamten Umstände des Falls und die Einlassungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ließen aber den Schluss zu, dass die Speicherung tatsächlich im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Tat vom 12.06.2010 erfolgt sei. Der Zwei-Jahreszeitraum für die Speicherung des ersten den Kläger betreffenden Vorfalls vom 12.06.2010 ende damit im Juni 2012. Der Vermerk vom 20.08.2012 sei daher verspätet erstellt worden und stehe nicht in dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums. Auf die Bestandskraft des Bescheids der Polizeidirektion Freiburg vom 25.11.2012 könne sich der Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil sich die Sach- und Rechtslage danach unter anderem insoweit auch zu Gunsten des Klägers verändert habe, als die Zweijahresfrist für die Speicherung des Vorfalls abgelaufen und eine weitere Speicherung nur nach Prüfung der Wiederholungsgefahr und Dokumentation dieser Prüfung zulässig gewesen sei. Abgesehen davon müsse die Polizei dem mit einer langjährigen Datenspeicherung einhergehenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fortlaufend Rechnung tragen und entweder aufgrund konkreter Erkenntnisse oder im Rahmen gesetzlicher Überprüfungsfristen sowie nach Ablauf anderer gesetzlicher Prüfzeiträume, wie zum Beispiel des Zwei-Jahreszeitraums nach § 38 Abs. 2 Satz 1 PolG die Rechtmäßigkeit gespeicherter personenbezogener Daten unter Kontrolle halten und gegebenenfalls auch nach Erlass eines bestandskräftigen Bescheids, mit dem eine Datenlöschung abgelehnt worden sei, im Wege von Ermessensentscheidungen nach Maßgabe der § 51 Abs. 5, § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG überprüfen. Demgegenüber habe der Kläger keinen Anspruch auf Löschung der Daten über die zwei Vorfälle vom 08.02.2012 sowie die Vorfälle vom 27.10.2012 und vom 24.05.2015. Die Speicherung dieser Daten sei rechtmäßig erfolgt. Die Voraussetzungen für ihre Löschung lägen nicht vor.
18 
Der Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt, mit der er die vollständige Abweisung der Klage begehrt. Zur Begründung trägt er vor, das angefochtene Urteil erfasse die Regelungssystematik des § 38 Abs. 3 PolG nicht vollständig. § 38 Abs. 3 PolG habe zwei Alternativen. Die weitere Speicherung sei zum einen zulässig, wenn bezüglich der betroffenen Person die Prognose der Wiederholungsgefahr gestellt werden könne. In Fällen mittlerer und leichter Kriminalität sei es jedoch nach der alten Rechtslage im Zeitpunkt der Speicherung der Daten häufig schwierig gewesen, diese positiv anzustellen. Um praktische Schwierigkeiten bei der Anwendung der Vorschrift zu vermeiden und mit dem Ziel, den Kreis der Personen, über die Daten gespeichert würden, auf diejenigen zu begrenzen, der für die polizeiliche Arbeit tatsächlich relevant sei, sei durch das Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes vom 18.11.2008 die zweite Alternative in § 38 Abs. 3 Satz 3 eingefügt worden. Seither sei eine über die Zwei-Jahresfrist hinausgehende Weiterverwendung der Daten auch dann zulässig, wenn die betroffene Person während der zweijährigen Prüffrist in den Verdacht geraten sei, eine weitere Straftat begangen zu haben. Die Person gelte nach dieser gesetzlichen Fiktion per se als Wiederholungstäter. Damit werde in diesen Fällen die Negativprognose auf eine sichere Basis gestellt und lasse sich in der Praxis anhand objektiver Kriterien eindeutig und überprüfbar stellen.
19 
Das Verwaltungsgericht habe im angefochtenen Urteil zwar beide Varianten von § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG zutreffend dargestellt, die zweite Variante finde bei der weiteren Würdigung jedoch keine Beachtung. Unstreitig sei die Rechtmäßigkeit der Speicherung der am 12.06.2010 begangenen gefährlichen Körperverletzung, da die Schuld des Klägers aufgrund eines rechtskräftigen Urteils feststehe. Dieser Vorgang sei gemäß § 38 Abs. 2 PolG als sogenannter Prüffall in POLAS-BW erfasst worden und wäre insoweit nach Ablauf einer Speicherfrist von zwei Jahren am 12.06.2012 wieder gelöscht worden. Der Kläger sei jedoch am 08.02.2012, also vier Monate vor Ablauf der zweijährigen Prüffrist, erneut in den Verdacht geraten, eine weitere Körperverletzung begangen zu haben. Es sei bezüglich dieses Vorgangs nicht rechtskräftig freigesprochen worden, aus der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 19.03.2012 ergebe sich auch nicht positiv, dass der Kläger die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen habe. Daher sei dieser zweite Vorgang rechtmäßig in POLAS-BW erfasst worden. Wegen dieses einschlägigen Verdachts aufgrund des Vorfalls vom 08.02.2012 gelte der Kläger gemäß § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG hinsichtlich der am 12.06.2010 begangenen gefährlichen Körperverletzung per se als Wiederholungstäter. Insoweit komme es auf die weitergehende Prüfung und Begründung einer Wiederholungsgefahr nach § 38 Abs. 3 Satz 1 PolG vorliegend nicht an.
20 
Der Beklagte beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 12.01.2016 - 4 K 1915/15 - teilweise zu ändern und die Klage abzuweisen.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts, des Beklagten und der Staatsanwaltschaft Freiburg zu den Verfahren ...... vor.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist teilweise zu ändern. Die Klage ist vollständig abzuweisen.
26 
1. Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim Verwaltungsgericht eingelegt (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO).
27 
2. Die Berufung ist begründet. Die auf Löschung aller über den Kläger in POLAS-BW gespeicherten personenbezogenen Daten gerichtete Klage ist vollständig abzuweisen. Der Kläger hat auch bezüglich der über den Vorfall vom 12.06.2010 in POLAS-BW über ihn gespeicherten Daten keinen Anspruch auf Löschung nach § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG oder § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG. Denn ein etwaiger Löschungsanspruch ist durch den Bescheid der Polizeidirektion Freiburg vom 25.11.2012 bestandskräftig abgelehnt worden (a). Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren (b) oder im weiteren Sinne (c) besteht nicht.
28 
Dem Senat ist nicht verwehrt, die Klage im Hinblick auf die Bestandskraft des Bescheids vom 25.11.2012 vollständig abzuweisen, obwohl sich der Beklagte zweitinstanzlich hierauf nicht beruft. Mit der zulässigen Berufung ist dem Berufungsgericht innerhalb des Streitgegenstands die vollständige Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils eröffnet. Das Berufungsurteil muss sich auch im Falle des Erfolgs der Berufung nicht auf die mit der Berufungsbegründung angeführten Punkte stützen. Denn die Berufungsbegründung wird nicht dadurch mangelhaft, dass die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils und die Berufungsbegründung nicht übereinstimmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.04.2000 - 9 M 170/00 - NVwZ 2000, 1042).
29 
a) Der Beklagte hat mit Bescheid vom 25.11.2012 auch über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Löschung der in POLAS-BW über den Kläger gespeicherten Daten zum Vorfall vom 12.06.2010 entschieden. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid ist unanfechtbar geworden, da der Kläger hiergegen keinen Widerspruch eingelegt hat. Die Bestandskraft des Bescheides hat - in den Grenzen der Regelungen über das Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und das Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG (s. dazu unter b und c) - zur Folge, dass der Kläger aufgrund der abschließenden Entscheidung im genannten Bescheid nicht erneut geltend machen kann, er habe einen Anspruch auf Löschung dieser Daten.
30 
b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG. Die Behörde hat nach § 51 Abs. 1 LVwVfG auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2), oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3). Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 LVwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 Satz 1 und 2 LVwVfG).
31 
Eine nachträgliche Änderung der Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG liegt nur vor, wenn sich die Sachlage nach Erlass des Verwaltungsakts geändert hat. Insoweit reicht es nicht aus, wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden, aber im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts bereits vorlagen (vgl. Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 51 Rn. 33; Ziekow, VwVfG, 2. Aufl., § 51 Rn. 7; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 51 Rn. 25; Falkenbach, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 51 Rn. 30).
32 
Die Kenntnis vom Wiederaufgreifensgrund i.S.d. § 51 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG erhält der Betroffene, wenn er die sichere Kenntnis der Tatsachen gewinnt, die den Wiederaufgreifensgrund erfüllen. Ein rechtliche Einordnung als Wiederaufgreifensgrund ist für den Fristbeginn nicht erforderlich (vgl. Baumeister, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl., § 51 Rn. 43; Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 47; je m.w.N).
33 
Ist ein Antrag nach § 51 Abs. 1 LVwVfG gestellt, sind die Verwaltungsgerichte nicht befugt, andere als vom Antragsteller selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Antrags zugrunde zu legen.Denn das Erfordernis der Antragstellung und deren Fristgebundenheit nach § 51 Abs. 1 und 3 LVwVfG haben zur Folge, dass der Antragsteller die seiner Ansicht nach vorliegenden Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens selbst vortragen muss (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 30.08.1988 - 9 C 47/87 - NVwZ 1989, 161, m.w.N.; Beschl. v. 11.12.1989 - 9 B 320/89 - NVwZ 1990, 359; Baumeister, a.a.O., § 51 Rn. 47 f.).
34 
Im vorliegenden Fall scheidet die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 LVwVfG bereits deshalb aus, weil der Kläger mit seinen Schreiben vom 31.03.2015 und 29.04.2015 die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 Satz 1 LVwVfG nicht eingehalten hat. Der Antrag auf Neubescheidung ist - nachdem der Kläger im Schreiben vom 26.02.2015 lediglich die Löschung beantragt hat, ohne in irgendeiner Weise ein Wiederaufgreifen geltend zu machen - im Schreiben vom 31.03.2015 darauf gestützt, dass der Kläger seit dem 12.06.2010 straffrei lebe, sich der Verdacht der Körperverletzung vom 08.02.2012 nicht habe erhärten lassen und das Verfahren daher gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei und auch das Verfahren wegen Körperverletzung vom 27.10.2012 eingestellt worden sei. Die Einstellung des Verfahrens wegen des Vorfalls am 08.02.2012 um 21.50 Uhr erfolgte mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 16.03.2012, diejenige wegen des Vorfalls vom 08.02.2012 um 23.00 Uhr mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 26.07.2012. Das Verfahren wegen des Vorfalls am 27.10.2012 stellte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 05.03.2013 ein. Mit Erhalt der Einstellungsverfügungen hatte der Kläger Kenntnis von den Tatsachen, auf die er seinen Wiederaufnahmeantrag stützt. Dieser wurde jedoch erst über zwei Jahre nach Kenntnis der geltend gemachten Umstände gestellt. Die Einstellungsverfügungen vom 16.03.2012 und vom 26.07.2012 können zudem keine neue Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG herbeiführen, da sie im Zeitpunkt des bestandskräftigen Bescheids vom 25.11.2012 bereits vorlagen.
35 
Auch eine fehlende bzw. verspätete Dokumentation der Wiederholungsgefahr nach Ablauf der Zwei-Jahresfrist im Anschluss an die Tat vom 12.06.2010 kann entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts einen Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht begründen. Das Verwaltungsgericht hat - von den Beteiligten nicht angegriffen - zugrunde gelegt, dass die Speicherung des Vorfalls vom 12.06.2010 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat erfolgt ist und daher die Dokumentation der Wiederholungsgefahr mit dem Vermerk vom 20.08.2012 nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums des § 38 Abs. 2 PolG erfolgt ist (UA S. 13, 14). Sowohl der Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums als auch der Vermerk vom 20.08.2012 liegen zeitlich vor Erlass des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 25.11.2012. Daher fehlt es insoweit es an einer nachträglich entstandenen neuen Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG.
36 
c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf des Bescheids des Beklagten vom 25.11.2012 nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne).
37 
Nach § 51 Abs. 5 LVwVfG bleiben die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG und des § 49 Abs. 1 LVwVfG unberührt. Die in § 51 Abs. 5 LVwVfG verankerte Ermächtigung der Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren im Ermessenswege wiederaufzugreifen, ermöglicht auch bei rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahren die nachträgliche Kontrolle inhaltlich unrichtiger Entscheidungen. Trifft die Behörde eine positive Entscheidung zum Wiederaufgreifen, wird hierdurch die Bestandskraft durchbrochen und der Weg für eine neue Sachentscheidung eröffnet. Mit der Befugnis zum Wiederaufgreifen korrespondiert ein gerichtlich einklagbarer Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung. Dabei handelt die Behörde grundsätzlich ermessensfehlerfrei, wenn sie ein Wiederaufgreifen im Hinblick auf die rechtskräftige Bestätigung ihrer Entscheidung in dem früheren Verwaltungsverfahren und das Fehlen der Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG ablehnt. In diesen Fällen bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen der Behörde. Umstände, die ausnahmsweise eine erneute Sachentscheidung und damit ein Wiederaufgreifen gebieten, müssen in ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht mit einem der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 LVwVfG geregelten zwingenden Wiederaufgreifensgründe vergleichbar sein. Allein der Umstand, dass der bestandskräftige Verwaltungsakt nicht rechtmäßig verfügt werden durfte, genügt hierfür nicht. Dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit kommt nämlich prinzipiell kein größeres Gewicht zu als dem Gebot der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit verdichtet sich das Ermessen der Behörde zugunsten des Betroffenen, wenn das Festhalten an dem bestandskräftigen Verwaltungsakt schlechthin unerträglich wäre (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2009 - 1 C 15.08 - BVerwGE 135, 121; Urt. v. 13.12.2011 - 5 C 9.11 - juris Rn. 29; BayVGH, Beschl. v. 09.03.2015 - 12 ZB 12.1640 - juris; je m.w.N.; Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 6).
38 
Daran gemessen ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte ein Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verfahrens unter Hinweis auf den Bescheid vom 25.11.2012 und die versäumte Frist für einen Wiederaufgreifensantrag nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG abgelehnt hat. Das Festhalten am bestandskräftigen Bescheid vom 25.11.2012 ist nicht schlechthin unerträglich. Aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht Freiburg vom 30.11.2010 steht fest, dass der Kläger am 12.06.2010 eine gefährliche Körperverletzung begangen hat. Wie das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil zutreffend und vom Kläger nicht angegriffen ausgeführt hat, ist bezüglich der beiden Vorfälle vom 08.02.2012 ebenso wie bezüglich der Vorfälle vom 17.10.2012 und 24.05.2015 ein Restverdacht zulasten des Klägers gegeben. Die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 und 2 PolG für die Speicherung der Daten aus der Tat vom 12.06.2010 sind daher insoweit erfüllt. Auch der vom Verwaltungsgericht beanstandete Umstand, dass die Dokumentation der Wiederholungsgefahr für den Vorfall vom 12.06.2010 erst am 20.08.2012 erfolgte, macht das Festhalten am Bescheid vom 25.11.2012 nicht schlechthin unerträglich. Denn die Dokumentation der Wiederholungsgefahr erfolgte relativ bald nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums. Zudem setzt § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG nach seinem Wortlaut keine gesonderte Feststellung einer Wiederholungsgefahr voraus.
39 
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht dem Festhalten an dem rechtskräftigen Bescheid vom 25.11.2012 nicht entgegen, dass die Polizei dem mit einer langjährigen Datenspeicherung einhergehenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fortlaufend Rechnung tragen müsse. Zwar trifft der Ausgangspunkt zu, dass die Speicherung personenbezogener Daten nach § 38 PolG während der Speicherdauer einen dauerhaften Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bewirkt. Dies führt jedoch nicht zu von § 51 LVwVfG abweichenden Rechtsfolgen. Denn der Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG kann von vornherein nur für Veränderungen gelten, die die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung unmittelbar berühren. Die Regelung erfasst somit praktisch nur Dauerverwaltungsakte (vgl. Ramsauer, § 51 Rn. 27). Der Umstand, dass die Speicherung personenbezogener Daten nach § 38 PolG zu einer dauerhaften Belastung des Betroffenen führt, ist somit im Hinblick auf § 51 Abs. 1 LVwVfG kein Ausnahmefall, sondern die typischerweise gegebene Situation. Dieser Umstand bewirkt insoweit eine Pflicht der Behörde, die Rechtmäßigkeit der Datenspeicherung unter Kontrolle zu halten, als sie zum einen über einen Wiederaufgreifensantrag unter Beachtung der Regelungen des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 LVwVfG zu entscheiden und zum anderen die Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung der personenbezogenen Daten nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfristen zu prüfen hat. Nur im Ausnahmefall ist die Löschung vor Ablauf der Regelspeicherfristen geboten, wenn die Überprüfung im Einzelfall ergibt, dass die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist (vgl. dazu ausf. Senat, Urt. v. 10.02.2015 - 1 S 554/13 - VBlBW 2015, 506). Für einen solchen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich. Mit den Regelungen des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 LVwVfG sowie der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung der personenbezogenen Daten nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfristen ist dem Umstand, dass ein dauernder Eingriff vorliegt, daher ausreichend Rechnung getragen.
40 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
41 
Beschluss vom 30. November 2016
42 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
25 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist teilweise zu ändern. Die Klage ist vollständig abzuweisen.
26 
1. Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim Verwaltungsgericht eingelegt (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO).
27 
2. Die Berufung ist begründet. Die auf Löschung aller über den Kläger in POLAS-BW gespeicherten personenbezogenen Daten gerichtete Klage ist vollständig abzuweisen. Der Kläger hat auch bezüglich der über den Vorfall vom 12.06.2010 in POLAS-BW über ihn gespeicherten Daten keinen Anspruch auf Löschung nach § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG oder § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG. Denn ein etwaiger Löschungsanspruch ist durch den Bescheid der Polizeidirektion Freiburg vom 25.11.2012 bestandskräftig abgelehnt worden (a). Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren (b) oder im weiteren Sinne (c) besteht nicht.
28 
Dem Senat ist nicht verwehrt, die Klage im Hinblick auf die Bestandskraft des Bescheids vom 25.11.2012 vollständig abzuweisen, obwohl sich der Beklagte zweitinstanzlich hierauf nicht beruft. Mit der zulässigen Berufung ist dem Berufungsgericht innerhalb des Streitgegenstands die vollständige Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils eröffnet. Das Berufungsurteil muss sich auch im Falle des Erfolgs der Berufung nicht auf die mit der Berufungsbegründung angeführten Punkte stützen. Denn die Berufungsbegründung wird nicht dadurch mangelhaft, dass die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils und die Berufungsbegründung nicht übereinstimmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.04.2000 - 9 M 170/00 - NVwZ 2000, 1042).
29 
a) Der Beklagte hat mit Bescheid vom 25.11.2012 auch über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Löschung der in POLAS-BW über den Kläger gespeicherten Daten zum Vorfall vom 12.06.2010 entschieden. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid ist unanfechtbar geworden, da der Kläger hiergegen keinen Widerspruch eingelegt hat. Die Bestandskraft des Bescheides hat - in den Grenzen der Regelungen über das Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und das Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG (s. dazu unter b und c) - zur Folge, dass der Kläger aufgrund der abschließenden Entscheidung im genannten Bescheid nicht erneut geltend machen kann, er habe einen Anspruch auf Löschung dieser Daten.
30 
b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG. Die Behörde hat nach § 51 Abs. 1 LVwVfG auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2), oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3). Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 LVwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 Satz 1 und 2 LVwVfG).
31 
Eine nachträgliche Änderung der Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG liegt nur vor, wenn sich die Sachlage nach Erlass des Verwaltungsakts geändert hat. Insoweit reicht es nicht aus, wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden, aber im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts bereits vorlagen (vgl. Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 51 Rn. 33; Ziekow, VwVfG, 2. Aufl., § 51 Rn. 7; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 51 Rn. 25; Falkenbach, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 51 Rn. 30).
32 
Die Kenntnis vom Wiederaufgreifensgrund i.S.d. § 51 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG erhält der Betroffene, wenn er die sichere Kenntnis der Tatsachen gewinnt, die den Wiederaufgreifensgrund erfüllen. Ein rechtliche Einordnung als Wiederaufgreifensgrund ist für den Fristbeginn nicht erforderlich (vgl. Baumeister, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl., § 51 Rn. 43; Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 47; je m.w.N).
33 
Ist ein Antrag nach § 51 Abs. 1 LVwVfG gestellt, sind die Verwaltungsgerichte nicht befugt, andere als vom Antragsteller selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Antrags zugrunde zu legen.Denn das Erfordernis der Antragstellung und deren Fristgebundenheit nach § 51 Abs. 1 und 3 LVwVfG haben zur Folge, dass der Antragsteller die seiner Ansicht nach vorliegenden Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens selbst vortragen muss (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 30.08.1988 - 9 C 47/87 - NVwZ 1989, 161, m.w.N.; Beschl. v. 11.12.1989 - 9 B 320/89 - NVwZ 1990, 359; Baumeister, a.a.O., § 51 Rn. 47 f.).
34 
Im vorliegenden Fall scheidet die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 LVwVfG bereits deshalb aus, weil der Kläger mit seinen Schreiben vom 31.03.2015 und 29.04.2015 die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 Satz 1 LVwVfG nicht eingehalten hat. Der Antrag auf Neubescheidung ist - nachdem der Kläger im Schreiben vom 26.02.2015 lediglich die Löschung beantragt hat, ohne in irgendeiner Weise ein Wiederaufgreifen geltend zu machen - im Schreiben vom 31.03.2015 darauf gestützt, dass der Kläger seit dem 12.06.2010 straffrei lebe, sich der Verdacht der Körperverletzung vom 08.02.2012 nicht habe erhärten lassen und das Verfahren daher gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei und auch das Verfahren wegen Körperverletzung vom 27.10.2012 eingestellt worden sei. Die Einstellung des Verfahrens wegen des Vorfalls am 08.02.2012 um 21.50 Uhr erfolgte mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 16.03.2012, diejenige wegen des Vorfalls vom 08.02.2012 um 23.00 Uhr mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 26.07.2012. Das Verfahren wegen des Vorfalls am 27.10.2012 stellte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 05.03.2013 ein. Mit Erhalt der Einstellungsverfügungen hatte der Kläger Kenntnis von den Tatsachen, auf die er seinen Wiederaufnahmeantrag stützt. Dieser wurde jedoch erst über zwei Jahre nach Kenntnis der geltend gemachten Umstände gestellt. Die Einstellungsverfügungen vom 16.03.2012 und vom 26.07.2012 können zudem keine neue Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG herbeiführen, da sie im Zeitpunkt des bestandskräftigen Bescheids vom 25.11.2012 bereits vorlagen.
35 
Auch eine fehlende bzw. verspätete Dokumentation der Wiederholungsgefahr nach Ablauf der Zwei-Jahresfrist im Anschluss an die Tat vom 12.06.2010 kann entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts einen Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht begründen. Das Verwaltungsgericht hat - von den Beteiligten nicht angegriffen - zugrunde gelegt, dass die Speicherung des Vorfalls vom 12.06.2010 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat erfolgt ist und daher die Dokumentation der Wiederholungsgefahr mit dem Vermerk vom 20.08.2012 nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums des § 38 Abs. 2 PolG erfolgt ist (UA S. 13, 14). Sowohl der Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums als auch der Vermerk vom 20.08.2012 liegen zeitlich vor Erlass des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 25.11.2012. Daher fehlt es insoweit es an einer nachträglich entstandenen neuen Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG.
36 
c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf des Bescheids des Beklagten vom 25.11.2012 nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne).
37 
Nach § 51 Abs. 5 LVwVfG bleiben die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG und des § 49 Abs. 1 LVwVfG unberührt. Die in § 51 Abs. 5 LVwVfG verankerte Ermächtigung der Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren im Ermessenswege wiederaufzugreifen, ermöglicht auch bei rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahren die nachträgliche Kontrolle inhaltlich unrichtiger Entscheidungen. Trifft die Behörde eine positive Entscheidung zum Wiederaufgreifen, wird hierdurch die Bestandskraft durchbrochen und der Weg für eine neue Sachentscheidung eröffnet. Mit der Befugnis zum Wiederaufgreifen korrespondiert ein gerichtlich einklagbarer Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung. Dabei handelt die Behörde grundsätzlich ermessensfehlerfrei, wenn sie ein Wiederaufgreifen im Hinblick auf die rechtskräftige Bestätigung ihrer Entscheidung in dem früheren Verwaltungsverfahren und das Fehlen der Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG ablehnt. In diesen Fällen bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen der Behörde. Umstände, die ausnahmsweise eine erneute Sachentscheidung und damit ein Wiederaufgreifen gebieten, müssen in ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht mit einem der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 LVwVfG geregelten zwingenden Wiederaufgreifensgründe vergleichbar sein. Allein der Umstand, dass der bestandskräftige Verwaltungsakt nicht rechtmäßig verfügt werden durfte, genügt hierfür nicht. Dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit kommt nämlich prinzipiell kein größeres Gewicht zu als dem Gebot der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit verdichtet sich das Ermessen der Behörde zugunsten des Betroffenen, wenn das Festhalten an dem bestandskräftigen Verwaltungsakt schlechthin unerträglich wäre (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2009 - 1 C 15.08 - BVerwGE 135, 121; Urt. v. 13.12.2011 - 5 C 9.11 - juris Rn. 29; BayVGH, Beschl. v. 09.03.2015 - 12 ZB 12.1640 - juris; je m.w.N.; Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 6).
38 
Daran gemessen ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte ein Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verfahrens unter Hinweis auf den Bescheid vom 25.11.2012 und die versäumte Frist für einen Wiederaufgreifensantrag nach § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG abgelehnt hat. Das Festhalten am bestandskräftigen Bescheid vom 25.11.2012 ist nicht schlechthin unerträglich. Aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht Freiburg vom 30.11.2010 steht fest, dass der Kläger am 12.06.2010 eine gefährliche Körperverletzung begangen hat. Wie das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil zutreffend und vom Kläger nicht angegriffen ausgeführt hat, ist bezüglich der beiden Vorfälle vom 08.02.2012 ebenso wie bezüglich der Vorfälle vom 17.10.2012 und 24.05.2015 ein Restverdacht zulasten des Klägers gegeben. Die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 und 2 PolG für die Speicherung der Daten aus der Tat vom 12.06.2010 sind daher insoweit erfüllt. Auch der vom Verwaltungsgericht beanstandete Umstand, dass die Dokumentation der Wiederholungsgefahr für den Vorfall vom 12.06.2010 erst am 20.08.2012 erfolgte, macht das Festhalten am Bescheid vom 25.11.2012 nicht schlechthin unerträglich. Denn die Dokumentation der Wiederholungsgefahr erfolgte relativ bald nach Ablauf des Zwei-Jahreszeitraums. Zudem setzt § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG nach seinem Wortlaut keine gesonderte Feststellung einer Wiederholungsgefahr voraus.
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht dem Festhalten an dem rechtskräftigen Bescheid vom 25.11.2012 nicht entgegen, dass die Polizei dem mit einer langjährigen Datenspeicherung einhergehenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fortlaufend Rechnung tragen müsse. Zwar trifft der Ausgangspunkt zu, dass die Speicherung personenbezogener Daten nach § 38 PolG während der Speicherdauer einen dauerhaften Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bewirkt. Dies führt jedoch nicht zu von § 51 LVwVfG abweichenden Rechtsfolgen. Denn der Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG kann von vornherein nur für Veränderungen gelten, die die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung unmittelbar berühren. Die Regelung erfasst somit praktisch nur Dauerverwaltungsakte (vgl. Ramsauer, § 51 Rn. 27). Der Umstand, dass die Speicherung personenbezogener Daten nach § 38 PolG zu einer dauerhaften Belastung des Betroffenen führt, ist somit im Hinblick auf § 51 Abs. 1 LVwVfG kein Ausnahmefall, sondern die typischerweise gegebene Situation. Dieser Umstand bewirkt insoweit eine Pflicht der Behörde, die Rechtmäßigkeit der Datenspeicherung unter Kontrolle zu halten, als sie zum einen über einen Wiederaufgreifensantrag unter Beachtung der Regelungen des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 LVwVfG zu entscheiden und zum anderen die Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung der personenbezogenen Daten nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfristen zu prüfen hat. Nur im Ausnahmefall ist die Löschung vor Ablauf der Regelspeicherfristen geboten, wenn die Überprüfung im Einzelfall ergibt, dass die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist (vgl. dazu ausf. Senat, Urt. v. 10.02.2015 - 1 S 554/13 - VBlBW 2015, 506). Für einen solchen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich. Mit den Regelungen des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG und des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 LVwVfG sowie der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung der personenbezogenen Daten nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfristen ist dem Umstand, dass ein dauernder Eingriff vorliegt, daher ausreichend Rechnung getragen.
40 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
41 
Beschluss vom 30. November 2016
42 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.